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GESAMMELTE SCHRIFTEN
VON
THEODOR MOMMSEN
SECHSTER BAND
HISTORISCHE SCHRIFTEN
DRITTER BAND
BERLIN
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG
1910
1
HISTORISCHE SCHRIFTEN
VON
THEODOR MOMMSEN
DRITTER BAND
BERLIN
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNa
1910
Weimar. — Hof- Buchdruckerei.
V 0 r w 0 r t.
Den Bemerkungen, die ich dem ersten Band der Historischen
Schriften vorausgeschickt habe, ist nur hinzuzufügen, dass bei der
Vorbereitung und Korrektur auch des zweiten Bandes Dr. Eugen
Tiiubler tätig gewesen ist; an seine Stelle ist für den dritten Band
Dr. Martin Bang getreten. Bei der Drucklegung auch dieser Bände
hat mich mein Freund Hermann Dessau mit seinem Rat unaus-
gesetzt unterstützt.
Die Ausarbeitung des Registers zu den Historischen Schriften
wird Dr. Walter Baehr verdankt.
Nicht abgedruckt habe ich den Aufsatz: Ordo et spatia episco-
ponim Romanorum in l'ibro pontificali (Jacobs n. 1344), da derselbe
im wesentlichen mit Erweiterungen in der Ausgabe des Liber Ponti-
ficalis (p. XXVni— LVH) wiederholt worden ist.
Charlottenburg, Oktober 1910.
Otto Hirschfeld.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Die GaYdetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit
(1879) 1
Tl. Die germanischen Leibwächter der römischen Kaiser (1883) . 17
III. Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit (1884) . . 20
IV. Äc^yptische Legionare (1900) 118
V. Praetorium (1900) 128
VI. Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen
(1886) 134
VII. Die römischen Provinzialmilizen (1887) 145
VIII. Die Hastiferi von Castel (1889) 156
IX. Die Walldürner Inschrift (1897) 166
X. Inschrift vom Feldberg (1892) 173
XL Die römischen Lagerstädte (1873) 176
XII. Dux (1866) 204
XIII. Das römische Militärwesen seit Diocletian (1889) 206
XIV. Die diocletianische Reichspraefectur (1901) 284
XV. Zu der Inschrift von Tropaea (1894) 300
XVI. Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft
in ihrem titularen Ausdruck (1882) 303
XVII. Consularia (1897) 324
XVIII. Das römisch -germanische Herrscherjahr (1891) 343
XIX. Aera (1893) 359
XX. Ostgothische Studien (1889) 362
XXI. Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus
(1880) 485
XXII. Christianity in the Roman empire (1893) 540
XXIII. Zu Apostelgeschichte 28, 16 (1895) 546
XXIV. Zweisprachige Inschrift aus Arykanda (1893) 555
XXV. Papianisches (1902) 566
XXVI. Die römischen Bischöfe Liberius und Felix IL (1896/7) ... 570
XXVII. Die Synode von Turia (1892) 582
XXVIII. Thessalonikische Kaisererlasse (1893) 585
XXVlIIa. Eine Erwiederung (1894) 586
XXIX. Zeitzer Ostertafel vom Jahre 447 (1862) 589
XXX. Das Nonnenalter (1897) 602
VIII
XXXI.
XXXII.
XXXIII.
XXXIV.
XXXV.
XXXVI.
XXXVII.
XXXVIII.
XXXIX.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Ueber die Acten zum Schisma des Jahres 530 (1885) .... 605
Über einen neu aufgefundenen Reisebericht nach dem gelobten
Lande (1887) 610
Die Papstbriefe bei Beda (1892) 619
Bemerkungen zu den Papstbriefen der Britischen Sammlung
(1890) 629
Die Historia Brittonum und König Lucius von Britannien (1894) 631
Zu den Annales Vedastini (1891) 640
Zur V^eltchronik vom J. 741 (1897) 643
Brief des Bischofs Theonas (1894) 649
Rezensionen 653
Inhaltsverzeichnis zu Band IV — VI 655
^^
I.
Die Gardetruppen der römischen Republik
und der Kaiserzeit.*)
Es liegt im Wesen der römischen Bürgerwehr, dass es eine 25
Leibwache für den Feldherrn als besondere Abtheilung in ihr nicht
giebt. Die ersten Anfänge einer Aussonderung zu diesem Zweck
zeigen sich merkwürdiger Weise bei den dem Bürgerheer ange-
schlossenen bundesgenössischen Abtheilungen; nach der Wehrordnung
des sechsten Jahrhunderts der Stadt, wie Polybios sie schildert,
wird aus denselben unter dem Namen der extraordinarü ^ ein Eliten-
corps sowohl von Infanterie wie von Reiterei gebildet, und zwar in
dem Verhältniss, dass auf die Doppellegion (von 8200 Mann Bürger-
und 8000 bundesgenössischer Infanterie und 600 Bürger-, 1200
bundesgenössischen Reitern) oder das gewöhnliche consularische Heer
ungefähr 2000 extraordinarü zu Fuss und 600 zu Pferd kommen 2;
jene bildeten vier Cohorten^, diese vermuthlich zwanzig Türmen.
Dass diese Abtheilungen zunächst für die Bedeckung des Haupt-
quartiers und der Person des Feldherrn verwendet werden,**) beweist
*) [Hermes 14, 1879 S. 25—35 mit Nachträgen S. 160 und B. 16, 1881
S. 643 — 647. — Vgl. F. Fröhlich, die Gardetruppen der römischen Republik.
Aarau 1882.]
1) Den Namen hat Polybios 6, 26,6 lateinisch, ferner Livius 27, 12, 14.
34, 47, 3. 40, 27, 3.
2) Eine genaue Berechnung gestatten die Ansätze bei Polybios nicht (vgl.
Marquardt Staatsverw. 2,879. 386 [2. Aufl. 391 f. 398]); auch hing wahr-
scheinlich die Stärke der Elitenabtheilungen wesentlich von dem Ermessen des
jeweiligen Feldherrn ab.
3) Dies zeigt Livius 40, 27, 3, wo der Bericht zwar nicht ganz in sich
harmonirt (denn der linke Flügel der Bundesgenossen von 4000 M. muss mehr,
wahrscheinlich zehn Cohorten gehabt haben, während doch nur von vieren die
Verwendung nachweisbar ist), aber doch zu ergeben scheint, dass es in dem
Zweilegionenheer vier Elitencohorten gegeben hat.
**) [Dagegen v. Domaszewski bei Marquardt, Staatsverwaltung 2* S. 402 A. 1.1
MOMMSEN, SCHR, VI. 1
2 Die Gardetruijpen der römischen Republik und der Kaiserzeit.
namentlich 1 der Bericht über den Tod des Marcellus: als die beiden
26 Consuln des J. 546 eine Recognoscirung persönlich auszuführen be-
schliessen, nehmen sie zu ihrer Bedeckung ausser den Lictoren, die
nicht formell als Soldaten anzusehen sind, nur einige Schwadronen
bundesgenössischer Reiter mit 2. Dass bei der Bürgerwehr keine
analoge Einrichtung bestand, geht sowohl aus dem Schweigen der
beglaubigten Berichte hervor^ wie daraus, dass es an jeder for-
mellen Handhabe für eine solche Scheidung fehlte; wie sie denn
auch dem "Wesen der republikanischen Heerordnung auf das Schroffste
widersprach.
Eine folgenreiche Aenderung in diesen Ordnungen führte der
numantinische Krieg herbei. Das Conimando, welches der jüngere
Africanus als Consul im J. 620 übernahm, war zunächst nicht so
sehr gegen den Feind gerichtet als gegen das verwilderte und zügel-
lose römische Heer; er bedurfte desshalb einer eigenen ihm ganz
ergebenen und unbedingt zuverlässigen Truppe. Von der gewöhn-
lichen Heerbildung nach dem gesetzlichen Aushebungsschema wurde
abgesehen und durch einen besonderen Senatsbeschluss dem Scipio
ein anderes den bestehenden Gesetzen keineswegs entsprechendes
"Verfahren gestattet. Scipio rief Freiwillige auf in der Zahl von
4000 Mann, von denen die mit Rom verbündeten Städte und König-
reiche den grössten Theil stellten, offenbar ein Surrogat der gewöhn-
lichen bundesgenössischen extraordinarii. Ausserdem aber bildete
er aus seinen dienten und Freunden eine Bürgerabtheilung von
500 Mann*, welche der Ausgangspunct für das Institut der Garde
1) Wo in den römischen Annalen einzelne benannte Cohorten oder Türmen
der Bundestruppen auftreten, sind wohl meistens die Abtheilungen dieser extra-
ordinarii gemeint.
2) Liv. 27, 26, 11 : cum equitibus CCXX, ex quibus quadraginta Fregellani,
ceteri Etrusci erant, pi'oficiscuntur (hieraus Plutarch Marc. 29, der ausdrücklich
hervorhebt, dass sie römische Soldaten nicht bei sich hatten). Dass diese Reiter
den extraordinarii entnommen sind, sagt Livius nicht, aber es liegt in der Sache.
Polyb. 10, 32: rcöv tnneojv avalaßövTeg Hag ovo xal yQoa(pofjidyovg ixerä xG>v Qaßöo-
(pÖQCov eig rQtäxovxa. Dass diese Reiter und Schützen Bundesgenossen sind, sagt
Polybios nicht, schliesst es aber nicht aus. 300 Reiter giebt dem Marcellus
Appian Hann. 50.
3) Es ist charakteristisch für den livianischen Bericht (2, 20) über die Schlacht
am Regillersee, dass die Cohorte des Dictators Postumius, quam delectam manum
praesidii causa circa se hahebat, darin eine hervorragende Rolle spielt.
4) Dies alles ergiebt der eingehende Bericht Appians Hisp. 84, den Wölfflin
(Philologus 34, 413) richtig mit der bekannteren Notiz des Festus (unten S. 8
A. 1) über die Entstehung der praetoria cohors combinirt hat.
Die Gardetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit. 3
geworden ist^. Die Benennung dieser Truppen war cohors amiconnn, 27
die Schaar der Freunde 2, oder auch coJiors j^raetoria, die Haupt-
quartierschaar ^. — Als eine Reiterabtheilung kann sie nicht angesehen
werden, da dies weder mit der Benennung cohors noch mit der
späteren Entwickelung des Instituts sich verträgt; wohl aber hat es
darin, etwa wie in der späteren coJiors equiiata, eine Anzahl Reiter-
stellen gegeben oder ist sogar dem Feldherrn gestattet worden den
einzelnen Cohortalen nach Belieben ein Pferd anzuweisen*. — Die
Freiwilligen dieser Abtheilung erhielten Löhnung, und sogar um die 28
Hälfte mehr als die Legionare (A. 1); doch scheint, wie diese
1) Festus p. 223 M.: praetoria cohors est dicta, quod a praetore non discedebat.
Scipio enim Africanus prinius fortissimum quemque delegit, qui ab eo in bello non
diiicederent et cetero munere militiae vacarent et sesquiplex Stipendium acciperent.
2) Appian a. a. 0. : ijiTjydyEzo jisXdtas sx 'Pwfirjg >tai <pllovg nevTaxoaiovg, ovg
ig llrjv xaTake^ag exd?.ei <j>ü.cov D.rjv.
3) Die Bezeichnung cohors praetoria braucht Cicero Verr. 1. 1, 14, 86 und
zwar in officieller Rechnungslegung: dedi stipendio, frumento, legatis, pro qicaestore,
cöhorti praetoriae if5. — Wölfflin a. a. 0. (S. 2 A. 4) verwirft die Meldung des
Festus, weil aus dem Namen folge, dass die cohors pi'aetoria aufgekommen sei
in jener fernen Zeit, wo der Consul noch praetor geheissen habe oder richtiger,
wo pi'aetor appellativisch den FeldheiTn überhaupt bezeichnete (Staatsrecht 2, 74).
Dass diese Annahme sachlich unmöglich ist, haben wir gesehen; aber auch
sprachlich empfiehlt es sich wenigstens ebenso sehr die cohors praetoria, statt
auf den praetor, vielmehr auf das pi'oetoritnn zurückzuführen, zumal wenn man
des militare in praetorio und ähnlicher Ausdrücke sich erinnert.
4) Dass Appian diese Truppe als Ihj bezeichnet, ist auffallend. "Rtj ist
bei ihm wie bei Folybios für die ältere Zeit regelmässig iztrma ; diese aber passt
hier schlechterdings nicht, und es findet .sich das Wort auch in weiterer Ver-
wendung, wie Polybios 10, 42, 6 von Philipps von Makedonien ßaoilixt] i/.i]
spricht und wie dies die spätere officielle Bezeichnung der ala der Kaiserzeit
als iXrj weiter bestätigt. Aber als Reiterabtheilung muss Appian sich die
Truppe gedacht haben , da er sonst den Ausdruck ü.rj sicher nicht gebraucht
haben würde. Dann aber hat er geirrt; der Name cohors, den die Trujjpe ohne
Zweifel geführt hat, kann einer lediglich aus Reitern be.steheuden Abtheilung
nicht gegeben werden. Auch der anderthalbfache Sold passt wohl für eine
bevorzugte Infanterieabtheilung, aber sehr wenig für eine Reitertruppe, da ja
der Reiter wenigstens der Legion den dreifachen Sold empfängt; warum Wölfflin
(a. a. 0.) umgekehrt aus dem sesquiplex Stipendium der cohors praetoria folgert,
dass sie aus Reitern bestanden habe, ist mir nicht deutlich geworden. Aber
eine gemischte Truppe kann allerdings die cohoi's gewesen sein; und wenn man
annimmt, was beides möglich ist, dass entweder bei der cohors amicorum eine
beträchtliche Anzahl Reiterstellen waren oder auch, dass es hier im freien
Ermessen des Feldherrn stand, wem er ein Pferd anweisen wollte und dass
diese Anweisung in bedeutendem Umfang stattfand, so mochte wohl dem Appian
für die cohors amicoriim, wie er sie ohne Zweifel aus eigener Anschauung kannte,
üf] die passende Bezeichnung zu sein scheinen.
1*
4 Die Gardetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit.
ganze Einrichtung nicht auf gesetzlicher Grundlage ruhte, so auch
ihre Löhnung mehr den bei den Officieren üblichen Gratificationen
als dem gesetzlich normirten Stipendium gleichgeachtet worden zu
sein^. — Dass in diesem Truppenkörper Elemente verschiedener
gesellschaftlicher Stellung, 'Freunde und dienten' des Feldherrn, wie
Appian dies ausdrückt, sich zusammenfanden, ist bei der Entstehung
und Zweckbestimmung desselben begreiflich; wahrscheinlich kam
dieser Gegensatz, der zu einer Entwickelung der cohors amicorum
praetoria nach entgegengesetzten Seiten und schliesslich zu einer
Spaltung dieser Organisation geführt hat, schon von Haus aus auch
äusserlich zur Geltung sowohl bei der Anweisung der Pferde wie
bei der Soldzahlung. Ihr gehören einmal an die jungen Leute von
guter Herkunft, wie sie besonders aus den Dichtern der augustischen
Epoche wohlbekannt sind^; es ist kaum zu bezweifeln, dass diese zu
Pferde dienten und wenig wahrscheinlich, dass sie Löhnung nahmen,
wenn sie auch vielleicht dazu berechtigt waren. Wenn dagegen die
Soldaten der 'prätorischen Cohorte' von Haus aus um die Hälfte
mehr Löhnung empfingen als die Fusssoldaten der Bürgerwehr, so
werden wir dies auf die 'Clienten' zu beziehen haben, die Scipio und
die späteren Heerführer als Freiwillige annahmen und die wohl stets
die Hauptmasse der prätorischen Cohorten der Republik gebildet
haben werden. Allem Anschein nach ist diese Einrichtung gleich
mit oder doch bald nach dem J. 620 in der Weise stehend geworden,
dass sämmtlichen Provinzialstatthaltern bei der ornatio ihrer Aemter
vom Senat die Befugniss zur Annahme von Freiwilligen aus der
römischen Bürgerschaft in gleichem Masse wie dem Scipio ein-
geräumt ward. Dass noch in der ersten Kaiserzeit die ^GraecP
nicht in, sondern neben der cohors amicorum standen^, erklärt sich
29 von selbst, nachdem festgestellt ist, dass die zu der cohors amicorum
gehörigen Personen im Rechtssinne als freiwillig dienende römische
Bürger betrachtet worden sind. Es ist wahrscheinlich, dass die
Stärke des Corps von 500 Mann in dieser Epoche stehend gewesen
ist; auf jeden Fall hat damals der einzelne Feldherr, abgesehen von
den bundesgenössischen extraordinarii , die übrigens in Folge der
1) Dies erhellt aus der Art, wie die Löhnung dieser Cohorte in den Rech-
nungen auftritt (S. 3 A. 3) : dedi stipendio, frumento, legatis, pro quaestore, cohorti
praetoriae.
2) Cicero Verr. 1. 2, 27, 66. Horatius ep. 1, 8, 14. sat. 1, 7, 23. Tibullus
1, 3, 2.
3) Plutarch Brut. 53; Sueton Tib. 46. Vgl. Hermes 4, 121 [= Ges. Sehr. 4
S. 312]; Staatsrecht 2 S. 835.
Die Gardetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit. 5
Erstreckung des Bürgerrechts auf alle Italiker im "Verfolg des
marsischen Krieges von selber verschwanden, nicht mehr als eine
cohors praetoria gehabt^.
In dieser Gestalt ist das Institut einer aus Freiwilligen gebildeten
im Dienst befreiten und in der Löhnung besser gestellten Bürger-
truppe bereits im letzten Jahrhundert der Republik aufgekommen.
Eine weitere Yeränderung trat zunächst unter dem Triumvirat ein.
Als nach der Schlacht bei Philippi die beiden Sammtherrscher
Antonius und Caesar das Heer reorganisirten, bildeten sie aus den
zur Entlassung stehenden Mannschaften, die um Verbleiben im Dienst
baten, in der Gesammtzahl von 8000 Mann, eine Anzahl prätorischer
Cohorten ^. In Betreff der Freiwilligkeit, der Befreiung von gewissen
Diensten und der höheren Löhnung dürften diese Prätorianer sich
nicht wesentlich von denen der Republik unterschieden haben; neu
ist dagegen theils die ausschliessliche Auswahl aus den ausgedienten
Leuten, thpils und vor allem die Vermehrung der Zahl und die
dadurch bedingte Bildung mehrerer neben einander stehender prä- 30
torischer Cohorten desselben Feldherrn. Neu ist ferner, wenn auch
wahrscheinlich längst schon vorbereitet, die Scheidewand, welche
hiemit zwischen dem höheren und dem niederen Element der alten
cohors praetoria amicorum eintritt und der scharfe Gegensatz, in
welchen seitdem die cohors amicorum und die cohortes praetoi'iae zu
einander treten^. Es kann nicht gefehlt haben, dass, als nach der
1) Dass Caesar in dem gallischen Krieg nicht mehr als eine prätorische
Cohorte bei sich hatte, zeigt b. G. 1,40 (vgl. Dio 38,47). Auf dieselbe Zahl
führt Cicero in Cat. 2, 11, 24. Noch von Antonius als Consul des J. 710 heisst
es bei Appian b. c. 3, 45 (vgl. c. 52) : ijiiks^d/^svog ix ndvKov OTQaTtjytda OTtsiQav
dvdgcöv dgiatcov td xe awfiaxa xal xov xQÖnov , und während des mutinensischen
Krieges wird der cohors pi'aetai'ia der einzelnen Heerführer mehrfach gedacht.
Galba bei Cicero ad fam. 10, 30, 1: Antonms eduxit . . . cohortes praetwias duas,
unam suam, alteram Silani (des Vertreters des Lepidus) ; das. : duas cohortes prae-
torias misei'at Hirtius nobis und nachher: tibi cohoi's Caesaris lyraetoria erat.
Appian 3,67: xf} axQaxrjycdi 'Avrcoviov xtjv KaiauQos oxgaxrjyida dvxsxa^av.
2) Appian b. c. 5, 3: dcpieaav xfjg oxQaxsiag xovg iyrs^.ij yQovov kaxQaxsvfievov?
XWQig oxxaxioyiUcov , ovg Ssrj&ivxag exi oxgaxsveo&ai ocpioiv dnode^d^iEvoi disilovxo
xal avveXoyiaav ig oxgaxijyidag xd^eig. Diese kommen weiterhin mehrfach vor.
Appian 5, 24: Kaiaagi de iv /iisv Kajiv]] xsooaQa rjv xslrj xal jisqI avxov ai oxgaxT]-
yidsg. Octavia schenkt ihrem Gemahl Antonius oxgaxiwxag indixxovg diaydiovg
slg axgaxrjyixdg ansigag xsxoafitj^evovg ixTiQensai jiavoTtUaig (Plutarch Ant. 53 vgl.
Dio 49, 33). Von Antonius giebt es Münzen mit der Aufschrift chm-tium prae-
tmiarum, die wie die Legionsmünzen den Adler zeigen (Eckhel 6, 52).
3) Sueton Gai. 19: comitante praetorianorum agmine et in essedis cohorte
amicoj'wn.
6 Die Gardetruppen der römischeu Republik und der Kaiserzeit.
Schlacht von Philipp! die Veteranen militärisch organisirt wurden,
zugleich die ehemalige coJiors praetoria der beiden Machthaber um-
gestaltet ward, wahrscheinlich in der Weise, dass sie die Bezeichnung
praetoria verlor und als coJiors amicorum eine wohl nur nominell noch
mihtärische Form erhielt. Einst waren beide wenigstens formell
zusammengefallen; jetzt hatten die jungen Männer besseren Standes,
die sich dem Hauptquartier beigeben Hessen, mit den aus den
Legionen hervorgegangenen Veteranen nichts ferner gemein, und
fast nur der Name erinnerte noch daran, dass die ganz des Soldaten-
charakters entkleidete coliors amicorum eigentlich eine militärische
Organisation war. In Betreff der Zahl erfahren wir, dass Caesar in
der Schlacht bei Actium mindestens fünf prätorische Gehörten bei
sich gehabt hat ^.
Es folgte die Constituirung des Principats. Wie verkehrt es ist
die Einführung der Garde auf diese Epoche zu beziehen, leuchtet
jedem ein, der die politische Bedeutung dieses grossen Versöhnungs-
acts erwogen hat, und geht auch aus den oben dargelegten Nach-
richten mit voller Deutlichkeit hervor. Die Einrichtung der cohortes
praetoriae in dem späteren Sinn gehört dem Triumvirat und dem
J. 712 an; nach der Schlacht von Actium wurde das Institut nur
beibehalten, aber zugleich wesentlich modificirt und der res publica
restituta accommodirt. Die Erhöhung des Soldes der Prätorianer
von dem anderthalbfachen auf das doppelte des Legionarsoldes ist
damals festgesetzt worden 2. Auch die Festsetzung der Zahl der
Cohorten auf neun und der Stärke der Gehörte auf 1000 Mann
31 gehört wahrscheinlich dieser Zeit an ^. Steigerung lag in beidem
wahrscheinlich nicht, wenn nur die Ersetzung der doppelten Garde
der beiden Machthaber durch die eine Gaesars in Anschlag gebracht
wird. Die Zahl scheint übrigens darum so gegriffen zu sein, damit
die neun prätorischen doppelstarken Cohorten factisch der Legion
mit ihren zehn Cohorten und ihren Auxiliartruppen nahe, aber nicht
1) Orosius 6, 19.
2) Dio 53, 11, der übrigens richtig darauf hinweist, dass in diesem Ver-
fahren in Betreff der Garde die factische Beibehaltung der Monarchie mit
völliger Deutlichkeit zu Tage trat.
3) Bezeugt ist die Zahl für die Zeit des Tiberius (Tacitus ann. 4, 5). Für
die des Augustus fehlt ein glaubwürdiges directes Zeugniss (dass Dio 55, 24 die
zehn Cohorten seiner Zeit aus Versehen auf Augustus zurückführt, ist ausser
Zweifel); aber es ist mehr als unwahrscheinlich, dass Tiberius hieran geändert
haben sollte. Auch zeugt die mit 10 beginnende Numerirung der Cohortes
urbanae dafür, dass bei deren Einrichtung es neun prätorische Cohorten gab,
und diese Einrichtung fällt sicher unter Augustus.
Die Garcletruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit. 7
völlig gleichkämen. Eine weitere wahrscheinlich auch der gleichen
grossen Reorganisationsepoche angehörige Einrichtung ist die Schaffung
einer dauernden für die Aufrechthaltung der Ordnung in der Haupt-
stadt bestimmten städtischen Garnison und deren Verknüpfung mit
der reorganisirten Garde; diese städtischen Cohorten wurden im
wesentlichen nach dem gleichen Muster organisirt wie die des Prä-
torium, in gleicher Weise unter den unmittelbaren Oberbefehl des
Kaisers gestellt und den drei oder vier Cohorten, die die Garnison
bildeten, Nummern gegeben, welche die der Cohorten des Prätorium
fortsetzten. — Wichtig aber ist vor allem, dass damals der Garde-
und der Legionendienst von einander getrennt ward, so dass nur
ausnahmsweise die Gardisten aus den Legionen sich recrutirten,
regelmässig nur die latinische Jugend mit Ausschluss sogar der erst
durch den Bundesgenossenkrieg latinisirten Landschaften und des
cisalpinischen Galliens^, und auch diese nur, sofern sie nicht in die
Legionen eintrat, zum Dienst in der Garde sich melden durfte, Die
Freiwilligkeit der Meldung wurde beibehalten, die Verkürzung der
Dienstzeit gegenüber der des Legionars um vier Jahre ohne Zweifel
damals eingeführt. So aufgefasst passt diese Anordnung vortrefflich
in das System der Ausgleichung zwischen den alten Ordnungen der
Republik und dem neuen Herrscherthum des Triumvirats.
Die weitere Entwickelung der Kaisergarde ist im Allgemeinen
klar und wohl bekannt; es ist nicht erforderlich dabei zu verweilen,
wie der ursprünglich vom Princeps selbst geführte Oberbefehl für
die prätorischen Cohorten noch unter Äugustus selbst auf die prae-
fecü jrraetorio^ für die zum Schutz der Hauptstadt bestimmten
städtischen unter der Regierung des Tiberius auf den neuen ständigen
Stadtpräfecten überging und wie die Casernirung der ersteren Truppe 32
in der Hauptstadt durch Seianus die neue Institution zu ihrem vollen
Abschluss gebracht Und ihr den Charakter aufgeprägt hat, durch den
sie recht eigentlich die Signatur des Principats geworden ist, mit
dem sie dann auch gefallen ist, als derselbe der Monarchie wich.
Das von den Triuravirn aufgestellte System die Garde aus den
Legionen zu bilden hatte, wie wir sahen, Äugustus bei der Consti-
tuirung des Principats aufgegeben und die herrschende Nation in-
sofern der militärischen Vergewaltigung entzogen, als die in Italien
stehenden Mannschaften ausschliesslich aus italischen Freiwilligen
bestehen sollten. Aber es blieb unvergessen, dass hierin eine Ab-
dication der Militärmonarchie enthalten war, und sowie diese wieder
1) Tacitus anu. 4, 5; Hermes 4, 117 [Ges. Sehr. 4 S. 309].
8 Die Gardetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit.
emporkam, griff sie sofort zurück zu dem alten triumviralen System.
Zum erstenmal ist dies geschehen, als Italien im J. 69 von den
Rheinlegionen unterworfen ward. Es war eine der ersten Massregeln
des Titellius, dass er die hauptstädtischen Soldaten entliess und aus
den mitgebrachten Truppen eine neue Garde und eine neue Stadt-
garnison bildete. Wir besitzen noch die Inschrift eines dieser Vitel-
lianer, der nach zehnjährigem Dienst in der 16. gallischen Legion
in die neunte prätorische Cohorte übergingt. Die Niederschlagung
33 dieser übermüthigen Soldatesca führte selbstverständlich das augus-
tische System wieder zurück. Aber ein Jahrhundert später voll-
brachten die Donaulegionen, was denen des Rheins nur vorüber-
gehend gelungen war, und bekanntlich ist es das rechte Wahrzeichen
des illyrischen Militärregiments, dass im dritten Jahrhundert die
Garde wieder der Mehrzahl nach aus Illyrikern gebildet wird und
der Uebertritt der gemeinen Legionare in die Garde häufig vorkommt.
Es bleibt nur noch eine kurze Ausführung hinzuzufügen über
die Gesammtzahl der prätorischen und der mit ihnen verknüpften
städtischen Gehörten. Sehen wir auf die bleibenden Einrichtungen,
so gab es wie unter Augustus, so noch unter Vespasian im J. 76''^
nicht mehr als neun prätorische Gehörten. Eine zehnte ist dann
zwischen den Jahren 76 und 112^ eingerichtet und diese Zahl seit-
dem nicht überschritten worden. Ebenso ist die Zahl der städtischen
1) C. I. L. VI 2725 [Dessau 2034]: C. Vedennius C. f. Qui. Moderatm Antio,
milit(amt) in leg(ione) XVI Gal(lica) a{nnos) X; tran(s)latfus) in coh(ortem) IX
pr(aetoriam), in qua milit(amt) ann(os) VIII; missus honesta mission(e) revoc(atus)
ab imp(eratm'e) fact(us) evoc(atus) Ä^ig(usti), arcitect(us) armament(arii) impfera-
toi'is), evoc(atus) ann(is) XXIII, donis miUtarib(us) donat(us) bis ab divo Ves-
p(asiano) et imp. Domitiano Aug(usto) Germ(anico) Moderatus, gebürtig
aus Antium, wurde Soldat im J. 59/60, kam dann unter Valens mit den übrigen
niedergermanischen Truppen nach Italien und war unter denen, die nach der
Ueberwältigung Othos in die neue Garde übergingen, ebenso unter denen, welche,
wie dies Tacitus (bist. 4, 46) erzählt, trotz der Katastrophe des Vitellius in der
Garde verblieben und allmählich nach Ablauf ihrer Dienstzeit entlassen wurden.
Nachdem er zehn Jahre in der Legion, acht in der Garde gedient hatte, im
J. 76/7, empfing er seinen Abschied, wurde aber dann, als brauchbarer Architekt
wie es scheint, vom Kaiser aufgefordert wieder als evocatus einzutreten und
diente in dieser Eigenschaft es scheint noch bis zum J. 99/100 , also bis zum
Anfang der Regierung Traians. Unter diesem muss die Inschrift gesetzt sein ;
wobei es freilich auffallend ist, dass der Kaiser damnatae memoriae mit seinem
vollen Namen genannt wird. — Es ist mir nicht bekannt, dass auf die geschicht-
liche Bedeutsamkeit dieser Inschrift schon hingewiesen worden ist.
2) Diplom vom J. 76: C. I. L. III p. 853 [Dessau 1993].
3) C. I. L. VI n. 208 = Henzen 6862 [Dessau 2098].
Die Gardetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit. 9
Cohorten zwischen den J, 76^ und 117^ von vier auf fünf gebracht
worden. "Wahrscheinlich ist die Bildung der 10. prätorischen und der
14. städtischen Cohorte gleichzeitig erfolgt, vielleicht durch Domitian.
— Aber sowohl die Inschriften wie die Schriftsteller weisen darauf
hin, dass vorübergehend die Zahl der Cohorten eine andere und
höhere gewesen ist. Ich stelle zunächst die Zeugnisse zusammen.
coh. XI pr. bezeugt durch sechs Inschriften : *)
Q. Äconius Q. f. Fup. Messor Laude, mil. coli. XI pr. (cenhiria)
Calpurni Taciti. Rom. C. VI 2762.
L. Aucilius L. f. Vol. Secundus Vienna, mil. coh. XI pr. (centuria)
ProcuU. Rom. C. VI 2763.
L. Cantonius Mu . . . mü. coh. XI praet. Virunum. C. III 4838
[Dessau 2033].
Q. Gargennius L. f. Sca. Celer Florentia mü. coh. XI pr. Rom.
C. VI 2764.
. . . enus C. f. [Ro]m. Severus \mil]es coh. XI pr. Ateste. C. V
2513.
L. Tenatius L. f. Puh. Valens domo Verona eques coh. XI pr.
Rom. C. VI 2765.
coh. XII pr. bezeugt ebenfalls durch sechs Inschriften: 34
M. Apicius M. f. Puh. Pudens Verona mil. coh. XII pr. Rom.
C. VI 2766.
C. Gavius L. f. Stel. Silvanus . . tribunus coh. XII praetoriae.
Turin. C. V 7003 [Dessau 2701]. Bekanntlich ist dies eben
derjenige Prätorianertribun, der wegen seiner Theilnahme
an der pisonischen Verschwörung im J. 65 das Leben verlor^.
C. hil. Zoili filius Fahia Montanus domo Heraclea Sentica miles
coh. XII pr. (centuria) Lartidi. Rom. C. VI 2767 [Dessau
2032].
L. Manlius L. f. Cam. Priscus miles coh. XII pr. Piemont.
C. V 7162.
M. Rufitis M. f. Puh. liufinus miles coh. XII pr. (centuria) Baedi.
Rom. C. VI 2768.
M. Viritis . . Scaptia Celer Flmentinus mil. coh. XII praetoriae.
Segusio. C. V 7258 [Dessau 2031].
1) Diplom vom .7. 76 (S. 8 A. 2); vgl. Tacitus bist. 2, 93.
2) Die 14. städtische Cohorte bestand unter Traian: Hennen 5456. 6771
[C. I. L. X 5829. XI 5646 = Dessau 2726. 2081].
*) [Hinzu kommt Sex. Abremis Sex. f. Pol. Buftis mil. chor. XI p: Rom.
Notizie degli Scavi 1906 S. 212.]
3) Tacitus ann. 15, 50. 60. 61. 71.
10 Die Gardetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit.
coli. XV urhana bezeugt durch eine Inschrift:
Q. lunius Q. fil. lullinus mües coli. XV tirh. Misenum. Wil-
manns 1512 [C. X 1765 = Dessau 2128J.+)
160 +) (Nachtrag.*) Die misenatische Inschrift ist nicht die einzige,
welche der 15. Stadtcohorte gedenkt. Hinzuzufügen sind zwei sardini-
sche Steine,**) die freilich, wie fast alles, was von dieser Insel bekannt
ist, so schlecht überliefert sind, dass nicht viel damit anzufangen ist.
In Porto Torres, aus Vernazzas Papieren in der K. Bibliothek
in Turin, ungedruckt [C. I. L. X 7952J:
XET F
OLLIONI
LLIOPE
l
XV_V.B 5
I m PR
ROVINI
IDENIO
Epistyl mit grosser schöner Schrift, in Fordongianus; mir be-
kannt einzig aus der Publication Spanes Bull. Sarclo 1860 S. 151:
_ Q- L-POLLIO
COH-XV- VRB • TRIB • COH .HI- PR***)
Augenscheinlich betreffen beide Steine denselben Mann und es hat
danach ohne Zweifel in Z. 5 der ersten Inschrift trih. coh. XV VrB |
trib. COM III PR gestanden. Aber alles weitere bleibt mir völlig
dunkel. Man kann daran denken in der ersten Inschrift beispiels-
weise herzustellen : sex. iulio seXTI • F | pollia POLLIONI | domo sINOPE |
praef. falM^ in der zweiten, wo offenbar die erste Hälfte der Inschrift
fehlt, sex. iulius sex. f. pOh ■ POLLIO | praef. fahr. trih. COH ■ XV •
VRB • TRIB • COH ■ III • PR; und den vorliegenden Abschriften gegen-
über sind diese Aenderungen keineswegs allzu kühn. Aber dass sie
die ursprüngliche Fassung wiederherstellen und dass diese überhaupt
im Wege der conjecturalen Besserung wiedergefunden werden kann,
wird niemand behaupten wollen. Der zweite Stein — der erste ist
sicher verloren — ist möglicher Weise noch nicht der Zerstörung
anheimgefallen; vielleicht gelingt es von diesem eine beglaubigte
Copie zu erlangen.)
*) [Hermes 14, 1879 S. 160.]
**) [Einen weiteren Beleg bietet die Inschrift aus Baalbek C. I. L. III S. 14387
ff, wo sie zusammen mit der cohors XI urhana erwähnt wird.]
***) [Jetzt nach Schmidts Lesung C. I. L. X 7863 : \ol. PoUio \ [trib. mil. c]oh.
XV. urb. trib. coh. HU. pr(aet.)]
Die Gardetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit. l\
coli. XVI urbana bezeugt durch eine Inschrift:
M. Vetthis M. f. Ani. Valens (centtirio) coli. XVI urh. Ariminum.
Henzen G767 [C. I. L. XI 395]. Die Inschrift ist im J. 6t>
gesetzt; doch müssen zwischen jenem Centurionat und diesem
Jahr mehrere Jahre verflossen sein, da Valens inzwischen
zwei Unteroffizierstellen in der Garde, zwei Legionscenturio-
nate und vier Tribunate verwaltet hat.
Tacitus bist. 2, 67 berichtet die Verabschiedung der praetoriae
coliortes, die Vitellius vorfand und c. 93 die Reorganisation:
sedecim praetoriae, qnaftuor tirbanae coliortes scrihebantur.
Wer diese Zeugnisse in ihrer Gesammtheit erwägt, wird ein-
räumen, dass es in einem gewissen Zeitabschnitt des 1. Jahrhunderts
nicht neun, sondern zwölf prätorische Cohorten gegeben hat und dass
wahrscheinlich in Folge davon die städtischen Cohorten statt der
Xummern 10 — 13 die Nummern 13 — 16 geführt habend. Denn die
beiden einzigen unter jenen Inschriften, welche datirt sind, führen 35
die eine auf das J. 65, die andere sogar auf eine mindestens ein
Decennium vor dem J. 66 liegende Epoche^; und die übrigen nicht
tlatirten Steine passen, da sie sämmtlich das Cognomen aufweisen,
sonst aber streng und einfach formulirt sind, sehr gut auf die clau-
disch-neronische Epoche. Der Urheber dieser Neuerung kann aber
Nero nicht sein, theils weil die letztere Inschrift wahrscheinlich über
das J. 54 zurückführt, theils besonders weil Tacitus diesen wichtigen
Vorgang sicher nicht übergangen hat, dann aber, da die Erzählung
der J. 47 — 66 bei ihm vollständig vorliegt, derselbe füglich nur in
die Lücke fallen kann, die zwischen dem Tode des Tiberius und
1) Dass, als man später die zehnte prätorische Cohorte einrichtete, dies auf
die damals altgewohnten Nummern der städtischen Cohorten nicht einwirkte,
sondern man fortan eine X praetoi-ia und eine X urbana unterschied, beweist
natürlich nicht, dass man nicht früher in einem ähnlichen Falle die Nummern
gerückt hat. — Dagegen erhebt sich hier ein anderes Bedenken. Wenn zu der
Zeit, wo es zwölf prätorische Cohorten gab, die städtischen die Nummern 13 — 16
führten, so dürfen auf den sicher dieser Zeit angehörigen Inschriften die städti-
schen Cohorten 10. 11. 12 nicht vorkommen. Nun nennt allerdings der Stein
des Silvanus im Einklänge hiemit die coh. XIII urbana, aber Valens war kurz
vor 66 trib. coh. XII tirb. Ich weiss dagegen nur geltend zu machen, dass die
letztere Zahl verschrieben sein kann [s. dagegen unten S. 14 A. 1].
2) Dass man gewagt hat aus dem Stein des Silvanus, der noch vorhanden
und völlig sicherer Lesung ist, die durch fünf andere Inschriften bezeugte
Cohortennummer herauszucorrigiren (Marquardt Staatsverwaltung 2 S. 461), er-
regt Befremden. Die Inschrift vom Jahre 66 steht allerdings nur auf einer ein-
zigen Abschrift; doch ist auch hier ein besonderer Grund nicht vorhanden die
überlieferte Lesung anzufechten.
12 Die Gaidetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit.
dem J. 47 liegt. Es wird also diese Vermehrung entweder von
Kaiser Gaius herrühren oder in die ersten Jahre des Claudius fallen.
Vitellius nahm dann noch eine weitere Vermehrung der prätorischen
Cohorten von zwölf auf sechzehn vor. Bestanden hat die höhere
Zahl von Gaius oder Claudius bis auf Vespasian ; welches auch recht
wohl dazu stimmt, dass die Inschriften der 11. und 12. prätorischen
Cohorte nicht eben ausserordentlich selten sind. Vespasian hat,
offenbar aus Finanzrücksichten ^, die alte augustische Ordnung wieder-
hergestellt, und es wird nicht der geringste der Dienste sein, die
dieser schlicht verständige und energische Regent seinem Lande
geleistet hat, dass er dem Umsichgreifen des bösen Geschwürs, das
in dem Institut der Kaisergarde bestand, mit kräftiger Hand Schran-
ken gesetzt hat.
Die römischen Gardetruppen.
(Nachtrag zu Bd. 14 S. 25 f. [= oben S. 1 f.]).
643 Die in dieser Zeitschrift 14, 33 f. [oben S. 8 f.] gegebene Aus-
führung über die unter der julisch-claudischen Dynastie in der Zahl
der Cohorten der Kaiser- und der Stadtgarde vorgekommenen
Schwankungen ist nicht vollständig, und nehme ich desshalb die
Frage noch einmal auf.
Es steht durch Tacitus Zeugniss^ fest, dass unter Tiberius, ohne
Zweifel in Folge der Reorganisation des römischen Militärwesens
durch Augustus, in der Stadt Rom eine Besatzung von zwölf Bürger-
cohorten lag, von denen neun für den Dienst bei dem Kaiser, drei
für den städtischen bestimmt waren; und es stimmt dazu, dass die
erste der städtischen Cohorten die Nummer zehn für alle Zeit
behalten hat. Dazu tritt, wahrscheinlich als dreizehnte ^, die gleich-
artige in der gallischen Hauptstadt stationirte Bürgercohorte ; denn
da diese Institution schon im J. 21 n. Chr. bestand*, so muss auch
sie auf Augustus zurückgeführt werden.
1) Tacitus hist. 4, 46: immensa pecunia tanta vis Jwminum retinenda erat.
2) ann. 4, 5: quamquam insideret urbem proprius miles, tres tirhanae, novem
praetoriae cohortes.
3) Zeugnisse für die Nummer liegen nicht vor ; aber da nach allem später
Auszuführenden daran kaum ein Zweifel bleiben kann, dass diese Cohorte und
die stadtrömischen durchgezählt worden sind, so ist damit auch über die Ziffer
entschieden.
4) ann. 3, 41 zum J. 21: Andecavos Acilius Aviöla legatus exeita cohorte, quae
Liigduni praesidium agitabat, coercuit. Dies bestätigen weiter die solita hiherna
der unten zu erörternden Stelle hist. 1, 64. Wenn 0. Hirschfeld (Lyon in der
Die Gardetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit. 13
Es ist in der angeführten Auseinandersetzung gezeigt worden, 644
dass bald nachher und zwar vor Nero die hauptstädtische Besatzung
stark vermehrt worden ist. Da Tacitus diesen Vorgang nicht über-
gangen haben kann und er für die J. 29 — 31 nicht passt, muss er
entweder unter Gaius fallen oder in die frühere Zeit des Claudius
vor 47, von wo an wir seine Erzählung besitzen. Die geschichtliche
Verbindung fehlt ^; am nächsten liegt es darin die Gegengabe zu
finden, mit welcher Kaiser Claudius die ihm unverhofft wie unverdient
zugeworfene Krone bezahlte. — In welchem Umfang diese Vermehrung
stattgefunden hat, ist in Betreff der Kaisergarde ausser Zweifel: die
Zahl der Cohorten stieg von neun auf zwölf. Die ziemlich zahl-
reichen Zeugnisse für die Existenz einer elften und zwölften prätori-
schen Cohorte in der früheren Kaiserzeit sind a. a. O. zusammengestellt
worden; ihre relative Häufigkeit beweist zugleich, dass es höhere
Ziffern damals nicht gegeben hat und wir wie die Vermehrung, so
auch deren Grenze kennen.
Weniger zweifellos steht es in Betreff der städtischen Cohorten
einschliesslich der ihnen angeschlossenen gleichartigen ausserhalb
Rom stationirten. Ich stelle zunächst die darüber vorliegenden
Zeugnisse zusammen.
1. Die Existenz einer fünfzehnten städtischen Cohorte in der früheren
Kaiserzeit ist erwiesen durch drei [vielmehr vier, s. ob. S. 10**] In-
schriften, die eines Soldaten derselben aus Misenum (a. a. O. S. 34
[oben S. 10]) und zwei sardinische eines und desselben Offiziers^.
2. Die Existenz einer sechzehnten städtischen Cohorte um das J. 56
oder noch etwas früher ist ebenfalls inschriftlich festgestellt^.
Römerzeit S. 27) den Ausdruck solita hiberna für eine dort als ständige Besatzung
fungirende Cohorte von Stadtsoldaten wenig geeignet findet, so kann ich ihm
nicht beistimmen ; mir scheint er nichts bezeichnen zu können als eben dieses.
Für die Stellung Galliens in dem römischen Kaiserstaat giebt es kaum ein
prägnanteres Moment als diese Einrichtung, wodurch die Hauptstadt der tres
Galliae als die zweite des Reiches charakterisirt wird.
1) Sueton mag, gleich uns Neueren, geirrt durch die Gleichzahl der prä-
torischen Cohorten Augusts und Vespasians, die ephemere Vermehrung der
Garde übersehen haben. Wäre ihm dieselbe bewusst gewesen, so hätte er im
c. 25 der Biographie des Claudius davon nicht geschwiegen.
2) a. a. 0. S. 160 [oben S. 10]. Die zweite dieser Inschriften (C. I. L. X 7863)
hat seitdem Hr. J. Schmidt für das Inschriftencorpus verificirt; die Schrift ist
gross und schön, ohne Zweifel des ersten Jahrhunderts. Die Vermuthung, dass in
Z. 1 statt des unmöglichen Q • L die Tribus j^OL oder vOL gestanden habe, hat sich
bestätigt.
3) Allerdings beruht dieser Erweis einzig auf dem Stein von Ariminum
Henzen 6767 [C. I. L. XI 395] , der verloren und uns nur durch eine einzige,
übrigens allem Anschein nach recht zuverlässige Abschrift bekannt ist.
14 Die Gardetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit.
<)45 3. Grleichzeitig hat es eine zwölfte städtische Gehörte gegeben ^
4. Piäeolis et Ostiae, sagt Sueton von Kaiser Claudius (Claud. 25),
s'mgulas cohortes ad arcendos incendiorum casus collocavit. Dass
die also von Claudius eingerichteten Cohorten, wenn überhaupt
einem schon bestehenden Truppencorps, dann den coJwrtes urhanar
angeschlossen worden sind, macht die Analogie der späterhin
in Lyon stationirten dieser Truppe zugezählten Cohorte wahr-
scheinlich ^.
5. Tacitus hist, 1, SO zum J. 69: septumam äecumam cohortem e
colonia Ostiensi in urhem acciri Ofho iusserat: armandae eins
cura Vario Grispino e praetorianis data. Der Verlauf der Er-
zählung zeigt, dass das armamentarium der Cohorte in Ostia
war, sie also dort dauernd stationirte.
6. Tacitus hist. 1, 64 zum J. 69: cohortem XV IIP Lugduni solitis
sibi hihernis rclinqui placuit.
7. Bronzetablette unbestimmter Herkunft, zuerst bekannt geworden
aus einer römischen Sammlung (C. I. L. VI 481 f= Dessau 2131]):
Marti et Fortunae C. Alfidius Secimdus miles coh.XVII d. d.
8. Inschrift von Moulins*: L, Fiifio Equestre mU(iti) coh(ortis) XVII
1) Diese steht auf dem eben genannten Stein von Ariminura neben der
XVI urbana. Die a. a. 0.' S. 34 A. 2 [oben S. 11 A. 1] versuchte Aenderung der
überlieferten Zahl nehme ich zurück. Die Aenderung der Nummern der cohories
urbanae älterer Entstehung, die dabei vorausgesetzt werden musste, würde ohne
Beispiel in der römischen Militärgeschichte sein.
2) Lanciaui ann. delF inst. 1868 p. 184 denkt an cohortes vigilum; was, da
die sieben Cohorten durchaus für die vierzehn Regionen Roms erfordert wurden,
nur in dem Sinne denkbar sein würde, dass zwei weitere derartige Cohorten für
die Häfen eingerichtet wurden. Aber nichts zwingt dazu die Verwendung der
im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Feuersbrünste in Ostia und Puteoli ein-
gerichteten Hafencohorten formell auf den Löschdienst zu beschränken; es ist
dies vielmehr unwahrscheinlich, da in beiden Orten andere Truppen nicht lagen.
3) So die Handschrift. Mein Vorschlag (ann. dell' inst. 1853 p. 74) XIII
für XVIII zu setzen ist mehrfach gebilligt und von Nipperdey in den Text
gesetzt worden, wird aber, nachdem die Sachlage jetzt in weiterem Umfang
bekannt geworden ist, nicht mehr aufrecht erhalten werden können.
4) Diesen merkwürdigen Stein hat Otto Hirschfeld aufgefunden und in
seiner geistvollen Abhandlung Lyon in der Römerzeit (Wien 1878) S. 27 bekannt
gemacht; wiederholt hat ihn dann nach einem Gipsabguss der verdienstvolle
Herausgeber der revue epigraphique die midi de la France A. Allmer in derselben
n. 6 (1879) p. 95 [C. L L. XHI n. 1499]. Die Inschrift gehört, wie jetzt auch
Hirschfeld anerkennt, unzweifelhaft in das erste Jahrhundert; mehr noch als
die Accente sind das Fehlen des Cognomen (denn Equestre bezeichnet die Heimath)
und das Auftreten der moneta in Lyon dafür entscheidend. Strabon 4, 3, 2 und
die Lyoner Inschrift Orelli 3228 [C. I. L. XIII 1820] eines Sclaven de^
Die Gardetnippeii der römischen Republik und der Kaiserzeit. ] 5
Lugudüniensis ad monetam (centuria) lanudri. L(ocus) i(n)
f(rontem) p(edes) IUI, r(etro) p(edes) IUI.*)
Diese Daten, alle zufällig überliefert, geben zwar kein vollständiges 646
Oesammtbild, aber lassen doch ungefähr sich mit einander combiniren.
Fand Claudius ausser der Kaisergarde die Gehörten 10. 11. 12 als
iirbanae, die 13. als Besatzung von Lyon vor, so wird er den beiden
für die zwei Häfen Roms Ostia und Puteoli von ihm neu errichteten
Cohorten die Nummern 14 für Ostia, 15 für Puteoli gegeben haben;
und dazu stimmt gut die einzige Inschrift der letzteren Gehörte, die
für deren Standquartier in Betracht kommt, insofern sie in Misenum
zum Vorschein gekommen ist. Bald darauf müssen dann noch drei^
weitere Cohorten dieser Art eingerichtet worden sein, sei es nun zur
Verstärkung der hauptstädtischen Garnison, sei es für andere Oert-
lichkeiten; dabei mag die 13. von Lugudunum, die 14. von Ostia
nach Rom verlegt und nach Lugudunum erst die 1 7., dann die 1 8.,
nach Ostia die 17. geschickt worden sein. Diese Vermehrungen und
Dislocationen lassen sich in mannichfach verschiedener Weise denken
und es werden die Einzelheiten, wenn nicht neue Zeugnisse zum
Vorschein kommen, nicht mit Sicherheit auszumachen sein. — Die
Gesammtstärke der Truppe war damit auf einundzwanzig, zwölf
prätorische, neun städtische Gehörten gestiegen. Was die Benennung
der letzteren anlangt, so mag zunächst denselben entweder eine
weitere Bezeichnung ausser den Nummern nicht zugekommen sein,
wie denn in der unter 7. aufgeführten Inschrift die blosse Ziffer
erscheint, oder sie mögen sich nach ihrem Standquartier benannt
haben, wie das in der zuletzt aufgeführten Inschrift geschieht. Aber
dass die Bezeichnung urhanae bald auf die nicht in Rom liegenden
Cohorten erstreckt ward, beweist, auch abgesehen von dem späteren
Auftreten der XIII urbana in Lyon, unwiderleglich die misenatische
Inschrift.
Auch der Abschluss dieser Vorgänge liegt im Klaren. Als mit 647
Vitellius das Soldatenregiment seinen ersten vollen, aber ephemeren
Erfolg errang, wurde die Zahl der prätorischen Cohorten von zwölf
auf sechzehn gesteigert. Was gleichzeitig in Betreff der cohorfes
Tiberius aequator monetae weisen diese Prägstätte in die frühere Kaiserzeit (vgl.
R. M. W. S. 747); sie muss, da unsere Inschrift nicht vor Claudius gesetzt werden
kann, unter diesem noch bestanden haben, was in hohem Grade bemerkenswerth ist.
*) [Ein zweites Zeugniß für diese Cohorte in Lyon bietet ein Brouzetäfel-
chen: C. I. L. XIII 1 p. 519 : L. Manli Nigrini mtl. coJwr. XVIl]
1) Die Existenz der 18. Cohorte beruht allerdings nur auf der einen Stelle
des Tacitus. welche verschrieben sein kann.
16 Die Gardetruppen der römischen Republik und der Kaiserzeit.
urhanae geschah, ist weniger sicher. Wenn Tacitus sagt^: sedecim
praeioriae, quattuor urhanae coliortes scribehantur, quis singula milia
inessent, so kann dies vielleicht auf die in der Stadt garnisonirenden
Cohorten beschränkt und mit dem Fortbestehen der neun cohortes
urhanae in Einklang gebracht werden. Aber die Fassung passt
besser auf eine Reorganisirung des ganzen Corps und wahrschein-
licher dürfte es sein, was auch der Tendenz dieses Regiments sehr
wohl entspricht, dass nicht so sehr eine Vermehrung der Gesammtzahl
stattfand als eine Vermehrung der durchaus bevorzugten eigentlichen
Prätorianer. Vermuthlich hat Vitellius alle von oder nach Claudius
in Betreff der cohortes urhanae getroffenen Massregeln cassirt und in
dieser Hinsicht die augustische Ordnung wieder hergestellt, so dass
drei Cohorten für den Präfecten von Rom, eine für Lyon bestimmt
wurde. Als dann Vespasian ans Regiment kam, führte die Reaction
gegen die Legionenherrschaft naturgemäss dazu, dass die Prätorianer
abermals aufgelöst und nun auch ihrerseits auf die durch Augustus
festgesetzte Zahl reducirt wurden. Dass es bei der Beseitigung der
später hinzugefügten städtischen Cohorten geblieben oder auch die-
selbe, wenn nicht von Vitellius, dann von Vespasian verfügt worden
ist, lehren die der nachvespasianischen Zeit angehörigen Inschriften
von Misenum wie von Ostia: jene durch ihr Schweigen, das bei ihrer
grossen Zahl entschieden beweisend ist, diese nicht bloss dadurch,
sondern mehr noch durch die deutlichen Spuren, die sie von den
anderweitig in Betreff der Feuerpolizei für Ostia getroffenen Ver-
anstaltungen tragen: die dortigen Inschriften zeigen, dass damals
für Brandgefahr daselbst Detachements verschiedener Cohorten der
hauptstädtischen Löschmannschaft stationirt waren ^.
1) bist. 2, 93. Bei der Auflösung nennt er nur die Prätorianer (2, 67).
2) Vgl. darüber die gute Auseinandersetzung Lancianis ann. dell' inst. 1868
p. 183 [jetzt auch C. I. L. XIV p. 9; Ephem. epigr. 7 p. 864 ff.].
II.
Die germanischen Leibwächter der römischen Kaiser.*)
Unter dem Gesinde der römischen Kaiser finden sich bekanntlich 349
Leibwächter (corporis custodes) germanischer Herkunft, die vom
Standpunkt der römischen Forschung aus in neuerer Zeit mehrfach
behandelt worden sind i, aber wenigstens von Seiten ihrer Herkunft
auch die Aufmerksamkeit der Germanisten verdienen. Ihrer Rechts-
stellung nach sind sie kaiserliche Sclaven, seltener Freigelassene,
factisch Soldaten und zwar Reiter. Bestanden haben sie schon unter
Augustus, der dann nach der Varusschlacht die Truppe auflöste^;
sie sind aber noch von ihm selbst hergestellt worden ^ und bestanden
bis auf Galba, der sie abermals abschaffte*. Nachher sind, wahr-
scheinlich unter Hadrian, an die Stelle der Leibwächter die equites
singulares der späteren Kaiserzeit gesetzt worden, welche nicht bloss
factisch, sondern auch dem Rechte nach Soldaten waren ^.
Die Inschriften, die wir von den corporis custodes besitzen,
gehören alle in die Zeit der julisch-claudischen Dynastie. Zum
grossen Theil sind die Leute, denen sie gesetzt sind, im Eigenthum
des Germanicus gewesen und nach dessen Tode an seine Erben
gekommen (daher das häufige Germanicianus); es können Gefangene
aus dessen Kriegen am Rhein sein, die Germanicus aus der Beute
geschenkt erhielt oder kaufte. — Ihrer Herkunft nach werden sie
bei den Schriftstellern und ebenso auf zahlreichen Inschriften be-
*) [Neues Archiv 8, 1883 S. 349—351.]
1) Mein röm. Staatsrecht 2^, S. 782 (vgl. S. XIV), wo die übrigen Unter-
suchungen angeführt sind. [Vgl. jetzt Staatsrecht 2' S. 808 und Ges. Sehr. 3
S. 18 A. 2; M. Bang, die Germanen im Römischen Dienste, Berlin 1906 S. 63fiF.]
2) Sueton Aug. 49. Dio 56, 23.
3) Tacitus Ann. 1, 24. 13, 18. 15, 58. Sueton Gai. 43. 55. 58. Ner. 34.
4) Sueton Galb. 12.
5) Vgl. meine Ausführung im Hermes 16, 458 sq. [Ges. Sehr. 5, 402 f.]
MOMMSEN, SCHK. VI. 2
jg Die germanischen Leibwächter der römischen Kaiser.
zeichnet als Germani^. Von einzelnen Völkerschaften begegnen
folgende^:
350 natione Ataeus(?)^: n. 4341 [Dessau 1717].
natione Baetesius^: n. 8808.
naUone Batavus: n. 8802. 8803 [Dessau 1729. 1730]. 8804. 8806.
8807 [Dessau 1725]. Sueton Gai. 43: admonitus de supplendo numero
Batavorum , quos circa se hahehat, expeditionis Germanicae impetum
cepit. Noch die equites singulares der späteren Zeit heissen bei Dio
(55, 24) ^Evoi ijijirjg en'dexToi, oTg rö töjv Bardovwv äno zfjg Baxdovag
rfjg ev rcb 'Prjvw vqoov övojua . . . xeirai.
natione Frisiao^: n. 4343 [Dessau 1721].
natione Frisius: n. 4342 [Dessau 1720].
natione Peucennus^: n. 4344 [Dessau 1722].
natione Sui . . . (vielleicht Suehus): n. 8810 [Dessau 1724].
natione JJbius: n. 8809. Vgl. natione U . . . n. 8805.
natione Veius'^ : n. 4337 [Dessau 1718]. nat. Vein . . . n. 4339.
Bemerkenswerth ist dabei, dass unter diesen Völkerschaften,
soweit sie sonst bekannt sind, keine einzige dem freien Germanien
1) Dio 56, 23 nennt sie KeXxoi, setzt aber dies in Gegensatz zu FaXätai.
Die Stelle des Josephus ant. 19, 1, 15 ist zerrüttet. Nach freundlicher Mittheilung
Nieses ist die Ueberlieferung etwa in folgender Weise herzustellen: 8oQV(p6Qoi
d'^aav ovroi (ts ^oav avroi die flor. Handschrift^ 6/j,cövvfiov (so nach der alten lat.
XJebersetzung; öixwvvfioi die griech. Ueberlieferung) reo s&vei £<p' (vielmehr k^)
ov xatsiXexaxo (so Dindorf, xarsüey^av ro Flor., xatslkrjxav xo Ambros.) KeItwov
xäyfia TiaQSxöfisvoi (ro fügt ein Ambr. zu avrü>v, womit freilich die Corruptel am
Schluss nicht gehoben seij [s. jetzt Niese's größere Ausgabe 19 § 119, wo 6fA.cövvfioi
beibehalten ist, während die kleinere Ausgabe ofimwfiov gibt]. Offenbar hat auch
Josephus den Namen der Bataver im Sinn.
2) Alle Inschriften der Leibwächter stammen aus der Stadt Rom. Die
Nummern sind die der 2. Abth. des 6. Bandes des C. I. Lat.
3) Es scheint nur eine Abschrift zu existieren und vielleicht ist für das
überlieferte NATIONE ATAEVS richtig corrigirt worden NATION BATAVS.
4) Sonst Baetasii: so in den A. 5 angeführten Militärdiplomen und bei
Plinius, Tacitus und in der Not. dignitatum. Vgl. Hübner, Rhein. Mus. 11, S. 23.
5) Ueberliefert ist in den guten Abschriften FRISIAO oder FRISIAEO; jenes
wird richtig sein, da auch die beiden Militärdiplome vom J. 105 (C. I. L. III
n. XXIIl) und 124 (das. n. XXX) eine eohors I. Frisiavonum aufführen. Daneben
erscheint, aber bloss auf einer Grabschrift, Frisaevo (C. I. L. VI, 3260). Vgl.
Hübner, Rhein. Mus. 11, S. 30.
6) FEVCENNVS oder FEVCENNVS die besten Abschriften. Dies wird
die lateinisch richtige Form sein; bei Tacitus Peuceni, bei den Griechen IIsvxTvoi.
7) So ist überliefert und die Aenderung VBIVS bedenklich , da die beiden
Inschriften sich gegenseitig stützen.
Die germanischen Leibwächter der römischen Kaiser. 19
angehört^; was nicht Zufall sein kann, sondern vielmehr darauf
zurückzuführen sein wird, dass man auf diese militärisch organisirte
und thatsächlich als Militär behandelte Truppe auch die Regeln der
militärischen Aushebung anwandte, welche bekanntlich nach der
damals bestehenden Ordnung durchaus die Reichsangehörigkeit zur
Voraussetzung hatte. Dass wahrscheinlich Kriegsgefangene des Ger-
manicus in dieser Truppe erscheinen und dass sein Sohn Kaiser
Oaius seinen Feldzug mit unternahm, um die germanischen Gefangenen
in diese Truppe einzustellen, beweist wohl, wie es ja auch eigentlich
sich bei unfreien Leuten von selbst versteht, dass man sich über jene
Regel hinwegsetzen konnte, aber hebt die aus den Inschriften her-
vorgehende Regel nicht auf. — Auch das auf diesen Inschriften fast
stehende, sonst aber bei Sclaven gar nicht häufige Hervorheben der
Heimath hängt sicher zusammen mit der factischen Annäherung dieser
Germani an die eigentlichen Soldaten, die auf ihren Denkmälern die
Heimath regelmässig nennen.
Bemerkenswerth ist ferner, dass alle oben genannten Völker- 351
Schäften, so weit sie sonst genauer bekannt sind, zu den germanischen
zählen: es gilt dies von den Batavern, die bei weitem am häufigsten
genannt werden und sogar a potiori der ganzen Truppe den Namen
geben, den Frisiern, den Frisiavonen 2, den Ubiern, den Peucennern.
Auch die Baetesier, die als Baetasier bei den Schriftstellern auf-
treten, aber nach Herkunft und Lage nicht sicher bestimmt sind,
werden danach als Germanen zu betrachten sein. Also sind die nur
• durch diese Steine bekannten Völkerschaften ebenfalls im Kreise der
dem römischen Reich botmässigen Germanen zu suchen.
Die Eigennamen der sämmtlichen Leibwächter sind rein römisch;
es sieht fast aus, als sei absichtlich vermieden worden durch fremd-
artige Benennungen die einzelnen Leute als Ausländer allgemein
erkennbar zu machen.
1) Auch die Sueben sind die des römischen Gebiets; ein solcher diente
auch unter den kaiserlichen equites singulares (Eph. epigr. IV, n. 935 [C. I. L.
VI, 32806 = Dessau 2198]; Hermes 16, S. 459 [Ges. Sehr. 5 S. 403]).
2) Die Inschriften scheinen, eben wie Plinius, beide Völkerschaften zu
unterscheiden: die Frisiavonen sind S. 18 A. 5 erwähnt, ein Frisius erscheint
C. I. L. III im Diplom XXXVII. Vielleicht fallen die Frisii maiores minoresque
des Tacitus mit den Frisiavonen und Frisiern zusammen. Ueber die Form
vgl. Hübner im Rhein. Mus. 11, 30.
III.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.*)
1 I. Die occidentalischen und die orientalischen Legionen.
Als Augustus nach der definitiven Einrichtung des stehenden
Heeres an die dadurch gegebene weitere Aufgabe ging in dem
weiten Umfang seiner Staaten die Recrutirung zu ordnen, führte er,
in formaler Anlehnung an die Ordnungen der älteren Republik^, in
der That aber unter principieller Beseitigung der nach den Normen
der späteren Republik ausschliesslich auf der Bürgerschaft lastenden
Dienstpflicht, die tiefgreifende Neuerung ein, dass der eigentlichen
wie bisher ausschliesslich aus römischen Bürgern bestehenden Armee
als zweites, an Zahl und Gewicht den Legionen mehr neben- als
untergeordnetes Element die sogenannten Hülfscorps, die auxilia
hinzutraten. Es sind dies nicht etwa die von den zufälligen und
zeitweiligen Kampfgenossen gesandten Truppen, sondern wo das
"Wort im technischen Gebrauch auftritt, entsprechen die auxilia
der Legionen genau den socii der früheren Republik; es sind die
Contingente der durch den Reichsverband in ein dauerndes Schutz-
verhältniss gestellten Unterthanengemeinden^, wobei auch die Clientel-
*) [Hermes 19, 1884 S. 1-79. 210 — 234.]
1) Diese tritt namentlich in der Nomenclatur deutlich hervor: die auxilia
der Republik vor dem Bundesgenossenkrieg sind alae und cohortes, wie die der
Kaiserzeit, obwohl die ala dort etwas ganz anderes ist als hier. Die Verwen-
dung des Wortes in dem neueren Sinn findet sich wohl zuerst auf der merk-
würdigen Inschrift von Minturnae C. I. L. X, 6011 [Dessau 2490], welche unter
Augustus geschrieben sein muss, weil sie einen evoeatus in dem älteren durch
ihn beseitigten Sinn aufführt. — Auch die überwiegend von den truppenstellenden
Gemeinden entlehnte Benennung namentlich der cohortes ist nomenclatorisch
der Republik entlehnt.
2) Die einzigen Instanzen, die meines Wissens hiergegen [geltend] gemacht
werden können, sind die ala Sarmatarum (C.VII, 229. 230), offenbar mehr ein numerus
im späteren Sinn als eine ala und gewiss erst im dritten Jahrhundert gebildet,
Die Conscriptioüsordnung der römischen Kaiserzeit. 21
Staaten theilweise mit herangezogen wurden ^. Neben den Verschieden- 2
heiten im Rangverhältniss, in der Dienstzeit und wohl auch der
Besoldung und Verpflegung, durch welche die auxilia als Soldaten
zweiter Klasse sich charakterisiren, bestand bekanntlich der haupt-
sächliche Gegensatz darin, dass der eigentliche Corpsverband und
namentlich das Corpscommando der Generale senatorischen Ranges
durchaus auf der Legion ruhte. Die Mehrzahl der 'Hülfstruppen'
wurde diesen Corpsverbänden in der Weise eingefügt, dass die
einzelnen Auxilien, Truppenkörper von 1000 oder 500 Mann, den
einzelnen Legionen von fünf- resp. zehnfacher Stärke dauernd annectirt
und ihre Befehlshaber dem Legionscommandanten unterstellt wurden ;
nur Commandos nicht senatorischen Ranges und grösstentheils auch
von geringerer Wichtigkeit wurden aus Truppen dieser Gattung für
sich allein gebildet.
Dass die Rekruten für die Bürgertruppen aus den römischen
Bürgern, für die Auxilien aus den Nichtbürgern ausgehoben wurden,
erscheint als selbstverständlich, und ist bisher wohl allgemein und
unbedenklich angenommen worden. Dennoch trifft der Satz in dieser
Ausdehnung wenigstens nicht das Richtige.
Das römische Bürgerrecht kommt bekanntlich dem Bürger jeder
römischen Vollbürgergemeinde mit Nothwendigkeit zu; und wir haben
bisher geglaubt, was sich aus jener Annahme nothwendig ergab, dass
die legionare Recrutirung der früheren Kaiserzeit vorzugsweise auf
Italien und auf den hauptsächlich im Westen belegenen älteren
provinzialen Vollbürgergemeinden gelegen hat. Allerdings kann das 3
Vollbürgerrecht auch von dem Bürger einer latinischen oder sonstigen
peregrinischen Gemeinde für sich und seine Nachkommen erworben
und die wahrscheinlich von Traian eingerichtete ala I PaHhorum (Bullettino
dell'Inst. 1868 p. 60 [C. I. L. VI, 32933 = Dessau 2723]; C. I. L. VIII p. 1076;
X n. 3847). Diese beiden Truppen auf jeden Fall später Entstehung können das
Princip nicht umstossen und sind wohl auch selber damit im Einklang. Einzelne
sarmatische Stämme unter römischer Herrschaft können nicht auffallen. Was
die Parther anlangt, so mag Traianus die Einrichtung der Provinz Mesopotamien
wohl als Eroberung eines Theils des parthischen Reiches angesehen haben, wie
sie denn dies in der That war. Die Benennung der drei severischen Legionen
als Paiihicae wird auch nicht vom Sieg, sondern von der Eroberung sich herleiten,
obwohl dieses blosse Ehrennamen sind wie Macedonica und Scythica.
1) Die Clientelstaaten hatten ihr eigenes Heerwesen (Tacitus ann. 4, 4. 5.
13, 7. 38 ; bist. 5, 1 ; Bohn qua eondicione iuris reges socii p. R. fuerint p. 73) ;
damit aber ist es wohl vereinbar, dass auch die römische Regierung in dem
Clientelstaat warb oder aushob. Die Beweise, dass dies in der That geschah,
werden weiterhin gegeben werden.
22 Die ConscriptionsordnuDg der römischen Kaiserzeit.
werden; und wenn ans einer Stadt, die erweislich das römische
Bürgerrecht nicht besass, dennoch einzelne Personen das Kennzeichen
derselben, die Tribus, aufwiesen und zum Dienst in der Legion
gelangt w9-ren, so wurde dies der Regel nach darauf bezogen, dass
die legionare Aushebung sich auch auf Bürger blos personalen Rechts
erstreckt hat K Es wurde nicht übersehen, dass das personale Bürger-
recht auch Nichtjbürgern wegen des Legionsdienstes hat verliehen
werden ,können und dass dies in der späteren Kaiserzeit in grossem
Un;ifang geschehen sein muss, wie man annahm, etwa seit Marcus,
da von da an die Kaisergentilicien bei den Legionaren in auffallen-
der Häufigkeit sich einstellen 2. Aber die älteren Legionsinschriften
zeigten nicht das gleiche Namenverhältniss und es schienen in dieser
Epoche dergleichen Schenkungen nur vereinzelt vorgekommen zu sein.
Freilich musste bei dieser Annahme dem aufmerksamen Be-
obachter sich ein Bedenken ergeben. Dass die aus den Nichtbürgern
ausgehobenen Truppen sich unter die einzelnen Provinzen sehr un-
gleich vertheilen, konnte an sich nicht befremden; das auffallende
Hervortreten zum Beispiel der gesammten Belgica ist ohne Zweifel
so im Allgemeinen zu erklären, wie es im Besonderen für die Bataver
Tacitus thut: die. Aushebung wurde da verstärkt, wo die Mannschaft
besonders brauchbar war, und dafür in den Steuern Erleichterung
gewährt. Ueberhaupt aber hatte ein Staat von der Ausdehnung des
römischen mit einer Bevölkerung von über vier Millionen männlicher
römischer Bürger im dienstpflichtigen Alter ^ und ungezählter von
4 Peregrinen und mit einem stehenden Heere von höchstens 300 000
Mann bei meist 25 jähriger Dienstzeit jährlich höchstens 20 000 Re-
kruten einzustellen ; es konnte daher das vorhandene Menschenmaterial
in ungleichmässiger Weise herangezogen und ganze Landschaften bei
der Aushebung schwach betheiligt oder ganz übergangen werden.
"Was in dieser Hinsicht möglich war, tritt deutlich darin hervor,
1) Ein besonders schlagendes Beispiel sind die beiden wahrscheinlich vor
Claudius, sicher vor Vespasian geschriebenen Inschriften von Soldaten der dal-
matischen Legionen aus der nicht bedeutenden Stadt in Lykaonien Laranda,
von denen der eine zur Sergia (C. III, 2769), der andere zur FaUa (III, 2818)
gehört, so dass hier die Personalität der Tribus schon durch den Gegensatz
ausser Zweifel ist.
2) Dies lehnte sich besonders au die später (S. 78) zu erörternde Darstellung
dies: Aristides an; vgl. Hermes 16 S. 474 [Ges. Sehr. 5, 417].
"; . 3) Anders werden die augustischen Censuszahlen nicht wohl gefasst weifden
können (Staatsrecht 2, 411); für die Aushebung kommen dabei allerdings die
.zahlreichen Freigelassenen in Abzug. Im actischen Krieg standen etwa 300000
römische Bürger unter den Waffen.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. "23
dass Italien noch in der ersten Kaiserzeit einen grossen Theil der
Legionare lieferte, dagegen später nur die Garde dort sich recrutirte
— nicht weil die Halbinsel sich entvölkerte, sondern lediglich aus
allgemein politischen Gründen. Dennoch aber fällt es auf, dass die
kleinasiatischen Provinzen, die nur wenige ältere Vollbürgergemeinden
aufweisen und in denen also hauptsächlich die auxiliare Aushebung
zu erwarten war, von Alen und Gehörten so wenig und auch zur
Flotte nicht in beträchtlicher Zahl Mannschaften gestellt haben.
Eben die Namen der hauptsächlichsten Provinzen und der nam-
haftesten Völkerschaften werden unter den Auxilien vermisst. Sehr
ausgedehnte Gebiete schienen ohne ersichtliche politische Gründe
bei der Recrutirung ganz übergangen zu sein.
Jetzt haben die Inschriften Aufschluss gegeben. Ueber die
Recrutirung der Legionen waren wir bisher nur für den Occi'äent
unterrichtet, am besten für Obergermanien, Dalmatien und Africa.
Ueber die Legionen des Orients haben seit einigen Jahren die
ägyptischen Steine aus dem Lager bei Alexandrea — noch als der
dritte Band unserer Inschriftensammlung erschien, war davon nur
ein einziger bekannt — Licht zu geben angefangen, und eine grosse
kürzlich von Hrn. Maspero bei Koptos ausgegrabene Inschrift^, sicher
aus dem ersten Jahrhundert, wahrscheinlich aus Augustus oder
Tiberius Zeit, giebt ein Verzeichniss von 36 Soldaten zweier ägyp-
tischer Legionen mit beigeschriebener Tribus und Heimath. Der-
artige Listen mit Herkunftangabe besassen wir bisher von den
hauptstädtischen Truppen in grosser Anzahl, aber von Legionaren
nur einige jüngere lambaesitanische ; die neugefundene zeigt mit
einem Schlag, dass, was wir für eine mögliche Ausnahme gehalten 5
hatten, vielmehr die regelmässige Ordnung und wenigstens für die
ägyptischen Legionen das von Haus aus in Anwendung gekommene
Recrutirungssystem gewesen ist. Ich gebe das Verzeichniss in kurzer
Zusammenfassung mit Beifügung der anderweitig bekannten Herkunft-
angaben von Soldaten der beiden älteren ägyptischen Legionen
(III Cyrenaka und XXII Deiotariana).
Italien Vercellae (An.) 1
Lugdunensis . . Lugudunum (Gal.) 2
1) Dieselbe ist veröffentlicht von Hm, Deajardins in den Comptes rendns
der Pariser Akademie 1883 S. 217 und im ersten Heft des fünften Bandes der
Ephenieris epigraphica p. 5 [C. I. L. III, 6627 = .Dessau 2483]. Die Namen der
Legionen fehlen; es sind vielleicht die beiden bekannten (111 Cyren-. und XXII
Deiot.), vielleicht auch eine von diesen und die dritte unter Augi;istns dort statio-
nirte, deren Namen wir nicht kennen. ■ < , ■ •
24
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
Bithynien
Galatia .
Pisidien
Paphlagonien
Pontus Galaticus.
Nicaea
Ancyra
Tavium
Etenna
Isinda
Gangra
(Pap.)
(Pol.)
{(Pol.)
\(Ser.)
(Pol.)
(Pol.)
(Pol.)
l
10;
1
3
1
1
1
dazu 2 C. III, 6023
Pompeiopolis (Pol.)
Amasia (Pol.)
und Eph. II, 336 [G.
I. L. III, 6607 =
Dessau 2247].
Pontus Cappadocicus Sebastopolis (Pol.)
Kypros
Syrien
Paphos
Berytus
Damascus
(Ani.)
(Fab.)
Garasa (?) (Col.)
6
EpK II, 336 [C. I. L. III,
6607=r:Dessau2247J
1
1
1
Eph. II, 335 [C. I. L.
III, 6603J
Eph. II, 331 = V 4
[C. I. L. III, 6598]
1
2
6
Eph. II, 332 [C.
III, 6599]
1
1
Eph. II, 334 [C.
III, 6602]
Also die ägyptischen Legionen haben sich in der ersten Kaiser-
zeit überwiegend aus Aegypten selbst und aus dem ehemaligen Reich
des Amyntas, der Provinz Galatien recrutirt. Auch kann letzteres
nicht etwa darauf zurückgeführt werden, dass diese Galater nach
-Aegypten mit der XXII Deiotariana gekommen sind, die allerdings
wahrscheinlich nach Einziehung des galatischen Reiches dorthin
verlegt worden ist; denn in unserer Liste erscheinen die Galater
ziemlich gleichmässig in beiden Legionen. Vielmehr haben die
Galater im Heer des Orients eine ähnliche Rolle gespielt wie die
Belgiker im Westen. — Dass diese Recrutirungsform in Aegypten
bestanden hat, so lange die beiden eben genannten Legionen dort
blieben, das heisst bis auf Traianus, zeigen ihre übrigen oben mit
aufgeführten Steine. Die später, nach Auflösung der XXII Deio-
Sidon
(Pol.)
Aegypten . .
castra
(Pol.)
Alexandrea
(Pol.)
Ptolemais
Paraetonium
(Pup.)
Cyrenaica . .
Cyrenae
(Pol.)
Africa . . .
Utica
(Quir.)
I. L.
I. L.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 25
tariana und Verlegung der III Cyrenaica nach Arabien , einzige in
Aegypten garnisonirende Legion, die 11 Traiana fortis zeigt uns ein
im Wesentlichen noch ungedrucktes Verzeichniss ^ der im J. 168 in
sie eingetretenen, im J. 194 verabschiedeten Soldaten in der Weise
zusammengesetzt, dass von 37 mit Heimathangaben versehenen
Veteranen 28 Aegypter sind, 6 aus Syrien, l aus Bithynien, 2 aus
Africa. Unter Marcus also recrutirte sich diese Legion überwiegend
in Aegypten selbst; die galatischen Mannschaften fehlen und die
übrigen Provinzen sind nur in geringem Umfang oder gar nicht
vertreten.
Man könnte meinen, dass hier eine der vielen Besonderheiten
des ägyptischen Militärwesens obwalte; aber dem ist nicht so. Zu-
nächst das syrische Heer ist von jeher in gleicher Weise hauptsäch-
lich aus den griechischen Reichsländern ausgehoben worden. Die
inschriftlichen Heimathangaben für die orientalischen Legionen ^ sind
allerdings sehr sparsam und gestatten sichere Schlussfolgerungen
nicht. Aber hier tritt Tacitus ein mit der Erzählung der Vor-
bereitungen für den parthischen Krieg im J. 54 (13, 7): Nero et
iuventutem pfoximas per provincias quaesitam supplendis Orientis
legionibus admovere legionesque ipsas propnis Ärmeniam coUocari iuhet
und nachher (13, 35) in der Schilderung der Reorganisation der
syrischen Legionen durch Corbulo: dimissis, quibus senectus aut
valetudo adversa erat, supplementum petivit: et hdbiti per Galatiam
Cappadociamque düectus adiectaque ex Germania legio cum equitibus
alariis et peditatu cohortium. Diese Ergänzung der Legionen des
Orients aus den proximae provinciae Galatien und Kappadokien^ ist
1) Die Kunde dieser schon im J. 1803 von Aegypten nach England gebrachten
und in Walsh , Journal of the late campaign in Egypt (London 1803) veröffent-
lichten Inschrift verdanke ich Hm. Lumbroso in Rom; sie ist danach Eph.
epigr. V n. 10 wiederholt. Aber von der Liste giebt dieser Druck nur dürftige
Kunde; sie ist mir erst durch die Bemühungen des Hrn. Haverfield in Oxford
zugänglich geworden und wird nach dessen Mittheilungen im nächsten Heft der
genannten Zeitschrift erscheinen. [Eph. ep. V p. 259 f. = C. L L. III, 6580 =
Dessau 2304.]
2) Ich habe die Heimathangaben der Soldateninschriften der römischen
Kaiserzeit gesammelt und die Listen in der Ephemeris epigraphica (V, 1 [S. 159 ff.])
veröffentlicht. In den orientalischen Legionen finden sich einige Italiener (Flo-
rentia, XII fulm.: C. III, 414 — Mediolanum, IV Scyth.: V, 5595 — Privernum,
XII fulm.: III, 353) und ein Spanier (Italica, VI ferr.: II, 4154 [Dessau 2369]),
aber mehr Leute aus den griechischen Provinzen, so ein Athener (XVI FL:
C. I. G. 4439;, ein Milesier (VI: C. L G. 3932;, ein Ancyraner (X Fret: VI,
3614;, ein Pessinuntier (X Frei.: VI, 3627;, verschiedene Syrer.
3) Nicht hieher gehört, dass bei der Theilung der Truppen zwischen Paetus
und Corbulo (Tac. 15, 6) jener zu seinen zwei Legionen Pontica et GcUatarum
2ß . Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
bisher als eine ausserordentliche Massregel angesehen worden und
war dies ja allerdings; aber dass dabei nach der für die syrische
Armee überhaupt massgebenden Aushebungsordnung verfahren ward,
kann jetzt keinem Zweifel mehr unterliegen. — Danach muss das-
selbe auch für das von Vespasian eingerichtete Obercommando von
Kappadokien so wie für das traianische Arabien angenommen werden,
so weit überhaupt für diese Zeit noch die von Augustus festgesetzte
Recrutirungsordnung in Kraft gewesen ist.
Andrerseits haben die Districte, welche die Mannschaften für
die syrischen und ägyptischen Corps lieferten, für die des Westens
keine Rekruten gestellt. In dem spanischen und in den beiden
germanischen Heeren erscheinen keine Griechen nach Ausweis der
namentlich für Obergermanien zahlreichen Denkmäler. Bei der in
Mainz garnisonirenden vierten macedonischen Legion, welche Yes-
pasian auflöste, sind die 25 mit Heimathangaben versehenen Soldaten
sämmtlich Occidentalen. Was die illyrischen Truppen anlangt, so
führen für die pannonischen Legionen alle Spuren ebenfalls nach
dem Westen, wie dies- auch von vornherein wahrscheinlich ist. Da-
gegen bei den dalmatischen Legionen ist in ihren dort gefundenen
Inschriften aus der Zeit vor Vespasian, der diese Legionslager verlegt
hat, der Orient in nicht unbedeutendem Yerhältniss vertreten: ich
finde in der elften Legion auf sieben Italiker, Gallier und Spanier
zwei Macedonier und einen aus dem galatischen Provinzialverband,
in der siebenten sogar auf acht Italiener zwei Macedonier, vier
Kleinasiaten und vier aus der galatischen Provinz. Ueber die
moesischen Legionen fehlt biä jetzt genügende Kunde; wir wissen
beinahe nur, dass unter den von Nero nach Tarent geführten Colo-
nisten sich ein aus einer moesischen Legion entlassener Macedonier
befunden hat ^ und dass die wenigen bis jetzt im Lager von Troesmis
zum Vorschein gekommenen Militärsteine,, welche Soldaten nicht
moesischer Herkunft nennen, Pontikern, Galatern und Syrern gehören 2.
Wenn man hinzunimmt, dass diese Provinz, in welche die eigentliche
Sprachscheide fällt, in ihrem civilisirten Theil vielmehr griechisch
war und dass schon bei den dalmatischen Truppen die Conscription
Cappadocumque aiixilia erhält; damit sind die in den genannten Provinzen
garnisonirenden Alen und Cohorten gemeint. 1) C. IX, 6155.
2) Es sind deren bis jetzt nur vier: zwei aus Amastris (Hirschfeld arch.
epigr. Mitth. 6, 40. 41 [C. I. L. III, 7501. 7502]), ein Ancyraner (C. III, 6184) und
ein Hemesener (Hirschfeld a. a. 0. S. 40 [C. I. L. III, 7500]). Das Lager mag auf
Tiberius zurückgehen und hat bis auf Severus bestanden, reicht also weit in
die Zeit der örtlichen Aushebung hinab.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 27
der griechischen Provinzen mit in Betracht kam, so dürfte es wahr-
scheinlich erscheinen, dass auch das moesische Heer vorzugsweise
aus diesen ausgehoben worden ist. Dem gemischten Charakter der
Donauarmeen entspricht auch die Angabe des Tacitus (ann. 16, 13);
'iodem anno (65 n. Chr.) düedus per Galliam Narhonensein Afrkamqiie
<:t Äsiam hahiti sunt supplendis Illyricis hgionihus, ex quibits aetate
(iiit valetudine fessi sacramenfo solvehaniur. Weitere Funde werden,
wenn die Gebiete an der unteren Donau sich der Forschung vöHiger
orschliessen, die Späteren vom Vermuthen zum Wissen führen.
Eigenthümlich liegen die Verhältnisse bei der africanischen
Legion. Ueber das africanische Heer des ersten Jahrhunderts, das
wahrscheinlich die längste Zeit hindurch sein Hauptquartier in
fheveste gehabt hat, wissen wir bis jetzt wenig. Da indess die
fünf Inschriften, welche allein darauf bezogen werden können^,
sämmtlich Italikern oder Galliern gehören, so ist es nichts desto
weniger ausser Zweifel, dass diese Legion sich nach augustischer
Ordnung aus dem Occident recrutirt hat. — Dagegen sind wir durch
die Inschriften des von Hadrian eingerichteten lambaesitanischen
Legionslagers über die nachhadrianischen Militärverhältnisse für
Africa vollständiger unterrichtet als für irgend eine andere römische
Provinz; die africanische Legion ist auch nebenden ägyptischen die
einzige, von welcher wir Soldatenlisten mit Heimathangaben besitzen.
Die offenbar älteste derselben 2, welche von kaiserlichen Gentilicien
nur C. Itdüf TL Claudü und T. Flavii, aber die Stadt Marcianopolis
nennt, muss einem Jahrgang von Soldaten angehören, welche unter 9
Traian in das Heer eingestellt und etwa am Ende der Regierung
Hadrians in Lambaesis verabschiedet worden sind. Von den 78 Namen
mit einigermassen bestimmbarer Heimath, welche dieses Verzeichniss
aufführt, fallen auf Africa und Numidien 15, auf Cyrene 1, auf
Aegypten 6, auf Syrien 32, auf Bithynien 22, auf Medermoesien
und Lugdunensis je P. Italien fehlt ganz. Dagegen weisen die
1) C. VIII, 502. 503. 1876. 0103. 10629 [Dessau 2329]. Die letzte luschrift,
die ich nicht verstanden habe, als ich sie herausgab, gehört nach Augustone-
metum und die Tribus ist nicht die ufentinische, sondern die Quirina. [Einige
andere Inschriften dieser Art s. bei Cagnat Varmee Romaine d'Äfrique p. 352.]
2) Gedruckt im Recueil de la soc. arch. de Constantine für 1882 p. 378 f.,
mir in zuverlässiger Abschrift mitgetheilt von Hrn. Dr. Johannes Schmidt
[C. I. L. VIII, 18084].
3) Africa und Nutoidien: castr(is) 4; Kaiifagine) 6; Cirt(a) 2; Pa(piria
Hadr(umeto) 1 ; Hippo(ne)l [2] ; TJiev(este) 1. — Cyr(enis) 1. — Aegypten : Pareth(onio)
1; Tölomaida 5;_Alexandre.a fehlt.;— Syrien:. Änt(iochia) 1 [2]; Anih(ed(ym) 1;
2g Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
Übrigen dem lambaesitanischen Lager angehörenden Inschriften,
sowohl die Listen wie die im Ganzen nicht häufig, aber doch hier
und da die Heimath nennenden Grabsteine ganz überwiegend auf
Numidien und das proconsularische Africa; die übrigen Provinzen,
einschliesslich der beiden Mauretanien, sind in geringfügigem Ver-
hältniss vertreten. Nur ein noch unedirtes von Hrn. Schmidt eben-
falls in Lambaesis abgeschriebenes Soldatenverzeichniss,*) nicht datirt,
aber nach den zahlreichen P. Aelii, also hadrianischen Neubürgern
zu schliessen, auf eine unter Hadrian erfolgte Recruteneinstellung
sich beziehend, führt unter 50 Heimathangaben zwar 29 africanische
auf, aber ausserdem neben einigen zerstreuten nicht weniger als 18 [19]
aus der keineswegs besonders volkreichen dacischen Stadt Napoca^,
so dass also aus irgend welchen Gründen die in dem betreffenden
Jahr in Dacien vorgenommene Aushebung wenigstens theilweise in
Africa ihre Verwendung gefunden hat. Auch hier aber überwiegen
weitaus die Rekruten africanischer Herkunft. Diese Thatsache, dass
die africanischen Legionare des zweiten und dritten Jahrhunderts der
10 Regel nach aus der Provinz Africa-Numidien gebürtig sind, im All-
gemeinen längst jedem Epigraphiker wohlbekannt, wird nun bestätigt
und näher bestimmt durch einen kürzlich in Lambaesis aufgefundenen
Denkstein 2, welchen dem Kaiser Marcus im J. 1 66 setzten (centuriones)
et v[ete]rani leg, III Aug., qui militare coeperuhf divo Pio III et
M. Aurelio Vero II (so !) et Stloga et Severo cos. ; es folgen die Namen
mit Heimathangabe. Während die sonstigen in Lambaesis gefundenen
ohne Zweifel durchaus aus gleichem Anlass aufgestellten Soldaten-
verzeichnisse sämmtlich der Dedication und somit der Zeitbestimmung
entbehren, zeigt dieses urkundlich, in welcher Weise die Recrutirung
dieser Legion im Doppeljahr 140 und 141, also drei Jahre nach dem
Tode Hadrians, etwa zwanzig nach Einrichtung des Lagers von Lam-
Apamea 3 [4]; Caesa(rea) 1; Capito(liade) 1; Damasc(o)'2; JEpipa(nia)l; GäbalßsJ 1 ;
Gasza 1; Helw(poli) 2; Larisa 1; Laud(icea) 2; Cl(audia) Tol(emaide) 2; Scyto-
pol(i) 1; Sidonia (so einmal, sonst Sidon., Sido., Sid.) 8; Tripoli 1; Tyro 2;
Zeugfmate) 1. — Bithynien: dlaitdijopolfi) 1; Nie(aea?) 6; Nicom(edia) 11;
Pru8ia(de; einmal Plus.) 4. — Moesien: Marciano(pöli) 1; benannt nach der
Schwester Traians. — Lugdunensis : Lugud(uno) 1. Manche dieser Bestimmungen
sind zweifelhaft, theils wegen der Homonymien, theils wegen der Abkürzungen ;
das Gesammtergebniss wird dadurch nicht berührt.
*) [C. I. L. VIII, 18085.]
1) Genau vertheilen sich die Angaben folgendermassen : cas(tns) 18 [21] —
Kar(thagine) 3 [5] — Had(rumeto) 3 — Naragg(ara) 1 [2?] — The(veste; The
oder Ih) 3 — Thys(dro) 1 ; femer Napoca 19; Em(ona?) 1; Sav(ana) 1; [Lamabs(a)
— so — 1; Lep(ti) 1; Solva 1; TOi)el(epte) 1].
2) Gedruckt in demselben Recueil p. 374. 382 [CLL. VIII, 18067]; mir
ebenfalls in besserer Abschrift mitgetheilt von Hm. Dr. J. Schmidt.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 29
baesis, sich vollzogen hat. Von 28 damals eingestellten Soldaten,
(leren Heimath sich erhalten hat, gehören 27 nach Africa^
Hienach ist also die africanische Legion im ersten Jahrhundert
aus dem Occident recrutirt worden. Unter Traian dagegen hat die
Aushebung in den östlichen Provinzen auch für Africa die Masse
der Ersatzmannschaft geliefert. Unter und seit Hadrian sodann hat
die africanische Legion sich fast ausschliesslich aus der Provinz
Africa - Numidien recrutirt ^.
Bemerkenswerth ist noch, dass von Lagerkindern in dem ältesten
Igyptischen ^ Soldatenverzeichniss vielleicht aus Tiberius Zeit unter
;!ß nur 2 (S. 24), dagegen unter den im J. 168 eingestellten 37 nicht
weniger als 20 auftreten; dass ähnlich in der ältesten wahrscheinlich
tiaianischen Liste von Lambaesis nur 4 von 78 Soldaten die castra
anstatt der Heimath nennen, dagegen in dem dami folgenden auf 11
• ine hadrianische Recrutirung hinweisenden etwa ein Drittel — 18 [21]
von 50 — , in dem auf die Conscription von 140 und 141 bezüglichen
(ben so viele — 10 von 28 — , auch in den meisten übrigen ein
Drittel, ja die Hälfte der Ausgehobenen aus Lagerkindern besteht *.
1) Der eine Ausländer ist aus Napoca in Dacien [auch hier scheint es sich
um einen Afrikaner zu handeln, vgl. Schmidt zu C. I. L. VIII, 18067 v. 33].
2) Man übersehe nicht, dass diese Recrutirung nicht etwa bewiesen wird
durch die eine oder die andere Aushebungsliste; wogegen mit gutem Grund
►nngewandt werden könnte, dass die Aushebung für dieselbe Legion in dem
'-'inen Jahr in diesem, in dem andern in jenem Bezirke hat erfolgen können;
>')ndern dass, von der einen wahrscheinlich die Aushebung der traianischen Zeit
ri'präsentirenden Liste abgesehen, die Gesammtmasse der lambaesitanischen
Inschriften die provinziale Aushebung wenigstens für dieses Lager über allen
Zweifel sicher stellt.
3) Vielleicht hat diese Sitte oder Unsitte eben in Aegypten begonnen und
;in das dort einheimische System der xdxoixoi und emyovoi (Lumbroso econ. pol.
.1..^ l'Egypte p. 225) angeknüpft. Vgl. Eph. ep. V p. 16.
4) Die zu seiner Zeit bekannten lambaesitanischen' Lagerkinder hat Wil-
iiianns C. I. L. VIII p. 284 zusammengestellt. In der Liste 2565 fallen 2 bis 6
von 18, in der 2568 43 von 86, in der datirten 2618 aus dem Anfang der Re-
gierung des Severus 4 von 11 auf die castra. — Wilmanns Behauptung aber
a . a. 0. , dass diese Kinder nicht aus dem Soldatenconcubinat entsprungen sein
innen, weil sie der Pollia angehören und die (hauptstädtischen) spurii in der
Jlina zu stehen pflegen und weil von Vaterschaft und ähnlichen Verhältnissen
iif ihren Inschriften die Rede ist, ist nicht zulässig. Wären es Soldatenkinder
ins rechter Ehe, so hätten sie vielmehr die Tribus ihrer Väter führen müssen.
^ pollische Tribus ist, wie immer klar war, aber jetzt über allen Zweifel fest-
ht, hier als personale und zur Erlangung der Dienstfähigkeit in der Legion
«ien an sich derselben ermangelnden Rekruten verliehene zu betrachten. Dafür,
dass der Soldat rechter Ehe nicht fähig ist, geben eben diese castrenses mit
iluer speciell geschenkten Tribus den schlagenden Beweis. Dass pater und der-
^0 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
Gewiss haben zufällige Umstände hier vielfach eingewirkt ; aber offen-
bar hat sich neben und aus der örtlichen Recrutirung die des ein-
zelnen Lagers aus sich selbst in steigender Progression entwickelt.
Es stellen sich hienach für die Aushebung drei verschiedene
Epochen heraus: die augustische Ordnung, wonach Italien und der
lateinische Westen die occidentalischen , der griechische Osten die
orientalischen Legionen stellt; die Ausschliessung der Italiker vom
regelmässigen Legionardienst bei sonstigem Festhalten des augustischen
Systems; endlich die Einführung der örtlichen Conscription.
Um die augustische Militärordnung richtig zu würdigen, ist vor
allen Dingen ihre Yorgeschichte ins Auge zu fassen.
Es ist die Yolksgemeinde der Republik, welche das Bürgerrecht
verleiht; allein sie kann dieses Recht an Beamte delegiren. Dies
ist geschehen theils zu Gunsten der zur Gründung von Bürger-
gemeinden ernannten Commissarien, theils zu Gunsten der Feldherren,
allerdings für die letzteren immer durch besonderen Volksbeschluss.
Wann die feldherrliche Schenkung des Bürgerrechts aufgekommen
12 und in welchem Umfang sie anfänglich geübt worden ist, lässt sich
nicht feststellen; wir wissen nur, dass Marius dies Recht für den im
J. 653 d. St. beendigten kimbrischen Krieg erhalten und auf Grund
desselben ganzen Abtheilungen von Nichtbürgersoldaten das Bürger-
recht verliehen hat. Wahrscheinlich ist es seitdem den Feldherren
oft, wenn auch wohl in der Regel erst nach glücklicher Beendigung
des Krieges als Siegesbelohnung, gewährt worden^. Li dieser Be-
schränkung stand es in keiner Beziehung zu dem im übrigen dem
Feldherrn ebenfalls zustehenden Recht innerhalb seines Sprengeis
die waffenfähigen Bürger und Unterthanen zum Dienst einzuberufen.
Da es aber lediglich ein persönliches Privilegium war und von Rechts-
wegen der betreffende Volksbeschluss zu jeder Zeit gefasst werden
konnte, so ist wohl in der letzten Zeit der Republik die Befugniss
das Bürgerrecht zu verleihen dem Feldherrn schon während oder
selbst bei Antritt seines Commandos verliehen worden; und damit
war ihm zugleich die Möglichkeit gegeben den Nichtbürger, den er
gleichen von Concubinenkindern — im römischen Sinne — wohl hat gebraucht
werden können, versteht sich von selbst, wenn auch nach strengem Recht eine
solche Verwandtschaft nicht galt.
1) Staatsrecht 2, 891. Marius muss diese Befugniss schon vor der Be-
endigung des Cimbemkrieges erhalten haben, da die Verleihung an die Caraerter
nur insofern beanstandet wurde, als ihr deren Bündnissvertrag im Wege stand
(Val. Max. 5, 2, 8). Pompeius aber erhielt das gleiche Recht für Spanien erst
im J. 682 nach der Katastrophe des Sertorius.
I
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 3 t
zum Heerdienst einberief, zum Legionär zu machen. Wann die
Generale der Republik angefangen haben jene Befugniss in dieser
Richtung zu verwenden, vermögen wir nicht zu sagen. Aber wenn
schon in dem Heer, mit welchem Pompeius den mithridatischen Krieg
beendigte, geborene. Kelten und Deutsche in beträchtlicher Anzahl
und allem Anschein nach als Legionare dienten i, so ist dies wahr-
scheinlich auf dergleichen Einstellungen zurückzuführen. Regimenter
freilich hat man, so lange es noch eine Republik gab, sicher niemals
nach diesem Princip gebildet. Diese Formation begegnet zuerst,
und allem Anschein nach als eine durch die Recht- und Zuchtlosig-
keit der Feldherrnrevolten hervorgerufene Neuerung, in dem Kriege
zwischen Pompeius und Caesar, und damals wird auch zuerst ihr
Name vernommen ^ : die legiones vernaculae, die 'Eingebornenlegionen', 1 3
werden in Gegensatz gestellt zu den aus geborenen, wenn auch in
der Provinz geborenen römischen Bürgern aufgestellten ^. Derartige
Regimenter sind nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges wenigstens
von den pompeianischen Feldherrn in Spanien gebildet worden*.
1) Caesar b. c. 3, 4. 103. Ein positiver Beweis dafür, dass diese mehrfach
erwähnten gabinischen Soldaten, Galli Germanique, Legionarier waren, ist nicht
zu führen; der römische Kriegstribun und der Centurio, die Pompeius ermordeten,
werden zu ihnen gehört haben, aber ganz bestimmt lässt sich daraus auf den
Charakter der Truppe nicht schliessen. Indess spricht alle Wahrscheinlichkeit
dafür, dass das alexandrinische Legionslager eben auf diese Mannschaften zurück-
geht (vgl. Eph. epigr. V p. 16).
2) Die Art, wie Caesar, der zuerst den Ausdruck braucht, ihn einführt
(b. c. 2, 20: altera ex cluabus legionibus, quae vernacula appellabatur) zeigt die
Neuheit auch des Ausdrucks.
8) Der Verfasser des bellum Hisp. c. 7 bezeichnet als den Kern des pom-
peianischen Heeres neben einer vierten die zwei legiones vernaculae, das heisst
die beiden von Varro 705 im jenseitigen Spanien gebildeten (Caesar b. c. 2, 18),
die nach dessen Unterwerfung in Caesars Heer übergingen, aber dann durch
ihren Abfall den zweiten spanischen Krieg herbeiführten, und una facta ex
colonüs quae fuerunt in Ms regionibus. Daraus hat Lange (bist. mut. rei mil.
p. 11) geschlossen, dass den Legionaren der legiones vernaculae das Bürgerrecht
gefehlt hat und Marquardt (Staatsverw. 2, 419 [s. jedoch 2^8. 433]) dies gebilligt;
während ihnen doch nur das angeborene, nicht das Bürgerrecht überhaupt ab-
gesprochen wird. Darum ist dann an einer andern Stelle bell. Alex. 53: nemo aut
in pi'ovincia natus aut vernaculae legionis milites aut diuturnitate iam (actus provin-
Cialis, quo in numevo erat secunda legio, non cum omni jyrovincia consenserat in
odio Gassii das richtig überlieferte aut — aut — aut in aut — ut — aut geändert
worden [verteidigt von v. Domaszewski, N. Heidelb. Jahrb. 4, 1894 S. 168 A. 4],
obwohl deutlich auch hier die drei Kategorien der Legionare unterschieden
werden: die in der Provinz geborenen Bürger, die in der Provinz geborenen Nicht-
bürger und die Nichtspanier.
4) Abgesehen von der eben angeführten Stelle wird als legio vernacula im
eigentlichen Sinn durchaus nur die eine der beiden varronischen Legionen be-
32 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
Caesar scheint nicht geradezu das Gleiche gethan zu haben. Für
die Aushebungen, die er in der diesseitigen Provinz sogleich nach
dem Bruch in grossem Umfang vornahm, diente ihm als Legalisirung
das roscische Gesetz, welches schon am 11. März dieses Jahres den
Transpadanern das Bürgerrecht verlieh^ — man erkennt jetzt noch
deutlicher, warum dessen Durch bringung in so auffallender Weise
beschleunigt ward. In dem transalpinischen Gallien hat er wohl
eine Truppenabtheilung ausgehoben, die militärisch als Legion be-
14 handelt ward 2, aber ihr die Legionsnummer versagt^ und auch den
Soldaten die Civität nicht sofort und nur als persönliches Recht ver-
liehen, wodurch die Truppe selbst noch keineswegs zur Legion ward*.
Insofern mochten die Caesarianer ihre» Gegnern die 'Eingebornen-
legionen' auf ihr specielles Sündenregister schreiben; und Caesar
selbst^^hätte demnach wohl eine Organisation dieser Art seiner Militär-
ordnung nicht eingefügt. Aber es ist der Fluch des Bürgerkriegs,
dass die Sünden jeder Partei dem Gemeinwesen bleiben. Nach
Caesars Tode verfuhren die Feldherren der restaurirten Republik
hierin wie die pompeianischen ^ ; und wenn bei den massenweisen
provinzialen Aushebungen, welche die Triumvirn anordneten, der
zeichnet (b. c. 2, 20; b. Alex. 53. 54. 57; b. Hisp. 10. 12); die andere muss wohl
einen Stamm von geborenen Bürgern gehabt haben, zumal da Caesar von 'Er-
gänzung' der Legionen spricht.
1) Vgl. diese Zeitschrift; 16, 35 [Ges. Sehr. 1 S. 185].
2) Sueton Caes. 24: (Caesar) ad legiones, quas a re publica acceperat, alias
privato stmiptu addidit, unam etiam ex Transalpinis conscriptam vocabulo quoque
Galileo (Alauda — vielmehr Alaudae — enim appellahatur), quam disciplina cultuque
Romano institutam et ornatam postea universam civitate donavit.
3) Bekanntlich heissen diese Soldaten bei Cicero immer Alaudae, mehrfach
in bestimmtem Gegensatz zu Legionen mit Nummern. Aehnlich verhält es sich
mit der legio Martia, deren Entstehung nicht bekannt, aber wahrscheinlich
analog ist. Auch die Ddotariana Augusts ist wahrscheinlich schon im J. 729
mit dem galatischen Reiche römisch geworden, hat aber ihre Regimentsziffer 22
ohne Zweifel erst nach der Bildung der 21. Legion erhalten, das heisst nach der
Varusschlacht — ob durch Augustus, wie man gewöhnlich annimmt, oder erst
später, ist nicht zu entscheiden. Die eigentliche Einstellung in die Legion ist
das distrihuere in numeros (Plinius ad Trai. 29. 80), wo numerus gewiss die
Legionsziffer bezeichnet (vgl. Polyb. 6, 20), und wo diese fehlt, giebt es im
Rechtssinne keine Legion.
4) Man erinnere sich an die mit dem Bürgerrecht beschenkten Cohorten
der Camerter und der Pontiker, an die zahlreichen alae und eohortes civium
Bomanai'um. Die Distinction zwischen dem Bürgerrecht des oder der Soldaten
und der Bürgerqualität der Truppe ist gewiss alt.
5) Appian b. c. 3, 79 : (Brutus) Maxsdövas sjiaivwv dvo rskrj xats).e^ev i^
avTcüv, xai ig xbv 'haXixov zqöjiov xal xade eyv^vdl^eto.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 33
Unterschied der in der Provinz geborenen Bürger und der latinischen
oder peregrinischen Provinzialen nicht hervortritt, so haben doch
sicher auch sie nicht an Caesars Reserve festgehalten und in grosser
Zahl Legionen aus Nichtbürgem gebildet, die mit dem Eintritt in
die Truppe und durch ihn das Bürgerrecht erwarben.
Man wird diese Vorgeschichte im Sinne behalten müssen, um
Augustus Militärordnung nach beiden Seiten hin gerecht zu würdigen.
Die Institution der ganz oder überwiegend aus Nichtbürgem ge-
bildeten Legion ist, wie die der kaiserlichen Legaten, nicht eigentlich
an sich sondern nur in ihrer organischen Regulirung das "Werk des
Augustus. Das Bedenkliche derselben hat dieser gewiss so wenig 15
verkannt wie Caesar; bezeichnend ist dafür einmal, dass die legio
vertiacula zwar der Sache nach festgehalten, das bemakelnde Wort
aber durchaus vermieden ward ; zweitens, dass dies Aushebungsprincip,
wo es den ganzen Regimentern den Stempel gab, allem Anschein
nach beschränkt ward auf die Legionen des Ostens, wobei übrigens
der nicht ganz dort mangelnde Bestand von römischen Bürgern doch
auch einen Theil der Rekruten geliefert haben wird. Im Westen
sind gewiss die Legionare auch zum guten Theil aus latinischen oder
peregrinischen Gemeinden ausgehoben und durch die Aushebung zu
Bürgern gemacht worden; aber sicher ist dort, namentlich so lange
Italien noch einen beträchtlichen Theil von Legionaren stellte, die
Zahl der geborenen römischen Bürger in jeder Legion eine recht
beträchtliche gewesen. Bezeichnend für die Regel ist die Ausnahme:
allein, so viel wir wissen, in der Zwangslage nach der Varusschlacht
ist eine occidentalische Legion in ihrer Majorität nach diesem Princip
gebildet worden ^
1) In der bekannten Schilderung dieser Legion bei Tacitus ann. 1, 31:
vernacula multitudo nuper acto in urbe dilectu lasciviae sueta, laborum intolerans,
implere ceterorum rüdes animos pflegt vernaculus auf die städtische Hefe bezogen
zu werden; aber diese Bedeutung hat das Wort sonst nachweislich nicht, und
der Schriftsteller dürfte vielmehr dasselbe auch hier in dem oben erörterten
castrensischen Sinn gebraucht haben, das heisst, die Rekruten bezeichnen als
entnommen dem städtischen des Bürgerrechts entbehrenden Pöbel. Dies erhält
vielleicht eine gewisse Bestätigung dadurch, dass die Aushebung für jene Legion
sich nach Ausweis der Inschriften auf Kreise erstreckt hat, die sonst bei der
legionaren Aushebung nicht in Betracht kommen. Legionssoldaten ohne Ge-
schlechtsnamen kommen überhaupt nur selten vor, wo sie aber auftreten, vor-
zugsweise bei Neubürgem, die der Sache nach noch Barbaren waren. Sie
erscheinen einzeln in anderen Legionen (C. III, 3558: Pacatus Mucaris mil. leg.
II adi.; III, 5417: Kalendinus Celati f. m. l II ad.; III, 5448: Nigelio mil. l. U
Ita.), aber in Italien und in guter Zeit wohl nur bei der einundzwanzigsten.
MOMMSEN, SCHB. VI. 3
34 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
Immer brach das neue System mit dem Grundsatz der Republik
das Heer aus geborenen Bürgern zusammenzusetzen. "Was im Bürger-
16 kriege aufgekommen war, die Aufstellung von Regimentern nach
römischer Art und mit römischem Commando aus Nichtbürgern und
ihre Umwandlung in Bürgerregimenter durch Verleihung des Bürger-
rechts an die gesammte Mannschaft, das hat Augustus nicht beseitigen
wollen oder nicht beseitigen können. Indess wurde diese Einrichtung,
die in ihrem vollen Umfang angewandt jedem reichsangehörigen
oder reichsfremden Barbaren wie jedem Halbfreien oder Unfreien
das Bürgerheer geöffnet haben würde, wesentlich beschränkt durch
die doppelte Qualification für den Legionär, der städtischen Heimath
und der freien Geburt.
Die erstere wird weiterhin begründet und erörtert werden. Sie
war dazu bestimmt die nicht civilisirten Reichsangehörigen vom
Reichsbürgerheer fern zu halten, während für diese zugleich beson-
dere Cadres eingerichtet wurden. Freilich war die Stadtheimath,
zumal in ihrer mehr äusserlich sich ausdehnenden als innerlich sich
vertiefenden Entwickelung, an sich schon für den Besitz städtischer
Civilisation eine Bürgschaft von bedenklichem Werth und mehr eine
Directive als eine Schranke. Es war mit dieser Einrichtung dem
Staat ein grosses Princip vorgezeichnet und ausführbar gemacht
worden; aber die unverständige Regierung konnte daneben und
damit machen was ihr gut schien, ohne sie äusserlich zu verletzen.
Formell ist in dieser Hinsicht zu allen Zeiten alles in der voll-
kommensten Ordnung, jeder Gardist und jeder Legionär in der
Stammrolle mit seiner Stadtgemeinde geführt worden unter Augustus
80 gut wie unter Severus und sicher noch lange nachher. Aber
materiell ist dadurch nicht verhindert worden, dass die Thraker und
Pannonier im Heerwesen die erste Rolle spielen und die Reichs-
herrschaft gewissermassen von Rechtswegen den illyrischen Barbaren
zukommt. Die Staatsweisen dieser Autokratie durften überhaupt
sich rühmen die gesetzlichen Ordnungen nicht beseitigt, sondern nur
inhaltlos gemacht zu haben. Die Barbarenherrschaft konnte in der
That mit diesem Princip genau so vollständig durchgeführt werden,
wie die Autokratie bei richtiger Behandlung recht füglich mit dem
Princip der Volksvertretung auskommen kann.
lamunus (oder lamuno) Bufi, aus einem der kleinen unter Brixia gelegten Berg-
gaue peregrinischen Rechts, setzt seinen Söhnen Quartioni, Sexto militihus leg.
XXI rapacis filis defu(ne)t(isj einen Grabstein (C. V, 4858) ; gleichartig ist V, 4927,
verwandt V, 4892. 5033 (vgl. Hermes 4, 116 [Ges. Sehr. 4 S. 307]). Dies scheinen
peregrini zu sein, welche bei jenem ersten Dilectus in diese Legion gelangt sind.
Die Conscriptionsordnuiig der römischen Kaiserzeit. 35
Wenn die Stammrolle unter dem Principat, wie vorher, für jeden
Legionär die freie römische Geburt angab und den römischen Vater
namhaft machte, so war das für die Republik eine Wahrheit, seit
Augustus insoweit nothwendig eine rechtliche Fiction, als Nichtbürger
in die Legionen aufgenommen wurden. Indess die Qualification der
Ingenuität an sich kann darum fortbestanden haben; und ohne 17
Zweifel hat Augustus in der That daran festgehalten, also Nicht-
bürger nur dann in die Legion eingestellt, wenn sie aus rechter
peregrinischer Ehe entsprossen waren, die Fiction demnach sich
nicht auf das Yorhandensein des Vaters bezog, sondern nur auf
dessen Benennung^. Die rechtliche Incompatibilität des Heerdienstes
und der Libertinität erscheint deutlich eben in der Ausnahme, die
hinsichtlich der städtischen Feuerwache gemacht wird; nur hier tritt
die Libertinität offen zu Tage. Dennoch scheinen auf dem Schleich-
weg, den das eben so unbestrittene wie bedenkliche Recht des
Kaisers die fictive Ingenuität (natdlium restitutio) zu verleihen ^ an
die Hand gab, die Libertinen in den Heerdienst schon früh in
weiterem Umfang eingedrungen und in immer steigendem Masse
daran betheiligt worden zu sein. Die Flottensoldaten, einstmals von
Rechtswegen Sclaven oder Freigelassene des Kaisers, sind in dieser
Weise wohl auch nach der Beilegung der Soldateneigenschaft in
grosser Ausdehnung aus den Freigelassenen genommen worden^.
Selbst in Betreff der Legionarier giebt es zu denken, dass bei einer
1) Dies mag sogar sehr alt sein. Der Besitz des jy^^ter aut patronus ist ein
so allgemeines Requisit für den römischen Bürger, dass dasselbe auch für den
Neubürger zur Anwendung kommen muss; und wenn ihm auch da, wo die
Nomenclatur homogen war, wie bei den aus dem Latium hervorgegangenen,
wohl die Fortführung der wirklichen Ascendenten zugestanden worden sein wird,
so ist dies doch Griechen und anderen Nationen gegenüber schwerlich geschehen,
sondern hier wohl schon früh Fiction zu Hülfe genommen worden.
2) Scaevola Dig. 40, 11, 3: ea res nee dubitationem habet nee timquam liabuit,
quin exploratiim sit ad omnem ingenuitatis statum restitui eum, qui isto (natdlium
restitutorum) benefieio prineiins utatur.
3) Es ist eine Eigenthümlichkeit der zahlreichen Steine der Classiarier, die
längst hätte hervorgehoben werden sollen, dass diese Leute entweder einen
peregrinischen Vater nennen oder gar keinen. Die letzteren dürften zum grossen
Theil Freigelassene sein, die den Patronus weglassen wegen der mit dem Eintritt
in diesen Dienst rechtlich verknüpften fictiven Ingenuität. Hätten sie Frei-
gelassene sein dürfen, wie es die vigiles durften, so würden wir den Patron ge-
wiss oft genannt finden — der eine von ihnen, der ihn nennt (X, 3531), hat wohl
aus Versehen die Wahrheit gesagt. Dass sie blos den Patron weglassen, aber
sich keinen Vater beisetzen, dürfte bestätigen, dass, wo ein Vater genannt wird,
wie bei dem Legionär, nur der Name, nicht aber die freie Geburt fictiv ist.
3*
3() Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
Aushebung in Bithynien, die allem Anschein nach für die Legionen
18 dienen sollte, schon Kaiser Traianus nur diejenige von Sclaven als
unstatthaft bezeichnet ^ Genauer können wir hier dem Sachverhält-
niss nicht nachkommen und den Schleier nicht lüften, den die Auto-
kratie durch die Ausübung ihrer Privilegien über die Thatsachen
gebreitet hat.
Die Ausländer und die Unfreien waren für den römischen Heer-
dienst selbst in der nachdiocletianischen Zeit noch disqualificirt.
Anwerbung im Ausland ist allerdings damals in grossem Umfang
aufgekommen; aber ein Theil des Reichsheeres sind diese ange-
worbenen Mannschaften nicht. Dem Sclaven wird sogar noch in
den Gesetzen der spätesten Zeit für den Eintritt in den Dienst die
Todesstrafe gedroht. Aber umgangen wird auch diese letzte Schranke
in dieser Zeit mittelst des Colonats. Allerdings ist der Colonus im
Rechtssinn kein Sclave und insofern hat die Scheinheiligkeit der
römischen Jurisprudenz auch damals sich nicht verleugnet; aber dass
diese Leibeigenen nur dem Namen nach freie Leute sind, ist ebenso
bekannt wie dass die spätere Aushebung wesentlich besteht in der
Auflage an die grösseren Grundbesitzer diese Knechte als Rekruten
zu stellen 2. Diese Heere sind es, die Rom und Byzanz gegen die
Gothen und Hunnen zu vertheidigen hatten.
Von der allgemeinen Betrachtung des augustischen Aushebungs-
systems kehre ich zurück zu den beiden tiefgreifenden Aenderungen,
denen dasselbe in der früheren Kaiserzeit unterlegen hat, dem Aus-
schluss der Italiker vom Legionsdienst und der Einführung der
örtlichen Conscription. Es erscheint erforderlich nach den oben
gegebenen Elementen zu bestimmen, wann beides eingetreten ist.
Der Ausschluss der Italiker vom Legionardienst folgt daraus
noch nicht, dass bei der Aushebung für die Donauarmee im J. 65
nur die Narbonensis, Asia und Africa herangezogen wurden (S. 27);
der einzelne Dilectus ist immer auf einzelne Landschaften gestellt
19 worden, und für Italien kommt noch besonders in Betracht, dass hier
1) Plinius ad Trai. 29. 30. Bithynien unterliegt als Senatsprovinz nur der
legionaren Aushebung, und um diese Zeit ist dort für die africanische Legion
ausgehoben worden (S. 27). Auch die numeri führen auf die Legionen (S. 32 A. 3).
Allerdings stand die Provinz damals ausnahmsweise unter kaiserlicher Verwaltung
und es ist also nicht schlechthin ausgeschlossen an Auxiliarier oder Flotten-
soldaten zu denken.
2) Dies ist dem älteren Recht fremd; aber schon in traianischer Zeit kam
bei zwangsweiser Aushebung die Stellung von mearii vor (Plinius ad Trai. 30)
und daraus mag sich dieses Verfahren entwickelt haben.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 37
vielleicht schon früh nur diente, wer sich freiwillig meldete. Dass
schon in dem Bürgerkrieg nach Neros Tod Tacitus die Rheinarmee
als provinziale Truppe den italischen Prätorianern entgegensetzt^,
beweist wohl, was die Documente bestätigen, dass schon damals in
jener die provinzialen Elemente sich sehr fühlbar machten, aber auch
nicht mehr, zumal da diese Angaben in Reden vorkommen und
vielleicht selbst unter dem Einfluss der eigenen Anschauung des
Schriftstellers stehen. Dass vielmehr noch unter Nero die Italiker
in beträchtlicher Anzahl in der Legion dienten, zeigt das erst von
Vespasian eingerichtete Lager der 11. Legion von Vindonissa; es
könnten in diesem, das nur etwa dreissig Jahre bestanden hat, unter
zehn Grabsteinen von Soldaten mit Heimathangaben sich nicht sieben
Italiker gegen drei Gallier finden, wenn bereits unter Nero dieser
Ausschluss eingetreten wäre Aber unter Vespasian muss er wohl
erfolgt sein; denn in den Legionen, deren Errichtung in die vespa-
sianische Epoche fällt, sind die Italiker nicht mehr vertreten, wie dies
namentlich die zahlreichen Mainzer Inschriften der I adiutrix zeigen.
— Diese Entlastung Italiens, das bisher einen wesentlichen Beitrag
für die occidentalischen Legionen gestellt hatte, führte natürlich eine
stärkere Belastung der lateinischen Provinzen des Westens bei der
Legionaraushebung herbei; und um diese einigermassen auszugleichen,
wird die africanische Legion dem Orient zugewiesen worden sein
und es sich daraus erklären, dass wir diese in traianischer Zeit aus
Bithynern und Syrern recrutirt finden (S. 27).
Also was die Legion dem sogenannten Hygin ist, die milifia
provincialis fidelissima, ist sie vermuthlich unter Vespasian geworden 2.
1) Tacitus bist. 2, 21: militem peregrinutn et externum. Aehulich 1, 84.
2, 93. 94.
2) Wenn bei Tacitus (Agr. 32) der Führer der Nationalpartei in Britannien
das Römerheer der domitianischen Zeit schildert als bestehend aus Galliern,
Germanen und Britannem, so denkt er nicht, wie Hübner will (Hermes 16, 551),
an die Auxilien, sondern in erster Reihe an die Legionen selbst, auf welche in
der That, da es sich ja hier um die der Westprovinzen handelt, diese Aeusserung
vollständig passt. Den Commentar dazu giebt die Inschrift (C. VII, 5 [Dessau 4786]),
die ein von dem Statthalter von Britannien in Venta (Winchester) stationirter
Legionär gesetzt hat McUrib(us) Ital[i]s Germanis Gal(lis) Brit(annisJ — offenbar
den Heimathgöttern der englischen Legionare. Bei den Moires Italae kann an die
Offiziere und Unteroffiziere gedacht sein. — Allerdings passt Tacitus Ausdruck zu-
gleich auf die Mehrzahl der Auxiliarier. Denn so weit nicht besondere Rücksichten
militärischer Art eine Ausnahme bedingten, wie das bei den Schützen (sagittarii)
und der schweren Reiterei (cataphractarii) der Fall war, sind offenbar die im
Orient ausgehobenen Auxilia ebenso wie die im Orient ausgehobenen Legionen
auch im Orient verwendet worden, und umgekehrt. Darum brauchen indess die
38 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
20 Es ist auch wohl begreiflich, dass dieser Kaiser so verfuhr. Der
Versuch der Rheinarmee die Herrschaft über Italien zu gewinnen,
ruhte ohne Frage mit auf dem Uebermuth der Truppe, und dieser
wieder zum Theil wenigstens auf dem gewaltigen Hochmuth, den
der Römer, das heisst in dieser Epoche der Italiker gegenüber dem
Provinzialen, der Eroberer gegenüber dem Unterworfenen empfand.
Es ist die grosse That Vespasians gewesen, dass er die Militärgewalt
zum Gehorsam zurückgeführt und die Generale wieder der Regierung
botmässig gemacht hat. Die Auflösung der am Rhein stehenden
Legionen zeigt, wo Vespasian den Sitz des Uebels erkannte; dafür,
dass es nicht wiederkehre, gab sie keine Bürgschaft. "Wohl aber
war diese damit gegeben, wenn dem Italiker das Schwert, das
wirklich schlug — der Gardistendegen war dies nicht — ein für
allemal aus der Hand genommen ward. — In welcher Form der
Ausschluss ins Werk gesetzt wurde, können die Inschriften uns nicht
sagen; und da die Schriftsteller schweigen, wird hierüber schwerlich
je voller Aufschluss erlangt werden. Wahrscheinlich ist eine eigentlich
organisatorische Yorschrift darüber gar nicht ergangen, sondern hat
die Regierung einfach die Aushebung oder auch die Werbung, die
nicht stehend, sondern immer auf besondere Anordnung für die
einzelnen Districte eintrat^, so weit sie die Legionen zu ergänzen
bestimmt waren, seitdem in Italien unterlassen. So erklärt sich am
einfachsten, dass auch nachher noch manche Ausnahmen vorkommen ^
21 und dass in gefährlichen Krisen, zum Beispiel unter Marcus und Verus
für den parthischen Krieg, Aushebungen im transpadanischen Gebiet
ausserordentlicherweise stattgefunden haben, die nur auf die Legionen
bezogen werden können^.
Auxilia keineswegs ursprünglich eben in der Provinz Verwendung gefunden zu
haben, in welcher sie ausgehoben wurden. Nach dem ältesten Document der
Art, welches wir besitzen, dem neronischen Diplom vom J. 60 lagen damals in
lUyricum fünf spanische Cohorten und zwei der Alpini.
1) Staatsrecht 2 2 S. 820.
2) Dahin gehören zum Beispiel der Soldat aus dem Lager von Aquincum
(IIT, 3544) I. Gl Efficax q(uon)dfam) mil(es) legßonis) II p(iae) f(ideUs) b(ene)-
f(iciarius) co(n)s(ularis) domo Luceria Apia (für Apula), der Tereventiner, der im
Lager von Obilaba in der von Marcus eingerichteten zweiten italischen Legion
gedient hat (IX, 2593) und die milites leg. VI victricis pie f(iddis) cives Italici et
Norici, welche am Antoninswall in Britannien den Altar VII, 1095 weihten.
Gunst imd Missgunst und Zufälligkeiten aller Art müssen hier eingegriffen haben.
Ueberdies fällt Heimathrecht und Domicil ja nicht zusammen und ist es wohl
denkbar, dass bei dem Ausschliessen der Italiker mehr dieses als jenes in das
Auge gefasst ward (vgl. vita Hadriani 12).
3) Ausserordentliche Commissarien zur Veranstaltung von Aushebungen in
Italien, immer senatorischen Ranges, begegnen verhältnissmässig häufig, unter
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 39
Als den Urheber der örtlichen Aushebung erweist sich nach dem
oben Gesagten für Africa Hadrian, und allem Anschein nach hat er
diese Massregel für das gesammte Reich durchgeführt. Der Gegensatz
der occidentalischen und der orientalischen Legionen wurde hiedurch
nicht aufgehoben, vielmehr verschärft. Die weiteren Modalitäten
dieser wichtigen Neuerung werden, zumal bei dem wahrscheinlich
dadurch mit herbeigeführten Abkommen der Heimathangaben auf
den Grabsteinen der Soldaten, kaum je genügend festgestellt werden
können. Selbstverständlich darf der Satz, dass die Legion in ihrer
Garnisonsprovinz sich recrutirt, nicht allzu strict gefasst werden. Für
Africa hatte seine vollständige Anwendung keine Schwierigkeit und
war man nicht genöthigt auch nur nach Mauretanien überzugreifen.
Auch Aegypten genügte im Ganzen sich selbst, obwohl in der besseren
Zeit, wie wir weiter finden werden, die legionare Aushebung nur in
den Städten griechischen Rechts stattfand; in untergeordneter Weise
stellten andere Provinzen, besonders Syrien, Rekruten für die dortige
Legion. Aber die beiden Germanien boten, zumal da auch für die
Auxilia hier stark ausgehoben ward, offenbar nicht Mannschaften
genug für die dort stehenden Legionen; es wird weiterhin (S. 70)
darauf zurückzukommen sein, dass hier auf die benachbarten Pro-
vinzen übergegriffen ward. — Dass die administrative Erleichterung
der Recrutirung, deren Durchführung nach der älteren Ordnung sehr
weitläufige und kostspielige Verschickungen zur Folge gehabt haben
muss, bei dieser Umgestaltung derselben eine Rolle gespielt hat,
versteht sich eben so von selbst, wie dass dies nicht das eigentlich
bestimmende Motiv gewesen ist. Was dieses war, wird sich weiterhin
zeigen (S. 74) ; hier mag nur bemerkt werden, dass die Abschaffung 22
des effectiven Kriegsdienstes, wie sie seitVespasian für Italien bestand,
damit auf die zu vollem römischen Bürgerrecht gelangten und nicht
mit Legionen belegten Provinzen, insonderheit also auf die Baetica
und die Narbonensis, aber auch auf Achaia und Asia erstreckt ward;
und es passt dies zu dem Gesammtgang der Entwickelung recht wohl.
Es wird überhaupt in dem römischen Heerwesen die Cultur von Stufe
zu Stufe durch das barbarische Element verdrängt — die Inschrift
von Aquileia mit dem hoffärtigen Gegensatz des Gardisten gegen die
harharica legio ist bekannt — ; und in den Inschriften jener Provinzen
mangeln die Militärsteine ganz ebenso, ja noch mehr als in Italien
und begegnet man in nachhadrianischer Zeit dort höchstens einem
vereinzelten Prätorianer.
anderen für den armenisch - parthischen Krieg des Verus (Staatsrecht 2, 850
Anm. 3), zuerst sicher unter Hadrian.
40 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
Eine formelle Rangverschiedenheit zwischen den Legionen römi-
scher und denen griechischer Herkunft sollte durch diese Or^inung
ohne Zweifel nicht herbeigeführt werden. Es zeigt sich dies schon
darin, dass die Scheidung keine absolute ist; wie einzelne Occidentalen
in den Legionen am Nil dienen, so finden wir bei einem Theil der
illyrischen Legionen beide Bestandtheile einigermassen gleichmässig
und vielleicht mit guter Absicht gemischt. Wir können es uns
ersparen auseinander zu setzen, warum Augustus unmöglich dazu
thun konnte seine Legionare in solche erster und zweiter Klasse zu
scheiden. Aber dass dies doch bis zu einem gewissen Grade die
Folge jener Einrichtung sein musste, liegt ebenso auf der Hand.
Das Commando war selbstverständlich überall lateinisch, wie denn
auch die Militärinschriften des Ostens mit wenigen Ausnahmen
lateinisch sind oder zweisprachig mit Yoranstellung des lateinischen
Textes. Aber als Verkehrssprache diente diesen Legionaren sicher
die griechische, und ebenso blieb griechische Schlaffheit und griechische
Zuchtlosigkeit diesen Lagern eigen. Was Tacitus (S. 67 A. 1) von
einer Truppe sagt, die von einem der Clientelkönige des Ostens
aufgestellt und bei Einziehung seines Reiches in das Reichsheer
übergegangen war: donati civitate Romana signa armaque in nostrum
modum, desidiam licentiamque Graecorum retinebant, ist das rechte
Motto für die wenig erbauliche Militärgeschichte dieser Romaeer.
Man wird die Geschichte der Partherkriege anders lesen, seit wir
diese Thatsache kennen. Erst jetzt auch versteht man, warum in
der Garde der besseren Kaiserzeit Provinzialen genug gedient haben,
23 aber aus den griechischen Provinzen gebürtige Mannschaften nur ganz
vereinzelt begegnen, vielmehr die hier erscheinenden Provinzialen
durchaus derjenigen Herkunft sind, welche auch in den Legionen
des Occidents auftritt. Es ist ebenso gewiss nicht Zufall, dass
zwischen den Corps des Orients und denen des Occidents der sonst
so häufige Lagerwechsel so gut wie gar nicht stattgefunden hat, nur
zweimal eine occidentalische Legion bleibend nach dem Osten verlegt
und nie eine orientalische Legion auf die Dauer nach dem Occident
geschickt worden ist^. Die partes Orientis und die partes Occidenfis,
1) Die augustisclien Legionen des Ostens (einschliesslich der beiden moesi-
schen) sind acht an der Zahl, die III Oyrenaica, III Gallica, IV Scythica,
V Macedonica, VI ferrata, X Fretensis, XII fulminata, XXII Deiotariana; die
späteren orientalischen (einschliesslich der drei von Niedermoesien) zwölf, und
zwar die sieben ersten der augustischen (die XXII Deiotariana ist aufgelöst
worden), die wohl durch Traian hingelegten XI Claudia und XV ApolUnaris,
femer die I Italica, eingerichtet von Nero, die XVI Flavia, eingerichtet von
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 41
wie sie in der Reichstheilung des Theodosius zur formalen Consti-
tuirung gelangten, sind in der That schon vierhundert Jahre zuvor
in der augustischen Militärordnung gleichsam im Keime enthalten.
IL Die Heimathvermerke der Legionare und der
Auxiliarier.
Die Heimathangaben der römischen Soldaten sind zwiefacher
Art: entweder wird die Heimath substantivisch im Ablativ dem
Namen nachgesetzt oder adjectivisch ihm angehängt. Als dritte
Form tritt in gewissem Sinn, da wo die politische Heimathgemeinde
fehlt, die ethnologische Angabe der Herkunft, die Landschaft hinzu.
Diese drei Formen entsprechen und sind der Ausdruck der ver-
schiedenen Rechtsstellung der Heerestheile.
Bei den aus Vollbürgern bestehenden Truppen, der Garde und
den Legionen, wird die Heimath durchgängig durch den Stadtnamen
und zwar ohne Hinzufügung des Namens der Landschaft oder der
Provinz '^ bezeichnet. Dieser Regel fügen sich formelP sämmtliche 24
uns erhaltene Yerzeichnisse solcher Soldaten, ohne Unterschied der
Epoche, die zahlreichen der Stadttruppen der früheren Jahrhunderte^
wie der nachseverischen * und nicht minder die der Legionarier von
Aegypten wie von Africa; ferner die Grabschriften jener wie dieser
aus der besseren Kaiserzeit ebenfalls fast ohne Ausnahme^. Im
Vespasian und die II Traiana, eingerichtet von Traian. Zu den letzteren tritt
dann noch eine Zeitlang die III Augusta in Africa. Im Ganzen gab es bekanntlich
unter Augustus 25, unter Traianus 30 Legionen.
1) Wo der Name der Landschaft einen Theil des Stadtnamens bildet, was
namentlich bei den picenischen Städten vorkommt (C. IX p. 508. 517) , wird
derselbe natürlich auch hier gesetzt. Der cornicen Laudicia ex Suria VI, 2627
[Dessau 2063] wird so bezeichnet zur Unterscheidung.
2) Dass die also aufgeführte Ortschaft in der That immer Stadtrecht gehabt
hat, soll damit nicht behauptet werden (vgl. S. 82).
3) Nur hinsichtlich einzelner macedonischer Landschaften leidet dies nach
der S. 81 A. 1 gemachten Bemerkung eine gewisse Einschränkung. In der Liste
vom J. 113 VI, 2379 [= 32520], 5, 20 Successus Senon. ist die Beziehung
der Heimath auf die gallischen Senones, welche Oscar Bohn (über die Heimath
der Prätorianer. Berlin 1883. S. 21) versucht, nicht wahrscheinlich ; der Stadtname
wird vielmehr verschrieben oder uns unbekannt sein.
4) Nur Eph. ep. IV p. 311 [C. I. L. VI, 32623] wird als Heimath Tung.
angegeben; der Ortname Aduatuca (Ptolemaeus 2, 9, 5) ist vielleicht früher als
andere ähnliche abgekommen.
5) Nur iMcanus C. VI, 2572 verstösst gegen die Regel. Auf Luca darf dies
nicht bezogen werden, da dies das Ethnikon anders bildet und, auch davon
abgesehen, die adjectivische Form dann erst recht auffällt; der Concipient mag
42 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
dritten Jahrhundert bleibt für die untergeordneten und oft barbari-
schen Grabschriften die Regel zwar insofern in Kraft, als die politische
Heimathgemeinde, wo sie angegeben wird, durch den Stadt-, nicht
durch den Gaunamen ausgedrückt zu werden pflegt ^ ; die Verstösse
dagegen sind selbst in diesem Kreise sehr selten bei den haupt-
städtischen ^ sowohl wie bei Legionssoldaten ^. Aber sehr häufig
25 wird in dieser Zeit in den Grabschriften jener* wie dieser^ die
Landschaft bald neben der Stadtheimath, bald allein gesetzt^.
Die Stadtheimath steht in den Listen durchaus und auch sonst
sehr häufig ohne weiteren Vormerk und blos durch die Stellung hinter
dem Namen und die ablativische Fassung bezeichnet als das was sie
die Heimathstadt des Verstorbenen nicht gewusst und daher die Landschaft
dafür gesetzt haben.
1) Der formale Unterschied der substantivischen und der adjectivischen
Bezeichnung wird in diesem Kreise häufig vernachlässigt, namentlich in Folge
des Eindringens des Exponenten civis, welchem dann das Ethnikon folgt.
2) Die einzigen mir bekannten Ausnahmen sind der Picenus einer Stadt-
cohorte VI, 2887 und der Bemus und Batavus der Prätorianerinschriften VI, 46
[Dessau 4633]. 2548 [Dessau 2040]. In dieser hätte wohl, wie auf der unten S. 44
A. 1 angeführten Decurioneninschrift, Ulpia Noviomago Batavus geschrieben werden
sollen; wie nahe die unrichtige Fassung lag, lehrt eben diese sehr deutlich.
3) Ich finde nur zwei sichere Fälle: den Veteran leg. XXII pr. p. f. natione
Bataus (Brambach 1517 [C. I. L. XIII, 7577]) und den mil l[eg.] XXX ebenfalls
civis Batavus (Boissieu p. 384 [C. I. L. XIII, 1847 = Dessau 2389]). Der veteranus
leg. IM. missus honesta missione civis Bemus einer Lyoner Inschrift (Boissieu p. 306
[C. I. L. XIII, 1844 = Dessau 2463]) und ähnliche Veteranen können erst nach
der Mission das Bürgerrecht, das sie nennen, gewonnen haben. Der Soldat der
III Cyrenaica natione Bessus (III, 104) ist natürlich aufzufassen wie die Besser
dieser Epoche überhaupt, und kann Bürger von Apri oder Scupi gewesen sein
(Hermes 16, 465 [Ges. Sehr. 5 S. 409]). Auch in der Inschrift von Bath (C. VII, 49
[Dessau 2429]) eines fabricie(n)sis leg. XX V. v. natione Belga ist es mindestens
zweifelhaft, ob der Gau oder die Provinz gemeint ist.
4) Natione Pannonius: VI, 2488. 2662. 2673. 2697. 2746. 2758. Noricus:
VI, 2712 vgl. 2482. Dacus: VI, 2495. 2696 vgl. 2602. Thrax: VI, 2461. Bessus:
VI, 2486. 2699. Afet': VI, 2431. Etwas anders natus patr. Meonia VI, 2669. —
Natione Trax domu Sergica (VI, 2570) oder civitate Serdica (VI, 2742); n. Trax
civitate Promesiana (VI, 2734). Die Beispiele lassen sich leicht vermehren.
5) Natione Pannonius, Soldat der 1 adiutrix, Caesarea Maur. (VIII, 9376);
der II adiutrix, Misenum (X, 1775). Provinciae Trade, Soldat der I Italiea, Tibur
(Borghesi opp. 7, 424 [C. I. L. XIV, 3631]) u. a. m. — Natione Trax, cives Filopo-
pulitanus, Soldat der I Italiea, Rom (VI, 2601 [Dessau 2055]).
6) Selbstverständlich hat die Stadtheimath nie gefehlt, selbst da nicht, wo
nur die Landschaft und das Dorf angegeben wird, wie VI, 2544 [Dessau 2066]:
ex prov. Panno(nia) inferiore natus castello Vixillo; vgl. VI, 2730: Mys. sup. reg.
Batiarese vico Cinisco.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 43
ist; wenn ein Exponent hinzutritt, so ist dies in guter Zeit immer
domo, späterhin nicht selten auch civis^.
Bei den Abtheilungen dagegen, welche aus Nichtbürgern bestehen
sollen, wird die politische Heimath durchgängig durch das Ethnikum
bezeichnet. Diese Bezeichnungsweise war die einzig mögliche, wo
die Heimathgemeinde nicht als Stadt constituirt war; der Astur
transmontanus castel(l)o Iniercatia^ zum Beispiel einer der ältesten 26
Inschriften dieser Kategorie bezeichnet sich damit ausdrücklich als
gehörig zu einer vicatim wohnenden und der städtischen Ordnung
entbehrenden Commune. Dasselbe gilt von allen den Landschaften,
die nach römischer Ordnung auf der civitas ruhten, also für Gallien,
Germanien, Pannonien, abgesehen von den hier bestehenden Muni-
cipien und Colonien. Aber der Gegensatz ist zum Theil doch nur
formaler Art. Die Reichsstatistik, wie sie namentlich bei Ptolemaeus
vorliegt, zeigt die Möglichkeit die Heimath willkürlich auf den Gau
oder auf die Stadt zu stellen, und davon wird hier in der Weise
Anwendung gemacht, dass auch da, wo die Heimath städtisch an-
gegeben werden konnte, ja diese Angabe näher lag, in den Pere-
grinentruppen der Stadtname namentlich in älterer Zeit vermieden
wird^. Noricum bestand seit Claudius Zeit aus einer kleinen Zahl
städtischer Gemeinden; dennoch wird auf den Inschriften der aus
dieser Provinz gebürtigen Auxiliarier die Heimath der Regel nach
mit fiaiione Norictis bezeichnet. Köln und Trier sind benachbart und
allem Anschein nach gleichen Rechts gewesen,*) aber der Legionat
1) Diese Bezeiclinung, bezogen auf die einzelne Stadtgemeinde, ist an sich
correct, wird aber in guter Zeit für die domus vermieden, weil sie sich dem
substantivischen Stadtnamen nicht bequem anschliesst. In der verfallenden
Sprache wird das Wort neben der adjectivisch ausgedrückten Stadtheimath nicht
selten verwendet; man findet civis PhilippopoUtcmiis sogar im Gegensatz zu
natione Thrax (S. 42 A. 5).
2) Bonn, Brambach 478 [C. I. L. XIII, 8098 = Dessau 2580]. Ptolemaeus
2, 6, 31 führt diesen Ort unter Asturia auf als 'ÖQviaxcöv 'IvxsQxaxia; in der
Patronatstafel vom J. 152 (C. II, 2633 [Dessau 6101]) begegnet ein Sempronius
Perpetmis Orniacus; Pliuius sagt 3, 3, 28: iunguntur iis Ästurum XXII popuU divisi
in Augustanos et Transniontanos. Eine dieser zweiundzwanzig Gemeinden sind
die Orniaker, ihre Hauptortschaft ist Intercatia. Auch in der Inschrift Cloutius
Clutami f. dtiplicarius alae Pannoniar. Susarrti(s?) domo Curunniace (Salonae; C.
III, 2016 mit der Anm. [Dessau 2530]) sind die Susarri vermuthlich ein anderer
jener 22 asturischen Stämme, Curunniace wahrscheinlich das Curunda der eben
genannten Patronatstafel.
3) Oder auch in die zweite Reihe gestellt, wie in der Inschrift von Binger-
brück (Brambach 739 [CLL. XIII, 7513 = Dessau 2570]): Eyperanor Hypera-
noris f. Cretic(us) Lappa mil. cho. I sag., was zu beurtheilen ist wie der Surus
Garasenus des vespasianischen Diploms (S. 49).
*) [Vgl. dazu unten S. 87 ff.]
44 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
aus Köln nennt als seine Heimath stets Claudia Ära, der Auxiliar
aus Trier stets sich blos Trever — auf das Rechtsverhältniss komme
ich zurück (S. 83). Wo ausnahmsweise die Heimath des Auxiliarius
in städtischer Form angegeben ist, ist es mehrfach gewiss, meistens
wahrscheinlich, dass er persönlich römisches Recht besessen*) und die
Heimathbezeichnung danach gestaltet hat. In den wenigen Fällen,
wo Soldaten einer Auxiliartruppe die Tribus beigelegt und das
Bürgerrecht also ausser Zweifel ist, ist die Heimath immer städtisch
27 ausgedrückt^; wo sonst bei solchen die städtische Heimath auftritt,
ist durchgängig auch der Name nach Bürgerart gestaltet ^ und wo
*) [Über die Aufnahme römischer Bürger in die Auxilia seit Hadrian vgl.
C. I. L. III S. p. 2014.]
1) Ich finde deren nur drei [vgl. dazu C. III S. 13483 a: Proculus Babili f.
Col(lina) Philadel(phia) mil. optio cöh. 11 Italic, e. B.]: T. F. Bonio Quri(na)
Andautonia eques alae Frontonianae (Pest; C. III, 3679) — Q. Domitius Pol. castris
Sardonicus mil. coli. VII Lusitanorum (Lambaesis; C. VIII, 3101 [Dessau 2565]) —
. C. lulius C. Gäleria Baccus Luguduni mil. coli. 1 Thracum (Köln; Brambach 310
(C. I. L. XIII, 8318 = Dessau 2569]); denn in der Inschrift L. Cuspius L. f. Cla.
luvai Lantus Norico mil. coh. 1 Asturum (Rom : C. VI, 3588) gehört Claudia zum
Stadtnamen. In derjenigen von Camuntum (Hirschfeld arch. epigr. Mitth. 5, 203
[C. I. L. III, 11213 = Dessau 2596]): T. Calidius P. (so) Cam. Sever(us) eq(ues), item
optio, decur(io) coh. 1 Alpin., item '^ leg. XV Apoll, kann das Bürgerrecht und
die Tribus in Folge des anomalen Avancements eingetreten sein und also dem
Severus als einfachem Auxiliarsoldaten gefehlt haben. Bei den Decurionen der
Alen, welche der Mehrzahl nach Bürger sind, zeigt sich mehrfach deutlich, dass
sie, obwohl aus dvitates hervorgegangen, doch sich mit Vermeidung des Ethnikon
städtische Herkunft beilegen. So T. Fl Bom[a]nus TJlpia Noviomagi Batavus
dee. alae 1 Flaviae (in Raetien; CHI, 5918b [= 11936]) und M. Sempronius L.
f. domo Termestinus (Stadt der Arevaker in der Tarraconensis; Ptolemaeus
2, 6, 55 mit Müllers Anm. ; C. II, 871) dec. eques (d. h. erst Gemeiner, dann
Decurio) alae Sebosianae (Worms; Brambach 894 [CLL. XIII, 6236 = Dessau 2533]).
2) Ich führe die mir bekannten Fälle der Art auf: C. Bomanius eq. alae
Norico(rum) Claudßa) Capito Celeia (Mainz; Brambach 1229 [C I. L. XIII, 7029]).
— M. Valerius C. f. Hispanus dmno Leonica (Stadt der Edetaner in der Tarra-
conensis, Ptolemaeus 2, 6, 62 mit Müllers Anm.) eques de ala Patrui (Larinum IX,
733 [Dessau 2499]). — T. Flavius Crensces [so] equ(es) ale Tam(pianae) vexßlla-
tionis) Brit(annicae) dom(o) Burocor(toro) Bem(orum) oder Bem(us) (Camuntum ;
III, 4466 [Dessau 2515]), wo wieder das Ethnikum sichtlich vermieden ist. — L.
Valerius L. f. Pudens Ancyr(a), ex pedite cohort. I Aquitanorum (Diplom vom
J. 82; Eph. ep. 4 p. 495 [C L L. III p. 1960 = Dessau 1995]). — P. Insteius
Agrippae f. Oyrrh(o), ex pedite cohoii. 1 Aug. Ituraearum (Diplom XIX vom J. 98
[C I. L. III p. 862]). — L. Sextilius Sextili f. Pudens Stobis, ex pedite coh. I
Claudiae Sugambrorum (Diplom XXXIV vom J. 134 [C I. L. III p. 877]. — Valerius
Valefri f. Valens Batiar(ia), ex pedite coh. 1 Pannoniorum (Diplom XLV vom
J. 165 [C I. L. III p. 887]). — Tib. lul. Caretis f. Sdebdas domo Turo missieius
ex coh. Silauciensiu(mJ (üntergermanien ; Brambach 230 [C L L. XIII, 8593 =
Dessau 2567]). — Aurel. Vindex Andautonia eq. coh. I Thrac. (Bregetio; III, 4316).
Vgl. S. 48 A. 1. 3.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 45
dies einmal nicht der Fall ist, scheint ein Versehen angenommen
werden zu dürfen i.
Streng genommen hat als Ethnikum gewiss diejenige politische
Gemeinde genannt werden sollen, welcher der Soldat peregrinischen
Rechts angehört. Indess ist, wie schon die oben angeführten Bei-
spiele zeigen, nicht selten für die Heimathgemeinde vielmehr der
sie umfassende District gesetzt worden. Die Asturer haben allem
Anschein nach ein Gemeinwesen so wenig gebildet wie die Noriker
und die Raeter; aber in den Soldatenverzeichnissen wird bei diesen
allen, wir wissen nicht überall warum 2, nicht die eigentliche Heimath, 28
sondern ein weiter greifendes Ethnikum gesetzt.
Auch das Ethnikum schliesst sich nach strengem Sprachgebrauch
wie der Stadtname ohne weiteren Vormerk an den Personennamen
an; in den Militärdiplomen ist dies ohne Ausnahme durchgeführt.
Wo ein Exponent hinzutritt, wird in den Donauprovinzen das
Wort domo auch vor dem Ethnikum regelmässig verwendet 3.
Dagegen im Rheingebiet und in Italien wird diese Bezeichnung
lediglich von der Stadtheimath gebraucht* und dem Ethnikum
1) Ich finde folgende Fälle : Eupator Eumeni f. Sebastopol(itamis), ex gr egale
vexiUationis equitum Illyricorum des Diploms XXXIII vom J. 129 [C. I. L, III p. 876],
wo man Ponticus neben dem Stadtnamen vermisst; dann merkwürdiger Weise
drei Inschriften von Raab: Crispus Mac . . [f.] Sisdanus eq. alae I Aravac. (III,
4373); Bato Buli f. cöl. Ap. eq. ala Pannoniorum (III, 4372); .... Crali f. col.
Aequ. — vielmehr col. A[p.] equ. — ala Panno. (III, 4376). üeber die Form der
Namen vgl. S. 86 A. 3.
2) Bei Noricum hat ohne Zweifel der frühe Untergang der Gauverfassung
mitgewirkt — Plinius 3, 24, 146 nennt dafür keine populi und oppida; und
Ptolemaeus 2, 13 nennt zwar Gaue, aber vertheilt die Städte nicht unter sie.
Bei den Raetern und den Asturem hat vielleicht kein anderes Motiv obgewaltet
als die Geringfügigkeit und die Unbekanntschaft der engeren Heimathbezirke.
Es wäre zu wünschen, dass die Specialuntersuchungeu diese Verhältnisse berück-
sichtigten ; leider pflegt, wer über eine Provinz des römischen Reiches schreibt,
von diesem ebenso wenig zu wissen wie die, welche sich mit dem römischen
Reich beschäftigen, von den einzelnen Provinzen.
3) Beispielsweise steht auf pannonischen Inschriften domo vor Betavos oder
Batavus (III, 3681 [= 10513]. 4368) — Bessus (III, 4378) — Biturix (III, 2065
[Dessau 2506]) — Caturix (III, 6366 [= 8491 = Dessau 2582]) — Cugernus (III,
2712) — Ityraeus (III, 4371 [Dessau 2511]) — Ti-ibocus (III, 3164 [= 9816 = Dessau
2505]). In der S. 43 A. 2 angeführten entspricht domus, wie es scheint, viel-
mehr dem castellum.
4) Also muss in der Inschrift von Neuss (Brambach 271 [C. I. L. XIII, 8558]):
M. Lucilms Seeundus decurio mis(sicius) ex ala Front, domo Camp. Flki [oder
CAMPPlii] nothwendig ein Stadtname stecken, wie er auch der Form des
Namens und der Offizierstellung angemessen ist.
46 Die Conscriptionsordnung der römisclien Kaiserzeit.
vielmehr natione vorgesetzt^. Daneben findet sich auch hier häufig
civis ^. — Yon diesen drei Exponenten haben domo und civis politischen
Werth und bezeichnen die Zugehörigkeit zu den betreffenden Communen,
während natione vielmehr ethnologisch gedacht ist und die Stammver-
29 schiedenheit gegenüber dem herrschenden Volke sich darin ausdrückt.
Wenn, insofern die rechtliche Grundlage des auxiliaren Dilectus die
Zugehörigkeit zu einer Unterthanengemeinde des römischen Reiches
ist, die Exponenten domo und civis correcter erscheinen, civis
namentlich sowohl sachlich wie sprachlich dem Ethnikum passend
vorgesetzt wird, so trägt die Bezeichnung natione dem Differen-
zirungsbedürfniss besser Rechnung und hebt mit scharfem Schlaglicht
den principiellen Gegensatz der Auxiliarier als der Fremden zu den
römischen Legionen hervor. Es kommt hinzu, dass diese Bezeich-
nung auch anwendbar ist auf den District, welcher nicht die Heimath
ist, sondern sie nur umfasst, was von domo und civis in correctem
Gebrauch nicht gilt. Dies ist wohl die Ursache gewesen, dass der
Sprachgebrauch zwar, wie wir sahen, nicht überall, aber doch in
Italien und Gallien dem letzten Exponenten den Yorzug gegeben hat.
Neben den Legionen und den Auxilia stehen nach augustischer
Ordnung die rechtHch zum Kaisergesinde gehörigen Truppentheile,
die berittene Leibwächtertruppe, aus welcher die späteren Elite-
reiter hervorgegangen sind, und die Flotten; allerdings auch Ein-
richtungen Augusts so gut wie die Auxilia, aber nach seiner
Ordnung, wie die Garde und die Legionen die cives Bomani, die
auxilia die peregrini^ so ihrerseits die servi vertretend. Die Aus-
schliessung der Unfreien auch von diesen Formen des Kriegsdienstes
und die dadurch bedingte Umwandlung der Flottenmannschaft und
der deutschen Reiter in rechtlich anerkannte Truppencorps ist für
1) So steht natione vor Sequ(anus) auf der Inschrift von Aquileia (C. V,
"907) und auf den germanischen Inschriften bei Biturix (Brambach 498 [C. I. L.
XIII, 8092]) — Breiims (Brambach 740 [C. I. L. XIII, 7510]) — Bitio (Brambach
741 [C. I. L. XIII, 7508]) — Elvetius (Brambach 1227 [C. I. L. XIII, 7026]) —
Isaurus (Brambach 1759 [C I. L. XIII, 6656]) — Ligauster (Brambach 1101
[C. I. L. XIII, 7038]; vgl. Hirschfeld Arch. Epigr. Mitth. 7, 91 [C. I. L. III, 10514
= Dessau 2529]) — Montanus (Rhein. Jahrb. 73, 156 [C. I. L. XIII, 7684]) —
Petrucorius (Brambach 1230 [C. I. L. XIII, 7031 = Dessau 2500] — Trever (Bram-
bach 893 [C. I. L. XIII, 6235 = Dessau 2503]).
2) Dies Wort erscheint vor Betasms (Brambach 981 [C. I. L. XIII, 7025]) —
Frisiaus (England VII, 68) — Menapius (Aquileia V, 885 [Dessau 2564]) —
Eaetinio (unverständlich [vgl. C. I. L. III S. p. 1639 c. XL]; Brambach 1228
[C. I. L. XIII, 7023 = Dessau 2504]) — Eauricus (England VII, 66) — Sappaus
(= üanatos; Brambach 1524 [C. I. L. XIII, 7580]) — Secuanus (Brambach 1525
[C. I. L. XIII, 7579 = Dessau 2507]) — Trever (Wien, III, 4391; Köln, Brambach
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 47
jene vermuthlich unter Claudius^, für diese wahrscheinlich unter
Hadrian^ eingetreten; und dadurch ist der principielle Gegensatz dieser
Kategorie zu den Auxilia aufgehoben, mit denen sie vielmehr seit-
dem im Rechtssinn zusammenfallen. Indess haben sich in der Form
der Heimathangabe bei den Classiariern Spuren ihrer ursprünglichen
Rechtsverschiedenheit von den Auxiliariern noch nachher behauptet.
Für die deutschen Reiter sind wir insofern vorzugsweise gut
unterrichtet, als uns zahlreiche Documente derselben sowohl aus der 30
Zeit der ersten Dynastie vorliegen, wo sie im Rechtssinn noch Sclaven
waren, wie auch der späteren eigentlichen Soldaten.*) Bekanntlich
ist diese Truppe nach augustischer Ordnung trotz ihrer rechtlichen
Unfreiheit militärisch vielmehr ein Theil der auxilia; ja sie reprä-
sentirt diese im Hauptquartier ganz wie die prätorischen Cohorten
die Legionen. Wenn in den Auxilia die germanischen Völkerschaften
und vor allem die Bataver den Vorrang behaupten, so heissen diese
Leibwächter geradezu die JBatavi oder die Germania und werden
ausschliesslich aus den reichsunterthänigen germanischen Stämmen
zusammengesetzt^. Dem entsprechend geben die einzelnen Mann-
schaften ihre Heimath mit derselben Stetigkeit und in derselben
Weise an wie die Auxiliarier durch Bezeichnung des Gaus, aus
welchem sie herstammen, mit vorgesetztem nafione^. Dies ist
307 [C. I. L. XIII, 8519]) — Tunger (Brambach 1231 [C. I. L. XIII, 7036 = Dessau
2575]). Hier entspricht civis durchaus der civitas.
1) In dieser Zeitschrift 16, 463 [Ges. Sehr. 5 S. 407]. Hinzuzufügen ist, dass
die Entwickelung der Flottenmannschaft aus dem kaiserlichen Gesinde vor allem
dadurch charakterisirt wird, dass die aus dem Flottenlager selbst stammenden
Soldaten sich nicht bezeichnen als castris entsprossen, sondern sich vernae
nennen (a. a. 0. S. 465 A. 4 [Ges. Sehr. 5 S. 409 A. 4]; C. X p. 1129).
2) Ebendaselbst S. 458 [Ges. Sehr. 5 S. 402].
*) [Vgl. M. Bang, die Germanen im römischen Dienst. Berlin 1906.]
3) Von rechtlichen Schranken kann bei einer Einrichtung dieser Art keine
Rede sein, und Kaiser Gaius mag immer die Absicht gehabt haben diese Truppe
durch eingefangene ausländische Germanen zu verstärken; aber es liegt im
Wesen der Institution, dass dieselbe der Regel nach vielmehr gebildet ward wie
die Auxilia, und dazu stimmen alle inschriftlichen Documente, von denen keines
ein aus dem freien Germanien gebürtiges Individuum nennt. Sehr leicht Hess
die Aushebung und namentlich die Anwerbung von Freiwilligen sich rechtlich
so gestalten, dass die geworbenen Leute, etwa durch Kauf von den Aeltern, in
das Privateigenthum des Kaisers übergingen ; dass dies geschehen ist, zeigen die
Inschriften, die sich von denen der Auxiliarier wesentlich nur dadurch unter-
scheiden, dass an die Stelle des peregrinischen Vaters der kaiserliche Eigen-
thümer tritt.
4) C. VI, 8802—8812 und die dort weiter angeführten Steine. Zusammen-
gestellt habe ich diese Bezeichnungen in Wattenbachs Neuem Archiv 8, 349
[oben S. 18].
48 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
eigentlich incorrect: die Gauangehörigkeit kommt streng genommen
dem Unfreien ebenso wenig zu wie das Stadtbürgerreeht und sie
erscheint doch als gemeint, wenn auch durch die Anwendung des
ethnographischen dem Sclaven nicht minder wie dem Freien zu-
kommenden Exponenten natio der Widerspruch weniger grell her-
vortritt. Aber das "Wesen dieser servi müites ist eben dieser innere
"Widerspruch. Nach der Umw^andlung dieses bewaffneten Gesindes
in ein wirkliches Truppencorps ist zwischen den Heimathangaben
der equites singulares und denen der eigentlichen Auxiliarier kein
Unterschied zu finden ; die gleiche Form schliesst jetzt auch gleichen
Inhalt ein. Der corporis custos heisst natione Batavus wie der eques
singularis; aber bei jenem ward damit die auch dem Sclaven zu-
31 kommende Herkunft bezeichnet, bei diesem war die Bezeichnung
gleichbedeutend mit civis Batavus. Dass bei denen, die aus der
Belgica und den beiden Germanien stammen, gewöhnlich der politische
Heimathbezirk ^, selten die Landschaft 2, umgekehrt bei den aus
anderen Provinzen gebürtigen die politische Heimath allein nicht
eben häufig, meistens daneben oder auch allein die Landschaft
angegeben wird^, entspricht nach beiden Seiten der auch bei den
Auxilien üblichen "Weise. Es ist also in Betreff der Heimathangabe
auf diesen Truppentheil lediglich das Auxiliarschema angewandt
worden; die Unfreiheit kommt, wie nach anderen Seiten, so nament-
lich auf diesem Gebiet, auch als sie rechtlich bestand, formell nicht
zur Erscheinung.
1) Es wird meistens der Gau angegeben mit vorgesetztem natione — so
Batavus VI, 3220. 3223. 3240 (Badaus). 3289; Canonefas VI, 3203; Frisaevo
(Friseus, Frisi . .) VI, 3230. 3260. 3321a; Helvetius VI, 3302; Marsaquius VI,
3263; Suaebus Eph. IV, 935 [C. I. L. VI, 32806 = Dessau 2198] ; Trever Eph. IV, 930
[C. I. L. VI, 32799] (nat. ergänzt^. Häufiger als bei den Auxiliariern (S. 45),
aber doch im Ganzen selten steht dafür die Stadt: col. Gl. Ära VI, 3175; Gl.
Ära VI, 3298. 3299; nat. Gl. Ära VI, 3311; UIp. Noviomag. Yl, 3237 (vgl. 3284);
Ulpia Traiana VI, 3296.
2) Natus in Ger. sup. VI, 3290 (vgl. 3315); n(atione) Ger(manus) VI, 3280.
3) Die Pannonier, die späterhin die meisten Leute zu dieser Truppe gestellt
haben, nennen zuweilen den Gau oder die Stadt allein; so nat. Boius ex Pann. sup.
VI, 3308 [Dessau 2210]; n. Varcianus VI, 3257; dorn. Fl. Siscia VI, 3180; Gl. Savaria
VI, 3276 (mit vorgesetztem natione VI, 3192. 3287^. Aber sehr oft findet sich auch
natione Pannonius neben der politischen Gemeinde, so natione Pannonius, domu
Flavia Sirmio VI, 3184; nat. Pann., Gl. Savaria VI, 3272; natione Pann., civis
Faustianus VI, 3241; Äelio (so) Mursa, natione Pannonius VI, 3214; natione
Pannoniae superiore c(ivitate) Savaris vico Voleucinis VI, 3300 ; ex Pan. sup. natus
ad aquas Balizas pago lovista vie. Goc . . netibus VI, 3297. Noch öfter steht
natione Pannonius allein, auch wohl oriund(us) ex provin. Pann. imf. VI, 3204
(ähnlich 3266. 3293). — Aehnlich sind die übrigen Heimathangaben gestaltet.
Die Conscriptioasordnung der römischen Kaiserzeit. 49
Scharf hat dagegen die ursprüngliche Unfreiheit den Flotten-
mannschaften ^ ihren Stempel aufgedrückt. Hier war es offenbar
nicht Augustus Absicht dieselbe zu verdecken; seine Flottenmann-
schaften haben sich sicher von anderen militärisch geordneten Theilen
des kaiserlichen Gesindes in keiner "Weise unterschieden, obwohl wir 32
für sie aus der Epoche der Unfreiheit bis jetzt keine mit Heimath-
angaben versehenen Documente besitzen. In den späteren sehr
zahlreichen sie betreffenden Urkunden erscheint die Heimathangabe
auf den Listen nach Ausweis der Diplome^ stehend und auch auf
den Grabschriften regelmässig. Die Form der Heimathangabe aber
zeigt besonders in der ersten Zeit nach der Umwandlung ein gewisses
Schwanken. Auf dem ältesten unserer Documente aus der Zeit des
Claudius und einzeln unter den Flaviern, später nicht mehr wird die
Heimath genau nach dem Schema der Auxiliarier gegeben, das heisst
der politische Heimathbezirk gesetzt ohne Hinzufügung der Land-
schaft ^. Aber gleichzeitig, man möchte meinen in Opposition dagegen,
finden wir die letztere allein genannt. In den drei Diplomen Galbas,
nächst jenem claudischen den ältesten uns bekannten derartigen
Documenten, sind die Empfänger lediglich nach den Landschaften
bezeichnet; nur in einem derselben, und zwar bemerkenswerther
"Weise allein in dem nicht officiellen Aussenexemplar, ist neben der
Landschaft Phrygien noch die Stadt Laudicea genannt*, so dass
diesem Concipienten die Angabe der Landschaft offenbar als die
hauptsächliche und officiell allein zulässige gegolten hat. Sodann
1) Wegen der Nachweisungen vgl. diese Zeitschrift Bd. 16 S. 463 f. [Ges.
Sehr. 5 S. 407 fg.] und besonders das Verzeichniss der misenatischen nationes
dassiariorum C. I. L. X p. 1128, welches ausser den schon früher hervorgehobenen
noch mancherlei weitere Berichtigungen der Angaben bei Ferrero ergiebt. So
beruht Cyprius (Ferrero 154) auf Verlesung der Inschrift X, 3516; wogegen
Asianus aus X, 6800 hinzukommt.
2) Uebersichtlich zusammengestellt finden sie sich C. I. L. III p. 914. 915
[vgl. S. p. 2033], wo zwei später gefundene Diplome, das sardinische Ursari
T&nialis f. Sard(o) (Eph. ep. 2 p. 454 = X, 7891 [C. I. L. III p. 1958 D. VI]) vom
J. 68 und das pompeianische (Eph. ep. 2 p. 458 = X, 867 [C. I. L. III p. 1959
D. IX]) M(arco) Damae f. Stiro Garaseno vom J. 71 zuzufügen sind. Dass die
Diplome Galbas und Vespasians für die beiden legiones adiutrices den Flotten-
diplomen zuzuzählen sind, ist bekannt.
3) Besstis (D. I J. 52 [C. I. L. III p. 844]) — Coptitfanm) (D. XIII J. 86 [C. I.
L. III p. 856]) — Desidias (D. VI J. 70 [C. I. L. III p. 849]) — Maezdus (D. VII
J. 71 [C. I. L. in p. 850]) — Pannonius (D. VIII J. 71 [C. I. L. III p. 851]), hier
gewiss von der civitas zu verstehen. — Dom. Ateste auf dem Diplom LVI vom
J. 250 [C. I. L. III p. 898] ist nicht ganz gleichartig.
4) D. IV [C. I. L. III p. 847] : Phrygio, Laudic. (Laudic. fehlt auf dem iimeren
ExemplarJ. — V [C. I. L. III p. 848]: Suros — das sardinische A. 1: Sard.
MOMMSEN, SCHR. VI. 4
50 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
tritt eine Ausgleichung der beiden Systeme ein, in eben der Weise,
wie sie schon in dem Nebenexemplar des einen Diploms von Galba
sich findet: die Diplome nennen von da an beides, sowohl die
Landschaft wie die Heimathgemeinde, stellen aber regelmässig jene
voran ^. In den Grabschriften findet sich zuweilen ebenfalls die
33 Doppelangabe ^, regelmässig aber begnügen sie sich mit der Land-
schaft allein. Die Heimath hat oft städtische Form. Allein wird
sie selten genannt^; nur bei Aegypten wird, offenbar in Folge der
Rechtsverschiedenheit der griechischen und der einheimischen Landes-
bewohner, die Bezeichnung Aegyj)tius den letzteren in die Nomen
eingeschriebenen vorbehalten*, dagegen bei Griechen allein die
Stadt gesetzt^.
Also in dem Kreise der Classiarier hat die Heimathangabe nach
der Landschaft ihren eigentlichen Sitz und hier allein tritt sie als
allgemeine und feste Form auf. Bevor wir ihren rechtlichen "Werth
prüfen, wird es nothwendig sein den Begriff selber zunächst äusser-
lich festzustellen. Keineswegs handelt es sich hier um Angabe der
Provinz, wenn auch in manchen Fällen, wie bei Sardus, Corsus,
Thrax, Dalmata, Landschaft und Provinz zusammenfallen. Nicht
blos wird Pannonius, Germanus, Syrus gesetzt ohne Rücksicht auf
1) Surus Garasenus in dem pompeianischen Diplom vom J. 71 [C. I. L. III
p. 1959 = Dessau 1990]; Cknsus Vinac(enus) in dem vom J. 129 (D. XXXII [C. I. L.
III p. 875]); n(atione) Ital(us) d(omo) Miseno in dem vom J. 247 (D. LIII
[C. 1. L. III p. 896]); dagegen Fifens. ex Sard. in dem vom J. 134 (D. XXXV
[C. I. L. III p. 878]); Opinus ex Cors. aus Pius Zeit (D. XLI [C. I. L. III p. 883]).
2) So nat. Delm. castri Planae C. XI, 76 = Ferrero 393; Liburnus Varva-
r(inus) CXI, 104 = Ferrero 407 [Dessau 2889] (vgl. C. III, 6418 [Dessau 2259]);
Pannon(ius), domo Flavia Sirmi X, 3375; Egyptius Lycopolites (A, 4). Bei den
wenigen Italikern wird gewöhnlich beides, sowohl Italien als die Stadtheimath
angegeben.
3) Neben Bitliynus findet sich ziemlich häufig Nicaenus; auch natione
Nicomed. (XI, 105 = Ferrero 385) von der Frau eines Flottensoldaten. Dagegen
bei Prusias heisst es nat. Bithyn. civil. Plusiada (XI, 52 = Ferrero 438). Die
einzige in Terracina gefundene Inschrift eines Flottensoldaten (X, 8261) giebt als
Heimath an für die Frau nat(ione) Gnigissa ex civitate Coropisso vico Asseridi
d(omini) n(ostri), für den Mann ex eadem civitate et vico; auf dem misenatischen
Begräbnissplatz, wo das Schema besser bekannt war, wäre dafür wohl gesetzt
worden natione Lycao.
4) Egyptius Lycopolites C. X, 3482. Der Nomos erscheint ebenfalls auf der
Inschrift der Frau eines Flottensoldaten X, 3635 : Taesis Aegyptia nomu Coptitu-
polis; Coptit. steht auch, wie S. 49 A. 3 bemerkt ward, auf dem bis jetzt einzigen
Diplom eines ägyptischen Flottensoldaten.
5) Alexandrinus häufig; nat. Paraetonio auf einer Inschrift von Salonae
(III, 3165).
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 51
die mehreren mit diesen Namen benannten Provinzen, sondern ein-
zelne derartige Kategorien berühren sich nicht einmal mit Provinzial-
benennungen — so Phryx; Graecus steht nicht für Achaia, sondern
so gebraucht, dass Nikomedeia darunter fällt ^ ; ferner erscheint Italus.
In seltsamer Weise wird Bessus verwendet nicht für den Gaubezirk
dieser Völkerschaft, sondern für die ganze thrakische Provinz und 34
noch weit darüber hinaus 2. Offenbar liegt hier ein über das ganze
Reich sich erstreckendes ethnologisches Schema zu Grunde, das eine
gewisse Festigkeit und Allgemeingültigkeit gehabt haben muss, wenn
auch in nicht wenigen Fällen der Sprachgebrauch geschwankt haben
oder verletzt sein mag. Es ist unmöglich die dabei sich heraus-
stellenden Reichstheile unter einen Rechtsbegriif zu subsumiren; nur
negativ lässt sich sagen, dass der hier ins Auge gefasste Kreis immer
weiter ist als die Gemeinde ^ und immer enger als der Staat. Offen-
bar beruht das Schema auf einem Gefühl der factischen Stamm-
verwandtschaft, das mit der Zugehörigkeit zu demselben politischen
Gemeinwesen, der Gemeinde, der Provinz, dem Staat nichts gemein
hat und von diesen absieht, ja einen Gegensatz dazu bildet, also auf
einer Anschauung wie etwa unsere Landsmannschaft und vermuthlich
gleich dieser von vager und von individuellem Belieben abhängiger
Handhabung.
Als Exponent für die Landschaft erscheint ganz überwiegend natio.
Zwar wird in den officiellen Ciassiarierurkunden der älteren Zeit die
Landschaft ebenso nackt dem Personennamen angehängt wie die
politische Heimath; aber auf den Grabschriften der Flottensoldaten
führt die Bezeichnung natione regelmässig die Heimathangabe ein
und sie erscheint sogar auf einem allerdings sehr späten Classiarier-
diplom. In der That giebt es in der lateinischen Sprache kein
bezeichnenderes "Wort für die volksthümliche Zusammengehörigkeit
— wenn es vorzugsweise von Fremdländern gebraucht wird, so wird
1) Eine Soldatenfrau in Lyon nennt sich natione Graeca Nicom[e]dea (Boissieu
p. 322 [C. XIII, 1897]).
2) Hermes 16, 465 A. 2 [Ges. Sehr. 5 S. 409 A. 2]. In beiden Flotten kommen
zahlreiche Bessi vor, aber kein Thraker und kein Makedonier und nur ein ein-
ziger Moeser (Musiaticus).
3) Allerdings begegnet natione mit folgendem Stadtuamen imd selbst mit
folgendem verna in Classiarinschriften nicht eben selten (C. X p. 1128) und auch
bei den equites singulares (S. 48 A, 1. 3) und sonst findet sich dergleichen; es ist
aber ohne Zweifel ebenso Missbrauch wie wenn civis auf die Landschaft bezogen
wird, und in gleicher Weise daraus zu erklären, dass die landschaftliche Heimath-
bezeichnung natione später als Heimathangabe schlechthin angesehen und daher
auch städtischen vorgesetzt wird.
4*
52 Die ConscriptioDsordnung der römischen Kaiserzeit.
ja eben bei diesen die Eigenartigkeit und das Zusammengehören am
schärfsten empfunden. In der älteren Verwendung wird man diesen
Werth des "Wortes durchaus festgehalten finden; natione Batavus,
Fhryx, Cappadox, Aegyptius bringen durchaus die thatsächlich be-
stehende volksthümliche Zusammengehörigkeit zum Ausdruck, einerlei,
35 ob dieselbe auch in einer politischen Gemeinde (civitas) ihren Aus-
druck findet, wie bei den Batavern, oder nicht, wie bei den Phrygern.
Wenn dies von natione Italus, natione Äfer und so ferner nicht in
dem gleichen Masse gilt, so folgt das Schwankende und Unklare des
Ausdrucks lediglich dem Schwanken und der Unklarheit der Yor-
stellung selbst; w^as im einzelnen Fall 'Landsleute' sind, lässt sich
eben nicht in allgemein gültiger Weise normiren.
In der Zeit des Verfalls, wo alle Farben in dasselbe Grau auf-
gehen, werden die für die politische Heimath technischen Bezeich-
nungen domo ^ und häufiger noch civis auch für die Landschaft gesetzt,
wie umgekehrt natione sich auch für die städtische Heimath
verwendet findet (S. 51 A. 2); offenbar nur weil die rechtliche Ver-
schiedenheit der Form der Heimathangabe in dem Sprach- und
Rechtsbewusstsein schwand und darum die auf Heimathangaben be-
züglichen Ausdrücke ohne Unterschied zur Verwendung kamen.
Genau genommen sind diese Ausdrücke sinnlos; dem domo Verona,
civis- Satavus entspricht da,s municipium Verona, die civitas Batavorum;
aber für domo Äfer, civis Italus giebt es kein staatsrechtliches Correlat.
Wo die Heimathgemeinde in diesem Kreis neben der Land-
schaft auftritt, ist der Exponent dafür auch hier domus; wenigstens
findet sich dies Wort dafür verwendet sowohl auf dem einzigen
Diplom, das der Heimathangabe den Exponenten vorsetzt, wie auf
den wenigen Inschriften von Flottensoldaten, welche Doppelangaben
mit Exponenten haben 2. Nur bei den griechischen Städten Aegyptens
wird stehend natione vorgesetzt, weil aus den oben entwickelten
Gründen deren Nennung den üblichen Landschaftsangaben parallel geht.
Wenden wir uns dazu den rechtlichen Werth der Heimathangabe
mittelst der Landschaft zu erörtern, so hängt sie ohne Zweifel an der
ursprünglichen Unfreiheit des Flottensoldaten. Unfreie Leute haben
eine Heimath im Rechtssinne nicht; aber die Herkunft als ein facti-
sches Verhältniss wird auch bei dem Sclaven angegeben. Wie das
Pferd in den Rennlisten als Cappadox oder Äfer geführt wird, so
steht bei dem Sclaven natione Fhryx oder natione Lycao ^. Bei dem
1) Bomus Africa: III, 3324. 4379. 2) C. X p. 1128.
3) Zum Beispiel bei zwei Sclaven wohl aus dem Gesinde des Tiberius
C. X, 711 [Dessau 1712]. 713 natione Lycao; ebenso finden sich Sclaven natione Phryx
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 53
Feilbieten der Sclaven sind diese Herkunftsangaben stehend beigesetzt 36
worden^ und sicher hat jener oben erörterte Sprachgebrauch sich
zunächst in Folge des Sclavenverkehrs conventioneil fixirt. Auf den
Sclaveninschriften freilich erscheint die Herkunft in der Regel nicht,
wohl aber da häufig, wo dieselben thatsächlich soldatischer Ordnung
unterliegen, weil sie eben die den Soldaten charakterisirende Heimath
gewissermassen vertritt. So werden auch Augusts unfreie Flotten-
soldaten, um factisch als Soldaten zu erscheinen, ihre Landschaft
genannt haben, wenngleich der Trierarch natione Aegyptiiis nichts
war als ein Kaisersclave ägyptischer Herkunft. Als nun diese Mann-
schaften zu Freien und zu Soldaten gemacht wurden, erkennt man
auf den älteren Ciassiarierdiplomen das Schwanken bei dem Ueber-
gang von der hergebrachten zu der neuen Rechtsform. Die recht-
liche Consequenz hätte die Setzung der Heiraathgemeinde gefordert,
welche ja nach römischer Ordnung das eigentliche Kennzeichen des
rechtsfähigen Reichsangehörigen und für Bürger wie für Peregrinen
durch Augustus Heerordnung festgesetzt war; dem entsprechend
nennt auch das älteste Diplom der Art, das wir besitzen, den Classi-
arier einfach einen Besser. Aber die herkömmliche Bezeichnung nach
der Landsmannschaft behauptete sich auch, wobei wohl die Unge-
läufigkeit der meist kleinen Ortschaften, wie der ägyptischen Nomen
und der namenlosen Yölkerschaften von Sardinien und Corsica, viel-
leicht auch das landsmannschaftliche Zusammenhalten im Lagerverkehr
mitgewirkt hat. Schliesslich wurde beides gesetzt, sowohl die
Heimathgemeinde wie die Landschaft, wobei indess die letztere die
Vorhand erhielt.
So weit also neben den Legionaren und den Auxiliaren die
rechtlich dem Kaisergesinde, factisch dem Heer zuzurechnenden
Truppen als dritter Heerestheil angesehen werden dürfen, wird dem
Rechtsverhältniss desselben entsprechend bei mangelnder Heimath
die Herkunft in derjenigen Form angegeben, wie sie bei den Sclaven 37
möglich und üblich war; eigenthümlich ist dabei nur theils die
Stetigkeit, womit die Herkunftsangabe auftritt, theils in den Fällen,
wo die Unfreiheit gedeckt werden soll, eine absichtlich zweideutige
(VI, 3173); natiwie Noricus (VI, 3229); natione Germanus (X, 3577). Besonders
Gladiatoren nennen oft ihre natio. Die Beispiele lassen sich überhaupt leicht
vermehren.
1) Ulpian Dig. 21, 1, 31, 21 : qui mancipia vendunt, nationem cuiusque in
venditione pronuntiare debent, plerumque enim natio servi aut provocat aut deterret
emptorem . . . quod si de natione ita pronuntiatum non erit, iudidum emptori . . .
dabitur per quod etnptor redhibet mancipium. Vgl. denselben Dig. 50, 15, 4, 5.
(
54 Die ConscriptioDsordnung der römischen Kaiserzeit.
Ausdrucksweise, die die Heimath wie die Herkunft bezeichnen und
auf den Auxiliarier wie auf den Kaisersclaven angewandt werden
kann. Nachdem die Kaiserreiter wie die Flottensoldaten aufgehört
hatten einen Theil des kaiserlichen Gesindes zu bilden, sind sie
rechtlich hinsichtlich der Heimath mit den Auxiliariern auf eine
Linie gestellt ; und in der That wird bei vollständiger Angabe jedem
von ihnen die politische Heimath beigesetzt. Aber als eine Reminis-
cenz aus der Zeit der Unfreiheit bleibt bei den Classiariern daneben
die landschaftliche Herkunftsangabe und sogar vorzugsweise in Ge-
brauch. Es greift dieselbe von da aus weiter um sich, wobei aller-
dings auch in Betracht kommt, dass bei den Auxiliariern für gewisse
Gebiete, namentlich Raetia und Noricum, statt der eigentlich er-
forderten Heimathgemeinde diejenige Landschaft eintritt, worin
dieselbe belegen ist (S. 45). Im dritten Jahrhundert herrscht diese
Ausdrucksweise namentlich bei den in Italien stehenden Truppen-
körpern im gemeinen Sprachgebrauch vor; das domo PhiUppopoli
der Listen wird auf den Grabsteinen meistens durch natione Thrax
bald erläutert, bald vertreten. Mit den Rechtsverhältnissen hat diese
Verschiebung des Sprachgebrauchs nichts zu schaffen; sie erklärt
sich einmal aus der allgemeinen Auflösung der festen Redeweise
und der Ersetzung des strengen Schemas durch gelockerte und leichter
verständliche Wendungen, dann wohl auch dadurch, dass der Sprach-
gebrauch der Flottenlager wahrscheinlich sowohl für die nach-
severischen Prätorianer wie für die sonstigen in der späteren Kaiser-
zeit in Italien stehenden Truppen massgebend gewesen ist.
Noch bleibt die Frage zu beantworten, wie sich rechtlich die
landschaftliche Herkunft und die Heimathgemeinde zu einander ver-
halten. An sich ist eine doppelte Auffassung möglich. Natio
bezeichnet die Thatsache der Nationalität; ob ein Sclave natione
Fliryx genannt werden konnte, wird vermuthlich einfach abgehangen
haben von der Muttersprache, in der er aufwuchs. Als nun die
ursprünglich zum Kaisergesinde gehörenden Soldaten rechtsfähig
wurden und also im Rechtssinn eine Heimath zu haben anfingen,
konnte ihre Landsmannschaft entweder, wie früher bei dem Sclaven,
38 rein nach dem thatsächlichen Verhältniss bestimmt oder auch aus
der Heimath in der Weise entwickelt werden, dass dasjenige Gebiet
als ihre Landschaft angesehen wurde, in welchem ihre Heimath-
gemeinde lag. In der Regel fiel beides zusammen, aber nicht noth-
wendiger Weise. Wenn der in Misenum nicht ehelich geborene und
als Italiker aufgewachsene Sohn einer Aegyptierin aus dem koptischen
Nomos in die Flotte eintrat, so war er in jedem Fall Coptita und
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaieerzeit. 55
nach der zweiten Annahme auch natione Äegypt'ms^ nicht aber nach
der ersten. Ohne Zweifel ist der zweiten Auffassung der Vorzug
zu geben. Nirgends, wo beides genannt wird, erscheint eine Discre-
panz zwischen natio und cZomMS, sondern die letztere liegt immer im
Kreise der ersteren ^ Es ist ferner bei Festhaltung der, ursprüng-
lichen rein factischen Auffassung der naiio die allgemeine Durch-
führung, wie sie bei den Flottensoldaten entschieden stattgefunden \
hat, nicht blos praktisch unbequem, sondern eigentlich undenkbar;
wie soll zum Beispiel in dem eben angegebenen Fall die Grenze
gefunden werden, wo der in Italien geborene Sohn einer Ausländerin
factisch aufhört Ausländer zu sein? Wenigstens hätte man Aus-
hülfskategorien in grossem Umfang schaffen müssen; aber was darauf
etwa bezogen werden könnte, wie Italus oder verna^ erscheint nur
vereinzelt. Yor allem aber war dies Verfahren wie das einzig
praktische so das einzig rationelle; denn es handelte sich ja nicht
um Pferde oder Sclaven, sondern jetzt um Soldaten, deren officielle
Verzeichnung die Heimath forderte; man durfte, um dem älteren
Herkommen und der allgemeinen Verständlichkeit Rechnung zu
tragen, diese in genereller Weise ausdrücken, nicht aber sie rechtlich
beseitigen durch Hineinziehung der lediglich factischen Nationalität.
— Diese Auffassung bestätigt sich durch die äquivalenten Ausdrücke.
Es wird schwerlich bestritten werden, dass natione Noricus nicht
verschieden ist von der Formel, die sich auch findet, oriundus ex
provincia Norica ^, und es würde unvernünftig sein bei dieser letzteren
an den Geburtsort und nicht an die origo der Juristen zu denken.
Selbst die Verwendung von civis an Stelle von natione, verkehrt wie
sie ist, spricht für die gleiche Auffassung; civis Af'er kann allenfalls
stehen für civis civitatis in Äfrica, nicht aber für natus in Äfrica. 39
Danach wird auf den Militärinschriften die Landschaft in dem Sinne
zu verstehen sein, dass Aegyptius Lycopolites den in dem Lande
Aegypten, dem Nomosvon Lykopolis, Aegyptius allein den ebendaselbst
in irgend einem nicht genannten Nomos heimathberechtigten Mann
bezeichnet.
1) Keine Ausnahme macht VI, 3198: natus in Pannonia inferiore, dotno
Breget[i\one [e]t legione prima atiutri[ce] [besser C. VI, 32783 = Dessau 2207:
äomo Briget(i)one at legione(m) ]yrima(m) atfi)utri(ceni)]; denn hier wird ja nicht
die natio, sondern der Geburtsort der domm entgegengesetzt. Ich habe hier
früher an einen geograi^hischen Irrthum des Concipienten gedacht, aber mit
Unrecht [über das Verhältniß von Brigetio zu Pannonia inferior s. jetzt C. I. L.
III S. p. 1670].
2) C. VI, 2482. Aehnlieh VI, 2494. 2602. 3204. 3293.
56 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
in. Die Truppenstellung der einzelnen Reichstheile.
Um ein Bild zu gewinnen von dem System, nach dem das
stehende römische Heer gebildet worden ist, müssen vor allem die
verschiedenen Bestandtheile desselben neben einander berücksichtigt
werden. Dies im Einzelnen auszuführen ist in dem engen Rahmen
einer Gelegenheitsarbeit nicht möglich; doch wird die folgende Aus-
führung dazu beitragen die leitenden Gedanken zu veranschaulichen.
Von dem Offizierdienst sehe ich hier ab. Er ist im Allgemeinen
genommen für die gesammte Armee und Flotte, einschliesslich der
Centurionen des Fussvolks und in der Regel auch der Decurionen
der Reiterei, geknüpft an den Besitz des römischen Bürgerrechts
und in den höheren Graden an das Ritterpferd und die durch die
Ordnung der Aemterlauf bahn gegebenen Qualificationen ; die Heimath
hat gewiss rechtlich einen Unterschied nie gemacht, obwohl aller-
dings die höheren Offiziere aus der Provinz im Laufe der Zeit zahl-
reicher werden. Der Ausschluss der Italiker vom Kriegsdienst hat
sich natürlich auf ihn nicht erstreckt; vielmehr sind besonders die
Centurionen auch nachher noch häufig aus Italien hervorgegangen.
Die ausnahmsweise Zulassung der Italiker zum Legionsdienst auch
noch in späterer Zeit (S. 38) mag damit zusammenhängen und viel-
leicht ein Probedienst auf Avancement zum Centurio gewesen sein.
Für Italien^ giebt es, wie staatsrechtlich keine andere Form
der Heimathbezeichnung als die städtische, so auch militärisch keine
andere mögliche Form des Dienstes als die des römischen Bürgers,
also im Allgemeinen in der Garde oder in der Legion. Dass dem
Italiker der regelmässige Dienst in der Legion durch Vespasian
entzogen worden ist, ist früher (S. 37) ausgeführt worden. Dasselbe
40 geschah dann in Betreff des Dienstes in der eigentlichen Kaisergarde,
und zwar schlechthin 2, durch Severus. Seitdem ist dem in Italien
heimathberechtigten römischen Bürger der Kriegsdienst überhaupt
verschlossen, abgesehen von der hauptstädtischen Stadtmiliz und der
1) Selbstverständlich gilt dies, so weit das Vollbürgerrecht reicht. Die
wenigen italischen Gemeinden, die in der Kaiserzeit latinisches Recht hatten,
wie die Camunner, haben wahrscheinlich dem entsprechend ihrer Dienstpflicht
genügt (Hei-mes 16, 465. 471 [Ges. Sehr. 5, 409. 415]).
2) Die einzigen mir bekannten Ausnahmen sind die beiden Prätorianer
aus Teanum und Mantua, welche jener im J. 243, dieser im J. 248 verabschiedet
wurden (D. LH. LIV [C. I. L. III p. 894. 897]). Beide müssen unter Alexander
eingetreten sein; vielleicht hat dieser vorübergehend wieder die Garde nach
dem alten System gebildet, was zu dem Gesammtcharakter seiner Regierung
recht wohl stimmt.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 57
hauptstädtischen Feuerwehr, so wie etwa noch von den Cohorten
der italischen Freiwilligen, die alle zusammen wenig bedeuten. —
Die Nichtbürgertruppen aller Art sind dem Italiker unzugänglich,
da das Fehlen des römischen Bürgerrechts für den Eintritt in die-
selben die rechtliche Voraussetzung ist^. Das Misstrauen gegen die
Italiener ist eines derjenigen Momente, das mit völliger Stetigkeit
und in beständigem Steigen die Geschichte der Kaiserzeit beherrscht
und dessen Walten vor allem auf dem militärischen Gebiet zu
Tage tritt.
In welcher Weise die Aushebung in den Provinzen stattgefunden
hat, dafür fliesst uns eine doppelte Quelle: die Einzelangaben über
die Heimath der Soldaten aller Kategorien und die von Völker-
schaften entlehnten Namen der Auxilia. Während die Legionen
des stehenden Heeres sich nie nach ihrer speciellen Heimath be-
nennen 2, führen die Auxiliartruppen nicht ausschliesslich, aber vor-
wiegend von ihrem ursprünglichen Aushebungsbezirk den Namen ^.
Dass ihre Benennungen in diesem Sinn zu fassen sind, ist selbst- 41
verständlich und würde, wäre es dies nicht, es genügen dafür an
das Verhalten der acht batavischen Cohorten in den Wirren nach
Neros Tod zu erinnern.
Freilich mögen bei dieser Namengebung noch andere Rück-
sichten obgewaltet haben. Wenn von den Vocontiern, den Bewohnern
des Wallis, den (vermuthlich kimmerischen) Bosporanern die alae
Vocontiorum, VaUensium , Bosporanorum den Namen führen , ohne
dass diesen Reiterregimentern, wie sonst gewöhnlich, gleichartige
Cohorten zur Seite stehen, so liegt darin ohne Zweifel eine Aus-
zeichnung jener beiden schon zu Augustus Zeit halb italianisirten
Districte so wie des Clientelstaats. Aber keineswegs muss diese
Auszeichnung in der leeren Beilegung der Namen bestanden haben;
1) Hermes 16, 461. 470 [Ges. Sehr. 5, 405. 414].
2) Es gilt dies für das stehende Heer der Kaiserzeit; vorher begegnen
allerdings Legionen mit wahrscheinlich so aufzufassenden Bezeichnungen, wie
Mutinensis, Sahina, Sorana.
3) Gemeint ist damit das im Genitiv des Pluralis gesetzte substantivische
Ethnikon, für welches nur selten und wohl durchaus abusiv die adjectivische
Bezeichnung eintritt : so heisst die cohars 1 Apatnenorutn (III, 600 [Dessau 2724])
auf einer Inschrift von Ostia (Henzen 6709 [C. I. L. XIV, 171 = Dessau 2741])
cohors I Apamena. Die ständig auftretenden adjectivischen Benennungen, wie
die cohortes Cyrenaicae (S. 61 A. 2), die ala I Thracum Mauretana, cohors I Gal-
lorum Dacica, II Gallorum Macedonica sind ohne Zweifel zu beurtheileu wie die
gleichartigen der Legionen Macedonica, Scythica, Hispana, Fretensis; mit der
Heimath haben sie nichts zu schaffen und sind wohl im Ganzen ala ehrenvolle
Erinnerungen an militärische Vorgänge zu betrachten.
58 Die Coüscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
vielmehr sollte wahrscheinlich den Bewohnern jener Gegenden in
dieser Weise reichliche Aussicht auf den ehrenvolleren und besser
bezahlten Reiterdienst eröffnet werden. Andrerseits ist damit nicht
ausgeschlossen, dass diese Alen vielleicht von Haus aus nicht allein
aus den Districten ausgehoben worden sind, die ihnen den Namen
gaben. Bei der Aushebung der Alen ist überhaupt aus nahe liegen-
den Gründen ein grösserer Bezirk als bei dem Fussvolk zu Grunde
gelegt oder auch ganz von der Oertlichkeit abgesehen worden.
Hauptsächlich desshalb wird bei jenen die Benennung nach dem
Ethnikum mehr zurücktreten als bei diesen und haben nicht wenige
Alen von einzelnen Offizieren oder von der Waffengattung oder
anderen Distinctiven den Namen entlehnt.
Bei den Auxilien der Infanterie habe ich, wenigstens so weit
sie mit Sicherheit oder mit Wahrscheinlichkeit aufAugustus zurück-
geführt werden können, nirgends Grund gefunden in Zweifel zu
ziehen, dass sie in den Districten gebildet worden sind, nach denen
sie heissen. Bei der Recrutirung sind allerdings nachweislich bereits
früh Mannschaften anderer Herkunft aufgenommen worden. Schon
nach dem ältesten auf uns gekommenen Document über die Herkunft
der Soldaten wird im J. 60 n. Chr. ein aus Illyricura gebürtiger
Soldat aus der in Illyricum liegenden cohors II Hispanorum nach
vollendeter 25 jähriger Dienstzeit entlassen^. Späterhin pflegen, wo
wir nachkommen können, der durch den Namen der Truppe be-
zeichnete Bezirk und die Personalheimath des einzelnen Soldaten
42 weit häufiger zu differiren als zu stimmen 2. Das Eingreifen der
örtlichen Aushebung tritt bei den Auxilien vielfach und vielleicht
noch früher hervor als bei den Legionen; aber keineswegs ist doch
der Garnisonsdistrict einfach zum Aushebungsdistricte geworden,
sondern es haben hier militärische, vielleicht auch politische Rück-
sichten sehr verschiedener Art eingegriffen. Bei den Ityräern und
Hemesenern pflegt die Heimath des Soldaten mit dem Abtheilungs-
namen sich zu decken; es liegt auf der Hand, dass diese Truppen,
meist Bogenschützen, mit Rücksicht auf ihre Nationalität nicht blos
gestaltet wurden, sondern auch gestaltet blieben. Dasselbe gilt von
den Dalmatinern ohne Zweifel aus ähnlichen Gründen. — Das
Umgekehrte tritt vielleicht in Germanien ein. Dass Vespasian, der
1) D. II (C. I. L. III p. 845 [Dessau 1987]).
2) Belege geben Henzen ann. dell' Inst. 1850 S. 13 und Harster in der
fleissigen und verständigen Untersuchung über die Nationen des Römerreichs
im Heer der Kaiser (Speier 1873) S. 4^. Meine Listen (S. 25 A. 2) verzeichnen
sie, so weit sie mir bekannt sind.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 59"
nach Ueberwältigung der Rheinarmee deren Legionen grösatentheil»
auflöste, die bei diesen Vorgängen in erster Reihe betheiligten
germanischen Auxilia ebenfalls dafür getroffen hat, ist sehr wahr-
scheinlich. Nachweislich sind bei den Batavern ursprünglich eine
Ala von 1000 Mann und neun Gehörten, ebenfalls ausnahmsweise
sämmtlich jede von 1000 Mann, ausgehoben worden, von denen
später nur die 1. 2. 3. 9. noch nachweisbar sind^. Da Lücken
dieses Umfangs in unseren Listen sonst nicht begegnen, so werden
die fünf fehlenden sich unter den acht befunden haben, die den
Kern des Aufstandes des Civilis bildeten, und nachher aufgelöst
worden sein. Aber vielleicht ist Vespasian noch weiter gegangen.
Bei den Truppen, die nach Völkerschaften der Belgica und der
beiden Germanien benannt sind, findet sich fast ausnahmslos^ Dis-
parität des Truppennamens und der Heimathangabe der einzelnen 4$
Soldaten. Vielleicht hat der Kaiser bei der germanisch- belgischen
Aushebung die Oertlichkeit wenigstens der Regel nach beseitigt und
die einzelne Truppe unter Belassung ihres Namens fortan ohne
Rücksicht auf die Heimath oder im Gegensatz zu derselben zu
recrutiren vorgeschrieben, um also die Gefahr, welche der Aufstand
des Civilis enthüllt hatte, für die Zukunft zu mindernd
1) Die ala I (woraus die Existenz weiterer noch nicht folgt) und die der
drei ersten eohortes miliariae sind im Index zu Bd. III [p. 2485, 2491] nachgewiesen j
die neunte, ebenfalls miliaria, nennt die Inschrift von Massalia C. 1. G. 6771
[Inscr. Graecae XIV, 2433] und (nach der richtigen Lesung) das Diplom vom J. 166
(Eph. II p. 460; V n. 249 [C. III p. 1991]) [hinzukommt C. I. L. III, 11918]. Da.ss
die fünf fehlenden Cohorten ebenfalls doppelte gewesen sind, lässt sich nicht
bezweifeln. — Hübners Auseinandersetzung über die batavischen Cohorten (in
dieser Zeitschrift 16, 558) ist verfehlt. [Vgl. Bang a. a. 0. S. 32 ff.]
2) Eine Ausnahme macht die keineswegs besonders alte englische Inschrift
(Hübner eph. ep. 3 p. 134 n. 103 [Dessau 2556]), wonach die Texand(n) et Su~
nic(i) vex(iUarii) cohorßis) II Nerviorum gemeinschaftlich einen Altar stiften.
Damals also müssen diese kleinen den Nerviem benachbarten Districte in einer
uervischen Cohorte relativ stark vertreten gewesen sein. Es braucht aber nicht
für die Nervier gegolten zu haben, was für die Bataver und Treverer galt.
Ueberdies gehört die Inschrift einer Zeit an, wo das geschlossene Barbarenthum
von Regierungswegen gefördert ward, wie die Behandlung der in der Haupt-
stadt garnisonirenden Thraker zeigt ; möglich, dass damals auch in den Provinzen
solche Erwägungen eingegriffen haben.
3) Darum kann die cohors Usipiorum per Germanias conscripta, von der
Tacitus Agr. 28 berichtet, dennoch zunächst aus Usipiern gebildet worden sein,
obwohl Tacitus Worte eher dagegen als dafür sprechen. Auch mit nicht localer
Recrutirung ist es vereinbar, dass bei Neubildung einer Truppe ein Stammbezirk
zu Grunde gelegt ward. Die Inschriften nennen diese Cohorte nicht; vermuth-
lich ist sie in Folge des von Tacitus berichteten Vorganges cassirt worden.
50 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
Hinderlicher als die Differenz zwischen der Aufstellung und
der Recrutirung der Abtheilung sind für diese Untersuchung die
zahlreichen nach Augustus formirten Auxilien; denn äussere Kriterien
für die Zurückführung der einzelnen Truppe auf Augustus giebt es
nicht ^. Indess führten die später eingerichteten Auxilien gleich den
Legionen späterer Entstehung in vollständiger Titulirung wenigstens
zum grossen Theil den Stifternamen und scheiden die cohors I
Claudia Sugamhrorum ^ die ala I Vespasiana Dardanorum, die zahl-
reichen flavischen Alen und Gehörten, ebenso die ulpischen, aelischen,
die cohors I miliaria nova Severiana Surorum sagiftariorum sich von
selber aus. Dasselbe gilt selbstverständlich von den nach nach-
augustischen Provinzen benannten Truppen. Unter den übrig bleibenden
werden ohne Zweifel noch verschiedene nicht augustische sein,
andrerseits manche von Augustus eingerichtete Truppe fehlen, sei es
weil sie bald wieder aufgelöst ward, sei es wegen zufälligen Mangels
44 der Belege 2. Aber wir haben genug Nachrichten, um das von
Augustus bei der Bildung der Auxilien eingehaltene Yerfahren zu
1) Die Benennung luKa kommt überhaupt nicht vor, die Bezeichnung
Augusta nicht selten, aber es findet sich eine ala Augusta Gordiana (oder Augusta
allein) ob virtutem appellata (C. VII, 340 — 344 [344 = Dessau 502]) und oft steht
sie bei brittischen und dacischen Abtheilungen, so dass wenigstens in vielen
Fällen dieser Beiname bei den Auxilien nicht, wie es bei den Legionen aller-
dings wohl der Fall ist, auf den Kaiser Augustus zurückführt.
2) Beispielsweise sind die vier pannonischen , die sieben dalmatischen, die
vier Gehörten der Lingonen sämmtlich belegt; dagegen fehlt uns von den sechs
der Nervier die vierte und fünfte, von den acht der Breuker die vierte und
sechste [s. über diese Cichorius b. Pauly-Wissowa RE. IV S. 258f.]. Es kann
dies auch nicht anders sein, da von den kleinasiatischen und syrischen
Truppen bis jetzt noch kein Militärdiplom bekannt ist [jetzt vier, D. XIX.
LXXVI. CIX. CX (nach der neuen Zählung)] und auch die Soldateninschriften
im Osten sehr sparsam begegnen. Die merkwürdige Inschrift von Byllis (C. III,
600 [Dessau 2724]), welche ein mesopotamisches aus orientalischen Auxilien
zusammengesetztes Truppencorps specificirt, zeigt, wie viel weniger wir ver-
hältnissmässig von diesen wissen, wenn auch die Inschriften der Offiziere sich
ziemlich gleichmässig auf den Westen und den Osten vertheilen. Aber für das
Gesammtergebniss kommen nur die gänzlich fehlenden Völkerschaften und die
über die uns bekannte höchste Nummer fehlenden Abtheilungen in Betracht,
und diese Fälle können nicht zahlreich sein. — Andrerseits ist bei diesen Be-
rechnungen nicht aus dem Auge zu lassen, dass wie bei den Legionen so auch
bei den Alen und Gehörten zahlreiche Doppelnummern begegnen, also zum
Beispiel die thrakischen Gehörten nur bis sechs zählen, aber es deren vielmehr
neun bis zehn gegeben hat. Dies wird indess für die ursprüngliche Organisation
bei Seite bleiben können, da Doppelnummem schon bei dieser nicht eben wahr-
scheinlich sind, auch in zahlreichen Fällen es deutlich hervortritt, dass diese
durch spätere Greirungen entstanden sind.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 61
erkennen^; und ist dies erkannt, so wird es selber die Lücken und
Mängel der Ueberlieferung einigermassen corrigiren.
Augustus hat die Auxilia nur ausgehoben in den eigenen Pro-
vinzen, nicht in denen des Senats. Dieses nicht überlieferte und
bisher auch nicht erkannte Princip erhellt aus sicherer Induction.
Unter den zehn senatorischen Provinzen — wobei die zwei unter
Augustus vom Kaiser an den Senat übergegangenen Narbonensis
und Cyprus mit, dagegen umgekehrt Illyricum und Sardinien nicht
mit gerechnet und Lusitania als von Baetica getrennt betrachtet ist
— gilt dies ohne Beschränkung von sieben: Achaia, Baetica, Bithy-
nien und Pontus, Cyprus, Kreta und Kyrene^, Macedonien und 45
Sicilien: aus keiner derselben giebt es eine nach der Provinz oder
einem Theil der Provinz benannte Ala oder Cohorte. Für Asia,
Africa und die Narbonensis lässt sich dies so allgemein nicht sagen;
aber die Ausnahmen sind meistens nur Bestätigungen des Gesetzes.
Nach Asia führen die räthselhaften alae Phrygum, anscheinend sieben
an der Zahl^; eine genügende Erklärung dafür weiss ich nicht, aber
dass es mit ihnen eine besondere Bewandtniss haben muss, wird
jeder einräumen, der ihre Stellung in der gesammten Truppenliste
des römischen Reiches erwogen hat. Africa ist die einzige Senats-
provinz, in der ein kaiserliches Commando stand und es kann insofern
nicht befremden, wenn dem Kaiser hier auch das Recht beigelegt
ward Auxilia einzuberufen*; indess sind die africanischen Auxilia
1) Von den Auxilien, die die Noiitia Dignitatum aufführt und die nicht
anderweitig aus vordiocletianischer Zeit bezeugt sind, kann für diese nur mit
grosser Vorsicht Gebrauch gemacht werden. Bei weitem die meisten derselben
sind unzweifelhaft diocletianisch oder noch jünger und für die Ausscheidung
der einzeln allerdings darunter befindlichen älteren mangeln häufig die Kriterien.
2) Denn die cohortes Oyrcnaicae sind nicht cohortes Cyrenaeorum , so wenig
wie die legio Cyrenaica eine Legion von Cyrenaeern ist; viel eher sind dies
alles ursprünglich ägyptische mit der Einverleibung des Königreichs römisch
gewordene Abtheilungen. Die KvgtjvaToi in Arrians exra^is xar 'AXavä>v (p. 80, 9.
15. 82, 16. 83, 6 Hercher) scheinen eine solche Cohorte zu bezeichnen, aber ver-
bürgen die Grundbedeutung in keiner Weise.
3) Ala Phrygum C. II, 4251 [Dessau 2711]; Henzen 6709 [C. I. L. XIV, 171
= Dessau 2741]. Ala VII Phrygum C. VI, 1838 [D. CIX vom J. 139 (C. I. L.
III p. 2328^**)]. Die Alennummern steigen sonst nicht über drei, welche Ziffer
selbst allein bei den Thrakern begegnet. Phrygia erscheint auch unter den
vom Legaten von Galatien verwalteten Landschaften (Marquardt Staatsverw.
1, 359) und darauf Hesse sich die ala Phrygum heziehen; aber die seltsame siebente
Ala der Phrygier ist damit nicht erklärt.
4) Dasselbe kann für Illyricum in Anwendung gekommen sein, bis diese
Provinz, was noch unter Augustus selbst geschah, in kaiserliche Verwaltung
überging.
52 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
an Zahl so gering und die flavischen und ulpischen unter ihnen
so stark vertreten , dass sie füglich sämmtlich nachaugustischer
Entstehung sein können^. Aus der Narbonensis endlieh erscheint
die einzige Ala der Vocontier^; und von diesen ist ausdrücklich
bezeugt 3, dass sie exempt waren und dem Proconsul der Provinz
46 nicht gehorchten, also von dem Kaiser in ähnlicher Weise abhingen
wie die Könige von Thrakien und der cottischen Alpen.
Was aus den Corpsbezeichnungen sich ergiebt, bestätigen die
vereinzelten personalen Heimathangaben von Auxiliarsoldaten *. Von
denen, die ich habe sammeln können, treffen zwei recht späte auf
Africa^, je eine auf Macedonien^ und auf Kreta''; vergleicht man
damit die ansehnliche Zahl der Heimathangaben einerseits der aus
den Senatsprovinzen stammenden Legionare, andrerseits der aus den
kaiserlichen Provinzen stammenden Auxiliarsoldaten, so tritt das
Gesetz trotz jener vereinzelten Ausnahmen in aller Deutlichkeit
hervor.
1) Abgesehen von den als flavischen oder ulpischen bezeichneten sind aus
Afriea-Numidien bekannt drei alae: Afrorum, veterana Gaetuhrum, Numidarum
und vier Cohorten I Afrwum (vielleicht identisch mit der I ülpia Afrorum),
II Cirtensium, I Gaetulorum, I Musulamiorum , über deren Ursprung directe
Zeugnisse fehlen. Die Ala der Gaetuler hat schon in dem jüdischen Kriege
unter Nero gefochten (C. V, 7007 [Dessau 2544]).
2) C. VII, 1080. C. I. Rh. 67. 161 [C. I. L. XIII, 8805 (= Dessau 2536). 8655;
vgl. Cichorius a. a. 0. S. 1269]. Den angeblichen n(umerus) Voc(onti(yrum) Eph. IV
p. 207 n. 698 erkläit Hübner mit Eecht für unmöglich; die numeri sind eine
Institution des dritten Jahrhunderts und gebildet aus den frischesten, das heisst
am wenigsten romanisirten Völkerschaften des Reiches, um das schlaffe Heer-
wesen der Zeit zu verjüngen. Von dem gefälschten Kriegstribun der Vocontier
in den Kaiserbiographien (trig. tyr. c. 3) ist zu reden nicht erforderlich.
3) Strabo 4, 6, 4 p. 203.
4) Selbstverständlich sind die cohortes voluntarioi'utn und die diesen gleich-
stehenden, wie zum Beispiel die cohortes classicae, hiebei nicht in Betracht
gezogen ; dass dieselben nicht zu den Auxiliarcohorteu gehören, zeigen vor allem
deutlich die Heimathangaben.
5) C. III, 3324. 4379.
6) D. XXXIV vom J. 134 [C. I. L. III p. 877]. Stobi, das hier als Heimath eines
Soldaten der coh. I Claudia Sugamh'orum auftritt, ist auch insofern anomal, als
es schon bei Plinius h. n. 4, 10, 34 oppidum civium Romanorum heisst und die
Auxiliarrecrutirung für ein solches nicht passt. Ist der S. 76 A. 2 vorgeschlagene
Ausweg statthaft, das heisst ist dieser Soldat nicht in Stobi ausgehoben, J
sondern während des Dienstes mit dem römischen Bürgerrecht beschenkt und
der Gemeinde Stobi zugeschrieben worden, so fallen beide Bedenken zugleich |
hinweg.
7) C. I. Rh. 739 [C. XIII, 7513 = Dessau 2570].
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 63
Diese Regeln gelten für die Auxiliartruppen. Einen Flotten--
dienst als solchen hat es zu Augustus Zeit nicht gegeben; indess
ist, als er, wahrscheinlich durch Claudius, organisirt ward, die dafür
erforderliche Aushebung wesentlich ebenfalls auf die kaiserlichen
Provinzen gelegt worden. Darum fehlen in der Flotte Baetica,
Narbonensis, Makedonien, Achaia, Cyprus, Kreta ganz, fast ganz
auch Asia*^ und Kyrene^. Africa ist nicht stark, aber doch ver-
treten^. Sardinien ist in militärischer Hinsicht stets als kaiserliche
Provinz behandelt worden, auch als es unter Proconsuln stand*.
Die ziemlich zahlreichen Bithyner und Pontiker unter der Flotten- 47
mannschaft erklären sich daraus, dass diese Provinz seit Traian
überwiegend unter kaiserlicher Verwaltung gestanden hat.
Auch die Bezirke, nach denen in den kaiserlichen Provinzen
die Aushebung für die Auxilia stattfand, lassen sich wenigstens für
das Fussvolk^ einigermassen erkennen und bieten bemerkenswerthe
Vergleichspunkte mit der zu Augustus Zeit bestehenden Reichsein-
theilung. Auf der spanischen Halbinsel bildet die Provinz Lusitanien
zugleich einen Aushebungsbezirk, der an Infanterie sieben Gehörten
stellt; Reiterei von dort ist nicht bekannt und wird hier wie anderswo
in den zahlreichen nicht nach Ethniken benannten Reiterregimentern
stecken. In der Tarraconensis ist in der schon damals gewisser-
massen selbständigen Landschaft Asturia und Callaecia nach den
drei conventus ausgehoben worden, woraus die sechs cohortes Asturum
und die je fünf der Bracaraugustani und der Lucenses hervorgegangen
sind. In der übrigen Tarraconensis ist in dem nordwestlichen Theil
gauweise, also besonders stark ausgehoben worden; dahin gehören
die beiden alae der Aravaker, die je zwei Gehörten der Cantabrer,
•der Vasconen, der Varduller und andre mehr. Ergänzend treten
1) Wir kennen einen Flottensoldaten Asianus und zwei Phryges, von diesen
^inen aus Laodicea.
2) Ein Flottensoldat von dort vielleicht C. VI, 3115; doch ist die Lösung
von Cyr. nicht sicher.
3) Ich finde elf Afri und drei Uhyci.
4) Auf die militärische Sonderstellung Sardiniens habe ich C. I. L. X p. 777
hingewiesen. Es war Anfangs senatorisch, seit 6 n. Chr. kaiserlich; als dann
Nero es dem Senat gab, blieb dennoch das Commando.
5) Die Zahl der Cohorten, welche anders als von dem ursprünglichen
■Conscriptionsbezirk benannt sind , ist nicht gross und in der That noch kleiner
äIs sie erscheint , da in den meisten Fällen der Art offenbar blos abgekürzte
Benennungen vorliegen. Für die Alen gilt das Gegentheil; man wird also sich
wohl davor zu hüten haben daraus, dass keine Alen der Lusitaner, Aquitaner,
Raeter vorkommen, zu folgern, dass in diesen Provinzen keine Reiter ausgehoben
"worden sind.
g4 Die ConsCriptionsordnuDg der römischen Kaiaerzeit.
hinzu die Auxilia der Hispani im Allgemeinen, wenigstens eine Ala
und sechs Cohorten, welche hauptsächlich aus den südlichen Theilen
der Tarraconensis hervorgegangen sein werden. — In Gallien finden
wir zunächst in Aquitanien vier Cohorten der Aquitani neben zwei
der Aquitani Bituriges; hier tritt deutlich das für die ursprüngliche
Aushebung massgebende nationale Element hervor, insofern jene
aus dem iberischen, diese aus dem keltischen Theil der Provinz
hervorgegangen sein werden. Die zwei gallischen alae und elf^
48 gallischen Cohorten sind offenbar das Contingent der Lugdunensis.
In der Belgica und den beiden Germanien endlich, welche für diese
Zeit als ein Verwaltungsbezirk betrachtet werden müssen, wird
durchaus nach Gauen ausgehoben und offenbar so stark wie in
keinem andern District. Von den 1000 Reitern und den 9000 Mann
zu Fuss der Bataver ist schon (S. 59) gesprochen worden; aber auch
die Nervier stellen sechs Cohorten und überhaupt sind fast sämmt-
liche hier ansässige germanische oder halbgermanische Völkerschaften
unter den benannten Auxilien vertreten, während die keltischen
nicht in gleichem Masse herangezogen zu sein scheinen. Das auf-
fallende Fehlen von alae und cohortes der Treverer ^ mag sich daraus
erklären, dass ihr Contingent nach dem Krieg des Civilis aufgelöst
oder doch umgenannt ward. — In Illyricum, das bei Einführung
dieser Ordnung ohne Zweifel noch eine Provinz gebildet hat, er-
scheinen die Auxilien im wesentlichen dreitheilig: sieben Cohorten
der Dalmater^, vier der Pannonier, acht der Breuker. Offenbar ist
1) Die ersten sieben sind alle belegt; ausserdem aber wird die coh. XI
Gallorum genannt in einer dalmatiner Inschrift (Eph. IV n. 237 [C. I. L. III, 8439
= Dessau 2593]); Hr. Glaviniö, den ich desswegen befragt habe, erklärt die Lesung
des klar und schön geschriebenen Steins für zweifellos. Die 8. 9. 10. fehlen bis
jetzt. Möglich ist es, dass die 11. Cohorte von der Gesammtzahl heisst, ähnlich
wie die 30. Legion benannt ist, und die drei mangelnden Cohorten in den Doppel-
nummern stecken.
2) Tacitus ann. 3, 42 (vgl. bist. 2, 14. 4, 55) spricht von einer dort aus-
gehobenen Ala; aber die Inschriften kennen keine von diesem Gau benannte
Truppe. Die schlecht überlieferte Inschrift Brambach 800 [C. I. L. XIII, 409*]
— auch praefectus equitum alae ist eine ungewöhnliche Benennung — ist ver-
muthlich falsch ergänzt. Die ala hidiana mag wohl, wie ein Ungenannter in
den Rhein. Jahrb. 19 (1853) S. 55 scharfsinnig vermuthet hat, von dem Treverer
lulius Indus (Tacitus a. a. 0.) benannt und in der That die alte ala Treverorum
sein. Aber dadurch wird die Thatsache nicht beseitigt, dass in späterer Zeit
keine Auxiliartruppe diesen Namen geführt hat [s. jedoch C. XIII, 7612 — 3.
7615 ff. und den eq(uesj ala Petri(ana) Treve(rorum) : Mitteil, der Ges. f. Erhalt.
der Denkm. im Elsaß 51, 1906 S. 864].
3) Dass dies gerade die sex milia Delmatarum, recens dilectus des Tacitus
(hist. 3, 50) seien, ist nicht erwiesen. Kaiserbeinamen führt keine der Cohorten.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 65
dies in der Hauptsache dieselbe Eintheilung, aus welcher dann die
Provinzen Dalmatien, Pannonien und Moesien hervorgegangen sind;
die Breuker, im äussersten östlichen Winkel des späteren Unter-
pannoniens an der Grenze Moesiens heimisch, scheinen für die
Contingente des unteren Donaugebietes den Namen hergegeben zu
haben, also bei der Trennung der Provinzen Pannonien und Moesien
die Grenzlinie etwas weiter nach Osten geschoben zu sein als sie
bei Einrichtung der Aushebungsbezirke gezogen worden war. — In
Syrien sind die Auxilien theils auf einzelne grössere Stadtbezirke
gelegt, wie Apamea, Askalon, Tyros, theils treten hier die abhängigen
Kleinstaaten in den cohortes Chalcidenorum (5), Hemesenorum (1),
Ituraeorum (7) hervor. — Zu diesen Contingenten der vier grossen
Kaiserprovinzen kommen weiter die der kleineren von Procuratoren 49
verwalteten Districte, die Ligurer und Montaner, womit die Alpes
tnaritimae gemeint sind, die Alpini, welche zunächst aus den cottischen
und graischen Bergen hervorgegangen sein werden, die Raeter und
die Noriker, von welchen letzteren die Raeter acht, die Noriker
nur eine Cohorte Infanterie und letztere allein daneben eine Ala
stellten — der Grund dieser zu dem sonstigen Verhältniss der
Provinzen durchaus nicht passenden Ziffern wird weiterhin (S. 68)
sich zeigen. — Die Clientelstaaten sind bei den Auxilien nicht ver-
treten, so weit die Yertheidigung der Reichsgrenze auf sie selber
fiel^; kappadokische Auxilien giebt es nicht; die kommagenischen
Cohorten sind wahrscheinlich erst von Vespasian oder seinen Söhnen
eingerichtet worden 2. Wo dagegen diese Staaten nicht unmittelbar
für die Grenzvertheidigung eingerichtet sind, finden wir sie vielmehr
in hervorragender Weise betheiligt. Für Syrien ist dies bereits
hervorgehoben worden; stärker aber noch sind die Thraker heran-
gezogen worden, die neben sechs Cohorten Fussvolk in der Zahl
der Reiterregimenter nur den Galliern weichen. Wahrscheinlich
geht auch dies schon auf Augustus zurück und ist nicht erst bei der
Einziehung der betreffenden Landschaften so geordnet worden. —
Der Grund der auffallend schwachen Betheiligung von Aegypten,
aus dem nur zwei Cohorten der Thebais erwähnt werden und das
also in seinem Hauptdistrict gar nicht vertreten ist, so wie des
1) Wegen der ala Bosporanorutn s. S. 57. Cohortes Bosporanorum kennen
die echten Inschriften nicht. [D. CV, C. I. L. III p. 2328«^ vom J. 116 nennt eine
coh&rs I Boslpo^'unorum].]
2) Wir kennen von Kommagene eine Ala und die Cohorten 1. 2. 3. 6, von
Numidien eine Ala und die Cohorten 1. 2. Die beiden ersten kommagenischen
und beide numidische Cohorten nennen sich Flaviae.
MOMMSEN, SCHR. VI. 5
ißß Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
völligen Fehlens der Provinz Galatia ^, des alten Reiches des Amyntas,
wird weiterhin (S. 67) sich ergeben.
Die nach Augustus zum Reich gekommenen Provinzen, sämmt-
lich kaiserlicher Verwaltung, sind hinsichtlich der Aushebung nach
denselben Grundsätzen behandelt worden. Auffallend schwach sind
50 die beiden Mauretanien angezogen; wir kennen von dort gar keine
Reiter und nur zwei Gehörten Infanterie. Auch von Dakern wissen
wir nur von einer Ala und drei Cohorten. In Britannien aber ist
ebenso stark ausgehoben worden wie bei den Kelten des Continents;
die Ziffern der Alen und Cohorten gehen zwar jene nicht über 1,
diese nicht über 6 hinaus, aber es gab hier eine Reihe gleich-
bezifferter Cohorten: die cohortes primae JBrittonum Flavia, Ulpia,
Aelia, miliaria, ebenso die cohortes secundae Flavia und Nervia sind
wahrscheinlich alle von einander zu unterscheiden und zeigen, wie
häufig die Regierung von Yespasian bis auf Hadrian neue Truppen-
formationen auf der Insel vorgenommen hat.
Die Zusammenhaltung der von Augustus angeordneten Auxiliar-
conscription, wie sie hier kurz zusammengefasst ist, mit der legionaren
Recrutirung ergiebt deutlich das complementare Yerhältniss: alle die
Provinzen, die dort gar nicht oder schwach betheiligt sind, stehen
bei dieser in erster Reihe. Zunächst haben die Senatsprovinzen, wo
Auxiliarier nicht ausgehoben werden durften, dafür Legionarier
verhältnissmässig zahlreich geliefert. Die Aushebung im J. 65, von
welcher wir zufällig erfahren (S. 27), fiel auf die Provinzen Narbo-
nensis, Asia, Africa, lauter senatorische. Auf die Narbonensis und
auf Africa, so wie ferner auf die Provinz Macedonien führt die
Mehrzahl der Heimathangaben der Provinzialen in den rheinischen,
dalmatinischen, africanischen Legionen. Baetica ist schwach ver-
treten; die wenigen Inschriften, welche wir von dort gebürtigen
Soldaten besitzen, fallen fast alle auf die Rheinarmee. Hätten wir
solche Kunde von den im ersten Jahrhundert in Spanien garni-
sonirenden Legionen, wie sie uns die unschätzbaren Mainzer Funde
für das dortige Lager gewähren, so würden die geborenen Baetiker
und die geborenen Narbonenser darin ohne Zweifel im umgekehrten
1) Wenigstens finde ich inschriftlich von dort bezeugt nur die zweite und
dritte Cohorte der Paphlagonier (die erste fehlt), die als ulpische hier wegfallen
[und die beiden cohmies Galatarum D. CIX]. Ebenso ist die Cohorte von Trape-
zunt, die Tacitus bist. 3, 47 erwähnt, erst im J. 63 n. Chr. hinzugetreten. Mögen
übrigens auch in diesem Ländercomplex einige Auxilien ausgehoben worden
sein, für das Gesammtergebniss ist es einerlei, ob diese Art der Aushebung dort
gar nicht oder nur in geringem Umfang stattgefunden hat.
Die Conscriptionsordnuug der römischen Kaiserzeit. 67
Verhältniss vertreten sein, wie dies bei den Mainzern der Fall ist.
Wenn die übrigen Senatsprovinzen in den Grabsteinen der Legionen,
welche auf uns gekommen sind, keine oder sehwache Vertretung
finden, so liegt bei Sicilien die Erklärung der merkwürdigen That-
sache, dass wir auch nicht einen von dort gebürtigen römischen
Soldaten namhaft machen können, wohl einfach darin, dass Sicilien
auch die einzige Provinz des grossen Reiches ist, die keinen Meilen-
stein aufzuweisen hat. Bei den Senatsprovinzen des Ostens, Achaia,
Bithynien, Asia, Cypern, Kreta, Kyrenae kommt neben der relativ
stärkeren Verwirthschaftung derselben in Betracht, dass die von dort 51
her gebürtigen Soldaten in die Legionen des Ostens gehörten und
über diese die Kunde bis jetzt sehr spärlich ist — die afrikanische
Legion, die zeitweise zu denen des Ostens gerechnet worden ist,
zeigt in der That eine Reihe geborner Bithyner (S. 27). Als dann
mit Hadrian die örtliche Conscription Regel ward, fielen alle diese
Provinzen, da sie ohne Garnison waren, dadurch bei der Conscription
aus. Die in den Senatsprovinzen heimathberechtigten Leute dienten
anfänglich in der Garde und den Legionen, seit Hadrian nur in der
Garde, seit Severus überhaupt nicht.
In den kaiserlichen Provinzen concurrirten der Auxiliardilectus
und der legionare; aber das complementare Verhältniss beider zeigt
sich auch hier. Wenn die Auxilia für das Reich der Ptolemaeer
sich auf die Thebais beschränken und für dasjenige des Deiotarus
gänzlich fehlen, so haben nach Ausweis der Tafeln von Koptos die
ägyptischen Legionen im ersten Jahrhundert sich vorzugsweise aus
Alexandrea und dem galatischen Provinzialcomplex recrutirt. Augustus
hat mit diesen Staaten die Truppen derselben übernommen und sie
nur formell reorganisirt ^, wie dies die galatische legio Deiotariana
auf das deutlichste zeigt und wonach auch die von Kyrene benannten
Truppen ursprünglich ptolemaeische gewesen sein mögen (S. 61 A. 1);
es sind aber ferner die seit Augustus in Aegypten, seit Vespasian
in Kappadokien garnisonirenden Legionen auch als römische noch
der Sache nach ägyptisch -galatische geblieben — wir verstehen
jetzt besser, in welchem Sinne Augustus Aegypkim seposuit. Aber
1) Wie hier verfahren ward, zeigt die Behandlung der mit dem Reich des
Polemon, das im J. 63 n. Chr. zur Provinz Galatien geschlagen ward , von den
Römern übernommenen Truppen. Einige Jahre nachher garnisonirte in Trape-
zunt eine Cohorte, regium auxiUum olim, mox donati civitate Romatm signa (vgl.
S. 75) armaque in nostrum modum, desidiam licentiamque Graecorum retinehant
(Tacitus hist. 3, 47). Ganz ebenso wird Augustus nach Amyntas Tode (729 n. St.)
dessen Truppen übernommen, mit dem Bürgerrecht beschenkt und als legio
Deiotariana nach Alexandrea gelegt haben (S. 32 A. 3).
6*
68 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
auch in denjenigen Provinzen, in denen die eine wie die andere
Aushebungsform in Anwendung kam, zeigt sich eine gewisse Er-
gänzung. Auf den Legionarinschriften der früheren Jahrhunderte
erscheinen die norischen Städte ungemein häufig; Noricum ist die
52 einzige kaiserKche Provinz, welche für diese Epoche zu den Legionen
des Westens zahlreiche Mannschaften gestellt hat, während Kaetien
darin so gut wie gar nicht vertreten ist. Das ist also der Grund,
wesshalb, wie oben (S. 65) bemerkt ward, Noricum nur eine Ala
und eine Cohorte zu den Auxilien gestellt hat, die nicht grössere
und sonst gleichartige raetische Provinz dagegen acht Cohorten.
Wie die Garde gebildet wurde, soll hier ^ nur um das Gesammt-
bild zu vervollständigen in kurzem Umriss angegeben werden.
Rechtlich ist wohl die Qualification des Prätorianers von derjenigen
des Legionars nicht verschieden gewesen und gab auch hier der
Eintritt in den Dienst dem Nichtbürger das Bürgerrecht; wahrschein-
lich aber ist hier strenger und dauernder als bei dem Legionär auf
bürgerliche Geburt gehalten worden 2. Dass, wie Tacitus angiebt,
die Garde anfänglich überwiegend aus den schon in republikanischer
Zeit zum Bürgerrecht gelangten italischen Gemeinden gebildet wor-
den ist, hat schwerlich über Tiberius hinaus bestanden. Wenn
unsere Urkunden, Listen wie Grabschriften, uns im Prätorium viel-
mehr das cisalpinische Gallien vorzugsweise vertreten zeigen, so
gehören die Listen alle und die Grabschriften grösstentheils der
nachhadrianischen Zeit an, in welcher jener Unterschied sich aus-
geglichen oder vielmehr in sein Gegentheil umgesetzt hatte. Den
Provinzialen gegenüber haben die Italiker das Prätorium unter der
ersten Dynastie wohl so gut wie ausschliesslich inne gehabt, alsdann
auch nach ihrem Ausschluss aus dem Legionardienst sich darin bia
auf Severus behauptet, wie dies Dio berichtet und unsere Urkunden
in vollem Umfang bestätigen. Doch ist im zweiten Jahrhundert die
Zahl der Nichtitaliker in der Truppe offenbar in stetigem Wachsen.
1) Vgl. meine Ausführung im Hermes 4 S. 116 [Ges. Sehr. 4 S. 308] und die
kürzlich erschienene S. 41 A. 3 angeführte Abhandlung Bohns.
2) Ermitteln lässt sich darüber wohl nichts, zumal die meisten Prätorianer-
verzeichnisse den Vatemamen nicht setzen. In den wenigen, welche dies thun
— die ältesten betreffen die im J. 187/8 (Eph. IV, 886 [CLL. VI, 32518^]),
141/2 (Eph. IV, 887 [C. I. L. VI, 82519» = Dessau 2102]), 153/4 (VI, 2381 [=
32522]) eingetretenen Mannschaften — stimmen Vater- und Sohnesname ohne
Ausnahme; wobei man aber freilich in Anschlag zu bringen hat, dass in dieser
Epoche des Verfalls der Vornamen Brüder mit gleichem Vornamen häufig sind
und der Vorname auf die Söhne beinahe so übergegangen zu sein scheint wie
auf die Freigelassenen.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 09
Wenn Dio weiter sagt, dass die Nichtitaliker vor Severus nicht ohne
Unterschied zugelassen worden seien, sondern man die Mannschaften
vorzugsweise aus den civiUsirteren Provinzen genommen habe — er 53
nennt ^ Macedonien, Noricum und Spanien ^ — , so findet auch dies
in unsern Urkunden, deren Hauptmasse eben dieser Zeit angehört,
vollkommene Bestätigung. Nach meinen Zählungen, die, bei manchen
Unsicherheiten im Einzelnen, im Ganzen sichere Verhältnisszahlen
ergeben werden, treffen von Heimathangaben vorseverischer Prä-
torianer auf Macedonien 23, auf Noricum 18, aufPannonien 11, auf
die Tarraconensis 9, die Jfarbonensis 6, Dalmatien 5, Lusitanien 4;
die übrigen Provinzen sind nur mit zweien oder einzelnen Individuen
oder gar nicht vertreten. Factisch ausgeschlossen von dieser Recru-
tirung waren also die Asiaten wie die Africaner durchaus, ferner der
barbarische Theil des Donaugebiets,' insonderheit Thrakien und
Moesien, vermuthlich auch das ganze niedere und der Östliche Theil
des oberen Pannonien; endlich Raetia, die drei Gallien, Germanien
und Britannien. Bemerkenswert!! ist daneben, dass in den nied-
riger stehenden hauptstädtischen Truppenkörpern, den urbani und
den vigiles, diese Ausgeschlossenen, besonders die Africaner, zwar
auch nur in geringem Masse, aber doch, mit der Garde verglichen,
zahlreich gedient haben. — In der nachseverischen Zeit, für welche
die urkundlichen Belege noch zahlreicher vorliegen, hat dagegen die
Garde der grossen Mehrzahl nach aus Illyrikern, Africanern, Syrern
bestanden^; die civilisirten Reichstheile verschwinden so gut wie 54
1) In dieser Ordnung folgen sich die Provinzen bei Dio 74, 2 in den Ex-
cerpten; Xiphilin stellt Spanien an die erste Stelle. Die "Worte ix rovrov (wegen
ihrer Herkunft) xat ToTg sidsaiv avrcöv inisixsazsQcov xai rotg rj&saiv ouiXovaxsQOiv
ovrcov heben nach Dios Art mehr die allgemein moralischen Eigenschaften hervor
als das präcise Moment, auf das es hier ankommt; die Sache spricht deutlich
genug.
2) Die Bedenken, die ich im Hermes 4, 119 [Ges. Sehr. 4 S. 310 A. 3] gegen
die Erwähnung Spaniens erhoben habe, sind von Bohn a. a. 0. mit Recht zurück-
gewiesen worden.
3) Für die vorliegende Frage ist es gleichgültig, ob diese aus den Legionen
oder unmittelbar in die Garde gekommen sind; iudess scheint mir Bohn nicht
mit Recht an dem Satz zu rütteln, dass nach Severus die Garde überwiegend
aus gedienten Legionaren gebildet worden ist. Aus dem Schweigen der meisten
Inschriften nachseverischer Prätorianer über die Translation lässt sich nicht
schliessen, dass dieselbe nicht stattgefunden hat; es ist ganz gewöhnlich, dass
bei erreichtem besserem Dienstverhältniss das geringere übergangen wird. Auch
kann doch nur auf die Prätorianer gehen was Zosimos 1, 52 in der Schilderung
des Heeres Aurelians sagt: ^aav 8s jzqos xovxoig ot xov ßaadixov riXovg ix Jidvtcov
&Qiaxiv8rjv ovvsdsyfxivoi xal ndvxcov öiouiQSJiiaxaxoi.
70 Die Conscriptionsordnuug der römischen Kaiserzeit.
ganz. Charakteristisch ist zum Beispiel, dass in diesen Listen Mace-
donien fast nur vertreten ist durch den am meisten barbarischen
seiner Bezirke, den von Pautalia.
Die Augustus bei diesen Einrichtungen leitenden Gedanken be-
dürfen der Erläuterung nicht. Die orientalische Heerhälfte erscheint,
wie schon bemerkt ward (S. 40), zurückgesetzt, insofern die Garde
nur aus demjenigen Gebiet ausgehoben wird, das die Legionen des
Westens stellt. Wenn ferner die städtische Civilisation die Grund-
lage der legionaren Aushebung bildete, so war es nur angemessen
diesen Gedanken bei der Garde in verstärkter Potenz zur Ausführung
zu bringen und neben Italien nur die voll civilisirten Provinzen zu-
zulassen. Ebenso aber entspricht es dem Umschwung der Dinge
unter Severus, dass nun umgekehrt die Barbaren über die civilisirten
Reichstheile herrschen und die Bildung als Disqualification des
Soldaten erscheint. Auffallend ist die Zurücksetzung des gesammten
keltisch -germanischen Gebiets, besonders auch insofern, als sie im
dritten Jahrhundert fortbestanden hat. Yermuthlich ist der Grund
dafür zu suchen in der Einrichtung der Kaiserreiter, der JBatavi
oder Germani der älteren, der equites singulares der späteren Kaiser-
zeit. Diese Truppe, der Sache nach von je her, späterhin auch von
Rechtswegen ein Theil der stadtrömischen Kaisergarde, recrutirte
sich vorzugsweise aus eben den Provinzen, welche bei der Recrutirung
für das eigentliche Praetorium ausgeschlossen sind; die beiden Aus-
hebungen sind also complementär und wird man namentlich in der
früheren Kaiserzeit zwischen den beiden Truppen, der bürgerlichen
und der germanischen, landsmannschaftliche Beziehungen haben ab-
schneiden wollen. Für das dritte Jahrhundert gilt dies nicht;
Pannonier insonderheit begegnen in der Epoche des illyrischen
Soldatenregiments in der einen wie der andern Truppe in beträcht-
licher Anzahl. Der fortdauernde Ausschluss der germanischen
Elemente aus dem Prätorium ruht in dieser Zeit wohl auf der
Rivalität der Rhein- und der Donauarmeen.
Auf die späteren Aenderungen in der Aushebung gehe ich hier
nicht ein. Dass bei dem Hinzutreten der Flottenconscription diese
von Rechtswegen auf die kaiserlichen Provinzen fiel, ist früher
(S. 62) hervorgehoben worden; wenn dieselbe nicht allen Provinzen
gleichmässig auferlegt ward, sondern die Spanier, Gallier, Raeter,
55 Noriker dabei so gut wie ganz übergangen wurden^, so wird der
1) Ich habe dies bereits früher (Hermes 16 S. 470 [= Ges. Sehr. 5 S. 414])
ausgeführt, damals ohne zu wissen, dass das Fehlen der Baetica und der Narbo-
nensis auf einem andern Grunde beruht.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 7 1
Hauptgrund dafür gewesen sein, dass diese eben für den Landdienst
in hervorragender Weise in Anspruch genommen waren ^. — Die
örtliche Aushebung, wie sie seit Hadrian für das gesammte Landheer
wenigstens die Grundlage gebildet hat, weiter unter Severus die
Verlegung des Schwergewichts der Conscription von der Belgica
nach Thrakien und Pannonien müssen nach allen Seiten hin die
durchgreifendsten Umwandlungen herbeigeführt haben, welche, so
weit überhaupt, nicht im Rahmen einer kurzen Abhandlung dar-
gelegt werden können. Nur darauf darf vielleicht hier noch hin-
gewiesen werden, da es mit den Rechtsverhältnissen der Conscrip-
tionsgemeinden in Verbindung stehen kann, dass die auffallend
geringe Zahl der Auxiliarier aus der Tarraconensis und den drei
gallischen Provinzen — ich finde deren zum Beispiel aus der ganzen
grossen Lugdunensis nur zwei^ — vielleicht im Zusammenhang steht
mit der Einführung der örtlichen Conscription für die spanischen und
die germanischen Legionen. Dass diese für Spanien in Anwendung
gekommen ist und die dort stehende Legion sich in späterer Zeit,
wie die africanische, aus der Provinz selbst recrutirt hat, ist erweis-
lich. Für die Rheintruppen erkennt man wohl, dass die beiden
Germanien auch für ihre Legionen stark in Anspruch genommen
wurden, Kölner zum Beispiel darin in späterer Zeit in grosser Zahl
gedient haben; allein sicher reichte die blosse provinziale Aushebung
hier nicht aus, da zumal die Recrutirung der Auxilia daselbst keines-
wegs aufhörte. Die Inschriften scheinen in der That darauf zu
führen, dass für die germanischen Legionen auch Raetien und die
tres Galliae herangezogen worden sind. — Dies konnte geschehen,
ohne dass darum das Personen- und Gemeinderecht der Spanier
und Gallier geändert ward; aber es kann auch eine umfassende
Verleihung des Vollbürgerrechts damit in Verbindung gestanden 56
haben, welche die rechtliche Nöthigung in sich schloss hier den
Dilectus fortan allein für die Legionen auszunutzen.
Es bleibt noch übrig auf den Dilectus von der staatsrechtlichen
Seite her einen Blick zu werfen. Bisher ist es nicht möglich gewesen
1) Allerdings blieb die Reichsflotte, obwohl hauptsächlich in Italien sta-
tionirt, doch eine griechische Institution ; man braucht dafür nur an die trierarchi,
guhernatores, naophylaces, pituli zu erinnern. Aber die Sarden und die Dalmatiner
waren ebenso wenig Griechen wie die Bewohner der Tarraconensis; wohl aber
können diese bei dem Dilectus für das Landheer stärker betheiligt gewesen sein
als jene.
2) Der eine ist der S. 44 A. 1 erwähnte Lugudunenser, Soldat der 1. thraki-
echen Cohorte, der zweite ein Namnete aus der ala Indiana in der Wormser
Inschrift Brambach 891 [C. XIII, 6230 = Dessau 2496].
72 Die Conscriptionsordnung der römisclien Kaiserzeit.
in Betreff des Aushebungsrechts unter dem Principat weiter zu
kommen als zu dem selbstverständlichen Satze, dass dasselbe in der
Hand des Kaisers liegt ; vielleicht vermögen wir, nachdem die prin-
cipielle Verschiedenheit desselben in den senatorischen und in den
eigenen Provinzen des Kaisers sich herausgestellt hat, diejenigen
organischen Anordnungen zu erkennen, welche bei der Theilung der
Provinzen im J, 727 in dieser Beziehung nothwendig haben getroffen
werden müssen, und einigermassen festzustellen, dass und wie das
kaiserliche Aushebungsrecht Constitutionen beschränkt war.
Die vorkommenden Aushebungsbeamten — alle, wie es scheint,
ausserordenthch bestellt und selbstverständlich alle vom Kaiser er-
nannt — zerfallen in zwei Kategorien^: die in den Kaiserprovinzen
fungirenden sind ritterlichen Ranges , die in Italien thätigen ohne
Ausnahme senatorischen; in den Senatsprovinzen haben die Proconsuln
selbst die Aushebung geleitet, aber auch sie dem Anschein nach
nur in Folge eines besonderen Auftrages. Das heisst, in seinem
Verwaltungsgebiet schaltet den Nichtbürgern gegenüber der Princeps
unbeschränkt: sowohl die Bildung der Truppenkörper, so weit sie
aus Mchtbürgern zusammengesetzt werden, wie auch deren Ergänzung
geht offenbar den Senat nichts an und hängt in keiner Weise ab
von dessen Beschlüssen. Insofern sind die Auxilien gewissermassen
eine Hausmacht des Kaisers, auf militärischem Gebiet den Legionen
gegenüber ungefähr, was in dem Beamtenkreis die Hausbeamten
gegenüber der senatorischen Magistratur sind; wie denn auch an
jene Auxilien sich die Gesindetruppen, die italischen Flotten und
die deutsche Leibwache in ganz ähnlicher Wpise anschliessen wie
an die Hausbeamten von Ritterrang das an Staatsgeschäften be-
theiligte kaiserliche Freigelassenen- und Sclavengesinde. Dass in
den Senatsprovinzen ähnliche Truppenbildungen nicht etwa an die
Einwilligung des Senats geknüpft, sondern ganz unterblieben sind,
57 weist deutlich hin einerseits darauf, dass diese Aushebung ihren
ßechtsgrund in der proconsularischen Gewalt gehabt hat, andrerseits
auf das Grundprincip des Principats die Militärgewalt in dem damit
verknüpften Proconsulat zu concentriren und die senatorischen Pro-
consuln von der Ausübung des an sich ihnen zukommenden Commandos
auszuschliessen. Die Auxiliaraushebung ist wahrscheinlich eine ein-
fache Anwendung des anerkannten Rechts des Statthalters in seinem
Sprengel die Wehrpflichtigen unter die Waffen zu rufen, modificirt
1) Staatsrecht 2 2, 819 [vgl. 3. Aufl. 849]. Hinzuzufügen ist Tacitus ann.
14, 18, wonach der Proconsul der Cyrenaica die Aushebung leitet.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 73
durch die Ausdehnung des proconsularischen Gebiets und durch die
Perpetuität der proconsularischen Gewalt. Eine Ala oder Cohorte konnte
in Macedonien der Kaiser nicht ausheben, weil er nicht Proconsul
dieser Provinz war und dem betreffenden Proconsul sollte die eigene
Aushebung nicht gestattet werden : desshalb unterblieb hier die Auf-
stellung von Auxilien ganz. Es scheint auch später hierin principiell
nichts geändert worden zu sein. Bei der Umwandlung der sena-
torischen Provinzen in kaiserliche, wie sie bei Bithynien schon früher,
dann am Ausgang des dritten Jahrhunderts in grossem Umfang statt-
gefunden hat, mag die Rücksicht auf die Aushebung, namentlich in
Bithynien für die Flotte, wohl im Spiel gewesen sein, aber das
Princip ist, so viel wir erkennen können, bis zu der Umge-
staltung des gesammten Staatswesens durch Diocletian in Kraft ge-
blieben.
Anders verhält es sich mit den Legionen und mit der Garde.
"Wenn auch nach der oben gegebenen Ausführung Nichtbürger
namentlich in jene eingestellt werden durften, so ist dieser Dienst
dennoch insofern eine bürgerliche Last, als jeder Bürger dafür aus-
gehoben werden konnte, und ohne Zweifel ist unter Augustus und
noch lange nach ihm ein sehr grosser Theil der Legionare aus
geborenen Bürgern durch Dilectus hervorgegangen. Es lässt sich
nicht streng beweisen, aber dünkt mir in hohem Grade wahrschein-
lich, dass bei der Reorganisation des Gemeinwesens Augustus auf
das bis dahin in weitestem Umfang geübte Recht Legionen und
überhaupt Bürgertruppen aufzustellen förmlich Yerzicht geleistet hat
und dass die derartigen Neuformationen der Kaiserzeit alle durch
Senatsschluss legalisirt worden sind. Die auffallende Seltenheit der-
selben, die in der That mit dem Erwerb der neuen Provinzen
Britannien, Dacien und Mesopotamien Schritt hält, im Uebrigen
wesentlich in der Ersetzung aufgelöster oder vernichteter Legionen
durch anders benannte besteht, findet wahrscheinlich darin ihre 58
Erklärung; nicht als ob die Regierung, wenigstens von Tiberius ab,
irgend zu besorgen gehabt hätte, dass ihr die Erlaubniss versagt
werden würde, sondern weil sie es vermied einerseits durch ein
solches Ansinnen die formale höchste Souveränetät des Senats neu
zu declariren, andrerseits durch Errichtung von Legionen ohne
Senatusconsult die gesetzlichen Schranken der kaiserlichen Compe-
tenz offenkundig zu überschreiten.
Anders allerdings wird es sich verhalten haben mit der Ergänzung
der einmal bestehenden Truppenkörper. Allem Anschein nach hat
der Kaiser hierin nach zwei Seiten freie Hand gehabt, wenn auch
74 Die Coüscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
für beide Fälle ein strenger Beweis nicht zu erbringen ist. Mit der
gesammten Stellung des Principats ist es nicht vereinbar, dass für
die Annahme eines Bürgers, der zu dienen wünschte, der Kaiser
einer besonderen constitutionellen Legitimirung bedurft haben soll;
noch unvereinbarer wo möglich, dass er in seinem eigenen Yer-
waltungsgebiet für Einstellung eines Bürgers von Beryt oder eines
Peregrinen aus Ancyra in eine Legion den Senat vorher hat befragen
müssen.
Da die Garde, abgesehen von der natürlich lediglich von dem
obersten Kriegsherrn abhängenden Versetzung aus einer Truppe in
die andere, wohl zu allen Zeiten wesentlich aus Freiwilligen gebildet
worden ist i, so ist deren Recrutirung so wie die der übrigen städtischen
Truppenkörper wahrscheinlich erfolgt ohne Mitwirkung des Senats,
was auch die Lage der Sache fordert. Auch ein nicht unbeträcht-
licher Theil der Legionare mag auf diese "Weise in den Dienst
gelangt sein; doch lag namentlich in der früheren Kaiserzeit das
Schwergewicht bei dem Heerdienst ohne Zweifel auf dem Dilectus 2.
So weit dieser auf Italien und die Senatsprovinzen traf, hat diesen
nicht der Kaiser, sondern, allerdings wohl immer auf Antrag des
Kaisers, der Senat verfügt. Der im J. 65 angeordnete Dilectus in
den drei Senatsprovinzen (S. 27) wird zwar von Tacitus nicht aus-
drücklich als Senatsbeschluss bezeichnet; aber wer die Entstehung
der Annalen auch der Kaiserzeit kennt, weiss, dass der Grundstock
59 für den Jahresbericht der betreffende Jahrband der Senatsbeschlüsse
ist und dass eben die kurzen sogenannten annalistischen Notizen, wie
diese, regelmässig auf solche zurückgehen. Dazu passt vollkommen,
dass, so weit wir urtheilen können, die Aushebung in Italien durch
kaiserliche Commissarien senatorischen Ranges, die in den Senats-
provinzen durch die Proconsuln selbst vollzogen wird, während
kaiserliche Hausbeamte hier nirgends erscheinen. Natürlich sind
dergleichen Anträge und Beschlüsse obligat gewesen und wie andere
Routinegeschäfte der Regel nach aus unsern Berichten weggeblieben,
obwohl anfangs nicht jährlich für jede Legion ausgehoben wurde,
sondern die Recrutirung in grösseren Intervallen und unregelmässig
1) Der Bescheid, den Kaiser Hadrian dem für die Garde sich meldenden
Rekruten ertheilt (Dositheus Hadr. sent. 2), dass er zunächst bei den Stadtcohorten
eintreten möge, führt auf freiwilligen Eintritt für die hauptstädtische Soldatesca
insgemein; und eben dahin führen die auf den drei-, resp. sechsjährigen Dienst
bei der Feuerwehr gesetzten Belohnungen.
2) Tacitus ann. 4, 4. Velleius 2, 130. Marquardt Staatsverw. 2, 522 [2. Aufl.
542].
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 75
erfolgte. Aber dass nach formellem Recht der Kaiser hier nicht
frei, sondern hinsichtlich der Recrutimng vom Senat abhängig war,
bleibt eine Thatsache von geschichtlicher wie staatsrechtlicher Be-
deutung. Nicht minder bedeutungsvoll ist die spätere Beseitigung
der Betheiligung der Volksvertretung an der Aufstellung des Heeres.
Zwar direct aufgehoben ist dieselbe wohl schwerlich, sondern nur
ausser Anwendung gesetzt durch die Veränderung der Conscriptions-
bezirke: die Durchführung der örtlichen Aushebung durch Hadrian
macht der Einwirkung des Senats auf die Recrutirung ein Ende.
Die spanische Legion recrutirte sich in der Tarraconensis, die britti-
schen und die germanischen Legionen in Britannien, den drei Gallien,
den beiden Germanien und Raetien, die illyrischen in den Donau-
provinzen, die des Ostens in Kappadokien, Galatien, Syrien, Aegypten.
Die grosse Masse des Kaiserheers wurde seit Hadrian nach dem
System ausgehoben, wie es unter Augustus für die Auxilien und
etwa noch die Legionen des Ostens Geltung gehabt hat; die Aus-
hebung in dem Machtgebiet des Senats hörte, im Grossen und
Ganzen wenigstens, auf und die verfassungsmässige Befugniss des
Senats blieb zwar in Rechtskraft, aber war inhaltlos geworden. In
Africa allerdings ist auch später noch nicht blos in dem kaiserlichen
Numidien, sondern auch in der senatorischen Provinz in bedeutendem
Umfang ausgehoben worden; wenn das Bewilligungsrecht des Senats
für diese Provinz nicht schon früher, mit Rücksicht auf ihre halb
kaiserliche, halb senatorische oberste Verwaltung, einer Modification
unterlegen hat, so mag dafür dasselbe auch nachher noch zur
Anwendung gekommen sein; an der allgemeinen Rechtslage wird
dadurch nichts geändert,
IV. Die Rechtsstellung der Individuen und der Gemeinden 60
und die Conscription.
Wie weit kann aus dem Dienstverhältniss des einzelnen Soldaten
auf sein Personalrecht, wie weit aus der Stellung der einzelnen
Gemeinde bei dem Dilectus auf ihr Gemeinderecht geschlossen
werden?
Jeder Legionär ist nothwendig römischer Bürger ; jeder Auxiliarier
tritt als Nichtbürger in die Truppe ein. Aber wie schon seit
Augustus dem Auxiliarsoldaten allgemein nach vollendeter Dienstzeit
die Verleihung des Bürgerrechts in Aussicht gestellt ist, so ist ihm
nicht selten noch während der Dienstzeit das Bürgerrecht als per-
sönliche Auszeichnung verliehen worden; es ist sogar schon früh
vorgekommen, dass eine solche Verleihung der ganzen Truppe zu
76 Die Conscriptionsordüung der römischen Kaiserzeit.
Theil und selbst dauernd als Ehrenname derselben geführt wird,
ohne dass die Rechtsstellung der später eintretenden Leute dadurch
sich ändert ^, Demnach müssen unter den Auxiliarsoldaten römische
Bürger sich in ziemlicher Anzahl befunden haben, und damit stimmt
auch der Sachbefund wesentlich überein 2. Insofern also ist jener
61 Gegensatz kein vollständig scharfer und kann nicht jeder Auxiliar
sicher als Nichtbürger angesehen werden. Dagegen wird derjenige
Auxiliar, der die Heimath in nicht städtischer Form angiebt, je nach
der Namensform, als Latinus oder als Peregrinus betrachtet werden
müssen. Es gewährt dafür eine gute Bürgschaft, dass bei den
Prätorianern und den Legionariern, deren Bürgerrecht ausser Zweifel
steht, die Heimath in der Form des Ethnikum auf den officiellen
Listen kaum je und selbst auf den Grabschriften nur drei oder vier-
mal auftritt (S. 41 f.), umgekehrt, wo auf Soldatengrabschriften die
Form des Ethnikum erscheint, die Truppe als solche regelmässig
peregrinischen oder latinischen Rechts ist.
Wo nicht die Heimathgemeinde, sondern nur die Landschaft,
das heisst die factische Herkunft des Betreffenden aus einem grösseren
1) Marquardt Staatsverw. 2 *, 468. Der älteste uns bekannte Fall dieser
Art ist der oben S. 67 A. 1 ei*wälinte aus dem J. 63. Als Beiname einzelner
Abtheilungen ist civium Bomanorum nachweisbar seit Titus.
2) Die Thatsachen, dass drei Auxiliarsoldaten (S. 44 A. 1) die Heimath in
städtischer Form — Lugudunum, Andautonia, die castra — und daneben die
Tribus nennen ; dass ein Auxiliarsoldat (S. 62 A. 4) als seine Heimath Stobi
angiebt, welche Stadt nicht blos römische Bürgergemeinde war, sondern auch
als in der Senatsprovinz Macedonien gelegen dem Auxiliardilectus nicht unterlag
und dass eine allerdings geringe Anzahl von Flottensoldaten sich als Italiker
und als ihre Heimath Misenum, Formiae, Nola, Ateste bezeichnen (in dieser
Zeitschrift Bd. 16 S. 465 [Ges. Sehr. 5 S. 409]), lassen sich mit dem Gesetz, dass
römische Bürger weder gezwungen noch freiwillig in Peregrinencorps eintreten
können, nur durch die Annahme vereinigen, dass diese Individuen als Peregrinen
in die Truppe eingetreten sind, aber noch vor der Mission das Reichsbürgerrecht
und damit die Heimathgemeinde empfangen haben. Dass jenes in grossem
Umfang also verliehen worden ist, steht fest; dass damit die Einschreibung in
eine Stadtgemeinde verbunden war, steht nicht fest, aber es dürften doch für
diese Annahme wesentliche Gründe sprechen, die allerdings hier nur angedeutet
werden können. Insbesondere ist dafür die Frage zu erwägen, ob nicht die
Ertheilung des Bürgerrechts bei der Mission mit der Einschreibung in eine
städtische oder quasistädtische Gemeinde (die castra) verbunden gewesen ist;
wird diese bejaht, so ist auch jene Annahme damit erwiesen, da offenbar die
Ertheilung des Bürgerrechts während der Dienstzeit nichts ist als die Anticipirung
der Missionsprivilegien. Zu Gunsten der Bejahung sprechen die Inschriften,
nicht durch ihr Reden, sondern durch ihr Schweigen. Von Anfang des Princi-
pats an sind Auxiliarsoldaten in grosser Zahl auf diesem Wege zum römischen
Bürgerrecht gelangt und offenbar nur der kleinste Theil derselben in Colonien
1
Die CoDScriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 77
Bezirk bezeichnet wird, kann daraus auf die Rechtsstellung des
Betreffenden nur insoweit geschlossen werden, als dieser Bezirk
gleichartigen Rechts ist; und immer ist auch mit den möglichen
persönlichen Rechtserhöhungen zu rechnen. Natione Haitis zeigt
sicher den römischen Bürger an, natione TTirax im Allgemeinen den
Peregrinen; aber auch der aus einer in Thrakien belegenen römischen
Colonie gebürtige Mann und der durch Eintritt in eine Legion zum
Bürgerrecht gelangte Soldat thrakischer Herkunft können allenfalls
so bezeichnet werden.
Wichtiger und schwieriger ist der Rückschluss aus dem Con'-
scriptionsverhältniss auf die Rechtsstellung des Heimathbezirkes. Es
sind in dieser Hinsicht vier Sätze zu erörtern:
1) dass die Gemeinde, aus welcher ein Prätorianer oder Legionär 62
ausgehoben wird, ebensowohl eine Yollbürger- wie eine Ge-
meinde latinischen oder peregrinischen Rechts gewesen sein
kann;
2) dass sie aber eine Stadtgemeinde gewesen sein muss;
3) dass jeder Aushebungsbezirk eines Auxiliarcorps latinisches
oder peregrinisches Recht gehabt hat;
4) dass der Heimathort eines jeden in einem latinischen oder
Peregrinencorps dienenden Soldaten latinisches oder peregri-
nisches Recht gehabt hat.
Dass der römische Bürger einer nichtrömischen Gemeinde als
Bürger angehören kann und demnach daraus, dass ein römischer
Prätorianer oder Legionär diese oder jene Ortschaft als Heimath
nennt, auf das Bürgerrecht dieser Ortschaft nicht geschlossen werden
darf, ist schon oben ausgeführt worden (S. 21) und war im Allge-
meinen längst anerkannt. Freilich hat man, so lange für die Auf-
nahme in die Bürgertruppen der Besitz des römischen Bürgerrechts
als Voraussetzung galt, dennoch oft einen solchen Schluss wenigstens
geführt worden. Hätten diese Veteranen ihr früheres Heimathrecht behalten,
wie man allerdings zunächst erwarten sollte, so würden zum Beispiel die Bataver
dieser Kategorie als cives Batavi und zugleich als römische Vollbürger mit der
Tribus auftreten; aber Beispiele dieser Art fehlen gänzlich. Dies erklärt sich,
wenn mit der Mission die Einschreibung des Neubürgers in eine der bestehenden
Stadtgemeinden — nicht nothwendig in eine Bürgergemeinde — verbunden war.
Auch lässt sich wohl denken, dass die Deduction der Veteranen, über deren
spätere Ausgestaltung wir wenig unterrichtet sind, ungefähr diesen Weg ge-
nommen hat. Das Gemeindebürgerrecht kann der Kaiser verleihen (C. II, 4249
[Dessau 6933]) ; und was Kaiser Valentinian sagt (C. Th. 7, 20, 8) : omnibus bene-
meritis veteranis quam volunt patriam damus, mag wohl weiter zurückreichen als
man meint.
78 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
da sich gestattet, wo die Beispiele nicht vereinzelt waren und be-
sonders die Gleichheit der Tribus hinzutrat i. Die neuesten Funde
haben diese Vorstellung berichtigt und gezeigt, dass vielmehr die
Verleihung des Bürgerrechts an peregrinische Rekruten mit der
Aushebung für die Legion in grossem Massstab verbunden gewesen
ist, seit es ein stehendes Heer gab. Mindestens ein Drittel der
Legionen ist aus den griechischen Provinzen ausgehoben worden,
in denen es wenigstens zu Augustus Zeit nur eine geringe Zahl von
römischen Bürgern gab; aber auch im Occident wird die legionare
Aushebung in der Narbonensis, der Baetica, Africa, welche vorzugs-
weise davon getroffen wurden, damals wenigstens grossentheils wenn
nicht auf Peregrinen, doch auf Latiner gefallen sein. Wir haben
wahrscheinlich die Ausdehnung des Bürgerrechts auf die Provinzen
63 uns bisher zu umfänglich vorgestellt. Die zahlreichen Gemeinden
der Narbonensis, in denen seit Augustus die Voltinia, der Baetica,
in denen seit Vespasian die Quirina erscheint, sind vermuthlich
Gemeinden latinischen Rechts gewesen und geblieben, deren zum
Vollbürgerrecht gelangten Bürgern die betreffende Tribus als perso-
nale in derselben Weise beigelegt ward wie den Alexandrinern und
■den Galatern die Pollia (S. 24) ; und, sie werden dieses Recht zu
«inem Theil auf dem municipalen Wege, zu einem anderen aber
durch den Eintritt in die Legion erhalten haben. Die Regel spricht
in aller Deutlichkeit Aristides aus in seiner Lobrede auf Rom
(1 p. 352 Dind. [2 p. 112 Keil]); die Stelle ist bekannt und oft be-
nutzt, nur hat man sie auf das Verfahren des Marcus beschränkt,
während sie in der That das System des stehenden Heeres der
römischen Kaiserzeit überhaupt zum Ausdruck bringt: rig ovv t)
avXXoyr] xal rig 6 zQOJiog; eX'dovreg im näoav rr}v vnrjxoov evrev^ev
eoxerpao&e rovg XeirovQyrjOOvxag TTjvöe rrjv XsirovQyiav, xal cbg evQere,
öfiov rrjg re Tiargcdog änrjXXd^aTe aal rr/v v/usregav avrcov noXiv ävrs-
dote avTOig' a>oxe. xal aloyvv&fivai xb Xoinbv avxovg exeivovg y äveiJisTv,
ö^ev rjoav xb aQ^oiiov noirjod/bievoi de JioXixag ovxcog xal oxQaxicbxag
Inoirjoare, Soxs rovg xe änb xfjg noXecog jurj oxQaxevso§ai xal xovg
1) Beispielsweise habe ich wenigstens, und ich glaube wir haben alle bisher
nie daran gezweifelt, dass Lucus Augustus der Vocontier, welches so zahlreiche
Legionarier der Voltinia geliefert hat, eine römische Vollbürgergemeinde ge-
wesen ist; ein von mir gemachter Versuch diese mit der peregrinischen ckitas
Voeontiorum auszugleichen hat kürzlich Hirschfelds Billigung gefunden (gall.
Stud. S. 26). Jetzt sehen wir, dass jenes nichts ist als der städtische Ausdruck
für den Gau und dass daraus auf das Gemeinderecht ein Schluss überall nicht
gemacht werden darf.
li
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 79
CTQarevojuevovg jut]d^ öziovv rjxTOv elvai noXkag, rrjg juev agj^aiag
änoXidag yeysvrj/uevovg äjua rf] orgareia, rijg d' vjuereQag noXirag re
xal (pQovQovg ano rfjg avrfjg ijfiEQag. Diese allgemein über alle
Provinzen sich erstreckende, auf Peregrinen gerichtete, aber vom
Tage des Eintritts an zugleich das Bürgerrecht gewährende legionare
Conscription ist eben die der Tafeln von Koptos. Abweichend von
der augustischen Ordnung ist nur die Beschränkung der Legionar-
conscription auf die Provinzen und sogar auf die des Bürgerrechts
entbehrenden Barbaren, die legio harharica; was Aristides für seine
Zeit gewiss mit Recht hervorhebt, aber nicht Augustus selbst also
geordnet, sondern erst die Späteren aus seinen Institutionen ent-
wickelt haben. — Also für die Beschaffenheit des Stadtrechts darf
aus der Aushebung für die Legion und die Garde überall kein
Schluss gezogen werden, auch dann nicht, wenn sie häufig begegnet
und mit Ertheilung der gleichen Tribus an die Ausgehobenen ver-
bunden ist. Die prätorianische wie die legionare Conscription trifft
gleichmässig die Bürger-, die latinische und die peregrinische Stadt.
Aber sie trifft die Stadt, nicht das Land; und damit kommen 64
wir zu dem zweiten der oben hingestellten Sätze. Der Beweis dafür
ist durch die Auseinandersetzung über die städtische Heimathangabe
■der Bürgertruppen und die ethnische namentlich der Auxilia in der
Hauptsache bereits geführt. Man möchte fast meinen, dass auch
lier ägyptische Einrichtungen, Alexandreia und die x^Q^ für Augustus
Muster gewesen sind. Es ist der Stadtbegriff gewesen, auf den der
Oründer des Principats sein Heerwesen basirt hat, und zwar der
Tömisch-hellenische , welcher das municipium wie die noXig^ Verona
und Capua ebenso wie Ancyra und Alexandrea ohne Unterschied ihrer
Rechtsstellung und ohne Unterschied ihrer Nationalität umfasste.
Es sollten fortan die occidentalischen Legionen des Reiches aus den
Stadtgemeinden des lateinischen^, die orientalischen aus denen des
hellenischen Sprachgebiets ausgehoben werden, allerdings dann sämmt-
liche zum Legionsdienst berufene Mannschaften, welcher Nationalität
und welches Rechts sie ursprünglich sein mochten, das römische
oder vielmehr das Reichsbürgerrecht, wenn sie es nicht vorher be-
assen, entweder durch die Aushebung selbst von Rechtswegen oder
ioch mit der Aushebung durch ständige Schenkung, für ihre Person
wrie für ihre Nachkommen empfangen. Das ist eine weltgeschicht-
iche Thatsache, mit der man für die Zukunft zu rechnen haben wird.
Tichi blos für Caesars gewaltigen Geist hat die nationale Befangen-
leit des Römertums nicht bestanden; auch sein Nachfolger, dem es
sufiel, diese schöpferischen Gedanken in die Schranken der Wirk-
gQ Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
lichkeit einzuführen, hat die Fundamente des römisch - hellenischen
Weltreichs doch breiter und tiefer gelegt, als wir bisher es ahnten.
Formell spricht sich dieser Gegensatz mit römischer Schärfe aus
in der Fassung der Heimathangaben, dem domo Verona gegenüber
dem natione Batavus. Materiell hat derselbe allerdings nur annähernd
durchgeführt werden können. Wenn Italien und die senatorischen
Provinzen, Sicilien, die Baetica, die Narbonensis, Griechenland und
Vorderasien ausschliesslich der legionaren Aushebung unterstellt
werden, so sind dies im Grossen und Ganzen genommen diejenigen
Gebiete, welche in augustischer Zeit zu voller Civilisation, das heisst,
für die italische wie für die griechische Auffassung, zu städtischer
Organisation gelangt waren. Indem zu diesen gemäss den weiteren
65 organischen Institutionen Augusts die griechischen Städte Aegyptens
und des östlichen Vorderasiens hinzutraten, ferner die in den Kaiser-
provinzen belegenen Gemeinden vollen römischen Bürgerrechts, wie
Lugudunum und Berytus, gemäss ihrem Gemeinderecht lediglich zum
Legionardienst herangezogen werden konnten, gingen die Legionen
der stehenden Armee allerdings hervor aus dem gesammten städtischen
Element des Reiches und waren dessen volle militärische Vertretung.
Den politischen Verhältnissen der damaligen Zeit war dies
wohl entsprechend, wenn nicht durch sie gefordert. Die römischen
Vollbürger des Reiches hätten freilich nach unseren Vorstellungen
ein stehendes Heer, wie dasjenige des Augustus war, ohne besondere
Schwierigkeit aufbringen können; indess was in dieser Hinsicht als
Druck erscheint, ist ziffermässig nicht zu berechnen, und vor allem
darf nicht vergessen werden, dass die Römer Augusts einen fast
siebzigjährigen Bürgerkrieg hinter sich hatten und eines der ein-
greifendsten, wenn nicht das durchschlagende Moment bei der
Gründung des Principats war, dass Augustus die Bürger nicht blos
vom Krieg, sondern auch vom Kriegsdienste befreite. Die ausser-
ordentlich niedrig gegriffene Zahl der stehenden Armee und die
bekannten Erzählungen von der Bewaffnung der Freigelassenen für
den pannonischen Krieg, von der Schwierigkeit das in Germanien
aufgeriebene Corps von etwa 20 000 Mann zu ersetzen, beweisen
unter allen Umständen, dass die Regierung alle Ursache hatte den
Kreis der zum Legionsdienst verpflichteten Personen möglichst zu
erweitern. Insofern ist es also wohl begreiflich, dass er in der
Heranziehung der Stadtbürger auch nicht römischen Rechts eine
breitere Grundlage dafür schuf.
Allerdings ist der Gegensatz von Stadt und Land in jenen
Ordnungen nur annähernd ausgedrückt, auch eines streng formalen
I
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 81
rechtlichen Ausdrucks überall nicht fähig. Manche Districte, die
ihrer Beschaffenheit nach allein zum Auxiliardienst sich eigneten,
wie zum Beispiel die weniger civilisirten Theile von Pontus und
Phrygien, wurden durch die Aushebeordnung demselben entzogen;
indess kam darauf nicht viel an, da namentlich in der augustischen
Epoche Mannschaften für die Auxilia in Ueberzahl sich darbieten
mussten. Dagegen unterlagen der auxiliaren Aushebung namentlich
in Syrien Städte wie Apamea und Tyros; andrerseits erstreckte die
legionare Aushebung sich auf Kleinstädte wie Nertobriga in Baetica,
Etenna und Isinda in Pisidien, sogar auf einzelne Districte Mace- 66
doniens, denen die städtische Organisation abgingt. Das Princip
war von Haus aus mit einer Reihe zum Theil recht bedenklicher
Ausnahmen durchsetzt.
Aber auch von diesen Ausnahmen abgesehen war das Princip,
selbst da wo es rein zur Anwendung kam, einer formalen und
bleibenden Fixirung kaum fähig. In den nach augustischer Ordnung
zunächst für die Auxiliaraushebung bestimmten grossen Kaiser-
provinzen, Spanien, Gallien -Germanien, Illyricum, Syrien, war die
legionare nicht an sich unstatthaft, sondern nur ausgeschlossen bei
factischem Fehlen der Stadt; und ob die einzelne peregrinische
Gemeinde den Stadtbegriff nach römischer Auffassung in sich ent-
wickelt habe oder nicht, Hess schon theoretisch sich oft schwer oder
gar nicht feststellen. Die griechische Stadtgemeinde hat allerdings
dem Römer gegolten als seinem municipium ebenso analog wie die
griechische Ehe und das griechische Testament den gleichartigen
römischen Instituten. Bei den Kelten dagegen, den Illyrikern,
den Spaniern, den Syrern, den Libyern, den Aegyptem erschien das
Gemeinwesen den Römern vielmehr als civitas oder Nomos oder
doch wenigstens nicht als Stadt; und eben auf diesem Gegensatz,
welcher vielleicht grossentheils mehr in der römischen Auffassung
peregrinischer Einrichtungen als in deren Wesen selbst begründet
war 2, beruht die von Augustus durchgeführte Doppeltheiligkeit der
Heerbildung. Tief und weit wie diese Gegensätze sind, ergeben sie
1) Aus den binnenländischen naacedoni sehen Landschaften Pelagonia und
Eordaea begegnen Prätorianer wie Legionare mit der Heimathangabe Pelagonia
oder Eordaea, was wie eine Stadt aussieht, aber es nicht ist. Indess haben
eben diese Landschaften auch in anderer Beziehung gewissermassen die Geltung
von Städten (vgl. Kuhn städt. Verfassung 2, 406. 429).
2) Wahrscheinlich hat sich diese Auffassung zunächst den Kelten gegen-
I über entwickelt ; wie deren civitas sich von dem römischen popiilus unterschied,
habe ich früher in dieser Zeitschrift (16, 449 f. [Ges. Sehr. 5, 394 f.]) zu bestimmen
1 versucht.
MOMMSEN, SCHR. VI, 6
g2 Die ConscriptionsordnuDg der römischen Kaiserzeit!
noth wendig ein Grenzgebiet, auf welchem die Durchführung ohne
Willkür nicht möglich war, wo schliesslich kaiserliche Instruction
oder Anordnung der Provinzialbehörden eintreten musste. "Wenn in
der augustischen Statistik der Tarraconensis 179 städtische und 114
nicht städtische Gemeinden gezählt wurden ^, so waren alle Gemeinden
67 römischen oder latinischen Rechts natürlich unter jenen begriffen;
aber die Grenze zwischen den Stadt- und den Landgemeinden pere-
grinischen Rechts muss der Sache nach eine fliessende nur durch
Regulativ fixirte gewesen sein. Dazu kommt die Verschiebung in
der inneren Ordnung der Gemeinden; die Umwandlung der Gau-
verfassung in die städtische, der Allobrogen zur Colonie Yienna,
der Ubier zur Colonie Ära Agrippina ist eines der wichtigsten und
durchgreifendsten Entwickelungsmomente der Geschichte der Kaiser-
zeit namentlich in den westlichen Provinzen. Augustus und die in
seinem Sinne regierenden Herrscher mochten den politisch-militärischen
Gegensatz vollständig zur Geltung bringen, den Legionen das Ge-
präge der städtischen Civilisation, den Auxilien das der Barbaren-
contingente wahren; aber bei veränderter Tendenz der Regierung
konnte die Institution auch in anderem Sinne gehandhabt werden.
Die spätere Yerderbung wird uns nicht abhalten die Institution in
ihrer ursprünglichen Anlage zu würdigen, darf aber auch bei Er-
•^ägung ihres Eingreifens nicht aus den Augen verloren werden.
Namentlich für Gallien und Germanien, die in der Auxiliaraus-
hebung durchaus an der Spitze stehen und uns auch am besten
bekannt sind, kam daneben offenbar eine wohl eigentlich abusive
Legionaraushebung auf, welche jenen Gegensatz formell ebenso
deutlich hervortreten lässt wie materiell aufhebt. Sie knüpft daran
an, dass der Regel nach der Gau einen Hauptort hatte, der zwar
rechtlich nichts war als ein vicus oder ein castellum, aber der Sache
nach wohl oft mit gleichem und besserem Recht eine Stadt genannt
werden konnte wie manches municipium civium JRomanorum. Gewiss
haben die Yocontier, wie Hirschfeld (gall. Stud. S. 38) dies kürzlich
in sehr befriedigender Weise entwickelt hat, 'als civitns im gallischen
Sinne fortbestanden' und darum ward aus ihnen die nach ihnen
benannte Ala gebildet; aber wenn wir sie bei der effectiven Aus-
hebung nicht in den Auxilien, dagegen zahlreich in der Legion
vertreten finden, so ist das vielleicht ebenso sehr eine formale Ver-
letzung wie eine materielle Anwendung des augustischen Princips
der Heerbildung. Hier, wo es sich vielmehr um den factischen als
1) Plinius h. n. 3, 3, 18.
dl
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 83
um den rechtlichen Gegensatz von Stadt und Land handelte, konnte
die Regierung, ohne den Geist der augustischen Ordnung zu verleugnen,
wohl eine Gemeinde, auch so lange sie noch rechtlich civitas war,
entweder in der Aushebung lediglich für die Legion heranziehen
oder auch je nach Umständen die Rekruten entweder in die Auxilien 68
oder in die Legion einstellen ; und es konnte dann die Heimathangabe
kaum anders gemacht werden als dass als Heimath des Auxiliars
der Gau, als die des Legionars dessen Hauptort aufgeführt ward.
Wahrscheinlich ist dies besonders in späterer Zeit nicht selten ge-
schehen. Aus Aquitanien haben wir Heimathangaben für vier Alarier,
lautend auf Biturix (3) und Petriicm'ius (1) und für drei Legionare,
lautend auf Augustonemetum (2) und Burdigala (1). Ebenso wird
es aufzufassen sein, wenn die bei den Vocontiern ausgehobenen
Legionare durchaus in den Listen geführt sind als gebürtig aus dem
einen ihrer Hauptorte Lucus Augustus; wenn der einzige (abgesehen
von den Lugudunensern selbst) uns aus der Provinz Lugudunensis
bekannte Legionär sich bezeichnet als heimathberechtigt in Autricum,
nicht als Carnutiner; wenn bei Offizieren und Legionaren die Heimath-
angabe auf Ulpia Noviomagus gestellt ist, die Soldaten der Peregrinen-
corps aber sich bezeichnen als natione Batavus; wenn die Prätorianer-
listen ihren Raetern und Germanen als Heimath Äugusta Vindelicuni
oder Divodurum beisetzen. In all diesen Fällen tritt der formale
Gegensatz von Stadt und Gau ebenso handgreiflich zu Tage wie
die materielle Identität. Wie dies Yerhältniss weiter aufzufassen
ist, kann hier nicht untersucht werden; es kann sein, dass es später
in irgend einer Weise möglich gemacht wurde die civitas Batavorum
und die Stadtgemeinde JJlina Noviomagus zu rechtlicher Coexistenz
zu bringen ^ ; aber in den meisten Fällen ist hier sicher die Gauord-
nung nur verschleiert und wird aus der Nennung von Divodurum
und so weiter nicht geschlossen werden dürfen, dass die betreffenden
Ortschaften zur Zeit der Abfassung der Inschrift ein von dem Gau
verschiedenes städtisches Gemeinwesen gebildet haben. Gewiss hat
zu der immer fortschreitenden Barbarisirung der Legionen auch das
mit gehört, dass in der bezeichneten Weise unter Eludirung der
1) Hiefür kommt namentlich die merkwürdige von Hirschfeld (gall. Stud.
S. 33) kürzlich entwickelte Organisation der Vocontier in Betracht. Diese, im
Rechtssinne civitas, hatte Hauptorte nicht blos einen, sondern zwei oder drei,
Lucus Augusti, Vasio und Dea, anfänglich offenbar blosse Flecken mit factischer
Stadtentwickelung. Aber wenigstens die Vasienses haben hier, wie Hirschfeld
richtig erkannt hat, späterhin wenigstens eine ähnliche Stellung eingenommen
■wie die Äventicenses bei den Helvetiern.
6*
84 Die Conscriptionsordnurig der römischen Kaiserzeit.
augustischen Ordnung die Gemeinden mit Gauverfassung für den
69 Legionsdienst mit herangezogen worden sind. Es muss also ein-
geräumt werden, dass der auf einer Prätorianer- oder Legionar-
inschrift genannte Ort eigentlich eine Stadtgemeinde sein sollte, aber
zuweilen ein Flecken ohne Stadtrecht gewesen ist, so dass aus
solchen Erwähnungen nicht mit Sicherheit auf das Vorhandensein
eines städtischen Gemeinwesens geschlossen werden kann.
Der dritte der oben aufgestellten Sätze, dass jede Gemeinde,
die als Conscriptionsbezirk auftritt, latinisches oder peregrinisches
Recht gehabt hat, unterliegt weder einem Bedenken noch einer
Ausnahme ; ob unter den Gemeinden, nach welchen Auxilien benannt
sind, sich in der That solche befunden haben, die damals latinisches
Recht hatten, wie vielleicht die der Vocontier, ist principiell von
keinem Belang. Selbstverständlich ist da, wo ein grösserer District
genannt wird, die Peregrinität nur a poiiori zu verstehen; die Alen
und Cohorten der Gallier schliessen nicht aus, dass Lugudunum
römische Bürgercolonie war. Ebenso giebt dieser Satz strengen
Beweis nur für die Zeit der Einrichtung der betreffenden Truppe;
dass die Cohorte der Ubier noch im zweiten Jahrhundert bestanden
hat, wird für die Latinität der colonia Claudia Ära Ägrippina viel-
leicht nicht geltend gemacht werden dürfen; und ähnlich folgt aus
der ala Vocontiorum mit Sicherheit nur, dass die Vocontier zu
Augustus Zeit die römische Civität entbehrten.
Dagegen der letzte jener vier Sätze, dass die Heimathgemeinde
des einzelnen peregrinischen Soldaten als peregrinische Gemeinde
zu gelten hat, ist geeignet sehr ernstliche Bedenken zu erwecken.
"Wir stehen hier vor der befremdenden Thatsache, dass eine Reihe
von Städten, deren Colonierecht anderweitig feststeht und die zum
Theil in den betreffenden Inschriften selbst als Colonien bezeichnet
werden, zu peregrinischen Truppenkörpern zahlreiche unzweifelhaft
des römischen Bürgerrechts entbehrende Soldaten gestellt haben.
Es gilt dies zum Beispiel von den claudischen Städten Ära Ägrippina,
Celeia, Virunum, Savaria, von den traianischen Ulpia Traiana und
Sarmizegetusa, von den Colonien Augusta der Treverer und Aventicura
der Helvetier. Ich habe in meiner früheren Darlegung (in dieser
Zeitschrift 16, 458 f. [Ges. Sehr. 5, 402 f.]) die Frage in Bezug auf
die in Italien stationirten Peregrinencorps erörtert. Bei Erstreckung
dieser Untersuchung auf die Peregrinentruppen der Provinzen haben
die früher gefundenen Ergebnisse sich mir nur bestätigt. Indem ich im
Ganzen auf die frühere Darlegung verweise, fasse ich auf Grund des
70 erweiterten Fundaments die wesentlichen Puncte hier kurz zusammen.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 85
Betrachten wir, um an einem einzelnen Falle die Sachlage
deutlich zu machen, die relativ zahlreichen Steine der aus Trier und
Köln gebürtigen Soldaten. Beide Städte fallen unter die oben
bezeichnete Kategorie. Von den neun Inschriften gedienter Treverer,
die ich gefunden habe, fallt eine auf eine Legion, falls sie, was
zweifelhaft ist, in der That die Herkunft angiebt, sieben auf Auxilia,
einer auf die Kaiserreiter ^. — Von Köln dagegen besitzen wir
23 Inschriften dort gebürtiger Soldaten, von welchen 16 auf ver-
schiedene Legionen, je eine auf die coh. XIII urbana von Lyon und
die coh. XXVI voluntariorum civium Romanorum, eine auf die ala
Asturum, vier auf die equites singulares fallen. Es waren die Kölner
also vor den Trierern im Militärdienst bevorzugt, da hier die Legionen
und was diesen ungefähr gleich steht an die Stelle des Trierer
Cohortendienstes treten. Auch zu dem bevorzugten Dienst in der
Kaiserreiterei sind Kölner öfter gelangt als Trierer. Aber volles
Bürgerrecht muss dennoch der einen wie der andern Stadt abge-
sprochen werden, da die Aushebung für peregrinische Truppen-
theile in beiden stattfindet. Die Rechtsverschiedenheit, die zwischen
ihnen offenbar obwaltete, scheint vielmehr darin bestanden zu haben,
dass bei dem kaiserlichen Dilectus Köln als städtischer, Trier als
Gaubezirk behandelt und demnach dort mehr für die Legionen, hier
mehr für die Auxiha ausgehoben ward. Dem entsprechend finden
sich auf sämmtlichen Inschriften der Trierer als Heimathbezeichnung
die Treveri, ohne dass die Augusta Treverorum je in dieser Verbindung
genannt würde, während auf sämmtlichen Inschriften der Kölner als
Heimath Claudia Ära (Agrippina) genannt wird mit der einzigen 71
Ausnahme des unter den Auxiliaren dienenden Reiters, welcher sich
einen Ubier nennt 2.
1) Partus Mutii f. eques ala Agripiana natione Trever (Worms ; Brambach
893 [CLL. Xin, 6235 = Dessau 2503]). — L. lul. Apollinaris Trever eq. alae
Ai . . . (Lancaster; C. VH, 288). — Flavius Attius cives Trever eq. ala I Can-
n(inefatium) ; bei Wien; III, 439 IJ. — Albanius Vitalis eq. alae Indianae dvis
Trever (Köln; Brambach 307 [C. I. L. XIII, 8519]). — C. Julius Adari f. Primus
Trever eq. alae Noric. (Calcar; Brambach 187 [C. I. L. XIII, 8670 = Dessau 2523]).
— Silvanus Loupi f. Trever eq. ala Vocont. (UnteVgermanien ; Brambach 161 [C.
I. L. XIII, 8655]). — Sex. lulius Primi f. Primus Trevir ex equite coh. 1 Thracum
(Oberpannonien; D. XXXVI [C. I. L. III p. 879] vom J. 138). — [Au]r. .Paternus
eq. [sin]g. Aug. [nat] Trever (Rom; Eph. IV n. 930 [C. I. L. VI, 32799]) [vgl. jetzt
C. I. L. III S., 14349* und XIII, 1 p. 583]. — lustinius Mercator civis Trever vete-
ranus leg. XXX U. v. (Chälon-sur-Saone Mur. 1088, 5 [C. I. L. XIH, 2614]) kann
das Bürgerrecht in Trier bei oder nach der Mission erhalten haben, ist also viel-
leicht kein geborener Trierer.
2) Albanus Excingi f. eques ala Asturum natione übius. Chälon-sur-Saone,
§ö Die ConscriptionsordnuDg der römischen Kaiserzeit.
In den übrigen Provinzen lassen sich die Aushebungsverhältnisse
nicht so genau verfolgen wie in Germanien, weil hier die Scheidung
der Gaue und der Städte nicht so scharf durchgeführt und nicht
von so langer Dauer gewesen ist wie dort; die peregrinische Heimath-
angabe wird hier schon früh, zum Theil von jeher auf die Provinz
statt auf den Gau gestellt und welche Gemeinde bei natione Noricus
oder natione Pannonius gemeint ist, können wir nicht erkennen.
Indess dieselben Rechtsverhältnisse w^alten offenbar auch hier. Von
geborenen Norikern, die im Prätorium oder als Legionare gedient
haben, besitzen wir ganze Reihen; als Heimath wird fast ohne
Ausnahme die einzelne Stadtgemeinde aufgeführt, ohne dass Noricus
daneben oder dafür stände^. Aber andererseits giebt es zwölf
Inschriften von Norikern, die in Alen (2) und Gehörten (1) oder in
der Kaiserreiterei (9) gedient haben; von diesen bezeichnen sich
sieben als Norici schlechtweg, drei als Noriker mit Beisetzung der
Stadt, (Juvavum 1, Virunum 2), zwei blos nach der Stadtgemeinde
(Celeia, Virunum). Ohne Zweifel haben alle diese Individuen, auch
die, welche nur Noriker heissen, in einer der norischen Städte
Heimathrecht besessen. Ist es nicht auch hier evident, dass die
Verhältnisse im Salzburgischen und der Steiermark ähnlich lagen
wie in Köln, die Einwohner bei der Aushebung als Nichtbürger
behandelt wurden, aber bei entwickelter städtischer Organisation
mehr in den Legionen und in der Garde gedient haben als in den
peregrinischen Corps, und dass, wo correct geredet wird, jene sich
mit der domus, diese sich mit dem Aequivalent der civitas bezeichnen?
Die Form der Namen der in den Mchtbürgertruppen dienenden
72 Soldaten ist ungleich, je nachdem dieselben latinischen oder blos
peregrinischen Rechts sind; für jene wird der römische Name ohne
Tribus, für diese peregrinische Namensform gefordert^. Dem ent-
sprechend nennt die Mehrzahl der Auxiliarier sich peregrinisch ^ ;
von Hirschfeld gesehen; gedruckt bei Canat inscr. de Chalon p. 33 [C. I. L.
XIII, 2613 = Dessau 2509. — Vgl. C. I. L. XIII, 2 p. 505].
1) Eine Ausnahme machen zwei ohne Frage nachseverische Prätorianer-
inschriften VI, 2482: oriund(us) ex provineia Norica und VI, 2712: nat. Noricus;
•wobei zu beachten ist, was über das abusive Eindringen dieser Redeweise in
die Prätorianerinschriften S. 54 bemerkt ward. Die milites leg. VI victrieis cives
Itdlici et Norici der englischen Inschrift (C. VII, 1095) stehen natürlich nicht
entgegen. Ich hoffe nichts übersehen zu haben ; übrigens kommt, wie die Dinge
liegen, hier auf einen einzelnen Fall wenig, alles vielmehr auf den regelmässigen
Sprachgebrauch an,
2) Hermes 16, 465 [Ges. Sehr. 5, 409].
8) Wir kennen einige wenige Soldaten, die als Heimath eine Colouie nennen
und dennoch peregrinische Namensform zeigen. Zwei aus Apulum mit bei-
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit, 87
aber nicht wenige, darunter von den oben aufgeführten alle Noriker,
die Kölner bis auf den einen Auxiliarsoldaten (S. 85 A. 2) und die
meisten Trierer (S. 85 A. 1) zeigen das römische Gentilicium, wo-
gegen, abgesehen von den wenigen oben (S. 44 A. 1) aufgeführten
Ausnahmen, die Tribus allen fehlt.
Diese seltsame Discrepanz der Dienstform und des Colonialrechts
zeigt bei den sicheren Bürgercolonien sich nicht. Bürger einer solchen
sind mit einer einzigen auch sonst eigenthümlich gearteten Ausnahme ^
mir in den peregrinischen Corps nicht vorgekommen; Karthago,
Tarraco, Emerita, lader, Salonae, Berytus und die übrigen Stadt-
gemeinden dieser Kategorie sind, so weit wir überhaupt Steine dort
geborener Soldaten besitzen, obwohl in kaiserlichen Provinzen gelegen
und insofern zur Auxiliaraushebung geeignet, allein in der Garde
und in den Legionen vertreten. Bei der Zahl und der Bedeutung
dieser Städte wird auch der negativen Wahrnehmung Gewicht bei-
zulegen sein.
Dies etwa sind die Thatsachen, die uns hier entgegentreten.
Offenbar kommt hier ein eingreifender Rechtsunterschied zu Tage
derjenigen Gemeinden, deren Angehörige lediglich in der Legion 73
dienen, und derjenigen, welche Soldaten zu den Peregrinencorps
stellten, und zwar ein Rechtsunterschied, der die Colonien durchtheilt
und eine beträchtliche Zahl derselben in die zweite formell zurück-
gesetzte Klasse weist. Es muss neben den Colonien besseren Rechts
andere geringeren gegeben haben, die zum peregrinischen Dienst
herangezogen worden sind, während dies für jene nicht gilt. Eine
gesetztem colonia und einer aus Siscia sind S. 44 A. 3 angeführt, ebenso der
Ubier S. 85 A. 2. Unter den S. 84 A. 1 aufgezählten Treverern gehören zwei in
diese Reihe; dazu kommt aus Bath (C. VII, 36) Peregrinus Secundi f. civis Tre-
ver. Man kann diese Inschriften unmöglich alle in die Zeit setzen vor Grün^
düng der betreffenden Colonien, was zum Beispiel bei der britannischen Inschrift
sich von selbst verbietet. Vielleicht beruhen sie auf Ignorirung der Consequenzen
des latinischen Rechts. Es fehlt nicht ganz an gleichartigen Fällen bei Legio-
nären (S. 38 A. 1) und sogar bei Prätorianern (C. V, 361*, deren Echtheit jetzt
feststeht [s. Ephemer. 5 p. 246; Pais Supplem. Ital. 1 n. 611]; C. I. G. 6416 [I. G.
XIV, 1661]). Bei den aus einer Stadt latinischen Rechts für ein Peregrinen-
corps ausgehobenen Mannschaften kann diese Ignorirung am wenigsten befremden.
1) Es ist dies die S. 44 A. 1 angeführte Kölner Inschrift eines C. lulius C.
Galeria Baccus Luguduni mil. coh. I Thracum. Unter den möglichen Erklärungen
dürfte diejenige am wenigsten Schwierigkeit machen, dass der Mann das Bürger-
recht nebst der Tribus und der Heimath als Soldat erhalten hat (S. 75 A. 2>.
Man wird in diesen Fragen aber immer damit rechnen müssen, dass vereinzelte
Ausnahmen von sonst feststehenden Regeln unmöglich ausbleiben konnten und
also auch die Regel nicht umstossen. ,
§8 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
i
rechtliche Zurücksetzung war dies gewiss; ob eine materielle, ist
fraglich. Wenn der Bürger der Colonie zweiter Klasse, zum Beispiel
von Celeia, für das Prätorium und die Legion ebenso fähig war ^_
wie der Bürger der Colonie erster Klasse, zum Beispiel von Karthago, IH
für den peregrinischen Dienst aber nur jener, nicht dieser genommen ^
werden konnte, so mag die Berechtigung des Celeianers zum Dienst
in der Peregrinengarde der equites singulares seiner Verpflichtung
für den gemeinen Auxiliardienst wohl die Wage gehalten haben.
Praktische Nachtheile in anderer Beziehung kann das mangelnde
Yollbürgerrecht kaum nach sich gezogen haben, da jeder vermögende
und angesehene Bürger dieser Städte nach damaligen Verhältnissen
zum persönlichen Vollbürgerrecht gelangen konnte oder vielmehr
gelangen musste.
Welcher Art nun ist diese Rechtsverschiedenheit gewesen? Ich
habe in meiner früheren Darlegung keine andere Erklärung dafür
zu finden gewusst als die auf diesen Inschriften erscheinenden
Heimathgemeinden, so weit sie durch diese selbst oder anderweitig
als Colonien beglaubigt sind^, als Colonien latinischen Rechts auf-
zufassen 2; und durch die jetzt angestellte umfassende Untersuchung
über die militärischen Heimathangaben hat sich mir diese Vermuthung
74 nur noch weiter als wahrscheinlich erwiesen^. Allerdings ist es mir
nicht gelungen, für diese Ausführung die Zustimmung desjenigen
1) Ich habe nicht, wie Hirschfeld meint, jede Stadt, aus der equites sin-
gulares oder dassiarii stammen, für eine latinische Colonie erklärt, sondern nur
für eine Stadt peregrinischen oder latinischen Rechts ; für die letztere Qualität
bedarf es immer noch eines besonderen Beweises.
2) Das ius Italicum kann unmöglich hier herangezogen werden. Weder
stimmt das Verzeichniss der mit diesem Vorrecht ausgestatteten Städte zu den
nach unseren Ermittelungen als bevorrechtet erscheinenden Colonien, noch
erscheint es irgend begreiflich , wie aus einer colonia civium Bomanorum , der
das ius Italicum gefehlt hat, des römischen Bürgerrechtes ermangelnde Soldaten
haben hervorgehen können.
3) Wenigstens Erwähnung verdient noch, einmal, dass auch die stadt-
römischen vigiles zunächst als Latiner dienten, das heisst also bei ihrem Eintritt
in die Truppe, wenn sie Peregrinen waren, die Latinität empfingen (UlpianS, 5);
ferner die cohors II Tungrorum miliaria eq(uitata) c(ivium) L(atinorum) der In-
schriften vom Hadrianswall (VII, 879 [Dessau 2554]. 880. 882) — denn diese von den
englischen Gelehrten vorgeschlagene Auflösung der sonst nicht begegnenden Ini-
tialen halte ich mit Hübner für unabweisbar. Sie zeigt wenigstens, dass noch im
dritten Jahrhundert — die Zeugnisse sind gewiss alle erst aus dieser Zeit und die
Benennung selbst auch wohl nicht viel älter — einzelnen Truppen wie so oft die
römische Civität, so auch die Latinität als persönliche Auszeichnung gegeben
worden ist. Für die Rechtsstellung der civitas Tungrorum folgt daraus natürlich
die Peregrinität.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 89
Forschers zu finden, auf die ich am meisten hoffte. Otto Hirschfeld
hat in seinen kürzlich erschienenen 'gallischen Studien' sich meiner
Auffassung wohl in soweit angeschlossen, als es sich um die persön-
liche Rechtsstellung der in den peregrinischen Corps dienenden Leute
handelt^; den Rückschluss aber davon auf das Recht der Heimath-
gemeinde weist er ab.
Aber mit dem kleinen Mittel, dass einzelne Colonien gewisse
Dependenzen geringeren Rechts gehabt haben mögen, so wie die
latinischen Camunner eine Zeitlang von der Bürgercolonie Brixia
abgehangen haben, kommt man diesem umfassenden Thatbestand
gegenüber nicht aus. Abgesehen von dem Bedenken, dass von der-
gleichen Gemeinden jede Spur mangelt und sie lediglich als Noth-
helfer für unsere Forschung zur Existenz gelangen, ist es sehr
unwahrscheinlich, dass der Bürger der abhängigen Gemeinde sich
civis Trever genannt hat, und ganz unmöglich verhältnissmässig so
zahlreiche Zeugnisse von der Hauptgemeinde ab auf eine kleinere
dafür erdachte abzuwälzen^. Aber gesetzt es wäre möglich; gesetzt 75
die Gemeinde der Helvetier hätte aus zwei Kategorien bestanden,
den Stadtbürgern von Aventicum römischen Bürgerrechts und den
Helvetiern der viel latinischen oder peregrinischen ; gesetzt man Hesse
es sich gefallen, dass beide Kategorien dennoch als cives Helvetii
zusammengefasst werden könnten; ist damit etwas anderes gewonnen
als dass durch eine schlechthin zeugniss- und bodenlose Combination
im Ergebniss wesentlich dasselbe erlangt wird, was das wohl bezeugte
und rechtlich fundirte Institut der latinischen Colonie auch gewährt?
1) 'Es werden', sagt Hirschfeld S. 59, 'die in diese Corps' (die Flotte und
Idie eq. sing.), 'eingereihten Soldaten ausschliesslich aus Gemeinden peregrinischen
j 'Rechts ausgehoben sein und in der Regel erst beim Eintritt in den Dienst eine
''der latinischen ähnliche, wenn auch nicht identische Rechtsstellung erhalten
'haben'. Das ist im Wesentlichen meine Ansicht, nur dass Hirschfeld die Zu-
lässigkeit derartiger Aushebung aus einer latinischen Gemeinde bestreitet, wofür
lieh den Grund nicht einsehe, und für das latinische Recht ein dem latinischeu
ähnliches substituirt, welches ich nicht kenne und mit unserer juristischen
üeberlieferung, welche nur cives, Latini und peregrini kennt, nicht in Einklang
'M bringen vermag.
2) Ich habe dieses Auswegs früher gedacht (16, 475 [Ges. Sehr. 5, 419]),
iber ihn abgewiesen, weil seine Unzulänglichkeit gegenüber der Masse der
nstanzen schon damals deutlich vorlag. Hirschfeld (gall. Studien S. 58) hat ihn
Moder aufgenommen, ohne ihn besser zu fundiren. Auch für die Rauriker, wo
«h eine solche Erklärung wenigstens als möglich hingestellt hatte (16, 482
U es. Sehr. 5, 425]), kann sie schwerlich gelten; diese Colonie des Plancus muss
volil neben der civitas der Rauriker gestanden haben wie die colonia Equestris
eben der civitas der Helvetier.
90 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
Denn dieses bestand ja dem Wesen nach darin, dass die Decurionen-
familien auf Grund personalen Privilegs als römische Yollbürger, die
Plebejer nach latinischem Recht lebten. Suchen wir nicht mit
solchen Hypothesen in der That nach dem, was wir bereits in der
Hand haben?
Noch einen anderen "Weg hat Hirschfeld eingeschlagen, um den
früher dargelegten Zeugnissen Gewicht zu nehmen: er versucht die
rechtlichen Heimathangaben der Militärinschriften zu factischen Be-
zeichnungen des Geburtsortes zu degradiren. Es ist ganz richtig,
was Hirschfeld sagt, dass es 'in jeder Colonie zahlreiche Einwohner
'gab, die nicht als Vollbürger der Gemeinde angehörten, die aber
'trotzdem mit gutem Recht als ihren Geburtsort diese Stadt 'nennen
'durften' ; ein Peregrine, der in Sirmium als incola lebte, konnte dort
Kinder peregrinischen Rechtes zeugen und diese mit Recht sich
bezeichnen als geboren in Sirmium. Aber kann ein solches Kind
genannt werden natione Pannonms, domu Flavia Sirmio, wie es bei-
spielsweise auf einem der fraglichen Steine (VI, 3184) lautet? Ich
meine oben (S. 54) genauer gezeigt zu haben, was dies heisst und
wie die natio hieher gekommen ist. Aber mag man immer in diese
auch in den Militärinschriften den Sinn hineinlegen, der ihr auf den
Sclaveninschriften sicher zukommt, das heisst den der rein thatsäch-
lichen Bezeichnung der Herkunft; wo die domus steht oder über-
haupt die Stadtgemeinde gesetzt ist, da ist ausser allem Zweifel
nicht der ganz gleichgültige Geburtsort gemeint^, sondern die origo
1) Die Angabe des Geburtsorts ist auf Inschriften fast so selten wie die
des Sterbeorts. Sichere Fälle geben die Inschrift aus Rom VI, 3297: ex Pari'
(nonia) sup(eriore) natus ad aquas Balisas pago lovista vic(o) Coc . . netibus; die
von Trier Brambach 787 [C. I. L. XIII, 3684]: genitus in Asia Trallis, defunctus
Aug(ustae) Tr(everorum) — wohl die einzige übrigens, auf der der Stadtname von
Trier begegnet [s. jedoch C. I. L. XIII, 1 p. 583] — ; die von Capua X, 4430: na[tus
.... mö]ritur Capuae; wahrscheinlich auch die oben S. 54 A, 1 angeführte eines
natus in Panonia inferiore, domo Briget[i\one at legion€(m) prima(m) at[i]utri(cem),
wo übrigens recht handgreiflich hervortritt, wie unerlaubt es ist auf den Inschriften
dieser Art die domus anders als vom Heimathort zu verstehen. Dazu kommen
vielleicht noch Fälle wie VI, 3290: natus in Ger(mania) sup(eriore) und VI, 3266:
nat(us) ex Pann. imf.; wahrscheinlich aber ist auch hier die origo gemeint und
nur wegen der Schwierigkeit dabei Ober- und Unterpannonien zu scheiden ein
ungeschickter Ausdruck für das gewählt, was anderswo sachlich und sprachlich
correct bezeichnet wird mit oriund(us) ex pronn(cia) Pann(onia) imf(eriwe) (S. 48
A. 3) oder sprachlich schlecht, aber sachlich richtig mit natione Pannoniae
superiore C(laudis) Savaris vico Voleucinis (VI, 3300, hier nach Hirschfelds richtiger
Lösung der Abkürzung) oder n. Pannonia sup. (VI, 2521). Auch hier zeigt sich
wieder auf das Deutlichste, dass im Ganzen genommen alle diese Angaben
nicht den Geburtsort, sondern die origo betreffen.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 9i
der Juristen, die zur Rechtsstellung der Person und demnach zum 76
vollen Namen wesentlich mit gehört. Wie kann man vergessen, dass
oft sogar oriundus in dieser Verbindung steht (S. 55 A. 1), das doch
geradezu auf die oriyo hinweist, oder die ausdrückliche Angabe, dasg
in den Militärinschriften die nomina cum trihubus et patriis ^ ver-
zeichnet werden? Die domus steht auf Sclaveninschriften nie, und
wenn domo Brixia den Legionär zweifellos als einen der cives
Brixiani bezeichnet, wie kann man da, wo eine solche domus als
Heimath unbequem erscheint, sie kurzweg als Geburtsort bei Seite
schieben? Und gelten die zahlreichen Stadtangaben dieser Art
sämmtlich Peregrinen, die zufällig in Vollbürgergemeinden zur Welt
gekommen sind, welcher sonderbarste aller Zufälle hat es herbei-r
geführt, dass bei diesen zufälligen Geburten alle italischen Städte,
alle Städte älteren und zweifellos vollen Colonialrechts sorgfältig
vermieden worden sind und die betreffenden Personen ohne irgend
eine Ausnahme sich Städte entweder peregrinischen Eechts oder
seiner Art nach unbestimmten Colonialrechts ausgesucht haben, um
dort geboren zu werden?
Dass diese Annahme, insonderheit die Auffassung jener zahl-
reichen und wichtigen unbestritten zu Colonialrecht gelangten Städte
als Colonien latinischen Rechtes zwar Schwierigkeiten hebt, aber
nicht minder andere erzeugt, habe ich seiner Zeit hervorgehoben,
ohne damals im Einzelnen auf diese Bedenken weiter eingehen zu 77
wollen. Hirschfeld hat jetzt (gall. Studien S. 51 f.) die wesentlichsten
derselben zusammengestellt; es ist mir dies eine erwünschte Gelegen-
heit, meine frühere Ausführung zu ergänzen.
Dass Plinius in seiner Chorographie die coloniae als Gegensatz
zu den Städten latinischen Rechts behandelt und durchgängig unter
jenen die coloniae civium Romanorum versteht, ist unbestritten, aber
auch mit jener Darlegung insofern nicht im Widerspruch, als die
Quellen dieser Chorographie die latinischen Colonien durchgängig
|nach dem älteren Sprachgebrauch nur als Städte latinischen Rechts
behandeln, wie dies zum Beispiel bei Nemausus zweifellos geschieht.
Die Colonien bei Plinius sind also durchgängig die coloniae civium
llomanorum. Demnach hätte er freilich zum Beispiel bei Pannonieij
(3, 25, 148) nicht so ohne weiteres Emona und Siscia als Colonien
zusammenstellen sollen, wenn allein die erstere das römische Bürger-
echt gehabt hat; aber es ist begreiflich, dass er es dennoch gethan
lat. Flavia Siscia erhielt Colonialrecht erst durch Vespasian; die
1) C. VI, 793 [Dessau 505].
92 Die Conscriptionsordüung der römischen Kaiserzeit.
Notiz darüber ist also Nachtrag des Plinius, ohne Zweifel aus eigener
Kunde ; dass Plinius die Rechtsungleichheit der beiden coloniae nicht
hervorgehoben hat, ist eben eine jener Nachlässigkeiten, wie sie bei
dem Zusammentragen aus verschiedenen Quellen ihm nur zu oft in
viel schlimmerer Weise begegnet sind.
Aehnlich verhält es sich mit einer anderen Notiz desselben
Schriftstellers, die Mauretanien betrifft (5, 2, 20): Caesarea a divo
Claudio coloniae iure donata eiusdem iussu deductis veteranis Oppidum
Novum et Latio dato Tipasa, itemque a Vespasiano imp. eodem munere
donatum Icosium, colonia Äugusti Rusguniae, Husuciirium civitate
honoratum a Claudio. Caesarea gehört zu den in Frage stehenden
Golonien; ob auch Rusguniae, ist fraglich. Aber mag dies auch
nicht der Fall sein; wenn Plinius die eine Stadt eine claudische, die
andere eine augustische Colonie nennt, so können sie darum immer
noch Colonien verschiedenen Rechts gewesen sein; und wenn er
colonia und Latium hier in Gegensatz bringt, so hindert dies nicht,
unter jener eine latinische zu verstehen, so wenig wie der Gegensatz
von colonia und civitas hindert jene als Bürgercolonie zu betrachten.
Das Latium kann auf das tnunicipium iuris Latini bezogen werden.
Ueberhaupt aber ist nichts gefährlicher als einen Schriftsteller vom
Schlage des Plinius so zu interpretiren, wie wenn Caesar die Worte
geschrieben hätte.
78 Auf das Entschiedenste soll gegen meine Hypothese sprechen,
dass Tacitus (ann. 12, 27) in Beziehung auf die Gründung von Köln
die Wendung braucht veteranos coloniamque deduci. Warum? Diese
Veteranen waren freilich römische Bürger; und gewiss sind noch
zahlreiche andere jener Colonien aus Yeteranen gebildet oder diese
doch bei deren Gründung wenigstens stark betheiligt worden. Aber
können diese Veteranen darum nicht in eine latinische Colonie
deducirt sein? Bei denjenigen des älteren Rechts wurden Römer
nur zugelassen, wenn sie ihr Bürgerrecht aufgaben; vielleicht galt
diese Regel auch später noch, und was die Veteranen damit auf-
gaben, war durch andere handgreiflichere Beneficien leicht zu
ersetzen. Es kann aber auch diese Gemeinde latinisches Recht
erhalten haben und doch den Veteranen, die ihren Stamm bildeten,
ihr volles Bürgerrecht geblieben sein; dies wäre nicht auffallender
als die auxilia civium Romanorum peregrinischen Rechts, welche
zur Zeit der Beilegung dieses Titels für die gesammte Mannschaft
personales Vollbürgerrecht empfingen und in welche dennoch nur
Peregrinen aufgenommen wurden. Dass die Colonie nicht aus-
schliesslich, ja nicht einmal vorwiegend aus Veteranen bestand.
I
Die Conscriptionsordnung der römischen Eaiserzeit. 93
sondern die bisherigen Einwohner blieben, geht aus den Berichten^
auf das Deutlichste hervor.
Mehrere der fraglichen Colonien, zum Beispiel Agrippina und
Sarmizegetusa, haben im dritten Jahrhundert italisches Eecht gehabt;
aber worauf beruht es, dass diese Städte 'ohne Zweifel bereits vor-
her römische Bürgercolonien gewesen sind*? Um das auszusprechen,
müsste man doch erst wissen, was das italische Recht gewesen ist,
und das ist nicht der Fall. Bezog sich dasselbe, wie es scheint,
auf privatrechtliche Gleichstellung des betreffenden Territoriums mit
dem sohim Italicum, so wäre dafür das volle Bürgerrecht keines-
wegs die nothwendige Voraussetzung, da privatrechtlich zwischen
dem civis Romanus und Latinus längst volle Gleichheit gilt und
die Beilegung besseren Bodenrechts auch der Halbbürgergemeinde
gewährt werden konnte.
Dass 'wohlbegründete Bedenken' gegen jene Auffassung sich
erheben lassen, habe ich anerkannt, schon als ich sie vorbrachte;
hier ist der Versuch gemacht, ohne zu verschweigen oder zu ver-
tuschen, sie nach Hirschfelds Ausführungen zu erörtern, und wie ich
hoffe, sie zu beseitigen. Meiner Ansicht nach ist ein zwingendes 79
Argument gegen meine Auffassung darin nicht enthalten, und die
für diese sprechenden Gründe werden dadurch nicht erschüttert.
Dass die Rechtskategorie der Latiner und auch die der lati-
nischen Colonien bis in die spätere Kaiserzeit hinein fortbestanden
hat, bedarf des Erweises nicht; es genügt in dieser Hinsicht an die
unbestritten latinische colonia Augiista Nemausus der Münzen und
der Inschriften zu erinnern. "Warum sollen Köln und Trier nicht
gleichen Rechts gewesen sein wie Nimes? Dabei kommt noch für
die Kaiserprovinzen eine praktisch wichtige Erwägung in Betracht.
In denen des Senats, wo nur für die Legion ausgehoben werden
konnte, war es allerdings für die Regierung insoweit gleichgültig,
ob die Gemeinde Bürger- oder latinisches Recht hatte; sie hatte
nur etwa ein Interesse daran die nicht städtischen Gemeinden als
städtische zu gestalten oder doch zu behandeln (S. 80). Aber in
der Kaiserprovinz durfte die Bürgercolonie bei dem Dilectus nur für
die Legion herangezogen werden, der Gau von Rechtswegen nur
für die Auxilia, die Colonie latinischen Rechts je nach dem Belieben
der Regierung für die Legion wie für die Auxilia. Der Satiriker
spottet, dass Kaiser Claudius beschlossen gehabt habe die Toga allen
Griechen, Spaniern, Galliern und Britannern zu verleihen, und denkt
1) Tacitus bist. 4, 28. Germ. 28.
94 Die Conseriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
dabei ohne Zweifel in erster Reihe an die Umwandlung des Gaus
der Ubier und wohl auch derjenigen der Treverer sowie des ganzen
Noricum und des westlichen Pannonien in claudische Colonien. Aber
die Toga trägt von Rechtswegen auch der Latiner; und schwerlich
hat der wunderliche Kaiser vergessen, was Germanien und Noricum
im Dilectus bedeutete. Nicht etwa wegen antiquarischer Lieb-
habereien hat er hier überall latinisches Stadtrecht eingeführt, son-
dern darum, weil dieses der Regierung für den Dilectus durchaus
freie Hand gab und es damit möglich ward diese Districte für die
Legionen und die Garde heranzuziehen, während es zugleich zulässig
blieb die Auxilia von dort zu recrutiren.
210 V. Die Standquartiere der Auxilien im Yerhältniss
zu ihrer Heimath.
Wenn aus dem der Auxiliartruppe bei ihrer Constituirung bei-
gelegten Ethnikum mit Sicherheit geschlossen werden darf, dass sie
in dem durch den Namen bezeichneten Gebiet gebildet worden ist,
also die dla p~ima Thracum, die cohors prima Hispanorum an-
fänglich ausschliesslich oder mindestens überwiegend aus Thrakern
und Spaniern bestanden hat, so folgt daraus zunächst noch nichts
weder für die weitere Rekrutirung noch für das ursprüngliche Stand-
quartier.
Man trennt sich schwer von der Vorstellung, dass die in solcher
Weise benannte Truppe wenigstens längere Zeit in ihrer Zusammen-
setzung ihrem Namen entsprochen habe. In der That kann man
dafür geltend machen, dass es seltsam gewesen wäre einer stehenden
Truppe, die nur bei ihrer Einrichtung aus Thrakern zusammengesetzt
war, nicht aber bleibend aus solchen zusammengesetzt werden sollte,
den Thrakernamen beizulegen; und es soll dieser Erwägung ihr
Gewicht nicht abgesprochen werden. Aber dass die römische
Regierung militärische oder politische Gründe dafür gehabt hat in
den Auxilien die Völkerschaften der Regel nach geschlossen zu-
sammenzuhalten, ist sehr zweifelhaft. Die nationale Geschlossenheit
der einzelnen Truppe kann ihr vielmehr in zahlreichen Fällen gleich-
gültig gewesen, in manchen unbequem und bedenklich erschienen
sein. Die Zeugnisse, die uns für die Heimath der einzelnen Auxiliar-
soldaten vorliegen^, zeigen wohl bei einzelnen Truppen, namentlich
den Dalmatinern und den Syrern, eine der ursprünglichen Heimath
entsprechende Rekrutirung, welche hier auch aus militärischen
1) Eph. epigr. V p. 235 f. sind dieselben zusammengestellt.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 95
Oründen sich leicht erklärt (S. 58), im Allgemeinen aber, obwohl 211
für keine einzige Truppe Zeugnisse in genügender Anzahl vorliegen,
um vollen Beweis zu geben, eher das Gegentheil. Um nicht auf
Orund verkehrter Prämissen in die Irre zu gehen, wird man die
fraglichen Benennungen nur für die Entstehungszeit einer jeden
Truppe als vollgültig beweisend ansehen dürfen. Nur so lange eine
Truppe nachweislich in ihrer Heimath oder auch in einem benach-
barten neu eroberten Gebiet verwendet wird, wird gleichartige
Kekrutirung unbedenklich angenommen werden können. Die acht
batavischen Cohorten, die ohne Zweifel in dem Jahr der Eroberung
Britanniens 43 n. Chr. mit ihrer Legion nach der Insel gegangen
waren, bestanden noch im J. 68 wesentlich aus Batavern; also hat
man dieser hervorragenden Truppe auch nach der Verlegung aus
Oermanien entsprechende Rekruten zugeführt und am wenigsten in
•dieselbe die unterworfenen Britten eingestellt.
Aehnlich verhält es sich mit dem Standquartier. Man pflegt
anzunehmen, dass dasselbe ursprünglich dem Aushebungsbezirk an-
nähernd entspricht; und allerdings sind mancherlei Erwägungen
■dieser Annahme günstig. Rechtlich ruht die Auxiliaraushebung auf
der Befugniss des Statthalters die Waffenfähigen seiner Provinz zum
Dienst einzuberufen; konnte auch dem Kaiser das Recht nicht
bestritten werden, da er die Statthaltergewalt zugleich am Rhein
und am Euphrat übte, die Bataver hier und die Syrer dort hin zu
legen, so lief eine derartige Verlegung doch dem regelmässigen Gang
der Verwaltung entgegen. Oekonomische wie sanitäre Rücksichten
empfahlen die Verwendung des Soldaten in seiner Heimath; und
auch militärisch und administrativ musste es Schwierigkeit haben
einer Tnippe Cantonnements zuzuweisen, wo Landessprache und
Landessitte dem einzelnen Soldaten fremd war. Vermuthlich traf
•dies die Auxilien noch mehr als die Legionen; diese, überwiegend
in den Hauptlagern zusammengehalten, mochten als grössere Massen
mit zahlreichen Offizieren und beträchtlichem Tross sich auch im
fremden Land einigermassen selbst genügen, während die grossen-
theils für die kleineren Lager verwendeten Alen und Gehörten^
mehr auf Verkehr mit den Umwohnern angewiesen waren. — Aber
diese Erwägungen wurden durch entgegenstehende gekreuzt und für
den einzelnen Fall oftmals beseitigt. Diejenigen kaiserlichen Pro- 212
vinzen, welche keine oder geringe Besatzung hatten, zum Beispiel
\(|uitanien, die Lugdunensis, späterhin Dalmatien, gaben selbst-
1) Dies tritt oft hervor, sehr deutlich bei Tacitus ann. 14, 38.
96 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
verständlich ihre Auxilien anderswohin ab. Dass die Bogenschützen
für die ganze Armee von dem Osten, besonders von Syrien gestellt
wurden, hat mehrere Corps von dort nach dem Westen geführt
(S. 58). In denjenigen Provinzen, welche in der Kaiserzeit mit den
Waffen unterworfen wurden und dann Besatzung erhielten, wie Bri-
tannien, Judaea, Dacien, lag es am nächsten denjenigen Legionen,
welche in dem unterworfenen Gebiet zu garnisoniren bestimmt wurden,
ihre bisherigen Auxilien zu belassen. Vor allem entscheidend aber
sind die politischen Rücksichten. Völkerschaften, die erst kürzlich
unterworfen waren oder denen man sonst nicht traute, wird man
nicht mit den bei ihnen ausgehobenen Truppen belegt haben; wie
denn die bei den Usipern am rechten Rheinufer im J. 82 ausgehobene
Gehörte sogleich nach Britannien gesandt ward ^. Alles erwogen muss
man darauf verzichten hier nach einer allgemeinen und dauernden
Ordnung auch nur zu suchen. Anderntheils aber liegt es auf der
Hand, dass die ursprüngliche Dislocation der einzelnen Auxilien von
geschichtlichem Interesse und es für die Behandlung der einzelnen
Provinz durch die römische Regierung von Wichtigkeit ist festzu-
stellen, bis zu welchem Grade ihre Auxilien in ihr selbst Verwendung
gefunden haben. Diese Ermittelung, welche in den kürzlich vor-
gelegten Untersuchungen über die Conscriptionsordnung der Kaiser-
zeit blos gestreift worden ist (S. 37 A. 2), ist freilich bei der
Beschaffenheit unseres Materials nur in beschränktem Umfang durch-
führbar. Wo specielle Kriegsberichte aus der früheren Kaiserzeit
sich erhalten haben, wie für die Kämpfe am Rhein im Vierkaiserjahr
und für den jüdischen Krieg unter Nero und Vespasian, geben diese
der Untersuchung einigen Anhalt; aber solcher Erzählungen haben
wir wenig genug. Auch das für dieselbe brauchbare inschriftliche
Material ist spärlicher als zu wünschen wäre. Da nach dem früher
Bemerkten nur dieVergleichung des ältesten bekannten Standquartiers
mit dem Heimathbezirk der Truppe in Betracht kommt, so sind die
Zeugnisse aus der Zeit nach dem ersten Jahrhundert von geringem
Gewicht; denn bei den vielfachen Verlegungen der Legionen mit
den Auxilien zugleich so wie dieser allein wird der Schluss auf
213 das ursprüngliche Standquartier mit dem Absteigen der Zeit immer
unsicherer und späterhin fast unzulässig. Aus älterer Zeit aber sind
der Militärdiplome, die allein eine gewisse Uebersicht der provinzialen
Auxilien gewähren, nur allzu wenig — aus der julisch-claudischen
Epoche haben wir vollständig nur ein einziges dieser Kategorie.
1) Tacitus Agric. 28. Vgl. oben S. 59.
d
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 97
Die sonstigen hieher gehörigen inschriftlichen Zeugnisse liegen jetzt
wenigstens gesammelt vor^. Die vollständige Sichtung derselben,
die noch aussteht, wird vielleicht weitere Beobachtungen ergeben;
was ich bis jetzt gefunden, theile ich hier mit nach der Marquardt-
schen Reihenfolge der Provinzen. Die inermes fallen selbstverständlich
alle aus und auch sonst manche, über die ich nichts Bemerkenswerthes
vorzubringen habe, wie insbesondere Lusitanien, die Tarraconensis,
Noricum, Syrien, Africa, beide Mauretanien, für welche alle bis jetzt
Militärdiplome mit Aufzählung der Auxilien fehlen.*) "Wo die Belege
in der eben angeführten Zusammenstellung enthalten sind, sind die
Citate in dieser Uebersicht weggelassen.
Sardinien nebst Corsica hat überwiegend einheimische Be-
satzung gehabt: in den J. 88 und 96 finden wir dort die beiden
Gehörten / gemina Sardorum et Corsorum und // gemina Ligurum
et Corsorum, und diese dürften schon von Augustus Zeit an dort
gestanden haben. Es entspricht dies den Verhältnissen der seit Jahr-
hunderten an die römische Herrschaft gewöhnten Provinz.
Die beiden Germanien müssen in der julisch-claudischen
Epoche vorwiegend einheimische Auxilien gehabt haben. Acht von
den neun batavischen Cohorten werden, da sie der 14. Legion zu-
geordnet waren, mit dieser aus Obergermanien nach Britannien
gekommen sein, wo wir am Ende der Regierung Neros sie finden;
lur die neunte hatte in späterer Zeit gewiss und vielleicht seit
^ugustus ihr Standquartier in Raetien in dem noch heute davon den
*^amen führenden Passau.**) Die batavische Reiterei stand bei Neros
Cod sogar in Untergermanien selbst und ebendaselbst wenigstens
mter Tiberius das Contingent der Canninefaten^. Dasselbe ergeben 214
ufiillige Erwähnungen bei Tacitus für die Contingente der ger-
uinischen oder halbgermanischen Nemeter, Nervier, Sugambrer,
»unuker, Treverer^, Tungrer, Ubier und Yangionen. Freilich er-
1) Gemeint ist die Zusammenstellung der Zeugnisse für die einzelnen Alen
nd Cohorten Eph. epigr. V p. 159 f.
*) [Für Noricum s. jetzt D. CIV (C. I. L. III p. 2328«^, für Syrien D. CIX.
X (CLL. III p. 2328'«-''). für Mauretania Caesariensis D. XXXVI (CLL.
I p. 1973).]
**) [S. jedoch jetzt C I. L.III, 11918 und Fabricius, Kastell Weissenburg
bergerm.-raet. Limes Lief. 26) S. 25.]
2) Tacitus ann. 4, 73 : (L. Apronitis inferioris Germaniae pro praetore) alam
nininefatem et quod peditum Germanoruni inter nostros merebat circumgredi
'■ija hosftium iubet. Auch die zu Fuss dienenden Canninefaten finden wir in
n-manien (Tacitus hist. 4, 19).
3) Dass die bei den Treverern ausgehobene Ala im J. 21 unter dem Befehl
MOMMSEN, SCHR. VI. 7
98 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiaerzeit.
scheinen in den germanischen Heeren auch raetische, gaUische,
britannische, lusitanische , vasconische Cohorten^; selbstverständlich
konnten die Auxilien des mächtigen Doppelheeres am Rhein nicht
ausschliesslich einheimische sein, namentlich nachdem in Folge der
britannischen Expedition ein ansehnlicher Theil der germanischen
Truppen nach der Insel gegangen und mit der dafür aus Spanien
herangezogenen IV Macedonica ohne Zweifel auch deren Auxilien
nach Germanien gekommen waren. Dennoch aber ist das massen-
hafte Auftreten der germanischen Auxilien in den germanischen
Heeren der früheren Kaiserzeit eine im hohen Grrade bemerkens-
werthe Thatsache, gewissermassen eine Fortsetzung der auffallenden
Bevorzugung und des unbedingten Verti'auens , womit Augustus die
reichsunterthänigen Germanen behandelte und worin auch die Varus-
schlacht keine Aenderung hervorgerufen hat, wie sie denn bei diesen
Germanen ohne erkennbare Wirkung geblieben ist: die relative
Stärke der Aushebung und die Verwendung der ausgehobenen Mann-
schaften zur Hut des Rheinstroms gehören augenscheinlich zu-
sammen. — Aber der Bataveraufstand des Civilis führte zu einem
völlig veränderten System. Wenn für die ältere Zeit die Schriftsteller
reden und die Steine schweigen, so tritt hier das umgekehrte Ver-
hältniss ein. Ich habe anderwärts (S. 58. 64) darauf hingewiesen,
dass mehrere der hauptsächlich bei dem Aufstand betheiligten
Truppen damals aufgelöst zu sein scheinen, namentlich batavische
und treverische, und dass vielleicht überhaupt die örtliche Rekrutirung
damals beseitigt oder beschränkt worden ist. Hinzuzusetzen bleibt, dass
in den späteren germanischen Heeren die germanischen Contingente
so gut wie verschwunden sind ; wenigstens nennen die das obergermani-
sche Heer angehenden Diplome aus den J. 74. 82 [90]. 116 [134]
215 nur die ala I Canninefatium*) und die cohors I Germanorum neben
einer langen Reihe aquitanischer, spanischer, raetischer und anderer
Auxilien. Auch im untergermanischen Heer, von welchem wir kein
Diplom besitzen,**) ist unter den einzeln auftretenden keine einzige
eines Treverers, des Julius Indus, stand (Tacitus ann. 3, 42. 46) legt die Frage
nahe, ob die germanischen Auxilien nicht auch häufig von Offizieren derselben
Herkunft geführt worden sind.
1) Tacitus ann. 2, 17 (zum J. 16) : Raetorum Vindelicorumque et Gallicae
cohortes. hist. 1, 70: praemissis Gallorum Lusitanorumque et Britannarum cdhorti-
bus. 4, 33 : Vasconu7n Uctae a Galba cohwtes.
*) [Diese spätestens seit dem J, 116 (D. CV, C. I. L. III p. 2828«') in Ober-
pannonien.j
**) ['Jetzt außer einem Fragment (C. I. L. III p. 1967 n. XXV) ein vollständig
erhaltenes vom J. 78, gef. in der Umgebung von Mainz: Altert, uns. heidn.
Vorzeit V S. 181 ff. m. Tafel 33; Westd. Korrbl.XXV (1906) Sp.20ff.' BANG.]
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 99
Truppe germanischen Namens. Also ist die Annahme wohl gerecht-
fertigt, dass Vespasian die bis dahin in oder nicht weit von ihrer
Heimath stationirten und aus der Heimath rekrutirten germanischen
Auxilien nach der Niederwerfung des grossen Auxilienaufstandes ent-
weder auflöste oder verlegte.
In der kleinen Provinz der Seealpen wird die auch inschrift-
lich daselbst mehrfach bezeugte cohors I Ligurum in der Schilderung
der Vorgänge des J. 68 vetiis loci auxiliiim genannt \ ist also ohne
Zweifel aus örtlicher Aushebung hervorgegangen und daselbst in
Station verblieben. Auch die cohors nautarum^ welche ebenfalls hier
lag, dürfte an dieser Küste ausgehoben sein^.
In Britannien ist nie eine der dort zahlreich gebildeten Alen
und Gehörten stationirt worden^; eine schwer wiegende Thatsache
für die Geschichte dieser Provinz.
In Raetien haben von den acht dort ausgehobenen Gehörten
nach den Diplomen der J. 107. 166 die beiden ersten damals zum
raetischen Heer gehört und wahrscheinlich von Haus aus in ihrer n
Heimath gestanden*. Die übrigen Gehörten haben dagegen wohl
niemals daselbst gelagert : die vierte stand späterhin wenigstens in
Kappadokien, die sechste und siebente in der flavischen Epoche in 216
Obergermanien, die achte gleichzeitig in Pannonien; für die dritte
und fünfte fehlen uns Zeugnisse. Auch an sich ist es angemessen
dass in die erst unter Augustus unterworfene Provinz nicht mehr als
jene zwei Gehörten der einheimischen Aushebung gelegt worden sind.
1) Tacitus bist. 2, 14. C. V p. 903. 2) C. V p. 903.
3) Die Ziegel mit [co]h. I Br. (VII, 1229), c. III Br. (das. 1230), coh. IUI
Bre (das. 1231) und die Inschriften eines PRAE C / III LV BRIT / (das. 177) und
eines actar[ius] coh. IUI Br . . . (das. 458) sind sämmtlich unsicherer Deutung
und mit Ausnahme der letzten auch unsicherer Lesung (Hübner in dieser Zeit-
schrift 16, 565). Keines der Diplome des britannischen Heeres und ebenso wenig
das Verzeichniss der britannischen Truppen in der Not. Dign. erwähnt britannische
Auxilien. Dass diese nicht in Britannien dienen sagt auch der Redner bei
Tacitus Agr. 31.
4) Allerdings finden wir eine cohors II Raetorum auch in dem ober-
germanischen Heer sowohl in zahlreichen Inschriften, besonders von der Saalburg
und aus der Umgegend, wie auch in den Diplomen der J. 82. [90]. 116 [und 1341.
Ob dies dieselbe mehrfach aus der einen in die andere benachbarte Provinz
verlegte Coh orte ist oder zwei gleichnamige Cohorten neben einander bestanden
haben, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden; der letzteren Annahme ist es
günstig, dass der Beisatz civium Romanoi'um sich nur in Obergermanien (Diplom
vom J. 116; Brambach 1520. 1522 [C. I. L. XIII, 7588. 7586, jedoch ist diese zu
streichen]) findet. [Vgl. Hammeran, Westd. Zeitschr. IV S. 402.]
7*
l'OQ Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
Wie Pannonien überhaupt die meisten Militärdiplome ergeben
hat, so fällt auch das einzige Document aus vorvespasianischer Zeit,
welches die Auxilien verzeichnet,*) auf diese Provinz. Dieser Soldaten-
abschied vom J. 60 nennt allerdings nur sieben Gehörten, also keines-
wegs die sämmtlichen Auxilien der damals noch ungetheilten Provinz,
aber unter diesen keine einzige aus den Donaugegenden, sondern
fünf spanische und zwei Gehörten der Alpiner. Dass wenigstens die
eine der spanischen schon im J. 35 in Pannonien ihr Quartier gehabt
hat, wird dadurch wahrscheinlich, dass in diesem Jahr ein Varcianer
in dieselbe eintrat, ohne Zweifel in Folge örtlicher Rekrutirung.
Dem entsprechen im Wesentlichen die späteren gleichartigen Ur-
kunden, auf die ich mich hier beschränke: unter den in ihnen
genannten sehr zahlreichen Alen und Gehörten sind alle anderen
Landschaften stärker vertreten als die Donauprovinzen; aus diesen
erscheint nur die 5. Gehörte der Breuker im J. 80, die 7. derselben in
den J. 85 und 167 und die 1. der Pannonier in den J. [133]. 138. [148.
149] und 154. Wenn man diesen Besatzungsstand zusammenhält mit
dem so gänzlich verschiedenen in Germanien vor Vespasian, so wird
man jenen ohne weiteres zurückführen auf die grosse pannonische
Insurrection in den letzten Jahren des Augustus. Offenbar ist in Folge
derselben an der Donau schon damals geschehen, was nach der
Niederwerfung des Givilis Vespasian am Rhein that: die pannonischen
Auxilien sind verlegt und durch Auxilien anderer Provinzen ersetzt
worden.
Yen Dalmatien wird die gleiche Ursache die gleiche Folge
gehabt haben; indess wissen wir nichts Positives über die daselbst
stehenden Auxilien aus der Zeit vor Yespasian, der die Legionen
von dort wegnahm. In der kleinen Besatzung, die nachher daselbst
erscheint,, findet sich keine einheimische Truppe ^.
217 Auch Moesien scheint in gleicher Weise behandelt worden]
zu sein. Die vier [jetzt acht] Diplome aus den J. 82. [93]. 99 [(2)].j
105 [vor 114]. 134. [138] nennen keine anderen den Donauprovinzen |
angehörenden Truppen als die dla I Gallorum et Fannoniorum\
(J. 134) und die ala I Vespasiana Dardanorum (J. 99. 105 [vor 114].]
134), von denen die erstere gemischt, die zweite wahrscheinlich erstl
*) [Ein Stück eines zweiten CLL. III p. 2328«* n. CI ('ante annum 600.]
1) Die cohors I Dälmatarum, welche unter Hadrian und Pius in England
lag, hat im J. 170 die Mauern von Salonae wieder hergestellt (C. III, 1979. 6374
[Dessau 2616. 2617]), nachdem sie für den Marcomanenkrieg nach dem Continent
gesandt war.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 101
von Vespasian eingerichtet ist.*) Bemerkenswerth ist in diesem Heer
die Mischung occidentalischer und orientalischer Auxilien, wozu das
Gegenbild in den dortigen Legionen sich findet (S. 26).
Yon Dacien gilt dasselbe wie von Britannien. Niemals haben
dacische Truppen in Dacien cantonnirt; die zahlreichen Auxilien der
dortigen Lager gehören sämmtlich anderen Provinzen an, die daci-
schen finden sich, so weit wir ihre Lagerstätten kennen, in Britannien
und im Orient verwendet.
Für Palaestina geben theils die Nachrichten des Josephus^
einigen Aufschluss, theils das Diplom vom J. 86. Die militärischen
Verhältnisse sind hier dadurch bedingt, dass das Land bekanntlich 21!
bis zum J. 6 n. Chr. unter Herodes und Archelaos und wieder in
den J. 41 — 44 unter Agrippa I selbständig war, dagegen in den
J. 7—40 und sodann von 45 ab unter unmittelbarer römischer Ver-
waltung stand. Agrippa I hatte bei seinem Tode eine Ala, und zwar
*) [Außerdem noch die ala I Pannoniorum (D. XXXI C. I. L. III p. 1971 vom
J.99) und die ala II Pannoniorum (D. CHI C. I. L. III p.2328«« vom J. 93).]
1) Josephus ant. 19, 9, 2: (6 KatoaQ) . . . miarsde reo ^ä8cp .... xijv llrjv
. . . rü>v KaioaQsoov xal rcöv Seßaoxrjvcöv xal zag nevte ansigag slg IIövxov fierayaysTv,
IV ixeT oTQarevoivro .... ov firjv oi xekevod^ivteg fisxioxrjaav jxQsoßsvadfisvoi yäg
KXavdiov äjtsfisdi^avxo xal fisvsiv ijii xfjg 'lovdaiag knexvxov , o? xal xdtg ijtiovoi
XQovoig Tcöv /iiByioxcov 'lovdaioig iysvovxo ov^itpoQÖiv dgxi] tov xaxä ^X&qov jxoXsfiov
07i£Q/iia xaxaßaXövxsg. 20, 6, 1 : Kov/navog — dva?Mßu>v xtjv rcöv ZEßaaxrjvwv ü.rjv xai
nsCiöv xeaoaga xdy/iiaxa (ebenso bell. 2, 12, 5). 20, 8, 7: (die Syrer in Caesarea)
liisya (pQovovvxeg Im xq> rovg ji?.eioxovg xwv vjio 'Pcof.iaioig ixsT oxQaxsvofisvcov Kaioa-
getg elvai xal Seßaaxrjvovg. Bell. 3, 4, 2 wird in der Aufzählung der Bestandtheile
der Armee des Titus die bisherige Besatzung des Landes also aufgeführt:
nQoaeyhovxo ös xal dno Katoageiag jievxs (ojisTgai) xal iTijxecov V.t] fiia. Die ala 1
gemina Sebastenorum oder I Flavia Sebastenorum erwähnen auch die späteren
Inschriften mehrfach (Eph. ep. V p. 194); aus Josephus erhellt, dass sie schon
vor dem jüdischen Krieg bestand, also den Namen Flavia wohl in diesem als
Ehrenbenennung empfing. Auch eine cohors 1 Sebastenorum nennen die In-
schriften, ohne Zweifel eine jener fünf und gleich der Ala aus Samaritanem
gebildet. Eine zweite dieser fünfCohorten wird die I Äscalonitarum felix sein;
(Eph. V p. 193; vgl. Josephus bell. 3, 2, 1); eine dritte vielleicht die I Flavia
Canathenorrim (Eph. a.a.O.; vgl. Le Bas-Waddington 2329 [Inscr. Gr. ad res Rom.
pert. III, 1223]. 2412(7), obwohl Canatha zum Reich des Agrippa gehörte. Andere
von Städten Palaestinas benannte Auxilien kennen wir nicht, namentlich keine
Ala der Caesareer. Auch aus der zuerst angeführten Stelle des Josephus wird
man eme solche auf keinen Fall herleiten dürfen, da er ja auch hier nur von
einer Ala spricht und diese nur die von Sebaste sein kann; sind die Worte x&v
KataaQecov xal wirklich von Josephus geschrieben, und nicht, was leicht möglich,
aus den vorhergehenden Kacaagsvac xal Seßaoxrjvoig hineininterpolirt , so hat
Josephus nur sagen wollen, dass in der ala Sebastenorum auch zahlreiche ge-
bome Caesareer dienten.
102 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
die der Sebastener, und fünf Cohorten unter den Waffen, welche
Truppen ohne Zweifel wenn nicht schon von Herodes oder Archelaos,
80 doch von der römischen Verwaltung nach Archelaos Absetzung
im Lande selbst gebildet worden waren und je nach der Stellung
des Landes bald als röjnische Auxilien, bald als landesherrliche
functionirten ^ "Wegen ihrer üblen Aufführung nach Agrippas Tode
ordnete Kaiser Claudius ihre Versetzung nach dem Pontus an, aber
es kam dazu nicht; und dass die römische Besatzung Judaeas aus
im Lande selbst ausgehobenen Soldaten bestand, ist nicht die letzte
Ursache des unheilvollen jüdischen Krieges gewesen. — Nach dessen
Beendigung wurde begreiflicher Weise hier verfahren wie in Ger-
manien und Pannonien : die sechs Auxilien, welche das Diplom vom
J. 86 aufführt, sind zur Hälfte Thraker, die übrigen Lusitaner, Can-
tabrer und Gaetuler.
In Aegypten endlich sind die beiden einzigen nachweislich dort
ausgehobenen Auxiliarcohorten, die zwei der Thebäer, so viel wir
wissen, von Anfang an in der Heimath, und zwar eben in der
Thebais, stationirt worden und immer dort geblieben, wie ja auch
die in Aegypten für den Legionsdienst ausgehobenen Mannschaften
überwiegend in die ägyptischen Legionen eingereiht wurden (S. 24).
Obwohl daneben noch eine grössere Zahl nicht ägyptischer Auxilien
in Aegypten verwendet wurden, wird man dennoch in dieser Ein-
richtung eine weitere Bestätigung dafür finden dürfen, dass die Herr-
schaft der Römer im Lande selbst als Fortsetzung derjenigen der
Ptolemaeer betrachtet wurde und sowohl die griechische wie vor
allem die fügsame ägyptische Bevölkerung zu derselben nicht wie
zu einer Fremdherrschaft, sondern gleich wie zu dem altgewohnten
Landesregiment sich stellte.*)
Fassen wir die einzelnen Wahrnehmungen, unvollständig wie sie
219 sind, so weit möglich zusammen, so erscheint wohl als Fundament
der Institution die Verwendung der einzelnen Truppe in ihrem Aus-
hebungsbezirk und als deren Consequenz auch die örtliche Rekrutirung.
Aber gleich von Anfang an muss insbesondere das ungleiche Be-
dürfniss sehr zahlreiche Abweichungen herbeigeführt haben, und die
Insurre ctionen der Unterthanen eben in den wichtigsten Militär-
provinzen und andere mannigfaltige Rücksichten haben die ursprüng-
liche Ordnung so gründlich und so rasch umgestaltet, dass schon
1) Es entspricht dies dem nach Einziehung der Herrschaft des Polemon
mit dessen Truppe eingehaltenen Verfahren (S. 67 A. 1),
*) [Vgl- !*• M. Meyer, Das Heerwesen der Ptolemaeer und Römer in Aegypten,
Leipzig 1900. J. Lesquier, L'armee roni. d'^gypte, Rev. de phil. 28 (1904) S. 1 flf.]
Die Conscnptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 103
unter den Flaviern von derselben nur vereinzelte Eeste noch sich
behaupteten. Wie weit späterhin sich dies wieder ausgeglichen hat
und im Wege der örtlichen Rekrutirung gewisserraassen die ursprüng-
liche Ordnung zurückgeführt worden ist, vermögen wir nicht genauer
zu bestimmen; im Allgemeinen ist es erklärlich, dass sämmtliche
Provinzen sich mehr und mehr an die Zugehörigkeit zum Reiche
gewöhnten und Gegensätze, wie sie noch im ersten Jahrhundert
unserer Zeitrechnung lebhaft empfunden wurden, späterhin sich so
weit ausglichen, dass die örtliche Conscription im Grossen und
Ganzen durchführbar wurde.
YI. Die numeri*)
Wenn die von den Nichtbürgern gestellten Truppen den Charakter
geschlossener Nationalcontingente, den sie bei der ersten Regulirung
des stehenden Heeres durch Augustus allerdings gehabt haben, im
Ganzen genommen bald einbüssten und auch durch die spätere ört-
liche Aushebung nur in sehr unvollkommener Weise wieder erhielten,
die Politik der besseren Kaiserzeit überhaupt, wenn nicht gerade auf
Verschmelzung der verschiedenen Elemente der Auxilien gerichtet,
so doch gegen dauerndes Zusammenhalten der Völkerschaften in den
einzelnen Truppenkörpern wenigstens indifferent war, so herrscht in
dem späteren Kaiserregiment bekanntlich die geradezu entgegen-
gesetzte Richtung und sucht dasselbe seine militärische Stütze in den
noch eigenartig zusammen stehenden Nationalitäten, anfangs im Kreise
der Unterthanen, späterhin auch im Ausland. Es ist wohl des Ver-
suchs werth, den Anfängen derjenigen Richtung nachzugehen, welche
schliesslich in die Föderatentruppen und in das Königthum der
Gothen und der Franken ausläuft.
AVie die Uniformirung der von Augustus geschaffenen Auxilien
wesentlich darauf beruht, dass das gleiche Schema, für die Reiterei
die Ala, für die Infanterie die Cohorte auf sie alle Anwendung
fand, so tritt die umgekehrte Tendenz hauptsächlich darin hervor, 220
dass gewisse Truppen dem bezeichneten Schema sich nicht fügen
oder, um den technischen Ausdruck zu brauchen, lediglich numeri
sind. Dieses Wort ^ wird nicht in älterer Zeit 2, aber nachweislich
*) [Vgl. unten S. 144 ff.]
1) Das darüber Bekannte hat kürzlich Albert Müller (Philol. 41, 486) zu-
sammengestellt.
2) Die adscriptivi ad legionem heissen schon bei Plautus Men. 182 extra
numerum; aber daraus folgt die Verwendung des Wortes in der Bedeutung
'Truppe' noch nicht. Ich habe früher (S. 32 A. 3) die Redensart ddstribtiere in
j 04 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
seit dem Ende des 1. Jahrhunderts gebraucht als allgemeine Be-
zeichnung für jede Truppenabtheilung ^, welche unter einheitlichem
Oberbefehl eines Offiziers steht 2; und aus dieser generellen Bedeu-
tung entwickelt sich von selbst die specielle, dass, wo eine Abtheilung,
die weder Legion noch Ala noch Cohorte ist, als Ganzes bezeichnet
werden soll, dieses Wort eintritt, während in vorconstantinischer Zeit
die eine feste Specialbenennung führende Abtheilung für sich allein
niemals numerus genannt wird^. Es macht dabei keinen Unterschied,
ob die Truppe Infanterie oder Cavallerie oder gemischt ist; obwohl
für eine Reitertruppe dieser Art auch im zweiten Jahrhundert die
221 Bezeichnung vexillatio^, im dritten die Bezeichnung cuneus^ vor-
kommt, findet sich ebenfalls numerus equitum. Insofern wird numerus
in der mittleren Kaiserzeit zu einer selbständigen jenen drei andern
parallelen und ebenfalls technischen Kategorie, welcher Sprach-
gebrauch namentlich in den Honorarinschriften ^ deutlich hervortritt.
numeros und die analogen auf die Legionsziifern bezogen und für republikanisch
gehalten, kann aber auch diese nicht für die vortraianische Zeit belegen.
1) Zuerst begegnet das Wort in dieser Verwendung bei Tacitus Agric.18:
sparsi per provinciam mmieri; hist. 1, 6: multi ad hoc numeri e Germania ac
Britannia et lUyrico (vgl. hist. 1, 87. ann. 2, 80) ; ferner bei Plinius ep. 3, 8, 4
und ad Trai. 29. 30 und bei Sueton Vesp. 6. Besonders scharf ausgeprägt er-
scheint es bei den Juristen, so bei Ulpian Dig. 8, 2, 2, 1: exercitum non unam
cohortem neque unam alam dicimus, sed numeros multos militum; vgl. 3, 3, 8, 2.
29, 1, 4. 1. 38, 1. 1. 42. 37, 13, 1, 2; auch in Inschriften C. II, 2079. X, 1202
[Dessau 2713. 2660.] Für Belege des gleichen Sprachgebrauchs in späterer Zeit,
der sich auch auf das griechische dgi^fiog erstreckt, genügt es auf Seecks Index
zur Not. Dign. p. 331 und C. I. L. V p. 1175, sowie auf die Wörterbücher zu
verweisen.
2) Türmen also und Centurien sind keine numeri, auch streng genommen
nicht Legionscohorten , obwohl in dieser Hinsicht wenigstens bei Tacitus der
Gebrauch schwankt: er sagt hist. 1,87 in numeros legionis, dagegen ann. 2, 80
in numerwn legionis.
3) In der nachconstantinischen Epoche kann jede Truppe auch für sich
allein numerus genannt werden, sogar die Legion (C. I. L. V p. 1059. VIII, 9248).
4) Die vexillatio equitum Illyricorum des Diploms vom J. 129 steht im
Gegensatz zu Alen und Cohorten und heisst auf anderen Inschriften vielmehr
numerus (unten S. 110). Gleichartig ist die vexßllatio) eq(uitum) Maurorum
C. VIII, 9045. 9047 [= Dessau 2766. 2767], vielleicht auch die vex. Brit. der
niedergermanischen Ziegel (Brambach 3 C 26 und sonst). Es ist dies nur eine der
vielen Anwendungen dieses Wortes, aber offenbar diejenige, woraus sich die
Verwendung der vexillatio für die Reitertruppe der späteren Heerordnung ent-
wickelt hat.
5) Darüber ist der Anhang S. 115 zu vergleichen.
6) Hispalis aus der Zeit vor Marcus und Verus (II, 1180 [= Dessau 1408]):
praef. coh. III Gallor., praepositus numeri Syror. sagittarior. , item alae primae
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 105
Noch in der Notitia Dignitatum erscheint numenis in diesem tech-
nischen engeren Sinn, aber hier nur in einer einzigen Provinz und
zwar in derjenigen, welche abweichend von den übrigen die Ein-
richtungen der früheren Kaiserzeit darstellt, in Britannien^, neben
Legionen, Alen und Cohorten^, so dass uns hier ein treues und
ziemlich vollständiges Bild einer Provinzialarmee des ausgehenden
3. Jahrhunderts aufbewahrt ist.
Diese numeri sind nun zwar eine bestimmte Kategorie des
römischen Heeres der Kaiserzeit, von der unsere Handbücher freilich
nichts wissen; aber das unterscheidende Merkmal des numerus ist
negativer Art, die Abwesenheit einer der drei regulären Truppen-
formationen, und es kann daher bei ihm weder von einer allgemein
gültigen Organisation noch viel weniger von einem allgemeinen Con-
scriptionsgesetz die Rede sein. Wenn eine befriedigende Darlegung
der römischen Heerordnung nicht umhin können wird die einzelnen
durch dieses negative Merkmal bezeichneten Truppenformationen
zusammenzustellen, wie zum Beispiel die kaiserlichen centuriae sta-
torum, ferner die nichtrömische Kaisergarde der equites singulares, 222
welche als Corps nur diese Bezeichnung führt ^, die in analoger
"Weise zum Dienst bei den einzelnen Höchstcommandirenden in den
Provinzen ausgesonderten Truppenkörper, welche auch öfters unter
demselben Namen auftreten*, die aus den Legionen ausgesonderten
Hispanar. Ariminum (Heuzeu 6729 [C. I. L. XI, 393 = Dessau 2739]): 2»'aef.
coh. 111 Britt[o]num veteranor[um] equitatae, trib. leg. I ad[iu]tricis piae fidelis,
\pra[ef.] alae 1 Asturmn, ^jraepos[iii<s] numeri equitum eIector[nm] ex lUyrico.
Caesarea in Mauretanien (VIII, 9358 [= Dessau 2738]): praef. coh. I Augustae
Bracarum, praepositus n. Illyricorum, trib. coh. Ael. expeditae, praef. al. Aug. II
Thracum, praepositus al. gemin. Seba[sten.], ivraepositus classis Syriacae et Augustae,
praef. classis Moesiaticae. [Vgl. auch die 1906 in Thessalonike gefundene, von
l'apageorgiu in mehreren griechischen Zeitschriften herausgegebene Inschrift
eines Mestrius Servilianus , der yEÜ.iaQyog ojteiQijg tiqcot?]? Movoovka/Licöv iJiJtinfjg,
f.-raoyos si?.T]g Iujiecov äQi{^/nov IIa)./iivQT]v(bv IIoQolvaoi]vöiv war.]
1) Occ. c. 28. 40. Der einzige sonst vorkommende mimerus ist der der
harcarii für die Flottille auf dem Bodensee in Raetien (Not. Occ. 35, 32).
2) Vgl. den Anhang S. 117.
3) C. VI, 224. 715 [Dessau 2185. 2184]. Eph. ep. IV n. 933 [C. I. L. VI,
;i'^03]. V p. 128. Henzen ann. delF inst. 18-50 p. 31.
4) Dieser Art sind die numeri singularium (Tipasa C. VIII, 9292; Apulum
•4)h. ep. IV n. 166 [C. I. L. III, 7800]); auch die e[q(tiites)] sing(ulares) exerc(itus)
• 'Arab(ici,) item drom(edarii) der Inschrift C. III, 93, so wie andere Abtheilungen
llieser Art dürften in gleicher Weise zu fassen sein. [Vgl. Mommsen Eph. ep. IV
I 404; V. Domaszewski Arch. -ep. Mitth. X S. 22.] Dagegen die pedites singu-
"V's Britannici (unten S. 110) scheinen nicht gleichartig. Auch bei den mehr-
li vorkommenden alae singularium (Eph. ep. V p. 247), so wie einer vereinzelt
106 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
frumentarii S die Abtheilungen der exploratores , so kann doch an
principielle Zusammengehörigkeit und an organische Gleichartigkeit
dieser Formationen überall nicht gedacht werden. Auch der Zeit
nach lässt sich nur etwa feststellen, dass stehende Truppenkörper ^
von abweichender Formation im ersten Jahrhundert kaum nach-
weisbar sind, dagegen im zweiten und dritten zahlreich begegnen.
Dies Anwachsen dieser Kategorie ist wesentlich veranlasst durch
eine auf die Renationalisirung der Auxiliartruppen basirte Formation,
welche unter den numeri sehr bald die erste Stelle einnimmt. Unter
den schriftstellerischen Zeugnissen giebt davon allein die unter
Hyginus Namen laufende Lagerbeschreibung einige Kunde ; die nähere
Bestimmung lässt sich bis zu einem gewissen Grad aus den Inschriften
223 entnehmen. Leider sind die hyginischen Angaben in einem selbst
bei dieser durchaus zerrütteten Ueberlieferung ausnahmsweise üblen
Zustand und eine Wiederherstellung des Textes nur annähernd mög-
lich. Ich setze die Stellen her, wie sie vorliegen.*)
c. 2 : legiones ... ad vallum tendere debent ut . . . exercitum gentihus
imperatum (so Lange; meatum Hdschr.; vielleicht mixtum)
suo numero [tamquam] corporali in muro teneant (scne
Hdschr.^.
c. 19: coJiortes (cohorti Hdschr.^ peditatae vel equitatae ad viam
quintanam spectare dehebimt, ut super [et supra Dom.] sum-
mactares (sumactares Hdschr.^ et reliquas (reliqui Hdschr.
[reliqiiae Idora..^) nationes tendere debehunt : et ita fiet, ut omni
stehenden cohors singularium (das. p. 249) dürfte das mancher Beziehungen
fähige Ehrenprädicat der Elitetruppe iu anderer Anwendung auftreten.
1) C. VI, 3341: vet(eranus) ex num(ero) frum(entariorum) leg. IUI Fl(aviae).
Henzen 6523 = C. I. L. XIV, 125 [= Dessau 2223]. Vgl. Marquardt 2, 476
[2. Aufl. 491 f.] und jetzt Henzen Bull, dell' Inst. 1884 p. 21. [Vgl. auch R.
Paribeni Rom. Mitt. XX (1905) S. 310 ff".] Wie sie sich zu der Legion verhielten,
der sie angehörten, steht dahin ; aber dass ein Sondercommando für sie bestand,
beweist u. A. der centurio frumentariorum.
2) Der Landsturm ist besonders in der früheren Kaiserzeit nicht selten in
den einzelnen Provinzen unter die Waffen gerufen worden (Marquardt St. V.
2*, 538); aber dergleichen zeitweilige Formationen haben mit den numeri des
stehenden Heeres nichts gemein. Der [prae]fectus levis armaturae p[rovinciae?]
Hispaniensis {Henzen 6735 [C. I. L. X, 6098]) und der pra[ef(ectus)] Baetis Vindolim
vaUi[s P]oeninae et levis armatur(ae) (Henzen 6939 [C. I. L. IX , 3044 = Dessau
2689]) können füglich Führer solcher Aufgebote gewesen sein; dass die auxiliä
im Gegensatz zu den Legionen oft leves cohortes heissen, ist bekannt und der
Landsturm wird also um so mehr zu den Leichtbewaffneten zählen.
*) [^gb <iie Ausgabe von A. v. Domaszewski. Leipzig 1887.]
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 107
parte nationes, ut (et Hdschr. [a Dom.]) supra scriptum est
(scrihtas Hdschr. [scripiis Dom.p, contineantur.
c. 29: Nationes Cantahri Getati (wohl GaetuU [dies aufgenommen
von Dom.] oder Gaesati)'^ Palmarem (parmyrent Hdschr.^
Daci Brittones centuriae [centurias Dom.] statorum et si quid
aliud datum fuerit in exercitu (exercito Hdschr.^ summactari
(summamclarificum Hdschr.^, in retentura (retentatura Hdschr.^
ponimus [ponemus Dom.].
c. 30: Mauri equites DC, Fannonü veredarü DCCC .... explora-
tores CC Palmyreni (parmyrent Hdschr.^ D, Getati
[Gaetuli Dom.] JDCCCC, Daci DCC, Brittones D, Cantahri
DCC, centuriae statorum duae.
c. 43: Summactares (summacterias Hdschr,^ et reliquas nationes
quotiens ^9er strigas distrihuimus, non plus quam tripertiti esse
dehehunt nee (ne Hdschr.^ longe ab alterutrum, ut uinam
tessera suo vocahtdo citationis liaheant (vielleicht ut qui tesserae
loco vocahidum citationis haheant [ut viva tessera suo vocahtdo
citationis audiant Dom.]).
"Welcher sonst unbekannte Lagerausdruck in dem dreimal mit ge-
ringen Abweichungen wiederholten Wort summacterias — sumactares 224
— summamclari steckt, ist ebenso ungewiss ^ wie die Unbrauchbar-
keit der bisher dafür gemachten meist ganz perversen Yorschläge
gewiss ist: es muss die technische Bezeichnung sein der nicht in
Legionen und Gehörten formirten Infanterie, wobei dann aber bald
die nationes (c. 29) darunter einbezogen, bald die reliquae nationes
als gleichartig angeschlossen werden und durch diese Incongruenz
wieder auch der Begriff ins Schwanken kommt. Wenn weder das
Wort noch der Begriff sich mit Sicherheit constatiren lassen, so treten
dagegen mit aller wünschenswerthen Deutlichkeit die nationes hervor
1) Die lächerliche Schlimmbesserung Getae behauptet sich nun seit eiü
paar hundert Jahren im Text, obwohl es doch ziemlich bekannt ist, dass die
Getae erstlich dem technischen Latein fremd und zweitens mit den Daci identisch
dnd. — Nach Anleitung der Inschriften VIII, 2728 [= Dessau 5795] : certamen inter
'lassicos tnüites et gaesates; V, 536: [pr]aef. gaesa . . . um Helvet . . . .; VII, 1002:
\coh, I Van]gionum, item Baeti gae[s]ati et expl[oratores] erscheint es nicht unstatt-
jiaft die gaesati unter die nationes einzureihen [s. unten S. 146]. Die Verbesserung
yaetuli liegt allerdings ebenso nahe und passt unter die nationes besser, findet
lur in den Inschriften der numeri bis jetzt keinen Rückhalt.
2) Ich habe gedacht au ^mmachares oder symmacharii; die hybride Bildung
ürde bei einem castrensischen Ausdrucke sich ertragen lassen. — telonarius
nd (piadrieris sind um nichts besser und ebenso ist hemistrigium aus dem Lager-
uch sehr mit Unrecht herauscorrigirt worden.
10^ Die Conscriptionsordnung der römisclien Kaiserzeit.
im Gegensatz zu Legionen, Alen, Gehörten und Flottensoldaten.
Wie die Hauptbenennung, zeigen die beigesetzten Specialnamen der
Yölkersehaften das Wesen dieser Kategorie an, und auch die erste
Angabe, wonach diese Infanterie einerseits von den Legionen, andrer-
seits von den Auxiliarcohorten eingeschlossen lagern soll, lässt scharf
den Gegensatz erkennen dieser wesentlich barbarischen Truppen selbst
gegen die doch auch nicht zu den Bürgertruppen gehörigen Auxilien.
Auch was über das Commando c. 43 gesagt wird, ist zwar so schwer
verdorben, dass eine sichere Herstellung ausgeschlossen ist, scheint
aber doch darauf zu führen, dass bei diesen Mannschaften anstatt
der schriftlichen von Hand zu Hand gehenden Tessera das Commando-
wort eintritt, vermuthlich weil diese Leute des Lesens lateinischer
Schrift durchgängig unkundig waren. — Dass diese Kategorie keines-
wegs von geringer Bedeutung war, zeigen die beigesetzten Ziffern:
danach werden auf das Heer von etwa 40 000 M. nahe an 5000
solcher Nationaltruppen gerechnet, während auf die Auxilien etwa
14 000, auf Garde und Legionen etwa 20000 M. entfallen.
Halten wir mit diesen merkwürdigen und zuverlässigen Angaben
die inschriftlichen Zeugnisse zusammen, so begegnen die nationes als
225 solche darin allerdings nicht ^, und ist dieser Ausdruck von dem
Verfasser jener Lagerbeschreibung demnach nicht als technisches
Schlagwort, sondern als sachlich entsprechende Bezeichnung gewählt
worden. Aber wohl treten darin in ziemlicher Ausdehnung Auxiliar-
truppen auf, welche von einzelnen Yölkersehaften sich benennen,
aber weder Alen noch Gehörten sind und der Corpsbezeichnung ent-
weder entbehren oder dafür numerus brauchen, offenbar also eben
jene nationes. Ueber diese Inschriften zu handeln ist schwierig; sie
sind an Zahl sparsam und ihr Verständniss wird durch die grossen-
theils barbarische Fassung und zahlreiche für uns unlösbare Siglen
und anderweitig unbekannte Localnamen ausserordentlich erschwert.
Eine weitere Verwickelung entsteht dadurch, dass die in dem Kreis
der nunieri auftretenden Ethnika nicht, wie anderswo, durchaus von
1) Den [pr]aef(ectus) cohortis VII iMsitan(orum) [et] nation(um) Gaet7ilicar(um)
sex quae sunt in Numidia aus neronischer Zeit (C. V, 5267 [= Dessau 2721]) wird
man nicht vergleichen dürfen, sondern die letzteren eher als Aufgebot der Ein-
gebornen nach Analogie des S. 105 A. 4 Bemerkten aufzufassen haben. — Ob
das eßrog No/iiddcov einiger Inschriften aus der Batanaea: Le Bas-Waddiugton
III, 2203: [nQsojßfsvTrjv) Seß(aoxov) dvziazQdftijyov) oi djid e&vovs Nof^ddoiv; 2196:
'AÖQiavov rov xal 2oaiöov Malsy^ov i&vdgxov oxQatrjyov No/uddcov zö (.ivr^fMov; 2112:
Im ßaoü.soi\ß fisyakov Mdgxov 'Iov\\Uov 'AyQiiiTia ....... | XdQrjxog ejio{qxo?] ■ • ■ •
ojtsiQtjg Av I OS Nofiddcov ] rjg xal Xal .... auf unsere nationes be-
zogen werden darf, weiss ich nicht zu entscheiden.
Die Coiiscriptionsordnung der römischeu Kaiserzeit. 109
dem Heimathort, sondern zum Theil von dem Lagerort der Truppe
entlehnt sind. Letzteres muss bei den exploratores sogar Kegel
gewesen sein, wie ja denn diese Truppe mehr als jede anderiB ein
für allemal an ihr Standquartier gebunden war^. Aber auch von
den Exploratoren abgesehen scheinen bei den mwieri Benennungen
nach dem Lagerort nicht selten vorzukommen; ja die in diesem Kreis
verhältnissmässig häufigen Doppel-Ortsnamen dürften regelmässig der
eine auf den Heimath-, der andere auf den Lagerort sich beziehen 2.
Indess wenn wir alles in Abzug bringen, was in den Inschriften der 226
numeri entweder die Heimath nicht angeht oder auch unklar und
unsicher ist, so geben sie doch hinreichende Bestätigung für die
Ansetzungen des Militärschriftstellers. Die pannonischen Reiter des-
1) In Beziehung auf die ala expkyratorum Pomariensium in Mauretanien,
den numerus exploratarum Divitiensium bei Mainz, den numerus exploratorum
Bremenensium in Rochester, den numerus exploratm'um Batavorum habe ich dies
C. VIII p. 847 nachgewiesen. Ich kenne keine Exploratorentruppe , welche ein
Ethnikum im Namen führte, das nicht auf den Lagerort entweder bezogen werden
muss oder doch bezogen werden kann. [Vgl. auch Mommsen im Limesblatt
S. 7 und 664. — 'Eine Ausnahme bilden die €xpl(yrator(es) Triboci et Bot der
Inschrift aus Marbach C. I. L. XIII, 6448'. BANG.] Übrigens stecken unter
!den nicht ausdrücklich so bezeichneten Truppen wohl noch manche Exploratoren-
jabtheilungen , wie denn der n(umerus) Divitiensis G(ermaniae) s(uperioris) der
jmauretanischen Inschrift C. VIII, 9059 [= Dessau 2628] und der numerus Divi-
^^.ensiiim der Inschrift von Rhaedestos C. III, 728 wohl nicht verschieden sind
?on dem eben erwähnten numerus exploratorum Divitiensium.
2) Der in Turiner Inschriften mehrfach (V, 7000 [= Dessau 2629]. 7001.
7012) auftretende num(erus) Dal(matarum) Divit(iensiutn) lässt sich nicht füglich
Inders erklären; und dasselbe gilt von dem numerus Mauret(anus?) Tibiscensium
C. VIII, 9368 add. [S. n. 20944] vgl. III, 1343. 15.56 [= 8004]), wahrscheinlich einer
nauretanischen in Tibiscum stationirten Truppe, und von drei britannischen : dem
mmerus equitum Sarmatarum Bremetenniacensium (S. 111 A. 1); dem cuneus Frisi-
mim Ahcülavensium (unten S. 115) und dem numerus Nerviorum Dictensium Dicti
Not. Dign. Oec. 40, 23). Danach dürften auch in den in Obergermanien lagernden
■irit(tones) Cdl .... (Brambach 1563 d), Brittones Gurvedens(es) (Brambach 1455
II. L. XIII, 7343]), Brittones Triputienses (Brambach 1392. 1394. 1732. 1745 [C.
L. XIII, 6517. 6518. 6502. 6606 [= Dessau 2624; vgl. die expl(oratm-es) Trip(u-
enses) XIII, 6599 und p. 238]), in dem mauretanischen numerus Syrorum Meven-
um (VIII, 9381 [= Dessau 2763]) die an zweiter Stelle stehenden Namen viel-
ehr auf die Lagerplätze dieser Truppentheile zu beziehen sein. Die gangbare
uffassung dieser Namen nach Analogie der ala Hispanorum Asturum ist auch
|irum unstatthaft, weil als Aushebungsgebiet in den Soldateninschriften immer
[ar grössere Districte bis hinab zu den civitates, niemals einzelne Ortschaften
iftreten , Dorfnamen also , wie sie hier auf jeden Fall vorliegen , in dieser
''eise überall nicht auf Truppen bezogen werden können. Dass die britannische
)ststation Tripontium (itin. p. 477) mit den Brittones Triputienses nicht zu-
mmengehört, ist ohnehin ausser Zweifel.
UQ Die Conscriptionsordnung der römischeu Kaiserzeit.
selben sind allem Anschein nach die schon in einem Diplom vom
J. 129 im dacischen Heere neben Alen und Cohorten auftretende
vexillatio equitum Illyricorum (oben 8. 1 04 A. 4), auch bezeichnet als
numerus equitum electorum ex Illyrico (oben S. 104 A. 6) und numerus
Illyricorum ^. — Der numerus Falmyrenorum ist in ansehnlicher Zahl
vertreten auf Inschriften von Dacien und Numidien^; aus dieser
Provinz besitzen wir sogar zwei lateinisch -palmyrenische Inschriften
solcher Soldaten, während sonst zwiesprachige Soldateninschriften im
lateinischen Sprachgebiet unerhört sind — die natio zeigt sich also
auch hier. — Der numerus ferner der Brittonen erscheint mehrfach
in Obergermanien (S. 109 A. 2) und findet sich auch in Dacien^. —
Die vexillatio equitum Maurwum mauretanischer Inschriften (S. 104
A. 4) schliesst sich den Mauri equites der Lagerbeschreibung an*.
227 Wenn in diesen Völkerschaften sich die inschriftlichen Zeugnisse mit
der Lagerbeschreibung begegnen, so bieten für die Daker und die
Cantabrer, die Hyginus ebenfalls aufführt, so wie für die Gaetuler,
falls diese von ihm gemeint sind, die Inschriften bis jetzt keine
Belege, wobei man aber freilich sich zu erinnern hat, dass wir aus
der östlichen Reichshälfte solche Truppen bis jetzt kaum kennen.
Andere numeri der Nationen kennen wir nur aus Inschriften; so
namentlich den oder die der Syrer aus verhältnissmässig zahlreichen
Steinen von Dacien und Mauretanien ^ und den numerus llosdroenorum
aus niederpannonischen und mauretanischen ^. Merkwürdig vor allem
1) Apulum III, 1197 und oben S. 104 A. 3.
2) C. 111,803. 837. 907. 1471. VIII, 2486 add. [=18007; Dessau 2625 J. 2502.
2505 [cf. 18005]. 2515 (zweisprachig). 3917 add. [18202] (zweisprachig). 8795 add.
[cf. 18020 = Dessau 4340] (dem Malagbelus gewidmet) [18008; vgl. oben
S. 104 A. 6].
3) C. III, 1396 [= Dessau 2630] : signifer et quaestor n. Brit. Wahrscheinlich
identisch sind die pedites singulares Britannici, welche im dacischen Heere der
J, 110 und 157 neben den Alen und Cohorten aufgeführt werden [C. I. L. III
p. 868. 882] (vgl. III, 1633, [14]).
4) Schon unter Traianus begegnet Lusius Quietus Mavqog xal avrog x&v
MavQcov aQxcov (Dio 68, 32 [Boissevain III p. 206]), und, wie Themistius hinzu-
setzt, sogar aus dem barbarischen Mauretanien p. 250 Dind. : ov8e 'PcojuaTov ovia
z6v ävöga, d)J' ov8s Aißvv ex rfjg vjtt]x6ov Aißvrjg, a.}.X i^ ddö^ov xal ä.7iq»{iafj,svr]S
ioxariäs), wobei man sich erinnern wolle, dass eine Ala der Mauren bis jetzt
wenigstens nicht nachgewiesen ist. [Vgl. den praepositus equitum itemque peditum
iuniorum Maurorum iure gladii C. I. L. VIII S. 20996 = Dessau 1356.]
5) Für das Einzelne genügt es auf die Indices der betreffenden Bände C
I. L. III. VIII zu verweisen.
6) Eph. II, 598 (vgl. V p. 243) [C. I. L. III, 10307]: ex nnmero Hosroruorum.
C. VIII, 9829: se(s)q{ui)plicarius Osdro[en\oru.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 11t
ist der numerus equitum Sarmatarum des britannischen Heeres^, weil
er sicher hervorgegangen ist aus den von den Jazygen in Gemässheit
des mit Kaiser Marcus geschlossenen Friedens gestellten und grössten-
theils nach Britannien geschickten Reitern 2, die hier in derselben
"Weise den stattlicheren Namen der Sarmaten führen, wie Kaiser
Marcus wegen des Jazygensieges sich Sarmaticus nannte und das
Jazygenland in die Provinz Sarmatia umzuwandeln beabsichtigte. —
Im Ganzen genommen sind in dieser Truppenkategorie die Provinzen
spätester Erwerbung, wie Britannien und Dacien, und die der Romani-
«irung und der Civilisirung am fernsten stehenden Landestheile über-
wiegend vertreten^.
lieber die innere Organisation dieser Truppen vermögen wir
wenig zu sagen. Nach den Zahlen, welche die Lagerbeschreibung
beisetzt und welche ohne Zweifel, wie bei den Alen und Cohorten, 228
den vollen Sollbestand jeder einzelnen Truppe darstellen, stellt sich
die Stärke zwischen 500 und 900 Mann, was im Allgemeinen mit
der Stärke der Auxilien übereinstimmt, und dem steht auch in den
Inschriften nichts entgegen*. Dennoch ist der Gegensatz der beiden
Kategorien ein recht scharfer: wenigstens schwanken die Benennungen
nur in sehr wenigen Fällen^ und noch in dem britannischen Heer
der Notitia Dignitatum stehen beide Gruppen in strenger Unter-
scheidung neben einander (S. 105). Damit stimmt ferner überein,
1) Ribchester C. VII, 218: [pr]o salute d(omini) n(ostri) [et] n(umeri) eqqfui-
tum) Sar[mataruTn] Bremetenn(iacensium) [G]ordiani. In zwei eben daselbst ge-
fundenen Grabschriften heisst dieselbe Truppe ala Sarmatarum (vgl. oben S. 20
A. 2); in der Notitia Occ. 40, 54 cuneus Sarmatarum Bremeteniaco (armatarum
bremetenraco Hdschr./
2) Dio 71, 16: Ol 'Id^vysg ig of.iokoyiav ■fjXd'ov .... xal ijijiiag svdvg oxraxiaxi-
Xiovg ig ovf,i/Liaxiav 01 (dem Marcus) naQeoyov , acp a>v Jievraxiaydiovg xal nsvxa-
xoalovg ig Bgerravcav ejie^itfs.
3) Der numerus Treverorum der Idsteiner Inschrift Brambach 1548 [C. I. L.
XIII, 7613] (vgl. in dieser Zeitschrift 16, 490 [Ges. Sehr. 5 S. 432]), welcher dazu
nicht gut stimmen würde, beruht auf falscher Lesung ; auf dem Stein steht nach
Zangemeisters Angabe PEDAT • TREVERORVM.
4) Die einzelnen britannischen Militärposten, welche die obergermanischen
Steine nennen, haben gewiss diese Stärke nicht gehabt; aber wenn die Beinamen
vom Standlager genommen sind, wird der oberrheinische numerus Brittonum viel-
mehr als ein einziger Truppenkörper aufzufassen sein, dessen Abtheilungen eine
Anzahl von Castellen besetzt hielten.
5) Die Identität des numerus equitum Sarmatarum mit der ala Sarmatarum
der Inschriften von Ribchester (oben A. 1) ist nicht zu bezweifeln, aber letztere
Bezeichnung scheint abusiv. Dasselbe möchte gelten von der ala explm-atorum
Pomariensium (S. 109 A. 1), da sonst die exploratores durchaus den numeri an-
gehören und keine andere Ala sich nach dem Standquartier benennt.
112 Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit.
dass die üblichen Bezeichnungen des Commandanten der Auxiliar-
truppe tribunus^ und praefectus"^ auf den numerus nicht häufig an-
gewendet werden, dagegen hier dafür regelmässig praepositus gesetzt
wird^. Es entspricht die Verwendung dieser allgemeinen Bezeichnung
des Befehlshabers* in specieller Beziehung auf die Vorgesetzten dieser
Truppenkategorie genau der Specialisirung der generellen Bezeich-
nung numerus auf diese Truppen selbst. — Das Schwanken der Zahl
229 von 300, 500, 600, 700, 800, 900 gegenüber den festen Normalzahlen
der Alen und Gehörten bezeichnet weiter den Charakter dieser
Truppen. — Die wenigen und disparaten Angaben, welche unsere
Inschriften über die Subalternen der numeri enthalten, gewähren, so
viel ich sehe, keinen Einblick in ihre individuelle Organisation; wir
finden ordinarii und Centurionen, Decurionen und sesquiplicarii, signi-
feri und so weiter, wie in den Alen und Gehörten auch, und wo
einmal weniger normale Ghargen begegnen, wie die circitores und
die hexarchi, können diese doch weder auf die numeri überhaupt
bezogen noch den Auxilien abgesprochen werden. Für unseren Zweck
erscheint es angemessen bei ergebnisslosen Einzelheiten nicht zu
verweilen.
Wohl aber ist es von Wichtigkeit festzustellen, wann die nationes
der Lagerbeschreibung zuerst auf den Denkmälern hervortreten. Was
oben bemerkt ward, dass aus dem ersten Jahrhundert wohl über-
haupt keine von dem Alen- und Gohortenschema sich entfernende
Truppe nachgewiesen werden kann, gilt insbesondere von ihnen. Die
erste mit Sicherheit dahin zu rechnende Abtheilung sind die pedites
1) Der einzige mir bekannte Beleg dafür ist (abgesehen von den Tribunen
der kaiserlichen equites singulares) der tribunus n. Syrorum Mevensium der Inschrift
von Caesarea in Mauretanien C. VIII, 9381 [= Dessau 2763; vgl. den tribunus
der ve[xi]llatio Retoi'um gaesa(torum) Eph. ep. VII, 1092 = Dessau 2623].
2) In der Aemterreihe VIII, 9868 add. [S. n. 20944]; ausserdem C. III, 1149
[= Dessau 3558]; Brambach 991 [C. I. L. XIII, 6814 = Dessau 2754]; C. I. Gr.
6771 [Inscr. Graecae XIV, 2433] : jiQai<pexz(og) i^jikwQfarÖQcov) FsQuaviag. In der
Not. Dign. ist c. 28 die alte Bezeichnung praepositus numeri beibehalten, dagegen
in c. 40 praefectus numeri gesetzt.
3) In der Aemterreihe in den drei S. 104 A. 6 angeführten Inschriften; ferner
VII, 285. VIII, 9745 und, wie bemerkt ward, Not. Occ. c. 28; auch Orelli 3100
[C. I. L. XI, 1836 = Dessau 1332]; bezogen auf Legionscenturionen VIII, 2486
[= 18007 = Dessau 2625] und Brambach 1739 [C. I. L. XIII, 6605]. Auch sonst
finden wir Legionscenturionen als Befehlshaber der numeri (VIII, 2494 [= Dessau
2636]. Brambach 1732. 1745. 1751 [C. I. L. XIII, 6502. 6606 = Dessau 2624. 6629]),
wie sie ja auch häufig bei Cohorten in der gleichen Stellung erscheinen (zu-
sammengestellt von A. Müller Philologus 41, 482 f.). ;
4) Henzen zu Orelli p. 347 n. 3423. A. Müller Philol. 41, 485.
Die Conscriptionsordnnng der römischen Kaiserzeit. 113
singulares Britannici der dacischen Diplome aus den J. 110 und 157
und die vexillatio equitum Illyricorum des ebenfalls dacischen Diploms
vom J. 129. Daran schliesst der Zeit nach die eine der oben
(S. HO A. 2) angeführten zwiesprachigen lateinisch- palmyrenischen
Inschriften sich an, die vom Seleukidenjahr 461 = n. Chr. 149/150
datirt ist. Diese Documente brauchen den Ausdruck numerus nicht.
Dieser begegnet meines Wissens mit sicherer Datirung zuerst voll
ausgeschrieben auf einer spanischen Inschrift aus der Zeit von Marcus
und Verus (f 169) i. Dass eine dieser Abtheilungen aus den unter
Marcus von den Jazygen laut der Capitulation zum römischen Heer-
dienst gestellten Mannschaften hervorgegangen ist, wurde oben be-
merkt. In den Steinen aus Aschaffenburg vom J. 178^ und aus
Dacien vom J. 1S6? erscheint der numerus bereits in der seitdem
stehenden Abkürzung.*) Wir finden ihn ferner auf einem Steine aus
Roomburg bei Leyden aus der Zeit des Severus*. Denkmäler der
nationes aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts sind verhältniss- 230
massig zahlreich. Danach werden die Anfänge dieser Einrichtung
in die Zeit Traians zu setzen sein, ihre umfassende Entwickelung in
die des Marcus und das folgende Jahrhundert. Dem entspricht, dass
die mimeri, obwohl sie in der Lagerbeschreibung an Zahl zwischen
dem Drittel und der Hälfte der Auxilien stehen und in den Missions-
verhältnissen offenbar diesen gleich gestanden haben, dennoch auf
den Militärdiplomen mit den oben bezeichneten Ausnahmen nicht
auftreten: denn während diese Documente für die Provinzialtruppen
bis auf Marcus einschliesslich verhältnissmässig zahlreich vorliegen,
besitzen wir aus der Zeit nach Marcus Tod bis jetzt nur ein einziges
noch dazu unvollständiges und selbst chronologisch ungenügend
fixirtes Document dieser Kategorie. Sollten einmal dergleichen Ur-
kunden aus dem 3. Jahrhundert zum Vorschein kommen, so werden
aller Wahrscheinlichkeit nach die numerl darin eine ähnliche Stellung
einnehmen wie in der Lagerbeschreibung, während umgekehrt das
fast völlige Schweigen der uns vorliegenden Diplome aus dem 2. Jahr-
1) C. 11, 1180 [= Dessau 1403; 'vorher schon (zuerst im J. 118) bei den
kaiserlichen equites singulares: C. I. L. VI, 31138—31152' BANG].
2) Brambach 1751 [C. I. L. XIII, 6629]: nfumerus) Brit(tonuinJ et explora-
t(ores) Nemaning(enses). Aus severischer Zeit ist die Inschrift Brambach n. 7 [C.
I. L. XIII , 8825] ; Denkmäler aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts haben
wir zahlreich.
3) C. III, 1396 [= Dessau 2630].
*) [So auch schon in dacischen Inschriften vom J, 138 und 140 : C. I. L. III,
13795—6 und in der stadtrömischen Inschrift C. I. L. VI, 31151 vom J. 143.]
4) Brambach 7 [C. I. L. XIII, 8825].
MOMMSEN, SCHR. VI. 8
114 Die ConscriptioDsordnung der römischen Kaiserzeit.
hundert dafür zeugt, dass diese neue Formation damals erst in der
Bildung begriffen war.
Auf die Frage, was in der späteren Militärordnung aus den
numeri und insonderheit aus den nationes geworden ist, lässt sich
eine genügende x4.ntwort nicht geben. In der Notitia ist, wenn wir
von der wahrscheinlich aus früherer Zeit übernommenen Specification
des britannischen Heeres absehen, die Benennung numerus ver-
schwunden, Dass die betreffenden Truppen selbst sämmtlich auf-
gelöst worden sind, ist mehr als unwahrscheinlich ; vielmehr wird die
von Diocletian und Constantin durchgeführte neue Formation des
Heerwesens wohl eben an diese zunächst angeknüpft haben. Aber
wahrscheinlich ist dies in der Weise geschehen, dass der alte vage
und ohne Unterschied für Reiterei und Fussvolk verwendete Name
beseitigt und je nach den Umständen, vielleicht auch mit Verände-
rung der Organisation, durch diese oder jene speciellere Bezeichnung
ersetzt ward. In der That können wir wenigstens in einem Fall
(S. 111 A. 1) nachweisen, dass eine Abtheilung, die unter Gordian
als numerus equitum auftritt, späterhin cuneus heisst, und dürfen
daraus schliessen, dass ein Theil der älteren aus Reitern bestehenden
numeri in der Notitia unter der letzteren Bezeichnung wiederkehrt,
während andere unter andern Benennungen verborgen sein mögen.
231 Dadurch aber wird es für uns so gut wie unmöglich in den Yer-
zeichnissen der Truppen unter Arcadius und Honorius die alten numeri
ausfindig zu machen. Yon Palmyrenern, wo dazu noch am ersten
Aussicht wäre, führt die Notitia Orienfis zwei Reiterabtheilungen auf,
unter den vexillafiones comifatenses des magister militum per Orientem
den cuneus equitum secundorum Palmyrenorum und unter den Truppen
der Thebais die ala octava Palmyrenorum ^. Eine oder beide mögen
aus dem aus Fussvolk und Reiterei gemischten Numerus der Pal-
myrener hervorgegangen sein; aber eine Gewähr dafür ist nicht
zu geben, um so mehr als palmyrenische Infanterie in der Notitia
mangelt.
Für die Epoche, in welcher die Lagerbeschreibung abgefasst
ist, ergibt sich hieraus mit genügender Sicherheit das dritte Jahr-
hundert, womit freilich insofern wenig gewonnen ist, als aus andern
1) Not. Or. 7, 34. 31, 49. Daraus wird nicht geschlossen werden dürfen,
dass es acht palmyrenische Alen gegeben hat; es scheinen hier vielmehr, wie
bei der ala quarta Brittonum, der septima Sarmatarum, der octava Franconm,
der quintadecima Garduenorum u. s. w., Reihen zu Grunde zu liegen, bei welchen
das Ethnikum sich nur auf das einzelne Glied bezog.
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 115
Gründen diese Abfassungszeit jetzt allgemein angenommen wird^.
Eine nähere Begrenzung dürfte mittelst der nationes sich kaum
erreichen lassen 2.
Die ctmei.
Cuneus als technische Bezeichnung einzelner Reiterabtheilungen,
■wie dies Wort im theodosischen Codex' und besonders in der Notitia
gebraucht wird, war für die vorconstantinische Zeit bisher nicht mit 232
Sicherheit nachgewiesen ; denn in der unter Philippus geschriebenen
Inschrift aus Cumberland* des cuneus Frisionum AhaUavensium
schwankt die Lesung zwischen cuneus und numerus. Zwei im
November 1883 am Hadrianswall in Britannien bei Housesteads
gefundene, von "W. Thompson Watkin ^ herausgegebene Inschriftsteine
ohne Zweifel eben dieser Truppe aus der Zeit Alexanders haben
diese Frage entschieden und gezeigt, dass Hübner in der späteren
Bearbeitung jenes Steins mit Recht sich für die Lesung cuneus ent-
schieden hat. Vielleicht ist es nicht Zufall, dass das Wort in dieser
technischen Verwendung zuerst für die Friesen begegnet — acies,
sagt Tacitus von den Germanen, per cuneos componitur. Dass diese
cunei des dritten Jahrhunderts, eben wie die vexillationes des zweiten
(S. 104), den numeri beizuzählen sind, folgt aus der obigen Dar-
stellung und ist für den numerus equitum oder cuneus Sarmatarum
geradezu bezeugt (S. 111 A. 1). Ich wiederhole die beiden inDeutsch-
1) Die Frage ist zuletzt von W. Förster Rhein. Mus. 34, 237 erörtert, wo
die früheren Untersuchungen angeführt sind. [Vgl. dagegen v. Domaszewski in
seiner Ausgabe des Hyginus (Leipzig 1887) S. 69 f.; gegen ihn Jung, Wiener Studien
11, 1889 S. 153 f.]
2) Wenn Marquardt (Handb. 2 ^, 600) aus dem Auftreten der Palmyreni die
Abfassung vor Caracalla gefolgert hat, weil Palmyra zur Zeit Ulpians (Dig. 50,
15, 1, 5) colonia iuris Italici gewesen sei und demnach Palmyrener nicht unter
den nationes hätten dienen können, so widerstreitet dem die notorische That-
sache, dass Palmyra bis auf seine Zerstörung seine nationalen Besonderheiten,
j sogar seine Sprache und seine Schrift bewahrt hat. Wie mit dieser unbestreit-
baren Thatsache das Zeugniss Ulpians in Einklang zu bringen sei, gehört zu dem
Problem, über das früher S. 84 f. gesprochen worden ist.
3) Zuerst in der Verordnung von 347 (C. Th. 5, 6, 1), wo den legiones die
vexillationes comitatenses seu cunei entgegengesetzt werden. Vgl. die diocletianischen
Constitutionen Cod. lust. 7, 64, 9. 10, 55, 3 und Ammianus 31, 16, 5.
4) C. VII, 415 = Eph. III p. 130 [Dessau 2635]. Auch in der Inschrift Eph.
[tl p. 125 n. 85 [= Dessau 4544] von Brougham kommt ein cuneus vor, doch
st Name wie Zeit unsicher.
5) Im Newcastle Daily Journal 31. Jan. 1884 , dessen Mittheilung ich Hm.
\Vatkin verdanke. Eine andere Abschrift sandte mir Hr. Haverfield in Oxford.
Wß Die Conscriptiousorclnung der römischen Kaiserzeit.
land zur Zeit wenig bekannten Inschriften nach der Lesung von
Watkin:*) Deo \ 3Io,rti et dudbus \ Alaisiagis et n(uminibus) Aug(ust,o-
233 rum)^ \ Ger(mani) cives Tuilianti"^ \ cunei Frisiorum \ VER • SER^
*) [Eph. ep. VII, 1040. 1041 = Dessau 4760. 4761. Vgl. dazu Scherer
S.-Ber. Akad. Berlin 1884 S. 571 ff.; weitere Literatur bei Ihm, Pauly -Wissowa
RE. I, 1275 und Golther, Handb. d. german. Mythologie (Leipzig 1895) S. 204 A. 2.]
1) Dies ist die correcte Auflösung der auf britannischen Inschriften sehr
häufigen, sonst nicht gerade geläufigen Formel. Der Plural numinibus ist viel-
fach sicher bezeugt, der Singular auf keiner britannischen Inschrift vollständig
gesichert (denn VII 170. 936 sind nicht ausreichend beglaubigt) und auch ausser-
halb Britannien findet sich zwar beides, aber überwiegt entschieden der Plural.
Atcgustor(um) ausgeschrieben findet sich C. III, 751 [= 7434 = Dessau 1855].
VII, 503 [Dessau 4714]. VIII, 8808. Orelli 1961 [C. I. L. XIII, 5639], Augusti oder
Augiistis vielleicht nirgends, Augg. und Aug. sehr oft. Die Formel wird (abge-
sehen natürlich von den auf den ersten Kaiser sich beziehenden Ausdrücken
numen Augusti Orelli 2489 [C. I. L. XII, 4833 = Dessau 112] und numen Augustum
Orelli 686 [C. I. L. XI, 3303 = Dessau 154]) nicht leicht auf den regierenden
Kaiser allein bezogen (ausnahmsweise C. VI, 544 [= Dessau 1540]: numini . . . .
Traian. Aug.; VII, 319: deabus Matribus tramarinis et n. imp. Alexandri Aug.
et. lul. Mammeae .... toti[que] domui divin[ae] ; VII, 996 [= Dessau 4728] : deo
Mogonti Cod. et n. d. n. Aug.; vgl. VII, 882), sondern pflegt die Gesammtheit
der Kaiser und <3es Kaiserhauses zu umfassen, wie sie im Kaisercultus zusammen-
gefasst werden ; am deutlichsten C. VIII, 5177: numini divor(um) Augustorum (so
auch II, 2009) et imp. Caes Traiani Hadrian. Aug.; sehr oft, besonders
auf stadtrömischen Inschriften, steht dafür numini domus Atcgustae (oder domus
Augustorum Eph. II, 349 [C. I. L. III, 6992 = Dessau 314]), zuweilen mit ange-
hängtem Namen des regierenden Kaisers (im Genitiv VI, 542 [ist zu streichen].
VIII, 5177; im Dativ Eph. II, 349 [C. I. L. III, 6992 = Dessau 314]), öfter allein.
Sie ist nicht eigentlich dedicatorisch, sondern entspricht im Gebrauch ungefähr
den noch gewöhnlicheren piv salute dominorum und in Iwnorem domus divinae;
die eigentliche Dedication folgt häufig nach (C. V, 6885 [= Dessau 4850/].
VI, 236 [= Dessau 3668]. 240. 338 [= Dessau 3445]. Orelli 5216. 6587 [C. I. L.
XIII, 1640. 1730]). Es ist in jeder Hinsicht unmöglich das folgende Germ, an
diese Formel anzuschliessen.
2) Dies wird erklärt werden müssen nach dem Schema natione Afer, civis
Carthaginiensis. Indess so häufig bei Heimathbezeichnungen die Landschaft und
die Stadt neben einander erscheinen, so ungewöhnlich ist die Verbindung von
Landschaft und Gau; was bei den Interpretationsversuchen, die nicht ausbleiben
werden, berücksichtigt werden sollte. Die nähere Bestimmung dieser sicher ger-
manischen, wahrscheinlich friesischen Tuihanten ist nicht meine Aufgabe; der
nahe liegenden Identification mit den Tubanten widerstreiten die über deren
spätere Wohnplätze erhalteneu Nachrichten (vgl. Ptolemaios 2, 11, 11) [vgl.
Scherer a. a. 0. S. 573].
3) In VER • SER kann allenfalls ve(te)r{anorum) Se(veJr(ianorum) stecken;
aber freilich steht die Annahme solcher Handhabung der syllabarischen Abkürzung,
wie etwa noch VII, 180: deo Marti et nu(mini)b(us) Aug(ustorum), der Annahme
eines Schreibfehlers ungefähr gleich [vgl. Limesblatt 1897 S. 665 f.]. Watkin
sucht in Ver. einen Localnamen; und da die unter Philippus hei Aballava
Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit. 117
Alexand\riani votum | solveru[nt] \ Uhent[es]. Ferner Deo \ Marti \
Thingso^ | et cluahus \ Alaisiagis \ Bede et Fi\mmilene'^ \ et n(ii'mini-
hus) Aug(ustorum) Ger\(mani) cives Tu\ihanti \ v(otum) s(olverunt)
l(ihentes) m(erito). — Für unsere Untersuchungen ist der Fund
auch insofern wichtig, als dadurch auf die Behandlung Britanniens
in der Notitia Dignitatum ein weiteres Licht fällt. Dass diese
im Allgemeinen nicht der späteren, sondern der vorconstan-
tinischen Militärordnung folgt und sowohl die Benennungen der
Truppenkörper wie die Namen der einzelnen Abtheilungen wesent-
lich dem älteren Schema entsprechen, habe ich theils anderweitig
bemerkt^, theils in Betreff der numeri oben dargelegt. Aber wenn
ich früher zulassen zu müssen glaubte, dass einzelne Abtheilungen
darunter den Stempel des 4. Jahrhunderts tragen, so dachte ich 234
dabei vorzugsweise an den cuneus Sarmatarum. Nachdem jetzt fest-
steht, dass es ciinei schon im dritten Jahrhundert gegeben hat, wird
vielmehr gesagt werden müssen, dass in den beiden Britannien
betreffenden Kapiteln nicht eine einzige sichere Spur nachdiocletia-
nischer Abfassung zu finden ist*, und die Vermuthung gewinnt immer
mehr an Wahrscheinlichkeit, dass diese beiden Abschnitte uns die
militärischen Verhältnisse Britanniens nicht so darlegen, wie sie im
J. 400, sondern vielmehr wie sie um das J. 300 waren. Wer sich
erinnert, dass eben um jene Zeit die britannischen Römer vom
Reiche aufgegeben wurden, wird es in der That kaum glaublich
finden, dass in Betreff der dortigen Truppen die Kanzlei des occi-
dentalischen Reiches auf dem Laufenden gewesen sein soll.
lagernde Truppe uuter Alexander bei Housesteads stand, so sollte man allerdings
den alten Namen dieses Castells hier erwarten. [Huebner glaubt an ein Ver-
sehen für SEVER., Tgl. Ephem. a. a. 0.] Dasselbe gilt aus guten Gründen für
das Borcovicium der Notitia, womit Velurtion des Ravennas identisch zu sein
scheint; vielleicht ist die richtige Form Vercovicium.
1) The first letter, bemerkt Watkin, seems like TB. Ugulate, but the horizontal
strdke is prohably an accidental Scratch [auf dem Steine steht Thingso, vgl. Eph.
ep. VII n. 1040; T{?)hincso las Watkin].
2) Das erste gebundene Zeichen dieser Zeile ist nach Watkin . entweder MM
oder NM oder MIN [es ist MM, vgl. Ephem. epigr. a. a. 0.].
3) Eph. epigr. V p. 163.
4) Der numerus Maurwum Aiirelianorum mag nach Aurelian heissen, die
ala prima Hercicla (so die Handschriften) nach Maximian; die Bildung der »a'Zifes
Tungreeani, der equites Stablesiani dem vierten Jahrhundert zuzuweisen berechtigt
nichts. Aelter freilich als Diocletian können diese Kapitel nicht sein, besonders
wegen des comes litoris Saxonici.
IV.
Ägyptische Legionare.*)
443 Vegetius, indem er bemerkt, dass bei dem Legionsdienst des
Schreibens und des Eechnens kundige Leute nicht fehlen dürfen,
begründet dies eingehend (2, 19): totius enim legionis ratio, sive
öbsequiorum sive militarium munerum sive pecuniae, cotidie adscrihitur
actis maiore prope diligentia, quam res annonaria vel civilis in
polyptychis adnotafur: cotidianas etiam inpace vigilias, item excuhitum
sive agrarias de omnibus centuriis et contuherniis vicissim milites
faciunt. ut ne quis contra iustitiam praegravetur aut alicui praestetur
immunitas, nomina eorum, qui vices suas fecerunt, hrevibus inseruntur.
quando quis commeatum acceperit vel quot dierum, adnotatur in
hrevibus. Ein Stück solcher brevia ist kürzlich in Aegypten zum
Vorschein gekommen und von zwei namhaften Genfer Gelehrten,
lules Nicole und Ch. Morel in Sonderpublication (archives militaires
du I siecle. Genf 1900) mit Facsimile herausgegeben worden.**)
Ich beabsichtige nicht den gesammten Inhalt des opistho-
graphen Blattes hier zu wiederholen und zu erläutern; es soll nur
eine kurze Uebersicht des Inhaltes gegeben und der wichtigste Be-
standtheil, die Soldberechnung zweier Legionare, näher erörtert
werden.
Die Vorderseite des Papyrus zeigt in der Ueberschrift den Rest
des Consulats 81 n. Chr. . . . L. Äsinio cos^. In dem Soldverzeich-
niss, wovon die beiden letzten Columnen erhalten sind, ist diesen
vorgeschrieben an(no) III Do(mitiani), d. h. nach der ohne Zweifel
hier zu Grunde liegenden ägyptischen Jahrbezeichnung 29. August
*) [Hermes 35, 1900 S. 443—452; vgl. S. 532.]
**) [Zuletzt behandelt von Premerstein, Klio 3, 1903 S. 1—46, wo auch
die weitere Literatur verzeichnet ist. Vgl. auch Viereck in Bursians Jahres-
berichten 1906, 3 S. 94 f.]
1) Der sonst nicht bekannte Vorname dieses Consuls erscheint mir auf der
Photographie deutlich mit vorhergehendem leerem Raum, und ebenso liest
Nicole. Morel meint vielmehr et zu erkennen.
Ägyptische Legionare. 119
83/4. Die in der letzten Columne der Vorderseite zusammengestellten
Urlaubsvermerke beginnen: exit .... anno III[I im}). Tito ]
Octobres, r(edit) anno codem XII k. Februarias und fahren fort: exit
.... anno I imp. Domitiano .... r(edit) anno eodem III idus lulias. 444
Diese Notiz ist also begonnen zwischen dem 14. September und
dem 14. October 81, bevor die Kunde von dem am 13. September
erfolgten Tode des Titus nach Aegypten kam, und dann weiter
geführt bis 13. Juli 82; der annus IUI Titi (29. August bis 13. Sep-
tember 81) und der annns I Domitiani (14. September 81 bis 28. August
82) sind identisch. Unter den späteren analogen Vermerken ist der
jüngste datirt anno VII Domitiani III Je. Octoh[r€s], 29. September
87. Demnach ist die Liste angelegt worden im Todesjahr des
Titus 81 n. Chr. und, von verschiedenen Händen fortgeführt, in
Gebrauch geblieben bis zum Jahr 87. — Die Rückseite, welche nach
Cassirung der Vorderseite geschrieben ist, lässt sich nur insoweit
datiren, dass die darin aufgeführten Tage bezeichnet sind als
l'. I)omitia(nis) und so weiter bis VI idus I)[omitianas\, Sie ist
also bald nach Cassirung der Vorderseite aufgesetzt, da die Um-
nennung des Monats October in Domitiamis (Sueton Dom. 13) nach
dem vorher Bemerkten nach 87 zu fallen scheint, aber in den
Jahren 88/9 (nach einem von den Herausgebern angeführten Genfer
Papyrus) und 89/90 (nach drei anderen, einem Londoner Pap. of
the Br. Mus. 2 n. 259 p. 39, einem Berliner, Wilcken Ostraka 1, 810
und einem Oxforder, Grenfell und Hunt Oxyrhynchus 2 p. 164)
bereits eingeführt war; mit der Katastrophe Domitians im Jahre 96
verschwindet sie wieder. — Ein auf der Vorderseite, aber nach
Umkehrung und Cassirung derselben geschriebener Vermerk, be-
ginnend imp. Domitiano XV cos., also aus dem Jahre 90, kann der
Rückseite gleichzeitig sein.
Ich verzeichne die einzelnen Schriftstücke.
1. Die — unter dem schon angegebenen Rest des Sammttitels:
. . . L. Asinio cos. und mit der, auch vielleicht zu Anfang unvoll-
ständigen, wahrscheinlich den Schreiber nennenden Unterschrift
L. Etmius Innocens — von mehreren vermuthlich gleichartigen Co-
lumnen übrig gebliebenen beiden letzten tragen als Ueberschriften
zwei Soldatennamen.
Q. Iidiiis Proctdus Gan(gris?)^
1) Die Lesung ist unsicher, vielleicht mit Morel so wie oben angegeben
zu fassen [[D]am(asco) Premerstein a. a. 0. S. 5 A. 1 nach Seymour de
Riccis Lesung].
120 Ägyptische Legionare.
C. Valerius Germanus Tyr(o) ^ und führen mit der überall gleich-
445 lautenden Eingangsformel: accepit stip. I (oder II oder III) an.
III BoJ^) (nachher «wm emscZem) dr. CGXL F7/7 die Löhnung dieser
beiden Leute in Einnahme, Ausgabe und Kassenrest auf, wie dies
weiterhin näher ausgeführt werden soll.
2. Eine neben den beiden vorigen stehende am Zeilenschluss
beschädigte Columne nennt vier einzelne Soldaten mit römischen
Namen — die wahrscheinlich hinzugefügte Charge fehlt bis auf
c . . . . bei dem ersten — unter Hinzufügung bei einem jeden längerer
Entsendungen zum Empfang von Getreide oder zu anderen Zwecken:
ad hormos confodiendos — ad chartam conficiendam — ad moneta(m).
Beispielsweise heisst es bei dem ersten: C. Papirius Clemens c . . . .
exit ad frumentum Neapoli(m) ex ep[istula^ T. Suedi] Clementis
praef. castrorwn, welcher Offizier als praef. castrorum in Aegypten
auch auf einer Inschrift der Memnonsäule (C. I. L. III, 33) vom
Jahre 79 genannt wird. Hier ist von einer Sendung in das Haupt-
quartier die Rede; Neapolis wird als Stadttheil von Alexandreia
genannt in dem mehrfach begegnenden Beamtentitel des prociirator
Neaspoleos et mausolei Älexandriae ^. Auch die Wendung ad frumen-
tum Mercuri wird man in Verbindung bringen dürfen mit dem prO'
curator A[ug]ustor(um) ad Me[rc]urium Alexandr(eae)^.
3. Auf der gewendeten Vorderseite stehen, wie angegeben ward,
unter dem Präscript imp. Domitiano XV cos. au'^-*) vier Namen
römischer Form mit Angabe der Tribus, bei dreien der PoHia, bei
dem vierten der Collina; die Heimathangaben fehlen, scheinen aber
am Schluss gestanden zu haben. In welcher Beziehung dieselben
also verzeichnet werden, ist nicht ersichtlich.
4. Auf der Rückseite erscheint zunächst eine Aufzählung ver-
schiedener Soldaten mit Angabe ihrer Specialchargen und unter
1) Mir scheint Tyr. zu stehen, nicht Oyr.
*) [do(mini) erklärt Premerstein a. a. 0. S. 7.]
2) Der letzte erhaltene Buchstabe nach EP scheint L zu sein; die Er-
gänzung ist ganz unsicher.
3) Lyon: C. Julius Celsus C. L L. XII, 1868 = Dessau inscr. sei. n. 1454;
Saldae in Mauretanien: Sex. Cornelius Dexter C. I. L. VIII, 8934 = Dessau 1400;
Magnius Rufiuianus Berliner Papyrus BGU. 8, 2, 28. Einen Theil dieser Nach-
weisungen verdanke ich Wilcken. Unmöglich kann mit Morel an die Kaivrj
TToAt? der Thebais gedacht werden, wenn diese gleich bei Herodot Nerj nöXig
heisst.
4) Diesen nennt die capuanische Inschrift C. X, 8847 = Dessau 1398.
Morel denkt an Hermupolis magna.
**) [M Premerstein.]
Ägyptische Legionare. 121
Beisetzung bei den einzelnen Namen der Zahl I oder, wo mehrere
zusamraengefasst werden, der entsprechenden Zahl. Von diesem
Schriftstück ist der Schluss der vorletzten und die letzte Columne
einigermaassen erhalten. Am Ende der vorletzten erscheint die Be-
zeichnung equites mit der Ziffer II; darunter zwei Namen. Die letzte 446
Columne beginnt mit den "Worten:
reliqui XXXX, ex eis opera vacantes
Darauf folgt weiter — die unsicheren Lesungen sind in ( ), die Er-
gänzungen in [ ] gegeben;
armoruni ctcstos I
conductor: Porcius I
carrarius: (Si)vinius*} I
secutor tri\buni]: . . . tius**) Severus I
custos domi . . . iti . . .;***) Stanis I
librarius et (discens)'^) II
Curiati(us) . . . s
Aureli(us) . . s
supra niimer[ttm] .... I
Domitius ...
stafionem a[gens] I
Domitius ....
f[itmt Villi?]
Nach Aufzählung dieser neun vom Dienst Befreiten wird abermals
die Summe gezogen:
reliqui XXXL
Es scheint hier eine Uebersicht sämmtlicher der betreffenden Ab-
theilung angehöriger Soldaten vorzuliegen mit Angabe der einem
jeden zugewiesenen militärischen Beschäftigung, so dass am Schluss
neun befreite Leute und 31 nicht fest verwendete munifici ver-
bleiben. Indess ist dies Schriftstück so unvollständig und zerstört,
dass damit wenig anzufangen ist.
5. Den grösseren Theil der Rückseite füllt eine recht eigentlich
den brevia des Vegetius entsprechende Tafel, welche in ihren Längs-
ßtreifen die Namen von 36 Soldaten aufführt, in ihren Querstreifen
die ersten zehn Octobertage, wie schon gesagt, von /;. Dom. bis
VI id. Dom. Weitere Namen folgten nicht, wohl aber folgten weitere
*) [Plotinus Premerstein a. a. 0. S. 23 nach dem Facsimile.]
**) [nutius Premerstein.]
***) [Sallustius Premerstein.]
t) [ce[r]aiM[s] Premerstein.]
\22 Ägyptische Legionare.
Tagescolumnen. Das Jahr ist nicht angegeben. Die 36 Soldaten
werden bezeichnet mit den drei römischen Namen ohne Angabe der
Tribus und der Heimath; einer derselben T. Flavius Yalens kehrt
wieder unter den vier im zweiten Schriftstück genannten. Zwei
Homonyme C. lulii Longi werden unterschieden durch die Zusätze
Sipo und Miso, vielleicht castrensische Beinamen. Es bildete sich
447 also für jeden Soldaten und für jeden Diensttag ein Rechteck, in
welches der Tagesdienst des einzelnen Mannes eingetragen werden
konnte. Ein grosser Theil dieser Quadrate ist nicht ausgefüllt;
vermuthlich sind nur Specialmandate verzeichnet. Einzelne derselben,
wie das hier mehrfach wiederkehrende exit mit folgendem Deter-
minativ, weiter ein unverständliches pro quintane . ., erstrecken sich
über mehrere Tage; die meisten, auch gleichmässig sich wieder-
holende, beschränken sich auf den einzelnen Tag. Yon manchen ist
die Bedeutung klar: armamenta — signis — harena — calcem —
via Nico(polim?) — sta(fio) principis — sta(tio) por(tae) — stati[d\
ad Serenu(m); mehrfach findet sich Zuweisung zu einzelnen Centurien:
in 7 Hell — Sereni 7 — D. Decri 7. Die Beischrift pagano cidtu,
welche, wie Morel erinnert, in metaphorischer Anwendung in Plinius
Briefen (7, 20) wiederkehrt, wird die Aufsichtführung über die für
die Truppe thätigen Feldarbeiter bezeichnen. Anderes bleibt
wenigstens zur Zeit dunkel, so die häufigen Angaben strigis und
lallio.
Die Truppenabtheilung, von welcher diese Aufzeichnungen her-
rühren, gehörte ohne Zweifel einer Legion an. Alle darin begeg-
nenden Vollnamen haben die römische Form; die Tribus, und zwar
überwiegend die castrensische Pollia, erscheint in dem dritten Stück ;
die Heimathangabe steht in dem ersten und stand wohl auch in
dem dritten. Gehörten diese Aufzeichnungen einer Auxiliartruppe
an, so würden unrömisch gebildete Namen nicht mangeln. Dass
diese Abtheilung nicht in dem alexandrinischen Hauptquartier stand,
ist wahrscheinlich, weil sie, um Getreide zu empfangen, wie bemerkt
ward, nach Alexandreia schickte. Die Gesammtzahl der Abtheilung
kann nicht viel höher als 40 gewesen sein, da vor den reliqui XXXX
verzeichneten Namen wohl nur die der Chargirten gestanden haben
können. Dazu passt auch die 36 Namen aufführende Liste, da
diese vermuthlich nur die eigentlichen munifici nannte und, obgleich
sie freilich auf anderen gleichartigen Blättern ihre Fortsetzung ge-
habt haben kann, vermuthlich vollständig ist. Immer wird mit
einiger "Wahrscheinlichkeit angenommen werden dürfen, dass diese
Ägyptische Legionare. 123
Mannschaften keine feste Legionsabtheilung bildeten, sondern eine
abcommandirte legionare vexiUatio, eine statio agraria^. Es ist
löglich, dass eine solche in Arsinoe stand, obwohl dies aus dem
mdort des Blattes nicht mit Sicherheit gefolgert werden darf.
Bei weitem das wichtigste Stück unter den hier erhaltenen ist 448
ie Aufzeichnung hinsichtlich der Soldzahlung. Ich stelle zunächst
lie beiden wesentlich gleichförmigen Rechnungen in ihren Ergeb-
lissen zusammen; kleine Abweichungen und Ergänzungen bezeichne
^ch nicht besonders, da alles Wesentliche feststeht.
In Einnahme wird jedem der beiden Soldaten gestellt für das
Iritte (ägyptische) Jahr Domitians:
accepit stip. I dr. CCXLVIII
II dr. CCXLVIII
III dr. CCXLVIII
In Ausgabe wird gestellt für den ersten Viermonattermin:
eis faenaria dr. X
in victum dr. LXXX
caligas fascias dr. XII
saturnalicimn Jc(astrense) ^ dr. XX
in vestime[ntum] (oder [in
vesti]torium) dr. LX Proculus; ^r. C Germanus
expensas dr. CLXXXII dr. CCXXII
Für den zweiten Viermonattermin :
ex eis faenaria dr. X
in victum dr. LXXX
caligas fascias dr. XII
ad signa dr. IV
expensas dr. CVI
Für den dritten Viermonattermin;
ex eis faenaria dr. X
in victum dr. LXXX
caligas fascias dr. XII
in vestimentis dr. CXLVI
expensas dr. CCXLVIII
1) Ammianus 14, 3, 2. Vegetius a. a. 0.
2) So dürfte aufzulösen sein, wie im diocletianischen Edict, nicht Jc(alendis).
I
124 Ägyptische Legionare.
Die Bilanzen stellen sich verschieden für die beiden Soldaten:
Proculus: Germanus:
1. Termin:
reliquas deposuit dr. LXVI dr. XXVI
et häbuit ex prio[reY dr. CXXXVI*) dr. XX
fit summa omnis dr. CCII dr. XLVI
449 2. Termin:
reliquas deposuit dr. CXLII dr. CXLII
et hahuit ex priore dr. CCII dr. XL VI
fit summa omnis dr. CCCXLIV dr. CLXXXVl
3. Termin (in dem Einnahme und Ausgabe sich decken):
habet in deposito dr. CCCXLIV dr. CLXXXVl
Zunächst bestätigt diese Aufstellung, was wir schon wussten,
dass die römische Soldzahlung in Viermonatterminen, also dreimal
im Jahre stattfand. Dass dabei wenigstens in unserer Liste das
ägyptische Jahr zu Grunde gelegt ist, bestätigt sich durch die Ein-
setzung der Verabreichung für die Saturnalien (Dec. 17 fg.) in den
ersten Termin.
Dass das Stipendium des Legionars von Caesar auf 75 Denare,
der Jahressold auf 225 Denare festgesetzt war und dieser Satz blieb,
bis Domitian ihn auf 100 Denare erhöhte, steht fest-. Es fragt
sich, wie der in dem Papyrus angegebene Betrag von 248 Drachmen
für das Stipendium oder von 744 Drachmen für die Jahreslöhnung
sich dazu verhält, oder, was dasselbe ist, wie die ägyptische Silber-
drachme dieser Epoche — dass diese gemeint ist, kann keinen
Augenblick zweifelhaft sein ^ — sich verhält zu dem römischen Denar.
Nominell wird bekanntlich der römische Silberdenar in Aegypten
als Tetradrachmon behandelt und es würde danach das Stipendium
sich auf 300 Drachmen Silbers stellen, während die Urkunde nur
248 Drachmen ansetzt. Allein neben der Silberdrachme von 7 oder
7^4 Obolen (der Denar wird auf 28 oder 29 Obolen angesetzt) gab
es eine Kupferdrachme von 6 Obolen, auf welche die Provinzial-
450 münze ausgebracht ward*. Nimmt man an, was alle Wahrscheinlich-
1) Dies weist auf entsprechende Verzeichnungen aus dem Vorjahr zurück,
die füglich in den fehlenden Columnen gestanden haben können.
*) [CXXXV Premerstein a. a. 0. S. 5.]
2) Es genügt die Verweisung auf Marquardts Staatsverwaltung 2, 96. 480.
3) Das zeigt auch die Fassung reliquas. Morel hat, indem er dr. durch
denarios auflöste, die richtige Auffassung des Schriftstückes verfehlt.
4) Metrologisches Fragment bei Grenfell und Hunt Oxyrhynchos papyri
vol. 1 p. 77: e'xi ;!faA«£tj'j; oßoXovg g . . . s'xei öga^f^i] oßoXovg imd. Uebrigens
Ägyptische Legionare. 125
keit für sich hat, dass die in Silber zahlende römische Behörde den
Denar nach diesem Satze anrechnete, so konnten hei dem Curs
1 : 29 mit 62 Denaren oder 248 Silberdrachmen effectiv 300 ägyp-
tische Drachmen (genau 62x29 = 1798 Obolen) beglichen werden,
und so wird hier verfahren worden sein. Ohne Zweifel lag in dieser
Substituirung der Drachme von 6 für die Drachme von 7 Obolen
factisch eine Soldreduction , die insbesondere bei den Ersparnissen
der Mannschaften sichtbar wurde; aber bei der ohnehin zurück-
gesetzten Stellung der ägyptischen Legionen kann eine derartige
Plusmacherei der kaiserlichen Kasse nicht befremden. Danach liegt
der von Caesar eingeführte Löhnungsbetrag auch hier zu Grunde;
die Erhöhung durch Domitian ist erst nach Abschluss dieser Urkunde
eingetreten.
Dass diese Löhnung factisch nicht ausgezahlt, sondern dem
einzelnen Soldaten theils für seine Bedürfnisse verrechnet, theils
gutgeschrieben wurde, zeigt unsere Urkunde zum ersten Mal in
voller Deutlichkeit. Die fälligen Soldbeträge verblieben in der
Kasse der betreffenden Abtheilung, wahrscheinlich nach der Angabe
des Vegetius (2, 20) und nach der Natur der Sache an der Central-
stelle, in der Gehörte bei den signa. Dass noch in der besseren
Kaiserzeit dem Soldaten, was er verbrauchte, am Solde gekürzt
ward, wussten wir^; aber jetzt erst ersehen wir, dass ihm überhaupt 451
kann ich für diese Ausführung auf Wilekens Ostraka 1, 732 fg. verweisen.
Zweifelhaft ist mir nur eine allerdings sehr wichtige Frage: ob die Gegensätze
von Silber und Kupfer mit Recht auf das Billon der Tetradrachmen und das
Kupfer der Obolen bezogen, oder nicht vielmehr die römische Reichsmünze
und die ägyptische Prägung damit bezeichnet worden. Scheidemünze kann
neben dem dazu gehörigen Gi-ossgeld zu einem besonderen Curs nur gelangen,
wenn sie in Massen geprägt wird, um auch in Grosszahlungen verwendet zu
werden; das scheint auf das ägyptische Kleingeld der Kaiserzeit keineswegs zu
passen. Andererseits kann das von Tiberius eingeführte Billon, in dem Silber
und Kupfer normal sich wie 1 : 3 verhielten, insbesondere wenn man erwägt,
dass die Römer der guten Kaiserzeit auch der Kupferprägung einen gewissen
Metallwerth gaben, füglich als Kupfergeld betrachtet werden. Das fast voll-
ständige Schweigen der ägyptischen Urkunden von dem Denar, der doch sicher
auch dort umlief und dem Aureus zu Grunde lag, ist eine weitere Bestätigung
für diese Annahme. Dass der Denar hier nicht mit seinem römischen Namen,
sondern nach Drachmen Silbers bezeichnet wurde, entspricht genau der formell
festgehaltenen Selbständigkeit des Königreiches. Wenn ,ptolemäische Drachmen'
in den ägyptischen Urkunden bis hinab in die claudische Zeit genannt werden,
so ist wahrscheinlich einfach der Denar gemeint, der dem Aegypter füglich
erscheinen konnte als die alte Silberdrachme der Königszeit.
1) Bei Tacitus ann. 1, 17 klagen die Legionare : denis in diem assibus ani-
mam et corpm aestimari, hinc vestem arma tentoria . . . redimi. Dass die Kost
126 Ägyptische Legionare.
für seine Bedürfnisse kein Geld in die Hand gegeben, sondern nach
einem wenigstens im Ganzen fest regulirten System das Erforder-
liche ihm geliefert wurde. Diese Lieferung muss durch Angestellte
oder Unternehmer bewirkt worden sein, denen für den Kopf ent-
sprechende Beträge gezahlt und diese in der Löhnungsberechnung
dem Soldaten zur Last geschrieben wurden. Die einzelnen Posten,
welche in den Rechnungen erscheinen, sind die folgenden, wobei
nicht zu übersehen ist, dass auch sie auf die Silberrechnung gestellt
sind, also die Drachme nicht 6, sondern 7 oder 7^/4 Obolen des
ägyptischen Courants gleichsteht.
In victum, für die Kost, durchgängig in jedem Termin für den
Mann 80 Drachmen oder täglich nahezu 5 Obolen, In den berühmten
ägyptischen Gutsverwalterrechnungen vom Jahre 78/9 n. Chr. ist der
gewöhnliche und niedrigste Tagelohn 3 Obolen.
In vestimentum^ im ersten Termin 60 oder 100 Drachmen (dies
ist der einzige Ansatz, in welchem die Personen differiren), im
zweiten nichts, im dritten 146 Drachmen.
Caligas faseias, Stiefel und Strümpfe^, durchgängig in jedem
Termin 12 Drachmen.
Faenaria, wofür in jedem Termin 10 Drachmen ausgeworfen
werden, scheinen, da Tacitus unter den dem Soldaten in Rechnung
gestellten Gegenständen die tentoria aufführt (S. 125 A. 1), die
Bettung und was damit zusammenhängt zu bezeichnen. An die
Kosten für Pferdeverpflegung mit den Herausgebern zu denken,
verbietet, abgesehen davon, dass nichts dafür spricht, dass die beiden
Soldaten beritten waren, die geringe Höhe der Summe.
Äd Signa, wofür im zweiten Termin 4 Drachmen ausgesetzt
worden, beziehen die Herausgeber auf die von Vegetius (2, 20) er-
wähnte Sterbecasse, den Saccus undecimus neben den zehn Cohorten-
kassen, in quem tota legio particulam aliquam conferehaf, sepuUurae
scilicet causa, ut si quis ex contuhernalibus defecisset, de illo undecimo
sacco ad sepuUuram ipsius promeretur expensa. Dafür würde man
eine präcisere Bezeichnung erwarten. Eher könnte man an einen
Beitrag denken für Instandhaltung der Feldzeichen.
nicht abgezogen ward, ist hieraus mit Unrecht geschlossen worden (Marquardt
a. a. 0. S. 97 A. 1). Nur den Prätorianern wurde seit Nero diese unentgeltlich
gewährt (Tacitus ann. 15, 72: addidit sine pretio frumentum, quo ante ex modo
annonae utebantur ; Sueton Ner. 10: constituit . . . praetmianis cohoiiibus frumen-
tum menstruum gratuitum).
1) Ulpian Dig. 34, 2, 25, 4: fasciae crurales pedulesque .... vestis loco sunt,
quia partem corporis vestiunt. Plinius n. h. 8, 57, 221: Carboni imp. apud Clusium
(mures adrosis) faseeis, quihis in calciatu utebatur, exitium fportendebant).
Ägyptische Legionare. 127
Yon Aufwendungen für die Waffen, deren Tacitus gedenkt, 452
sprechen unsere Listen nicht.
Das saturnalic'mm h(astrense) von 20 Drachmen im ersten Termin
ist ohne Zweifel bestimmt für das Saturnalienfest im December und
dürfte die einzige Summe sein, die dem Soldaten zu beliebiger Ver-
wendung in die Hand gegeben ward, obwohl auch dies bezweifelt
werden kann.
Den nicht für die Ausgaben abgeschriebenen Restbeti'ag erhalten
die Mannschaften ebenso wenig ausgezahlt, sondern ,deponiren' ihn,
wie unsere Urkunde bestcätigt, offenbar nicht freiwillig, sondern
nach fester Ordnung bei der Abtheilungskasse ^. Es ist dies das
eigentliche peculium castrense, das bei der Entlassung dem Soldaten
ausgehändigt wird, und auf dieses beziehen sich die — neben den
Militärschreibern für die Magazine und denen für die Strafgelder
und den militärischen Schreiblehrern genannten — librarii deposi-
torum^, deren einer T. Ennius Innocens unsere Urkunde abgefasst
haben wird.
1) Marquardt Handb. 2, 563. Sueton Dom. 7: L. Antonius apud duarum
hgionum hibema res novas moliens fiduciam cepisse etiam ex depositorum summa
videhatur (vgl. vita Pescennii 10). Die fällige Soldzahlung bleibt zwar ebenfalls
in der Kasse und kann rechtlich auch nur als Depositum betrachtet werden;
■aber technisch gilt als solches nur die nicht erhobene Restsumme.
2) Dig. 50, 6, 7.
V.
Praetorium.*)
437 Kein technisches Wort der römischen Militärsprache begegnet
bei unseren Limesforschern häufiger als die Benennung praetorium.
Es fragt sich aber, ob dieser Gebrauch nicht grossentheils ein Miss-
brauch ist. Dass er mindestens incorrect ist, hat kürzlich Do-
maszewski (Neue Heidelberger Jahrb. 9 S. 142) ausgesprochen; viel-
leichtaber ist er geradezu falsch.
Praetorium in der ursprünglichen Verwendung bezeichnet örtlich
den im Heerlager dem praetor^ d. h. dem befehlführenden Magistrat
vorbehaltenen Raum; das Wort muss in republikanischer Zeit auf-
gekommen sein, nachdem der rex beseitigt war und bevor die Be-
nennung consul die spätere Allgemeinheit gewann. In dem ent-
wickelten Sprachgebrauch wird das Wort neben dieser immer
festgehaltenen Verwendung in zwiefacher Weise verallgemeinert.
Einmal geschieht dies durch Hervorheben der Beziehung auf den
Feldherrn unter Zurücktreten der örtlichen; in praetorio militare
heisst nicht im Feldherrnzelt, sondern unmittelbar unter dem Feld-
herrn Dienst thun. Daraus entwickelt sich der Begriff des Haupt-
quartiers, des Gardedienstes im Gegensatz zu dem gewöhnlichen
Heerdienst. Andererseits heisst wenigstens schon in der frühen
Kaiserzeit praetorium unter Zurücktreten der militärischen Beziehung^
jede ausserhalb der Stadt insbesondere für den Beamten reservirte
Wohnung, die kaiserliche Villa ^ so wie die Statthalterresidenz und
*) [Hermes 35, 1900 S. 437—442.]
1) Dies zeigt sich besonders deutlicli in der Stelle des Tacitus ann. 3, 33,
auf die Domaszewski mich aufmerksam macht, wonach, wenn dem Feldherrn
seine Gemahlin ins Lager folgt, in demselben zwei Reservatquartiere, duo prae-
toria erforderlich sind. Die Dame mit ihrem Gefolge kann nicht an der Offizier-
tafel speisen.
2) Edict des Claudius Bais in pi'aetorio C. I. L. V, 5050 [Dessau 206] und
sonst.
Praetorium. 129
namentlich das für die amtlichen Reisen des Statthalters eingerichtete
Gebäude % aber auch im Privatverhältniss das von dem Gutsbesitzer 438
nicht für wirthschaftliche Zwecke angelegte, sondern für persönliche
Benutzung reservirte Landhaus 2.
Von diesem Sprachgebrauch dürfte auch der in den Inschriften
begegnende sich nicht entfernen.
Unter den nicht häufigen Erwähnungen des praetorium auf den
Inschriften fordern die meisten die Auffassung desselben als Statt-
halterhaus oder lassen doch dieselbe ungezwungen zu.
Köln: clis conservatorib(us) Q. Tarquitius Catulus leg. Aug., cuiu(s)
ctira 2Jraeto[r]ium in ruina[m cojnlapsum ad [no]vam faciem [est\
restitut[um\ Brambach C. L Rh. 331 [C. I. L. XIII, 8170 =
Dessau 2298].
Asturica: I. 0. m., Soli invicto, Libero patri, Genio praetor(ii) Q.
Mamil. Capitolinus . . . leg. Aug. per Asturiam et Callaeciam,
(lux leg. VII [G.] p. [f.] . . . pro salute sua et suorum. C. I.
L. II, 2634 [= Dessau 2299].
Tarraco: 7. 0. m., lunoni, Minervae, Genio praeforii consularis, diis
.... ihus T. Fl. Titianus leg. Augg. pr. pr. (praeses prov. Hisp.
citerioris auf der Inschrift II, 4118^ [et] . . . ia eins dicaverunt.
C. I. L. II, 4076 [= Dessau 2297]. Das 2^'>'ctßiorium consularis (so
wohl eher als praetorium coitsulare, wie Domaszewski West-
1) Julian C. Th. 15, 1, 8: opoiiuit praetoria iudicum et domos iudiciarias
publieo iuri atque iisui vindicari. Honorius C. Th. 15, 1, 35: de palatiis aut prae-
toriis iudicum. Vgl. C. Th. 1, 22, 4. C. lust. 1, 40, 15. Darauf beziehen sich die
praetoria der Provinz Thrakien, deren Anlegung unter Nero eine Inschrift (C.
I. L. III, 6123 vgl. 14207^* [= Dessau 231]) bezeugt: [Nero Clattdius] tabernas
et praetoria per vias militares fieri iussit per T. lulium [I]ustum proc. provinciae
Thrac(iae) und die dann Severus wieder aufnahm. Nach einer kürzlich ge-
fundenen Urkunde (Bull, de corr. hell. 22 p. 472 fg. [Dittenberger Sylloge*
n. 932 = Inscr. Gr. ad res Rom. pert. I, 766J) wurde im Jahre 202 der Markt-
flecken (ifijiÖQiovJ Pizos in dieser Provinz unweit von Philippopolis gegründet und
aus den benachbarten Ortschaften eine Anzahl Colonisten dort angesiedelt;
in dem darauf bezüglichen Erlass des kaiserlichen Statthalters Q. Sicinnius
Clarus heisst es (Z. 246 fg.): ^sgi 8k rcöv oixo8ofit]fA.är(ov ojico? imf.ie?.siag rvvxdvovza
stg äel 8ia/.ievoi, xelevco lovg TOJiägxovg xai roiig i:7ii[atd]&/xovg ozQaxioixag \ji\a[Q\a
x&v e:ii(j.eXr}xä)V JiaQaXa[vß\a\yei\v xä JigaixcoQia xal xä ßakavela Jiavxaxö&ev oköxXrjoa.
Gemeint sind die an den Mansionen angelegten Nachtquartiere nebst ihren
Bädern. — An solche praetoria knüpfen die der peutingerschen Tafel an.
2) Ulpianus Dig. 50, 16, 198 rechnet die praetoria wluptati tantum deser-
vimtia zu den nicht in oppidis befindlichen urbana aedificia. Derselbe unter-
scheidet 7, 8, 12 villa und pi'aetorium als Nutz- und Luxusbauten. Papinian
Dig. 32, 91, 1 spricht von praedia cum praetoria in ähnlichem Sinn.
MOMMSEN, SCHB. VI. 9
130 Praetorium.
deutsche Ztschr. 14, 101 meint, da consularis als Adjectiv nur
von consid, nicht von consularis verwendet werden kann) ist
die Amtswohnung des Statthalters der Provinz, der in Be-
ziehung auf diese nicht titular, sondern mit der üblichen Kurz-
formel bezeichnet wird.
439 Apulum: Genio praetorii huius M. Vol. Longinus [v. c. leg.] leg. XIII
g[em.] Severiana[e] cum suis votum solvit. C. I. L. III, 1019.
Die Parallelinschrift, dem I. o. m. conservator gewidmet (C. I.
L. III, 1 020), deutet darauf hin, dass der Genius des Gebäudes
gemeint ist. Auch Jiuius, was gegen den sonstigen Inschriften-
gebrauch hinzugesetzt ist, will wohl nicht, wie Domaszewski
meint, das Haus des Legionslegaten von dem des Statthalters
von Dacien unterscheiden, sondern andeuten, dass unter prae-
torium nicht das Hauptquartier verstanden werden soll, sondern
das Gebäude \
Burnum (vielmehr Scardona): praetoriu[m vetustafe] conlapsum . . . .,
Burnistae, . . . . ses ex pec. [puhl. fecer.]. Scapul[a] .... (wahr-
scheinlich Scapula Tertullus unter Marcus und Commodus) leg.
Augg. p[rov. Dalmatiae] restif[uif]. C. I. L. III, 2809. Zur
Errichtung dieses Stationsgebäudes haben sich also mehrere
benachbarte Gemeinden zusammengethan.
Umgegend von Yolubilis in der Tingitana: [Ge]nio loc[i] . . . l. Neon
praef. [coh.] I Äsfur. et Call[aec. praetorium per m[a]nus com-
m(ilifonum) has . . . io composuit et fecit. Bull, du comite 1891
p. 137 = C. I. L. YIII, 21820. Auch hier steht der Annahme
nichts im Wege, dass der Cohortencommandant für den Statt-
halter ein Gebäude hat herstellen lassen, zumal da die Ruinen
desselben den Berichterstattern ansehnlicher erschienen sind als
die gewöhnlicher Burgen.
Eburacum: '&eo7g rolg xov ^ysjuovixov ngaircogiov (Eph. epigr. 3
p. 312 [Dessau 8861]).
Inschriftliche Zeugnisse für den Gebrauch von praetorium , die
sich auf die Statthalterwohnung nicht beziehen lassen, finden sich,
so viel ich weiss, lediglich in Britannien am Wall:
1) In den Dedicationsinschriften fehlt das hie ständig, weil es selbstver-
ständlich ist, dass das Gebäude gemeint ist, an dem die Inschrift sich befindet
und also fehlerhaft dies auszudrücken. Soll ein Gebäude von einem anderen
unterschieden werden, so kann dies nur geschehen durch Hinsetzung seiner
speciellen Benennung. Aber da Genio praetorii zweideutig ist und sowohl örtlich
verstanden werden kann von dem Gebäude wie von dem Hauptquartier oder
dem Feldherrn, so ist die Hinzufügung des Wortes hier gerechtfertigt.
i
Praetorium. 131
Lanchester: Genio praetori Cl. Epaphroditus Claudianus trihunus
cho. I Ling. v. l p. m. C. I. L. VII, 432.
Littlechesters : /. o. m. ceterisque diis immort. et Gen. praetor. Q. 440
Petronins Q. F. Fab. Urhicus praef. coli. IUI Gallorum ....
Votum sohlt ptro se et suis. CLL. VII, 704.
Ebendaselbst: Genio praetori sacrum Pituanius Secundus praefectus
coli. IUI Gallor. C. I. L. VII, 703.
Aber was wir jetzt in den Castellen Praetorium nennen, kann auch
in diesen Inschriften unmöglich gemeint sein. Praetorium ist weder
in dem grossen Lager der Legion noch in dem einer kleineren
Truppe der hausähnhche Mittelbau, sondern eine für den Feldherrn
oder den Statthalter oder den Gutsbesitzer reservirte Räumlichkeit,
immer, auch in abgeleiteter Ausdrucksweise, gegensätzlich zu den
den untergeordneten Personen zugänglichen Räumen. Dass auch
der einem Commandoführer niederen Ranges angewiesene Raum
also genannt werden könne, passt wenig zu dem vornehmen
Charakter des "Wortes, aber selbst wenn man dies annimmt, kann
ein solcher unter dem praetorium jener englischen Inschriften un-
möglich gemeint sein, da es nicht angeht diese Dedicationen auf
die einem solchen Führer im Gegensatz zu den Mannschaften vor-
behaltene Wohnung zu beschränken. Dagegen steht nichts im Wege,
darunter das statthalterliche Hauptquartier zu verstehen. Der Genius
der einzelnen Person, vom Kaiser abgesehen, ist vom Lagercult
ausgeschlossen^; aber füglich konnte das Obercommando in seiner
abstracten Bezeichnung in gleicher Weise divinisirt werden. All-
gemein gebräuchlich scheint dies nicht gewesen zu sein, da die
Belege dafür sich auf Britannien beschränken; in der Regel hat
man es wohl vorgezogen, den Genius auf die Provinz oder die
Legion zu beziehen, wobei die Person des Statthalters und des
Feldherrn noch weiter zurücktrat. Also aus den sparsamen Belegen
für diesen Gebrauch des Wortes kann ein Schluss auf die Benennung
der castrensischen Localitäten nicht gezogen werden.
So weit ich sehe, fehlt es in der technischen Sprache der
Römer an einem zusammenfassenden Ausdruck für die Lagerbauten
im Gegensatz zu den Soldatenzelten und dem Wall und ist die Be-
nennung praetorium in örtlicher Geltung beschränkt auf die für den 441
Peldherrn vorbehaltenen Räume, unanwendbar aber oder wenigstens
1) Ausnahme macht, bis jetzt einzig, eine kürzlich bei Stockstadt gefundene
Inschrift (Zangemeister im westdeutschen Corr. Blatt 1898 S. 195 [C. XIII, 6638]):
1. 0. m. (Götterbildnisse mit Beischriften Isis Sarapis) conservatori ceteris diis
decdmsque e[t] Genio luni Victorini co(n)s(ularis).
132 Praetorium.
bis jetzt unerwiesen für die Wohnung des Commandoträgers über-
haupt, welche bei kleineren Abtheilungen schwerlich in der baulichen
Anlage dem praetorium des Legionslagers glich und schwerlich
einen distinctiven Namen geführt hat^.
Es kann überhaupt die Frage aufgeworfen werden, in wie weit
wir befugt sind die Lagerbezeichnungen der römischen Militärsprache
auf die kleinen und kleinsten römischen Standlager zu übertragen.
An sich ist es ja wahrscheinlich, dass, so weit das Castell mit dem
Heerlager im Schema zusammenstimmt, die technischen Bezeichnungen
auch auf jenes Anwendung gefunden haben werden, und die Be-
nennung der Hauptthore des Lagers porta praetoria giebt den Anstoss
nicht, welchen das vornehme Wort praetorium in der Anwendung auf
die Behausung eines kleinen örtlichen Befehlführers hervorruft. Weiter
hat Domaszewski (bei Hettner, Limes- Castell Murrhardt S. 4 A. 1)
aus einer von ihm in dem moesischen Castell Kutlovica gefundenen
Inschrift vom Jahre 258 (C. I. L. III, 7450 [= Dessau 2622]: portam
praetorium cum turre a fundamento . . . fahricavit) den Gebrauch
von porta praetoria auch für das Castellthor nachgewiesen; für die
porta decumana fehlt bis jetzt ein gleichartiger Beleg. Indess ist
bei dem Gebrauch dieser Thorbenennungen nicht zu übersehen, dass
derselbe durch den Nachweis der Stirnseite bedingt ist.
Nach der römischen Ueberlieferung ist bei der Anlage des
Marsch- wie des Standlagers naturgemäss die Stirnseite diejenige,
welche in der Marschrichtung liegt oder dem Feinde zugewendet ist 2;
indess ist dies Princip, da es eben durch die nicht immer gleich-
massigen militärischen Ziele bedingt wird, mancherlei Modificationen
unterworfen und wir wissen auch, dass noch andere Rücksichten
dabei eingriffen, zum Beispiel auf ungleichem Boden für das Hinter-
442 thor der Umschau wegen die höchste Stelle bevorzugt ward ^. Wenn
also bei der Wahl der Stirnseite Zweckmässigkeitsrücksichten ent-
1) Als dauernde Residenzen haben die Castelle auch den Offizieren von
Ritterrang schwerlich gedient; für die Subalternen, die hier regelmässig den
Befehl geführt haben müssen, dürfte ein grösseres Zelt ausgereicht haben.
2) Diese Regel giebt bekanntlich Pseudo - Hyginus 56: porta praetoria semper
Iwstem spectare debet. Vegetius 1, 23: porta quae appellatur pi'adoria aut orientem
spectare debet aut illum locum qui ad hostes respicit aut si iter agitur illam partem
debet attendere, ad quam est profecturus exercitus.
3) Pseudo- Hyginus a. a. 0.: pmia decimana eminentissimo loco constituitur,
ut regiones castris subiaceant. Die von Vegetius a. a. 0. hervorgehobene Bevor-
zugung der Ostseite kann wohl nur auf den Gesetzen der Limitation beruhen;
sie wird in der antiquarischen Theorie eine Rolle gespielt, aber schwerlich
praktisch eingegriffen haben.
Praetorium. 133
schieden und eine feste Orientirung nicht bestand, so lässt sich die
Stirnseite in den erhaltenen Lagern noch in anderer Weise bestimmen.
Bekanntlich ist das römische Lager der späteren Zeit der Regel
nach kein Quadrat, sondern meistens ein Rechteck und es liegen
die beiden Hauptthore an den Schmalseiten, die beiden secundären
aber in den Längsseiten nicht in deren Mitte, sondern im ersten
Drittel, so dass dieselben von der porta decumana doppelt so weit
entfernt sind als von der jjorta praetoria. Nach dieser Regel lässt
sich da, wo die Lage der Thore ermittelt ist, danach die Stirnseite
feststellen.
Mcht immer treffen beide Merkmale zusammen. Das Castell
der Saalburg folgt im allgemeinen dem gewöhnlichen Schema: die
Schmalseiten messen 100, die Längsseiten 150 römische Schritte
und die Seitenthore liegen im Drittel der Längsseiten. Wird die
Stirnseite bestimmt durch die Entfernung der Seitenthore von den
Schmalseiten, so ist das Thor an der Südseite auf dem Wege nach
Heddernheim, das im Wesentlichen sich erhalten und dem Jacobis
Meisterhand kürzlich seine Yollständigkeit wiedergegeben hat, die
porta praetoria. Wird aber die Stirnseite bestimmt durch die Rück-
sicht auf das Ausland, so ist umgekehrt dieses Thor die porta decu-
mana und dasjenige an der Nordseite, das zum Limes und in das
Ausland führt, die porta praetoria.
Die letztere Ansicht hat sich eingebürgert, wenn sie gleich nicht
ohne Widerspruch geblieben ist. Aber zugegeben muss werden, dass
die jetzt beliebte Annahme, wonach das Saalburg- Castell durch
Vertauschung der p>raetentura und der retentura sich von der gewöhn-
lichen Anlageform entfernt haben soll, auf recht schwachem Grunde
beruht und dass, da einmal eine Ausnahme angenommen werden
muss, es einfacher ist, die Richtung auf das Ausland aufzugeben
und die porta praetoria auf der Strasse nach Heddernheim zu suchen,
wo der offenbar nicht unbedeutende Marktflecken an das Castell
sich anschliesst.
VI. f
Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen
Fahnen.*)
j Alfred von Domaszewski's Untersuchung über 'die Fahnen im
römischen Heere' (Wien 1885. 8) füllt eine längst empfundene Lücke
in unserer Forschung in dankenswerthester Weise aus; die gleich-
massige Beherrschung des philologischen sowie des epigraphischen
und des archäologischen Materials verbindet sich hier mit einer
Kenntniss der militärischen Technik, wie sie auf dieses Gebiet
schwerlich bisher Anwendung gefunden hat. Wenn ich dieser An-
erkennung einer vorzüglichen Leistung Ausdruck gebe durch Ein-
spruch gegen mehrere der darin gezogenen Consequenzen, so wird
dies hoffentlich auf keiner Seite missverstanden werden. Erat, quod
tollere velles — insbesondere manche überkühne und allzu weit aus-
greifende Aufstellung; aber nur um so mehr habe ich mich von dem
bleibenden Werth zahlreicher Ausführungen überzeugt.
L Feldzeichen und Offiziere. j
Die allerdings nie verkannte taktische Bedeutung der Feld- I
zeichen hat Domaszewski in überzeugender Deutlichkeit entwickelt, |
insbesondere gezeigt, dass auf ihnen in Yerbindung mit den durch j
Blasinstrumente gegebenen Signalen die gesammte Gefechtleitung {
beruht. Aber kaum wird man ihm darin zustimmen können, dass
er dem Adler in seiner späteren Verwendung und überhaupt dem i
Corps -Feldzeichen eine 'lediglich symbolische"* Bedeutung vindicirt !
(S. 24). Was dem einen recht, ist dem anderen billig; und es ist j
wenig glaublich, dass auch in der späteren Entwickelung des römi- l
sehen Militärwesens man zu praktisch werthloser Symbolisirung
*) [Archäologisch - epigraphische Mitteilungen aus Österreich - Ungarn 10,
1886 S. 1-11.] ;
i
Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen. 135
gegriffen hat. 'Dass dem einen Adler', sagt der "Verfasser, 'für die
sechstausend Mann starke Legion keine taktische Bedeutung zu-
kommen kann, bedarf wohl keines Beweises'. Gewiss in dem Sinne
nicht als hätten ihn die Legionare so im Auge zu behalten gehabt,
wie die Manipulare ihre Standarte. Aber war es nicht taktisch 2
von Wichtigkeit, den Standort des Befehlshabers der Legion und
überhaupt des Corps in einer Weise zu markiren, die doch immer
weit mehr in Sicht war als die persönlichen Abzeichen der Offiziere?
Die Meldungen an die commandirenden Legionstribune oder den
Legionslegaten wurden wesentlich erleichtert, wenn die Ordonnanzen
sicher waren sie da zu finden, wo der Adlerträger stand. Mir
scheint vielmehr gerade im Gegentheil zwischen Corpsführern und
Feldzeichen ein correlates Verhältniss zu bestehen: keinem Ab-
theilungsführer fehlt ein entsprechendes Feldzeichen, und umgekehrt
findet da, wo eine taktische Einheit ohne eigenen Führer ist, dies
in dem Mangel des Feldzeichens seinen Ausdruck. Es wird an-
gemessen sein, diesen Satz in einigen Einzelheiten näher zu belegen.
1 . Vor allem erklärt sich hieraus die Bezeichnung des Detache-
ments als vexillaüo^: jede zeitweilig aus einem Corps herausge-
nommene und bis weiter unter einen Sonderführer gestellte Truppe
erhält nothwendig für die Zeit ihres Bestehens ihr Feldzeichen, das
vexülum.
2. Eine der wichtigsten Nachweisungen, die wir Domaszewski
verdanken, ist die Beseitigung der Feldzeichen der Legionarcohorten^.
Ihre Erklärung findet sie darin, dass die Legionscohorte keinen
eigenen Commandanten hatte.
3. Umgekehrt verhält es sich mit den übrigen Cohorten und
den Alen. Unbestritten hatten ihre eigenen Feldzeichen die repu-
1) Die späterhin übliche Verwendung des Wortes für die Reitertruppe ist
wahrscheinlich daraus hervorgegangen, dass die Auflösung der aus beiden
Waffen gemischten Corps, der Legionen und der cohoHes equitatae, sich durch
ständige Detachirung der Reiterei vollzog. Ueberhaupt dürfte wohl nur darum
das vexülum so besonders häufig bei der Reiterei vorkommen, weil diese be-
sonders oft als detachirte Truppe verwendet wird.
2) S. 23 ; die gegentheilige Meinung vertritt Marquardt Staatsverw. 2, 439.
Die einzige Stelle, welche wirklich Schwierigkeit macht, Caesars Worte bell.
Gall. 2, 25: quartae coJiortis Omnibus centurionibus occisis signiferoque interfecto
signo amisso wird wohl dahin aufzufassen sein, dass der Ton auf den Schluss-
worten liegt und allerdings der Verlust eines der drei Feldzeichen nach dem
Fall des Trägers noch schwerer ins Gewicht fallen mochte, als der Fall aller
Rottenführer.
136 Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen.
blikanischen Auxiliarcohorten ^, sowie . die Alen der Kaiserzeit 2.
Auch dass die Prätörianer Cohortenstandarten gehabt haben, scheint
mir ausser Zweifel^. Für die Auxiliarcohorten der Kaiserzeit fehlt
3 es an Zeugnissen*; aber die Analogie theils der republikanischen
Socialcohorten, theils der Alen ist kaum abzuweisen. Sollten dennoch
die Cohortenstandarten gemangelt haben, so würden dafür bei den
Auxiharcohorten , ebenso wie bei den städtischen und denen der
vigiles, die imaginiferi eintreten, von denen es sicher nur je einen
in jeder dieser Gehörten gab^ und der factisch dieselben Dienste
leistete. Alle die bisher genannten Abtheilungen aber haben eigene
Führer und unterscheiden sich dadurch von den Gehörten der Legion.
Nach oben hinauf, über die Legion hinaus, hat der Gebrauch
des einheitlichen Feldzeichens sich nicht erstreckt: wohl die Ab-
theilung, aber nicht die Armee führt eine Fahne.
Yon diesem Gesichtspunkte aus wird auch die Nachricht be-
urtheilt werden müssen, dass die römische Legion bis gegen die
Mitte des siebenten Jahrhunderts fünf Feldzeichen führte : den
Adler, den Löwen, den menschköpfigen Stier ^, das Pferd und den
Eber'^. Ist das Feldzeichen das Kriterium der unter Einzelführung
1) Marquardt S. 398 A. 1; Domaszewski S. 17 A. 2.
2) Tacitus hist. 2, 89; Domaszewski S. 71.
3) Domaszewski S. 23. 56 fg. leugnet dies freilich; aber wenn auch die
Existenz von Manipel- und später Centurienzeichen nicht zu bestreiten ist, so
kann doch die mit der Aufschrift COH • III • PR ohne weiteren Beisatz ver-
sehene Standarte (das. S. 31) ein solches nicht sein. Auch findet sich unter den
inschriftlich bekannten signiferi der Prätörianer (Cauer eph. IV p. 358) bei einem
(C. I. L. II, 2610 [Dessau 2079]) der Zusatz in (centuria), welcher nicht wohl
anders verstanden werden kann, als dass es auch signiferi cohortis gab. Dass
wir keinen mit diesem Beisatz bezeichneten haben, ist auffallend, aber nicht
entscheidend; der Rangunterschied zwischen beiden Kategorien war vermuthlich
nicht beträchtlich und begnügte man sich daher meist mit dem einfachen signifer.
4) Wenn Tacitus hist. 2, 89 bei dem Einzug der Vitellianer in Rom die
aquilae und die vexilla der Legionarier und duodecim alarum signa et . , . equites,
dagegen bloss die quattuor et triginta cohortes aufführt, so kann doch daraus
unmöglich mit Domaszewski (S. 71) geschlossen werden , dass den letzteren die
Cohortenstandarten fehlten. Noch weniger beweisen Stellen, wie hist. 4, 16:
Tungrorum coJiors signa ad Civilem transtuUt; es war nur correct das Cohorten-
feldzeichen und die der Manipel zusammenzufassen.
5) Domaszewski S. 69 fg.
6) Denn dieses auf campanischen Münzen so geläufige Bild ist sicher der
Minotaurus des Festus und des Plinius,
7) Plinius 10, 4, 16: Bomanis eam (aquilam) legionibus Gaius Marius in
sectmdo consulatu suo (J. 650) proprie dicavit: erat et antea prima cum quattuor
aliis: lupi, minotauri, equi aprique singulos ordines anteibant. paucis ante annis
Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen. 137
stehenden Truppe, so muss die Legion, als diese Zeichen auf- 4
kamen, in fünf oder, da das eine derselben der ganzen Legion hat
angehören können, in vier Haufen mit besonderer Führung zerfallen
sein. Da nun aber etwa um dieselbe Zeit die Beseitigung der vier
Ordnungen der Legionarier stattfand, so ist die Frage nicht ohne
Berechtigung, ob nicht der Adler von jeher die ganze Legion
repräsentirt und den Standpunkt ihres Stabes bezeichnet, die übrigen
Standarten aber den drei Treffen nebst den velites zukommen.
Die Ausgleichung der sämmtlichen Legionare würde also in der
Beseitigung dieser Zeichen unter alleiniger Festhaltung des Adlers
einen sehr angemessenen Ausdruck finden. Auch werden diese Ab-
theilungen oftmals bei den Operationen als besondere Abtheilungen
verwendet^.
Freilich, über Sonderführung eines jeden dieser Treffen ist
nicht nur nichts bekannt, sondern dieselbe auch mit der wohl-
bekannten Offiziersordnung schwer vereinbar 2. Aber wir werden
uns billig erinnern, dass wir von der ursprünglichen militärischen
Verwendung der drei Treffen in der That nichts wissen, die drei
Benennungen hastati, princixjes, pilani, so klar sie nach ihrem Wort-
sinne sind, in Einklang mit diesem zu erklären nicht vermögen;
wir werden es darum auch als möglich gelten lassen müssen, dass
sie bei ihrer Einführung für gesonderte Verwendung bestimmt worden
sind und daher gesonderte Feldzeichen erhalten haben.
Dass die fünf Feldzeichen zu der Legion, die Polybios beschreibt,
nicht passen, ist unbestreitbar; aber wenn sie im J. 650 definitiv
abgeschafft und eine Weile vorher, wie Plinius sagt, wohl noch ge-
sola in aeiem portari coepta erat, reliqua in castris relinqiiebantur. Andere Stellen
Marquardt S. 355 A. 4. Bei einem Schriftsteller, wie Plinius ist, kann wdo jeden
Truppentheil bezeichnen; der Manipel kann unmöglich gemeint sein. Doma-
szewski's Combination der Träger dieser Zeichen mit den zweiten signiferi bei
Polybios ist mir unverständlich geblieben. — Dies sind wohl die signa, die im
Aerarium aufbewahrt wurden (Staatsrecht 2, 531 [3. Aufl. 545]) und die also
dauernd waren, obwohl die Legionen selbst jährlich neu gebildet wurden. Die
Bundesgenossen führen nach strengem Sprachgebrauch nicht signa, sondern nur
vexilla (Liv. 39, 20, 7; vgl. 25, 14,4. 7); diese wurden schwerlich als ständige
betrachtet und sicher nicht im römischen Aerarium aufbewahrt.
1) Die Belege bei Domaszewski S. 20 A. 4.
2) Denkbar ist es, dass die Kriegstribune hiefür verwendet worden sind.
Man vergesse nicht, dass die fünf Feldzeichen, wenn sie mit den drei Treffen
zusammengehören, keineswegs der ursprünglichen römischen Legion eigen sein
können, die die hastati, principes und triarii nicht gehabt hat, also die Institution
der sechs Tribüne wohl für die Führung der Treffen gedient haben kann, aber
nicht daraus erklärt werden darf.
138 2^ Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen.
führt, aber bei dem Gefecht im Lager gelassen wurden, so können
5 sie füglich schon zur Zeit des hannibalischen Krieges praktisch
ausser Gebrauch gewesen sein, wenn sie auch damals vielleicht
noch zur Schlacht mit ausrückten; und in diesem Falle hatte Poly-
bios keine Veranlassung dieser Antiquität zu gedenken.
II. Aufstellung der Feldzeichen im Gefecht.
Dass das Feldzeichen bei der Abtheilung Aufstellung findet,
zu der es gehört, versteht sich von selbst; aber keineswegs wird
man Domaszewski einräumen dürfen, dass dasselbe, um allen dazu
gehörigen Kämpfern sichtbar zu bleiben, gerade im ersten Glied
sich aufzustellen hat (S. 2), Leider fehlt uns , um über diese Ver-
hältnisse mit Sicherheit urtheilen zu können, ein wesentliches Mo-
ment: für die ältere Manipularstellung die normale Zahl der Glieder
des Manipels und für die Cohortenstellung sogar Aufschluss über
die normale Stellung der Manipel und der Halbmanipel neben oder
hinter einander. Die gangbaren Annahmen, dass in der älteren
Zeit die Manipel der Hastaten und der Principes, abgesehen von
den Velites, sechs Mann tief ^, in der späteren der Halbmanipel
zehn Mann oder vielmehr, da die beiden Halbmanipel hinter ein-
ander gestanden haben sollen, der Manipel zwanzig Mann tief ge-
standen habe 2, sind moderne und durchaus unzuverlässige Com-
binationen. Indess, welche Tiefe immer das Rechteck gehabt haben
mag, das der Manipel in der Schlachtordnung nach der gewöhnlichen
— natürlich nach Umständen wechselnden — Aufstellung einnimmt,
die Zusammengehörigkeit der Manipulare und ihres Feldzeichens
wird nicht darin gefunden werden dürfen, dass jene dieses jederzeit
im Auge hatten; es genügt, wenn sie im Handgemenge sich nach |
demselben jederzeit orientieren konnten, und dafür reicht es aus,
dass dasselbe unmittelbar hinter dem letzten Gliede seinen Platz
1) Marquardt S. 352. H. Delbrück (im Hermes Bd. 21 S. 77) hat kürzlich i
die Annahme vertreten, dass die reguläre Tiefe des Manipels 12 Mann war. i
Ohne das Gewicht der Gründe zu verkennen, welche dieser Forscher für diej
Fortdauer der phalangitischen Ordnung (denn darauf läuft diese Ansicht ja im
Wesentlichen hinaus) bis in die Zeit des hannibalischen Krieges hinein geltend
macht, kann ich mich doch von der Richtigkeit der Grundanschauung nichtj
überzeugen. Seit man hastati, principes uud triarü unterschied, niuss das Wehr-!
System eingerichtet gewesen sein auf Ablösung des ersten Treffens durch eiD|
zweites und Bereitstellung einer Reserve und damit ist die phalangitische Ord-
nung aufgegeben. Es gilt nicht jene Ablösung zu leugnen, sondern ihr«
praktische Durchführbarkeit zu erweisen.
2) Marquardt S. 437.
Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen. 139
fand. Auch wird erinnert werden dürfen an die von Domaszewski 6
selbst so schön nachgewiesene enge Beziehung zwischen den Feld-
zeichen und den Signalbläsern; sicher standen beide wie auf dem
Marsch (Domaszewski S. 7 A. 1) so auch im Gefecht zusammen und
es mag wohl für die Gefechtsleitung mehr noch auf das Ohr ge-
rechnet worden sein als auf das Auge.
Dass das Signum in der That hinter dem letzten Gliede des
zugehörigen Manipels stand, bestätigt in unwiderleglicher Weise die
Bezeichnung des ersten Treffens als der antesignani. Allerdings
konnte, nach dem eben Gesagten, in Beziehung auf das eigene Signum
jede Abtheilung mit diesem Namen genannt werden; aber begreif-
licher Weise wird die Bezeichnung allein verwendet für diejenigen
Soldaten, die überhaupt keine Feldzeichen, weder der eigenen noch
einer anderen Abtheilung, vor sich haben und unmittelbar dem Feind
gegenüber stehen. Der Versuch Domaszewski's (S. 11), die signa,
von denen die antesignani den Namen führen, von den gewöhnlichen
manipularen zu unterscheiden, ist so gänzlich misslungen, dass er
keiner besonderen Widerlegung bedarf.
Ueberdies ist es praktisch undenkbar, dass während des Ge-
fechts dem Standartenträger der Platz unmittelbar am Feind an-
gewiesen worden sein soll. Damit ist auch die Ueberlieferung im
besten Einklang^. Wenn Caesar im afrikanischen Kriegt den Seinigen
befahl nicht über vier Fuss (5 Fuss = 1 Schritt) sich von den Feld-
zeichen zu entfernen, so ist diese Distanz natürlich nicht von dem
Punkte aus zu messen, an dem das Feldzeichen steht, sondern von
dem Quadrat, das der Manipel in der Schlachtordnung einnimmt; es
ist einfach das Verbot, aus dem Gliede zu treten. Es wird also bei
dem zu bleiben haben, was bisher angenommen worden ist^: das
Feldzeichen geht auf dem Marsch, wie auch bei dem Vormarsch
zum Kampfe der Abtheilung vorauf, nimmt aber in der Schlacht-
stellung hinter derselben seinen Stand.
1) Die Worte des Livius 30, 33, 1 : non confertas autem eohortes ante sua
qtiamque signa instruebat, sed manipulos aliquantum inter se distantes ziehen aller-
dings incorrect die Cohorte herein (S. 139 A. 1) zeigen aber dennoch, dass das
Feldzeichen hinter, nicht vor der Truppe stand.
2) b. Afr. 15: Caesar . . . cum animum adverteret ordines suorum in procur-
rendo turhari (pedites enim, dum equites longius ab signis persequuntur , latere
nudato . . . iaculis vulnerabantur . . .) edicit per ordines, ne quis miles ab signis
IUI pedes longius procederet.
3) Marquardt a. a. 0. S. 353 fg.
140 Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen.
7 III. Die Bildung der Legionscohorte.
Dass die Cohorte erst im Laufe des siebenten Jahrhunderts
zur ständigen Unterabtheilung der Legion geworden ist, ist bekannt
und unbestritten. Aber wenn Domaszewski das Yorkommen von
legionaren Cohorten in älterer Zeit überhaupt leugnet und die ent-
gegenstehenden Angaben bei Polybios und den Späteren als Fehler
der Abschreiber oder Anachronismen der Schriftsteller behandelt,
so wird man ihm darin nicht beistimmen können. Da an dieser
Frage manche andere hängt, so wird es zweckmässig sein, ein-
gehender dabei zu verweilen. Die bei späteren römischen Schrift-
stellern begegnenden Nachrichten über Legionscohorten aus älterer
Zeit kommen wenig in Betracht^; alles kommt hier auf die Angaben
des Polybios an. Was nun diesen anlangt, so ist es zunächst nicht
richtig, dass er die Cohorte 'in seiner Schilderung der Bildung und
Zusammensetzung der Legion nach dem Zusammenhang seiner Dar-
stellung hätte erwähnen müssen' (S, 20). Dies hätte er thun müssen,
wenn sie schon damals statarisch gewesen wäre; aber eine wenn auch
gewöhnliche, doch nur für den einzelnen Fall eintretende Combination
gehörte in jene Darstellung überall nicht. Er spricht von ihr denn
auch nur in Beziehung auf einzelne Schlachtmanöver, bei denen jene
Combination zur Anwendung kam. In der Schilderung der Schlacht
von Baecula^ führen die Commandanten der beiden Flügel die
einzelnen römischen Abtheilungen gegen den Feind vor: rgeig ilag
ijiJiecDv .... xal ngb tovtcüv ygooq^ofxa/^ovg rovg etd^io/Lievovg xal rgsig
OJisigag' rovro de xaksiiai ro ovvrayjua tmv tie^ojv Tiagä 'Pojjuaioig
xooQTig. Diesen erklärenden Beisatz betrachtet Domaszewski als
interpolirt. Ob Livius^, der diese Stelle also wiedergiebt: cum ternis
peditum cohortibus ternisque equitum turmis, ad hoc velifibus^ ihn ge-
lesen hat, ist aus den Worten nicht zu entnehmen. Aber wenn es
8 bei Polybios* bald darauf, in der Beschreibung der Schlacht am
1) Livius 30, 33, 1 sind allerdings die cohaiies ein falscher Zusatz zu dem
polybianischen Text 15, 9, 6; und Frontinus strat. 1, 6, 1 ist ohne Beweiskraft,
Domaszewski S. 10 A. 3. S. 20 A. 6. Aber andere von ihm nicht angeführte!
Stellen des Livius 32, 17, 11: cohortes in vicem . . . emittebat und besonderji
34, 28, 7: primae legionariae cohortes ibant haben grössere Bedeutung, wenr
gleich auch sie nicht entscheiden.
2) 11, 23, 1. 3) 28, 14, 17.
4) 11, 33, 1. Die Worte rovro 6' iarl otieTqü hat Casaubonus gestrichen
weil sie mit der hergebrachten Auffassung des Wortes sich nicht vertragen j
dass sie bei Suidas fehlen, will nichts bedeuten und mir erscheinen sie der voij
sichtigen Weise des Schreibers ganz angemessen. Uebrigens bleibt der Beweij ^
für die xoÖQrtg bestehen, auch wenn man sie tilgt.
Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen. 141
Ebro heisst: äycov ex rfjg 7iaQe/u,ßoki]g em rerragag xodgrig (xovro 6*
Ion oTielga) jiQooeßah roig ne^oig tcöv vTievavricov, was Livius ^ wieder-
giebt mit den "Worten : quattuor coJiortes in fronte statuit, quia lathts
pandtre aciem non poteraf, so ist durch diese in jeder Hinsicht un-
verdächtige und unmöglich auf Auxiliarcoh orten zu beziehende Notiz,
die Domaszewski übersehen hat, das Yorkommen von legionaren
Cohorten schon zur Zeit des hannibalischen Krieges vollständig ge-
sichert und die verw^egene Athetese durch ein zweites unabhängiges
Zeugniss beseitigt.
Ueber die Bedeutung jener erklärenden Worte wird gestritten:
ist rovTo rö ovvjay/ua die oneloa oder die rgeig OTielgail und, was
dasselbe ist, versteht Polybios hier unter der onelga die aus drei
Manipeln gebildete Cohorte oder vielmehr den Manipel? Wenn die
an der zweiten Stelle überlieferten Worte echt sind, so heisst oneiQa
hier die Cohorte; und genügende Gründe für die Tilgung derselben
sind nicht beigebracht. Aber auch wenn diese interpolirt sein sollten,
wird man zu demselben Ergebniss kommen müssen. Das Wort
oTieiQa wird bei Polybios zwar mehrfach für den Manipel gesetzt^,
aber es kommt auch in anderer Verwendung selbst in Beziehung
auf römische Verhältnisse vor^ und hat überhaupt einen allgemeinen
Werth, etwa wie bei uns Schaar*, so dass Polybios wohl befugt 9
war dasselbe unter Beifügung des entsprechenden lateinischen Aus-
drucks in verschiedener Bedeutung zu verwenden. Dass grammatisch
die Beziehung der Erklärung auf ojisToa die nächstliegende ist, er-
giebt sich schon daraus, dass Reiske ihr den Vorzug giebt, so wie
1) 28, 33, 12.
2) 6, 24, 5; z6 fikv fisgos k'xaoxov ixaleoav xal rayfia (= ordö) xal onsTgav
xai arifiaiav (= Signum), xovg 6' t/ysfz6vag xevxvQimvag xal xa^iaQxovg (= ordines),
15, 9, 7: jiQWTOv fiev rovg dardtovg xal rag zovzcov at]/iiaiag ev öiaoxrjfiaotv , im de
Tomoig xovg Jiolyxijiag, xi&elg xäg ojisigag ov xaxä x6 xwv jiqcoxcov arjfiaicöv 8idoxr]fxa.
Wo sonst ojisTga von römischen Abtheilungen gebraucht wird 2, 80, 6; 3, 110, 6;
c. 113, 3; c. 115, 12, scheint ebenfalls der Manipel gemeint, üebrigens heisst
derselbe noch häufiger otjfiaia (1, 40, 10; 3, 113, 3; 11, 22, 10; 15, 9, 7; c. 13, 7
und sonst), womit aber auch (15,4,4) im allgemeineren Sinne Türmen und
Manipel zusammengefasst werden, zuweilen auch xd^ig (15, 13, 7). Dass Polybios
ordo und manipulus ausdrücklich gleichsetzt, stellt sich zu den Beweisen für die
von Domaszewski S. 12 fg. meines Erachtens mit Unrecht bestrittene ursprüng-
liche Identität von manipulus und centuria.
3) 15, 9, 9: xd 8e Siaoxrjfiaxa x&v jiqcoxcov orjfiaicöv dvEJi}.^Q<x>aE xaXg rüv
ygooqpofidxcov ojisigaig. Manipel der Velites gibt es nicht.
4) Vgl. besonders 18, 28, 10 von Pyrrhos: zi^etg iva^kd^ arjfiaiav (d. h. einen
römisch geordneten Manipel) xal oneTQav (pa?.ayyixixrjv iv xoTg jiQog 'Pco/iiaiovg
dycöaiv.
142 Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen.
aus der zweiten angeführten Stelle, selbst wenn man diese als inter-
polirt betrachtet. Entscheidend aber ist meines Erachtens die Be-
schreibung des Manövers selbst. Domaszewski hat aus derselben
freilich entnommen, dass die rgeig ojieiQai drei Manipel sind; mir
scheint sie im Gegentheil nur verständlich, wenn darunter drei Co-
horten verstanden werden.
Scipio stellt seine Truppen — zusammen 450U0 Mann zu Fuss
und 3000 Reiter, grösstentheils aber unzuverlässige spanische Mann-
schaften — in der Weise auf, dass die Spanier im Centrum, die
Eömer auf beiden Flügeln stehen und während jenes zurückgehalten
wird, die beiden Flügel an den Feind heran und über seine Flügel
hinaus vorrücken und die Schlacht entscheiden sollen. Die römischen
Reiter nebst der leichten Infanterie beginnen das Gefecht, werden
aber dann zurückgenommen und, die Yelites vor den Reitern, hinter
der schweren Infanterie aufgestellt. Dann setzen die beiden Flügel
sich in Bewegung. Nachdem sie in die Nähe des Feindes gelangt
sind, rücken sie diesem entgegen in der Weise, dass gleichzeitig die
ersten {al '^yovjusvai), das heisst die auf dem äussersten Flügel
stehenden drei Reiterturmen nebst den dazu gehörigen Velites in
der einen und die drei vor ihnen aufgestellten oneigai in einer
anderen Richtung an die ihnen in der Angriffslinie angewiesenen
Plätze abrücken, alsdann die übrigen Türmen und ojisigai in gleicher
Weise je drei und drei nachfolgen und so die neue Schlachtreihe
sich bildet, in welcher die römische Infanterie der feindlichen gegen-
über, die Reiter über diese hinaus stehen, um dieselbe im Rücken
zu fassen. Einleuchtend beruht dies Manöver auf der Gleichzahl
der Türmen und der oneigai, die zu Anfang hinter einander stehen
und dann in verschiedener Richtung vorgehen. Dies aber fordert
nothwendig die Cohorte; denn in der Legion entspricht die Zahl
der Türmen der der Gehörten, und in den Alen der Bundesgenossen
muss annähernd ein gleiches Verhältniss stattgefunden haben ^,
1 0 nimmermehr aber können die zehn Türmen und die dreissig Manipel
der Legion in dieser Weise operiren. Darum leuchtet auch ein,
dass Polybios für die Schilderung dieses Manövers, bei welchem
allem Anschein nach die legionaren und die Auxiliarcohorten neben
1) Genaueres über die römischen und italischen Truppen Scipios ist nicht
überliefert. Aber nach den sonstigen Zahlenverhältnissen wird angenommen
werden dürfen, dass die Infanterie und die Reiterei der Italiker nicht oder
nicht beträchtlich die der Bürgertruppen überstieg (C. Marcks de alis Leipzig
1886 p. 23), also im Grossen und Ganzen auch hier eine Cohorte auf eine
Turme kam.
i
Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen. 143
einander zur Verwendung kamen, die cohors nicht entbehren konnte
und daher sich veranlasst fand den für seine allgemeine Darstellung
überflüssigen Terminus hier zu verwenden und zu erläutern ^.
Trifft diese Auseinandersetzung das Richtige, so kann die Stelle
des Polybios nicht ferner als directes Zeugniss dafür gelten, dass
die cohors schon zu seiner Zeit aus drei Manipeln bestanden
habe; Polybios bezeichnet sie vielmehr lediglich als eine combinirte
Infanterietruppe (ovvray/ua rcov JisCcöv). Indirect freilich ergiebt sich
aus seiner Darstellung eben dasselbe, da sie nur verständlich ist,
wenn die drei hintereinander stehenden Manipel die für dies Manöver
zu Grunde gelegte Einheit bilden. Ueberdies versteht es sich von
selbst, dass der älteren und der neueren cohors derselbe Begriff
beiwohnt und ihr Unterschied nur darin besteht, dass jene eine
ausserordentliche, diese eine ordentliche Formation ist.
Weiter folgt daraus, dass Domaszewski mit Unrecht die Ein-
führung der Cohorte als der ordentlichen Formation dem Marius
abgesprochen hat, weil bereits im jugurthinischen Krieg von cohortes
legionariae die Rede sei^; es hindert nichts diese ebenso aufzufassen,
wie die Cohorten in der Schlacht von Baecula.
Endlich giebt uns dieser Nachweis einen Einblick in die Bundes-
genossencohorte der Republik. Denn es liegt auf der Hand, dass
die ausserordentliche legionare Cohorte ihre Benennung nur dess-
wegen erhalten haben kann, weil sie der ordentlichen Auxiliarcohorte
wesentlich gleichartig war. Demnach war auch diese aus mehr oder
minder Schwerbewaffneten und Leichtgerüsteten zusammengesetzt.
Wenn Domaszewski (S. 16) Nissen in scharfer Weise tadelt, dass
er die Gliederung und die Ziffern der römischen Cohorte auf die 11
der Bundesgenossen einfach überträgt, so ist das wohl insofern be-
rechtigt, als die Ungleichheit der Contingente und selbst die ziffer-
mässige Unbestimmtheit des Wortes cohors dabei nicht genügend
jberücksichtigt sind; aber im Wesentlichen wird man Nissen lediglich
jRecht geben müssen. Es erhellt dies auch auf einem andern Weg.
1) Nach Domaszewski's Auffassung (S. 18) stehen die drei ojisTgai, nach ihm
jManipel, in der gewöhnlichen Ordnung hinter einander und hinter diesen eben-
alls in drei Treffen die Reiterei; alsdann rückt jede dieser sechsgliedrigeu
^lonnen einzeln gegen den Feind vor. Aber wie die Reiter dazu kommen, sich
n drei Treffen aufzustellen und vor jedem dazu noch die Velites, ist nicht ab-
;usehen , und der successive Anmarsch einzelner Abtheilungen von je 300 Mann
iine militärisch bedenkliche Conception. Vor allem aber kommen dabei auf
Irei Manipel drei Türmen.
2) Sallust. Jug. 51.
144 Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen,
Die römische Wehrverfassung beruht auf dem Zusammentreten des
ordentlichen Aufgebotes der sämmtlichen Bundesstaaten; und wie
Rom zu Präneste verhält sich die römische legio (im ursprünglichen
Sinn) zu der cohors der Pränestiner ^. Nun aber ist es doch ganz
undenkbar, dass die durch das Vermögen bedingten Verschiedenheiten
der Dienstpflicht nicht in jeder Bundesstadt bei der Truppenbildung
ähnliche Consequenzen herbeigeführt haben wie in Rom 2; ebenso
undenkbar, dass militärische Fortschritte, wie die Gliederung der
Phalanx in mehrere Treffen und die Bildung einer Reserve, nicht
ebenso wie im Bürger- so auch im Italikerheer durchgeführt worden
sind. Die Gleichartigkeit der militärischen Einrichtung ist für die
gleichartige Gestaltung der italischen Nation vielmehr die Ursache
gewesen als die Wirkung. Von welcher Seite also man die Sache
betrachtet, alles führt darauf, dass die Auxiliarcohorte die Legion
im Kleinen gewesen ist, und die Bestätigung dieses Satzes durch
die Thatsache, dass die legionare Gehörte ebenfalls nichts ist als
die Legion im Kleinen, steht nach wie vor unerschüttert.
1) Gewisse Unterschiede treten allerdings hervor; insbesondere ist die
Reiterei Bestaudtheil der Legion, nicht aber Bestandtheil der bundesgenössischen
Cohorte. Aber diese wahrscheinlich erst im Laufe der Entwickelung entstandenen
Abweichungen können über den Grundcharakter nicht täuschen. Eine unglück-
lichere Parallele ist schwer zu finden, als die Domaszewskische der Auxiliar-
cohorte und des römischen Manipulus. Soll man wirklich Varros (5, 88) Defi-
nition: manipulun exercitus minima manus, quae imwn sequitur signum auf die
Auxiliarcohorte von durchschnittlich 500 Mann übertragen?
2) Eben dahin führt, was Polybios 6, 21, 5 über die der römischen analoge
Aushebung (:jiaoajikrjoiav jfj jiQoeiorj/nsvf] trjv exXoyrjv) der Bundesgenossen sagt
und Livius 29, 15, 7 fg. über die Beziehung dieser Aushebung zu dem städtischen
Ganzen sehr verständlich andeutet.
(;
VII.
Die römischen Provinzialmilizen.*)
(Nachtrag zu [Hermes] Bd. XIX S. 219 f. [oben S. 103 f.])
Bei der Ausführung über die numeri (in d. Zeitschr, XIX 219 f. 547
[oben S. 103 f.]) ist darauf hingewiesen worden, dass in dem kaiserlichen
Militärsystem die Provinzialmilizen eine nicht unwichtige Rolle gespielt
haben. Mehrere dabei von mir übersehene Daten und weiter eine vor
kurzem in Saintes zum Vorschein gekommene wichtige Inschrift^
*) [Hermes 22, 1887 S. 547— 558. — Vgl. Jung, Wiener Studien 11, 1889
S. 153 ff.; Stappers, Musee Beige 1903 S. 198 ff. 301 ff.]
1) Herr Em. Esperandieu, dem wir schon manche interessante Mittheilung
aus Africa verdanken, hat diese mit anderen Denkmälern aus der früheren
Kaiserzeit vor kurzem in Saintes entdeckte Inschrift in einer note sur les
inscriptions romaines recemment decouvertes ä Saintes (Melle 1887 pp. 24) ver-
öffentlicht. Es liegt mir ferner eine von demselben genommene genaue Abschrift
des Steines vor, welche Herr Esperandieu an Hrn. Joh. Schmidt in Giesseu
mitgetheilt hat. Die Inschrift lautet [C. I. L. XIII, 1041 (= Dessau 2531); dar-
nach der Text]: C. luUo Agedil[U f. VoUini?]a Macro | Sant(ono), duplicario
alae Atectorigianae, | stipendis emeritis XXXII aere incisso (so), evocat[o] | gesa-
torum DC Haetorum castello Ircavio, chipeo \ coronis aenulis (so) aureis donato
a commilitonib(us), \ lulia Matrona f(ilia), C. lulßus) Primulus Ißhetius) h(eredes)
e i(estamento) . Die ala Atectorigiana führt ohne Zweifel ihren Namen von ihrem
ersten Chef, offenbar einem angesehenen Gallier der caesarischen oder augusti-
schen Zeit, dessen Name, wie der Herausgeber erinnert, auch auf gallischen
Münzen erscheint. In ähnlicher Weise führt wahrscheinlich die Indiana den
Namen von dem Treverer Indus (Marquardt Handb. 2*, 472 A. 5). Sie wird
identisch sein mit der unfindbaren ala I Atectormn der Inschrift von Tomi aus
Alexanders Zeit (C. III, 6154 [Dessau 1174]), wo vermuthlich der Steinmetz das
Atector. der Vorschrift falsch aufgelöst hat. — Die als militärische Ehren hier
begegnenden goldenen Ringe, die in dieser Verbindung sich sonst nicht finden
und mit dem späteren Ringerecht sich nicht vertragen, wie auch der bei der
Entlassung mit Verleihung des Bürgerrechts (ae)'e incisus) dem Veteranen
verliehene Name C. lulius, endlich die dem älteren System angehörende
Stellung des evocatus weisen die Inschrift mit Sicherheit in die augustische Epoche.
Der Vaternamen ist unklar; ... a ist wohl Rest der Tribus.
MOMMSEN, SCHR. VI. 10
^46 r)ie römischen Provinzialmilizen.
veranlassen mich auf den Gegenstand zurückzukommen. Es erscheint
548 angemessen zunächst aufzuzählen, welche Fälle von nicht die Form
der Legion oder der Legionsauxilien (alae, cohortes) annehmender
Truppenbildung aus den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeit-
rechnung überliefert sind^ und auf Grundlage dieser Uebersicht die
Gewinnung allgemeinerer Resultate zu versuchen.
Spanien.
[prae]f. levis armaturae P[oeninaet et] Hispaniensis. — Inschrift
von Gaeta C. X, 6098, aus der ersten Kaiserzeit 2,
Cantabri unter den nationes der sogenannten hyginischen Lager-
beschreibung (a. a. O. 8. 223 [oben S. 107]).
Britannien.
Brittones in der Lagerbeschreibung (a. a. 0. S. 223 [oben S. 107J).
75 auf Inschriften aus Obergermanien und Dacien (a. a. 0.
S. 226 [oben S. HO]).
Gallien.
Tacitus hist, 1, 67: rapuerant (die Soldaten Caecinas) pecuniam
missam in Stipendium castelli, quod olim (d. h. 'seit langem',
nicht 'ehemals' ) ^ Helvetii suis militihus ac stipendiis tuehantur.
[pr]aef. gaesa[torum Iiaetor\um (?) Helvet[ioruvn\. Inschrift von
Triest C. V, 536.*)
Alpes maritimae.
Tacitus hist. 2, 12: is (der Procurator der Seealpen) concita
gente (nee deest iuventus) arcere provinciae finibus Othonianos
intendit.
1) Indess sollen nicht alle in der angeführten Abhandlung, welche die
sichreren numeri dieser Kategorie zusammenstellt, beigebrachten Belege wieder-
holt werden, um so mehr, als diese Formation im dritten Jahrhundert offenbar
weit um sich griff. Es sind hier vornehmlich die der besseren Kaiserzeit ange-
hörigen Fälle berücksichtigt. — Die an sich sehr ähnliche kleine sicilische
Besatzung auf dem Eryx, über die die Nachrichten C. I. L. X p. 750 zusammen-
gestellt sind, ist hier nicht berücksichtigt worden , da sie der republikanischen
Epoche angehört.
2) Dafür spricht wie die ganze Fassung der Inschrift so auch die Titulatur
praefectus levis armaturae, welche ausser in dieser Inschrift sich wohl nur noch
findet in der S. 147 angeführten C. IX, 3044 [Dessau 2689] und in einer anderen
C.X, 4868 [Dessau 2688], beide aus Tiberius Zeit.
3) Hirschfeld gall. Stud. 1, 43.
*) [S. außerdem auch Tacitus ann. 1, 56: quattuor legiones, quinque auxilia-
rium milia et tumuUuariae catervae Germanorum eis Bhenum colentium; hist. 4, 20 :
tria milia legionariorutn et tumuttitariae Belgarum cohoiies. Vita Did. lul. 1, 7:
Belgicam sancte ac diu rexit, ibi Cauchis enimpentibus restitit tumultuariis
ausdliis poovincialium. BANG.]
Die römischen Provinzialmilizen. 147
Eaetien und die vallis Poenina. Dass die gaesati im eigentlichen
Gebrauch hieher gehören, ist schon für die hannibalische 549
Epoche bezeugt^, obwohl das gaesum vielfach in allge-
meinerer Anwendung vorkommt 2.
evocatus gesatorum DC Raetorum castello Ircavio. — Inschrift
von Saintes aus augustischer Zeit (S. 145 A. 1).
pra[ef(ecfus)] Baetis, VindoUcis, valli[s Pjoeninae et levis arma-
tur(ae). — Inschrift von Interpromium aus Tiberius Zeit^.
Tacitus hist. 1, 68; JRaeticae (d. h. dort stationirte) alae cohortes-
que et ipsorum Baetorum iuventus sucta armis et more
militiae exercita.
Bei dem Bau des Tunnels von Saldae in Mauretanien um das
J. 150 n. Chr. veranlasst der leitende Ingenieur certamen
operis inter classicos milites et gaesates. — Inschrift von
Lambaesis *.
Dem Caracalla setzen eine Bildsäule [cohors I Van]gionum, item
Baeti gae[s]ati et exploratores , die als Besatzung liegen in
Ilabitancium in Schottland nördlich vom Wall. — Inschrift
C. VII, 1002.
Gesati (überliefert ist getati) in der Lagerbeschreibung (a. a. O.
S. 223 [oben S. 107]).*)
1) Polyb. 2, 22 zum J. 523: diejis/njiovTO jigög rovg xaxä rag "AXjieig xai nsgi
Tov 'Poöavov Tiozafiöv xarotxovvrag Faldzag , jiQooayoQevp/nsvovg 8s öia ro (xio^ov
axQaxeveiv raiadxovg • rj ya.Q Is^ig avxrj xovxo orjfxaivet xvgicog. Plutarch Marc. 3. 6.
7. Oros. 4, 13, 5 : cum . . ex ulteriore Gallia ingens adventare exereitus nuntiaretur
maxime Gaesatarum , quod nomen non gentis, sed mercennariorum Gallorum est.
Da Livius, den Plutarch und Orosius hier ausschrieben, für diesen Abschnitt
den Polybius sicher nicht benutzt hat, so stammt die Angabe des Polybius aus
römischen Annalen. Die Etymologie ist bekanntlich falsch (Zeuss Gramm.
Celt.* p. 52 [vgl. Holder, Alt-Celtischer Sprachschatz S. 1514]).
2) Wenn Vergilius Aen. 8, 662 das Wort im eigentlichen Sinn verwendend
von den gaesa Alpina spricht, so giebt dagegen Livius 9, 36, 6 als agrestia tela
■ etruskischen Hirten falces gaesaqtte bina, und bei den Griechen findet sich, wie
die Lexica nachweisen, das Wort für den nichthellenischen Wurfspeer vielfach,
zum Beispiel für Iberer, Phoeniker, Libyer. Indess ist darauf nichts zu geben.
Gaesatus erscheint nie in dieser Weise denaturirt.
3) C. IX, 3044 [Dessau 2689]. Das Commando wird bezogen theils auf das
Aufgebot aus den drei genannten zu einer Statthalterschaft vereinigten Bezirken,
theils auf leichte Truppen anderer Herkunft.
4) C. VIII, 2728 [= Dessau 5795]. Wilmanns hat in der Anmerkung meiner
Ausführung in Gerhards archaeol. Zeitung 1871 S. 5 widersprechend die gaesates
nicht als Soldaten, sondern als gedungene Lohnarbeiter gefasst, mit Unrecht.
*) [Hinzuzufügen sind Eph. ep. 7, 1092 = Dessau 2623 (aus Jedburgh in
Schottland): ve[xi]Uatio Betorwn gaesa(torum) q(uorum) c(uram) a(git) Iul(ius)
10*
14S D^^ römischen Provinzialmilizen.
550 Nericum.
Tacitus hist. 3, 5: ala Äuriana et octo coJiortes ac Noricorum
iuventus.
P^nnonien.
Illyrische und pannonische Reiterabtheilungen in den Inschriften
(a. a. O. S. 226 [oben S. 109]).
Pannonische veraedarii in der Lagerbeschreibung (a. a. 0. S. 223
[oben S. 107]).
Dacien.
Daci in der Lagerbeschreibung (a. a. 0. S. 223 [oben S. 107]).
Kappadokien.
Tacitus ann. 12,49 zum J. 51: Cappadociae procurator lulius
Paelignus .... auxiliis provincialium contractis tamquam
recuperaturus Ärmeniam.
Die von dem Statthalter von Kappadokien Arrianus im J. 137
für den bevorstehenden Kampf gegen die Alanen erlassene
ordre de hataille führt neben den Legionen und den Alen
und Gehörten noch auf to ov[xp,axiii6v ^, welches unter das
Gesammtcommando eines der bei den Auxilien verwendeten
Offiziere gestellt wird 2. Gebildet wird es aus drei Ab-
theilungen, den kleinarmenischen ^, den trapezuntischen* und
den kolchischen Mannschaften vom Fluss Rhizios^.
Sever(us) trib(unus); C. I. L. XIII, 3593 = Dessau 7055 (aus Tongern): [ci\ves
Itom[ani] cent(uria) [Va]lentin[i n(umeri)] gesatoru[m]. Vgl. auch die [coJwrs] . ..
gaesatorum miliaria Dipl. LXX (nach der neuen Zählung, C. I. L. III p. 1990.
Unsicher ist der n(umerus) gfaesatorum) Baetorum C. I. L. III, 8074, 29 vgl. p. 2500.]
1) "Exxa^ig xaz 'ÄXavwv c. 7 : sjii öi xü) öjihnxcö (den Legionen, Alen, Cohorten)
TStdx&fo tö ovfif.iaxi>i6v, 01 xe äno xfjg o/uixQä? 'Agfisviag xal TqojisCovvxIcov 01
onXixai, (?) xal Köl^oi xai 'Pi^iavol 01 Xoy/f^ocpÖQOi ' ijicxsxä/^ßcov de avxoTg oi 'Ajikavol jts^oi.
2) Daselbst: Jiavxog ös xov av/j^/naxixov i^ysjLioov k'orco 2!£xov[vd]Tvog, oojisq xwv
'AnXavöyv rjyeixai. Diese — ol 'Ankavoi oi diaxöaioi c. 14 — werden dem avfif^axixov
beigegeben (smxexäx'^oiv 6s avxoTg oi AjiXavol jieCoi), aber sie sind kein Theil
desselben. Also ist dabei nicht, wie ich gemeint habe, an die Alanen zu denken,
sondern es wird Seeck mit Recht darin die eohors Apuleta civium Romanorum
des diix Armeniae (Not. dign. Or. c. 38, 34) erkannt haben, wie immer der Name
herzustellen sein mag.
3) Diese kehren wieder c. 14 als oi djiö xi^g o/umgäg Ag/Asviag avf^/^axoi, auch
wohl c. 29 als oi Aq/j^evioi xo^öxai, wo aber vielleicht die Gross- und Klein- Armenier
zusammengefasst werden.
4) TQajisCovvxiiov oi oTiXixai kehren wieder c. 14 als oi TQajis^ovvxlav yv/Mv^xsg,
auch wohl, vielleicht zusammengefasst mit den Kolchern, c. 29 als oi XoyxotpÖQoi
oi yv/uv^xeg. 'OnXixai ist wohl verdorben.
5) Diese Abtheilung heisst c. 7 Kök-^oi xai 'Pi^iavoi oi Xoyxo(pÖQoi, c. 14 oi
'Pi^cavoi XoyxofpÖQoi, c. 29, wahrscheinlich zusammengefasst mit den Trapezuntiern,
Die römischen Provinzialmilizen. 149
P. Aelius Ammonius kurz vor oder unter Gordian als Tribunus 551
der cohors I Germanorum ^ytjodfievog OTQancorixov iv nuQa-
xd^Ei 'ÄQjuevcaxfj orgaricorcüv enagyeiag KajiJtadöxcov. Inschrift
von Tomi^
Syrien.*)
Syri in Inschriften aus Dacien und Mauretanien (a. a. 0. S. 221
A. 2 [oben ö. 104 A. 6], S. 227 [oben S. 110]).
Falmyreni in Inschriften aus Dacien und Mauretanien (a. a. 0.
8. 226 [oben S. 110]).
Palmyreni in der Lagerbeschreibung (a. a. 0. S. 223 [oben 8. 107]).
Numidien.
Nationes Gaetnlicae sex quae sunt in Numidia in neronischer
Zeit der in Numidien garnisonirenden 7. lusitanischen Cohorte
beigegeben (a. a. 0. 8. 224 A. 2 [oben 8. 108 A. 1]).
Mauretanien.**)
Mauri equites in mauretanischen Inschriften (a. a. 0. Ö. 226
[oben 8. 110]).
Mauri equites in der Lagerbeschreibung (a. a. 0. 8. 223 [oben
8 107]).
Dass diese Provinzialmilizen als dritter Heertheil neben den
Legionen und den Auxilien stehen, geht aus der Vergleichung der
arrianischen Heerordnung und der pseudo - hyginischen Lager-
beschreibung auf das Bestimmteste hervor. Beide geben auch die
technische Bezeichnung an, jene xb ovjujuayixöv, diese symmaeharn^;
oi XoyyocpÖQoi oi yvjuvfjTsg. Gemeint sind nicht die Kolcher am Phasis, sondern die
auch im Periplus c. 7 erwähnten vom Hafen und Fluss Rhizios (Ptolem. 5, 6, 6),
die östlichen Nachbarn der Trapezuntier.
1) Arch.-epigraph. Mitth. aus Oesterreich 8, 22 [Dessau 8851]. Es wird in
dieser Stellung weder mit Domaszewski (a. a. 0.) der irraepositus vexillationibus
zu erkennen sein, noch, woran ich gedacht habe (Eph. epigr. 5 p. 578), der
Stabschef des in diesem Kriege commandirenden Statthalters; es ist genau die
Stellung des Secundinus bei Arrian (S. 148 A. 2). — Wenn derselbe Mann nach-
her als praefectus alae I Gaetulorum genannt wird fjyrjacLfievoi; ozQanconxov rfjg
L-ragyeiag ravxi]g, so muss jene (eine Zeitlang nach C. VI, 3520 [= Dessau 2731;
vgl. D. XXXIX vom J. 113/4] in Niederpannonien stationirte) Ala damals in
Untermoesien gelegen haben, zu welcher Provinz Tomi gehört, und in dieser
Stellung Ammonius die Milizen dieser Provinz geführt haben.
*) \^S^' auch Tacitus ann. 15,3: (Corhulo) reliquas legiones pro ripa
Etiphratis locat, tumxütuariam pi-ovincialium manum armatJ\
**) \ys^' auch Tac. bist. 2, 58: ingens Maurorum numerus, pei' latrocinia et
raptus apta hello manus.]
2) Dass eine derartige hj'bride Form in dem dreifach überlieferten smmj-
macterias — sumactares — summamclari stecken muss, habe ich schon a. a. 0.
1 50 Die römischen Provinzialmilizen.
die letztere Form wird gebildet worden sein, um diese Mannschaften
von den auxilia zu unterscheiden. Dieselben Mannschaften nennt
552 Tacitus auxilia provincialium, im Gegensatz zu den auxilia legionum,
die Inschrift von Tomi (x6) ozQaricoTixdv (rfjq) ejiagxdag.
Obwohl die obige Zusammenstellung der hieher gehörigen Nach-
richten, auch wenn sie vollständig wäre, was sie sicher nicht ist,
keinen Anspruch darauf machen könnte den Umfang dieser Institution
abzugrenzen, so geht doch schon aus ihr mit Sicherheit hervor, dass
diese Formation nicht im ganzen Reiche bestanden, sondern sich auf
einen verhältnissmässig kleinen Theil der unterthänigen Landschaften
beschränkt, hier aber auch eine feste Organisation erhalten hat.
Am deutlichsten erhellt dies aus den Angaben Arrians über Kappa-
dokien: hier finden wir die Provinzialmilizen streng geschieden einer-
seits von den — bürgerlichen oder peregrinischen — Reichstruppen,
andererseits von dem Zuzug aus dem Clientelstaat Grossarmenien \
und beschränkt auf die Districte Kleinarmenien und den kappa-
dokischen Pontus, während das eigentliche Kappadokien so wie der
polemonische und der galatische Pontus dabei nicht genannt werden.
Ueberblicken wir die ganze Reihe, so fehlen nicht blos alle sena-
torischen Provinzen, sondern auch von den kaiserlichen diejenigen
älterer und intensiverer Civilisation. Augenscheinlich hat die Grenz-
vertheidigung darauf eingewirkt: die Helvetier vor den überrheinischen
Eroberungen der flavischen Zeit, die Bewohner von Kleinarmenien,
die Palmyrener konnten nicht lediglich auf den Schutz der bei ihnen
garnisonirenden Reichstruppen angewiesen werden; an dem Nord-
abhang der Alpen, in Spanien, Britannien, Dacien werden ebenfalls
die Provinzialen gegen die unbotmässigen Bergvölker sich oftmals
auf eigene Hand haben vertheidigen müssen. Aber auch die Ver-
schiedenheit der Administration scheint hierfür in Betracht gekommen
zu sein. Die Gebiete, welche aus früheren Königreichen in das
kaiserliche Regiment übergingen und in denen der Kaiser noch
unbeschränkter schaltete als in den seiner Verwaltung unterstellten
S. 224 A. 1 [oben S. 107 A. 2] vermuthet; die Vergleichung der arrianischen
Benennung, welche ich damals übersehen habe, hebt jeden Zweifel.
1) Dass die c. 13 aufgeführten Armenier unter Vasakes und Arbelos, sämmt-
lich Schützen zu Pferd oder zu Fuss, offenbar die von dem abhängigen König
von Gross - Armenien gesandten Mannschaften, nicht dem ov/n/naxixöv zugezählt
werden, geht daraus hervor, dass, während dieses insgesammt unter das Com-
mando des S. 148 A. 2 genannten römischen Offiziers kommt, jene einem anderen,
dem Präfecten der italischen Cohorte (die Nummer fehlt) Pulcher unterstellt
werden.
Die römischen Provinzialmilizen. 151
Provinzen, erhielten mit Ausnahme Aegyptens, das mit Legionen
belegt ward, nur schwache Besatzungen, behielten aber dafür, wie 553
es scheint, in bedeutendem Umfang die provinzialen Milizen. Es
gilt dies vor allem von Raetien, nächst Aegypten der wichtigsten
procuratorischen Provinz, aber auch von Noricum, den Alpen-
gebieten, von Kappadokien. Bei der Verwandelung dieser Provinz
aus einer procuratorischen in eine von einem senatorischen Legaten
verwaltete so wie bei der Einrichtung der jüngeren Kaiser-
provinzen unter senatorischen Legaten, wie Britannien und Dacien,
scheint die gleiche Wehrordnung beibehalten oder eingeführt worden
zu sein,
Dass diese Milizen nicht zu den Reichstruppen gerechnet worden
isind, zeigt die Vergleichung des kappadokischen Heeres, wie es uns
die Aufstellung vom J. 137 und wie es die Notitia dignitaium vor-
führt. Die Legionen, Alen und Gehörten sind in beiden wesentlich
dieselben, aber die Milizen werden allein in jener aufgeführt, eben
weil sie nicht zu den Reichstruppen zählen. Die Bereitstellung der
Waffen und diejenige Ständigkeit des Dienstes, welche für die sofortige
Einberufung der Mannschaften im Fall des Gebrauches erfordert
wird, kann nicht gefehlt haben ; nicht ohne Ursache heissen die
raetischen Mannschaften die Spiessträger und nennt sie Tacitus
geschulte Soldaten. Zum Theil mögen sie, ähnlich wie unsere Land-
wehrregimenter, nur von Fall zu Fall zur Uebung oder zum eifectiven
Dienst einberufen worden sein. Aber die Helvetier unterhielten
wenigstens in einem ihrer Castelle eine ständige Besatzung dieser
Art; und die 600 gesati Raeti, die in augustischer Zeit in dem
Castell L-cavium lagerten, dürften in gleicher Weise aufzufassen sein.
Aber jene erhielten ihre Löhnung von der Gemeinde, der sie ange-
hörten; und das Gleiche wird von sämmtlichen Provinzialmilizen
gelten, so weit sie nicht etwa, was vielfach der Fall gewesen sein
mag, verpflichtet waren sich selber die Waffen zu schaffen und auf
eigene Kosten zu dienen.
Dem entsprechend stehen sie im Range sämmtlichen Reichstruppen
nach. Deutliche Spuren dieser Rangordnung zeigen sich sowohl
bei Arrian wie in der Lagerbeschreibung, obwohl bei beiden die
Stellung der Abtheilungen im Treffen oder im Lager zunächst die
Reil'.enfolge bestimmt. Bezeichnender noch ist, dass die gaesati bei
dem Militärbau in Numidien unter Pius den Flottensoldaten nach-
gesetzt werden. Dazu passt, dass bei der kappadokischen Mobilisirung
die gesammte Provinzialmiliz unter das Commando eines Cohorten-
präfecten gestellt wird (S. 148 A. 2).
152 Die römischen Provinzialmilizen.
554 So viel wir sehen, sind diese Mannschaften in der Regel ^ in
Abtheilungen von Infanterie und Cavallerie, ungefähr den Cohorten
und Alen analog, aber mit minder fester Grundzahl, zusammengefasst
worden; zu den früher bekannten Beispielen, die zwischen 300 und 900
schwanken (a. a. 0. S. 228 [oben S. 111]), treten die 600 des Steines von
Saintes hinzu. Die Commandanten hat schwerlich die Truppe oder
die Gemeinde, sondern vielmehr der Statthalter bestellt; einzeln
begegnen uns derartige praepositi, auch wohl mit dem eigentlichen
Offizierstitel jwaefecti genannt, sehr selten tribuni^. Auf dem Stein
von Saintes, dem weitaus ältesten Beleg für dergleichen Stellungen,
ist der Führer ein altgedienter und unter Verleihung des Bürger-
rechts verabschiedeter Cavallerist, welcher nach Aufforderung des
Statthalters (evocatus) für diesen Zweck wieder in das Heer eintritt;
es kommt dieser evocatus der Sache nach auf dasselbe hinaus, was
späterhin praepositus genannt wird, Offizierstellung ohne Ritterrang.
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Ehrenbezeugungen
ihm nicht von dem Statthalter, sondern von seinen Kameraden
erwiesen werden 3.
Die wesentliche Verschiedenheit dieser Truppen und derjenigen
des Reiches ist der örtliche Dienst: in allen älteren Belegen bis auf
das Ende der Regierung Hadrians hinab finden wir sie lediglich in
derjenigen Provinz verwendet, welcher sie angehören. "Wir werden
darum auch das sonst nicht bekannte Castell Ircavium in Raetien
zu suchen haben. Aber es charakterisirt das Zusammenbrechen der
römischen Heeresinstitutionen, dass die Provinzialmilizen mehr und
mehr für den Reichsdienst verwendet werden. Den ältesten Beleg
dafür giebt die Verwendung der gaesati für Bauten in Numidien
unter Pius; und wie die raetische Miliz überhaupt am meisten
bedeutet hat, so ist auch hierin wohl mit ihr der Anfang gemacht
555 worden. Aber es ist dann dabei nicht geblieben; in dem Normal-
heer etwa aus der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts, wie es
die Lagerbeschreibung uns vorführt und das gedacht ist als vom
1) Dass einzelne Stämme einer einzelnen Abtheilung der Reichstruppen
beigegeben werden, gewissermassen als auxilia der auxilia, kommt in Numidien
bei der 7. lusitanischen Cohorte vor (S. 149) und mag nicht selten geschehen
sein, wenn uns auch weitere Angaben der Art fehlen. Regel war es nicht, wie
die arrianische sxxa^ig und andere Belege mehr zeigen.
2) a. a. 0. S. 228 [oben S. 112]. Auch der 'praef. dvitatium Moesiae et
Trehalliae (C. V, 1838 [= Dessau 1349]. 1839) in claudischer Zeit dürfte solche
Provinzialmilizen unter sich gehabt haben.
3) Indess finden sich in den spanischen Inschriften C. II, 1086. 2079 [Dessau
2712. 2713] analoge von den Abtheilungen einzelnen Kameraden erwiesene Ehren.
Die römischen Provinzialmilizen. 153
Kaiser selber geführt, nehmen die symmacharii, die Gaesaten, Daker,
Britten, Cantabrer, Palmyrener einen breiten Platz ein. Allerdings
konnte dies nicht geschehen, ohne dass die Provinzialmilizen factisch
zu Reichssoldaten wurden und in Sold und Commando der Unter-
Bchied zwischen ihnen und den Auxilien sich ausglich. Dennoch
war, wie ich schon früher nachgewiesen habe, das Eintreten der
Provinzialtruppen in das Reichsheer ein Systemwechsel. Das letztere
hatte in seinen Alen und Gehörten die Nationalitäten gemengt und
vielleicht absichtlich auf deren Ausgleichung hingewirkt; aber die
Palmyrener des numerus blieben Palmyrener, auch wenn sie in Africa
dienten, bewahrten ihren heimischen Cult und ihre eigene Sprache
und müssen sich aus ihrer Heimath recrutirt haben. Gegen das farb-
und marklose Reichsbürgerthum beginnt damit auch in diesem Kreis
die Gegenströmung der Nationalitäten.
Die hier behandelte Truppenkategorie gehört zu dem römischen
Heerwesen; die symmacharii und ihre numcri sind, so weit sie reichen,
eine Territorialarmee, anfangs nur innerhalb ihrer Provinz, späterhin
auch ausserhalb derselben verwendet, so weit sie aber zur Ver-
wendung gelangen, als Truppe behandelt. Diese Institution, deren
Eigenart erst jetzt hervortritt, darf nicht confundirt werden mit den-
jenigen Einrichtungen, welche häufig, und auch in der neuesten
Monographie von Cagnaf^, mit dem Namen der Municipal- oder
Provinzialsoldaten belegt werden, die man aber besser in andere
Verbindung bringen würde. Es wird nicht überflüssig sein dies kurz
nachzuweisen.
1 . Die cohorfes I et II orae maritimae in der Tarraconensis, von
denen wir nur durch die dort gefundenen Inschriften einige Kunde
haben, gehören ohne Zweifel zu den Reichstruppen. Die Benennung
cöhors^ die sich meines Wissens nur bei diesen findet, ist dafür ent-
scheidend; auch ihre Offiziere führen, wenn sie municipale Stellungen
daneben bekleiden, diese von den militärischen getrennt. Ihre Be- 556
Sonderheit beruht, so weit wir sehen, wesentlich in der Benennung;
während die der Legionen wie der Legionsauxilien, überhaupt also
der Reichstruppen von der Stationirung unabhängig ist und sicher
dabei der Gedanke obwaltet, dass jedes Corps in jeder Oertlichkeit
verwendet werden kann, sind diese Cohorten ein für allemal bestimmt
für den Schutz der spanischen Küste. Wenn sich insofern ihre Be-
1) De municipalibus et provincialibus militiis in imperio Eomano (Paris 1880).
Von der hier behandelten Kategorie ist in dieser Schrift nicht die Rede.
J54 I^iß römischen Provinzialmilizeii.
Zeichnung als Provinzialmiliz vertheidigen lässt, so möchte es doch
zweckmässig sein diese Truppen von den auxilia legionum nicht zu
trennen.
2. Das Nothstandscommando, wie das Stadtrecht von Genetiva
es uns kennen gelehrt hat, läuft bekanntlich darauf hinaus, dass bei
einbrechender Kriegsgefahr in jeder Stadtgemeinde jeder waffenfähige
Bürger und Schutzverwandte ausrücken und die städtischen Obrig-
keiten die Führung übernehmen oder nach Ermessen einen Führer
ernennen. Dies ist eine Ergänzung des Heerwesens, aber zugleich
der Gegensatz derselben. Auch ist davon in der Epoche, wo det
römische Staat eine ständige Armee hatte, wohl nur in geringem
Umfang und in Italien sicher so gut wie gar nicht Anwendung
gemacht worden^. Es mag wohl in mancher Grenzstadt aus dem
Nothstand eine wirkliche Bürgerwehr hervorgegangen sein^ und da
in diesem Falle eine gewisse Auslese und eine gewisse Organisation
sich noth wendig einstellen musste^, so ist es glaublich genug, dass
die Territorialtruppen häufig aus der municipalen Selbsthülfe hervor-
gegangen sind. Aber die municipalen Aufgebote an sich wird man
der Armee nicht zurechnen dürfen.
3. Yor allen Dingen aber ist dringend zu warnen vor dem
Durcheinanderwerfen der Institutionen des municipalen Sicherheits-
dienstes und den militärischen. Die Polizei auf den städtischen und
den Landstrassen und das Löschwesen wurden nach den römischen
Ordnungen nur zum kleinsten Theil durch die Truppen beschafft; in
der Hauptsache überliess man die Fürsorge dafür den Communen.
557 Wir sind über diese untergeordneten Verhältnisse wenig unter-
richtet*; aber was wir von Einrichtungen dieser Art kennen, wie diei
Gensdarmerien der Städte Kleinasiens, die Diogmiten unter ihren
1) Die tribuni militum a populo des friedlichen Pompeii und so weiter fahren
allerdings immer noch fort Bürgercapitäne zu spielen; mit der Zeit wird sich
auch dies wohl ändern.
2) Wie Ovidius den Zustand in Tomi schildert, waren die dortigen Bürgei
gar sehr darauf angewiesen.
3) Die bekannten hastiferi civitatis Mattiacorum können wohl eine solche
gewesen sein [s. unten S. 156 ff.].
4) Im Allgemeinen lag der municipale Sicherheitsdienst auf den zu diesen
Zweck von der Gemeinde angeschafften Sklaven nebst den zu dergleichen Dienster
verurtheilten Verbrechern. Belehrend darüber sind die Briefe 19. 20. 31. 82 de:
Correspondenz des Plinius und des Traianus; auf den Vorschlag seines Vertreter;
bei der Gefängnissaufsicht neben den Sklaven einige Soldaten zu verwende!
geht der Kaiser nicht ein. Analog sind die stadtrömischen Einrichtungen, bevoJ
Augustus seine Löschmannschaft einrichtete, die übrigens von dem Ursprung'
aus dem unfreien Hülfsdienst den Stempel und den Makel behielt.
Die römischen Provinzialmilizen. 155
Eirenarchen, wie die in der Narbonensis hie und da begegnenden
städtischen Magistrate zur Niederhaitang des Räuberwesens, wie der
vvxTEQivbg arQarrjyog in Alexandrien und der, wie mir Hirschfeld*)
erwiesen zu haben scheint, nach diesem Muster geschaffene praefectus
vigilum et armorum in Nemausus gehören nicht in das Militärwesen.
Der Soldat und der Nachtwächter dienen beide der öffentlichen
Sicherheit, aber müssen darum nicht weniger streng gesondert
werden, und nirgends mehr als in der römischen Verwaltung, welche
das kaiserliche und das städtische Selbstregiment eben hierin in
schärfster Weise auseinander hält.
Was längst wahrscheinlich war, dass die hastiferi civitatis
Mattiacor(um) der bekannten im J. 236 gesetzten Inschrift von
Kastei gegenüber Mainz (Brambach 1336 [C. I. L. XIII, 7281 =
Dessau 3805]) die Landwehr dieser Gemeinde gewesen sind, hat
eine zweite in diesem Sommer bei Wiesbaden gefundene vom J. 224
zur Gewissheit gemacht. Ich entnehme sie dem Westdeutschen Kor-
respondenzblatt vom August d. J. [1887] S. 180 [CLL. XIII, 7317 =
Dessau 7095]. [I^n h(onorem) d(omus) d(ivinae) N[u\min(i) Äugfusti)
hastifcrii (so) sive pastor(es) consistentes hastello Mattiacorum \d\e
suo posue[r]tmt Villi hol. Apriles^ [I]uliano et Cri[s]pino co[s.]. Also
hatte diese Gemeinde, die ihrer Lage nach ebenso darauf angewiesen 558
war sich selber zu vertheidigen, wie in der ersten Kaiserzeit die
Helvetier, an der Grenze ihres Gebietes Mainz gegenüber ein cas-
tellum, das ihre bewaffneten Hirten, dort consistentes, also ständig,
besetzt hielten. Es ist die genaue Parallele zu der oben angeführten
Stelle des Tacitus.
*) [S.-Ber. d. Wiener Akad. 1884, S. 240.]
1) Der 24. März ist der 'Bluttag' (sanguis) des Göttermutter - Cultus der
späteren Zeit (Marquardt Handbuch 6, 372), und die Besatzung von Kastei muss
zugleich für diesen damals mit den Gülten des Mithras und der Bellona sich
verschmelzenden Gottesdienst als Körperschaft fungirt habeu; denn die längst
bekannte Inschrift dieser hastiferi der Mattiaker betrifft die Wiederherstellung
des mons Vaticanus, der bekanntlich in den Taurobolien eine Rolle spielt (Orelli
2322 [CLL. XIII, 1751 = Dessau 4181]), und sie geschieht zu Ehren der dea
Virtus Bellona. Im Kalender des Polemius heisst derselbe Tag der natalis
calices, vielleicht (C. I. L. I p. 390) natalis caligae, der Geburtstag des Soldat en-
thuma — warum, wer weiss es? Immer ist dies auch ein Bild der Theokrasie
des dritten Jahrhunderts, aus der der neue Glaube erwuchs, und doch auch ein
Stück unserer römisch-germanischen Vorzeit.
VIII.
Die Hastiferi von Castel.*)
19 Die vor Kurzem in Castel gefundene im Korrbl. YI (1887) S. 180
[CLL. XIII, 7317 = Dessau 7095] abgedruckte Inschrift:
[I]n h(onorem) d(omus) d(ivinae) n[u]min(i) Aug(usto) hastiferii
(so) sive pastor(es) consistentes hastello Mattiacorum \d]e suo
posue[r]unt Villi kal. Apriles [I]uliano et Cri[s]pmo co[s.]
(224 n. Chr.)
ist nach einer kurzen von mir ihr gewidmeten Erörterung (Hermes
22, 557 [oben S. 155], vgl. Wd. Korr. YI, 290) kürzhch sehr ausführlich
von Maue (Philologus 1888 S. 487—513) behandelt worden. Es istj
nicht meine Absicht, auf die von diesem Gelehrten vorgetragenen
Ansichten und Einfälle im Einzelnen einzugehen; aber einige ent-
schieden irrige Aufstellungen möchte ich zurückweisen, da fdie
Auffassung des wichtigen Denkmals dadurch beeinträchtigt wird.
Yornehmlich gilt dies von dem Begriff des consistere**) Derselbe
steht völlig fest. Das Wort, gebildet von sistere, dem verstärkten
Stare, wie dedere das verstärkte dare ist, und der Präposition,
bezeichnet, bezogen auf eine Örtlichkeit, das längere Yerweilen
einer Mehrheit von Personen oder auch eines Einzelnen neben
mehreren gleichgestellten Anderen an diesem Ort, die factische
Dauer des Aufenthaltes, wogegen die rechtliche Zugehörigkeit zu
dem Orte regelmässig durch den Genitiv des Ortsnamens oder durch
das gleichwertige Adjectiv ausgedrückt wird. Die Gegensätzlichkeit
dieser Bezeichnung zu derjenigen der Gemeindeangehörigkeit zeigtl
sich, wie ich dies schon früher auseinandergesetzt habe,***) in dem;
20 technischen Sprachgebrauch vorzugsweise nach zwei Seiten hin: wenri
consistere mit einer Örtlichkeit verbunden wird, so ist diese entwedei}
*) [Korrespondenzblatt der Westdeutschen . Zeitschrift für Geschichte ancj
Kunst 8, 1889 Sp. 19— 28. 50-52.]
**) [Vgl. Kornemann, Pauly-Wissowa RE. IV, 922 ff.]
***) [Hermes 7 (1873), 309 ff.]
i
Die Hastiferi von Castel. 167
eine solche, auf welche die Gemeindeangehörigkeit überall nicht
bezogen werden kann, oder die Personen, um welche es sich handelt,
werden damit als nicht gemeindeangehörig bezeichnet.
In der ersteren Anwendung erscheint consistere^ wo es bezogen
wird auf den Versammlungsplatz, welcher in der spätem Latinität
danach selbst consistorium genannt wird. Dies findet sich häufig in
stadtrömischen Inschriften: fahri qui consistmit in scola^ sub theatro
Aug. Pompeian(o) (C. VI, 9404 [Dessau 7249]) — collegium cocorum
Äug. n. quod consistit in Palatio (C. VI, 7458 [Dessau 1798]) —
collegium quod consistit in praedis Larci Macedonis in curia (C, VI, 404
[Dessau 3062]), seltener in Inschriften anderer Städte, wie zum
Beispiel die mehrfach vorkommenden Weinhändler Luguduni in
Jcanahis consistentes. Rechtlich gleichartig tritt es auf in Beziehung
auf einen vicus; der Gegensatz der rechtlichen Gemeindezugehörigkeit
und der factischen Ortsgemeinschaft tritt in besonderer Deutlichkeit
hervor in dem colleg(ium) centonar(iorum) Placent(inorum) consisten-
t(iiim) Clastidi (C. V, 7357) und dem coU(egium) n(autarum) V(ero-
nensium) A(relicae) consist(entium) (C. V, 4017). Gleichartig ferner
ist die Anwendung dieser Bezeichnung auf die von mir so genannten
Lagerstädte, die canahae legioniim; da diesen das Stadtrecht mangelt
und also die Gemeindezugehörigkeit hier ausgeschlossen ist, so tritt
dafür das Domicil ein. Den seiner Zeit von mir zusammengestellten
Belegen, die ich nicht wiederhole, füge ich einen später gefundenen
hinzu: in Durostorum in Niedermösien wird unter Pius dem Jupiter
lind zugleich c(ivibus) R(onianis) et consistentihus in canabis Aelis
^leg(ionis) XI Cl(audiae) ein Tempel nebst Statuen gewidmet^.
1 Wo dagegen consistere mit einem Stadtnamen verbunden auf-
jtritt, wird es regelmässig auf die in dieser Stadt nicht verbürgerten, 2 1
sondern nur in ihr sich aufhaltenden Personen bezogen. Beispiels-
j»veise finden sich also Iiusg(im/enses) et Piusg(uniis) consistentes
C. VIII, 9250 [Dessau 6879]) — ciätores lovis Heliopolitani Bery-
\enses qui Puteolis consistunt (C. X, 1634 [Dessau 300]), anderswo
C. X, 1579 [Dessau 4291]) bezeichnet als corpus Heliopolitanorum —
ral[at\ae consistentes municipio (C. III, 860 [Dessau 4082]) und sonst oft.
)a8 Wort wechselt in dieser Verbindung mit negotiantes, Igya^djusvoi,
iQay fxaxEvofievoL und ähnlichen Ausdrücken, wie dies oft genug aus-
1) Nicht in urbe, wie aus Versehen in meiner Abhandlung Hermes 7, 309
nd danach bei Maue S. 495 gedruckt ist.
2) Jirecek in den Arch. Epigr. Mitt. aus Oesterreich 10 (1886) S, 203 [C. I. L.
I, 7474 = Dessau 2475].
158 Die Hastiferi vod Castel.
geführt worden ist. Durchgängig pflegen die auswärts thätigen
Kaufleute in dieser Weise bezeichnet zu werden. Schärfer tritt der
Begriff nirgends hervor als bei Ulpian (Dig. 5, 1, 29, 2): si quo con-
stitit, non dico iure domicilii, sed tahernulam pergulam horreuni
armarium officinam conduxit ibique distraxit egit, defendere se eo loco
debebit. Hier ist ausgesprochen, dass vor allem die am Ort domi-
cilierten Fremden zu den consistentes gehören, ausserdem aber jeder
Oeschäftsinhaber, auch wenn er an dem betreffenden Ort nicht
wohnt, wogegen der Jurist a. a. 0. den Reisenden ausdrücklich aus-
schliesst. Auch die Rechtsfolge des Consistierens tritt hier deutlich
hervor: während für den Incolat mit seinen Rechten und Pflichten,
namentlich für die Übernahme der Jionores und der munera das
Domicil gefordert wird, begründet die als consistere bezeichnete
ebenfalls nur faktische, aber schwächere Ortsangehörigkeit den ört-
lichen Gerichtsstand^. Hinsichtlich der Zeitdauer stehen die incolaeji
und die consistentes sich gleich; bleibend sind beide Yerhältnissel
gedacht, zugleich aber ohne feste Zeitgrenze, so dass die Beendigung
jederzeit nach dem Belieben der Betreffenden eintreten kann.
Allerdings werden diese Wendungen in voller Schärfe nur da
22 gehandhabt, wo der Gegensatz der rechtlichen und der faktischen
Ortsangehörigkeit in Betracht kommt. Oft genug wird die Orts-
angehörigkeit schlechthin bezeichnet und an jenen Gegensatz nicht
gedacht. Unbedenklich sagt man vicani Minnodunenses , navicularii
Arilicenses, wo die Zugehörigkeit zwar bloss eine factische ist, aber
als solche nicht betont wird; ja da bei dem vicus die rechtliche
überhaupt nicht vorkommen kann, ist es überflüssig, falls nicht zu-
gleich die Stadtgemeinde erwähnt wird, die Zugehörigkeit zu quali-
ficieren. Mit consistere verhält es sich anders als mit dem Adjectiv:
wo die rechtliche Zugehörigkeit besteht, darf die faktische, die aller-
dings regelmässig daneben auch vorhanden ist, in genauer Rede
nicht gesetzt werden. Die Ausnahmen, welche Maue geltend macht
und wegen deren er die Regel anficht, sind die folgenden:
Lyon: corporatus inter utriclar(ios) Lug(uduni) consistentium (so)
Boissieu p. 409 = Henzen 6991 [C. I. L. XIII, 1998 =
Dessau 7035].
1) Die Stelle ist bei Gelegenheit des sogenannten forum eontractus von derj
Juristen mehrfach erörtert worden. Saviguy (System 8, 221), der das forum con
tractus leugnet, fasst sie als freiwillige Unterwerfung unter den Gerichtsstanc
des Vertragsorts. Es würde vielleicht am einfachsten sein, da das Domicil eirj
mehrfaches sein kann, den Geschäftsbetrieb . als qualificierte und auf einen be:
stimmten Kreis von Rechtshandlungen eingeschränkte Domicilierung aufzufassen
Die Hastiferi von Castel. 159
patron(tis) eq(ues) R(omanus)*) IIIIII vir(um), utr[i]clar(iorum),
fabror(um) Lugud(uni) consist(entium). Boissieu p. 209 =
Henzen 7007 [C. I. L. XIII, 1954 = Dessau 7030].
negotiatores vinari Lugud(uni) consistentes. Boissieu p. 390 =
Henzen 7254 [C. I. L. XIII, 1911 == Dessau 7033]; in den
anderen Inschriften derselben Kaufmannschaft steht weiter
in kanabis.
€Oii-porat(us) inter fahros tign(uarios) Lug(uduni) consist(entes).
Boissieu p. 203 = Henzen 7260 [C. I. L. XIH, 1966 =
Dessau 7028].
patron(us) Cond[eat]ium i[iem Ä\r[ec]a[r]ior(um) Lugu[d(uni)] con-
s[i]stentm{m]. Boissieu p. 260 = Henzen 6950 [C. I. L. XHI,
1688 = Dessau 7021].
patronus centonarior(um) Lug(udnni) consist(entium). Boissieu
p. 201 [C. I. L. XIII, 1961].
centonario Lug(uduni) consisteni(i). Boissieu p. 197 [C. I. L.
XIII, 1972].
dendrophori Luguduni consistentes. Boissieu p. 31 [C. I. L.XIII,
1752 = Dessau 4132].
Feurs unweit Lyon:
fahri tignuar(i), qui foro Segus(iavorum) consistunt. Henzen
5216 [CLL. XIII, 1640].
Trier: genio aren[a]riorum consistentium col. Äug. Tre. Brambach
770 [C. I. L. XIII, 3641 = Dessau 7059].
Sigus: cultores qui Sigus consistunt C. VIH, 5695.
Gesetzt, es verstiessen diese Fälle sämmtlich gegen die Regel, 23
dass consisfere bei rechtlicher Gemeindezugehörigkeit nicht gesetzt
werden darf, so würde dies die Regel selbst keineswegs erschüttern;
es wäre eben eine inkorrekte Handhabung des Wortes in vereinzelten
Fällen, die beinahe ausschliesslich nach Lyon gehören und höchstens
leine örtliche Abweichung von der Norm begründen könnten. Aber
jiuch dies kann keineswegs eingeräumt werden. Mehrere der
|[nschriften können füglich auf den Yersammlungsort bezogen
A^erden. Bei der Lyoner Schiffergilde lag es nahe zuzusetzen, dass
hr Lokal sich in der Stadt befand; dasselbe lässt sich bei anderen
lieser Collegien annehmen. Bei den Weinhändlern daselbst tritt,
vie ich früher schon erinnert habe , die officielle Bezeichnung
'jugudmii in hanahis wahrscheinlich einmal verkürzt auf. Yor
llem aber legt die auffallende Thatsache, dass diese Ausdrucks-
*) [Besser eq(uitum) B(omanorum) ; vgl. C. I. L. XIII, 1 p. 254.]
■|,ßQ Die Hastiferi von Castel.
weise vorzugsweise sich in Lyon zeigt, die Vermutung nahe, dass in
diesem grossen Mittelpunkt, wohin von allen Seiten her die Ansiedler
zusammenströmten, die Collegien grossenteils aus Personen bestanden
haben, die das städtische Bürgerrecht nicht besassen und dass die
fdbri, die Dendrophoren, die Centonarier, die eigentlich zu bezeichnen
waren als Lugudunenses et Luguduni consistentes , häufig sich allein
der letzteren auf alle Mitglieder passenden Bezeichnung bedienten.
Wie weit dies reicht, lässt sich nicht bestimmen. Es kann wohl
sein, dass in einigen jener Fälle die faktische Ortsangehörigkeit
inkorrekt gesetzt ist; aber an einem sicheren Beweis auch nur eines
einzigen Falles der Art fehlt es.
Also werden wir fortfahren consistere von demjenigen ständigen
Aufenthalt zu verstehen, welcher, wie Ulpian dies ausspricht, bei
mangelnder Gemeindeangehörigkeit den örtlichen Gerichtsstand be-
gründet. Wenn nach Maue 'dem Worte einfach die allgemeine
'Bedeutung des Bestehens, Geltunghabens, Existirens beizulegen ist,
'mit der Nuance, dass dies Bestehen eine rechtliche Begründung
24 'hat'^, so habe ich vergeblich versucht mit diesen Worten einen
Begriff zu verbinden. Der Gegensatz würde danach sein dasjenige,
was nicht existiert oder was auf unrechtliche Weise existiert. Wer
überhaupt einen ßechtsbegriff zu fassen fähig ist, wird einräumen,
dass dieser nichts ausschliessende Rahmen die Nichtigkeit der selt-
samen Definition in naiver Weise zum Ausdruck bringt. Man ver-
suche nur die Worte Busgunienses et Musguniis consistentes nach
dieser sogenannten Definition zu interpretieren oder den örtlichen
Gerichtsstand an solche Philologie anzuknüpfen.
Eben darum, v,' eil consistere auf die Stadtgemeinde als solche
in korrekter Rede nicht bezogen werden kann, ist es von hervor-
ragender Wichtigkeit, dass in der neuen Inschrift von Castel die
hastiferi bezeichnet werden als consistentes kastello Mattiacorum.
Dass die Mattiaker eine civitas gewesen sind und Gemeindebeamte
gehabt haben, ist ausser Zweifel;*) heisst doch das Collegium selbst
in seiner zweiten seit langem bekannten Inschrift hastiferi civitatis
Mattiacorum. Aber die neu gefundene Inschrift macht es zweifel-
haft, ob diese civitas einfach dem castelliim gleich gesetzt werden
kann, das den Gaunamen trug. Es steht damit ganz ebenso wie'
1) Die 'rechtliche Begründung' schreibt sich davon her, dass in den Pan-
dekten gesagt wird donatio facta iure consistit u. dgl. m. Natürlich hat dieses
'zu Recht bestehen' mit dem auf eine Örtlichkeit bezogenen consistere keine j
engere Gemeinschaft.
*) [Vgl. C. I. L. XIII, 2 p. 469.]
I
Die Hastiferi von Castel. 161
mit der oben angeführten Inschrift der fdbri qui foro Segusiavorum
consistunt. In beiden Fällen kommt hinzu, dass sowohl castellum
wie forum im Gegensatz zu der Stadtgemeinde den des Stadtrechts
entbehrenden Flecken bezeichnen. Allerdings ist dies insofern nicht
schlechthin entscheidend, als, wie bei uns die Benennung Dorf und
Markt, so im Altertum jene Bezeichnungen dem Flecken nach Er-
teilung des Stadtrechts bleiben können; aber wo, wie hier, die
mangelnde Stadtbezeichnung und das den Mangel der Gemeinde-
angehörigkeit ausdrückende consistere zusammentreffen, spricht die
grosse Wahrscheinlichkeit dafür, dass das castellum Mattiacorum
nichts ist als eine der Ortschaften der gleichnamigen civitas. Dass
mehrere ansehnliche Ortschaften eine civitas bilden, kommt in Italien 25
in dieser Weise nicht vor; in Gallien ist es gewöhnlich — es genügt
an die duo capita der Vocontier, an Autricum (Chartres) und Cenabum
(Orleans) der Carnuten zu erinnern. Maue freilich meint (S. 497),
dass ich in der R.-G. 5, 135 irrtümlich die civitas Mattiacorum mit
der civitas Taunensium identificiert habe,*) 'verleitet durch die Inschrift
'Brambach 1330:**) [pro sal]ute C-C-M-Tj, welche Zeichen jedoch
'mit J. Becker zu lesen sind c(ivium) c(ivitatum) M(attiacorum)
^T(au'nensimn). Denn nach den auch sonst in genügender Zahl vor-
'handenen Monumenten kann darüber gar kein Zweifel bestehen,
'dass Castel (civitas Mattiacorum) und Praunheim-Heddernheim
''(civitas Taunensium) zwei von einander verschiedene selbständige
'Civitäten waren'. Ich bedaure meinem neuen Führer nicht folgen
zu können. Die örtliche Bezeichnung der römischen Niederlassung
bei Heddernheim war meines Erachtens Novus vicus;**'^) in den be-
kannten daselbst gefundenen dem genius plateae novi vici (C. I. Rh. 1444
[CLL. XIII, 7335 = Dessau 7096], 1445 [C. L L. XIII, 7336])
gesetzten Inschriften kann vicus unmöglich eine Strasse sein, da von
der Hauptstrasse — das ist platea — einer neuen Strasse nicht
gesprochen werden kann. Auch die Auffassung als Stadtviertel, wie
vicus auf den Steinen von Ariminum und Antiochien in Pisidien
auftritt (Staatsrecht 3, 114), hat für eine nicht allzu bedeutende
*) [Gegen diese Identifikation auch A. Hammeran, Urgeschichte von Frank-
furt a. M. und der Taunus -Gegend, Frankf. a. M. 1882, S. 14 und A. Riese,
Mitth. über röm. Funde in Heddernheim II (1898) S. 5. Vgl. auch C. I. L. XIII, 2
p. 425 f.]
♦*) [C. I. L. XIII, 7301, wo Zangemeister liest [vican{\ vä(eres) c(onsistentes)
C(astelli) M(attiacorum).]
***) [Dagegen Hammeran a. a. 0. S. 16 and Riese, Westd. Korrbl. 22 (1903)
S. 150 ff. ; nach letzterem war sie Nida.]
MOMMSEN, SCHR. VI. 11
-|^ß2 I^iö Hastiferi von Castel.
Siedelung keine Wahrscheinlichkeit. Aber mag diese Auslegung
der Inschriften richtig sein oder nicht, für die hier in Rede stehende
Frage kommt darauf nichts an. Die Bezeichnung civitas kommt dem
Gau zu und kann auf eine einzelne Ortschaft desselben nur in der
Weise übertragen worden sein, wie zum Beispiel Durocortorum in
späterer Zeit meist civitas Remorum genannt wird.*) Wäre es erwiesen,
was keineswegs erwiesen ist, dass diese Übertragung bei Heddem-
heim eingetreten ist, so würde daraus noch keineswegs folgen, dass
das castellum Mattiacorum nicht eine zweite Ortschaft desselben
Gaues gewesen ist. Auch die von J. Becker vorgeschlagene Inter-
pretation jener Inschrift wird dadurch nicht probabler, dass sie
26 wiederholt wird. Dedicationen dieser Art für das Wohlergehen
zweier Ortschaften sind mir nicht erinnerlich. Das einfache C •
kann in dieser Epoche nicht füglich den Plural anzeigen, und das
Fehlen der Copula ist noch weniger gerechtfertigt. Die Doppel-
bezeichnung civitas Mattiacorum Taunensium befreit aus vieler
Nöten. Ich möchte nicht über diese schwierigen Fragen mit dei
jenigen Zuversichtlichkeit absprechen, wie sie jüngeren Forschern
vielleicht wohl ansteht; aber so gewiss die Ortschaften Castel und
Heddernheim verschieden waren, so wenig ausgemacht ist es, dass
sie zu verschiedenen civitates gehört hatten.
Über das Wesen der hastiferi selbst habe ich im Hermes (vgl.
Wd. Korr. YI S. 290) daraufhingewiesen, dass, da der Altar am
24. März, dem Bluttag, dem Hauptfesttag der grossen Mutter gesetzt
ist, ihre Beziehung auf diesen Cult und damit ihre Gleichung mit
den Dendrophoren ausser Zweifel ist. Maues Hypothese, dass die
dendrophori eigentlich Holzhändler gewesen und als solche zu einem
sacralen Collegium umgebildet wurden, bedarf schon an sich einer
Widerlegung nicht. Diese Ausdehnung des Holzhandels im römischen
Reich ist sachlich ebenso wunderlich, wie sprachlich die Bezeichnung
des Holzhändlers als eines Baumträgers. Indem die neugefundene
Inschrift die hastiferi deutlich den dendrophori gleicht und zugleich
jene als 2^(^sfores bezeichnet, sollte man meinen, dass sie der Holz-
händler-Phantasie ein Ende machen würde; in welchem Grade
Maue sich dieser Evidenz verschliesst und die Identität der Hastiferi
mit den Dendrophoren auch jetzt noch in Abrede stellt (S. 491. 511).
ja sogar durch diese Inschrift jenen unglücklichen Einfall bestätigt
findet, mag man bei ihm selber nachlesen, si tantisf. Dass derselbe
den Hastiferi den Charakter als Lokalmiliz abspricht, lässt sich ver-
") [Vgl. Hirschfeld, S.-Ber. d. Berl. Akad. 1907, S. 194 ff.]
Die Hastiferi von Castel. 163
teidigen. Es spricht dafür die Benennung, die doch wohl nicht
ohne Ursache in dieser Weise latinisiert ist, der Fundort mit seiner
militärischen Wichtigkeit und vor allem die Bezeichnung dieses
Dendrophorencollegiums zugleich als einer Genossenschaft von Hirten,
das heisst, wie Maue selbst weitläufig entwickelt, von Bewaffneten.
Dies passt so wenig zu dem, was wir von den Dendrophoren wissen, 27
dass man eine Erklärung dafür sucht, und diese ist gefunden, wenn
das Dendrophorencollegium in den Grenzstädten bei dem Sicherheits-
dienst verwandt ward. Aber diese Indicien können allerdings alle
trügen. Nach Maues Ansicht wird meine Bemerkung schon dadurch
hinfällig, dass ich selbst den sacralen Charakter des Collegiums
anerkannt habe. 'Eine militärische Aufgabe, wie sie diese sacrale
'Körperschaft gehabt haben soll, ist eben in dem ganzen Vereins-
'wesen unerhört'. Aber es ist andererseits wohl bekannt, dass das
Vereinswesen der Kaiserzeit wesentlich zu praktischen Zwecken
benutzt ward. Die Collegien der fdbri und der centonarii haben als
Feuerwehr gedient; das der fahri von Ostia ist geradezu als numerus
caligatorum militärisch organisiert worden. Über das provinziale
Vereinswesen wissen wir ungefähr ebenso viel wie über den städtischen
Sicherheitsdienst; zu versichern, dass jenes mit diesem sich nicht
habe berühren können, zeugt mehr von Zuversicht als von Einsicht,
Die abermalige Beschäftigung mit den beiden Steinen der hasti-
feri hat mir die Vermutung nahe gelegt, ob nicht noch ein dritter
derselben Körperschaft gehören möchte; ich meine den zu Oberolm
bei Mainz gefundenen, in Beckers Katalog des Mainzer Museums als
Nr. 267 aufgeführten.*) Ich bat also meinen Freund Zangemeister
um seine Abschrift der zum Teil zerstörten Inschrift, welche ich hier
mitteilen darf:
VIUMn/oi/////L
RISCASTLIIMAT
TIACORVM • AVR
CANDiDVS- CORNI
5CVLARIVS MAI/IC
RVMGORIIIANO"/
>LLEC-VS iNT-////
Die Schwierigkeiten, welche der Stein bietet, vermag ich nicht 28
zu lösen. Hinter cornicularius muss eine Militärabteilung genannt
gewesen sein; aber die Benennung ist nicht zu enträtseln — Mattia-
corum Gordianorum passt weder recht zu den Spuren noch ist es
'') [C, I, L. XIII, 7250 = Dessau 7094,]
\ g4 Die Hastiferi von Castel.
sachlich ohne Anstoss. Auch die Beziehung des allectus inter . . .
zu einem activen Soldaten ist befremdlich. Dagegen scheint zu
Anfang gestanden zu haben vicanis 'h[astif]e\ris castelU Mattiacorum;
unabhängig von einander sind Zangemeister sowohl wie ich auf
diese Lesung geführt worden. Die Spuren und die Raumverhält-
nisse stimmen genau, nur dass freilich, wenn man die möglichen
Ligaturen in Rechnung zieht, auch vicanis et hastiferis gelesen werden
kann, was Zangemeister, vielleicht mit Recht, vorzieht.*) Wichtig
aber ist es und meines Erachtens zweifellos, dass hier dem casfellum
Mattiacorum ausdrücklich vicani beigelegt werden, also, wie es oben
ausgeführt ist, diese Ortschaft nicht mehr war als ein Flecken.
50 Die Lesung cornicularius Mattiacorum Gordianorum darf sowohl
nach Kellers Autopsie wie auch nach Einsicht des mir von Hm.
Lindenschmit freundlichst übersandten Abklatsches als wahrscheinlich
gelten, wenngleich der Zweifel bestehen bleibt, ob der Steinmetz
nicht am Schluss der fünften Zeile einen oder zwei Buchstaben aus-
gelassen hat. Ist die Lesung wenigstens annähernd richtig, so i%\
dieser einer der singulärsten unter den römischen Soldatensteinei
der freilich, vereinzelt wie er bis jetzt steht, recht sichere Ergebnisse
nicht liefern kann. Wir kennen eine zweite Gehörte der Mattiakei
durch zwei Militärdiplome der Provinz Niedermoesien aus dem J. 99
(Arch. epigr. Mitt. aus Oesterreich 11, 25 [C. I. L. III p. 1971 =
Dessau 2000]) und 134 (C. I. L. III p. 877 vgl. Eph. ep. II p. 453
51 [C. I. L. III p. 1979]);**) von der ersten Gehörte haben sich bis jetzt
meines Wissens keine Denkmäler gefunden. Aber schwerlich ist
eine von ihnen in der Mainzer Inschrift gemeint; die Weglassung
der Gohortenbezeichnung ist, man darf wohl sagen, unerhört, und auch
davon abgesehen, kann man eine Mattiakercohorte eher an jedem
anderen Orte erwarten, als im Mattiakergau selbst. Eher wird an
einen numerus zu denken sein von der im Hermes 19, 219 [oben
S. 103] von mir erörterten Kategorie. Allerdings ist auch bei einer
solchen Truppe die nackte Nennung des Ethnikon auffallend, aber
doch nicht ohne annähernd ähnliche Beispiele***) und die Bezeichnung
nach dem Standort hier in der Ordnung (a. a. O. S. 225 [oben S. 109]),
mag dieser nun zugleich der Heimatort der Truppe gewesen sein oder
*) [Jetzt Zangemeister im C. I. L. a. a. 0, 'mcan[or(um) vid vete]ris.]
**) [Als drittes kommt hinzu D. CVIII, C. I. L. III p. 2328" vom J. 138.]
***) ['Ganz analog sind der cornuelarius Britonum CLL. XIII, 6622, der
se{s)q(ui)pliearius Osdro[en]oru[m] C. I. L. VIII, 9829 und der splarator Bataorum
ebd. 21668' BANG.]
I
Die Hastiferi von Castel. 165
nicht. Dass eine solche Truppe einen cornicularius hat, ist wiederum
ohne Beispiel,*) aber insofern nicht befremdend, als schon die corni-
cularii der Gehörten, vermutlich nicht so sehr wegen ihrer geringen
Zahl, als wegen der Geringfügigkeit dieser Stellung, sehr rar sind
(Cauer eph. epigr. 4, 417 n. 76. 77) und die der numeri im Rang
noch tiefer gestanden haben müssen. Vor allem auffallend aber ist
die enge Beziehung dieses militärischen Subalternen zu der Ein-
wohnerschaft des Standorts seiner Truppe, welche sowohl in der
Dedication an die vicani hervortritt wi« auch in der Allection in
irgend welche Körperschaft; denn die Allection ist eine bürgerliche
Institution und fordert eine derartige Beziehung. Bei abermaliger
Betrachtung des Abklatsches haben sowohl Zangemeister wie ich
uns überzeugt, dass hinter inter ein schmaler Buchstabe, dem Raum
nach wahrscheinlich ein I, und dann ein P gestanden hat; ich ver-
mute, dass zu lesen ist allectus inter [i]p[sos\. Dann haben die
vicani hastiferi diesen Soldaten in ihre Gemeinschaft aufgenommen.
Dies ist allerdings gegen alle Regel; die einzige ähnliche Anomalie
ist der in Carnuntum als [m]agister col(legii) vet[er]anoru(m) cento-
narioru(m) neben einem Civilbeamten fungierende Legionär C. I. L.
ni, 4496* [Dessau 7245].**) In unserem Fall könnte die Aufnahme
des zur Garnison gehörigen Subalternoffiziers unter die vielleicht die
Localmiliz repräsentierenden vicani hastiferi mit der besonderen Be-
schaffenheit sowohl der Truppe wie des CoUegiums in Verbindung 52
stehen. Unsichere Vermutung bleibt dies allerdings; wie denn die
Beziehungen zwischen den römischen Besatzungen und den dazu
gehörigen bürgerlichen Ansiedelungen noch vielfacher Aufklärung
harren. Eigentlichen Aufschluss können nur weitere Entdeckungen
geben.
Es wurde oben S. 162 gesagt, dass die Umnennung der dendro-
phori in hastiferi wohl nicht ohne Grund erfolgt ist. Dies würde
sich bestätigen, wenn es sicher stände, dass in Vienne dendrophori
und hastiferi neben einander bestanden haben. Indes aus den beiden
Inschriften eines dendrophorus niunificus (C. I. L. XII, 1917) und
eines magist(er) (h)astiferor(um) (das. 1814) kann dies nicht gefolgert
werden, da dieselbe Genossenschaft füglich sich mit beiden Namen
genannt haben kann.
♦) [Andere Beispiele C. I. L. XIII, 6622. 7751.]
*) [Der Legionär ist zu streichen ; s. add. n. 11097.]
IX.
Die Walldürner Inschrift,*)
[C. I. L. XIII, 6592]
660
DEJE-FORTVNAe
SANCT^.BAkVm
VSrVSTA-E-CONLAr
SVM.EXPL.STVV///
T.BRIT■GE^TILES-.
OFFICIAES-BRI'E
DE DTIC-ALEXAN
DR I ANOrVm'-DE
SVO-RESTT'\eR-G
ra-ageke-t-fl-ro
mno-3-J!":g-xxiippi*
b-AVG.LVPO.STMXfe
cos
vielleicht unter allen rheinischen Soldateninschriften die eigen-
artigste, kann nicht erläutert werden ohne Feststellung der mili-
tärischen Bedeutung der gentües und der dediiicii, die beide darin
erscheinen.
In der Rechtssprache insbesondere der späteren römischen
Kaiserzeit bezeichnet gens die ausländische, dem Reich nicht unter-
worfene Völkerschaft, genfilis den Angehörigen einer solchen. Dafür
bedarf es keiner Belege; erinnert mag werden an die Verordnung
von 364 betreffend die legati gentiliiim (C. Th. 12, 12, 5) und an die
interprefes diversarum (oder omnium) gentium, welche der römische
Staatskalender aus den ersten Jahren des 5. Jahrh, (not. dign. Or.
1 1, 52, Occ. 9, 46) unter den Officialen der kaiserlichen Hofhaltungen
anführt.
*) [Limesblatt 1897 nr. 24 S. 660-667.].
Die Walldürner Inschrift. 167
Dem entsprechend sind in den militärischen Ordnungen gentiles
die im römischen Heere dienenden Ausländer. Auch dafür bedarf 661
es der Belege nicht; es reicht aus wiederum auf die in demselben
Staatskalender genannten derartigen Kapitulanten hinzuweisen, welche
bald bezeichnet werden als gentiles schlechtweg, bald als Sarmatae
gentiles oder mit analoger Heimatbezeichnung.
Es kommen aber auch gentes vor, welche als solche dem Reich
inkorporiert sind. In meiner Abhandlung über das Militärwesen seit
Diocletian (Hermes Bd. 24 J. 1889 S. 250) sind diese Stämme in
ihrer militärischen Verwendung erörtert worden. Vorzugsweise er-
scheinen sie in Africa.*) Einen praefecttis gentis 3Iusulamiorum
nennt eine africanische Inschrift aus traianischer Zeit (C. VIII, 5351
[= Dessau 1435]); Florus Lahaeonis fil. princeps et undecimprimus
gentis Saboiduni erscheint in einer anderen aus severischer (C. VIII,
7041 cf. 19423 [= Dessau 6857]). Jünger ist eine dritte africanische
Inschrift, die die res publica einer solchen gens nennt (C. VIII,
10335 [= Dessau 5862]); einer anderen gens werden die fines
adsigniert (C. VIII, 8813. 8814 [= Dessau 5960]).
Aber auch ausserhalb Africas begegnen gleichartige Gemein-
schaften.
gens Marconianorum in der Not. Occ. 34, 24 als Militärtruppe
unter einem Tribunus.
gens per Baetias deputata das. 35, 31 auch als Truppenkörper unter
einem Tribunus.
gentes an der armenischen Grenze fordert der justinianische magister
militum per Armeniam et Pontum Polemoniacum et gentes (Cod.
lust. 1, 29, 5), wo der Gegensatz zu den Provinzialen scharf
hervortritt.
Für die Anlage und die Instandhaltung der Grenzbefestigungen
{propter ciiram nnmitionemque limitis atque fossati) sind nach der
Verordnung von 409 (C. Th. 7, 15, 1) von den früheren Regierungen
den gentiles Ländereien [terrarum spatia) angewiesen worden;
was im Allgemeinen auch hierher gehört.
Diese innerhalb der römischen Grenzen angesiedelten aus-
ländischen Stämme sind hybride Bildungen, zugleich Ausländer und
ünterthanen, zunächst, wie man sieht, unter römische Offiziere
gestellt und nicht zu der römisch -städtischen Gemeindeordnung zu- 662
gelassen, im Verlauf der Zeit wohl grossenteils_in römische Gemeinden
umgewandelt.
*) [Vgl. Cagiiat, L'arm^e Rom. d'Afrique S. 327f. ; Stappers, Les milices
locales de l'empire Rom. in Musee Beige 1903, S. 201 fF.]
jßg Die Walldürner Inschrift.
Die rechtliche Stellung dieser Gentilen, sowohl der für ihre
Person in das römische Heer eintretenden wie der Gentilenstämme
ist eine anomale. Selbstverständlich sind jene wie diese den römi-
schen Gerichten unterworfen, aber ihnen fehlt das — vom römischen
Bürgerrecht wohl zu unterscheidende — römische Personalrecht. —
Der Yater, welcher sein Kind verkauft, kann es durch Lösung jederzeit
wiedergewinnen ; aber für den Ausländer gilt dies nicht, denn dessen
Vaterrecht ist für Rom nicht vorhanden: nulluni, sagt Constantin
(fr. Tat. 34), ex gentilibus liberum (= filium) approhari licet. — Ein
solcher Ausländer kann keine Ehe mit einer Römerin eingehen ; die
Verordnung von 365 [370? 373?] (C. Th. 3, 14, 1) spricht nur aus, was
immer Rechtens war. Eine merkwürdige Ausnahme zu Gunsten des
Generals Fravitta unter Theodosius I berichtet Eunapius (p. 41
Müller). — Charakteristisch ist vor allem die im J. 405 dem
Proconsul von Africa erteilte Anweisung (C. Th. 11, 30, 62), wenn a
gentilibus vel a praefectis eorum gegen ein gerichtliches Erkenntnis
Appellation eingelegt wird, dieser nicht, wie dies sonst Rechtens ist,
ohne weiteres, sondern nur insoweit es angemessen scheint, statt-
zugeben.
Die dediticii sind die des örtlichen Bürgerrechts entbehrenden
Reichsangehörigen, wie sie hervorgehen teils unter gewissen er-
schwerenden Umständen aus der Freilassung des Sklaven, teils und
vorzugsweise, woher auch die Benennung rührt, aus der Auflösung
eines bis dahin den Römern verbündeten oder unterthänigen Gemein-
wesens, wie denn beispielsweise die Juden des römischen Reiches nach
der Auflösung der jüdischen Nation durch Vespasian in diese Kategorie
gehören (röm. Staatsrecht 3, 138; Sybels histor. Zeitschrift 64, 423
[Ges. Sehr. 3, 418]). Die 5500 Reiter aus den von den Jazygen laut des
Friedensvertrags gelieferten Mannschaften, welche von Kaiser Marcus
nach Britannien gesandt wurden (Dio 71, 16), sind solche dediticii
und, wie ich im Hermes (19, 227 [oben S. 111]) bemerkt habe,
663 wahrscheinlich die equites Sarmatae der in der Notitia verzeichneten
britannischen Besatzung. — In den Militärinschriften erscheinen die
dediticii hier zum ersten Mal, aber in militärischer Verwendung finden
wir sie auch sonst genannt. Julian (bei Ammian 20, 8, 13) erbietet
sich dem Kaiser Constantius für die gegen die Perser im Kampf
stehenden Truppen zu senden entweder Mannschaften aus den dies-
seit des Rheines angesiedelten Germanen — laetos quosdam eis
Rhenum editam barbarorum progeniem — oder doch ausländische
Überläufer — vel certe ex dediticiis qui ad nostra desciscunt. Weiter
ruft Kaiser Honorius in der am 17. Apr. 406 erlassenen Verordnung
f
Die Walldürner Inschrift. 169
(C. Th. 7, 13, 16) gegen die drohenden Angriffe der Barbaren die
kriegstüchtigen Sklaven überhaupt unter die Waffen und verspricht
ihnen Handgeld, vorzugsweise aber die Sklaven der Soldaten, auch
der fremden Geworbenen und der übergetretenen Leute, weil diese
schon kriegsgewohnt sind: praecijme sane eorum servos, quos militia
armata detentat, foederatorum nihilo minus et dediticiorum, quoniam
ipsos quoque una cum dominis constat hella tractare. Diese Verord-
nung bezieht sich, wie dies jetzt feststeht, zunächst auf Gallien, auf
den damals drohenden Einbruch der Yandalen und Alanen, die am
letzten Tage dieses Jahres in der That den Rhein überschritten.
Die dediticii dieser Verordnung können, wie die ammianischen, Über-
läufer sein; aber der Begriff passt ebenso, wie bemerkt, auf über-
gesiedelte Mannschaften gleich jenen Jazygen, und da die Hervor-
hebung einzelner übergetretener Leute weder für die Inschrift noch
für die Verordnung recht sich eignet, so ist es nicht unwahrscheinlich,
dass ähnliche Übersiedelungen auch in der Rheingegend stattgefunden
haben und dass diese in dem Erlass des Honorius gemeint sind,,
während die dediticii unserer Inschrift britannische Mannschaften
sein werden.
Der Truppenkörper, welcher den Stein gesetzt hat, ist bezeichnet
expl(oratores) Stu . ... et Brit(ones) gentiles officiales Bri(tonum) et
deditic(iorum) Älexandrianorum. Die Auflösung exploratores statt
des auch vorkommenden exploratio (Korrbl. 1889 S. 46) ist hier
geboten durch die folgenden analogen Formen. Die Form Brittones 664
oder allenfalls auch Britones herrscht auf den Steinen so überwiegend
vor, dass an Britanni nicht gedacht werden darf. Ob hinter gentiles,
wo der Stein ausgebrochen ist, et gestanden hat oder nicht, haben
meine Freunde, die den Stein gesehen haben, nicht mit Sicherheit
entscheiden könnend
1 Die Haupttruppe also, welcher die officiales beigegeben sind
und welche den Kaiserbeinamen führt, sind die Brittones et dediticii
Älexandriani, also eine Abteilung, vermutlich nur ein Numerus, der
britannischen Auxilien nebst den zugehörigen dediticii. Dass diese,
als ausserhalb der römischen Gemeindeverbände stehende Mann-
pchaften, von den Provinzialen gesondert werden, erklärt sich aus
jdem Gesagten, mag man nun darunter Überläufer verstehen oder,
Was ich für wahrscheinlich halte, angesiedelte Auswärtige.
1) Zangemeister schreibt mir: 'Die Vertiefung am unteren Ende der aus-
jjebrochenen Stelle sieht in der That -wie der Rest eines Horizontalstriches aus,
könnte aber zufällig sein. Der Raum gestattet kein "E, aber ein ST'.
IJO Die Walldüruer Inschrift.
Als dieser Truppe zugehörig erscheinen zwei Abteilungen, zunächst
die exploratores Stu . . ., seien diese nun aus jenen Brittonen hervor-
gegangen oder ihnen beigegeben und mit ihnen militärisch kombi-
niert. Wir kennen zahlreiche ähnliche Kundschaftertrupps und die
früher (Hermes 19, 225 [oben S. 109]) von mir aufgestellte, auch
von Domaszewski (Korrbl. 1889 S. 49) gebilligte Vermutung, dass
dieselben ihren Beinamen vom Standort entnehmen, kann auch bei
dem Walldürner Stein zutreffen. Zu bedauern bleibt es freilich,
dass, wenn die Gemeinde Walldürn in Zukunft sich klassisch
benennen will, sie über die drei ersten Buchstaben nicht hinaus-
kommt.
Die zweite Abteilung sind die Brittones gentiles officiales, voraus-
gesetzt, dass der Stein so gelautet hat; sollte nach gentiles die Copula
gestanden haben, so sind den Exploratoren teils Brittones gentiles,
teils officiales beigegeben worden, was, wer die Lücken unseres
Wissens einigermassen ahnt, sich hüten wird als unmöglich zu be-
665 zeichnen, aber doch seltsam nennen darf; Aufführung der Soldaten
und der Soldatendiener neben einander lässt sich verstehen, aber
eine zwischen beide eingeschobene Kategorie befremdet. Im übrigen
ist die Erklärung der Brittones gentiles vorher gegeben. Der Beisatz,
der sonst bei den Brittonen nie und auch nachher auf unserer Inschrift
nicht erscheint, ist ohne Zweifel distinctiv. Die in Britannien aus-
gehobenen Marinschaften werden nicht nach den Districten geschieden,
sondern gehen in der Truppenbenennung sämtlich auf den Namen
der Provinz: die Brittones der Haupttruppe sind selbstverständlich
brittische Provinzialen.*) Diesen stehen die Brittones gentiles gegen-
über, britannische Ausländer, übergetretene Leute aus dem freien
Britannien. Dass diese im dritten Jahrhundert, bevor der römische
Militärstaat vor der barbarischen Soldateska kapituliert hatte, dem
Provinzialmilitär gegenüber eine dienende Stellung einnehmen, ist
in der Ordnung. Standen neben diesen noch Officialen, so müssen j
damit, wie dies Wort eigentlich es fordert, römische Offiziersdiener 1
gemeint sein, die freilich im Walldürner Castell eine seltsame Figur i
spielen.**)
Die Walldürner Inschrift zeigt uns also neben den eigentlichen
römischen Soldaten des 3. Jahrhunderts Ausländer in untergeordneter
*) [Anders Fabricius, Die Entstehung der röm. Limesanlagen in Deutsch-
land, Trier 1902, S. 12.]
**) [Nach Domaszewski, Die Rangordnung des röm. Heeres (Bonn. Jahrb. 117) i
1908) S. 5, 61 sind es vielmehr die dem Praepositus des Numerus zugeteilten!
Chargen (cornicularius, actarins, Ubrariiis).]
Die Walldürn er Inschrift. 171
militärischer Stellung, nicht die angesehenen Geworbenen der späteren
Epoche, sondern übergetretene oder übersiedelte Barbaren. Viel-
leicht führt dies noch weiter. Die veredarii n(umeri) N . . . . der
kürzlich auf der Capersburg von Jacobi gefundenen Inschrift (archäol.
Anzeiger 1896 S. 195; auch von Zangemeister gesehen [C. I. L.
XIII, 7439]) dürften zu ihrem numerus in einem ähnlichen unter-
geordneten Verhältnis gestanden haben wie unsere Brittones gentiles
zu den Brittones et dediticii Älexandriani. "Weiter haben vor einigen,
Jahren sich in England am Wall zwei Altäre gefunden (Eph. epigr.
VII, 1040. 1041 [= Dessau 4760. 4761J), den heimischen Göttern er-
richtet von den Ger(mani) cives Tuihanti cimei Frisiorum ver. ser.
Älexandriani [oben S. 115 f.], also der Walldürner Inschrift gleichzeitig.
Au diese erinnerte in Veranlassung unseres Fundes Zangemeister;
'sollten nicht', meinte er, wenn die Officialen unfreie Leute sind, die
beiden bisher nicht erklärten Worte aufzulösen sein ver(edarii) ser(vi)V 666
Das ist verwegen, aber vielleicht dennoch richtig; es ist gar nicht
unmöglich, dass dieselben Mannschaften sich germanische cives und
römische servi nennen. Eben eine solche Doppelstellung wird für dies
Verhältnis gefordert. Der cimeus Frisiorum entspricht den Brittones
et dediticii des Walldürner Steines; und dessen Officialen sind sicher
nicht Schreiber und Gerichtsdiener gewesen, können aber wohl als
Stallknechte bei den Exploratoren gedient haben wie die Tuihanter
bei dem Cuneus der Friesen. — Die Klasse der laeti, welche in der
Folgezeit eine wichtige Rolle spielt, hat sich wahrscheinlich überhaupt
in einem derartigen Verhältnis nationaler Geschlossenheit, militärischer
Verwendung und halbfreier Unterwürfigkeit befunden, indem diese
Sueben, Franken, Sarmaten teils im römischen Heere dienen, teils
für die gallischen Provinzialen das Feld bestellen und ihnen zinsen.
Was ich über diese hybriden Zustände anderswo (Hermes 24, 251)
iauseinandergesetzt habe, wiederhole ich nicht; es genügt schliesslich
{daran zu erinnern, dass auch die mit ihren Herren fechtenden Sklaven,
Iwelche Honorius gegen den drohenden Einfall der überrheinischen
jGermanen zum Eintritt in die Truppe auffordert, mit diesen Verhält-
nissen in Verbindung gebracht werden können, obwohl die Ver-
wendung der Unfreien im römischen Heerdienst eine allgemeinere
st und in diesem Zusammenhang nicht in genügender Weise ent-
ivickelt werden kann.
Zu dem germanischen Krieg unter Alexander und Maximinus
iteht die Inschrift schwerlich in Beziehung, Alexander ist in ihr
genannt, wie in der vorher erwähnten vom englischen Wall, lediglich
ils der damals regierende Kaiser, ohne Hindeutung auf von ihm
172 I^i6 Walldümer Inschrift.
getroffene Anordnungen. Der Umbau des Soldatenbades spricht
eher für eine Zeit vollkommener Ruhe. In der That kann der
Einfall der Germanen, welcher den Kaiser aus dem Orient an den
Rhein führt, nicht füglich vor das J. 234 gesetzt werden, also zwei
667 Jahre nach der Errichtung unseres Altars. Auf die von Alexander
aus dem Osten mitgebrachten leichten Truppen, deren die Schrift-
steller gedenken, hat Domaszewski (Korrbl. 1889 S. 49) den prae-
posit[us sagiUar\is Orrhoenis einer dieser Zeit angehörigen Inschrift*)
bezogen, wahrscheinlich mit Recht; aber mit unserem Denkmal hat
dies nichts gemein.
*) [C. I. L. XI, 3104 = Dessau 2765; vgl. C. I. L. XIII, 2 p. 281.]
^
i
X.
Inschrift von Feldberg.*)
[C. I. L. XIII, 7495.]
I VLI AE • M AME
A E • AVG • MATRI
SEVERI'ALEXH
DRI -AVG • N • CAS
TRORVM'SE
NATVS • PATRI
aEQVE'EXPL
HALIG • ALEXM
DRIANA-DEVO
T A • N V M I N I
E I I V S
Die Inschrift vom Kastell Feldberg ist nach Ihren Mitteilungen
iiid dem Abklatsch folgendermaassen zu lesen: luliae Mameae
Aug(ustae) matri Severi Alexandri Aug(usti) n(ostri), castrorum,
}enatus patriaeque, expl(oratio) Halic(ensis?) Alexandriana devota
mmini eiius.
Der Stein ist also zwischen d. J. 222 und 235 der Mutter des
jwaisers Severus Alexander gesetzt. Die Titulatur derselben ist die
ewöhnliche, genau identisch wiederkehrend zum Beispiel auf den
jfrikanischen Inschriften C. I. L. Vm, 1406 [Dessau 6795] (vom
i. 229), 1429, 1484 [Dessau 6796]. Formelhaft inkorrekt ist das
lehlen von itnp. oder d. n. vor dem Kaisernamen, sprachlieh die
ichreibung Mamea statt Mamaea, wie die Münzen erweisen. Die
chreibung eiius mit dem Doppelvokal ist weder fehlerhaft noch
jilten (vgl. Neue, Formenlehre der lat. Sprache, 2^ S. 192 [S.A.
' 376]).
*) [Limesblatt Nr. 1 (1892), Sp. 5—8.]
■j^74 Inschrift von Feldberg.
Von Interesse ist die Bezeichnung der Truppe, welche den Stein
gesetzt hat. Das alte römische Militärwesen hat Kundschafter
(exploratores) als selbständige Truppenabteilung schwerlich gekannt;
nachweislich als solche treten sie erst in der nachseverischen Zeit
auf.*) Yon den Schriftstellern erwähnt sie meines Wissens nur der
dieser Epoche angehörige Verfasser der Schrift über die Lager-
schlagung, der auf ein Heer von drei Legionen 200 exploratores
rechnet (c. 30) und ihnen im Lager den Platz anweist neben den
vexillarii legionum (c. 24). Inschriften derselben haben wir eine
gewisse Anzahl sowohl aus den Rhein- und den Donauprovinzen,
wie aus Afrika und Britannien. Dass es Reiterabteilungen sind,
beweist teils jene Lagerschrift , die ihnen neben der Legionsreiterei
(denn dies sind hier die vexillarii) entsprechend den späteren vexil-
lationes den Platz anweist, teils die Bezeichnung einer derartigen
Abteilung als ala (C. I. L. VIII, 9906 [Dessau 2634]. 9907 [Dessau
4492]); dass Centurionen der Exploratoren vorkommen (C. I. L. -
III, 3254 [Dessau 2633]. 3648= 10422) kann allerdings Zweifel |
erwecken, ob es nicht auch Infanterieabteilungen dieser Art gegeben
hat. Die gewöhnliche Bezeichnung der Truppe als numerus^ über
die ich im Hermes 19, S. 225 [oben S. 108f.] gesprochen habe, gilt
für beide Truppengattungen.
Unsere Inschrift bestätigt, was zuerst die exploratio Seiopensis der
von Domaszewski im "Wstd. Korrbl. 1889 S. 49 vortrefflich erläuterten j
Inschrift von Falerii (C. I. L. XI, 3104 [= Dessau 2765; vgl. C. I. L. |
XIII, 2 p. 281]) gezeigt hat, dass eine solche Abteilung, nach der
Analogie von cohors und ala, auch exploratio genannt worden ist. i
Wahrscheinlich wird aber auch von den beiden Aschaffenburger
Inschriften des n. Brit. et explorat. Nemaning. (Brambach 1751 [C. I. L. j
XIII, 6629]) und des n. Brit. N[e]man[in]g. (Brambach 1757 [C. I. L. '
XIII, 6642]) die erste nach diesem Muster aufzulösen sein durch
numerus Brittonum et explorationis Nemaningensis, da dies mit dem i
numerus Brittonum Nemaningensium der zweiten sich besser verträgt, ! i
als wenn neben die Brittonen als davon verschieden die explwatores \ '
Nemaningenses gestellt werden.
Es bleibt übrig, die der exploratio beigesetzte örtliche Bezeichnung
zu prüfen. Während bekanntlich die römischen Truppenabteilungen i
ihre Benennungen der Regel nach der Heimat entnehmen, findet beij
den Kundschaftertruppen eine sicher der Heimat der Truppe entlehnte!
Benennung sich nur da, wo, wie auf den beiden Aschaffenburger
*) ['Doch erscheint eine expl(yrat(io) Nemaning(ensis) bereits im J. 1'
(C. I. L. XIII, 6629)' BANG.]
t
Inschrift von Feldberg. 175
Steinen, eine doppelte örtliche Bezeichnung eintritt^. Hauptsächlich
benennen sich, wie ich bereits zum C. I. L. YIII p. 847 erinnert habe,
die mit örtlicher Benennung versehenen Kundschafterabteilungen nach
dem Standquartier, was übrigens bei dem besonderen Charakter der
Truppe nicht auffällt. Ich verzeichne die mir bekannten Belege:
1. ala exploratorum Pomariensium, stationiert in Pomarium in
Mauretanien (C. I. L. VIII, 9906 [Dessau 2634]. 9907 [Dessau 4492])
unter Alexander und Gordian.
2. numerus exploratorum Divitiesium (Brambach 1237 [C. I. L.
XIII, 7054 = Dessau 2632] unter Caracalla); exploratores Divitienses
(Brambach 991 [C. I. L. XIII, 6814 = Dessau 2754]) beide aus Mainz,
sicher von Divitia, Deutz, also benannt (Zangemeister Wd. Korrbl.
1888 S. 39).*) Dern(umerus) Divitiensis G(ermamae) s(uperioris) der
mauretanischen Inschrift C. I. L. VIII, 9059 [Dessau 2628] und der
n(wnerus) Divitensium in der thrakischen C. I. L. III, 728 = 7387 [und
7415] werden damit identisch sein.
3. n('Hmerus) explm'ator(um) Bremen(iensium) CLL. VII, 1030
und 1037 [= Dessau 2631] unter Gordian aus Bremeniiim am
britischen Hadrianswall.
4. numerus exi)l(oratorum) Baf(avorum) Brambach 7 [C. I. L.
XIII, 8825] unter Caracalla aus Roomburg.
Die oben erwähnte exploratio Seiopensis ist, wie Domaszewski
a. a. 0. gezeigt hat, ohne Zweifel identisch mit dem nach der Milten-
jberger Inschrift (Brambach 1739 [C. I. L. XIII, 6605]) vom J. 212
daselbst stationierten n(umerus) [expl(oratorum) Sei]open[sium] und
dürfte dies die alte Benennung der Gegend gewesen sein.**)
Danach wird die exploratio Halicensis, oder wie sonst die Endung
gelautet haben mag, ebenfalls auf die Homburger Gegend bezogen
^Verden dürfen.
1) Dass bei zahlreichen andern numeri mit doppeltem Ortsnamen der erste
lie Heimat, der zweite den Standort bezeichnet, habe ich im Hermes a. a. 0.
oben S. 109] erinnert. Manche derselben mögen ebenfalls Kundschafter-
bteilungen sein.
*) [Dieselbe Truppe auch in den Inschriften von Niederbieber C. I. L. XIII,
750 (n. D[i]v[i]tensis ; vom J. 221^. 7751 (n. expl[or]at(orum) G&rmanic(orum)
\i'o%\tien(sium) ; unter Alexander/ 7761 (n. Divitiensium).]
**) ["Gleichartig sind auch die ebendort begegnenden expl(oratores) Trip(%i-
mm) C. I. L. XIII, 6599^ BANG.]
XI.
Die römischen Lagerstädte.*)
299 Die Entwickelung eines städtischen Gemeinwesens aus einem
Kriegslager tritt im römischen Staat in sehr verschiedener Weise
auf. Zunächst wird, wer sich mit den so lieben wie leidigen Ur-
zuständen beschäftigt, der Frage nicht vorbeigehen können, in wie '<
weit Stadtgründung und Lagerschlagung ursprünglich zusammenfallen U
— eine Frage, die neuerdings in scharfsinniger "Weise bejaht worden
ist^, die aber bei unbefangener Prüfung wohl richtiger insofern
verneint wird, als beide Acte nicht mehr mit einander gemein haben
als das Princip des Templum und der daraus hervorgehenden Limi-
tation 2. — Sodann ist es zuweilen vorgekommen, dass zur Erinnerung
an namhafte Feldschlachten eine Stadt auf derselben Stätte gegründet
ward, wo das siegreiche Heer zur Zeit der Schlacht sein Lager j
geschlagen hatte. So ist zur Erinnerung an die Schlacht von Actium
im Jahre 723 die Stadt Nikopolis in der Weise angelegt worden, i
dass da, wo Augustus Hauptquartier gestanden hatte, sich das Haupt- !
*) [Hermes 7, 1873, S. 299—326. — Vgl. E. Komemann, de civibus Romanis
in provinciis imperii consistentibus, Berl. Diss. 1891. A. Schulten, de conventibus
civium Romanorum, Berlin 1892; dens. im Hermes 29, 1894 S. 481 ff. und bei
Pauly-Wissowa RE. III, 1451 ff.]
1) Nissen Templum S. 54 f.
2) Ohne die schwierige Frage beiläufig bebandeln zu wollen, möchte ich
hier nur ein Allgemeines und ein Besondei'es hervorheben. Im Allgemeinen:
Stadt und Lager verhalten sich wie das imperium domi und das imperium militiae;
sie sind so wenig identisch, dass sie sich ausschliessen und wo die Stadt ist,
kein Lager, wo das Lager, keine Stadt sein kann, aber wohl correlat. Eine
ursprüngliche Analogie selbst in den Maassen und Verhältnissen ist also inner-
halb gewisser Grenzen allerdings wahrscheinlich; womit freilich die patricisch-
plebejische Lagertheilung (S. 52) und Anderes der Art nicht gutgeheissen werden i 3
soll. — Im Besonderen : das oft geltend gemachte Beispiel von Aosta ist fehler-
haft angewandt, denn diese Stadt ist ausnahmsweise als eine zweite Nikopolis
auf den Linien eines Standlagers gegründet worden.
f
Die römischen Lagerstädte. 177
heiligthum der neuen Stadt erhob ^; in gleicher Weise und ohne 300
Zweifel in Nachahmung davon ist zum Gedächtniss des von Varro
Murena im Jahre 729 über die Salasser erfochtenen Sieges die Stadt
Augusta Praetoria da erbaut worden, wo das Lager des siegreichen
Heeres geschlagen gewesen war 2. Weitere sichere Beispiele der-
artiger Stadtgründungen sind meines Wissens nicht bekannt und
allem Anschein nach dürften dieselben sich zu den gewöhnlichen
Stadtanlagen etwa so verhalten wie unsere Siegesthaler zu den
Münzen gewöhnlichen Gepräges; es ist kein Grund vorhanden an-
zunehmen, dass, wo ein latinisches oder später ein römisches Gemein-
wesen ins Leben trat, die die Vermessung leitenden Beamten, von
jenen besonderen Ausnahmefällen abgesehen, auf das oder die etwa
früher in der gleichen Gegend geschlagenen Kriegslager irgendwie
Rücksicht zu nehmen verpflichtet gewesen seien.
Aber noch in anderer Weise als in dieser gromatisch- archi-
tektonischen spricht man von der Entwickelung eines städtischen
Gemeinwesens aus einem Kriegslager: man meint dabei die Ent-
wickelung einer militärischen Ansiedelung zu einer bürgerlich ge-
ordneten und geleiteten Stadt. Dieser politische Process ist der
älteren römischen Entwickelung fremd. Etwas der Art muss sich
allerdings wohl in Betreff der ältesten Bürgercolonien vollzogen
haben, die wahrscheinlich ursprünglich eine rein militärische Be-
deutung und also auch wohl militärische Organisation gehabt haben
und die dann späterhin zu bürgerlichen innerhalb des Staates
selbständigen Gemeinwesen geworden sind; aber die Epoche, wo
sie stehende Besatzungen gewesen zu sein scheinen, ist so völlig
verschollen, dass es thöricht sein würde über den Uebergangs-
process weitere Hypothesen aufzustellen. In der späteren Re-
publik giebt es stehende Lager rechtlich überhaupt nicht, und ob
auch nur thatsächlich dergleichen sich gebildet haben, zum Beispiel
in Spanien, ist mindestens zweifelhaft. Erst als mit dem Beginn
des augustischen Regiments das stehende Heer als rechtliche Institution
anerkannt und den einzelnen Abtheilungen Standquartiere angewiesen
wurden, die im Allgemeinen dauernde und als eine hauptsächlich
die Reichsgrenzen schützende Kette von Festungen und Posten
gedacht waren, gewinnt die Frage eine wirkliche Bedeutung, wie 301
laich diese militärischen Ansiedelungen zu den bürgerlichen Gemein-
wesen verhalten. ' .
1) Dio 51, 1. Sueton Aug. 18. 96. Drumcann R. G. 1, 484 [2. Aufl. 1, 356].
2) Strabon 4, 6, 7 p. 206: TQioxi^tovg dk 'Pco/xaicov nifiyjag (pxias rtjv nöXiv
Avyovazav 6 KaToafj iv (o iozQazoJteösvoe X^Q'V ^ OvdßQCOv.
MOMMSEN, SCHR. VI. 12
178 ^^® römischen Lagerstädte.
Selbstverständlich lässt diese Frage eine schlechthin allgemeine
Antwort nicht zu. Wo es aus militärischen Gründen erforderlich
war, wurden die Truppen in die Städte gelegt; so die Prätorianer,
die Stadtsoldaten und andere Mannschaften nach Rom, ein Theil
der Stadtsoldaten nach Lyon ^, eine der Flotten nach Ravenna, zwei
Legionen nach Alexandrea in Aegypten^. Aber es waren dies
besondere, namentlich durch die ünbotmässigkeit der italischen wie
der ägyptischen Hauptstadt hervorgerufene Massregeln; hinreichend
bekannt ist es, dass noch Augustus es unterliess die Garde in ihrer
Gesammtheit nach Rom zu legen und erst der eigentliche Vollender
der neuen Monarchie, Tiberius die Caserne dort erbauen liess. Wo
solche Rücksichten nicht eingreifen, insbesondere an den Reichs-
grenzen, lässt es sich deutlich erkennen, dass man es vermied die
militärischen Hauptquartiere in eine römisch geordnete Stadt zu
legen. Die auffallend rasche Entfaltung der Gemeinwesen nach
italischer Art in Noricum, wodurch Pannonien und Germanien weit
überflügelt wurden, hängt ohne Zweifel damit zusammen, dass wohl
in diesen, nicht aber dort Legionslager sich befanden. Die ältesten
römisch geordneten Gemeinden der Donauprovinzen, vor allem
Emona, das von Augustus, dann Virunum^, Celeia, Juvavum, Teurnia,
Aguontum, Savaria, die von Claudius, Solva, Siscia, Sirmium, die
von den Flaviern den Namen führen, haben entweder niemals, oder
doch nur in der Zeit vor ihrer Organisation zu römischen Gemein-
wesen römische Besatzung gehabt. Poetovio war Hauptquartier der
302 13. Legion bis auf die Flavier*; aber diese Legion war nach Vindo-
bona vorgeschoben, als die Stadt durch Trajan Colonierecht erhielt.
Die nach der Eroberung Britanniens und Daciens dort als römische
Colonien gegründeten neuen Hauptstädte Camulodunum ^ und Sarmi-
1) Tacitus ann. 3, 41. bist. 1, 64. Vgl. die Ausführungen Ann. dell'
inst. 1853,74 und Kieler Monatsschrift 1853, 651, die, wie ich zu Nipperdej'S
Note a. a. 0. nachzutragen habe, von mir sind. [Vgl. auch oben S. 12 ff.]
2) Joseph, bell. lud. 2, 18 [§ 494] : rä xarä rf/v nöXiv 'Pcof^aicov ävo rdyf^ara.
C. I. L. III, 399: tr. mil. Alexandr. ad Aegypt. leg. XXII Philo adv. Flacc. 18
lässt einen in Alexandrea Angekommenen nach der olxia orgardQxov (d. i. des
praefectus legionis) fragen.
3) Virunum ist sogar vielleicht schon unter Tiberius römische Gemeinde
geworden (C. I. L. III S. 597). Die frühesten Spuren römischer Ansiedelung in
diesen Gegenden finden sich in Laibach, Klagenfurt und Cilli.
4) Tacitus h. 3, 1, C. I. L. III S. 510. In demselben Band finden sich auch
die Belege für die übrigen die Colonien der Donau pro vinzen betreffenden An-
gaben.
5) Hübner C. I. L. VII S. 34.
'&
I
Die römiacben Lagerstädte. 179
zegetusa sind nie Standquartiere einer Legion gewesen. Aber viel-
leicht den merkwürdigsten Beleg für dieses Herkommen der früheren
Kaiserzeit die Legionsquartiere und die römischen Gemeinwesen
geschieden zu halten bietet unser Köln. Bekanntlich war hier unter
Augustus und Tiberius das Winterlager der Hälfte der niederrheini-
schen Armee, der l. und 20. Legion^; hier verlief im Jahre t4 n. Chr.
die Krisis des gefährlichen Soldatenaufstandes, den Germanicus
dadurch brach, dass er seine Gemahlin Agrippina und deren Sohn
anderswo Schutz suchen hiess; hier wurde zwei Jahre darauf seine
Tochter Agrippina geboren^. Aber nachdem dann im Jahre 50 n. Chr.
die letztere von ihrem Gemahl, dem Kaiser Claudius für ihre
Geburtsstadt Colonierecht ausgewirkt hat ^, finden wir um die Zeit
von Neros Tod die Stadt zwar als Sitz des Statthalters der Provinz*,
aber ohne Besatzung; das derselben nächste Legionshauptquartier
ist jetzt Bonn^. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass, als die Ubier-
stadt Colonierecht empfing, sie eben darum aufhörte Hauptquartier
der Legionen zu sein und eines von dem andern die nothwendige
Folge war.
Also für das erste Jahrhundert unsrer Zeitrechnung, die Epoche
der Julier, Claudier und Flavier darf die Incompatibilität des römi-
schen Legionslagers und des städtischen Gemeinwesens römischer
Ordnung als Regel angenommen werden ; und es ist dies ja auch
begreiflich genug. Das Wesen der Stadt ist ebenso die municipale
Jurisdiction wie das des Lagers die militärische ; und es war theo-
sch wie praktisch gleich angemessen die Collision beider zu
vermeiden. Aber die thatsächlichen Yerhältnisse richteten sich nach
der Rechtsordnung nicht unbedingt; vielmehr wurden die grösseren ;}03
stehenden Lager unvermeidlich zu Mittelpunkten eines Verkehrs, der
den mancher kleinen Landstadt weit hinter sich zurückliess. Diesen
neben den Lagern sich bildenden stadtartigen Niederlassungen wird
passend die Bezeichnung von Lagerstädten beigelegt werden dürfen;
und es ist der Zweck dieser Darlegung die Modalitäten ihrer Ent-
wickelung, wie die neueren epigraphischen Entdeckungen und
Ermittelungen sie dargelegt haben, übersichtlich zusammenzufassen ^•
1) Tacitus ann. 1, 37. 39. 2) Tacitus anu. 12, 27.
3) Tacitus a. a. 0. 4) Tacitus h. 1, 56.
5) Tacitus h. 1, 57. 4, 19. 20. 25.
6) Ich habe vor Jahren in den Monatsberichten der Berliner Akademie
1857 S. 522 f. auf die damals zuerst zum Vorschein kommenden Canabae der
Legionen hingewiesen und sodann im dritten Bande des C. I. L. bei den Erörte-
rungen über Apulum S. 182, Aquincum S. 489 und Troesmis S. 999 den Gegen-
12*
lg() Di6 römischen Lagerstädte.
Marketender (lixae)^ und Händler ^ haben selbstverständlicfti
von jeher im Gefolge des römischen wie jedes anderen Heeres sich
befunden; und die Bude, welche ein solcher Marketender sich auf-
schlug, um darin seine Waare aufzubewahren und feilzubieten, scheint
technisch mit dem Worte canaba'^ bezeichnet zu werden. Dieses
304 Wort, das im classischen Latein nirgends begegnet* und nicht
stand eingehender behandelt, wie dies auch von Renier bei Veröffentlichung
der hierher gehörigen troesmensischen Inschriften geschehen ist (Inscriptions de
Troesmis. Paris 1865, S. 21 f.). Aber es schien angemessen diese Institution
nicht bloss in Bezug auf die einzelnen Ortschaften, sondern in ihrer allgemeinen
Geltung zu erörtern.
1) Sallust. lug. 45: ne quisquam in castris panem aut quem älium coctum
cibum venderet, ne lixae exercitum sequerentur, oder, wie Valerius Maximus 2, 7, 2
dasselbe ausdrückt : lixas e castris submovit cibumque coctum venalem proponi
vetuit. Justinus 38, 10, 2: trecenta [ducenta Rühl in s. Ausgabe nach cod. C]
milia lixarum, ex quibus coquorum pistorumque [pistorum scaenicorumque Rühl
nach cod. C] maior numerus fuit. Auch etymologisch gehört das Wort ohne
Zweifel zu (e)lixus, (ab)gekocht.
2) Bell. Afr. 75 : lixarum mercatorumque, qui plostris merces portabant, inter-
ceptis sarcinis. Tacitus ann. 2, 62: nostris e provinciis lixae ac negotiatares.
3) Kanaba oder canaba schreiben von den zwölf Inschriften , auf denen
das Wort bisher gefunden ist, zehn (Rom: Orelli 4077 [C. I. L. VI, 29722];
Lyon: Henzen 7007 [C. I. L. XIII, 1954 = Dessau 7030]; Strassburg: Henzen
6803 [C. L L. XIII, 5967 = Dessau 7074]; Dacien: C. I. L. III, 1008 [= Dessau
2476]. 1093 [= Dessau 7140]. 1100 [= Dessau 7141]. 1214 [= Dessau 7154]. Cer.
S. 940. 959; Troesmis: das. 6166 [= Dessau 2474]); dieser Form schliesst auch
das neuitalienische cänova (sardinisch canäva, s. Dietz Wörterbuch der rom.
Sprachen 2, 17) sich am engsten an. Daneben findet sich je einmal cannaba
(Rom: Fea fasti p. LXXVII [C. I. L. VI, 1585 = Dessau 5920] zweimal wieder-
holt) und canapa (Virunum: C. III, 4850). Die in den Handschriften, wie es
scheint, vorherrschende Schreibung mit v (A. 4) ist also fehlerhaft.
4) Es findet sich in mehreren unter des Augustinus Namen laufenden
Predigten (app. 141, 2 = de temp. 56, opp. vol. V p. 250 ed. Maurin. : et horreum
et canavam et cellarium annis singulis replemus, xmde uno anno cibum habeat carö
nostra und app. 263, 1 = de temp. 61 p. 452 ders. Ausgabe: multa sunt quae
de horreo vel canava vel ceUario aliquotiens proferre non possumus); in der Über-
schrift von Ennodius carm. 2,43: ante canavam, worauf es heisst: sobria cella
eadis vinum qvA)d servat onustis, corpora confirmat u. s. w. ; in den tironischen
Noten p, 149 Gruter: canava (vorauf geht cenaeulum); in den Isidorischen
Glossen (7, 453 Arev.): canava camea (vielmehr camera) post cenaeulum und in
anderen noch späteren von Ducange (unter den Worten canava, caneva, canipa)
gesammelten Stellen. — Die canabulae, welche die Gromatiker (p. 227, 14. 228, 25
und sonst) unter den Grenzmarken aufführen mit dem Beisatz quod tegulis con-
struitur und sogar abbilden (p. 341, 20), sind in ihrer Besonderheit nicht deutlich.
— Weder mit cannabis, Hanf, noch mit capanna, cabane hat das Wort etwas
zu schaffen; plausibler erscheint der Einfall von E. Q.Visconti (op. var. 2, 84),
dass canaba das im Volksmunde entstellte griechische xaXvßr} sei.
I
Die römischen Lagerstädte. 181
gerade jung, aber volksmässig und technisch ist, bedeutet zunächst
ein leichtes nicht so sehr zur Wohnung, als zum Waarenlager und
Verkaufslocal und zu ähnlichen Zwecken bestimmtes, rasch herzu-
stellendes wie wegzunehmendes, oft auf fremdem Grunde errichtetes
Oebäude nach Art unserer Buden und Pavillons ^ Vorzugsweise
finden wir es für diejenigen Schuppen verwendet, welche zur Auf-
bewahrung von nicht innerhalb des Wohnhauses gelagerter Wein-
oder Oel- oder ähnlicher Vorräthe dienten 2, Erst auf diesem
Umweg dürfte das Wort späterhin allgemein für den zur Aufbewahrung
der Fässer und Krüge dienenden Keller in Gebrauch gekommen
sein, in welcher Verwendung es bereits in spätrömischer Zeit, zum
Beispiel bei Ennodius (S. 1 80 A. 4), und noch heute im Italienischen 305
auftritt. — Den dem Heere folgenden Marketendern ist zur Auf-
schlagung ihrer Buden und zur Feilbietung ihrer Waaren ohne
Zweifel von jeher ein bestimmter Platz ausserhalb des Lagers,
aber unweit desselben angewiesen worden. Dies sind die candbae
legionis^, welche wir zwar nur für zwei Legionen ausdrücklich
1) So heisst in dem amtlichen Erlass, durch welchen dem Custoden der
Antoninssäule im Jahre 193 gestattet wird sich neben der Säule eine Behausung
(hospitium) zu errichten (Fea fasti p. LXXVII; Savigny - Zeitschr. 15, 335 f. [=
€es. Sehr. 3 S. 103; C. I. L. VI, 1585 = Dessau 5920]), dies Gebäude loco canndbae,
und werden aus den öffentlichen Magazinen Ziegel und Baumaterial [tegulae et
impensa) de casulis, item cannabis et aedificiis idoneis, also was der Art von abge-
rissenen Hütten , Schuppen und sonst geeigneten Gebäuden herrührend zur
Disposition war, dem Custoden zu diesem Bau unentgeltlich verabfolgt.
2) Die Lyoner Weinhändler (negotiatores vinarii) bezeichnen sich auf zwei
Inschriften, einer Lyoner (Henzen 7007 [C. I. L. XIII, 1954 = Dessau 7030]) und
einer römischen (Orelli 4077 [C. I. L. VI, 29722]) als Luguduni in canabis con-
sistentes. Am natürlichsten wird man dies (mit Boissieu iuscr. de Lyon p. 339)
so auffassen, dass die Weingrosshändler ihre Niederlagen und die davon un-
zertrennlichen Geschäftsgebäude an dem Ausschiffungsplatz hatten und also hier
auch das Gebäude sich befand, wo das Collegium als solches zusammentrat.
Die Weinkeller am Hause können hier unmöglich gemeint sein.
3) Die Bezeichnung canäbae oder canabenses legionis findet sich fünfmal:
act(um) Tcanab(is) leg(ionis) XIII g(eminae) in den beiden Wachstafeln C. I. L.
III, S. 940. 959; dec(urio) kanab(ensiu7n) leg(ionis) XIII g(eminae) in der Inschrift
von Apulum C. I. L. III, 1100 [Dessau 7141] ; can(abae) leg(ionis) V M(acedonicae) in
einer von Troesmis das. 6166 [Dessau 2474]; in canapa leg(ionis) interfectiis a
barbaris in einer von Virunum das. 4850. In der letzten scheint canapa collectiv
zu stehen, obwohl man auch in canapa leg(ionaria) auflösen und an eine einzelne
der Buden denken kann. ['Hinzukommen die canabae Aeliae l(e)g. XI Cl(audiae)
C. I. L. III, 7474 = Dessau 2475 und die cana[bae] hg. VII [Gl(audiae) A]nt(oni-
manae) p. f. C. I. L. III, 14509'. BANG.]
1 g2 Die römischen Lagerstädte.
zu belegen vermögen,*) die es aber bei jeder Legion gegeben
haben wird^.
Offenbar war hiemit, seit die Legionen stehend geworden waren,
der Anlass zur Entwickelung eines städtischen Gemeinwesens nicht
gerade aus, aber doch neben dem Lager gegeben. Seit mit der
Legion selbst auch der Verkaufsplatz stehend geworden war, konnte
es nicht fehlen, dass die Kaufbuden daselbst mehr und mehr den
Charakter von Wohnhäusern, die ganze Ansiedlung mehr und mehr
einen städtischen Charakter annahm. Es wird dies schon für das
erste Jahrhundert in Beziehung auf das Winterlager bei Vetera
(Xanten)^ ausdrücklich hervorgehoben. Räumlich betrachtet, hat
eine Trennung gewiss immer bestanden; wofür insbesondere das
Beispiel des eben genannten Lagers von Vetera belehrend ist: die
'städtische Ansiedelung unweit des Lagers', von der Tacitus spricht,
ist ohne Zweifel die spätere Colonie Traiana, die nach den Itinerarien
30G von dem Legionslager eine römische Meile entfernt lag. Man wird
sich diese militärisch - städtischen Ansiedelungen ungefähr in der
Weise neben einander zu denken haben wie die Stadt Rom und
das vor der Stadtmauer angelegte Prätorianerlager, nur dass an den
Reichsgrenzen die städtische Niederlassung zu der militärischen nach
Umfang und Bewohnerzahl wohl in der Regel in dem umgekehrten
Verhältniss stand als dies in der Reichshauptstadt der Fall war.
Was die rechtliche Stellung dieser Ansiedlungen anlangt, so ist
zunächst, offenbar in Nachwirkung der ehemals zwischen Stadt und
Hauptquartier bestehenden Incompatibilität, den nicht militärischen
Lagergemeinden zwar Corporations-, aber keineswegs das volle Stadt-
recht eingeräumt worden. Wahrscheinlich ist selbst jenes nicht
generell und nicht überall in gleicher Weise geschehen, sondern
*) [Jetzt für vier; s. S. 181 Anm. 3.]
1) Man vergesse dabei nicht, dass die im ersten Jahrhundert nicht seltene
Vereinigung mehrerer Legionen in demselben Winterlager seit Domitian auf-
gegeben war. Sueton Dom. 6.
2) Tacitus h. 4, 22: subversa longae pacis opera haiid lyrocul castris (von
Vetera) in modum municipii extructa, ne hostibus usui forent. Man könnte geneigt
sein in gleicher Weise Aquae bei Zürich, wovon Tacitus h. 1, 66 ähnlich sagt:
direptus longa pace in modum municipii extructus locus amoeno salubfium aquarum
usu frequens, als Lagerstadfc von Vindonissa zu fassen. ludess sowohl die Ent-
fernung dieser Ortschaft von Vindonissa, die etwa eine deutsche Meile beträgt,
als ihr Aufblühen zunächst als Badeort spricht doch mehr dafür, dass dieser
Ort nicht eine Lagerstadt römischer Bürger, sondern ein Dorf des helvetischen
Gaus gewesen ist. Dagegen gehört hieher des Plinius (h. n. 3, 3, 38) Asturica
urbs magnifica, wofern dieser Ort mit Recht zu den Lagerstädten gestellt
worden ist.
II
Die römischen Lagerstäjlte. 183
während es canabae legionis bei jeder Legion gab, wurden wohl je
nach Umständen den bedeutenderen derselben Corporationsrechte
verliehen, wobei gewiss auch, wie bei den Stadtbriefen, wohl eine
allgemeine Gleichförmigkeit, aber keineswegs völlige Gleichartigkeit
der Einrichtungen bestanden liat.
Ich stelle zunächst die mir bekannten Belege eines solchen
Mittelzustandes zusammen und werde daran den Versuch anknüpfen
denselben so weit möglich zu definiren.
I. Apulum (Karlsburg) in Dacien, Hauptquartier
der 13. Legion^.
1) Document vom 16. Mai 142, mit der Unterschrift: act(um)
kanah(is) leg(ionis) XIII g(eminae). — C. I. L. III S. 940.
2) Document vom 4. Oct. 160, mit der gleichen Ortsangabe. —
C. I. L. III S. 959.
3) Foriunae Äug(ustae) sacr(um) et genio Canahensium L. Silius
Maximus v[ei(eranus)] leg(ionis) I ad(iutricis) p(iae) f(ideUs)
magistra(n)s pr'mms in Can(ahis). — C. I. L. III, 1008
[Dessau 2476]. Die Inschrift dürfte aus trajanischer Zeit
sein; welche Legion damals in Apulum stand, ist nicht aus-
gemacht.
4) T. Fl(avius) Longinus vet(eranus) ex dec(urione) al(ae) II Pan~
n(oniorum), dec(urio) col(oniae) Dac(icae), dec(urio) mun(i-
cipii) Nap(ocae), dec(urio) Kanah(arum) leg(ionis) XIII
g(eminne). — C. I. L. III, 1100 [Dessau 7141].
5) Cl(audius) Atteiiis Celer veteraniis Jeg(ionis) XIII gem[in]ae, 397
d[e]c(urio) Canahensium. — C. I. L. III, 1093 [Dessau 7140].
6) T. Fahio Ih[l]iomaro domo Augus(ta) Treve[r(onim)], quond(am)
dec\ur(ioni) K\anahar(um). — C. I. L. III, 1214 [Dessau 7154].
7) Victoriae Aug(ustae) L. lul(ius) T. [f.] Galer. Leugnnus Clunia
vet(eranus) leg(ionis) XIIII g(ennnae) M(artiae) v(ictricis),
aedis custos c(ivium) li(omanorum) leg(ionis) XIII. — C. I.
L. III, 1158 [Dessau 2477].
IL Troesmis (Iglitza) in Nie dermösien, Hauptquartier
der 5. macedonischen Legion.
8) .... [p\ro sal(nte) imp. Caes(aris) Tra(iani) Iladr(iani) Au-
g(ustl) (,\ Val(erio) Pud(cnte) vet(erano) le(gionis) V Mac(e-
donicae) et M. Ulp(io) Leont(io) mag(istris) Canahe(nsium)
1) Wenigstens seit 142; welche Legion dort früher stand, ist ungewiss.
C. I. L. in S. 182.
^84 I^iö römischen Lagerstädte.
ei Tue(cio) Ael(iano) aed(ile) d(onum) d(ederunt) vet(erani)
et c(ives) R{omani) cons(istentes) ad canab(as) leg(ionis) V
M(acedonicae). — C. L L. III, 6166 [Dessau 2474].
9) I(ovi) o(ptimo) m(aximo) pro sal(ute) im[p.] Caes(aris) T.
Ael(ii) Had(riani) Ant(onini) Aug(usti) Pii et M. Aur(eln)
Ver(i) Caes(aris) P. Val(erius) Clemes et L. Cominius Val(ens)
vei(erani) leg(ionis) V M(acedonicae) ma[g(istri)\ et L. Va-
l(erius) Crispus aedilis de s(uo) pos(uerunt). — CLL. III,
6162.
10) I(ovi) o(ptimo) m(aximo) I[unoni reginae Minervae] sac(rum)
pro sa[lute imp. Caesaris T. Aelü] Had(riani) Anton[ini
Augusti Pii et M. Aurelii] Caes(aris) c(ives) R(omani)
Tr[oesmi consistentes magisterio Gejmini Aquil[ini et]
man(i) qui et Sic [per\miss[u legati Augusti
pro praetore]. — C. I. L. III, 6167.*)
III. Aquincum (Alt-Ofen) in Niederpannonien, Haupt-
quartier der Legio II adiutrix.
11) Volcano sacrum vet(erani) et \c(ives)\ P(omani) co(n)s(istentes)
ad leg(ionem) II ad(iutricem) , curam agent[i]b(us) Val(erio)
Bespecto et Utedio Max[i]m[i]no ma[g(istris)] — C. I. L. III,
3505 [Dessau 2473].**)
IV. Brigetio (0-Szöny) in Oberpannonien, Hauptquartier
der Legio I adiutrix.
12) M. Val(erius) Marinus vet(eranus) leg(ionis) I ad(iutricis)
p(iae) f(idelis) ex sign(ifero), dec(urio) Bri(getione) , qui
magistrat. — C. I. L. III, 4298.
308 Y. Argentoratum (Strassburg) in Obergermanien,
Hauptquartier der 8. augustisclien Legion.
13) In 'h(onorem) d(omus) d(ivinae) [G]enio viel Ca[n]abar(um) et j
vi[ca]nor(um) Canahensium Q. Martius Optatus, qui columnam \
*) [Durostorum in Niedermösien: J. o. m. pro salute im}). Caes. T. Aeli Hadri-
ani Antonini Aiig. Pi(i) et Veri Caes. templum et statuam c(ivibus) R(omanis) et
consisstentibus (so) in canabis Aelis l(e)g. XI Cl(audiae) . . . de suo fecerunt (CLL.
III, 7474 = Dessau 2475). — Vimiuacium in Obermösieu: \divus?'\ Sept. Severus
et [imp. Caes. M.] Aur. Antoninus .... cana[bas refec\erunt leg. VII
[Cl(audiae) A]nt(oninianae) p(iae) f(idelis) (C. I. L. III, 14509).]
**) ['Die Canabens(es) erwähnt CLL. III, 10336'. BANG.]
Die römischen Lageretädte. 185
et statuam d(ono) d(edit). — Brambach C. I. Rh. 1891^ [C.
I. L. XIII, 5967 = Dessau 7074].
VI. Mogontiacum (Mainz) in Obergermanien, Haupt-
quartier insbesondere der Legio XXII Primigenia.
14) C. Sertorius L. f. Ouf. Te . . . us veteranus leg. XVI, curator
civium Boman[or(wn)\ Mogontiaci. — Orelli 4976 = C. I.
L. V, 5747 [Dessau 2465J. Die Inschrift gehört in die
Epoche der julischen Kaiser, wo diese Legion in Mainz lag;
unter Nero finden wir sie in Niedergermanien ; Vespasian
löste sie auf.
15) L. Senilius Dec[i]manus q(uaesfor), c(urator) c(ivnim) R(oma-
norum) M(ogontiaci), neg(otiator) 3Iog(ontiacensis) ,*) c(ivis)
T(aunensis). Yom Jahre 198. — Brambach C. I. Rh. 956
[C. I. L. XIII, 7222 = Dessau 7077].
1 6) T. Florius Saturninus vet(eranus) ex sig(nifero) leg(ionis) XXII
pr(imigeniae) p(iae) f(idelis) Alexandriänae, m(issus) h(onesta)
m(issione) , allectus in ordi[n]em c(ivium) R(omanorum) . .
Mog[ontiaci]. — Brambach C. I. Rh. 1067 [C. I. L. XIII,
6769 = Dessau 7078].
17) Marcelliniiis Placidinus d(ecurio) c(ivium) R(omanorum) Mo-
g(ont'iaci). Yom Jahre 276. — Brambach C. I. Rh. 1130
[C. L L. XIII, 6733 = Dessau 7079].
1 8) T. Fl(avius) Sanctinus mil(es) leg. XXII et Perpetmis
et Felix fratres c(ives) P(omani) et Taunenses ex origine
patris. Der Yater ist Yeteran einer prätorischen Cohorte;
die Mutter heisst Aurelia Ammias mater eorum c(ivis) R(o-
mana). — Brambach C. I Rh. 1444 = Orelli 181 [CLL.
XIII, 7335 = Dessau 7096].**)
1) Ich habe diesen wahrscheinlich seitdem zu Grunde gegangenen luschriften-
stein im Jahre 1862 selbst gesehen. Brarabachs Abschrift ist völlig genau, nur
dass in Z. 8 die drei Buchstaben NAM zu einer Contignation verschlungen sind.
*) [c(iirator) e(ivium) It(omanorum) m(anticulanorum) neg(otiatornm) Mo-
g(ontiacensmm) Mommseu im Westd. Korrbl. 1884 S. 31 mit Beziehung auf die
dvea Botnani manticulari negotiatares der Mainzer Inschrift C. I. L. XIII, 6797
= Dessau 7076 vom Jahre 43.]
**) ['Hinzuzufügen sind C. I. L. XIII, 6730 = Dessau 4615: I. o. m. Sucaelo
et Gen. loci pro salute C. Calpurni Seppiani p(rimi) p(iU) leg. XXII Pr(imi-
geniae) p(iae) Trophimus actor [et] canabari ex voto; C. I. L. XIII, 6780 (vom
J. 255): .... leg(ionis) XXpi'o sal(ute) eanahe(nsium) ex v{ö\to pos(tierunt) [rev(ersi)?
ad] can{alas] ; Westd. Korrbl. XXIV (1905) S. 101; ebendas. S. 194: I. o. m.
pro [sa]l[ute Neronis] Clau[d]i Caesaris Au[g.] imp. canaba[ri] pub[l]ice .....' BANG.]
^§(j Die römischen Lagerstädte.
VII. Isca (Caerleon) in Britannien, Hauptquartier der
Legio II Augusta.
19) Im[p. Caes.] M. Äu[relw] Anio{nino] Äug. [Pio] vete[rani] et
Jwlmines?^ ad] leg(ionem) II Ä[ug(ustam) cons(istcntcs)]. —
309 Hübner in den Monatsberichten der Berliner Akademie 1 866
S. 798; C. I. L. YII, 105.
VIII. Asturica (Astorga) in Hispania Tarraconensis,
etwa 40 röm. Meilen von dem Hauptquartier
der Legio VII gemina (Leon)^.
20) Res p(uhlica) Ast(urica) Aug(usta) per mag(istros) G(. . . . .)
Pacatum et Fl(avium) Proculnm ex donis curante lulio
Apoll(inari). — C. I. L. II, 263»3 [Dessau 4509].
IX. Unbestimmt.
21) . . . .in canapa leg(ionis) [oder leg(ionaria)] interfedo aharharis.
— In Virunum (Klagenfurt) gefunden. C. I. L. III, 4850,
- Der wesentliche Unterschied der Lagerstadt (wenn es gestattet
ist der Kürze wegen die oben zusammengestellten Gemeinschaften
unter diesem Namen zusammenzufassen) von der wirklichen Stadt
beruht auf dem verschiedenartige)! Verhältniss, in dem die Angehörigen
beider zu der von ihnen bewohnten Ortschaft stehen : diese sind
daselbst Bürger, jene verweilen dort, oder, mit dem technischen
Worte, consistunt ad canahas legionis (8) oder ad legionein (11), viel-
leicht auch mit Angabe des Ortsnamens statt desjenigen der Legion
(10). — Consistere*) bezeichnet technisch den bleibenden Aufenthalt
an einem Orte oder in einer Gegend, mit welchem die Heimaths-
berechtigung sich nicht verknüpft. Es wird daher gebraucht bei
1) Die früher von mir versuchte Ergänzung honorati ermangelt eines sichern
Anhalts; die plebs urhana et honore usi Orelli 3445 [CLL. XI, 0057] und was
sich Aehnliches findet, liegt sehr weit ab. Offenbar wird eine Formel verlangt,
die den veterani et cices Momani der N. 8. 11 entspricht; ich habe an homines
und hospites gedacht, obwohl keiner dieser Vorschläge recht befriedigt.
2) Die Entfernung Astorgas und Leons von zwei vollen Tagemärschen j
würde es verbieten Asturica in die Reihe der Lagerstädte aufzunehmen , wenn j
feststände, dass die beiden Ansiedelungen, die militärische und die bürgerliche,
sich von Haus aus an diesen Punkten befunden haben. Aber dies ist keines- 1
wegs gewiss. Die im Text mitgetheilte Inschrift ist in einem halbwegs zwischen j
Astorga und Leon gelegenen Dorf gefunden, und die Möglichkeit ist nicht aus-
geschlossen, dass eine oder die andere oder auch beide im Lauf der Zeit den
Platz gewechselt haben. I
?') [Vgl. E, Kornemann bei Pauly-Wissowa RE. IV, 922 ff.; oben S. 156ff.]|
Die römischen Lagerstädte. 187
Collegien von den Oertlichkeiten, wo sie zusammenzutreten pflegen^,
in welchem Sinne auch von den Lyoner Weinhändlern gesagt wird, 310
dass sie in ihren canahae consistiren^; ferner von den nicht an ihrem
Heiniathort verweilenden Personen in Bezug auf die Provinz^ oder
die Stadt*, in der sie sich aufhalten, in welcher letzteren Verwendung
das Wort an das Yerhältniss der incolac, das domicilium im Gegen- ;
satz zur origo eng sich anschhesst^. Indem also die Angehörigen
der Lagerstädte sich als consistirende angeben, bezeichnen sie ihre
Rechtsstellung als formell entgegengesetzt derjenigen, die das Wesen
der Stadt ausmacht, der unbedingten und unauflöslichen Orts-
angehörigkeit, oder, nach dem technischen Ausdruck der Kaiserzeit,
der origo. Auch konnte dies ja gar nicht anders sein. Die Stadt
ist auf die Oertlichkeit, an welcher sie steht, in der Weise ange-
wiesen, dass rechtlich wohl eine Zerstörung, aber keine Verlegung
denkbar ist. Das Legionslager der Kaiserzeit dagegen ist rechtlich
1) Orelli 4085 [C. I. L. VI, 9404 = Dessau 7249] : quinquennali collegi perpetuo
fabrum soliarium baxiarium (centuriarum) III, qui consistunt in scola [vgl. oben
8. 157 A. 1] stib theatro Aug(usto) Pompeian(o) — wonach übrigens, beiläufig
bemerkt, das was Augustus selbst nicht gethan (Ancyr. 4, 9), späterhin nach-
geholt zu sein scheint. Henzen 6302 [C. I. L. VI, 7458 = Dessau 1798]:
collegium cocorum Aug(usti) n(ostri), quod consistit in Palatio. C. I. L. V, 4017:
coll(egiuw) n(autarum) V(eronensium) A(relicae) consist(entium). Orelli 5117 [C.
I. L. V, 7357] (kürzlich von mir nach dem Stein verbessert, in der Turiner
Rivista di filologia 1872 S. 250 [= Ges. Sehr. 5 S. 321]): colleg(ium) centonar(ioruni)
Placent(inorurn) consistent(ium) Clasiidi. Arelica und Clastidium sind md der
Stadtgemeinden Verona und Placentia.
2) S. 181 A. 2. Wenn in einer dritten Inschrift (Henzen 7254 = Boissieu
p. 890 [CLL. XIII, 1911 ^ Dessau 7033]) dasselbe Collegium bezeichnet wird
als negotiatores vinari Lugud(uni) consistentes, so dürfte hier eine jener incor-
recten Abkürzungen stattgefunden haben, die auf Inschriften so häufig begegnen.
Denn in Beziehung auf dasjenige städtische Gemeinwesen, dem die städtische
Corporation organisch angehört und das die Bedingung ihrer Existenz ist, ist
der Ausdruck consistere unstatthaft, weil er eben, im Gegensatz zu der organischen
Verknüpfung, das bloss äusserliche Verweilen bezeichnet.
3) Orelli 485 = C. I. L. III, 5212 [Dessau 1362 a]: cives Bomani [e\x Italia
et aliis iTrovinciis in Baetia consistentes. Verordnung von Severus Vat. fr. 247:
in Italia cives Romani consistentes.
4) C. I. L. III , 860 [Dessau 4082] : Gal[at]ae consistentes munidpio. Henzen
5823 = Renier inscr. de l'Alg. 4064 [C. I. L. VIII, 9260 = Dessau 6879]: Mus-
g(unienses) et Etisg(uniis) consistentes.
5) Dig. 5, 1, 19, 2: si quo constitit, non dico iure domicilii, sed tabernulam
pergulam horreum armarium officinam conduxit ibique distraxit egit, defendere se
0 loci dcbebit. Also ist der Kreis der consistentes etwas weiter als der der incolae:
wer an einem Ort ein Geschäft in der Weise betreibt, dass er seine Beauftragten
>b und zu gehend beaufsichtigt, consistirt daselbst, ist aber nicht den Lasten
1er Incolae unterworfen.
jgg Die römischen Lagerstädte.
keineswegs an den Ort gebunden, sondern es kann jederzeit det-
betreffenden Truppe, ohne dass diese darum eine andere würde, ein
anderer Standort angewiesen werden, und in der That haben solche
Verlegungen oft genug stattgefunden. Man kann, wenn man privat-
rechtliche Verhältnisse vergleicht, das Verhältniss der Legionare zu
311 ihrem Standquartier nicht mit der Origo, wohl aber mit dem Domi-
cilium zusammenstellen. Was aber von der Legion, gilt ebenso von
ihrem nicht militärischen Anhang : die Körperschaft, welche ad canabas
legionis consistirt, ist keineswegs eine rechtlich sesshafte, sondern
folgt, wenn die Legion den Platz wechselt, derselben nach, ohne
darum ihren Namen zu ändern und ihren rechtlichen Bestand ein-
zubüssen. Sehr scharf drückt sich dieser Mangel einer localen Grund-
lage darin aus, dass bei correcter Bezeichnung der Lagerstädte die
Nennung der Localität vermieden wird, sie dagegen, wenn sie Stadt-
recht erhalten, einen Localnamen annehmen. So werden die cana-
henses legionis XIII zum municipium Apulum, die veterani et cives
Homani consistentes ad legionem II adiutricem zum municipium
Aquincum, die veterani et cives Romani consistentes ad canabas legionis
V Macedonicae zum municipium Troesmis.
Es leuchtet ein, welche tiefgreifenden Consequenzen daraus ent-
springen mussten, dass der Lagerstadt die Ortsangehörigkeit mangelte.
Es war wohl möglich, sie mit Festungswerken zu versehen; aber
eine Stadtmauer im Rechtssinn, ein Pomerium konnte sie nicht haben.
Noch weniger konnte ihr eine städtische Mark, ein Territorium zu-
stehen. Wenn die Ortsangehörigkeiten nach römischem Recht be-
kanntlich unter einander incompatibel sind, also wer, zum Beispiel
durch Deduction, die Origo irgendwo gewinnt, seine bisherige Orts-
angehörigkeit, wenn er eine hatte, verliert, so wurde dagegen durch
die Zugehörigkeit zu einer Lagerstadt die früher vorhandene Origo
so wenig aufgehoben wie durch die Zugehörigkeit zu irgend einer
Gilde ; weshalb es auch vorkommt, dass derselbe Mann civis Taunensis
ist und ^civis Bomanus\ das heisst Angehöriger der Lagerstadt von
Mainz (18), jenes in Folge des vom Vater überkommenen Heimath-
rechts (ex origine patris)^ dieses kraft seines Domicils. Daher ist
es auch in der Ordnung, dass unter den insbesondere auf den
Soldateninschriften so zahlreichen Angaben der Origo (domus) die
Lagerstädte nirgends begegnen und der Name der Canabae in dieser
Verbindung gar nicht erscheint.*) Aus demselben Grunde kann die
*) ['Siehe jedoch C. I. L. III, 10548: M. Furio Po[l(lia)] Bufo cana[h(is)] undj
12402: Ulpifo) Margo canafbensi?); vgl. auch oben S. 29 über die Lagerkinder' ^
BANG.]
i^
Die römischen Lagerstädte. 189
Zugehörigkeit zu der Lagerstadt, wo nicht etwa besondere Ausnahms-
bestimmungen entgegenstanden , weder für die Person nothwendig
dauernd noch gar erblich gewesen sein, sondern musste nach den
Regeln der Domicilirung mit dem Aufenthalt erworben und verloren
werden.
Es wäre von Interesse zu erfahren, unter welche Kategorie der 312
Corporationen die römischen Rechtsverständigen die Lagerstädte
gebracht haben. Wir finden sie vielleicht einmal (20) res publica
genannt und sogar mit Beilegung des übrigens auch bei nicht städti-
schen Gemeinwesen vorkommenden Kaiserbeinamens ^, sicherer ein-
mal (13) vicus^; regelmässig scheint man die Bezeichnung vermieden
zu haben, wie dies besonders aus dem Gegensatz von municipium
und colonia zu den Kanahenses schlechtweg in N. 4 deutlich hervor-
geht. Oifenbar hat man wohl gefühlt, dass der Lagerstadt zur
wirklichen Stadt das eigentlich Wesentliche mangele, und daher der
Bezeichnung munici/niim oder was dieser gleich steht durchaus sich
enthalten. Aber die für Gilden und Körperschaften üblichen Be-
zeichnungen, wie collegium und dgl., waren doch noch viel weniger
brauchbar^, vornehmlich deshalb, weil alle Gilden, soweit sie über-
haupt Corporationsrecht haben, sich mit rechtlicher Nothwendigkeit
an ein städtisches Gemeinwesen anlehnen, während bei der Lager-
stadt jede solche Anlehnung nothwendig fehlt. Die Bezeichnung
viais drückte wohl negativ den Mangel des Stadtrechts richtig aus;
aber der viciis ist, so weit die Bezeichnung mit strenger Genauigkeit
1) Eine gute Analogie bieten die vicani Augtisti Verecundenses in Numidien
(Renier 1413 [C. I. L. VIII, 4205 = Dessau 5752]), die, nach Henzens überzeugender
Darlegung (annali 1860, 91), einen Ordo und die Aedilität, aber keine Duovirn
hatten. Auch sie nennen sich res publica (Renier 1414. 1418 [C. I. L. VIII, 4206.
4210]). [Den Kaisernamen führt auch die Lagerstadt der 11. Legion in Duro-
storum: canabae Aeliae l(e)g. XI Cl. (oben S. 184 Nachtr.).]
2) Die vikani Aquenses der Inschrift von Baden bei Zürich (inscr. Helvet.
241 [C. I. L. XIII, 5233]) möchte ich aus den oben S. 182 A. 2 angegebenen
Gründen den Canabenses nicht zuzählen. Ueberdies gehört die Inschrift schwer-
lich in die Zeit, wo Vindonissa noch Legionslager war.
3) Die hie und da begegnenden städtischen collegia veteranoi'um, so in
Ostia (Orelli 4109 [C. I. L. XIV, 409 = Dessau 6146]), Ateste (C. I. L. V, 2475),
Aquileia (das. 784. 884 [Dessau 2471]), Ravenna [vielmehr Salonae] (Mur. 531, 3
[CLL. XI, 136 = III, 142501 = Dessau 7311]) und das kürzlich in Carnuntum
sum Vorschein gekommene unter magistri stehende collegium veteranormn cento-
nari(yrum (C. I. L. III, 4496 a [mit add. 11097 = Dessau 7245]) haben, eben weil
ie städtische sind, mit unseren Lagerstädten , obwohl auch in diesen die Vete-
ranen eine Rolle spielen, durchaus nichts gemein. [Vgl. L. Halkin, Les Colleges
le veterans, Revue de l'instr. publ. en Belg. 38 (1895), 367 flf.; 39 (1896), IE]
190 I^'^ römischen Lagerstädte.
angewandt wird, ein innerhalb des Stadtgebiets abgegrenzter Bezirk,
also ein theils an den Begriff des städtischen Gemeinwesens ange-
lehnter, theils auf feste Ortsangehörigkeit aufgebauter Kechtsbegriff
und in beider Hinsicht der gerade Gegensatz der Lagerstadt. Die
Bezeichnung res publica unterliegt solchen Einwendungen nicht, wohl
aber mangelt ihr jede Proprietät, indem sie lediglich das Vorhanden-
sein corporativer Rechte bezeichnet und insofern von Staat, Stadt,
313 Gilde und überhaupt von jedem Gemeinwesen gleichmässig gebraucht
werden kann; weshalb in der besseren Zeit bestimmt definirte Ge-
meinwesen sich nicht leicht derselben appellativ bedienen. In der
That gab es für diese nicht an ein bestehendes bürgerliches Ge-
meinwesen angelehnte und doch auch selber nicht sesshafte Corporation
eine adäquate Bezeichnung in der römischen Rechtssprache überall
nicht, und es ist in der Ordnung, dass mit der Sache auch der mehr
und mehr appellativisch gebrauchte ^ Namen der Canabae und Cana-
henses sich als eine gewissermassen für sich stehende Rechtskategorie
entwickelt hat.
Fragen wir weiter, nachdem das Wesen der Lagerstadt im
Allgemeinen festgestellt worden ist, nach den Bedingungen der
Zugehörigkeit oder dem, was hier das Bürgerrecht vertritt, so ge-
hören dazu zweierlei: der Besitz des römischen Bürgerrechts und
das Domicil im Lager, so dass also die im Lager verweilenden
. Peregrinen ebenso von der Lagerstadt ausgeschlossen sind, wie alle
nicht im Lager verweilenden römischen Bürger. Wir finden in
unseren Inschriften die Zugewandten dieser Gemeinwesen folgender-
massen bezeichnet^:
a) veterani et cives Ilomani consistentes ad canahas le(/ionis Ulms
(N. 8) oder ad legioncm illani (N". 11).*)
1) Diese Wandelung des Sprachgebrauchs zeigt sich deutlich darin , dass
in Apulum der erste Magister sich nennt magistrans in canabis (N. 3), während
in der späteren Formel deeurio Kanabarum (N. 6) das Wort nach Art der Stadt-
namen behandelt wird; ferner in dem Ethnikon Canabensis, nicht canabarius
['dieses jedoch C. I. L. XIII, 6730 = Dessau 4615: Westd. Korrbl. 1905 S. 101. 194"
BANG]; vgl. aquarius neben Aquensis.
2) Die veterani et ho[mines ad] legionem II A[ugustam consistentes] derj
Inschrift N. 19 berücksichtige ich nicht, theils weil die Ergänzungen nicht
sicher sind, theils weil nicht feststeht, dass die Bewohner dieser Lagerstadti
Corporationsrechte gehabt haben. Wäre die Ergänzung sicher, so würde daraus |
dass hier die peregrini nicht ausgeschlossen werden, vielmehr gefolgert werdei
müssen, dass dieser Lagerortschaft Corporationsrechte nicht zugekommen sind
*) [Oder cives Bomani et consistentes in canabis legionis illius (oben S. 18
Nachtr.).] ■^- ^^
Die römischen Lagerstädte. 191
b) cives liomani legionis illius (N. 7).
c) cives Bomani Tr[oesmi consistentes] (N. 10).
d) cives liomani Mogontiaci (N. 14. 15. IG. 17), auch mit "Weg-
lassung des letzten Worts N. 18).
e) Canahenses (N. 5. 13).
Also was bei wirklichen Stadtgemeinden vollen römischen Bürger-
rechts unerhört ist, dass der Bürger derselben sich zugleich als
römischen Bürger bezeichnet, kehrt hier in der Weise sich um, dass
die Erwähnung des römischen Bürgerrechts durchaus in erster Linie
erscheint, und eher der Lagerort selbst als diese wegbleibt; auf den
letzteren selbst aber wird die Kategorie civis niemals bezogen. Es ist 314
dies auch wohl erklärlich, ja in der That nur die folgerichtige Ent-
wickelung des oben aufgestellten Princips. Der Bürger von Köln
heisst civis Agripjnnensis, nicht civis Romanus Agrippinensis^^ da die
örigo von Köln, wie von jeder anderen Colonie und jedem andern
Municipium, nur erworben werden kann mit der communis origo zu-
gleich und insofern in dem civis Ägrippinensis der civis Romamis
schon von selbst und mit rechtlicher Noth wendigkeit enthalten ist.
Aber der Angehörige einer Lagerstadt konnte so wenig civis derselben
heissen, wie sie selbst municipium; es war demnach erforderlich ent-
weder die beiden Requisite, das römische Bürgerrecht und das
Consistiren im Lager ausdrücklich auszusprechen (a) oder doch durch
Nennung der Legion oder des Ortes letzteres anzudeuten {b, c, d) oder
in den neuen technischen Ausdruck Canahenses (e) eben dieselbe
Bedeutung hineinzulegen.
Eine besondere Erwägung verdient noch die Hervorhebung der
Veteranen, welche nicht bloss in den beiden Inschriften, die die
Canahenses am genauesten determiniren (N. 8. 11), für sich und vor
den cives Romani genannt werden, sondern auch nach Ausweis der
übrigen Inschriften offenbar den eigentlichen Stamm dieser Lager-
1) Sichere Belege für die letztere Ausdrucksweise giebt es meines Wissens
[nicht. In einer Inschrift von Emerita begegnet ein freigelassener Emeritensis
\^(ms) B(omanus) C. I. L. II, 494 und in Italica ein Freigeborner, wie es scheint,
;. J2. c. V. Italieensium (das. 1135), was Hübner mit dvis Romanus coloniae V
.... Italieensium aufgelöst hat. Beide sind nicht unbedingt sicherer Lesung,
ndess ist jene Auflösung möglich, wenn man sich erinnert, dass die Freilassung
mter Umständen latinisches Recht gab. Die letztere dagegen schafft einen
irgen Solöcismus und es verbirgt sich in den räthselhaften Buchstaben wohl
icher etwas anderes. Sollte aber auch eine oder die andere Ausnahme nach-
gewiesen werden, so würde sie nur die lange Reihe der inschriftlich belegbaren
chuitzer vermehren und weder die allgemeine Regel erschüttern noch den für
lainz nachgewiesenen besonderen Sprachgebrauch.
J92 l^ie röniischen Lagerstädte.
Städte gebildet haben, und zwar in der Weise, dass in den Canabae
der einzelnen Legion die Yeteranen nicht bloss derselben Legion
(N. 5. 8. 9. 12. 14. 16. 18), sondern auch anderer (N. 7), sowie der
Auxiliartruppen (N. 4) erscheinen. Selbstverständlich ist die Be-
315 Zeichnung veterani et cives Bomani nicht gegensätzlich zu nehmen,
sondern in dem Sinn 'die Yeteranen und die übrigen römischen
Bürger'; schon deshalb, weil wenigstens factisch mit der Yeteranen-
qualität der Besitz des römischen Bürgerrechts verbunden war^
Darum nennt auch die Mehrzahl der Inschriften die Canabenses
einfach cives Romani. Aber aus factischen wie aus rechtlichen
Gründen erklärt sich das Yorwiegen der Yeteranen in diesen Lager-
städten recht wohl. Die Zahl derselben musste bedeutend sein.
Bekanntlich wurden die Soldaten, auch nachdem sie die Entlassung
empfangen hatten, besonders in der früheren Kaiserzeit häufig in
militärischer Organisation (sub vexillo) bei ihrem Corps zurückgehalten;
und obwohl man zweifeln kann, ob diese ausgedienten, aber noch
militärisch geordneten und verwendeten Mannschaften den Canabenses
angehört haben, dürften doch überwiegende Gründe dafür sprechen
diese Frage zu bejahen 2. Aber auch wer sie verneint, wird nicht
in Abrede stellen können, dass auch diejenigen Yeteranen, die nicht
mehr bei der Fahne zu bleiben verpflichtet waren, häufig es vor-
ziehen mochten an demselben Orte ihren Wohnsitz aufzuschlagen
und in den Lagerstädten ihr Leben zu beschliessen. — Wichtiger
aber noch als dieses factische ist ein rechtliches Moment. Wenn
für die Kaiserzeit wenigstens es feststeht, dass der römische Bürger
der Regel nach einem der anerkannten Gemeindeverbände angehören
soll, so bleibt es zweifelhaft, inwiefern bei der Yerleihung des Bürger-
rechts sowohl an andere Peregrinen^ wie insbesondere an die desselben
1) Vgl. C. I. L. III p. 905.
2) Die vollständige Behandlung dieser Frage würde auf ein ganz anderes
Gebiet führen und ist für den nächsten Zweck unserer Erörterung nicht schlecht-
hin erforderlich ; ich begnüge mich auf Marquardts Auseinandersetzung 3, 2, 366
[Staatsverw. IP, 463 ff.] zu verweisen und die beiden Hauptargumente anzuführen,
welche mir die Frage zu entscheiden scheinen : dass die Veteranen sub vexillo
nicht mehr unter dem Legionslegaten stehen (Pseudo - Hygin de mun. castr. 5)
und dass die curatores veteranorum ihre Stipendia zählen (unten S. 194 N. 5).
Im Uebrigen ist über die militärische Organisation der vexilla veteranorum wenig
bekannt. Erwähnung verdient der (centurio) veteranorum lcg(ionis) IUI Mac(e- '<
donicae) einer dalmatiner Inschrift (CLL. III, 2817 [Dessau 2467]) aus vor-
vespasianischer Zeit, der meines Wissens bis jetzt einzig dasteht.
3) Die Stellung der durch die Magistratur zum römischen Bürgerrecht ;
gelangten Bürger der latinischen Städte und die der viritim civitate donati führen
zu dem gleichen Dilemma.
Die römischen Lagerstädte. |93
entbehrenden Veteranen dafür gesorgt ward, dass dieselben nun 316
auch irgendwo zum Gemeindebürgerrecht gelangten. Nach Augusts
Absicht war ohne Zweifel die Verleihung des Veteranenrechts nur
ein vorbereitender Act für die Deduction, und insofern diese das
Gemeindebürgerrecht in sich schloss, erledigt sich jenes Bedenken.
Aber schon unter ihm selbst stockten die Deductionen, und die
Frage kehrt also wieder, in wie fern den durch die Mission zum
Staatsbürgerrecht gelangten Veteranen das Gemeindebürgerrecht
verschafft ward. Wir haben keine Antwort darauf, und es ist wohl
möglich, dass die römische Regierung selber darauf keine gehabt
hat; wohl aber ist es sehr wahrscheinlich, dass die Existenz zahl-
reicher rechtlich heimathloser Staatsbürger mit dazu geführt hat in
der corporativen Organisation der Lagerstädte denselben wenigstens
ein Surrogat des Heimathrechts zu schaffen.
Versuchen wir die corporative Organisation dieser Gemeinwesen
zu erkennen, so tritt uns eine doppelte Form entgegen, eine ältere
von mehr militärischem und eine jüngere von mehr bürgerlichem
Charakter, die sich übrigens beide darin begegnen, dass sie der
städtischen Ordnung sich nähern, ohne sich mit dieser völlig zu
decken.
Gemeinsam ist allen diesen Gemeinden das Vorhandensein des
ordo (N. 16) oder der decuriones (N. 4. 5. 6. 17). Bekanntlich werden
beide Bezeichnungen so weit erstreckt, wie die res publica reicht^,
1 und kann also ihr Auftreten hier nicht befremden. Bemerkenswerth
i für die Annäherung dieser Körperschaften an die eigentlichen Städte
bleibt aber immer die Häufigkeit dieser gewöhnlich doch nur bei
Städten vorkommenden Bezeichnungen bei den Canabenses und ihre
Parallelstellung mit dem Decurionat wirklicher Municipien und
Colonien (N. 4).
Von entscheidenderer Bedeutung ist die Organisation der Magi-
stratur. Bei dieser ist vor allen Dingen die negative Thatsache
jwichtig, dass das eigentliche Kennzeichen des Municipiums, die
JDuovirn oder Quattuorvirn , wie bei keinem Vicus und keinem
ICoUegium, so auch in keiner der Lagerstädte auftreten, sondern der
Vorstand durchaus anders geordnet erscheint.
I Die ältere Vorstandschaft scheint auf dem curator veteranorum
't civium Romanorum , qui consistunt ad canabas legioms illius zu
beruhen. Denn so dürfte die vollständige Bezeichnung oder, wenn 317
1) Das castellum Arsacalitanum hat (rrdo oder Decurionen (Renier 2364
p. I. L. VIII, 6041 cf. 19223 = Dessau 6867]). Der Ordo der Collegien ist bekannt.
MOMMSEN, SCHR. VI. 13
-[94 I^iö römischen Lagerstädte.
man will, Umschreibung dieses Amtes gelautet haben, auf die wir
freilich nur aus verschieden abgekürzten Formen zurückzuschliessen
vermögen. — Ich stelle zunächst diejenigen Inschriften zusammen,
die für diese bis jetzt wenig beachtete Institution^ in Betracht zu
komhien scheinen, auf die Gefahr hin einzelnes vielleicht derselben
Fremdartige hereinzuziehen 2.
1. veteranus leg. XVI, curator civium Boman[or(um)] Mogontiaci.
— Oben S. 185 N. 14.
2. q(uaestor), c(urator) c(ivium) R(omanorum) M(ogontiaci). —
Mainz, vom Jahre 198. Oben S. 185 N. 15.
^[3. 4. Fortunae Aug(ustae) sac(rum) C. Nemonius Senecio c(urator)
v(eteranoruni)*) et T. Tertius Felix q(uaestor) et C. Atius
Verecundus act(or) d(e) s(uo) p(osuerunt). — Mainz. Bram-
bach C. I. Rh. 1049 [C. I. L. XIII, 6676 = Dessau 2469J.
Die vorgeschlagene Auflösung der Buchstaben C* V* muss
sich selber vertreten; andere Belege dafür habe ich nicht
anzuführen. — Die verwandte ebenfalls Mainzer Inschrift
Brambach 984 [C. I. L. XIII, 6775] ist zu Anfang defect;
von den drei Dedicanten scheint der erste ohne Titel auf-
tretende der Curator zu sein, während der zweite sich
[qua]esfor, der dritte ador nennt.
5 princeps II (wohl = posterior) leg. XIIII gem(mae)
(vixit) an(nos) LXIII, (meruit) stip(endia) XLVI, milit(aria)
XVI, curatoria veteran(orum) IUI, evocativa III. — Boppard.
Brambach C. I. Rh. 717 [C. I. L. XIII, 7556 = Dessau 2649].
Zum Verständniss der Inschrift wird man voraussetzen müssen,
dass der Betreffende als Prätorianer nach vollendeter 16 jähriger
Dienstzeit die Mission empfing, dann 4 Jahre als curator vetera-
norum, 3 Jahre als evocatus und 23 Jahre als Centurio diente.**)
1) Zumpt comm. epigr. 1, S. 463 stellt einiges darüber zusammen.
2) Die Inschrift von Ofen C. I. L. III, 3513: SACRVM | SEX • POMjlVS •
CVRAT|LEG • XIII • C ist als defect und verlesen unbrauchbar. In dem activen
Militärdienst kommen von Curatoren nur vor der fisci curatoi', der curator equitum
singularium (Henzen ann. delF inst, 1850 S. 47) und der nicht eigentlich titulare
als curator cohoHis fungirende Legionscenturion (archäol. Zeitung 1869 S. 126).
[Weitere derartige Curatoren s. bei v. Domaszewski, Rangordnung des röm.
Heeres (Bonn. Jahrb. 117, 1908) S. 269.]
*) [c(urator) v(ici) Bergk Westd. Zeitschr. I (1882) S. 511 ; vgl. C. I. L. XIII, 2
p. 303.]
**) [Vgl. V. Domaszewski N. Heidelb. Jahrb. X (1900) S. 224.]
Die römischen Lageratädte. 195
6. P. Tutilius P. f. 0[uf.] veteranus sign[ifer] aquilifer leg. F . . . .
curator vete[ran(ormn)]. Geboren war derselbe 71 1 d. St.
und starb 782 d. St. = n. Chr. 29, diente also unter Augustus. 31!
— Mailand. Henzen 6854 = C. I. L. V, 5832 [Dessau 2338].
7. L. Sertorius L. f. Pdb. Finnus signif(er) aquil(ifer) leg(ionis)
XI Claud(iae) piae fidelis, missus, curat(or) veter(anorum)
lcg(ionis) eiusdem. — Yerona, Henzen 6810 = C. I. L. V,
3375 [Dessau 2339].
8 Plancus curator veteranorum leg. IUI Macedonic[a]e. —
Turin. Grut. 557, 3 = CLL. V, 7005 [Dessau 2464]. Die
Inschrift gehört in die Epoche der ersten Dynastie, da die
vierte macedonische Legion von Yespasian aufgelöst ward.
9. Sex. Iu[lius .../*.] Ani. Silva[nus] .... summus c[uratm'
c(iviuni) P(omanorum)\ suffragio [veferanor(um)] leg(ionis)
VII C(laudiae) p(iae) f(idelis). — Aequum. C. L L. III, 2733.
Die Ergänzung ist angelehnt an die Lyoner Inschrift Orelli
4020 [C. I. L. XIII, 1921 = Dessau 7024]: Sex. Ligurim
Sex. fd. Galeria Marinus summiis curator c(ivium) P(oma~
norum) provinc(iae) Lug(udunensis)*) und nicht sicher, aber
wahrscheinlich.
10. C. Vettius Q. f. Pol. eq(ues) leg(ionis) VIII Aug(ustae) an-
n(orum) XLIIX, stip(endiorum) XXVIII, idem quaestor
veteranorum. — Klagenfurt. C. I. L. III, 4858 [Dessau 2466].
Es waren also die Veteranen einer jeden Legion als Körper-
schaft organisirt. Dass dabei nicht die Yeteranen der Legion über-
haupt gemeint sind, sondern an die noch im Lager, sei es sub vexülo
.sei es freiwillig verweilenden zu denken ist, folgt theils aus der
iNatur der Sache -^ denn wie und wozu wäre den in alle Welt
jerstreuten Yeteranen der Legion ein Yorstand gegeben worden?
— theils aus der kaum abzuweisenden Gleichartigkeit des curator'
\ivium Romanorum Mogontiaci, der zugleich Veteran der 16. in
jlainz garnisonirenden Legion war (N. 1 ), mit dem curator veteranorum
!er übrigen italischen Inschriften. Man wird demnach auch diese
iura nicht auf die Veteranen beschränken, sondern auf sämmtliche
ei der Legion verweilende Personen römischen Bürgerrechts er-
wecken dürfen; was durch die Analogie der vcterani et cives Bomani
*) [Zu vergleichen ist der summus curat(&r) c(ivium) B(omanorum) pi'o-
nc(iae) Aqui[t(aniae)] C. I. L. XIII, 1900 = Dessau 7025 und dazu Kornemann,
i civ. Rom. in prov. imp. consist. S. 34.]
13*
19g Die römischen Lagerstädte.
von Troesmis und Aquincum weiter gestützt wird. — Dass es zur
Zeit nur einen Curator gab, zeigen die Inschriften N. 3. 4; und auch
aus dem Titel summus curator, wenn er mit Recht hergestellt worden
ist (N. 9), dürfte nicht das Gegentheil folgen, so wenig wie der
analoge summus magister einzelner Pagi der erste von mehreren ist.
319 — Dass die Stellung mehr als militärische denn als bürgerliche
betrachtet wird, zeigt die Anwendung der Stipendienzählung darauf
(N. 5). Dennoch hat sie, wenn N. 9 richtig ergänzt ist, nicht auf
Ernennung durch den Oberofficier, sondern auf Wahl der Genossen
beruht, was auch kaum anders sein kann, da ja selbst die noch
unter der Fahne stehenden Veteranen doch dem Legionslegaten
nicht mehr untergeben sind (S. 192 A. 2), — Dem militärischen Rang
nach steht diese Cura nicht hoch, was wohl auch damit zusammen-
hängt, dass sie von der Genossenschaft selber besetzt wird. Die
Inschriften N. 5. 6. 7 zeigen, dass der curator veteranorum niedriger
steht als der evocatus, also um so mehr niedriger als der Centurio,
und ungefähr gleich mit den angesehensten Chargirten unter den
Gemeinen, insbesondere dem Adlerträger. — Neben und unter dem
Curator stehen der quaestor veteranorum (N. 10) oder civium Boma-
norum (N. 2), auch quaestor schlechtweg (N. 3. 4), und der ador
(N. 3. 4), welcher Ausdruck hier, wie bei dem actor puUicus der
Städte^, einen Beamten bezeichnet.
Die eben dargestellte Ordnung hat erweislich (N. 6) bereits in
augustischer Zeit bestanden, und wenn sie auch in dieser Form
nicht republikanisch sein kann, da in der Epoche der Republik es
weder stehende Truppen noch Veteranen im späteren Sinne gab,
so lehnt sie sich doch wahrscheinlich an republikanische Einrichtungen
an. Die conventus civium Romanorum, das heisst die innerhalb eines
römischen Jurisdictionsbezirkes verweilenden römischen Bürger, er-
scheinen schon in republikanischer Zeit^ im Besitz von Corporations-
rechten; sie ernennen sich Patrone und besitzen einen Tempel mit
einem flamen conventus^; wenigstens in einem derselben, dem con-
1) Henzen 6432. 6532. 6931 [C. I. L. IX, 2827 = Dessau 5982. IX, 2228 (ist
zu streichen). XIII, 1684 = Dessau 1441].
2) Cicero pro Sestio 4, 9: conventus ille Capuae, qui propter salutem üUns
urMs consulatu conservatam meo me unum patronum adoptavit. Dieser conventus,
entgegengesetzt der bald nachher dort begründeten Colonie, ist der Jurisdictions-
bezirk der praefecti Capuam Cumas.
3) Sacerd(os) perp(etiut) Ilom(ae) et Aug(usti) conventuus Bracaraug(uMani)
C. I. L. 11, 2416 [Dessau 6924]. Aehnlich das. 2426. 3418 [Dessau 6952]. 4215.
4223 [Dessau 6931. 6932]. Vgl. auch die von dem conventus Asturum gesetzte
Inschrift Henzen 5212 [C. I. L. XII, 1855 = Dessau 1380].
I
Die römischen Lagerstädte. 197
ventus der Helvetier, tritt sogar auch ein ciirator civium Romanorum
auf^. Wie weit diese Entwiekelung gediehen ist, vermögen wir 320
nicht zu sagen, und am wenigsten können diese eine besondere
Untersuchung erfordernden Verhältnisse hier beiläufig erledigt werden;
aber es unterliegt keinem Zweifel, dass unter gewissen Umständen
die innerhalb eines römischen Jurisdictionssprengels lebenden römi-
schen Bürger nicht blos eine Corporation, sondern sogar ein factisch
der Stadt analoges Gemeinwesen gebildet haben. Zwar wo der
Hauptort des Sprengeis eine Stadt latinischen oder griechischen
Rechts war, konnte dies nicht wohl der Fall sein; die römischen
Bürger des Sprengeis von Aquileia oder von Ephesos sind gewiss
nie mehr gewesen als ausserhalb dieser Gemeinden stehende Gilden
fremder Geschäftsleute. Aber anders mussten sich die Verhältnisse
entwickeln, wo eine solche Gilde sich nicht an ein den römischen
gleichartiges Gemeinwesen anlehnte, sondern auf sich selbst stand.
Dies war der Fall zum Beispiel in Capua, so lange dies des Stadt-
rechts entbehrte, und in den alten bereits in republikanischer Zeit
blühenden römischen Handelsplätzen in Illyricum Nauportus, Salonae,
Narona. Von jenem Capuaner Convent sagt Cicero, dass er nur
dem Namen nach sich von einer Stadtgemeinde unterschieden habe^;
und die letztgenannten illyrischen Ortschaften stehen, wenn auch
ohne Stadtgerechtigkeit, doch als oppida civium Romanorum unter
zwei magistri und zwei Quästoren; ihre magistri bauen die Mauern
und im Kriegsfall schliessen sie, wie die wirklichen Städte, ihre
Thore und lassen sich belagern^. Ohne Zweifel sind sie es, welche
für die um ein römisches Hauptquartier sich sammelnde Bürger-
bevölkerung und deren corporative Organisation das Muster gegeben
Eaben. Die Verhältnisse waren in der That so völlig identisch, dass
die einfache Uebertragung der bestehenden Formen ausreichte; denn
ob der Kreis der Corporationsgenossen auf eine Ortschaft oder einen
Kreis oder eine Provinz bezogen ward, machte keinen wesentlichen
Unterschied.
Aber es scheint, als gehöre die bezeichnete corporative Orga-
nisation überwiegend der früheren Kaiserzeit an. Von den oben
1) Inscr. Helvet. 122, 133 [C. I. L. XIII, 5013. 5026 = Dessau 7011]. Analog
ist der oben S. 195 N. 9 angeführte summus curator cßvixim) B(omanorum) pro-
vinc(iae) Lug(udunensis).
2) a. a. 0.: iidem homines nomine commutato coloni decurionesque.
3) Eine eingehende Erörterung dieser Verhältnisse fehlt, so viel ich weiss ;
Ober die drei illyrischen Städte ist im C. I. L. III S. 291. 304. 433 gesprochen.
Auch der Convent von Corduba bei Cäsar b. c. 2, 19 tritt ähnlich auf.
198 ^^^ römischen Lagerstädte.
321 beigebrachten zehn Inschriften fallen drei (N. 1. 6. 8) nachweislicljt
vor Yespasian und auch die übrigen wahrscheinlich in die frühere
Kaiserzeit mit Ausnahme der drei in Mainz gefundenen (N. 2. 3. 4),
von denen die eine datirte aus dem Jahre 198 herrührt. Danach
dürfte diese Einrichtung als allgemeine das erste Jahrhundert kaum
überdauert und nur in Mainz örtlich fortbestanden haben; wobei
man sich daran erinnern mag, dass das Mainzer Lager von Augustus
bis in die späte Kaiserzeit unverrückt bestanden hat, während die
meisten übrigen Legionslager, und namentlich sämmtliche im Donau-
gebiet gelegene, in Folge des Vordringens der römischen Waffen
den Ort gewechselt haben. — Welche Ursachen zu dem Fallenlassen
dieser Form geführt haben, ist nicht mit Sicherheit auszumachen.
Die seltsame zwischen militärischer und bürgerlicher schwankende
Stellung des curator veteranorum hat wahrscheinlich dabei mitgewirkt;
aber es mag darauf auch das Zurücktreten der convenius civium
Romanorum überhaupt^ Einfluss gehabt haben, das wieder mit dem
Aufblühen von eigentlichen Städten römischer Verfassung in den
Provinzen zusammenhängen wird.
Dagegen stellt in den Lagerstädten jetzt eine andere Organisation
sich ein, die uns am klarsten in den Denkmälern von Troesmis ent-
gegentritt, aber auch in Aquincum, Apulum, Asturica gleichartig
gewesen zu sein scheint. Als Obrigkeiten erscheinen zwei magistri
(N. 3. 8. 9 12, 20) und ein einziger Aedilis (N. 8. 9), woneben noch ei«
aedis custos (N. 7) auftritt. Augenscheinlich ist dies eine Nachbildung
d6r gewöhnlichen Municipalmagistratur, der Duovirn und der zwei
Aedilen, aber eine Nachbildung von der Art, dass das Gemeinwesen
dadurch als das Gegentheil des städtischen charakterisirt werden
soll. Denn als magistri werden hier, wie überall im Sprachgebrauch
der spätem Zeit, die Priester im Gegensatz zu den Magistraten
322 bezeichnet^, und damit die betreffende Corporation als eine nicht
politische, sondern sacrale. um ihren Tempel sich gruppirende Ge-
meinde. Den einen Aedilen wird man ebenso mit dem einen Lictor
' 1) Ausser dem helvetischen cowren^Ms (S. 196/7) und dem Curator der in der
Lugudunensis verweilenden römischen Bürger (S. 197 A. 1) wüsste ich aus In-
schriften keine sichere Spur der Existenz solcher Verbände beizubringen [s, jedoch
oben S. 195 A. *]. Einigermassen gehören hierher freilich die cives Bomani ex
Italia et alüs provinciis in Raetia consistentes (oben S. 187 A. 3), die cives Bomani
qui negotiantur Bracaraugustae (C. I. L. II, 2423) und was der Art weiter sich
vorfindet; aber die letzteren Documente zeugen nicht bestimmt für den eigentlich
corppratiyen Verband der darin Genannten.
2) Mein röm. StaÄfea^ftht 1, 44 [3. Aufl. S. 8].
Die römischen Lagerstädte. IQG
zuBammenstellen dürfen, ipit welchem Germanicus die für Lictoren
verschlossene Stadt Athen betrat. Aehnliche Ordnungen finden wir
auch sonst bei den vici und pagi, bei denen zwei oder auch mehr
magistri und da,nebeti Aedilen, vielleicht sogar in der Einzahl auf-
treten^. Bei allen sehr mannich faltigen localen Besonderheiten, die
uns hier entgegentreten, tritt die Analogie der Organisation der ]}ag't
und vici und derjenigen der Lagerstädte ebenso bestimmt hervor,
wie ihre correlate Gegensätzlichkeit zu der eigentlich municipalen
Ordnung. — Der hauptsächliche Unterschied dieser Organisation von
der älteren, so weit wir die Verhältnisse zu erkennen vermögen, ist
der rein bürgerliche Charakter der jüngeren im Gegensatz zu dem
mehr militärischen der älteren Ordnung; und dies ist auch wohl, wie
schon gesagt ward, der Grund der Umgestaltung gewesen.
Der Zeit nach können wir, wie das Bestehen der älteren Ord-
nung, wenigstens als der allgemeinen, nur für die julisch-claudische
Zeit, so das Bestehen der jüngeren nur für das zweite Jahrhundert
nachweisen, insbesondere für die Zeit von Hadrian (N. 8) und Pius
(N. 1, 2. 9. 10). Es liegt in der Natur solcher Mittelzustände, wie
insbesondere die zuletzt geschilderten der Canahenses sind, nicht zu
dauern und allmählich in die volle Entwickelung überzuleiten; und
.80 finden wir es auch hier. Die alte Regel der Incompatibilität von
Lager und Stadt fiel, zuerst in einzelnen Ausnahmen, dann allgemein;
schon am Ausgang des zweiten und bestimmter noch im dritten
Jahrhundert sind umgekehrt die hauptsächlichen und besonders die
älteren Mittelpunkte der militärischen Organisation der Mehrzahl
nach auch Städte römischer Ordnung. Ein kurzer Ueberblick dieses 323
letzten Entwickelungsstadiums mag diese Darlegung beschliessen.
Der erste Kaiser, welcher jenes Incompatibilitätsgesetz gebrochen
hat, ist Traian, indem er der städtischen Ansiedelung bei Vetera
(Xanten) unter dem Namen Traiana Colonierecht verlieh, ohne die
1) Am meisten nähert sich dieser Ordnung die Vorstandschaft des vicus
Furfo (C. I. L. I, 603 [= IX, 3513 = Dessau 4906]), wenn man die beiden nicht
näher bezeichneten Personen, welche die Dedication vollziehen, als magistri fasst
und aus den Worten : aedilis, quem qtumique veieus Furfens(is) fecerit . . . aedilis
mültatio esto den (freilich nicht ganz sicheren) Schluss zieht, dass es dort nur
einen Aedilen gab. Anderswo freilich finden wir drei Aedilen eines Pagus
(I. N. 5474 = Benzen 7038 [C. I. L. IX, 3312 = Dessau 5773]), während aus den
meisten der sparsamen Inschriften von Aedilen eines Pagus oder Vicus die
Zahl nicht erhellt. Inscr. Helvet. 87 = Orell. 259 [C. I. L. XII, 2611]: officio
inter convicanos suos functo aedil(itatis). Orelli 3984 [C. I. L. XII, 1711]: aedüis
pagi Aletani. Ann. dell' Inst. 1854 S. 43 [C. I. L. XII, 1377 = Dessau 5614]: aed.
pag. Bag.
200 I^iß römischen Lagerstädte.
Legion zu verlegen. Dabei ist nicht zu vergessen, dass damals
dieses Standlager nebst dem von Mainz von allen, wenigstens denen
in den Provinzen lateinischer Zunge, am längsten bestand, die dazu
gehörige Lagerstadt also wahrscheinlich im Yerhältniss gewachsen
war; wie denn schon vierzig Jahre früher Tacitus diese Ansiedelung
als eine ansehnliche bezeichnet (S. 182 A. 2). Als Regel scheint die
Incompatibilität auch Traian noch festgehalten zu haben, wie sein
Verfahren in Betreff Poetovios und bei der Einrichtung Daciens zeigt
(S. 178). Wahrscheinlich ist es Hadrian gewesen, der den Lager-
städten der drei grossen Lager an der mittleren Donau, Carnuntum
(Petronell bei Schwechat) in Ober-, Aquincum (Alt-Ofen) in Nieder-
pannonien und Viminacium (Kostolatz) in Obermoesien Stadtrecht
verliehen hat, denn sie alle erscheinen als municipia Äelia und führen
diesen Namen ohne Zweifel von ihm^. Unter Marcus hat Apulum
(Karlsburg) in Dacien gleiches oder doch ähnliches Recht empfangen ^.
Besonders bemerkenswerth ist es, dass, als Severus die fünfte mace-
donische Legion von Troesmis (Iglitza) in Niedermoesien nach Potaissa
(Thorda) in Dacien verlegte, nicht bloss der Ort, von dem die Legion
weggenommen wurde, Municipium ward, wenn er es nicht bereits
324 war, sondern dass auch Potaissa von Severus selbst Colonierecht
empfingt. Ebenso sind noch vor Diocletian die drei anderen Legions-
hauptquartiere im Grebiet der mittleren Donau, Vindobona (Wien)
und Brigetio (Szöny) in Oberpannonien und Singidunum (Belgrad)
in Obermoesien mit Stadtrecht beschenkt worden*. Dasselbe gilt
ohne Zweifel auch von den Standlagern an der unteren Donau
Novae (Svischtova) und Durostorum (Silistria), während die beiden
an dem oberen Flusslauf, Castra Regina (Regensburg) und Lauria-
1) C. I. L. III S. 264. 439. 550, wo das Nähere ausgeführt ist. Dass der
Beiname Aelium auf Pius geht, ist, ausser andern Gründen, schon deswegen nicht
wahrscheinlich, weil dieser den Namen seines Adoptivvaters nur secundär und
als Kaiser gar nicht geführt hat [?].
2) Zwischen 160 und 180 als municipium Aurelium. Die C. I. L. 111 S. 183
gegebenen Fristgrenzen sind, nachdem das S. 959 mitgetheilte Document die
Existenz der canabae für das J. 160 festgestellt hat, in der angegebenen "Weise
enger zu ziehen. Indess scheint das neue Municipium doch nicht sofort volles
Stadtrecht und namentlich nicht sofort die freie jährliche Wahl seiner Quattuor-
vim erhalten zu haben. Denn anders lässt sich das Vorkommen eines IUI vir
primiis annualis municipii Septimii Apuli (C. I. L. 111, 1083 [Dessau 7143])
neben dem eines primus IUI vir municipii Aureli Apuli (das. 1132 [Dessau
7142]) nicht wohl verstehen (das. S. 183).
B) C. I. L. III S. 172. 999.
4) C. I. L. III S. 265. 539. 565.
Die römischen Lagerstädte. 201
cum (Enns), beide erst von Marcus eingerichtet, Stadtrecht nicht
empfangen haben oder wenigstens dafür, dass sie es gehabt haben,
bis jetzt die Beweise mangeln^. — In den anderen Provinzen der
lateinischen Reichshälfte, für die bis jetzt diese Yerhältnisse allein
constatirt sind, zeigt sich eine analoge Entwickelung, Dass in Spanien
das Lager der Legion, das heutige Leon, zu städtischer Entwickelung
gelangt sei, ist nicht wahrscheinlich, nicht so sehr, weil keine Spur
in den Inschriften darauf führt 2, sondern weil dann doch die An-
siedlung eine städtische Benennung erhalten haben würde, was
schwerlich der Fall gewesen ist. — In Numidien finden wir den
Lagerort Lambaesis späterhin mit Stadtrecht ausgestattet; ob er vor
dieser Verleihung canabensisches Recht gehabt hat, wissen wir nicht
und können auch die Epoche seiner Erhebung zur Stadt nicht sicher
bestimmen, obwohl eine Spur auf Hadrian führt'. — In Britannien
hat das ansehnlichste der drei Legionslager, Eburacum (York), wir
wissen nicht wann, Colonierecht empfangen*, nicht aber die beiden 325
anderen Isca (Caerleon in Wales) und Castra (Chester), wofern aus
dem Mangel jeder Spur städtischer Organisation und sogar des
Stadtnamens ein Schluss gezogen werden darf ^. — Was endlich die
rheinischen Legionslager anlangt, so ist der Colonie Traiana bei
1) Regensburg hat wohl nie römisches Stadtrecht gehabt, da es nur unter
den Namen Castra Regina, Castra, Legio auftritt (C. I. L. III S. 730). Dagegen
verdient es allerdings Beachtung, dass unter den sparsamen Denkmälern von
Lauriacum aediles collegii iuvenutn (C. I. L. III, 5678) begegnen [Lauriacum hat
anscheinend von Caracalla Stadtrecht erhalten, vgl. Bormann Oesterr. Jahres-
hefte 9 S. 316].
2) C. I. L. II S. 369. Asturica kann, nach dem oben S. 186 Bemerkten,
•wenn überhaupt, doch nicht mehr für diese Epoche als Lagerstadt betrachtet
werden. Dass der Ort statt derjenigen Ordnung, die er als solche gehabt hat,
späterhin volles Stadtrecht empfangen hat, scheint mir deshalb unzweifelhaft,
weil er auf einer Inschrift als Origo begegnet (I. N. 6342 [C. I. L. VI, 2536];
Grotefend imp. Rom. trib. descr. S. 95).
3) Der pritnus duumvir munidpii Lambesis (Renier 1282 [C. I. L. VIII, 2776])
würde sehr wohl dazu passen, dass dieser Ort vorher als Canäbae constituirt
war, und beweist wenigstens, dass die Verleihung des Stadtrechts nicht sehr
früh erfolgt ist. Auf Hadrians Zeit führt die Erwähnung der curia Säbina
(Renier 91 [C. I. L. VIII, 2714]), die doch wohl mit der städtischen Constituirung
der Ortschaft zusammenhängt. Vgl. Henzen ann. dell' inst; 1860, 90.
4) Orelli 190 [C. I. L. VII, 248 = Dessau 7062]. C. I. L. VII S. 36. 47. 61.
I 5) Die heutigen Namen sind aus castra legionis (Caerleon) und Castra
(Chester) hervorgegangen. Natürlich soll nicht geleugnet werden, dass auch
diese Lager ihre Canabae hatten, die vielmehr für Caerleon sogar bezeugt sind
(S. 186 N. 19) , sondern nur, dass dieselben zu Corporationsrecht gelangt sind.
202 I^^6 römischen Lagerstädte.
Vetera bereits gedacht worden. Ebenso ist bereits hervorgehoben,
dass die Corporation der cives Romani Mogontiaci noch in einer
Inschrift vom Jahre 276 erscheint (S. 185 N. 17) und allem Anschein
nach dieser Ort erst volles Stadtrecht erlangt hat, als die radicale
diocletianische Staatsreform auch hier nivellirte^. Aber allerdings
entstand daneben dort eine wirkliche Stadtgemeinde: denn Castellum
Matiiacorum, das ist Kastei, Mainz gegenüber, hat Stadtverfassung
gehabt, wenn wir auch nicht zu sagen wissen, wann ihm dieselbe
verliehen worden ist^. Wie es sich mit den Legionslagern von
Bonna (Bonn) und Argentoratum (Strassburg) verhalten hat, lässt
sich nicht ausmachen; Beweise für das Stadtrecht auch des letzteren
Orts^ giebt es aus vordiocletianischer Zeit nicht.
Ueberblicken wir die Gesammtheit dieser Fälle, so ist der innere
Zusammenhang unverkennbar : die Corporationen der Canabenses sind
326 wo nicht schon durch Marcus, doch durch Severus höchst wahr-
scheinlich als solche durchaus beseitigt und dafür den grösseren
Lagerortschaften durchgängig eine wirklich municipale Organisation
beigelegt worden, während die kleineren wohl jetzt wie früher ohne
corporative Verfassung blieben. "Was dabei bestimmend gewesen ist,
ergiebt sich von selbst, wofern wir oben (S. 192) richtig erkannt
haben, dass die Corporationen der Canabenses zum grossen Theil
die mit dem römischen Bürgerrecht beschenkten, aber des Heimath-
rechts entbehrenden Veteranen umfassten. Durch die Verleihung des
vollen Stadtrechts an die Lagerstädte erhielten diese Veteranen eben
das, was ihnen nach der alten Ordnung die Deduction gegeben hatte,
das Gemeindebürgerrecht in dem neuen Municipium. Vielleicht ward
1) Die civüas Mog[ontiacensis] erscheiat auf einem Altar aus diocletianischer
Zeit (Brambach C. I. Rhen. 1281 [C. I. L. XIII, 6727]); ebenso heisst sie bei
Ammian 16, 2, 12, bei demselben 15, 11, 8 municipium.
2) Der volle Name ist kürzlich auf einer in Oberolm unweit Mainz ge-
fundenen Inschrift zum Vorschein gekommen (J. Becker rhein. Jahrb. 44/45 S. 67
[C. I. L. XIII, 7250 = Dessau 7094]). Nach den vier in Kastei oder Mainz
gefundenen Inschriften eines JIIIII vir Aug. civitatis) M(attiacorum) (Brambach
1816 [C. I. L. Xlir, 7271 = Dessau 7092]), der hastiferi (Dendrophoren) civitatis
Mattiaeor(um) mit ihrem cu/rator (vom J. 236; Brambach 1336 [C. I. L. XIII, 7281
= Dessau 3805]) und zweier Decurionen {d. c. Matti. das. 1313 [C. I. L. XIII, 726^
= Dessau 7091]; rf. c. M. das. 987 [C. I. L. XIII, 7062]), insbesondere der ersten
ipt nicht zu bezweifeln, dass diese Gemeinde die gewöhnliche Stadtverfassung
gehabt hat. Auch die harmpices col(oniae) des Mainzer Steins Brambach 1002
[C. I. L. XIII, 6765], die auf Mogontiacum bezogen Schwierigkeit machen, möchten
hierher gehören, da Kastei sehr wohl, Colonie gewesen sein kann.
f, 3) Municipiuuj bei Ammian, a.a, Q^
Die römischen Lagerstädte. 20$
sogar die Heimathlosigkeit der bei der Mission mit dem Bürgerrecht
beschenkten Veteranen damit überhaupt im Wesentlichen beseitigt,
wofern nehmlich zum Beispiel dem im Lager von Carnuntum ent-
lassenen Soldaten einer Auxiliarcohorte der dort garnisonirenden
Legion in irgend einer Weise zum Bürgerrecht in dem Municipium
Carnuntum verholfen ward. So mag die Institution der Canabenses
schon ein Jahrhundert vor Diocletian antiquirt worden sein, während
von der analogen von den alten conventus civium Romanorum über-
tragenen wenigstens Reste bis auf ihn bestanden haben.
XII.
Dux.*)
72 Bux bezeichnet bei den Römern den Anführer im Kriege, ohne
dass damit eine bestimmte rechtliche Stellung oder gar ein festes
Rangverhältniss ausgedrückt würde; man fasst dabei vielmehr ledig-
lich das thatsächliche Verhältniss der militärischen Oberleitung in
das Auge, wie denn Cicero (de off. 3, 26, 99) sogar den Regulus
gefangen nehmen lässt duce Xanfhippo, Imperator e Hamilcare. Die
Inschriften, die nur die rechtliche, nicht die factische Stellung der
Personen bezeichnen, nur die Aemter, nicht die Amtsverrichtungen ■,
aufführen, vermeiden darum fast durchgängig das Wort. "Wir finden ^|
es indess auf zwei Steinen, die namhaften Feldherren des Septimius
Severus gesetzt sind. L. Marius Maximus heisst als Legat der 1 . ita-
lischen Legion dux exerciti Mysiaci aput Byzantium et ajmt Lugu-
dunum (Henzen 5502 [C. I. L. VI, 1450 = Dessau 2935]), d. h. er
führte den Oberbefehl über die sämmtlichen moesischen Legionen
bei der Belagerung von Byzanz und in dem Kriege gegen Albinus.
73 Ti. Claudius Candidus war zuerst, ebenfalls als Prätorier, dux exerci-
tus Illyrici expeditione Asiana, item Parthica, item Gallica, d. h. ob-
wohl dem Range nach den Commandanten der einzelnen Legionen
gleichstehend, befehligte er doch in den bezeichneten Kriegen das
gesammte illyrische Heer, also mindestens die Legionen beider
Pannonien; sodann war er als Legat der Provinz Hispania citerior
in ea dux terra marique adversus rebelies h(omines) Ji(ostes) p(opuU)
B(omani) (Henzen 798 [C. LL. II, 4114 = Dessau 1140, vgl. Proso-
pogr. I p. 362 fg., wo nach der richtig gestellten Lesung h. h. p. p. ,
(für h. h. p. R.) hostes puhlicos erklärt wird]). Auf einer dritten, j
wohl dem Ende des dritten Jahrhunderts angehörenden Inschrift von j
Herzendorf bei Klagenfurt (Steiner 4033; auch von mir gesehen
[C. I. L. III, 4855 = Dessau 2772]) erscheint endlich ein dux legionis;
sie lautet: MemoriaeVal(erii) Cl(audii) Quinti p(rimi)p(ilaris) leg(io-
nis) II Ital(icae), duci leg(ionis) III Ital(icae), duci et praep(osito)
leg(ionis) III Aug(ustae), viro innocentissim,o lul(ius) Eutychianus et
*) [Anhang zu A. v. Sallet: 'die Fürsten von Palmyra. Berlin 1866' S. 72—75.
— Vgl. Hermes 25 S. 237 ff.]
1
Dux. 205
lul(ius) Auxanon alumn(i). Man kann dies wohl nur so verstehen,
dass Quintus, obwohl dem Range nach nur Subalternoffizier (primi-
pilaris), doch die dritte italische Legion im Felde commandirte, in
der dritten augustischen aber nicht bloss das Commando führte,
sondern ihr auch in Verwaltungssachen anstatt des Legaten vorstand
(vgl. über den ebenfalls sehr seltenen praepositus legionis Henzen 6748
[CLL. YIII, 2582 = Dessau Uli] und was dort angeführt ist).
Dabei ist nicht zu übersehen, dass die dritte italische Legion sowohl
wie die dritte augustische in ihren Standquartieren — Raetien und
Numidien — andere Legionen nicht neben sich hatten, also ihr
Befehlshaber von selbst der Höchstcommandirende der Provinz
war. — Die Yergleichung dieser Inschriften zeigt, dass dux auch
jetzt noch nichts bezeichnet als den im Felde Commandirenden und
ebenso dux legionis gesagt werden kann wie dux exerciius Mysiaci 74
oder Ulyrici. Sie zeigt aber ferner, dass die Bezeichnung nur von
dem höchsten Commando und vorzugsweise von einem ausserordent-
lichen, das durch die ordentliche amtliche Stellung gegebene über-
steigenden gebraucht wird ; der Legat ist freilich auch dux in seiner
Provinz, aber insbesondere heisst dux der Subalternoffizier, der eine
Legion, der Legionsbefehlshaber, der ein Corps commandirt. Ent-
sprechend unserem Teldherrn' verbindet sich also mit der Benennung
dux die Vorstellung eines bedeutenderen activen Militärcommandos. —
Dies ist für die militärische Titulatur der späteren Zeit bestimmend
geworden. In der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts schwinden
die höheren Provinzialbefehlshaberstellen und es hat den Anschein,
als habe man eine Zeitlang sich in dieser Hinsicht darauf beschränkt,
den Legionen praefecti von niederem Rang vorzusetzen (vgl. Henzen
ann. dell'Inst. 1860, 37). In der constantinischen Zeit dagegen (z.B. in
der Inschrift Henzen 5579 [C. I. L. III, 5565 = Dessau 664] erscheinen
bekanntlich die duces viri perfectissimi als Militärbefehlshaber grösserer
Grenzdistricte. Man wird gewiss dies ansehen dürfen als dadurch
vermittelt, dass in der Zwischenzeit, wo es Noth that, einzelne
Legionspräfecten und sonstige niedere Offiziere ausserordentlicher
Weise in grösseren Bezirken mit dem Ducat beauftragt worden
sind. — In diese Uebergangszeit nun fallen die Münzen des Vaballa-
thus. Wenn man annimmt, dass ihm von dem römischen Kaiser
eine Stellung eingeräumt ward, die zugleich die Anerkennung der
römischen Oberherrlichkeit und — vermuthlich doch erbliches —
Fürstenrecht in sich schloss — und zu dieser Annahme nöthigen die 75
Münzen unbedingt — , so konnte für dieses Rechtsverhältniss keine
passendere Bezeichnung gefunden werden als dux Romanorum.
XIII.
Das römische Militärwesen seit Diocietian.*)
195 Es giebt wohl kaum einen Gegenstand des römischen Alterthums,
welcher so vernachlässigt liegt wie die römischen Militärordnungen
des vierten, fünften und sechsten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung.
Was davon an das Gesetzbuch Theodosius II. anknüpft, hat Jacob
Gothofredus sorgfältig zusammengestellt und erörtert; aber es reicht
dies bei weitem nicht aus und weder die Notitia dignitatum noch
die historischen Schriften Prokops haben ähnliche Bearbeitung ge-
funden. Am wenigsten ist es versucht worden diese Institutionen in
ihrem grossen historischen Zusammenhang einerseits mit den analogen
des Augustus, andrerseits mit dem Untergang des Römerstaats zu
erfassen. Der hier gemachte Yersuch diese Lücke zu ergänzen
beruht nicht auf so umfassenden Vorarbeiten, wie der Gegenstand
sie eigentlich verlangt und will nicht ein Buch, sondern nur eine
Abhandlung sein; wer mit diesen Fragen sich eingehend beschäftigen
will, wird manches in ihr zu berichtigen und vieles zu ergänzen
finden. Die gegen jüngere Männer oft von mir ausgesprochene
Aufforderung diese Arbeit zu unternehmen, ist vergeblich gewesen;
vielleicht wird sie jetzt, in Verbindung mit einer vorläufigen Ueber-
sicht des Arbeitsfeldes und der zur Zeit erreichten Ergebnisse,
bessere Wirkung haben.**) Inzwischen werden insbesondere die Ger-
manisten und die Orientalisten, die Veranlassung haben mit den
Militärverhältnissen des sinkenden Römerstaats sich zu beschäftigen,
auch diese vorläufigen Zusammenstellungen hoffentlich brauchbar finden.
Die augustische Militärordnung ruht bekanntlich wesentlich auf
dem System der Grenzbesatzungen, neben welchen die der Person
des Herrschers, als des obersten Feldherrn, beigegebenen Truppen
nicht blos numerisch verschwinden, sondern auch schon früh sich
*) [Hermes 24 (1889) S. 195-279. Vgl. Sitz.-Ber. d. Berl. Akad. 1888 S. 1175.]
**) [Vgl- -A^- Müller: Militaria aus Ammianus Marcellinus im Philologus 64,
1905 S. 573 ff.]
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 207
thatsächlich umwandeln in die Besatzung der Hauptstadt. Dadurch
ist diesen Untersuchungen insofern der Weg gewiesen, als erstens
die Umgestaltung zu erwägen sein wird, welcher jene in dieser 196
Epoche keineswegs beseitigten, sondern gesteigerten Grenzbesatzungen
unterlagen, zweitens von den neu hinzutretenden Truppenkategorien
zu handeln ist, welche diesem Zwecke nicht und wesentlich als
Feldheer dienten. — Der Organisation zu Grunde liegt jetzt der
numerus, welcher in seiner bestimmten Ausprägung erst dieser Epoche
angehört. Schon die frühere Organisation stellt den von einem
Offizier geführten Truppenkörper, die Legion, die Ala, die prätorische
und die Auxiliarcohorte, die Flotte, die mit keinem dieser vier
Namen belegte meistens als numerus bezeichnete Truppe ^ in sach-
lichen Gegensatz einerseits gegen diejenigen Truppentheile, welche
entweder kein einheitliches Commando haben, wie die Legionscohorte,
oder unter Subalterne gestellt sind, wie die sämmtlichen Centurien
des Fussvolks und Decurien der Reiter und die einzelnen Kriegs-
schiffe, andrerseits gegen das magistratische oder quasimagistratische
Obercommando , wie es den Legaten proprätorischen Rechts und
den Präfecten des Prätorium zusteht. In dieser Epoche wird der
Gegensatz des die Truppe commandirenden und des über eine Anzahl
solcher Truppenkörper gesetzten Offiziers nicht blos festgehalten,
sondern auch terminologisch schärfer ausgeprägt, indem das dem
dux oder dem magister militum, nach unserer Redeweise dem General
unterstellte Offizierscommando bezeichnet wird mit dem jetzt aus-
schliesslich in diesem weiteren Sinn^ verwendeten Worte numerus^,
1) Den älteren Sprachgebrauch habe ich entwickelt in dieser Zeitschrift
19, 220 [oben S. 103].
2) Jeder Truppenkörper dieser Epoche ist numerus, führt aber daneben
eine specielle Benennung als legio, ala, cohors, auxilium u. s. w. ; in der officiellen
Notitia Dignitatum, welche durchaus die letztere setzt, findet sich daher (ab-
gesehen von den nach dem vordiocletianischen Sprachgebrauch redigirten bri-
tannischen Abschnitten) mit einer einzigen Ausnahme {numerus barcarioi'um
Occ. 35, 32) numerus nie für einen einzelnen Truppenkörper.
3) Am schärfsten tritt der technische Werth des in den Verordnungen
wie bei den Historikern vielfach begegnenden Wortes zu Tage in der Notitia:
der im Reichsheer dienende Soldat in numeris militat (Or. 5, 67. 8, 54. 9, 49);
wer die Offizierspatente ausfertigt , scolas et numeros tractat (Or. 18, 5) ; die ört-
liche Vertheilung der den magistri militum unterstellten Truppen wird Occ. 7, 1
eingeführt mit den Worten : qui numeri ex praedictis per infra scriptas provincias
hobeantur. Wenn das Wort vorzugsweise von den Truppenkörpern des Kaiser-
leeres gebraucht wird und die numeri zuweilen, obwohl nicht häufig als Gegen-
latz zu den limitanei erscheinen (S. 210 A. 1), so beruht dies darauf, dass die
Srenztruppen allmählich den Soldatencharakter und den Soldatennamen ein-
2()g Das römische Militärwesen seit Dioeletiau,
197 griechisch ägi'&juög^ oder bei Puristen xardXoyog^. Ausgeschlossen
aus den numeri, übrigens ihnen gleichartig sind die scholae^, die
vornehmsten aller römischen Truppenkörper, die aber nicht unter
den duces oder magistri militum stehen, sondern unter dem
198 Magister officiorum; ausgeschlossen ohne Zweifel auch die Contin-
gente der römischen Clientel- oder föderirten Staaten, da diese nicht
von römischen Offizieren geführt werden*. — Auch die Civilbeamten
büssen. — In Wendungen wie C. Th. 8, 7, 12: in Ugionüms vel in nurneris deputari;
C. Th. 7, 1, 17: de aliis nurneris vel legionihus; C. Th. 7, 4, 23: omnium numerorum
sive vexülationum aut etiam scholarum tribuni ist, wie so oft in der unsicheren
Terminologie dieser Epoche, der generellen Bezeichnung die specielle incorrect
coordinirt. — Die in dem rohen Redeschwulst dieser Zeit begegnenden gleich-
werthigen nicht technischen Ausdrücke zusammenzustellen würde zwecklos sein.
Turma ist Ammian für jede Truppe geläufig und kommt ebenso aach C. Th.
7, 18, 8 vor; technisch soll es nach Lydus de mag. 1, 46 den berittenen Schützen
zukommen im Gegensatz zu der ala der übrigen Reiter. Ammian gestattet sich
sogar für die Reitertruppe cohors equestris {14:, 2, 12. 24, 5, 10); auch seine equites
quartae sagittariorum cohortis 29, 5, 20 sind ohne Zweifel die in Africa stehenden
equites quarto sagittarii, welche die Notitia Occ. 6, 72 unter den veccillationes
comitatenses aufführt.
1) Julian ad Athen, p. 280 D: ejisfiipa zw Kcovoravtico rhragas aQi^fiovg x(äv
xQariarcov 7te!^ä>v, xqeis äXXovg xwv kkarrövcov , ijzjtscov xäyfiaxa dvo xä ivxifioxaxa.
Zosimus 5, 26: ^v (Stilichos Heer bei Ticinum) sig aQi&ixovg awedsy/isvor
xQidxovta. Anastasius in dem S. 209 A. 5 angeführten Erlass. Sozomenus 1, 8: xa
'Pcofiaicov xäyfiaxa, a vvv agi&jxovg xakovoiv. Die Bezeichnung zdy/na hat keine
technische Geltung und steht nur zur Abwechselung.
2) Diese (allerdings in solcher Anwendung keineswegs sprachlich correcte)
Bezeichnung ist stehend bei Prokopius. Er stellt den berittenen foederati seiner
Zeit, die keine Reichstruppen sind, die xaxäXoyoi Inmxoi entgegen (b. Vand. 1, 11;
ähnlich b. Goth. 1,5; vgl. b. Pers. 1, 13). Von den auch nach dem Untergang
des Westreichs die römische Militärformation bewahrenden Aremoricanern sagt
er b. Goth. 1, 12: eh xe yäg xcöv xaraXoycov ig xöös xov XQÖ^ov örjkovvxai, ig ovg
x6 jiaXaiov xaxxöfiEvoi ioxgaxEvoavxo xal orj/nsTa xä ocpsxEQa ijiayö/LiEvoi ovxco örj ig
fiäxrjv xa&loxavxai. Der Dux heisst ihm äg^cov xwv iv 'AQ/nsvia (oder wie die
Provinz sonst heisst) xaxaXöycov (b. Pers. 2, 14. 18. 19. 24. b. Vand. 2, 23. 27); der
Abtheilungsführer, der tribunus ägxcov xaxaXöyov Innixov (b. Pers. 1, 15; b. Vand.
2, 23; b. Goth. 1, 10. 17. 28) oder xaxaXöyov jie^ixov (b. Goth. 1, 14. 23. 3, 6); der
Soldat iv xaxaXoycp xsxayfisvog jis^cöv (b. Pers. 1, 26). Selten setzt er dafür xeXog
(b. Goth. 1, 23: ot 'Pfjyeg jie^ixov xsXog). Auch Julian or. 1 p. 48 C spricht von
nsC&v xaxäXoyoi und bei Justinian nov. 103, 3 werden dem Proconsul von Palästina
die erforderlichen Soldaten aus einem oxQaxicoxtxdg xaxäXoyog deputirt.
3) Not. Or. 18, 5: scolas et numeros tractat. Den comites ac tribuni militares
der Scholae werden entgegengesetzt die tribuni qui numeros agunt (nov. Theod.
7, 3, 1). Vgl. C. Tb. 7, 4, 23 (S. 206 A. 3).
4) Belege freilich fehlen. Der Gegensatz der numeri zu den foederati der
justinianischen Zeit beruht vielmehr darauf, dass dieses Privattruppen sind.
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 209
dieser Epoche werden nicht blos als Soldaten betrachtet, sondern
wenigstens die Subalternen sogar als Legionare in den officiellen
Listen geführt ^ ; indess kommt diese Legalfiction für die militia
armata weiter nicht in Betracht und beschäftigen wir uns hier
lediglich mit dieser.
1. Die Grenzbesatzungen'^.
Der Gegensatz der in den Grenzfestungen stationirten und der
der Person des Herrschers zugeordneten Truppen und der Vorrang
der letzteren wurde vom Kaiser Diocletian vorgefunden und bei-
behalten; aber die weiterhin zu erörternde Entwickelung der kaiser-
hchen Garde zum kaiserlichen Feldheer und die damit verbundene
Ümwandelung der Grenztruppen in Soldaten zweiter Klasse ist wahr-
scheinlich erst unter Constantin I. eingetreten. Von da an beherrscht
diese Zurücksetzung das gesammte Militärwesen. Sie drückt sich
terminologisch aus in den zu den milites Palatini oder comitatenses
gegensätzlichen Bezeichnungen milites ripenses oder riparienses^ oder 199
milites limitanei* und schärfer noch darin, dass diese Truppen zu-
Da die dediticii (laeti, gentiles) unter römischen Präfecten stehen, so mögen auch
sie als niimeri betrachtet worden sein.
1) Nach der V.O. von Theodosius II. cod. lust. 12, 52, 3, 2 und Lydus de
mag. 3, 3 scheinen die Subalternen der Oberbeamten in die legio I adiutrix
eingeschrieben worden zu sein, die auch in dieser Zeit als effective bestand.
2) Wie die ältere Bezeichnung dieser Truppen als ripenses nur a potiori
zutrifft, so gilt dies ebenfalls, nur in minderem Grade, auch von der Bezeichnung
der milites limitanei; die Truppen in Isaurien, ein grosser Theil der ägyptischen
und andere mehr stehen nicht an der Reichsgrenze. Genau genommen müsste
man, wie heute die Festungsbesatzungen und das Feldheer, ebenso unterscheiden
die Truppen mit fester und die mit veränderlicher Garnison. Es schien indessen
zweckmässig den römischen Sprachgebrauch beizubehalten.
3) Zuerst 325 C. Th. 7, 20, 4: ripensis veteranus; ferner 365 C. Th. 7, 4, 14:
riparienses milites — 372 C. Th. 7, 22, 8: ripensis militia — 375 C. Th. 7, 13, 7, 3:
in ripa per cuneos auxiliaque constituti — 400 C. Th. 7, 1, 18 = C. lust. 12, 35, 14:
ne de ipsis quidem pseudocomitatensibus (so Cujacius; die Handschriften ne ipsis
quidem seil de comitatensibus) legionibus seu de ripariensibus castricianis ceterisque.
Auch in der officiellen Not. Dign. Or. 39, 28. 40, 29 und wahrscheinlich in der
Inschrift von Solothurn Inscr. Helv. 229 [C. I. L. XIII, 5177: ist zu streichen].
Der gefälschte Brief in der Biographie Aurelians 38: Septem milibus lembariartcm
|(vgl. S. 218 A. 3) et ripariensium et castrianorum et Daciscorum interemptis folgt
der Terminologie des 4. Jahrh.
4) So in der Biographie des Probus 14: numei'is vel limitaneis militibus;
jebenso vita Alex. 58 und in den V.O. 363 C. Th. 12, 1, 56; 389 C. Th. 8, 4, 17;
t09 C. Th. 7, 4, 30; 443 nov. Theod. II. 24. In justinianischer Zeit herrscht diese
iBezeichnung vor: Cod. lust. 1, 27, 2, 8; Justinian nov. 103; Prokop bist. arc. 24.
|— Ueber die Bezeichnung pseudocomitatenses vgl. unten.
MOMMSEN, SCHR. VI. 14
210 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
weilen den eigentlichen Soldaten, den milites oder den numeri,
geradezu entgegengesetzt werden^; militärisch darin, dass für diese
Soldaten geringere Körperkraft und geringeres Körpermass gefor-
dert ^ und für die Verabschiedung ihnen minder günstige Bedin-
gungen gestellt wurden^ und schliesslich Justinian ihnen geradezu
den Charakter und die Emolumente des Soldaten entzog*.
Die Yertheilung der Truppen in die einzelnen Garnisonplätze
darzustellen ist hier nicht der Ort; allgemein wird sich darüber
wenig feststellen lassen. Es werden dabei die numeri oder die
fossata und die castra in dem Sinn unterschieden, dass in den
ersteren Lagern der Stab des betreffenden Truppenkörpers lag und
die übrigen zu demselben gehörigen Truppen in eine Anzahl klei-
nerer Castelle vertheilt wurden^. Die in diese gelegten Soldaten,
200 die castriciani oder castellani^, sind zugleich, wenigstens zum Theil,
Bauern. Dafür wird schon in vordiocletianischer Zeit '^ der einzelnen
1) So stellt der Biograph des Probus (S. 209 A. 4) den numeri die litnitanei
milites entgegen, 'Zeno (cod. Tust. 12, 35, 17) den numeri equitum vel pediUim den
limes, Justinian cod. lust. 1, 27, 2, 13 und nov. 103 den milites die limitanei. Aber in
dem Erlass des Anastasius (A. 5) können die dgi&fioi nicht in diesem Sinne gefassi
werden, sondern nur in dem gewöhnlichen, der die Grenztruppen einschliesst.
2) C. Th. 7, 28, 8. 3) C. Th. 7, 20, 4.
4) Nach Prokopius hist. arc. 24 blieb Justinian zunächst diesen Soldaten
den Sold Jahre hindurch schuldig und zwang sie auch wohl auf die Nach-
forderung zu verzichten, vojbqov de xal avro xfjg argarsiag ovoj-ia avrovg acpEiXeio
ovdsvl Xöyct). Vielleicht ist dabei ihr Landbesitz in Betracht gekommen.
5) Für die militärische Organisation stellt Justinian das Schema (exemplum)
unius numeri limitaneorum auf, worin die Soldaten per castra et loca eingetheilt
sind (cod. lust. 1, 27, 2, 8). Die Erläuterung dazu giebt die Verfügung des Kaisers
Anastasius für die libysche Pentapolis (am besten bei Z. von Lingenthal in den
Sitz-Ber. der Berliner Akademie 1879 S. 134). Die ägißfioi, deren fünf gezählt
werden und auf die die fossata sich zu beziehen scheinen, und die xamga, deren
Zahl nicht angegeben ist, werden in der Weise nebeneinandergestellt, dass auf
jede dieser Abtheilungen 100 bis 200 Mann kommen; die aQi&f^oi sind vom
Chartaticum frei, dagegen werden X6yq> /agrarixcöv djro exäorov xdazQov twi»
xaoTQrjoiavcöv 6 Solidi entrichtet.
6) Riparienses castriciani: C. Th. 7, 1, 18 (S. 209 A. 3); castriani: vita
Aurel. 38 (S. 209 A. 3); castellani: C. Th. 7, 15, 2 (S. 211 A. 4), vielleicht auch in
dem Diplom Eph. epigr. 4, 508 [C. I. L. III p. 2001 n. XC]. Sie scheinen mit den
ripenses nicht zusammenzufallen, sondern eine Gattung derselben zu bilden.
7) Die den nicht städtisch geordneten Stämmen an der Reichsgrenze zuge-
wiesenen Territorien, auf die wir weiterhin zurückkommen, sind völlig gleich-
artig und haben sicher bei dieser Einrichtung als Muster gedient. Die älteste
Erwähnung dieser Einrichtung selbst findet sich bei dem Biographen Alexanders
c. 58: sola quae de hostibus capta sunt limitaneis ducibus et militibus donavit ita,
tut eorum essent, si heredes eorum, militarent nee umquam ad privates peHinerent.
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 211
Garnison ein gewisses Territorium zugewiesen \ das ausserhalb der
städtischen Gemeinde steht und bei dem wahrscheinlich der Com-
mandoführer zugleich den Gemeindevorstand vertritt; diese Bezirke
sind Rechtssubjecte wie die Städte und es können zum Beispiel
Strafgelder ihnen zugesprochen werden 2; die Ländereien sind steuer-
frei ^ und werden von den Castellsoldaten bebaut und genutzt, gehen
auch, allerdings mit der Dienstpflicht zugleich, auf deren Söhne über,
sind aber unveräusserlich und fallen eventuell zurück an die Militär-
gemeinde*.
Um von der Umgestaltung der Grenztruppen, wie sie Diocletian 201
und nachher Constantin vorgenommen hat, eine Anschauung zu
gewinnen, ist es erforderlich den Bestand der Epoche vor- und nach-
her mit einander zu vergleichen. Es ist bei denselben, wie über-
haupt seit Constantin in dem ganzen Truppenwesen, die Trennung
von Reiterei und Fussvolk streng durchgeführt, was in der früheren
nur annähernd geschehen war; wenn von kleinen Anomalien abge-
Verschieden von diesen den einzelnen Soldaten zur Nutzung zugewiesenen Boden-
stücken sind die als Weideland oder für Bauten dienenden territoria der Truppen-
körper (Tacitus ann. 13, 54; Eph. epigr. II, 696 [C.I. L. III, 10488 = Dessau 2456]).
[Vgl. A. Schulten, Hermes 29 (1894) S. 481fF.]
1) V. 0. 409 C. Th. 7, 15, 1 an den Vicarius von Africa: terrarum spatia guae
gentilibus propter curam nmnitionenique limitis atque fossati antiquorum huinana
fuerant provisione concessa .... sdant . . . vd ad gentiles, si potuerint inveniri,
vel certe ad veteranos esse transfeixnda. Theodosius IL nov, 24, 4 = cod. lust.
11, 60, 3: agros . . limitaneos cum paludibus omnique iure , . ex prisca dispositione
limitanei milites ab omni munere vacuos ipsi curare pro suo compendio atqite arare
consueverant. Justinian cod. 1, 27, 2, 8: necessariiim nobis esse videtur, ut (in Africa)
extra comitatenses milites per castra milites limitanei constituantur, qui possint et
castra et civitates limitis defendere et teiras colere, ut alii provinciales videntes eos
per partes ad illa loca se conferant. Im Hinblick auf die früheren analogen Ein-
richtungen wird c. 8 verordnet, dass, wenn de provinciis idonea corpora aut de
Ulis (limitibus?) , quos antea milites hahehant, sich noch vorfinden sollten, diese
limitaneoi'um numero eingestellt werden sollen. Cod. lust. 11,60 de fundis limi-
totrophis et terris et paludibus et pascuis limitaneis vel castellorum.
2) Theodosius II. a. a. 0. 24, 2 : facultatibus suis tui culminis dispositione
limitibus adsignandis ; ebenso nachher c. 4. 3) Theodosius II. a. a. 0.
4) Vita Alex. 58 (S. 210 A. 7). Cod. Th. 7, 15, 2 = cod. lust. 11, 60, 2: ab Ms
tantum fas est possideri castellorum territoria quibus adscripta sunt et de quibus
iudicavit antiquitas; es wird Strafe gedroht, si ulterius vel privatae condicionis quis-
piam in Ms locis vel non castellanus miles fuerit detentoi' inventus. Theodosius II.
nov. 24. — Was Probus (vita 16) für Isaurien verfügte, ist vielmehr das Gegen-
theil hiervon; die Söhne der dort mit Land beschenkten Veteranen sollen, um
nicht dem endemischen Räuberhandwerk zu verfallen, in die Truppen eingereiht
werden. — Von dem völlig verschiedenen durch Constantin für das Militär ein-
geführten Erbzwang weiterhin.
14*
212
Das römische Militärwesen seit Diocletian.
202
seilen wird, erscheint die Reiterei getheilt in cunei equitum, equites
und alae, das Fussvolk in legiones, auxilia und cohortes; indess sind
diese sechs Abtheilungen sehr ungleich und keineswegs überall ver-
treten. Daneben stehen die Flotten. — Die Yergleichung des früheren
und des späteren Bestandes ist für die Legionen einigermassen aus-
führbar; mit Zugrundelegung einerseits des Verzeichnisses der Legio-
nen aus Marcus Zeit ^, andrerseits der Notitia dignitatum aus der
des Honorius^) ist die folgende Uebersicht zusammengestellt. Die
erste Columne verzeichnet die Commandobezirke der älteren, die
zweite diejenige der späteren Epoche; in der dritten sind die Legio-
nen in der Weise aufgeführt, dass die in der älteren Urkunde stehen-
den und in der zweiten fehlenden in eckige Klammern eingeschlossen,
die allein in der zweiten auftretenden mit einem Stern bezeichnet
sind. Verlegungen ganzer Legionen in andere Provinzen haben nicht
stattgefunden; wenigstens so weit die Legionen in beiden Yerzeich-
nissen erscheinen, finden wir sie wesentlich an dem alten Platz undj
man erkennt daraus, bis zu welchem Grade bereits vor Diocletiai
die Sesshaftigkeit der Grenztruppen sich festgestellt haben mussj
Verlegungen einzelner Detachements, welche zahlreich begegnen, sine
an ihrer Stelle anmerkungsweise angegeben 2. Ebenso ist bei der
Legionen, welche die Notitia in Detachements auflöst, dies angegeben.
ORIENS.
1. [Cyrenaica]
2, Äegyptus
1. Libyae
2. Thebais
3. Äegyptus
ohne Legion^
II Traiana (1 Abth. in Thebais^
1 in Aegypten)
*III Diocletiana (3 Abth. in Thebais,
1 in Aegypten)
*I Maximiana
1 Abth. in Thrakien
*II Flavia Constantia
1 Abth, im Heer des Oriens
*I Valentiniana
*II Valentiniana
1) C. I. L. VI, 3492 [Dessau 2288].
*) [S. jetzt Ges. Sehr. IV S. 558 ff.]
2) Bei einigen dieser Detachements, den primani der Palasttruppen des
Ostens, den primani iuniores im Kaiserheere des Westens, den secundani im
Heer von Illyricum, den secundani iuniores im Kaiserheer des Westens, lässt
sich die Legion, der sie angehören, nicht mit Sicherheit bestimmen. Auch sonst
bleiben bei einzelnen Detachements die Beziehungen zweifelhaft, zum Beispiel
bei den Martenses zu der IV Martia; die meisten aber sind völlig evident.
3) Der Proconsul der senatorischen Doppelprovinz Greta und Cyrenaica hatte
kein Commando; der dux Libyarum, dessen Truppenverzeichniss in der Notitia
ausgefallen ist, hatte unter seinen fünf numeri (S. 210 A. 5) schwerlich eine Legion.
Das römische Müitärwesen seit Diocletian.
213
3. Arabia
4, Äräbia
III Cyi'enaica
*IV Martia
vielleicht'! Abth. {Martenses
seni&i-es) im Heer des Oriens
und 1 { Martenses) im Kaiser-
heer des Westens
4.
Palaestina
5.
Palaestina
X Fretensis ^ // Pcu
>»^7
5.
Phoenice
6.
Plwenice
111 Gallica
*I lllyricornm ^
-i ' ■
,6.
Syria Code
7.
Syria et Euphi
lensis
•a- IV Scythica
XVI Flavia fidelis
• 8.
Mesopotamia
I Parthica
7.
Mesopofamia
Tif 'It^Paiihica
9.
Osrhoene
*IV Parthica
8.
Cappadocia
10.
Armenia
XII fulminata
XV Apollinaris
*1 Pontica ^
9.
[Isatiria ']
11.
Isanria
*II Isaura
*I1I Isaura
12,
Scythia
*I lovia in 4 Abth.*
10.
Moesia infe-
*// Herculia in 4 Abth.*
rior
13.
Moesia 11
I Italica in 3 Abth.
1 Abth. im Heer des Oriens
XI Claudia in 3 Abth.
1 Abth. bei den Palasttruppen
des Ostens, 1 im
Kaiserheer
des Westens
14.
Dada ripensis
^ V Macedonica in 4 Abth
1 Abth. in Aegypten,
des Oriens
1 im Heer
11.
Moesia supe-
rior
XIII gemina in^ö Abth.
1 Abth. in Aegypten,
1 bei dem
Heer in Thrakien
15.
Moesia I
IV Flavia
VII Claudia in 2 Abth.
203
1) Auch in der Inschrift von Tralles C. I. Gr. 2941 [= Dessau 8875; dieselbe
Legion Dessau 8882].
2) Dass diese Legion schon unter Diocletian bestand, zeigt die Inschrift
C. I. L. III, 236 [= 6746 = Dessau 639].
3) In vordiocletianischer Zeit ohne legionare Besatzung.
4) Das antoninische Itinerar, welches sonst nur vordiocletianische Legionen
aufführt, nennt die beiden scythischen ; es mag dies daher rühren, dass das Post-
buch in den ersten Jahren Diocletians redigirt ist und diese Legionen zu seinen
frühesten gehören. Es mag sich auf diese beziehen, was der unzuverlässige Vege-
tius 1, 17 berichtet, dass zwei illyrische Legionen, früher Mattiobarbuli genannt,
unter Diocletian in loviani und Herculiani umgenannt worden seien. Vgl. S. 234.
5) Diese Provinz am diesseitigen Donauufer ist bekanntlich von Aurelian
214
Das römische Militärwesen seit Diocletian.
12. Pannonia in-
ferior
13. Pannonia su-
perior
14, Noricum
18.
Savia
Valeria ripensis^
Fannonia I et No-
ricum ripense
15. Eaetia
204 16- Britannia
21.
OCCIDENS.
Pannonia II et *V lovia in 3 Abth.
*VI Herculia in 3 Abth.
I adiutrix
II adiutrix in 6 Abth.
X gemina in 2 Abth.
1 Abth. im Heer des Oriens
XIV gemina in 2 Abth.
1 Abth. bei dem Heer in Thrakien
II Italica in 3 Abth.
1 Abth. im Kaiserheer des
Westens
*/ Norica in 2 Abth.
III Italica in 5 Abth.
1 Abth. im Kaiserheer des
Westens
II Augusta
1 Abth. im Kaiserheer des
Westens
VI victrix
[XX victrix]
19. Baetia I et II
20. Britannia^
17. [Lu^dunensis^] 22.
18. [BeJgica^] 23.
r24.
25.
19. Germania in-]
ferior
20. Germania su- {] 26.
perioi'
27.
litus Saxonicum per
Britanniam ^
tractusArmoricanus '
et Nervicanus
Belgica II *
Germania I* [I Minervia] '
(tracttis) Mogontia- [XXX Ulpia\ *
censis^ 1 Abth. im Kaiserheer des
Westens
tracttis Argento- [ VIII Augusta] '"
ratensis 1 Abth. bei den Palasttruppen
des Westens
Sequanica [XXII primigenia] *
eingerichtet; die beiden seitdem daselbst stationirten Legionen lagen vor Aure-
lian im transdanuvianischen Dacien.
1) Diese erst von Diocletian eingerichtete Provinz gehörte früher theils zu
Niederpannonien (mit der leg. I adi.), theils zu Oberpannonien (mit der leg. II adi.).
2) Die britannischen Abschnitte der Notitia gehören der vordiocletianischen
Epoche an und sind daher für den gegenwärtigen Zweck wenig zu brauchen.
Der comes Britanniarum c. 29 gehört nicht in die Reihe der Provinzialcomman-
danteu, sondern zu den weiterhin zu erörternden Unterbefehlshabern des occiden-
talischen magister peditum.
3) Die gallischen Provinzen waren in vordiocletianischer Zeit ohne Besatzung.
4) Hier ist die Notitia verwirrt; man erwartet die Germania II, zumal da
Germania I und (tractus) Mogontiacensis zusammenfallen.
5) Die gallisch - germanischen Garnisonen sind in der Notitia offenbar nur
zum kleinsten Theil verzeichnet und es ist daher nicht auszumachen, in wie
weit die früher in den beiden Germanien stationirten Legionen noch damals
Das römische Militärweseu seit Diocietian.
215
21. [Italiu]
22. Hispania
28. Italia^
29. Immediatbezirk '
23. Numidia
30. Tingitania
31. limes Mauretaniae
Caesariensis
32. Äfriea
33. Ziwjcs Tripolitanus
[11 Parthica]
VII gemina
1 Abth. bei dem Heer des
Oriens, 2 oder 3 bei dem
Kaiserheer des Westens
[III Äugusta] »
1 Abth. bei dem Kaiserheer
des Westens.
Ausser den Legionen erscheinen als Grenzbesatzung in derNotitia 205
aus Honorius Zeit von Infanterieabtheilungen die auxilia oder auxi-
liares^, deren 44, und die cohortes, deren 105 aufgezählt werden.
Die auxilia begegnen ausschliesslich in den Donauducaten, hier aber
sowohl in denen des Ost- wie in denen des Westreichs ^ und den
ihre alten Standquartiere einnahmen. Die Fassung der V.O. von 367 (C. Th.
7, 1,9): tarn duces quam etiam comites et quibus Rheni mandata est custodia legt
die Frage nahe, ob nicht hier die Grenzvertheidigung durch Valentinian I.
wesentlich umgestaltet worden ist.
1) In Italien lag seit Severus die II Parthica. Was aus dieser geworden,
wis.sen wir nicht [s. jedoch Ammian. Marc. 20, 7, 1 und Notit. dign. Or. 36, 30,
vergl. oben S. 213]; die Notitia verzeichnet den comes Italiae, aber nennt keine
ihm unterstehenden Truppen.
2) Spanien hatte zur Zeit der Notitia keinen eigenen Militärstatthalter;
die dortige Legion und die sonstigen Garnisontruppen standen unter dem nutg.
peditum des Occidents.
3) Die Notitia nennt hier so wenig Legionen wie an der Rheingrenze.
4) Diese Benennung kommt, abgesehen von den bei den Palasttruppen zu
erörternden auxilia Palatina, nur noch vor bei zwei legiones pseudocomitatenses,
den Fatienses auxiliarii (Or. 7, 51), welche wahrscheinlich identisch sind mit
den auxilia Fatiensia der Valeria Occ. 33, 49, und den auxiliarii sagittarü
Or. 6, 69. ['Hinzuzufügen sind die Timacenses auxiliarii Or. 9, 40, ebenfalls eine
legio pseudocomitatensis\ BANG.]
5) Or. 39—42; Occ. 32 — 34. Auch Raetien Occ. 35 ist ähnlich redigirt. —
Allerdings scheinen einige Verordnungen auf eine weitere Ausdehnung der
auxilia so wie der verwandten cunei zu führen. V.O. 353 (C. Th. 7, 13, 1): de
auxiliaribus sane cuneis minime ducihus licentia (der Annahme eines Rekruten)
concedatur, nisi prius certtis redditus iudex rescribat, utrum minime decurio sit.
V. 0. 375 (C. Th. 7, 13, 3, 7) : qui in ripa per cuneos auxiliaque fuerint constituti.
V.O. 396 (C. Th. 7, 4, 22): neque scholae neque vexillationes comitatenses aut pala-
tinae aut legiones ullae neque auxilia. Ohne Zweifel sollen die cunei auxüiaque,
die auocilia, die cunei auxiliares hier die Grenztruppen repräsentiren ; aber bei
der unsicheren und incorrecten Legalterminologie kann dies auch durch Nennung
der namhaftesten unter den Abtheilungen geschehen sein und es darf darum
aus diesen Stellen nicht der Schluss gezogen werden, dass es technisch als
auxilia bezeichnete Truppen auch da gegeben hat, wo die hierin allein zuver-
lässige Notitia sie nicht kennt.
216 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
Legionen vorangestellt; die Cohorten finden sich, mit Ausnahme der
Donauducate des Orients, in denen sie fast ganz mangeln, überall
und zwar immer, der alten Rangfolge entsprechend, hinter den
Legionen. Ohne Zweifel sind die der älteren Epoche fremden
auxilia Truppenkörper barbarischer Formation. Es passen dazu die
unter ihnen auftretenden ascarii ^, welche Benennung wahrscheinlich
hergenommen ist von der nicht eigentlich römischen Form des Fluss-
überganges mit Hülfe von Schläuchen, Es passen dazu die Benen-
nungen der einzelnen Truppenkörper; sie sind grösstentheils örtlich
und so weit sie es sind, entweder dem Standort entlehnt — zum
Beispiel stehen die milites primi Gratianenses in Gratiana, die milites
Cimbriani in Cimbrianum — oder der Provinz, der die Truppe
angehört, wie die milites Scythici, Moesiaci, Dacisci^. Es passt dazu,
206 dass in dem Ducat Fannonia prima und Noricum ripense der Platz
dieser Auxilien eingenommen wird von der gens Marcomanorum^,
welche in dieser Epoche füglich zum Theil oder ganz auf das rechte
Donauufer übergegangen sein und innerhalb der Orenzen jenes
Militärbezirkes gesessen haben kann*. Es passt dazu endlich die
1) Occ. 32, 43 und häufig bei den auxilia Palatina. Es ist das Wort wohl
mit Recht als halbgriechisches Aequivalent von utricularii aufgefasst worden.
Vgl. Ammian 25, 6, 15.
2) Dies sind also die vita Aurel. 38 (S. 209 A. 3) mit den lemharii, den
riparienses und den eastriciani zusammengestellten Dacisci. Auch die milites
auxiliares Lauriacenses, die im J. 370 bei Lauriacum ein Castell bauen (C. I. L.
III, 5670 a [= Dessau 774]) gehören in diese Reihe; ebenso die bei Ammian
29,6,13 genannten beiden in derValeria stationirenden und im Quadenkrieg 373
aufgeriebenen Legionen, die Pannonica und die Moesiaca, valida proeliis manus,
da Ammian die Bezeichnung legio häufig in weiterem Sinne braucht. Ob Josephus
bell. 2, 16,4 mit den Worten: ot ös 'IIIvqioi trjv fisxQi Aakfiaxlag djiors/^ivofisvTjv
"laxQfp xarotxovvTsg . . dvol fiovoig zdyfiaotv vjisixovai , ius&' d>v avtol rng Aaxcäv
ävaxömovoiv oQ/ndg auf illyrische Provinzialmilizen hindeutet, wie Jung (Wiener
Studien 11, 154) meint, ist zweifelhaft; die Abwehr im Nothfall durch Aufbietung
der Wehrfähigen und die Bildung einer Localmiliz sind keineswegs identisch.
3) In Raetien Occ. 35, 31 steht eine gens (der Name fehlt) per Baetias
deputata unter den Cohorten.
4) Ammians Worte 31, 4, 2: quidquid ad Pontum a Marcomanis pi'aetenditur
Quadis bezeichnen die Grenzwacht nicht gegen die Marcomanen, sondern von
diesen angefangen gegen die Quaden; eine Legion in der Not. Occ. 35, 19 prae-
tendit a Vimania Cassiliacum usque. Die Quaden stehen auch hier, wie immer,
als feindliches Volk und es ist nichts zu ändern, sondern nur aus der vorher-
gehenden Erzählung hinzuzunehmen, dass auf dem linken Donauufer von den
Quaden östlich bis zum Pontus die Gothen in Bewegung waren. Dass nach
Jordanes 22, 114 die Marcomanen östlich mit den Vaudalen in Dacien gränzten,
steht wenigstens nicht entgegen. VgL Ammian 81,4,2; Zeuss S. 365, wo die
Stelle der Notitia fehlt; Böcking zur Not. Dign. Occ. p. 726, welcher mit Recht
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 217
^ständige Voranstellung der anxilia vor der übrigen Infanterie; denn
in dieser Epoche gilt jede Truppe um so mehr, je weiter sie von
römischer Nationalität und römischer Formation sich entfernt. Allem
Anschein nach sind diese Auxilien hervorgegangen aus denjenigen
■örtlichen Aushebungen, welche bald unter gleichem Namen, bald als
mwieri bezeichnet schon in vordiocletianischer Zeit auftreten und
über die kürzlich in dieser Zeitschrift gehandelt worden ist'. Dem
entsprechend erscheinen von den vordiocletianischen numeri an der
Stelle, die ihnen zukommen würde, in der späteren Ordnung nur 207
geringe Spuren^. Das Hervorgehen wenigstens eines Theils dieser
Auxilien aus den früheren Cohorten, welches durch das fast völlige
Fehlen der letzteren in den Donauducaten des Ostreichs nahe gelegt
wird, ist mit dem örtlichen und barbarischen Wesen derselben in
vollem Einklang, da lange vor Diocletian die Ergänzung in der
gesamniten Armee der Regel nach örtlich sich vollzog; die militärisch
neue und höher geachtete Formation hat die alte cohortale zum
Theil oder ganz verdrängt. Dass dies nur bei den illyrischen Truppen
eingetreten ist und nicht im Orient und in Aegypten — über die
übrigen occidentalischen sind wir nicht unterrichtet — , ist wohl merk-
würdig, aber keineswegs auffallend; der Vorrang der Localmilizen
der Donautruppen vor den dortigen Uferlegionen entspricht dem das
gesammte dritte Jahrhundert beherrschenden militärischen Ueber-
gewicht der illyrischen Landschaften und ist in der diocletianischen
Organisation vermuthlich nur beibehalten worden.
Von Reiterabtheilungen finden wir drei Kategorien, cnnei equi-
tiim, zusammen 46 und equites schlechtweg, zusammen 121, beide
<len Legionen vorgesetzt, denselben nachgestellt alae in der Gesammt-
zahl von 65. In vordiocletianischer Zeit gehörte zu der Legion eine,
PO viel wir wissen, geringe Anzahl Reiter^ und es gab auch aus Fuss-
eine Uebersiedelung annimmt, nur dass diese schwerlich in der Art zu denken
ist wie bei den Sarmatencolonien in Italien, sondern vielmehr dem Uebertritt
[der Gotheu ähnlich gewesen sein wird.
1) Bd. 22 S. 547 f. [oben S. 145 f.].
2) Indess scheinen von den als milites bezeichneten Truppenkörpern die
br. 41, 33 — 37. 42, '29 und Occ. 32, 49 genannten, zum Theil vielleicht auch
MCC. 37, 15 — 23. 41,15—25 den alten numeri zu entsprechen. Die explwatores
lOr. 41, 34. 35. 37. 42, 29) und die dem Standquartier entnommenen Benennungen
;Occ. 37, 16. 17. 23, 41, 22, vielleicht auch Or. 41, 36; Occ. 42, 39) weisen auf die
lumeri des dritten Jahrhunderts. Diese stehen Or. 41, Occ. 32 hinter den bevor-
lugten Truppenkörpern {cnnei equitum, equites, auxiliares, legiones) gemischt mit
len aZae, cohartes und classes.
3) Ob die für das erste Jahrh. überlieferte Zahl von 120 (Marquardt Handb.
218 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
Volk und Reiterei gemischte Cohorten; in der gegenwärtigen Epoche
erscheinen dergleichen aus beiden Waffen combinirte Truppenkörper
nicht. Aehnlich wie wir bei den Kaisertruppen neben der Legio»
die Vexillation finden werden, stehen neben den Grrenzlegionen die
208 cunei equitum und die equites'^, wahrscheinlich als Ersatz für die
ehemalige Legionsreiterei. Was das Yerhältniss des cuneus equitum
zu den einfachen equites anlangt, so treten jene^ als Gegensatz zu
diesen auf in der Thebais und in den Donauducaten des Ostreichs^
wo sie dann immer den Vorrang vor den equites haben; in den
Donauducaten des Westreichs werden vor den Legionen nur cunei
equitum, sonst überall nur equites aufgeführt. Da die Benennung:
cuneus bekanntlich den nichtrömischen, insbesondere den germanisch
formirten Heerhaufen bezeichnet, so wird man in dem cuneus die
barbarisch, in den equites die römisch formirte Reiterschwadron zu
erkennen haben und der höhere Rang der ersteren sich daraus
erklären. In den Einzelbenennungen freilich ist eine Verschiedenheit,
nicht zu erkennen; das locale und barbarische Element tritt über-
haupt in den Namen dieser Abtheilungen nicht hervor. — Die alae
sind offenbar in ähnlicher Weise in ihrer früheren Stellung verbliebe»
wie in der Infanterie die cohortes.
Endlich die unter den Truppenkörpern der Grenze verzeichneten
Flottenm annschaften ^ sind deutlich die alten italischen und provin-
zialen Flotten.
Die Vergleichung der vordiocletianischen und der diocletianischen
Truppenkörper lässt sich bei den nicht legionaren nur in geringem
Masse durchführen. Dass die Auxilien wenigstens so, wie wir sie
später vorfinden, ebenso die cunei equitum und die equites erst
damals entstanden sind, ist bereits als wahrscheinlich bezeichnet
5, 156 [Staatsverw. IP, 456 f.]) bis auf Diocletian geblieben oder später gesteigert
ist, lässt sich nicht ausmachen. j
1) Die Reiterabtheilungen sind, abgesehen von Aegypten und der Thebais,
weit zahlreicher als die correspondirenden Legionen; aber dies beruht offenbar [
nur darauf, dass, abgesehen von dem ägyptischen Gebiet, die Notitia an deri
Grenze nicht Legionsdetachements, sondern Gesammtlegioneu verzeichnet. Wenn
also zum Beispiel in der Phoenike auf 12 Reiterhaufen 2 Legionen kommen, soj
können die letzteren füglich ebenfalls 12 Commandos gebildet haben. I
2) Auf den vereinzelt stehenden palmyrenischen cuneus equitum (Or. 7, 34), j
sowie auf den cuneus equitum promotorum im Occident 6, 85 ist hierbei keinej
Rücksicht genommen, ebenso wenig auf das Vorkommen der Bezeichnung inj
Britannien.
3) In der Notitia heissen sie meistens classes, auch barcarii. Lembani
(denn so ist vita Aurel. 38 zu schreiben statt iembarii) ist eine halbgriechischf!
Formation, wie symmaeharius und ascarius. j
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 219
worden. Umgekehrt sind die Cohorten und die Alen, obwohl nicht
wenige unter Diocletian eingerichtete ^, einzeln auch noch später 209
gebildete darin enthalten sind'*, doch wohl der Mehrzahl nach aus
der vordiocletianischen Epoche übernommen worden.
Für die Vergleichung der älteren und der neueren Formationen
sind wir demnach wesentlich angewiesen auf die Legionen. Nach
jener Uebersicht kommen, wenn wir von Britannien, Germanien und
Africa absehen, für welche unsere Quelle versagt, für die übrigen
Provinzen auf 23 alte 17 neue Legionen; es ergiebt sich also nahezu
eine Verdoppelung dieses Fundaments der Grenzvertheidigung. Aber
wahrscheinlich hat dieselbe in noch viel grösserem Umfange statt-
gefunden als sie uns unmittelbar in der Notitia entgegentritt. Unter
den Truppenkörpern, welche den magistri militum unterstellt sind,
erscheinen im Orient zwanzig, im Occident achtzehn als pseudo- x; \
comitatenses bezeichnete Legionen^; es kann diese Benennung ihnen
nur insofern beigelegt sein, als sie ursprünglich zu den Grenztruppen
gehört haben und von der Grenze in die erste Truppenklasse versetzt
worden sind, ohne doch den dieser eigentlich angehörigen Truppen-
körpern völlig gleichgestellt zu werden*. Auch entspricht eine
Reihe der Benennungen dieser Herkunft^. Selbst von den eigent-
1) Die Notitia, mehr als ein Jahrhundert später abgefasst, verzeichnet nebett
sieben nach den Herrschern dieser Zeit benannten Legionen (JJJ Diocletiana,
I. V lovia, 1 Maximiana, II. III. VI Herculia) mit ähnlichen Benennungen
fünfzehn Alen {nova Diocletiana — / nova Diodetiana — J Valeria dromedariorum
— II Valeria Sequanorum — II Valeria singularis — VII Valeria praelectorum
— J lovia cataphractariorum — I lovia felix — I Herculia — I nova Herculia.
— II Herculia dromedariorum — VII Herculia voluntaria — Constantiana —
II Constantiana — XV Flavia Carduenorum) und fünfzehn Cohorten {III Valeria
Bracaraugustanorimi — III Valeria Marmantarum — V Valeria Phrygum —
VI Valeria Raetorum — XII Valeria — XIV Valeria Zabdenorum — I lovia.
— Herculia Pannoniorum — I Herculia — I Herculia Maetm-um — III Herculia
— III Herculia Pannoniorum — I Flama — I Flama Sapaudica — II Flaria
Pacatiana).
2) Unter den Alen erscheinen die II felix Valentiniana — I Vdlentiam^c
— II felix Valentiana — Theodosiana — felix Theodosiana — I felix Theodosiana
— Theodosiana nuper constituta — Arcadiana nuper constituta; unter den Cohorten
die II Gratiana — J Theodosiana — I felix Theodosiana.
3) Die Notitia verzeichnet sie Or. 6, 68. 7, 48 f. 9, 39 f. Occ. 5, 256 f.
4) Wenn in den Verordnungen von 365 (C. Th. 8, 1, 10) und 400 (C. Th.
7, 1, 18; oben S. 209 A. 8) die legiones pseudocomitatenses als lediglich synonym
mit den ripenses erscheinen, so ist dies ohne Zweifel blos durch die nachlässige
Terminologie dieser Zeit verschuldet; die Notitia zeigt deutlich die zwischen
beiden Kategorien bestehende wesentliche Differenz.
5) Die / und II Armeniaca, I Isaura sagittaria, IUI Italica, VI Parthica
tr-K^t A^
'.^C^^<^ ctjl,^^ ^ /i<iJLt,^7i>5, I9^^j, j/
220 Das rördische Militärwesen seit Diocletian.
liehen comitatenses führen, wie wir gesehen haben, nicht wenige,
210 und sogar unter den noch angeseheneren palatinae einige den Namen
älterer ursprünglich an der Grenze stationirter Legionen und auch
unter den anders benannten dürften wenigstens einzelne aus dem
Grenzheer übernommen sein ^. Also sind bei Diocletians Militärreform
die Grenztruppen zunächst in noch weit höherem Masse vermehrt
worden, als das ein Jahrhundert später aufgenommene Yerzeichniss
der römischen Truppenkörper uns dies zeigt. Dann aber hat wieder
eine bedeutende Reduction der Grenztruppen zur Verstärkung des
unmittelbaren Kaiserheeres stattgefunden.
Damit stimmen die historischen Berichte überein. Diocletian,
unter welchem nach der Angabe eines Zeitgenossen die Truppenzahl
mehr als vervierfacht ward 2, ist nach den Berichten der Annalisten
vor allen Dingen bemüht gewesen die Grenzfestungen und die
Grenzbesatzungen in umfassendem Mass zu vermehren 3. Deutlich
hat diese Verstärkung die Reiterei in noch stärkerem Masse betroffen
als die Infanterie; denn die zahlreichen einfach als Reiterabtheilungen
bezeichneten Truppenkörper sind wohl an die Stelle der vor-
diocletianischen Legionsreiterei getreten, aber müssen diese an Zahl
ungemein überstiegen haben. Dass von dieser Yermehrung ein
überwiegend starker Theil auf Aegypten fällt, darf mit Diocletians
ägyptischer Expedition in Verbindung gebracht werden und bestätigt
weiter einestheils, von welcher Wichtigkeit diese Provinz für das
Gesammtregiment gewesen ist, andrerseits, wie durchaus Diocletian
bei den Reformen dieser Zeit die leitende Hand gehabt hat. —
Weiter ist eine starke Yermehrung der Feldarmee durch Constantin
211 unter entsprechender Verminderung der Grenztruppen durch die
können bei ihrer Einrichtung kaum etwas anderes gewesen sein als legiones
ripenses.
1) Die Benennungen der Legionen des Kaiserheeres , soweit sie nicht die
vordiocletianischen sind, führen nicht häufig auf einen derartigen Ursprung;
einzelne aber passen wohl dazu, wie III Diocletiana Thebaeorum, I Maxmiana
Thehaeorum, III HercuUa, I Flavia Constantla.
2) Lactantius de mort. pers. 7: in quattuor partes orbe diviso et multiplicatis
exercitibus, cum singuli eorum longe maiorem numerum militum habere contenderent
quam priores principes habuerant, cum soli rem puhlicam gererent.
3) Zosimus (wie es scheint; die Stelle, erhalten bei Suidas v. ioxaziä fehlt
in unserem Text [s. ed. Mendelssohn p. 54 Anm.]): 6 Aioxlrjriavog köyov noiovusvog
liäv TiQayixdTOJv cpi^^rj SsTv xal Svvdf^saiv ägpcovaaig exaarrjv koyariav öyvQibaai xal
(pgovQia Jiotfjoai. 2, 34: ri]; 'Pcof^aicov ejiixQaxeiag anavtayov röiv eay^axioiv tf]
AioxXrjxiavov ngovoia xarä xov elQrjfievov ijd?] fioi xqojiov nöXsai xal (pQOVQiotg xai
nvQyoig disü.t]fifisvr)g xal navxog rov oxgaxccoxixov xarä ravta xrjv ol'xrjoiv eyovxog anoQog
rwv ßagßaQcov rjv ff diäßaoig, Anwendung davon auf die Euphratgrenze bei Ammian
23, 5, 2.
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 22 t
Ueberlieferung bezeugt ^ und findet in dem oben zusammengestellten
Thatbestand ihre Bestätigung. Dass wesentlich in Folge der Ein-
richtungen Diocletians noch ein Jahrhundert nach seinem Rücktritt
die Zilfer der römischen Grenzbesatzungen, falls sie vollzählig ge-
dacht werden, die der vordiocletianischen ungefähr um das Doppelte
überstieg, ist oben erwiesen; rechnet man dazu, was ebenfalls er-
wiesenermassen von der Grenze späterhin weggezogen worden ist
und was Diocletian und seine Collegen ausser denen der Grenze an
Truppen aufgestellt haben mögen, so wird die 'Vervierfachung der
Armee durch Diocletian' insoweit gerechtfertigt sein, als es bei
allgemeinen und tadelnden Bemerkungen dieser Art billigerweiso
gefordert werden kann.
Eine weitere Frage von grosser Wichtigkeit ist die Organisation
des Commandos. Hinsichtlich der Generalate sind principielle Ver-
änderungen nur insofern eingetreten, als das militärische Commando
von der Civilverwaltung getrennt ward. Im Uebrigen trat der neue
dux llniitis, auf den wir bei den Offizieren zurückkommen, an die
Stelle des früheren legattis pro praetore der mit Truppen belegten
Provinzen. Die Zerstückelung der Statthalterschaften hat sich bei
den Commandos ebenso wie in der Civilverwaltung im Laufe der
Zeit gesteigert; wenigstens bildeten noch unter Constantin die drei
;t (ägyptischen Ducate ein einziges Commando 2. Im Allgemeinen
1) Zosimus a. a. 0. wendet dies tadelnd : xai xavxrjv öi] rrjv aoq)aXsiav
6ia(p&eiQ(ov 6 Kcoaravxivog xöjv oxgaxicoxwv x6 jioXv ftsQog xcöv ioxcixicöv ojiooxrjoag
xaig Ol) ÖEOfievaig ßotjßsiag nokeoiv iyxaxeoxrjos xai xovg svoxkov^ierovg vjio ßagßdiQCov
iyvfivoias ßorjd^eiag. Victor Caes. 41, 12 sagt dagegen: (Constantinus) ingentem
animum avocavit novanäae militiae ordine (so die Hdschr.; die Besserung ist
unsicher). Die Verminderung des Grenzschutzes und die Einquartierung der von
dort weggezogenen Truppen waren zweifellose Nachtheile, die Vermehrung des
Feldheers ein zweifelloser Gewinn; ob jene oder dieser überwog, vermögen wir
mit unserer Kunde nicht zu entscheiden; doch ist auf Victors Urtheil mehr zu
geben als auf das des Eunapius.
2) Dies lehrt die folgende von Hrn. Insinger in Kairo freundlichst mit-
getheilte Inschrift von Luksor [C. I. L. III, 12073 = Dessau 701] : fortissimo [a]c
piissimo imp. d. n. Fl. Va[l. C]onstantino p(io) f(elici) invicto Augusto Val(erius)
Bomet(dcav(ir) p(erfectissiimisj dux Aeg(ypti) et Theb(aidos) utrarumq(u)e Lihh(yarum)
n(umini) m(aiestati)q(ue) eius semper dicatissimus. Dagegen werden der drix
Illyridani limitis et Thracici, welcher neben dem dux Umitis Raetici und dem
d\ix limitis Scythici in dem gefälschten Actenstück der vita Aureliani c. 13 auf-
tritt und wohl die sechs Ducate der mittleren Donau vertreten soll, ebenso
der dux limitis Orientalis (ebendaselbst und vita Firmi 7), der dux transrhenani
limitis (zugleich Galliae pn-aeses: trig. tyr. 3), der dux limitis Africani oder Libyci
(trig. tyr. 29; vita Firmi 3), wohl sammt und sonders nichts sein als Fälschungen,
222 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
212 aber hat die Zerschlagung bei dem Cominando in minderem Mass
sich eingestellt als bei der Civilverwaltung, ohne Zweifel weil die
militärischen Rücksichten eine stärkere Decentralisation unräthlich
erscheinen Hessen.
Anders verhält es sich mit dem Offizierscommando. Nach der
älteren Ordnung ist der Träger desselben der Legat der Legion;
selbst die Alen und Cohorten sind unter die einzelnen Legionslegaten
vertheilt und ein jeder derselben führt bei Vollzähligkeit der Mann-
schaften den Befehl über ein Corps von ungefähr 10000 Mann.
Es mag dies umfassende Commando schon in früherer Zeit abge-
mindert worden sein: die Befehlshaber der Alen und der Cohorten
haben allem Anschein nach, namentlich wenn ihre Truppe, wie ge-
wöhnlich, ein von dem Hauptquartier der Legion gesondertes Stand-
lager einnahm, schon früh mehr von dem Legaten der Provinz als
von dem der Legion abgehangen; die Umwandelung des Legions-
führers aus einem senatorischen Legaten in den praefectus legionis
vom Ritterrang, welche im Lauf des dritten Jahrhunderts eintrat,
wird weiter hier eingegriffen haben. Aber die Beseitigung des
Legionscommandos und die Ersetzung desselben durch dasjenige des
Legionsdetachements gehört erst dieser Epoche an und hat auch
in ihr allem Anschein nach sich erst allmählich vollzogen. Eine
formale Reduction der Legion hat offenbar nur etwa insoweit statt-
gefunden, dass die Verbindung derselben mit einer Anzahl von
Alen und Cohorten, wenn sie überhaupt bis auf Diocletian bestanden
hat, jetzt gefallen ist; von ihr begegnet jetzt nirgends eine Spur.
Aber dass die Legion selbst, wie sie uns in der Notitia entgegen-
tritt, wenigstens für die Grenztruppen immer noch einen Truppen-
körper von ungefähr der früheren Stärke bildet, zeigt die oben auf-
gestellte Uebersicht unwiderleglich. Das kappadokische oder, wie
es jetzt heisst, das armenische Commando ist wesentlich dasselbe,
welches Arrian in der Exxaiig uns vorführt ; die beiden dazu gehörigen
Legionen können der Normalzahl nach unter Honorius nicht viel
schwächer gewesen sein, als sie es unter Hadrian waren. Aber in der-
213 selben Notitia zeigen sich deutliche Spuren der Zersplitterung der
Legion. In den Ducaten von Scythien und Moesia secunda stehen
neben dem Legionscommandanten, dem praefectus legionis zwei
praefecti ripae, der eine für die fünf Cohorten stromaufwärts vomj
Hauptquartier, der andere für die fünf Cohorten stromabwärts,
ausserdem ein weiterer praefectus ripae für die zu den beiden!
zumal da schon in der pannonischen Inschrift vom J. 303 (Eph. epigr. II n. 884
[C. I. L. III, 10981]) ein dux P(annoniae) s(ecundae) S(aviae) erscheint.
Das römische Militärwesen seit Diocletiau. 223
Legionen dieses Ducats gehörigen Schiffe^. In ähnlicher Weise
finden wir daselbst die Legionen auch in den übrigen Donauprovinzen
aufgelöst 2. Andere Abschnitte der Notitia führen in anderer Weise
7;u ähnlichen Ergebnissen. Wenn der legio III Diodefiana vier
verschiedene Standquartiere in Aegypten zugetheilt werden, so
müssen bei mindestens drei derselben ständige Detachements ver-
standen sein; und anders lässt es sich auch nicht auffassen, wenn
von einer jener Donaulegionen, der V Macedonica, neben vier ''prnefecU
lexjionis' in ihrer Provinz zwei weitere Abtheilungen in Aegypten
«nd bei dem Kaiserheere aufgeführt werden. Hiernach wird für die
Epoche, der die Notitia angehört, die Auflösung der Legionen ver-
inuthlich allgemein angenommen und das scheinbare Schwanken der 214
Bezeichnungen legio und praefectus legionis vielmehr darauf zurück-
geführt werden müssen, dass die keineswegs nach einheitlichen
Normen redigirte Liste zum Theil nur das Hauptquartier der Legion,
2um Theil die Standquartiere der grossen Legionsdetachements ver-
zeichnet. Dass bei Einrichtung neuer Legionen von vorn herein der
letztere Begriff zu Grunde gelegt ist, muss in Betreff der Grenzarmeen
•wenigstens für die diocletianischen Neubildungen verneint werden ^.
1) Diese Abschnitte der Notitia Or. 39. 40 sowie die weiteren die Donau-
truppen betreffenden Or. 41. 42 Occ. 32—35 sind entstellt durch mehr oder minder
ständige falsche Auflösung der Abkürzungen iy)-aef. und coli. V, indem dort prae-
fectura statt praefectus, hier cohortis quintae statt cohortium quinque gesetzt ist.
Beseitigt man dies, so bleiben keine weiteren wesentlichen Anstösse. Von der
leyio II HerciiUa zum Beispiel stehen danach in dem Hauptquartier Troesmis
•der praefectus legionis II Hereuliae uud der praefectus ripae legionis II H.
<io1wrtium V pedaturae inferioris, in Axiupolis der praefectus ripae legionis II H.
<xihoi'tium V pedaturae superioris, femer in Plateypegiis der praefectus ripae legio-
nwm (so ist zu schreiben statt legionis) I loviae (cohortis ist zu streichen) et II
Hereuliae musculorum Scythicorum (d. h. der Schiffe der Provinzialen) et classis
{d. h. der römischen Schiffe ; mein von Seeck mitgetheilter Vorschlag ist verfehlt).
2) In diesen Abschnitten wird jeder Legionscommandant praefectus legionis
betitelt und ist von dem praefectus ripae legionis keine Rede. Die Zahl der
Abtheilungen ist ungleich: fünf bei der legio XIII gemina, vier bei der legio V
Macedonica, drei, davon eine aus zwei Legionen combinirte, bei den beiden
Legionen V lovia und VI Herculia, zwei bei der VII Claudia, zwei, davon eine
aus zwei Legionen combinirte , bei der X gemina und der XIV gemina. In
Raetien sind die fünf Theilcommandos örtlich abgegrenzt: legionis partis superioris
— legionis partis superioris deputatae ripae piimae — pro parte media praeten-
dentis a Vimania Cassiliacum usque und zwei von der Grenze abcommandirte für
die in dieser Provinz so wichtige (vgl. C. Th. 11, 16, 15. 18; 11, 19, 4) transvectio
specierum. In der Valeria ist der Text arg zerrüttet.
3) Dass die beiden Valentinianae in Aegypten ebenso aufzufassen sind wie
4ie später zu erörternden legiones palatinae und comitatenses, ist allerdings wahr-
scheinlich.
224 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
Dieser örtlichen Zersplitterung der Legion entspricht das Ver-
schwinden des Gesammtcommandos derselben. Den praefectus legionis
nennt die Notitia ausschliesslich bei den Grenztruppen, hier aber im
Westen durchgängig^ und mit Ausnahme Aegyptens ebenfalls im
Osten 2. Indess sie steht damit völlig allein. Anderweitig nennt
diesen Offizier keine Verordnung^, keine Inschrift, überhaupt kein
Document aus constantinischer oder späterer Zeit* und es bleibt
nichts übrig als die Annahme, dass die Notitia in dieser Hinsicht
nach der älteren thatsächlich beseitigten Ordnung redigirt ist. Es ist
dies auch wohl begreiflich. Der Legionscommandant ist vielleicht
nicht abgeschafft, sondern nur die Stelle nicht weiter besetzt worden;
ein Hauptquartier, in welchem die Feldzeichen und die Acten der
215 Legion vorzugsweise aufbewahrt wurden, musste bleiben, auch wenn
die Commandantur als solche nicht mehr bestand. Was dafür
praktisch an die Stelle trat, haben wir zum Theil schon gesehen:
wie Diocletian die grossen Statthalterschaften auseinanderschlug, so-
hat er auch das Legionscommando in eine Anzahl Theilcommando*
aufgelöst und die geborenen Träger dieses letzteren waren die sechs-
Tribune der Legion. Ihnen fiel in Ermangelung eines Präfecten von
Rechts wegen das Coramando der Legion zu und bei eintretender
Detachirung ward regelmässig die legionare Vexillation unter den
Befehl eines der Tribüne gestellt. Dem kommt entgegen, dass, wie
bei den Offizieren gezeigt werden wird, seit der constantinischen
Zeit der regelmässige Legionsführer der Tribun ist Ob über die-
Zahl der dem wegfallenden Legionscommando substituirten Theil-
commandos es eine feste Regel gegeben hat, steht dahin. Nach
den Allgaben der Notitia über die Donautruppen sind hier in einigen
Ducaten Halblegionen nebst einem besonderen Flottencommandoy
1) Freilich fehlen uns die Legionen für die afrieanische und die Rhein-
grenze und die britannischen gehören einer älteren Redaction an, so dass die
Nennung des praefectus sich hier auf Spanien und die Donaulegionen beschränkt,
2) In den Truppenverzeichnissen der Notitia Orientis (die occidentalische
ist anders redigirt) wird bei den Legionen der Grenztruppen regelmässig der
praefectus gesetzt, während bei den übrigen Truppenkörpern der Commandoführer
nicht genannt wird. Es ist das ein Ueberrest des in vordiocletianischer Zeit
bestehenden Uebergewichts des praefectus legionis über die tribuni und praefecti
der kleineren Truppeukörper.
3) Er findet sich in der Verordnung Diocletians vom J. 290 cod. Inst. 8,
50, 5. Dass C. Th. 7, 20, 2 keine Ausnahme macht, wird im Abschnitt von den
Offizieren gezeigt werden.
4) Vegetius 1, 13. 2, 9 spricht wohl von dem praefectus legionis, aber nur
in der Schilderung früherer Ordnungen und als von einer abgekommenen Insti-
tution. Dasselbe gilt von der justinianischen Verordnung cod. lust. 8, 28, 37, 1 a.
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 225
anderswo andere Theilungen beliebt worden; sehr wohl kann ein
jeder dieser Theile unter einen der Legionstribune gestellt worden
sein. Eine andere Combination mag daneben oder auch in späterer
Zeit dafür in Anwendung gekommen sein. Die Legion zählt normal
6000 Mann und stand unter sechs Tribunen; es lag nahe, sie zu
sechstein und jedem Tribun ein Theilcommando von 1000 Mann
zuzuweisen. Dafür sprechen theils die über die zersplitterten Legionen
uns vorliegenden Einzelangaben ^, theils dass, wie unten auszuführen
sein wird, eine Grundzahl des Legionsdetachements für die Militär-
ordnung dieser Zeit nothwendig gefordert wird und das Tausend
dafür in jeder Weise angemessen erscheint.
2. Die Föderirten der Grenze.
Seit es einen römischen Staat giebt und so lange ein solcher
bestanden hat, wird der Schutz der Landesgrenzen wesentlich da-
durch bewirkt, dass die an das römische Gebiet unmittelbar an-
grenzenden Staaten zu dem römischen in ein Abhängigkeitsverhältniss
treten, welches sie einestheils verpflichtet gegen ihre Nachbarn mit
ihrem eigenen zugleich das römische Gebiet zu vertheidigen, andrer- 216
seits ihnen dabei erforderlichen Falls Schutz und Waffenhülfe in
Aussicht stellt. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass diese abhängigen
Staaten auch bei den von Rom zu führenden Kriegen durch Zuzug
sich betheiligen 2; wesentlich aber und für diese Untersuchung in
Betracht kommend ist die indirecte Waffenhülfe durch den Schutz
der Grenzen. In dieser Weise hat die Republik ihre Provinz Africa
durch den König der Numidier, Augustus die Euphratgrenze durch
die Könige von Kappadokien und Armenien, Constantin die östlichen
Provinzen durch den König der Lazen und die Fürsten der Saracenen
geschirmt; wie mannichfaltig die Anwendung ist, im Princip und im
Wesentlichen auch im Ergebniss sind alle diese Ordnungen von ein-
ander nicht verschieden. Die staatsrechtliche Grundlage dieser
Verhältnisse eingehend zu erörtern ist hier nicht erforderlich. Die
1) Die höchsten Zahlen sind sieben {XIII gemina) und sechs {II adiutrix,
V Macedoniea, III Italica); niedrigere finden sich zahlreich. Bei der Willkür-
lichkeit der ganzen Operation und dem zweifellosen Verschwinden einer grossen
Anzahl dieser Detachements in dem zwischen Diocletian und Honorius liegenden
Jahrhundert kann mehr nicht erwartet werden.
2) Dass die Lazen den Römern keinen Zuzug stellen, sondern nur ihre
Grenzen zu vertheidigen haben, hebt Prokop b. Pers. 2, 15 hervor als Anomalie.
Als Julian zum Perserkrieg sich anschickt, bieten die Clientelstaaten {gentes
^urimae) ihm Zuzug an, er aber erklärt nequaquam decere adventiciis adiumentis rem
vindicari Romanam (Ammian 23, 2, 1).
MOMMSEN, SCHR. VI. 15
226 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
gesammten Provinzen sind jetzt als römische Stadtgemeinden ge-
ordnet; die Angehörigen derselben besitzen das römische Bürger-
recht und leben nach römischen Gesetzen. Aber über diese homogen
geordneten römischen Districte reicht das Reichsgebiet überall hinaus^
und begegnen ebenfalls reichsangehörige, aber nicht municipal
geordnete, sondern der Regel nach von Stammhäuptern oder Fürsten
217 regierte Districte^, bezeichnet als gentes oder bei grösseren Verhält-
nissen als Königreiche, ihre Bewohner als gentiles oder römische
harhari. Als solche den Römern unterworfene, aber nicht nach
römischem Recht lebende Districte zählt der Bischof Theodoret im
Anfang des 5. Jahrh. auf die Aethiopen an der Südgrenze Aegyptens,
die Saracenen am Euphrat, die Tzanner, Lazen, Abasger am Kaukasus ^.
Ueberall liegt dabei zu Grunde das foedus, das heisst ein nicht durch
einen Termin oder einen einzelnen Zweck begrenzter, sondern auf
ewige Waffengemeinschaft und Reichsangehörigkeit gestellter Vertrag*;
die foederati dieser Epoche sind rechtlich nicht verschieden von denen
der Republik und der früheren Kaiserzeit ''. Es liegt in den allgemeinen
1) Der rechtliche Gegensatz der Provinzialen und der gentiles kommt präg-
nant zum Ausdruck in Justinians magister militum per Armeniam et Fontum
Polemoniacum et gentes (cod. 1, 29, 5); die Verordnung selbst unterscheidet von
Armenia I und 11 und dem Pontus Polemoniacus die Armenia magna und zählt
in dieser (et vor gentes ist zu streichen) die einzelnen gentes auf. Meistens werden,
wie Athen zu Achaia, so auch die gentes zu dem angrenzenden Ducat gerechnet.
Im gewöhnlichen Sprachgebrauch übrigens sind die gentiles wie die barbari die
nicht reichsangehörigen Ausländer, wie zum Beispiel Ammian 25, 8, 13 provinciae
et gentes setzt für das Inland und das Ausland.
2) Ueber den Ausnahmefall, dass dafür römische tribuni (wie bei den
Marcomanen) oder praefecti (wie bei den laeti) eintreten und über die in diesem
Fall sich anders gestaltende Militärpflicht ist in dem von dieser handelnden
Abschnitt gesprochen. Ob die hie und da in Africa begegnenden praefecti gentis
(Ammian 29, 5, 21.35 und die Inschriften C. I. L. VIII p. 1080 [vgl. Cagnat
V Armee rmi. d'Afrique p. 327. 746; Schulten Rhein. Mus. 50, 1895 S. 543]) mehr
als Stammhäupter oder mehr als römische Offiziere anzusehen sind, lasse ich
dahingestellt.
3) Diese Verhältnisse sind in meinen ostgothischen Studien (Neues Archiv
für deutsche Geschichtskunde Bd. 14 [s. weiter unten in diesem Band] ein-
gehender erörtert.
* 4) Staatsrecht 3, 653.
5) Prokopius b. Vand. 1, 11: ev de qpoiSsQdroig üiqöxeqov fisv fxovoi ßägßagoc
tcaxEXeyovxo , oaoi ovx im ro öovXoi eivai (also sind sie nicht dediticii), alX im rfj
lajj xal ofÄoiq ig rr]v noXixsiav acpixoivxo (also sind sie ebenso reichsangehörig wie
die dediticii). Dieser ältere und correcte Sprachgebrauch ist nicht, wie Prokop
sagt, in dieser Zeit abgekommen ; wo die Gothen oder die Saracenen foederati
genannt werden, geschieht es meistens in diesem Sinn. In gleichem Sinne heisst
dem Pacatus paneg. 22 mit Beziehung auf den Vertrag vom J. 384 der Perser-
Das römische Militärweseu seit Diocletian. 227
Verhältnissen, dass Verträge dieser Art späterhin nicht leicht mit
städtischen Gemeinwesen abgeschlossen werden^; durchgängig sind
die Föderirten der Kaiserzeit Könige und Fürsten. Am häufigsten ^ 218
gedacht wird der Föderation in dieser Epoche bei den schon ge-
nannten Fürsten der römischen Saracenen^ und vor allem bei den
auf das rechte Donauufer übergetretenen Gothen, welche in Folge
ihrer stetigen freundlichen und feindhchen Beziehungen zu der nicht
entfernten Hauptstadt des Ostreichs den Byzantinern geradezu mit
Föderaten zusammenfallen*. Dem Rechte nach stehen alle diese
könig nomine foederatus, iam tuis cultibus tributarius, das heisst nicht mehr ein
abhängiger Fürst, sondern fast schon ein Unterthan. Auch bei Sidonius (ep.
2, 13, 5: aulam tiirbulentissime rexit — Petronius Maximus — inter tumultus
militum, popularium, foederatorum; vgl. 1, 8 in der Schilderung von Ravenna:
Student . . . arrnis eumichi, Utteris foederati) wie noch in den Verordnungen von
440 (Valentinian nov. 9: cum . . . magister militum Sigisvuldus tarn militum atque
foederatorum tuitionem urbibus ac litoribus non desinat oi'dinare) und von 443
(Theodosius nov. 24: magistros militum . . , ab omni limitaneorum militum ac
foederatorum gentium concussione temperaturos . . confidimus), ja in der Justinians
nov. 103 c. 1, wo milites, limitanei und foederati unterschieden werden, kann das
Wort nur in diesem Sinn gefasst w.erden. Erst Prokop nennt ständig und hie
und da auch Justinian die aus den foederati genommenen Privatsoldaten, die
bueellarii <poi8sQaxoi, wo dann für die wirklichen foederati nur die Bezeichnung
mUfiaxot übrig bleibt unter Aufgebung des terminologischen Gegensatzes der
nicht reichsangehörigen Verbündeten auf Zeit und der reichsangehörigen ewig
Alliirten. So meint er zum Beispiel Goth. 1,1: (ol 'PcofiaToi) zw evjiQejisT rfj?
h'/niiaxiag ovö/u^ari ngog tc5v EJir}Xv8cov Tvgavvovfisvoi ißid^ovTO nicht die socii,
bOndern die foederati im älteren Sinne.
1) Die Stadt Palmyra muss wohl für eine gewisse Periode als den Römern
föderirt angesehen werden.
2) Sidonius ep. 3, 8: natione foederatorum . . . indviliter Bomanas vires admi-
nistrante. Ennodius paneg. 12, 63 nennt den Hünen Mundo foede/ratus des Ostreichs.
3) Ammian 25, 6, 10: Saracenos ideo patiebamur in festos, quod sdlaria munera-
que plurima a luliano ad similitudinem praeteriti temporis accipere vetiti. Theo-
dosius IL bestätigt in der Nov. 24 den üblichen Abzug eines Zwölftels von den
annonae der milites limitanei zu Gunsten der Offiziere und fügt hinzu: de Sara-
cenorum vero foederatorum aliarumque gentium annonariis alimentis nullam penitus
eos decerpendi aliqnid vel auferendi licentiam habere concedimus. Prokop b. Pers.
1, 17: ovSei? 8s ovre 'Pcofiaicov atQaticorwv äg/cov, ov? 8ovxag naXovoiv, ovxe 2aQa-
XTjVüJv rcöv 'Pcofiaioig evotiovSwv ■^yov/nsvog, oi q}v)MQy_oi ijiixakovvrai , §vv xoTg eno-
fiiivoig 'Akaftovv8äQcp dvrnd^aoßai ixavöig eixsv. Die rechtliche Stellung der
römischen wie der j)ersischen Saracenen tritt darin deutlich zu Tage, dass in
dem römisch - persischen Friedensvertrag von 532 sie beide nicht genannt,
sondern stillschweigend eingeschlossen wurden, dann aber der persische Saracenen-
fürst den Friedensvertrag bezeichnete als ihn nicht bindend und darüber der
Krieg aufs neue ausbrach (Prokop b. Pers. 2, 1).
4) Schon Claudian in Ruf. 2, 75 spricht von dem foedus mit Beziehung auf
diese Gothen. Malchus fr. 11 Müll.: im Zrjvcovog Ttgsaßeig ex OQuxrjg tcov vjio-
15*
228 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
Barbaren insofern politisch gleich, als sie dem Schutzstaat die WafFen-
pflicht in der Form des selbständigen Zuzugs leisten; im Uebrigen
ist ihre Stellung zum Reiche begreiflicher Weise sehr ungleicher
219 Art. In engeren Verhältnissen, wie zum Beispiel an der africanischen
Grenze, hat die Selbständigkeit wenig zu bedeuten; als Kriterien
der effectiven Abhängigkeit können auch unter dem sinkenden
Regiment die Form der Belehnung> sowie die damit verknüpften
Ehrengaben 2 angesehen werden. Aber es finden sich auch derartige
Verhältnisse, bei denen umgekehrt der nach der formalen römischen
Auffassung in Clientel stehende Barbarenfürst der Sache nach völlig
unabhängig ist, ja den Schutz mehr gewährt als empfängt.
Eine wichtige Veränderung ist in Bezug auf die mächtigeren
föderirten Fürsten in dieser Epoche eingetreten. Dass der römische
on:öv8o>v röt&cov, oi's örj xal (poiösQarovg ol 'PcofiaToi xaXovoiv. Suidas : (poidegaroi ■
ovroi HaXovoi 'Pa>fj,aTot rovg vjioonövöovg rcöv Sxv&ä>v. Prokop b. Goth. 4, 5: fiBTO.
Se SovTOS ßaoilecog roxrjaavzo ig rä im QQcxxrjg x,(OQia xal xa ^iv ^vvsfidxovv 'PiOfiaioig
rd? XE ovvxd^sig wojieg ol äXXoi axQaxiwxai jrpög ßaoiXecog HO/j,iC6/iievoi dvä näv exog
xal (poiSsgaxoi enixXrj&evxs? (ovxco yäg avxovg xfj Aarivcov qxovfj ixdXeaav 'Pcofiatoc
. . .), xd 8s xal 7i6Xs/iiov jcgog avxovg öistpegov • . ■ scog (pxovxo äjtiovTsg ig 'IxaXiav
0Ev8£Qixov ■^yov/Lisvov acpioi. In dieser Hinsicht stellt Jordanes (s. die Zusammen-
stellung in meiner Ausgabe p. VIII. 188) das Verhältniss der Gothen zu den Römern
zutreffend dar, so incorrect das Einzelne ist. — Von dem hieraus abgeleiteten
byzantinischen Sprachgebrauch die geworbenen Privatsoldaten foederati zu nennen
wird weiterhin die Rede sein.
1) Staatsrecht 2^,856. Die Lazen waren nach Prokop b. Pers. 2,15 den
Römern unterthänig, das heisst reichsangehörig, und ijieiddv avxoTg 6 ßaoiXsvg
xeXevTTiasiE , ^vfißoXM xfjg dQxfjg xü> 8ia8£yofj.£vcp xtjv ßaoiXelav 6 'Pwfiaicov ßaaiXsvg
ETiE^iiE. Der Phylarch der gesammten römischen Saracenen erbittet bei Justinian
für seinen Sohn die Nachfolge (Theophanes zum J. 6056). Nach der Unter-
werfung Africas durch Belisar oooi ev xe MavQixavlq xal Novfxiölq. xal BvCaxicp
MavQovoiwv tjQxov, Jigsoßeig (og BsXuadQiov jzEjuxpavxEg dovXoi xe ßaaiXJwg scpaoxov
Eivai xal ^vfi,(xaxrioeiv vjieoxovxo' eial 8s oi xal xovg 7ial8ag iv ofirjQMV JtaQslxovxo
Xöyco xd XE ^vfißoXa oqjioi nag avxov oxsXXsod^ai xf]g dgxfjg xaxd 8i] xov jiaXaiov v6/j.ov
i8Eovxo (Prokop b. Vand. 1, 25). Dass die Byzantiner von den Gothenfürsten
nichts Aehnliches melden, darf wohl als Zeugniss dafür gelten, dass diese die
Bestätigung in Byzanz nicht nachsuchten.
2) Ammian 23, 3, 8: (Julianum) Saracenarum reguli gentium genibus sup-
plices nixi oblata ex auro Corona tamquam mundi nationumque suarum dominum
adorarunt. Dies sind die annua sollemnia das. 22, 7, 10. V, 0. von 387 an den
Satrapen der Sophanene (C. Th. 12, 13, 6): seeundiim constietudinem moris antiqui
omnes satrapae pro devotione, quae Romano debetiir imperio, coi'onam ex pi'O'priis
facultatibus faciant serenitati nostrae sollemniter offerendam. Theoderichs Nach-
folger Theodahathus verpflichtet sich in dem ünterwerfungsvertrag jährlich dem
Kaiser einen Goldkranz von 300 Pf. Gewicht zuzusenden (Prokop b. Goth. 1, 6).
In analoger Uebertreibung erbitten bei Sidonius ep. 8, 9 v. 45 die Parther vom
König Eurich die Bestätigung ihrer Herrschaft foedere sub stipendiali.
Das römische Militärweseii seit Diocletian. 229
Staat dem von ihm abhängigen Stammhaupt oder König für den
von diesem zu bewirkenden Grenzschutz eine Yergütung gewährt,
ist den früheren Ordnungen fremd; nach diesen wird der abhängige
Fürst lediglich durch Nichtleistung des an sich der Schutzmacht
zukommenden Tributs oder durch Abminderung desselben für seine
Kriegsdienste entschädigt. Jetzt dagegen haben regelmässig ^ die
die Grenze deckenden Schutzfürsten gleich den Grenztruppen des 220
Reiches ein Anrecht auf die dem Soldaten zukommenden, eigentlich
als Naturalleistung angesetzten , aber in dieser Anwendung durch-
gängig in Geld umgewandelten Bezüge. Die Festsetzung dieser
annonae foederaticae^ und der Zahlungsnormen wird damit der
wesentliche Inhalt dieser Bündnissverträge. Man erkennt, dass dabei
wohl die Zahl der von dem einzelnen Fürsten zu stellenden Mann-
schaften zu Grunde gelegt, aber bei der Zahlung selbst von der
elfectiven Dienstleistung abgesehen und die also vereinbarte Summe
Jahr für Jahr dem Fürsten gezahlt ward ^. Nothwendig flössen diese
den Grenzfürsten für die Yertheidigung des Gebiets zu entrichtenden
Summen in einander mit den Abfindungsgeldern, mit welchen die
römischen Herrscher mehr und mehr sich gewöhnten die Brand-
schatzung durch unbotmässige Nachbarn abzukaufen. Offenbar sind
die Verträge dieses Inhalts alle in der Föderationsform abgeschlossen
worden*; sogar als Kaiser Justinianus sich dazu verstand den Persern
jährlich 500 Pfund Goldes zu entrichten, wurde dabei ausgesprochen,
1) Dass die Lazen für die Grenzvertheidigung vou den Römern keine Ent-
schädigung erhalten, hebt Prokop (b. Pers. 2, 15) hervor als anomal.
2) Theodosius II nov. 24 (S. 227 A. 3). Hypatius mag. mil. per TJvracias
entzieht im J. 524 den in Skythien und Thrakien stehenden Mannschaften diese
Bezüge (Johannes Antiochenus in dem in dieser Zeitschr. [Hermes] 6, 344 von mir
herausgegebenen Fragment: dtpaiQS&slg aizj^oecog di]/xooiag zcöv naXovfiivoiv (poiSsga-
Tixiöv dvvMVMv). Nach der Eroberung Africas werden dem Maurenfürsten Antalas
diese annonae verliehen, aber bald wieder entzogen (Prokop b. Vand. 2,21: tag
oiT^ascg, aig avxov ßaodevg sxsrifirixsi, Zoköfxoiv äq^siXero). Auch Malalas (in dem
in dieser Zeitsclir. [Hermes] 6, 369 von mir herausgegebenen Fragment) erwähnt die
foederati, d(p' mv xal ai cpoidsgatixal avvcovai xazdyovrai.
3) Malchus fr. 17 zum J. 479: rißerzai zrjv siQ^vrjv (Kaiser Zeno und der
Gothenfürst Theoderich des Triarius Sohn) icp' 4> ^* fivglots fxiv xal tQtoxdiois
ardgaaiv, oig ßeXoi ©svösQixog (also die Römer zahlen an ihn, nicht an die einzelnen
Mannschaften), ovvzd^eig zs xal zgocpijv /0Q7]yeTv ßaaiXsa.
4) Dass die Eruier zu Unrecht 'auch für diejenigen Leute, die dem Vertrag
zuwider geplündert hatten, die Soldgelder alle {zag avvzd^eig dndaag) erhalten'
(Prokop b. Goth. 3,33), lässt auf eine Clausel schliessen, die in solchem Fall
den Römern gestattete einen entsprechenden Theil der Jahressumme in Abzug
zu bringen.
230 Dä-s römische Militärwesen seit Diocletian.
dass in Zukunft die Perser als römische Soldaten zu betrachten
221 seien ^. Dass auf diese Weise die nominelle Abhängigkeit zur
effectiven Herrschaft wurde, bedarf der weiteren Ausführung nicht;
Theoderichs föderirte Gothen sind nichts als das Exempel auf diese
Regel.
Diese kurzen Andeutungen über die durch die Clientelfürsten
bewirkte Grenzvertheidigung werden unserem Zwecke genügen. Zu
den Reichstruppen gehören ihre Streitkräfte materiell allerdings,
nicht aber im formellen Sinn. Dass sie in ihrer militärischen Form
nicht römisch waren, kommt dafür freilich nicht in Betracht, da auch
unter den Truppenkörpern des Reiches nicht wenige nach ausländi-
schem Muster gebildet waren. Aber die Besoldung zahlte diesen
Soldaten der Fürst, wenn auch die Gelder aus der römischen Staats-
kasse flössen, und er selber oder die von ihm ernannten Offiziere
führten die Truppen. Dem entsprechend schweigt die Notitia sowohl
von den Phylarchen der Saracenen wie von den reguli der Gothen^.
In Africa, wo der Limes in örtliche Abschnitte zerfiel, sind dem
praefectus eines jeden ausser den grösseren oder kleineren Lagern
der Reichstruppen ohne Zweifel auch die in den Bezirk fallenden
Stammhäupter untergeben gewesen^; die Notitia nennt die dem
einzelnen praefectus unterstellten Abtheilungen nicht, wird aber auch
hier die gentes nicht berücksichtigt haben.
3. Die scholae.
Die Truppenkörper, welche ohne rechtlich fixirte Garnison im
Allgemeinen bestimmt waren dem Kaiser zu folgen und zu seiner
222 freien Verfügung standen, zerfallen in die drei Stufen* der Saaltruppen
1) Ovxovv, wenden bei Prokop b. Pers. 2, 10 die römischen Gesandten gegen
Chosroes Begehren ein, vjiozEXeTg ßovkovxai 'Pco^aiovs ig (poQov djiaycoyrjv s'x^iv. Der
König verneint dies: ov, dXXä argazicoTas otxsiovs k'^ovoi ro koijiov IIsQoas 'PcofiaToi,
[iiad'ov tilg VTiovQyiag avroTg y^oQrjyovvxeg Qtjxöv' etisI xal Ovvvcov tial (vgl. hist.
arc. 11) xal SagaxTjvoTg ijtstsiov '/^OQrjyEiTB )^qvo6v, ov (pögov avzoTg vjioTElelg ovxEg,
dAA' ojrco? dd^coxov yfjv xrjv v/nsxEQav (pvXä^oioiv ig xov Jiävra alöjva. Diese Auf-
fassung der Tribute kehrt überall wieder; die Empfänger beziehen Sold {avvxä^Eig)
und sind sf^fiia&oi der Römer (Prokop b. Goth. 3, 33. 34).
2) Von den durchaus verschiedenen Alen und Cohorten der Saracenen und
der Gothen wird weiterhin die Rede sein.
3) Dies zeigt ausser der S. 211 A. 1 angeführten Verordnung von 409 eine
andere (G. Th. 11,30,62) im J. 405 an den Proconsul von Africa erlassene: si
quando a gentilibus vel a praefectis eorum fuisset interposita pii'ovocatio . . . pro-
consularis cognitionis praestoletur examen. Hier ist wohl der praefectus limüis
gemeint, obwohl auch an einen speciellen praefecttts gentis gedacht werden kann.
4) Die domestici et protectores, die im Range noch über den scholares stehen
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 231
oder der scholae, der Palasttruppen oder der palatinl und der Ge-
folgstruppen oder der comitatenses. In dieser Reihenfolge soll hier
von denselben gehandelt werden.
Wenn von unzuverlässigen byzantinischen Erzählungen ' ab-
gesehen wird, treten die scholae zuerst unter Constantinus I auf^
und sind wahrscheinlich von ihm eingerichtet worden. Die Be-
nennung ist ohne Zweifel, ähnlich wie consistorium, davon entnommen
worden, dass diesen Mannschaften ein Saal im Kaiserpalast selber
angewiesen ward, um dort sich für die ihnen zugehenden Befehle
in Bereitschaft zu halten ^. Es wurden dazu die besten zur Verfügung 223
(Prokop hist. arc. 24), sind ein Offiziercorps und werden nicht als Truppeu-
körper verwendet. Ich habe über dieselben eingehend Eph. epigr. 5, 121 f. 647
gehandelt.
1) Nach der Paschalchronik (p. 501. 502 Bonn) sind die sechste schola der
candidati oder der senioi'es von Gordian 'dem Aelteren' und die siebente de^r
candidati oder der iuniores von Philippos 'dem Jüngeren' in der Weise ein-
gerichtet worden, dass man sie auslas djio zov rdy/nazog xwv leyofXEvoiv a^olagicov,
wonach also sie die scholae selbst schon vorgefunden hätten. Aber dies ist
sicher ebenso apokryph wie die angeblichen Beinamen der beiden Kaiser. Wenn
diese überhaupt eine derartige Einrichtung getroiFen haben, so betrifft diese
sicher nicht eigentlich die scholae, sondern die ihrem Ursprung nach nicht auf-
geklärten candidati. Dass diese, wenn auch vielleicht erst später, in die scholae
eingefügt worden sind, ist allerdings wahrscheinlich, da sie sonst in der Notitia
nicht fehlen würden und die Paschalchronik dies bestimmt sagt. Dass Kaiser
Jnstinus, als er die Combination zweier militiae allgemein verbot, ausnahmsweise
gestattete den Dienst in der schola und den als candidatus zu combiniren (cod.
lust. 12, 33, 5, 4), beweist wohl die Aehnlichkeit beider Stellungen, aber schliesst
die candidati vielmehr von den scholae aus. Eben darauf führt auch Corippus
laud. lust. 3, 161 : cumque palatinis stans catidida turba tribunis. Aber es können
Scholar es im engeren Sinne und candidati unterschieden worden sein. Vgl. über
die candidati Ammian 15, 5, 16. 25, 3, 5. 31, 13, 14. 16. 81, 15, 8; Hieronymus vit.
Hilar. 22, der einen candidatus des Kaisers Constantius (nach den Hdschr. Con-
stantinus), einen geborenen Franken, erwähnt; Inschrift vom J. 450 (Rossi inscr.
ehr. 1, 748 [C. I. L. VI, 32953]) eines Antiochos candidatus pfemeceri . . ; Prokop
b. Goth. 3, 38: öogvqpoQog (Justiuians), etieI ig rovg xavöiddzovg xaXov/iievovg relcöv
hv^s; Constantinus Porphyr, de caer. 1, 93: 6 fidyiorgog (im J. 519 nach dem
Tode des Anastasius) id^kcoaev eig rag oxo?Ag, Iva xal oi xavdiddrot xai ol äXXoi
oyoXdgiot ujiavrrjocoaiv.
2) C. Th. 14, 17, 9: annonas civicas in urhe Constantinopolitana scholae
scutariorum et sciitarioi-um clibanariorum dim Constantini adseruntur liberalitate
meruisse. Die älteste die scholae erwähnende Verordnung ist vom J. 346 (C. Th,
12, 1, 38).
3) Prokop h. arc. 14: orgariwrai ol iv jiakaziq) (pgovQav sxovzeg iv xfj ßaaiXsia»
azofi. Darum wird die Benennung schola auch auf andere dem Kaiser sich zur
Hand haltende Körperschaften übertragen, wie die domestici et protectores, die
agentes in rebus, die notarii und sie werden auch wohl mit diesen zusammen-
232 D^s römische Militärwesen seit Diocletian.
stehenden Leute, anfänglich überwiegend Germanen', unter Leo
vorwiegend Armenier, unter Zeno Isaurer, späterhin ohne Rücksicht
auf reines Barbarenblut die stattlichsten Rekruten genommen 2. Sie
waren sämmtlich Reiter^ und durch bessere Rüstung ebenso wie
durch höheren Sold* ausgezeichnet. Ihre Abtheilungen, nicht zu
den wwmm gerechnet (S. 208 A. 3), werden im Einzelnen entweder
von der Rüstung oder von der militärischen Qualification benannt ^,
224 zählten je 500 Mann*^; es waren derselben anfänglich vielleicht
gefasst. Ammian 14, 7, 9: (Constantius Gallum) solis scholis iussit esse contentum
paJatinis et protectorum cum scutariis et gentilibus. — Die technische Verwendung
des den Saal bezeichnenden Wortes für die in dem Saal zusammentretende
Körperschaft gehört dieser Epoche an, obwohl die schölae der Philosophen schon
nahe dai'an streifen.
1) Bei Ammian 20, 8, 13 schreibt Julian dem Constantius: praebebo . . .
miscendos gentilibus atque scutariis adulescentes Laetos quosdam eis Rhenum editam
barbarorum progeniem vel certe ex dediticiis qui ad nostra desdscunt. Ein Ale-
manne unter den scutarii Gratians Ammian 31, 10, 8. 20.
2) Prokop hist. arc. 24: rovrovg 01 jiqöxeqov f^hv dgiOTivdtjv anoXe^avts? i^
'jQ[A,svi(OV ig ravrrjv 8i] trjv rijLtrjv i]yov e^ ov 8s Zi]VCOV trjv ßaadeiav JiaQslaßs,
näaiv e^ovoia syivsto . . . xovxov örj rov ovofiarog ijiißarsvsiv. Dass Zeno die Isaurer
bevorzugte, bemerkt Agathias 5, 15. So wanderten noch unter Leo der spätere
Kaiser Justinus und seine beiden Brüder, arme illyrische Tagelöhner, mit dem
Brotsack auf dem Rücken nach Constantinopel , um sich anwerben zu lassen,
und wurden wegen ihrer stattlichen Figur unter die excubitores eingestellt (Prokop
hist. arc. 6).
3) Bei den scutarii clibanarii ergiebt dies der Name. Die armaturae, an
deren Spitze Silvanus vor der Schlacht bei Mursa zu Constantius überging
(Ammian 15,5,33), bezeichnet Julian or. 1 p. 48 B, or. 2 p. 97 C als iXrj (oder
xd^ig) rcöv ijidexrcov mnscov (vgl. über die armaturae meine Bemerkungen in den
Bonner Jahrbüchern 68, 53 und Cauer Eph. epigr. 4 p. 440). Ueberhaupt aber
kann die persönliche Bedeckung des Kaisers nur beritten gedacht werden.
4) Prokop a. a. 0.
5) Nach der Bewaffnung benannt sind die armaturae (nach der Notitia
seniores im Westen, iuniores im Osten) und die scutarii, deren die Notitia im
Occident drei, im Orient zwei scholae, ausserdem in diesem die scutarii clibanarii
und scutarii sagittarii verzeichnet, nach der Herkunft gentiles {gentiles scutarii
Ammian 20, 2, 5, wo die Einsetzung der Copula den Sinn zerstört), von denen
die Notitia im Orient die seniores und die iuniores, im Occident die seniores
aufführt. Von den bei Lydus de mag. 1, 46 zusammengehäuften Benennungen
gehören hierher die aQixäxovQa jigi/na und arjfiiaadha, was durch 6jilofj,sXhrj ngdixtf
und /^eiCcov erklärt wird, und die nQifioaaovxaQioi und JiQifiooayixxaQioi.
6) Hierauf führt die Angabe Prokops a, a. 0., dass Justinian 3500 derartige
Stellen vorfand und 2000 neue einrichtete, in Verbindung mit den 7 scholae der
Notitia Orientis und den 11 Justinians (cod. 4, 65, 35). Die Cassirung der vier
neuen scholae, die Prokop meldet, wird später fallen.
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 233
fünf ^, späterhin im Occident ebenso viele, im Orient bis auf Justinian
sieben, unter Justinian elf. Der eine solche Abtheilung commandirende
trihunus steht schon unter Theodosius I. den Vicarien im Range
gleich^ und ist im Ansehen und Einfluss den höchsten Beamten
oft überlegen^. Ihrem Saaldienst entsprechend sind diese Truppen
dem Vorsteher der am Hofe befindlichen Subalternbeamten, dem
Magister officiorum untergeordnet, welches.7Amt ebenfalls Constantin
eingeführt hat*. Eine andere Verwendung als für den unmittel-
baren Dienst bei dem Kaiser, am Hofe sowohl wie im Feldlager,
haben diese Soldaten nicht gehabt und daher, nachdem die
Kaiser sich der persönlichen Heerführung entsehlagen hatten, gleich
diesen selbst den militärischen Charakter völlig eingebüsst >'. Selbst
der Wachdienst im Palast ist ihnen schliesslich, wahrscheinlich 225
unter Leo ••, abgenommen und auf die cxcuhitores übertragen
worden', deren Vorgesetzter, der comes exciibitorum , eine der
angesehensten Hofstellen bekleidet**. Häufig indess sind aus ihren
1) Ammian, der die schölae oft erwähnt, nennt zwei der scutarii, die arma-
turae und die gentiles.
2) Die tribuni residui nominis der V.-O. von 381 C. Th. 6,10,3 können
nur die der schölae sein. Dass sie zur Kaisertafel zugelassen werden und häufig
mit der Austeilung die comitiva primi ordinis erhalten, ergiebt die V.-O. von 413
C. Th. 6, 13, 1. Im J. 441 heissen sie coinites scholarum viri spectahiles (nov.
Theod. 21 ; ähnlich nov. 7 c. 3, 1 comites ac tribuni militares), ebenso xöfitjxsg rwv
axoköiv bei Constantinus Porphyr. 1, 91. Auch Rusticus, der als comes scholario-
rum im J. 508 ein Flottencommando erhielt (Marcellinus u. d. J.) scheint hierher
zu gehören.
3) Nach Jovians Tode schwankte die Kaiserwahl zwischen zweien dieser
Tribüne, dem Equitius von den scutarii primi und dem Valentinian von den
scutarii secundi, welcher letztere obsiegte. Dem aus der Heimath vertriebenen
Langobardenfürsten Ildigisal giebt Justinian ein solches Commando (Prokop b.
Goth. 4, 27). Weitere Belege finden sich zahlreich.
4) Der trihunus (später comes) et magister officiorum findet sich zuerst in
den constantinischen Verordnungen C. Th. 16, 10, 1 vom J. 320 und 11, 9, 1
vom J. 323.
5) Dies zeigen die Schilderungen bei Prokop h. arc. 24 und bei Agathias
6, 15. Die Stellen wurden käuflich und die Besoldungen zu Pensionen auf
Lebenszeit.
6) Lydus de mag. 1, 16: o Ascov 8s 6 ßaoiXevi; jtQcöxog xovg leyoixEvovg eoaovßi-
xiOQag x<äv jiaQs^öSmv xov 7ia).atiov (pvlaxas nQoaxtjadfisvos xgcaxoatovg fxövovg
tOXQaXSVOE.
7) Die excubitoi'es scheinen nicht aus den scliolares ausgewählt, sondern von
ihnen verschieden zu sein; indes sicher steht dies nicht.
8) Der älteste mir bekannte Inhaber dieser Stellung ist Justinus, der als
■^ysfxoiv xwv ev xfj avkfj xd^scor (Euagrius 4, 1) oder comes excubitorum (Anon.
Vales. 76; Jordanes Rom. c. 360; Constantinus Porphyr, de caer. 1,93) im J. 519
234 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
Reihen die Offiziere, sowohl der numeri wie ihre eigenen hervor-
gegangen ^.
4. Die palatini und die comitafenses.
Die Palastsoldaten, mUites palat'mi ^ kennt die vordiocletianische
Ordnung nicht. Dass sie eine Institution Diocletians sind, geht nicht
blos daraus hervor, dass verschiedene dazu gehörige Truppenkörper
und zwar ziemlich die vornehmsten nach ihm oder seinem Collegen
226 benannt sind^ und andere derselben nachweislich schon zu dieser
Zeit bestanden haben*, sondern auch aus der Nothwendigkeit der
Verhältnisse. Diocletian hat, offenbar in der Absicht sich von den
bedenklichen militärisch - politischen Traditionen des bestehenden
Gardecorps zu emancipiren, nicht blos dasselbe stark vermindert,
sondern auch es in Rom belassen, während er die Residenz von
dort wegnahm und überhaupt zunächst aufhob. Es war also uner-
lässlich eine neue gleich den ursprünglichen Prätorianern nicht an
zum Kaiser gewählt ward, dann unter Justinian Theodorus (Prokop b. Vand,
2,12. 14), Marcellus (Prokop. b. Goth. 8,32), Belisar (Prokop b. Goth. 4,21).
Dieser coynes steht dem Herrscher vor allen nahe und folgt häufig (vgl. Ewald
zu Gregorius 1, 31).
1) Die V.-O. von 414 C. Th. 7, 4, 34 bestimmt, dass die scholares, quibus . .,
regendos numeros dederimus, neben dem Offiziersold den des scholaris fortbeziehen
sollen. Ein candidatus zum trihunus befördert: Ammian 15, 5, 16. Kaiser Justinus
stieg innerhalb der exeubitoi'es vom Gemeinen bis zum cames auf (S. 232 A. 2
und S. 233 A. 8).
2) Mit den ebenso bezeichneten Officialen namentlich der hohen Finanz-
beamten haben die palatini der militia armata nur den Namen gemein. Von
den scholae kann natürlich die Benennung auch gebraucht werden (Ammiaü
14, 7, 9. 12).
3) Unter den 24 palatinischen Legionen führen vier, und zwar ziemlich
die an der Spitze stehenden, den Namen loviani seniores und iuniores und
Herculiani seniores und iuniores. Diese loviani und Hereuliani bezeichnet
Ammian 25, 6, 3 als die angesehensten Truppenkörper der Armee und dasselbe
geht hervor aus ihrer Verwendung bei den Gerichtsverhandlungen in Kalchedon
Amm. 22, 3, 2 (vgl. auch 27, 10, 10). Die lovii oder loviani und die Herculii oder
Herculiani bei Eunapius fr. 6 = Zosimus 2, 43, 2 und Zosimus 3, 20, 2 und die
cohors lovia und HercuUa Claudians de hello Gild. 1, 415 gehören wohl auch
hierher. Indess finden sich die gleichen Benennungen auch sowohl unter den
Grenzlegionen (S. 213 A. 4) wie unter den auxilia palatina und mit Sicherheit
lassen diese Truppenkörper sich nicht von einander scheiden.
4) Die lanciarii, eine der palatinischen Legionen (vgl. Eph. ep. IV n. 911
[C. I. L. VI, 32943]), werden zugleich mit den durch Constantin aufgelösten
prätorischen Cohorten genannt in den stadtrömischen Inschriften C. I. L. VI, 2759 ;
[= Dessau 2045]. 2787. Auch die unten S. 239 A. 1 mitgetheilte Inschrift des |
numerus landariorum ist aus diocletianischer Zeit.
Das römische Militärwesen seit Diocletiau. 235
einen Ort, sondern an die Person des Kaisers gewiesene Kaisergarde
zu bilden; und dies sind die späteren jja?a^mi. Wenn diese bald
nachher durch die wahrscheinlich von Constantin eingerichteten Saal-
truppen aus dem unmittelbaren Dienst bei der Person des Kaisers
verdrängt worden sind, so bilden sie bei der geringen Stärke der
letzteren darum nicht weniger auch nachher, wenn der Kaiser persön-
lich am Feldzug sich betheihgt, das eigentliche Gardecorps ^. Die
Bezeichnung als iialatini ist vielleicht erst aufgekommen, als die
Truppen des palatium und die in comitatu sich von einander schieden,
wovon weiterhin gehandelt ist; anfänglieh scheinen eben diese
Abtheilungen bezeichnet worden zu sein als dienend in sacro comitatu'^.
Es ist dies um so wahrscheinlicher, als einer relativ beträchtlichen
Zahl der zu den palatini gehörenden Reiterabtheilungen der sonst 227
kaum begegnende Beiname comites geblieben ist^.
Den Bestand dieses Gardecorps für die Zeit des Honorius ent-
nehmen wir der Notitia*. Die Reiterei desselben bestand damals
aus 24 Vexillationen , von denen 14 auf den Osten, 10 auf den
Westen kommen; die Infanterie theils aus 25 Legionen, 13 orientali-
schen und 12 occidentalischen, theils aus 108 aiixilia, davon 43 im
Orient standen, 65 im Westen. Dem Standquartier nach befanden
sich damals im Orient von den Vexillationen 11 in oder bei der
Hauptstadt, 3 bei dem thrakischen Heer; von den Legionen 12 in
oder bei der Hauptstadt, eine bei dem illyrischen Heer; von den
1) In solcher Verwendung erscheinen die palatinischen Legionen der
lanciarii und der mattiarii in den Schlachten, an denen Constantius und Valens
persönlich theilnahmen, bei Ammian 21, 13, 16, 31, 13, 8.
2) In der wahrscheinlich der diocletianischen Zeit angehörenden Inschrift
von Troesmis C. I. L. III, 6194 [= Dessau 2781] findet sich ein lectus in sacro
comit(atu) lanciarius; denn so ist zu verbinden und der Eph. ep. V p. 124 aus-
gesprochene Zweifel nicht begründet. Die Bezeichnung als palatini tritt zuerst
auf in der V.-O. vom J. 365 C. Th. 8, 1, 10, welche die actuarii der palatini,
comitatenses und pseudocomitatenses einander entgegensetzt. Die scholae, die
vexillationes comitatenses aut palatinae, die Legionen und die aiixilia nennt die
V.-O. von 396 C. Th. 7,4, 22; numeri comitatenses ac palatini im Gegensatz eine
vom J. 400 C. Th. 7, 1, 18. Die präcise Kunde verdanken wir auch hier allein
der Notitia.
3) Comites heissen unter den 24 palatinischen Vexillationen neun (Or. 5, 29.
30. 31. 6,28. 31. 8, 25. 26. Occ. 6, 43. 50), ausserdem nur zwei Vexillationen
der comitatenses (Or. 7, 25. Occ. 6, 75).
4) Untergeordnete Differenzen sind in der folgenden Uebersicht unberück-
sichtigt geblieben, da einerseits nach Lage der Sache ein numerisch genaues
Ergebniss nicht zu erreichen ist, andererseits für diese Darstellung ein solches
auch nicht erfordert wird; im Grossen und Ganzen stehen wir hier auf völlig
sicherem Boden.
1
236 ß^s römische Militärwesen seit Diocletian.
Auxilien 35 in oder bei der Hauptstadt, 8 theils bei dem Heer des
Oriens, theils bei dem thrakischen. Im Occident standen von den
10 Vexillationen 7 in Italien, 3 in Gallien; von den 12 Legionen
8 in Italien, 1 in Gallien, 3 in Africa; von den 65 Auxilien 21 in
Italien, die übrigen in den Provinzen. Es haben also selbst in dieser
Epoche trotz aller inzwischen eingetretenen Wandelungen die Garde-
corps der beiden Reiche ihren Charakter nicht wesentlich geändert;
die dazu gehörigen Körper befinden sich im Orient wie im Occident
nicht gerade in den Hauptstädten, aber doch unter dem unmittel-
baren Oberbefehl der dort residirenden magistri militum^. Die
Militärbegräbnissstätte von Concordia, wo in dem ersten Drittel des
fünften Jahrhunderts einige der von der Notitia als in Italien
quartierend aufgeführten Auxilia, die Batavi seniores, Eruli seniores,
Mattiaci seniores standen, hat uns ein deutliches Bild eines dieser
italischen Gardelager gewährt^.
228 Wenn es Diocletian gewesen ist, welcher an die Stelle der zur
hauptstädtischen Garnison gewordenen Kaisergarde ein neues Garde-
corps gesetzt hat, so ist es keineswegs sicher, däss schon er dem
radicalen Fehler der römischen Militärordnung abgeholfen hat ausser
den Garnisonen über keine Truppen zu verfügen. Wir vermögen
nicht zu sagen, ob dieses Gardecorps bereits durch ihn auf eine
Höhe gebracht worden ist, wie sie erfordert wird, um bei einem
Staat von der Ausdehnung und der Beschaffenheit des römischen
als wirkliche Feldarmee gelten zu können ; eine bedeutende Steigerung
der zur freien Verfügung des Kriegsherrn stehenden Truppen und,
was damit zusammenfällt, die Theilung der für diesen Zweck be-
stimmten Truppenkörper in die eigentliche Garde, die palatini und
die Gefolgstruppen, die comitatenses , wird auf jeden Fall auf Con-
stantins Verminderung der Grenztruppen zur Vermehrung derjenigen
des Hofes (S. 220) zurückgehen. Das Heerwesen dieser Zeit kann
nur als diocletianisch - constantinische Schöpfung bezeichnet werden.!
Gewiss mit gutem Grunde giebt Julianus die Bildung desjenigen Feld-
heeres, an dessen Spitze er selber gestanden hat, den Kaisern Maximian
(286 f.), Constantius I. (292 f.) und Constantinl.^, um so mehr als, wie
1) Leo wurde zum Kaiser erwählt als xöfiTjg xal rgißovvog rcöv (xazuagicDv \
(Constantinus Porphyr, de caer. 1, 91), Tskcöv aQ^ag rcöv iv SsXvußQia (Candidus |
p. 135 Müll.). Also eine der beiden palatiuischen Legionen der mattiarii (Not. '
Or. 5, 47. 6, 42) hatte ihr Quartier in dem'Constantinopel benachbarten thrakischen j
Städtchen Selymbria. j
2) Vgl. die Zusammenstellung C. I. L. V p. 1059.
3) In der an Constantius IL gerichteten Rede (or. 1 p. 34 C) sagt er vou
dem Heer des Magnentius: KsXxol aal raläxm . . . ig rovg nataXöyovg rätv atQauo)-]
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 237
weiterhin zu zeigen sein wird, der Kern desselben in den gallischen
Provinzen, also im Herrschaftsbereich der bezeichneten Kaiser gebildet
ward. Wenn, wie es scheint, die comitatenses in diesem Sinne schon
auf einer Inschrift vom J. 310 auftreten^, so fällt die Vollendung der
neuen Ordnung in den Anfang von Constantins langer Regierung.
Späterhin w ird derselben häufig gedacht ^ ; ein klares Bild aber giebt
von derselben wiederum nur die Notitia für die Zeit des Honorius. 229
In wie weit in dem zwischen Diocletian und Honorius liegenden
Jahrhundert und weiter im fünften und sechsten der Gesammtbestand
sich verändert hat, vermögen wir nicht zu verfolgen. Erweislich
nach Diocletian neu geschaffene Truppenkörper kennen wir nur
wenige; die Zahl derselben wird dennoch beträchtlich genug sein.
Noch viel weniger erfahren wir über die inzwischen untergegangenen
oder aufgelösten ; aber die in den Zahlenreihen überall klaffenden
Lücken führen dafür auf eine sehr hohe Ziffer.
Den Bestand der comitatenses entnehmen wir wiederum der
Notitia. Sie bestehen wie die palatini aus Reitern, vexillationes,
und aus Infanterie, welche letztere aber ausschliesslich in Legionen
formirt ist; auxilia kommen hier nicht vor. Vexillationen zählen
wir Gl, von denen 29 auf das Ost-, 32 auf das Westreich entfallen;
Legionen 69, von denen 37 dem Ost-, 32 dem Westreich angehören.
Dem Standquartier nach liegen im Ostreich von den Vexillationen
im Commandobereich der Hauptstadt 13, bei dem Heer des Oriens 10,
bei dem thrakischen 4, bei dem illyrischen 2 ; von den Legionen im
i&v eyyQaqjovzai xai TiXrj jzaQexovzai )M(iJtQä naQo. riöv ocöv Jtgoyovcov xal naxQog
xatsiktjyfieva.
1) Aus Prutting in Baieru C. I. L. III, 5565 [= Dessau 664]: p(rae)p(osüus)
eqq. Dalm(atis) Aquesianis comit(atensibus). Die Auflösung comit(ihus) passt
weder zu der Stellung des Wortes noch zu der Beschaffenheit der offenbar
provinzialen Truppe, während jener Ehrentitel fast nur bei der Garde erscheint
(S. 235 A. 3). Aus demselben Grunde kann auch der Beisatz nicht füglich auf-
gefasst werden als Bezeichnung der Zugehörigkeit zu der Garde wie das in sacfo
camitatu der Inschrift S. 285 A. 2. Die Abtheilung selbst kommt anderweitig
nicht vor, war aber vermuthlich eine vexillatio comitatensis ebenso wie die equites
octavo Dalmatae der Notitia.
2) V.- 0. von 325 C. Th. 7, 20, 34 werden die alares et cohortales milites den
comitatenses atque ripenses milites et pi'otedores entgegengesetzt, wo freilich die
comitatenses milites auch öie palatini ungeschieden einschliessen können. Ferner von
347 (C. Th. 5, 4, 1): universis tarn legionibus quam vexillationibus comitatensibus seu
ciineis; von 365 (C. Th. 8, 1, 10 S. 235 A. 2), wo zuerst palatini und comitatenses
im Gegensatz stehen; C. Th. 7, 4, 22 (S. 235 A. 2). 7, 13, 7. 7, 23. 8. 8, 4, 17.
C. lust. 1, 27, 2, 8. Ammian 29, 5, 4. Inschrift von Thyatira C. I. L. III, 405 [=
Dessau 2792]: militavit annos XX in vexillation(e) eqq. Dal(matarum) comit(a-
tensium) Äncialitana.
238 D^s römische Militärwesen seit Diocletian.
€oramandobereich der Hauptstadt keine, bei dem Heer des Oriens 9,
bei dem thrakischen 20, bei dem illyrischen 8. Im Westreich befanden
sich von den Yexillationen in Italien 1 , in Gallien 8, in Britannien 1 ,
in Africa und Tingitania 22; von den Legionen in Italien 5, in
Illyricum 5, in Gallien 9, in Spanien 5, in Africa 8. Ueberwiegend
also ist diese geringere Kategorie der Kaisertruppen in die Provinzen
vertheilt als Rückhalt für die Vertheidigung der Grenzen.
Die Legion, welche bei den pälatini und den comitatenses auf-
tritt, kann nicht die alte sein von 6000 Mann, sondern ist das
Legionsdetachement in dem früher entwickelten Sinn. Abgesehen
davon, dass bei jener Annahme Ziffern von unmöglicher Höhe her-
auskommen, folgt dies daraus, dass die Legionen der Kaisertruppen,
230 welche aus vordiocletianischen hervorgegangen sind, zum grössten
Theil nachweislich und wahrscheinlich alle Legionsdetachements
gewesen sind und die Truppenkörper dieser Reihen nothwendig alle
nicht gerade gleicher, aber doch ähnlicher Stärke gewesen sein
müssen. Diese Annahme hat auch innere Wahrscheinlichkeit. Wenn
Diocletian die Legionen, die er vorfand, zerstückelte, so war es
nur folgerichtig diejenigen, die er und seine Nachfolger neu ordneten,
gleich auf die reducirte Normalzahl zu stellen, wobei das Bestreben
möglichst viele neue Regimenter zu schaffen und zu benennen auch
eine Rolle gespielt haben mag. Entsprechend finden wir hier nirgends
die Spuren späterer Zerschlagung, wie sie bei den vordiocletianischen
und einzeln auch bei den von Diocletian selbst eingerichteten Grenz-
legionen augenfällig vorliegen; dafür tritt hier bei den Legionen
sowohl wie bei den Vexillationen und den Auxilien nicht constant,
aber sehr häufig die simultane Creirung zweier gleichbenannter und
durch die Beisetzung von smiores und mniores unterschiedener Truppen-
körper ein, welche vielleicht ein gewisses Aequivalent ist für die
allerdings einen inneren Widerspruch in sich tragende Creirung
selbständiger Legionsdetachements. — Die Benennungen der Legionen,
so weit sie einen Schluss auf die Herkunft gestatten, weisen bei den
palaUni überwiegend nach Illyricum [Scythae — Daci — Moesiaci —
Cinibriani — Pannoniciani) und nach Gallien (Nervii — Divitenses —
Tongrecani — Brittones), wogegen der Orient so gut wie ganz [Thebaei)
unvertreten bleibt. Unter den comitatenses überwiegen die vordio-
cletianischen Benennungen und führen übrigens die verhältnissmässig
seltenen örtlichen Bezeichnungen in die gleiche Richtung. Das eigent-
liche Barbarengebiet ist allein durch die legio comitatensis der Tzanneii
vertreten. Im Ganzen genommen erscheint die Legion hier, wie siej
schon der sogenannte Hygin bezeichnet, als die müitia provincialisl
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 239
Dass die Yexillation sowohl bei den pdlatini wie bei den comi-
iatenses der Legion entspricht, ergeben die wesentlich mit einander
«timmenden Ziffern. Sie ist hervorgegangen aus der Legionsreiterei;
aber die Trennung der aus beiden Waffen zusammengesetzten Legion
des Principats in die reine Infanterielegion der Spätzeit und die
vexillatio rührt nicht von Diocletian her, da dessen Legion noch
eine schola equitum einschliesst^. Diese Scheidung ist also erst von 231
Konstantin vorgenommen worden und hängt sicher damit zusammen,
dass ebenfalls seit Constantin das Obercommando für die Cavallerie
und das für die Infanterie bei den Kaisertruppen getheilt war und
die Vexillationen jenem, die Legionen diesem unterstanden. Yon
der Verknüpfung einer einzelnen Vexillation mit einer einzelnen
Legion zeigt sich nirgends eine Spur und sie ist auch durch das
getrennte Obercommando ausgeschlossen. — Die Benennungen tragen
einen wesentlich anderen Charakter als die der Legionen. In der
Oarde erscheinen die Bataver, aber daneben die eigentlichen Aus-
länder, Taifalen, Armenier, Perser, Alanen; in der minderen Kategorie
der comitafenses treten in grosser Zahl dalmatische und gallische
Schwadronen auf, auch Mauren, Marcomanen, Taifalen, Palmyrener,
Oorduener, Parther. Das barbarische, wenn auch meistens reichs-
angehörige Element ist in dieser vornehmeren Waffe bei weitem
stärker vertreten als in der correspondirenden Infanterie.
Eigenartig endlich sind die nur bei dem eigentlichen Gardecorps
auftretenden auxilia. Es ist dies eine im Range der Legion der
Oarde nachstehende, der des Comitats vorgehende leichte Infanterie-
truppe 2, durch die Benennung und den Gegensatz bezeichnet als
nicht römischer Formation; auch die bei diesen Truppen mehrfach
Torkommenden ascarii (S. 216 A. 1), sowie der zunächst ihnen
1) Dies lehrt die folgende neuerdings in Rom zum Vorschein gekommene,
mir von Herrn Hülsen mitgetheilte Inschrift [C. I. L. VI, 32965 = Dessau 2791]:
D(i$) m(anibus) s(acrum). Val(erio) Maxentio aeq(uiti) ex numero lanciarorum
(so). Vixit an(nos) XXVJ, mil(itavit) an(nos) VI. Iscola aequitum b(ene) m(erenti)
f(ecit). Dass die lanciarii von Diocletian eingerichtet wurden, ist S. 234 A. 4
bemerkt.
2) Dies folgt schon aus der Stellung der auxilia palatina hinter den legiones
poHatinae; in der gleichen Kategorie stehen die Reiter immer voran. Femer
nennt Julian (S. 208 A. 1) die von ihm an Constantius gesandten vier Auxilia
rhragag dgi&fiovg r&v XQariarcov ne^wv. Ammian spricht 31, 8, 9 von den
Cornuti aliique peditum numeri und nennt 25, 6, 3 die lomi und die Victoi'es
— übrigens ungenau — Legionen, auch Prokop bell. Goth. 1, 23 die Reges (so
auch Ammian 16, 12, 15; Regii Not. Oec. 5, 229 und C. I. L. V, 8764) ein
iTS^iPcöv Tskog.
240 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
eignende harritus'^ führen auf epichorischen Charakter. Dies be-
232 stätigen und bestimmen näher diejenigen Benennungen dieser
Auxilien, welche auf deren Heimath hinweisen. Orientalen fehlen
so gut wie ganz^; auch Africa ^ und Illyricum* sind schwach ver-
treten. Dagegen die gallischen Völkerschaften finden sich in Masse,
Bataver, Tungrer, Salier, Nervier, Sequaner, viele andere allgemein
als Galli, Gallicani, Celtae charakterisirte , auch Britanner. Dazu
kommen eine nicht minder grosse Anzahl von Völkerschaften des
rechten Rheinufers, deren Abtheilungen nur aus Kriegsgefangenen
oder Geworbenen dieser Stämme hervorgegangen sein können,
Eruier 5, Ampsivarier, Tubanten, Bructerer, Mattiaker, Bucinobanten,
Brisigaver, denen auch die Anglevarier (wohl die Angeln) und die
sonst nicht genannten Raetovarier und Falcovarier beizuzählen sein
werden; desgleichen die schottischen Atecotten. Dass auch die-
jenigen auxilia palatina, deren Benennung den Ursprung nicht
erkennen lässt, die Cornutl^ Brachiati, Petulantes^, lovii, Victores
und so weiter im Grossen und Ganzen gleicher Herkunft sind, kann
nicht bezweifelt werden. So weit diese auxilia aus Reichsangehörigen 1
bestehen, sind sie sicher, wie die der Donauducate, aus den örtlichen
Milizen hervorgegangen und steht der Name dort wie hier in der
gleichen Verwendung; auch dem Range nach stehen die Auxilien
der Donauarmee ebenso über ihren Legionen wie die palatina über
denen des Comitats. Hier aber sind es die Rheinprovinzen, die dafür
vorzugsweise das Material geliefert haben. Um die Bedeutung dieser
Thatsache richtig zu würdigen, muss einerseits daran erinnert werden,
dass dieser specifisch gallisch-germanische Charakter den Vexillationen
und den Legionen der Garde keineswegs beiwohnt, andrerseits an
die über ihre Rangstellung weit hinausragende Bedeutung, welche
in den Kriegen der nachdiocletianischen Zeit diesen Auxilien
1) Amrnian 16, 12, 43 legt ihn zunächst den Cornuti und den Brachiati bei;
er ward alsdann der allgemeine Schlachtruf der römischen Heere dieser Zeit im
Westen wie im Osten (Ammian 21, 13, 15. 26, 2, 17 : quem barhari dicunt barritum,
31, 7, 11: qumn gentilitate appellant barritum).
2) Ausnahme machen nur die Felices Theodosiani Isauri (Or. 5, 66), die
Hiberi (Or. 5, 60) und die sagittarii seniores und iuniores Orientales (Or. 6, 54. 55).
3) Honoriani Mauri seniores und iuniores (Occ. 5, 203. 204) ; Mawri tonantes
seniores und iuniores (Occ. 5, 221. 222).
4) Raeti (Occ. 5, 191); Honoriani Marcomani seniores und iuniores (Occ. 5, 198.
199); Thraces (Or. 6, 60); Visi (Or. 5, 61); Teruingi (Or. 6, 61).
5) Das oft genannte Auxilium der Eruier, sicher eines der ältesten, ist
wohl aus dem transrhenanischen Feldzuge Maximians (Mamertinus paneg. 5,
genethl. 7) hervorgegangen.
6) Diese nennt Ammian 20, 4, 13 geborene Gallier. .
i
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 241
zukommt. Die lovii und die Victores zählt Ammian^ zu den ange- 233
sehensten Regimentern des römischen Heeres. Als der persische
Krieg ausbricht, fordert Constantius von Julian die Zusendung der
Eruier, Bataver, Gelten und Petulainten^. In allen Schlachtberichten
aus dieser Epoche bilden sie den Kern der römischen Heere und
der ihnen eigene Barritus wird der Schlachtruf derselben wie im
Westen so auch im Osten (S. 240 A. 1). — Wir gewinnen hier
einen Einblick in die eigenartige Reorganisation des römischen
Heerwesens. Von den mehr als 100 auxilia, welche die Notitia
aufführt, mag in der diocletianischen Epoche nur ein massiger Theil
aufgestellt worden sein; aber die Formation dieser vermuthlich nach
germanischem Muster gestalteten Infanterietruppe selbst und ihre
Bildung aus den streitkräftigen Männern Galliens und des angrenzenden
Germanien ist allem Anschein nach das Werk Maximians. Mit der
also geschaffenen Infanterie hat er nicht blos seine Schlachten ge-
schlagen, sondern auch dem Herrn und Meister im Osten die Kern-
schaaren geliefert, die am Nil und am Euphrat für ihn siegten un'd
militärisch hat damit das Auxilium die Legion überflügelt.
5. Die hucellarii.*) <
Die Usurpation militärischer Macht durch den Privaten gehört
von Rechtswegen nicht in die Darstellung des Kriegswesens, sondern
in das Criminalrecht. Indess in den aufgelösten Verhältnissen der
spätrömischen Zeit kann jenes nicht genügend erläutert werden,
ohne auf die Privattruppen wenigstens einen Blick zu werfen.
Dass die Herren ihren unfreien Leuten Waffen geben und dadurch 234
die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen, ist die nothwendige Conse-
1) 25, 6, 3 zum J. 363 von den loviani und Hei'culiani (S, 234 A. 3) uud
den lovii und Victor es: quae tum primas cxercitus obtinehant. Von dem hohen
Solde der Cornuti und der Brachiati spricht er 15, 5, 31.
2) Ammian 20, 4, 2 : Decentium tribunum et notarium misit atixiliares milites
exinde protinus ahstracturum Erulos et Batavos cumque Petulantibus Celtas lectos-
que ex numeris aliis trecentenos; womit die Aeusserung Julians S. 208 A. 1 zu
vergleichen ist. Die numeri sind nicht die übrigen auxilia, sondern die übrigen
Truppenkörper, da es nachher heisst: super auxiliariis et trecenis cogendis, auch
Julian (S. 208 A. 1) diese als geringere Mannschaften bezeichnet. Es ist leichte
Infanterie {velitare auxilium Amm. 20, 1, 3; auxiliares vdites 16, 11, 9; auxiliares
ad cursuram levissimi 24, 2, 8; levis armaturae auxilia 24, 6, 9). Sie sind die
auxiliarii milites munia semper spernentes Ammians 18, 2, 6 und werden auch
anderswo bei ihm erwähnt (16, 2, 4; vgl. c. 3, 10. 21, 4, 8). Auch im persischen
Feldzug ist das gallische Fussvolk der Kern der Armee (Amm. 23, 5, 24. 24, 1, 2).
*) [Vgl. Conr. Benjamin, de lustiniani imperatoris aetate quaestiones mili-
tares. Berol. 1892.] ^j XUn,Tc^ ^ MM't.^ e^^-^ ^
MOMMSEN, SCHR. VI. /? ,(\ i (i , n s '' ' /l«^« , /^ />
242 D3,s römische Militärwesen seit Diocletiau.
quenz der noch nicht erstarkten oder auch altersschwachen Staats-
gewalt. Diese Consequenz ist denn auch gezogen worden, wo immer
die Energie des römischen Regiments versagte, unter der verfallenden
Republik nicht minder wie unter der verfallenden Monarchie. Aber
im fünften Jahrhundert bleibt man nicht stehen bei der Bewaffnung
der eigenen Knechte ; es werden, wie die dagegen erlassenen Yerbote
beweisen, zu diesem Zwecke auch freie Mannschaften angenommen, die
httceUarii oder foederati. Die erstere Bezeichnung, welche nach einem
zuverlässigen Gewährsmann um den Anfang des fünften Jahrhunderts
aufgekommen ^ und dem Orient ^ und dem Occident ^ gemeinsam ist,
ist hergenommen von der bucella, dem Militärzwieback und bezeichnet
also diese Leute als 'Brotleute' ihres Herrn und spöttisch als
Privatsoldaten*; die zweite, welche nur im constantinopolitanischen
Sprachgebrauch nachzuweisen ist^, rührt daher, dass man bei der
235 Annahme dieser Mannschaften wie in Kleinasien die Isaurer^ und
1) Olympiodorus (um 425) p. 59 Müll.: tö ßovxsXXaQiog ovofia iv ratg ^fxegaig
'OvcoQiov e(psQSTO xaxä otgazicoTcöv ov fiövov 'Paifialwv , alXa xal Föx'&cov rivwv • wg
d' avrcog xai to (poiösQarcov xaxä öiacpögov xal avfxf^iyovg icpegszo nXrj&ovg.
2) Zuerst genannt werden die bucellarii in der Notitia Orientis c. 7, 25;
indess ist aus der Benennung einer der unter dem mag. mtl. per Orientem stehenden
Vexillationen comites cataphractarü bucellarii iuniores der Werth der Bezeichnung
nicht zu entnehmen. Diesen zeigt dagegen die V.-O. Leos vom J. 468 cod. Tust.
9, 12, 10: Omnibus per eivitates et agros habendi bu^ellarios vd Isauros armatosque
servos licentiam volumus esse praeclttsam.
3) Das älteste wahrscheinlich unter König Eurich im 5. Jahrhundert auf-
gezeichnete westgothische Rechtsbuch behandelt (c. 308 der Pariser Fragmente)
den Bucellariat als recipirtes Rechtsinstitut. Bei Gregorius von Tours hist.
Franc. 2, 8 heisst der Trabant des Aetius, von dessen Hand Kaiser Valentinian
fiel, bucellarius Aetii.
4) Richtig {erklärt der Scholiast der Basiliken 60, 18, 29 die bucellarii als
Ol xov aqxov xivog sa&iovxsg sji avxco xovxco xcö jtaQafisvsiv avzcö. Dieselbe Ableitung
und die spöttische Beziehung auf das Commissbrod giebt auch Olympiodor
(A. 1). Auch Johannes Antiochenus (S. 229 A. 2) hat diese Definition im Sinn.
5) Ausser bei Olympiodor (A. 1) und bei Malalas (S. 243 A. 2) erscheint
dieser Sprachgebrauch namentlich bei Prokop, der nach der S. 226 A. 5 gegebe-
nen Definition der älteren und eigentlichen foederati also fortfährt: x6 8h vvv
oTiaai xov ovöfiaxog xovxov ovx iv xcoXv/a.7] saxi. Er nennt consequent die bucellarii
mit diesem Namen, während er ihn für die älteren foederati vermeidet, und
giebt daher seinen foederati nie eine nationale Bezeichnung ; dass in einem dieser
Haufen 70 Hunnen sind (b. "Vand. 2, 13) und dass die Eruier häufig in denselben
Dienst nehmen (b. Goth. 3, 33), stimmt damit überein. Auch in Justinians
Verordnungen scheinen die foederati meistentheils (vgl. S. 226 A. 5) die bucellarii
zu sein ; ausser den S. 245 A. 8 angeführten Stellen gilt dies wohl auch von den
Ghartulariem xcöv ysvvaioxdxwv dgid'ficöv rjxoi q^oiösQaxcov cod. 12, 37, 19 und den
milites, scholares, foederati Nov. 117 c. 11. 6) Leo oben A. 2.
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 243
die Galater ^, so in Byzanz die Gothen bevorzugte ^, für welche dort,
wie schon bemerkt ward (S. 227 A. 4), die Benennung foederati
beinahe zum Surrogat des Ethnikon geworden war. Vorzugsweise
entwickelt erscheint die Bildung solcher Mannschaften bei den
Offizieren, was vielleicht daran anknüpft, dass einem solchen nicht
blos seit langem seine Dienerschaft^ und Verwandtschaft in das
Feldlager folgten, sondern ihm auch von Valentinian I. verstattet
ward freigeborene und nicht verwandte Personen unter der Voraus-
setzung ihrer Fähigkeit zum Dienst und ihrer Anmeldung dazu mit
sich zu nehmen*. In Justinians Zeit schickt es sich für den Civil-
beamten nicht Bucellarier sich zuzulegen^; aber kein Offizier ist 236
ohne derartige eigene Gefolgsleute^ und bei den höchstgestellten
entwickelt sich das Gefolge zum Heerhaufen, ja zum Armeecorps '^.
1) Nur daraus lässt es sich erklären, dass Galatien den späteren Byzantinern
geradezu tj ßavxeXXaQioiv x^Q^ heisst (Ducange lex. med. Gi'aec. app. p. 42).
2) Das Zeugniss Olympiodors ist bereits S. 242 A. 1 angeführt worden.
Schon von Rufinus sagt Claudian in Ruf. 2, 76 mit Beziehung auf das eben vorher
erwähnte gothische foedus: stipatur sociis circumque armata clientum agmina
jyrivatis ibant famulantia signis. Unter Leo hatte nach Malalas (in dem in dieser
Zeitschrift [Hermes] 6, 369 von mir herausgegebenen Fragment) jiXfj'&og rSz^cov xal
x6fit]zag noXXovg xal aXXovg JiaiSag xal jiaQafxevovxa? avxolg dv&Qcb^ovg, ovg ixdXeos
(poideQaxovg (wegen der dann folgenden eigentlich nicht hierhergehörigen
Bemerkung vgl. S. 229 A. 2). lustinian cod. 1, 5, 12, 17: Föx'&ovg noXXdxtg xoig
xa'&waiojf.iEvoig iyyQd(pofi£v (potösgdzoig.
3) Die Verwendung des Sclaven neben dem Herrn im Kriegsdienst ist nicht
römisch ; über die abweichende germanische Sitte vgl. S. 251 A. 3. Doch fehlen
sie in dem Feldhermgefolge der Spätzeit nicht ganz. In demjenigen des Narses
ficht neben den ojiadoi das Gesinde {xov ^rjxixov xal olxexixov öjiöoov ovx dnöXsfjiov
fjv: Agathias 2, 8; vgl. 1, 19) und auch bei Belisar wird der waffenfähigen Sclaven
gedacht (S. 244 A. 1). — Dass der Rekrut, der als Reiter zu dienen wünscht,
gefragt wird , ob er einen Sclaven besitze (C. Th. 7, 22, 2), beruht natürlich auf
einem anderen Gmnd.
4) V.O. von 367 C. Th. 7, 1, 10: plerique milites seeum homines condicionis
ingenuae propinquitate simulata vel condicione lixarum frequenter abducunt: ideoque
ut numerosissima pube crescat exercitus, nioneantur, ut ipsi sponte huiuscemodi
Iwmines . . . tribunis suis sive praepositis offerant. [S. jedoch Benjamin a. a. 0. S. 39.]
5) Der Präfect des Prätorium Johannes der Kappadokier wird bei Prokop
b. Pers. 1, 25 getadelt ixaigiadf-isvog doQvq^ÖQCov xe xal vTiaanioxwv ;|f<A<a^aff noXXdg,
ov ysyovog vjtdgxcov xivl jiqÖxeqov xovxo ye.
6) So hat Artabanes, der vornehmer Abkunft, aber militärisch nichts ist
als Tribun eines armenischen Numerus, wenigstens einen angesehenen Doryphoren
(Prokop b. Vand. 2, 27. 28). Andere Beispiele das. 1, 11. 2, 18. 21. 25 und oft.
7) Ein Dux von Armenien hat ein Gefolge von über 1000 Mann (Prokop
b. Goth. 3, 27). Belisars Gefolge, allerdings nach Prokop (b. Goth. 3, 1; vgl. 3, 12)
von bis dahin unerreichter Stärke, bestand aus 7000 Reitern. Sein Zahlmeister
16*
244 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
Diese Privatsoldaten gehen, wie der Mehrzahl nach auch die
Soldaten des Staats, hervor aus der "Werbung. Der Bucellarius ist
ein freier Mann und bleibt es; er kann das Verhältniss lösen und
einen anderen Herrn oder eine andere Lebensstellung sich suchen^.
Aber er leistet dem Herrn den Treueid ^ und wenigstens nach den
westgothischen Gesetzen müssen, wenn er oder wenn seine Kinder
den 'Patron' wechseln, sie die von dem bisherigen empfangenen
Waffen und die Hälfte des während der Dienstzeit gewonnenen
Gutes im Hause des Patrons zurücklassen (S. 242 A, 3). Sie
haben nicht blos im Gefecht vor Allem die Person des Herrn
237 zu schützen^, sondern auch bei der Tafel hinter ihm zu stehen*.
Dass sie sämmtlich beritten sind ^, hängt zusammen mit dem merk-
würdigen Uebergewicht dieser Waffe über das Fussvolk in der
justinianischen Zeit. Es werden diese Reiter höher geachtet als die
vom Staat aufgestellten Schwadronen*. Dass unter den Gefolgsleuten,
wenigstens bei den höher gestellten Herren, Abstufungen bestanden,
(optio) Johannes der Armenier ist im Vandalenkrieg einer der angesehensten
Offiziere Belisars, führt in der entscheidenden Schlacht das Mitteltreffen und
trägt die Feldherrnstandarte (Prokop b. Vand. 1, 17. 2, 2. 3). Unter Narses führt
ein ähnliches Commando Zandalas 6 twv oixoxQißcov öjiadcöv jtQcoroazdTrjg (Agathia»
(1, 19. 2, 8).
1) Als Germanus der Neffe Justinians sich zu seiner italischen Expedition
rüstet, strömen nach der Erzählung Prokops b. Goth. 3, 39 ihm für sein Geld
(xeij^iata oixo&Ev ovösfiiä (peidol nQoisfxsvoc:) zahlreiche gediente Römer und Barbaren
zu und verlassen ihre bisherigen Gefolgsherren ; dasselbe thun mit kaiserlicher
Erlaubniss eine Anzahl von Reitern des thrakischen Heeres. Narses veranlasst
einen Soldaten, der sich im Kampf ausgezeichnet hatte, unter seine Hypaspisten
einzutreten (Prokop b. Goth. 4, 29). Als Belisar in Ungnade fiel, weist Justinian
widerrechtlich seine Palastbeamten an die Bewaffneten desselben mit Einschluss
der dienstfähigen Sclaven unter sich zu verloosen (Prokop hist. arc. 4).
2) Prokop b. Vand. 2, 18 : -^v roivvv sl&iofiEvov &iaai 'Pcofcaioig ex naXmov
firjdeva doQVCpÖQOv x&v tivog Ölqxovxcov xa&iotao&ai , f]V fii] Ssivordrovg tiqöxsqov
ÖQxovg jiaQEx^fxevog rä Jiiarä doir] xfjg ig avxov xal xov ßaoiXea 'Pcofiaicov svvoiag.
3) Prokop b. Goth. 1, 18.
4) Prokop b. Vand. 2, 28 : a.Qx6vxa>v soxiojfxsvcov ojtio&ev soxdvai xovg öoqv-
(pÖQovg v6(i,og. Es werden ihnen Theile der Mahlzeit verabreicht, die sie draussen
verzehren.
5) Nicht blos die bucellarii der Notitia sind Panzerreiter (S. 242 A. 2),
sondern auch bei Prokop die Mannschaften Belisars (S. 243 A. 7) sowie die
foederati alle. In der vandalischen Entscheidungsschlacht, in welcher nur Reiter
fochten (Prokop b. Vand. 2, 7), bildeten Belisars eigene Reiter das Mitteltreffen,
die übrigen foederati den linken Flügel, die numeri den rechten (a. a. 0. 2, 3;
vgl. 1, 11).
6) Wenigstens nennt Prokop b. Vand. 1, 11. b. Goth. 1, 5 die Föderaten vor
den numeri equestres.
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 245
versteht sich von selbst; es werden zwei Kategorien unterschieden,
als amici und armigeri bei den Lateinern bezeichnet^, bestimmter
bei Prokopius als doQvcpoqoi und vjiaomoral, von denen jene, häufig
Männer von Geburt und Ansehen'-^, mit den kaiserlichen scholares
verglichen werden^ und die Rolle der Offiziere spielen*. Ohne
Zweifel liegt dabei ein stark entwickeltes Condottierisystem zu
Grunde. Diese Mannschaften werden zwar als Dienstleute von ihren
Patronen unterhalten und bleiben auch wohl zusammen, wenn dieser
sein Commando niederlegt^; aber der Regel nach waren sie ohne 238
Zweifel für den Reichsdienst bestimmt und, wenn 'sie dafür nicht
genommen wurden, die Anwerbung eine verunglückte Speculation^
Sie schwuren Treue nicht blos ihrem Herrn, sondern auch dem
Kaiser (S. 244 A. 2); es finden sich Spuren davon, dass sie einer
Prüfung unterlagen und von der Regierung als unbrauchbar abge-
lehnt werden konnten''. Dass sie in den Verordnungen bezeichnet
werden als unter den Zahlmeistern (optiones) stehend^, wird darauf
1) Prosper zum J. 455: ut interfectoi' Aetii amicos armigßrosque eins sibi
consodaret. Der Alamannenkönig Chnodomar giebt sich gefangen mit 3 amici
und 200 cmiites (Ammian 16, 12, 60).
2) Johannes der Armenier ist schon erwähnt (S. 243 A. 7). Ein Gefolgs-
mann des mag. mit Sitta wird den Persern als Geisel gegeben (b. Pers. 1, 22).
Andere Beispiele finden sich genug.
8) Prokop b. Goth. 3, 38: ßaodicog 'lovariviavov doQvcpÖQog, snel ig tovg xavdt-
Sdrovg (vgl. S. 231 A. 1) xakovfisvovg zskcöv stvyj. Armigeri des Kaisers nennt
freilich Ammian alle der Person desselben beigegebenen Soldaten (31, 10, 21;
vgl. 20, 4, 18. 31, 13, 8), unter andern die zu den scholae gehörenden scutarii
(31, 10, 3. 20).
4) Belisar entsendet einen Doryphoros mit 22 Hypaspisten (b. Vand. 1, 23) .
einen andern mit 800 (b. Vand. 1, 17), zwei Doryphoren mit 1200 meist eigenen
Hypaspisten (b. Vand. 2, 19). Andere Beispiele b. Goth. 1, 27. 2, 2. 7. Lydus de
mag. 1, 4G gleicht doQV(p6Qoi und ßrj^dläoioi, vjiaojiiorai und av^thaQioi.
5) Als Belisar 542 aus Persien abberufen ward, schickte er seine Gefolg-
«chaft zum Ueberwintern nach Kilikien (Prokop hist. arc. 3). Er war so reich^
dass er die Kosten der zweiten italischen Expedition aus eigenen Mitteln zu
■tragen sich verpflichtete (das. 4); in den meisten Fällen aber muss der Rücktritt
des Patrons aus dem Dienst die Auflösung der Truppe nach sich gezogen haben.
6) Nachdem Prokop hist. arc. 24 die Unbilden erörtert hat, welche Justinian
den Soldaten anthat, heisst es weiter: ov fxövoi 8s oi orgazicHzai . . . ijtisCovro,
dXXa xal Ol näaiv vnrjQEzovvxsg xoXg ozQaxrjyoTg na/jJilrj'&eTg ze xal dö^j] ixsyaXf] zä
^TQÖzsQa ovzeg kifiä) xal nevla dsivfj r]yß^ovzo ■ ov yctQ eixov o&ev xä slco&öza a<piai
:TOQioovzai. Man wird jetzt verstehen, was gemeint ist.
7) Prokop b. Goth. 3, 1 von Belisars Mannschaften: mp örj änoßhizog fisv
ovdslg iysyövsi.
8) Justinian cod. 4, 64, 35: milites appeUlamus eos qui tarn sub . . . magistris
militum tolerare noscuntur militiam quam in undecim . . . scholis taxati stmt -nee
246 Das römische Militärwesen seit Diocletiau.
zu beziehen sein, dass bei der Zulassung dieser Privatsoldaten zum
Reichsdienst natürlich die Soldzahlung auf den Staat überging und
dieser also den Zahlmeister für sie ernannte, während sonst die
Offiziersernennung, so weit sie erforderlich war, durch den Condottiere
erfolgte. Unter Justinian scheint für diejenigen Privatreiter, welche
für den Dienst in der Hauptstadt angenommen waren, ein eigener
Oberbefehlshaber, ein comes foederaforum ernannt worden zu sein^.
239 Die Fäulniss der griechisch-römischen Civilisation, deren letztes
Stadium wir hier nach der militärischen Seite hin erwägen, führt
insofern zu den Anfängen zurück, als damit wieder die Selbsthülfe
eintritt. Die Bildung des Staats besteht darin, dass das Gemein-
wesen dem Einzelnen nicht gestattet die Waffen nach seinem Er-
messen zu führen und schliesslich sie ihm ganz aus der Hand nimmt.
Bei dem Bankerott des römischen war es nicht genug damit, dass
das öffentliche Kriegswesen auf die Ausländer überging. Vollendet war
er erst, als bei dem Versagen des staatlichen Schutzes die Selbsthülfe
wieder in ihre alte Stelle trat und jeder sich wieder Recht schaffte,
wie er wollte und konnte; als es wieder kein anderes Recht gab
als das des Stärkeren und der Staat selber die von Privaten auf-
gestellten Gewalthaufen für seine Zwecke dang. Der Gothe Theoderich
war nur der Führer eines von den Römern in Sold genommenen
germanischen Haufens, der Thraker Belisar der Condottiere einer
geworbenen Söldnerschaar.
6. Die Rechtsgründe des Kriegsdienstes.
Bevor wir in die Erörterung der Gründe der Dienstpflicht ein-
treten, wie sie in nachdiocletianischer Zeit geordnet waren, muss
festgestellt werden, was aus der politischen Qualification für den
Heerdienst in dieser Epoche geworden ;ist. Das Ergebniss ist wesent-
lich negativ. In der früheren Epoche war der Ausländer vom römi-
non eos qui sub diversis optionibus foederatorum nomine sunt deeorati. Derselbe
droht nov. 116 Strafe denen, die nicht zovg fj.kv argaricözag eis rovg dgid'fiovg
ixjtsfitpcooiv, SV oTg azQazevovrat, zovg dk <poideQdzovg Jigog zovg löiovg onziovag. Der
Optio Belisars (S. 243 A. 7), den dieser sicher selbst ernannt hat, kann füglich
daneben bestehen. — Ein optio findet sich natürlich in jeder Truppe. Prokop
b. Vand. 2, 20 spricht von einem Tcs^og zov xazaXöyov onzimv, slg ov avzog dvsyiyQOTtio
und erklärt dies mit zwv ovvzd^ecov xoQfjydg.
1) Patriciolus, der Vater des Vitalianus, war nach Theophanes zum J. 6005 i
xof^ijg (poidsQdzcov. Nach Prokop b. Goth. 3, 31 ernannte Justinian den Artabanes
zum ozQarrjyog z&v iv Bv^aviicp azQaztcozcöv, also zum mag. mil. in praesenti, und {
zum ägxfov (poiÖEgdzcov. Denselben Titel führen bei Theophanes zum J. 6055 ( i|
Eusebius, zum J. 6074 Mauricius.
i
Das römische Militärweseu seit Diocletian. 247
sehen Dienste ausgeschlossen. Dienstfähig war der römische Bürger
und der römische Unterthan, aber nicht in gleicher Weise; jener
diente in den Legionen, dieser in den Legionsauxilien. Der Unfreie
war überhaupt unfähig zu dienen. Alle diese Fundamentalsätze der
augustischen Ordnungen sind in dieser Epoche theils förmlich, theils
wenigstens praktisch gefallen und es giebt schliesslich keine andere
Qualification für den Kriegsdienst mehr als die rein militärische ^.
Die frühere römische Ordnung kennt, abgesehen von den mittel-
baren der Clientelstaaten, keine römischen Truppen als die Legionen
der Bürger und die Alan und Cohorten und die Numeri der Unter-
thanen. Uebertretende oder kriegsgefangene Ausländer sind wohl
auch damals schon zu römischen Soldaten gemacht worden; aber es
rechtfertigt sich dies formell dadurch, dass der Ueberläufer wie der 240
Gefangene in römische Unterthänigkeit eintritt und selbst das Bürger-
recht ihm verliehen werden kann, materiell durch den relativ geringen
Umfang dieser Aufnahmen in das Heer und mehr noch durch das
Bestreben sie zu verdecken. Kaiser Probus legte den besiegten
Deutschen auf 16000 kriegstüchtige Mannschaften zu liefern, aber
es durfte nicht zum Vorschein kommen, dass der zusammenbrechende
Römerstaat durch Barbarenarme gestützt wurde, und demnach wurden
diese Mannschaften in die bestehenden Regimenter untergesteckt 2.
Darum giebt es mit der einen Ausnahme einer nach den Parthern,
den einzigen als ebenbürtig von den Römern anerkannten Gegnern,
benannten Ala keine ältere Truppe ausländischer Benennung. Weiter
und vor allem finden wir von Anwerbung im Ausland für die römi-
schen Truppenkörper in vordiocletianischer Zeit keine Spur^. —
Für dieses Princip tritt jetzt das entgegengesetzte ein. Je barbarischer
der Soldat ist, desto mehr wird er als solcher geschätzt. Italien
und die altbefriedeten von hellenischer* oder römischer Civilisation
völlig durchdrungenen Provinzen sind militärisch so zu sagen nicht
1) Zu dieser gehört ausser der körperlichen Tauglichkeit auch die moralische
Qualification, wie sie zum Beispiel C. Th. 7, 13, 8 und bei Vegetius 1, 7 ent-
wickelt ist.
2) Vita Probi 14: accepit sedecim milia tironum, quos omnes per diversas
provincias sparsit ita, ut numeris vel limitaneis militüms quinquagenos et sexagenos
intersereret, dicens sentiendum esse, non videndum, cum auxiliaribus barbaris
Momanus iuvatur.
3) Annahme und selbst Dingung ausländischer Hülfscorps ist keine An-
werbung. Der fiysficov twv ^svcxwv orgarojidöcov unter Aurelian bei Dexippos
fr. 24 Müller wird von solchen zu verstehen sein.
4) Den Gothen Prokops sind die 'Griechen' {rQaTxoi) ungefähr was unseren
Vorfahren die Reichssoldaten (b. Goth. 1, 18. 3, 21. 4, 23. bist. arc. 24).
248 ^^^ römische Militärwesen seit Diocletian.
vorhanden ; unter den Provinzialen stehen die am wenigsten civilisirten,
im Orient die Galater und die Isaurer, im Occident die Illyriker,
die Bataver, die Tungrer und so weiter voran. Nach den reichs-
angehörigen oder den ausländischen Barbaren benannte Truppenkörper
finden sich in grosser Menge und von jeder Art; die vornehmsten
unter allen, die scholae, legen sich zum Theil die Barbarenbenennung
titular bei und sind oder sollen wenigstens alle dieser Herkunft sein
(S. 232). Von der Werbung im Ausland wird weiterhin noch die
Rede sein. Somit wird nicht blos die Beschränkung der Truppen-
bildung auf das Inland principiell aufgegeben, sondern auch den
mehr oder minder ausländischen der Vorrang vor den inländischen
eingeräumt. Freilich kann die Schenkung des Bürgerrechts an dienst-
241 nehmende Ausländer nicht völlig weggefallen sein. Um in die
eigentlichen Aemter gelangen zu können, musste der ausländische
Soldat nothwendig das römische Bürgerrecht erhalten und auch für
den römischen Offizier mag dies in Kraft geblieben sein^. Die
zahlreichen Flavier dieses Jahrhunderts zeugen deutlicher noch als
die Einzelberichte der Historiker von der Häufigkeit dieses Heimath-
wechsels, durch welchen die ausländische Prärogative keineswegs
aufgehoben ward, da diese an die Thatsache der Nationalität, nicht
an die Form des Bürgerrechts geknüpft war. Aber von den alten
Ordnungen, die die Verleihung des Bürgerrechts an den Eintritt in
den legionaren Dienst oder auch an die Veteranisirung knüpfte, ist
in dieser Epoche nirgends die Rede und die Soldaten sind ohne
Zweifel, so weit sie nicht geborene Bürger waren, regelmässig Aus-
länder geblieben '''.
In Folge dieser Umgestaltung ist der alte politische Gegensatz
zwischen den Legionen und den nicht legionaren Truppen vielleicht
nicht eigentlich aufgegeben, aber vollständig verschoben. Auch jetzt
noch scheinen die Legionen regelmässig aus den cives Momani dieser
Epoche gebildet worden zu sein. Der Gedanke des Augustus, für
die Bildung der Bürgerlegionen die sämmtlichen Städte des Reiches
römischen oder peregrinischen Rechts heranzuziehen, konnte sogar
jetzt durchgeführt werden, ohne dass es dazu ferner des Umwegs
bedurfte die personale Verleihung des Bürgerrechts mit dem Eintritt
in die Legion zu verknüpfen; denn die reichsangehörigen Städte
1) Unter den germanischen Königen Italiens ist es dagegen durchgeführt,
dass allein der Nichtrömer die Offizierstelle, allein der Römer die Aemter
bekleidet.
2) Vgl. CLL. III, 3576 [= Dessau 2814]: Francus ego cives, Bomanus
mües in armis.
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 249
waren jetzt sämmtlich Bürgergemeinden geworden. Audi hat damit
der bürgerliche Kreis sich wahrscheinlich in solchem Verhältniss
erweitert, dass selbst die vermehrten Legionen füglich aus demselben
hervorgehen konnten; es spricht weiter für diese Annahme, dass
mit der einen Ausnahme derjenigen der Tzanner sich unter den
zahlreichen in dieser Epoche neu gebildeten keine einzige mit aus-
ländischer Benennung findet (S. 238). Dasselbe gilt von den
aus der Legionsreiterei entwickelten Equites der Grenztruppen
(S. 218). Aber wenn, die Legionen und diese Reiterabtheilungen,
wie es allerdings scheint, sämmtlich Bürgerlegionen und Bürgerreiter
gewesen sind, so war dies jetzt eine Zurücksetzung, und so tritt sie
auch auf: die Auxilien der Donauducate stehen im Rang über den 242
Legionen derselben und ebenso die Auxilien der Garde über den
Legionen wenigstens des Comitats; unter den Vexillationen, welche
den Palast- und den Comitatslegionen entsprechen, aber im Range
höher stehen, sind die bei diesen fehlenden ausländischen Benen-
nungen zahlreich anzutreffen. Alle Spuren führen dahin, dass je
höher die Truppe im Rang steht, desto mehr das ausländische
Element in ihr hervortritt. Hat es also zwischen der Qualification
für den legionaren und derjenigen für den nichtlegionaren Dienst
in dieser Zeit einen rechtlichen Gegensatz gegeben, so war jetzt
der Nichtbürger der Privilegirte. Wahrscheinlich aber hat ein
formaler Gegensatz dieser Art damals nicht bestanden, sondern konnte
rechtlich der Römer wie der Nichtrömer in jede Abtheilung ein-
treten und wurden die barbarischen Mannschaften bei der Bildung
der höheren Abtheilungen nur thatsächlich bevorzugt. Dass in den
Donauauxilien Bürger wie Mchtbürger dienten, lässt sich erweisen^
und so wird es in allen Abtheilungen gewesen sein, nur dass in
den Legionen die Ausländer ebenso selten waren wie die Römer
in den Scholen. Für diese Annahme spricht ferner, dass unsere
I Ueberlieferung über Rechtsunterschiede dieser Art vollständig
j schweigt. Der alte Gegensatz der Legion und der augustischen
Legionsauxilien wie der im dritten Jahrhundert auftretenden Pro-
vinzialmilizen ^ ist in der militärischen Formation wenigstens einiger-
massen geblieben, aber das eigentliche Fundament desselben, die
1) Die darunter auftretenden gentes (S. 216 A. 3) sind Nichtbürger; anderer-
seits erscheinen darin des Decurionats fähige Individuen (S. 215 A. 5).
2) Vgl. S. 217 A. 2. Die dazu gehörigen Elemente lassen sich wohl im
Einzelnen wiedererkennen, wie die palmyrenischen Panzerreiter und die örtlichen
[Exploratoren, aber diese Truppen bilden nicht mehr wie früher eine den Legionen
lund ihren Auxilien gegenüber wenigstens negativ geschlossene Einheit.
250 ^^^ römische Militärwesen seit Diocletian.
rechtlichen Verschiedenheiten der Kreise und der Normen für die
Bildung der einzelnen Truppenkörper ist in der unterschiedlosen
Annahme des Soldaten untergegangen.
Am längsten hat selbstverständlich die Unfähigkeit des Unfreien
zum Kriegsdienst sich behauptet. Von dem zur Rekrutenstellung
Pflichtigen Grundbesitzer wird noch nach einer Verordnung vom
J. 380 der Sclave nicht angenommen^; und das ganze Institut des
Colonats beruht darauf, dass der Leibeigene als freier Mann behandelt
24.3 wird, um ihn zum Eintritt in das Heer fähig zu halten, Noch im
vierten Jahrhundert wird der Sclave bei der Anwerbung zurück-
gewiesen^ und, wenn er dennoch zur Einschreibung gelangt, cassirt^.
Selbst nach justinianischem Recht wird wie nach dem vordiocletiani-
schen* dem Sclaven, der unter Verheimlichung seiner Unfreiheit
zum Dienst gelangt, die Todesstrafe angedroht 5. Aber schon in
dieser Zeit wird die Einstellung eines fremden Sclaven in der
Weise verboten, dass an der Zulässigkeit des Eintritts des Sclaven
in das Heer mit Einwilligung theils des aushebenden Officiers,
theils des Eigenthümers nicht gezweifelt werden kann^, und der
Aufruf an die Sclaven Kriegsdienst zu nehmen, welchen in den
ersten Jahren des fünften Jahrhunderts in Folge der Einfälle Alarichs
und Radagaisus in Italien die weströmische Regierung erliess'', ist
vermuthlich nur insofern anomal, als dabei nach der Zustimmung
des Herrn nicht gefragt ward. Unter Justinian wurden sogar der
Rückforderung des nicht einwilligenden Eigenthümers exceptionelle
1) C. Th. 7, 13, 8: inter . . militum turmas neminem e numero servorum dandum
esse decernimus,
2) Johannes Chrysostomus (f 407) homil. 10 in loannem (ed. Montfauc.
vol. 8 p. 59) : ßaadsvs fiiv . . . tovg ofiodovXovg xal xfjg avxrjg amä» xoivcovovvxag
<fvo£ü)s . . . ov}e d^toT xaxaXsyeiv slg x6 oxqüxötisöov x6 ßaodixov, av dovXoi xv^coaiv
ovxsg. Diese und die folgenden Stellen sind von Gothofredus zu C. Th. 7, 13, 8
beigebracht.
3) Johannes Chrysostomus cateehesis II (ed. Montfauc. vol. 2 p. 239): XQ^
x6v f^skXovxa axgaxsvEO'&ai .. . Ilsvd-SQOV eivai' äv yäg 8ovX6g xig fj, ixßdkkexai; \
hom. in loc. n. test. 5 (ed. Montfauc. vol. 3 p. 59): ovöslg oxgaxevsxai oixhrjg, aAA*|
luv aA<p SovXog wv, fiexa xificoQiag kxßaXXsxai xov xwv axqaxiwxwv xaxaXöyov. |
4) In traianischer Zeit wird der Sclave , der sich unter die Soldaten ein- 1
schleicht, mit dem Tode bestraft (Plinius ad Trai. 29. 30). |
5) Marcianus Dig. 49, 16, 11: ab omni militia servi prohibentur, alioquin^
capite puniuntur. Menander das. 40, 12, 29.
6) V.-O. von 382 C. Th. 7, 13, 11 = C. lust. 12, 43, 2.
7) V.-O. von 406 C. Th. 7, 13, 16: servos ... exhortamur, ut eumprimum [quam-\
primum Momms.] se bellicis sudoribus offerant, pi-aemium libertatis, si apti ad
militiam arma susceperiwt, pulveratici etiam nomine binos solidos accepturi.
\
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 251
Schranken gesetzt^. Dass insbesondere die Sclaven der reichs-
angehörigen Barbaren zum Eintritt in das Heer aufgefordert werden 2,
beruht darauf, dass nach germanischer Sitte die Knechte nicht blos 244
wie die römischen den Herrn in das Heerlager folgen, sondern auch
am Kampfe selbst sich betheiligen ^. — Selbstverständlich ist der
Sclave nur dienstfähig, nicht dienstberechtigt und steht es dem die
Anwerbung oder die Aushebung leitenden Offizier frei den Unfreien
abzuweisen; es mag dies als Directive noch lange gegolten haben,
nachdem das Rechtsprincip gefallen war. Allerdings hebt nach
diesen Ordnungen der Eintritt in das Heer die Unfreiheit auf und
in diesem Sinn besteht auch jetzt noch Incompatibilität zwischen
dem Kriegsdienst und der Unfreiheit. — Von Zurücksetzung der
Freigelassenen bei der Dienstnahme begegnet, wie hiernach selbst-
verständlich ist, in dieser Epoche nirgends eine Spur*; nur die
Offizierstellen bleiben ihnen verschlossen ^
Wir kommen zu den Rechtsgründen des Kriegsdienstes. Die
allgemeine Dienstpflicht des kriegstüchtigen Mannes ist in der
augustischen Ordnung nicht nur festgehalten, sondern auch von dem
römischen Bürger auf den römischen Reichsangehörigen erstreckt
worden, wenn auch theils aus allgemeinen politischen Gründen,
theils nach Ermessen des Kriegsherrn bei der praktischen Anwendung
dieses Princips auf die einzelnen Reichstheile die äusserste Ungleich-
heit obwaltete. In der nachdiocletianischen Epoche, wahrscheinlich
1) Cod. lust. 12, 33, 6. Vgl. C. Tb. 7, 18, 9, 3. Selbst die Stellen in den
Öcholen kauften auch Sclaven (Prokop h. arc. 24).
2) Die V.-O. von 406 (S. 250 A. 7) fährt fort: praecipue sane eorum servos
quos milüia armata detentat, foederator%im, nihüo minus et dediticiorum (d. h. der
Laeten und Gentilen), quoniam ipsos quoque una cum dominis eonstat beUa tractare.
3) Bei den Erulern fechten die Knechte wie die Herren, erhalten aber den
Schild erst wegen bewiesener Tapferkeit (Prokop b. Pers. 2, 25). Der Gothen-
fürstin Amalafrida folgen, als sie den Vandalenkönig heirathet, 1000 Gothen
gleichsam als Doryphoren nebst 5000 streitbaren Knechten (Prokop b. Vand. 1, 8 :
ofidos ^sgaTzeiag Emsro ig jtsvis näXiota ;^tAta5a? ävÖQMv fiaxi/^cav) ; dem Hülfscorps
der Langobarden von 2500 Mann werden 3000 streitbare Knechte beigegeben
(Prokop b. Goth. 4, 26: ß^eQajieiav fxaxtficov ävögcöv sScoxe nXsov y tqioxiXicov),
Ueber den Kriegsdienst des germanischen Liten und des germanischen Knechtes
vgl. Brunner Rechtsgeschichte 1, 235. 239 [2. Aufl. 1 S. 180].
4) Vgl. Staatsrecht 3, 449 f. Von einem miles libertus spricht Paulus
Dig. 29, 1, 37.
5) V.-O. von 426 C. Th. 4, 10, 3: ipsos qui manumissi sunt nulla ratione ad
uUum quamvis humilis militiae locum sinimus admitti, wo nach dem Zusammen-
hang die eigentlichen Aemter (honores) und die Subalternenstellen am Hofe
ipahtina militia) gemeint sind.
252 I^^s römische Militärwesen seit Diocletian.
aber, wie wir sehen werden, erst unter Valentinian I., wird das
Princip selbst aufgegeben oder vielmehr auf den Nothfall beschränkt^
und dafür die Dienstpflicht, soweit sie bestehen bleibt, formell strenger
regulirt.
245 Es sind vier verschiedene Gründe, durch welche jetzt der
Kriegsdienst herbeigeführt wird: der freiwillige Eintritt; die im
Steuerweg herbeigeführte Rekrutenstellung des Grundbesitzers; der
Erbzwang; endlich die Zugehörigkeit zu einer dediticischen Quasi-
gemeinde. Dieselben sollen hier so weit erörtert werden, als es für
die Uebersicht der Verhältnisse erforderlich scheint.
1. Der freiwillige Eintritt in das Heer beruht der Regel nach
auf Werbung; auch die oftmals vorkommende Einstellung von
Kriegsgefangenen^ wird insofern hierher gezogen werden können,
als die Besiegten sich zum Eintritt verstehen, um die volle Strenge
des Kriegsrechts von sich abzuwenden. — Wenn schon in vordio-
cletianischer Zeit die Ergänzung des Heeres regelmässig durch frei-
willigen Eintritt bewirkt ward, so gilt dies von der späteren Epoche
in noch gesteigertem Grade. Zwar ist in unserer Ueberheferung
von der Werbung geradezu nicht häufig die Rede; aber die Klage,
dass die besseren Leute es vorzögen, bei den Beamten als Officialen
einzutreten 3; die zahllosen Erlasse wegen unberechtigten Eintritts der
vom Kriegsdienst rechtlich ausgeschlossenen Personen, welche nur
1) Valentinian III. nov. 5, 1, 2: cognoscat universitas mdlum de Romanis
civünis . . . ad militiam esse cogendum, sed tantum ad murwum partarumque
cmtodiam quotiens usus exegerit . . praefecti urhis dispositionibus ab Omnibus obse-
quendum.
2) Zosimus 1, 46: oaoi ds (von den Gothen) öieacod'Tjaav, tj rdyfiaaiv 'Pa>nai(ov
ovvrjQi&iA,r)d^r]oav rj yfjv Xaßovxss elg yscoQyiav xavxr] jiQoosxagzEQtjoav. Justinian
schickt gegen die Perser fünf aus den nach Byzanz gebrachten Vandalen ge-
bildete Reiterabtheilungen (b. Vand. 2, 14) und gegen die Gothen kriegsgefangene
Perser (b. Pers. 2, 19 ; b. Goth. 3, 3) ; ebenso werden die gefangenen Gothen in
das byzantinische Heer eingestellt (b. Goth. 2, 27 : oi ds ßdgßaQoi rw ßaadscog
oTQat£V(j,axi ävsfj.iyvvvxo). Kaum verschieden ist die den Barbaren in den Friedens-
schlüssen mehrfach, zum Beispiel den Sachsen im J. 369 (Ammian 28, 5, 4 : daiis
ex condieione proposita iuvenibus multis habilibus ad militiam), den Lentiensem im
J. 377 (Ammian 31, 10, 17: öblata, ut praeceptum est, iuventute valida nostris
tiroeiniis permiscenda) auferlegte Bedingung eine gewisse Anzahl Rekruten zu
stellen. Die vornehmeren Kriegsgefangenen wurden auch wohl als Offiziere
angestellt, natürlich mit Schenkung des Bürgerrechtes (vita Alex. 58: si qui —
captivi — regü aut nobiliores fu&runt, eos militiae, non tarnen magnae deputavit).
3) Vegetius 1, 7: hinc tot ubique ab hostibus inlatae sunt clades, dum longa
pax militem incuiHosius legit, dum honestiores quique civilia sectantur officia, dum
indicti possessoiibus tirones per gratiam aut dissimulationem probantium tales
sociantur armis, quales domini habere fastidiunt.
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 253
auf die freiwillige Uebernahme des Dienstes bezogen werden können;
endlich die in späterer Zeit ausserordentlich häufige Umwandlung 246
der Soldatensteuer in eine Geldleistung^, welche das Aerarium in
den Stand setzt die erforderlichen Mannschaften vielmehr zu dingen,
beweisen auf das deutlichste, dass die römischen Heere dieser
Epoche überwiegend aus geworbenen Leuten zusammengesetzt
worden sind. Das Verfahren ist das gewöhnliche. Der Tagelöhner
wandert aus seinem Dorf mit dem Brotsack auf dem Rücken nach
Byzanz und stellt sich dem Werbeoffizier vor 2; es wird Hand- oder
sogenanntes Reisegeld (pulveraticmn) gezahlt^, unter Umständen
auch eine Capitulation abgeschlossen, zum Beispiel dem Germanen
zugesichert, dass er nicht jenseit der Alpen zu dienen gehalten sein
solle*. Je nach Umständen wird die "Werbung auf In- oder auf
Ausländer oder auf beide gerichtet^.
2. Die im Steuerweg herbeigeführte Rekrutenstellung des Grund-
Ibesitzers, die ihrer Entstehung nach im Dunkeln liegt, ist wahrschein-
lich an die Stelle der älteren allgemeinen personalen Wehrpflicht
'.getreten. Diese ist nicht blos in vordiocletianischer Zeit, sondern
i/ielleicht noch bis zum Erlöschen des constantinischen Hauses
)rincipiell festgehalten worden^. Aber wenigstens seit Yalen- 247
1) Ammian 31, 4, 4: jwo militari suppUmento quod (aurum) promnciatim
nnwm pendebatur. C. Th. 7, 13, 7. 13. 14. 20. 11, 18, 1.
2) Prokop b. Vand. 2, 16 aus einer Ansprache des Feldherrn an die Soldaten :
g (der Kaiser) vfiäg e^ dygov ■fjxovrag ovv rs tfj jtrjQn xal x^^^ovioxw evl ^vvayaytov
,• Bv^dvTiov rrjhxovode slvai nEnoirjy.Ev. Dies erläutert die schon S. 232 A. 2 an-
efuhrte Schilderung der Anwerbung des Justinus und seiner Brüder. Dies sind
iie adrenae der V.-O. von 375 (A. 3). Die gedrückte Stellung der Rekruten
egenüber den älteren Mannschaften schildert Lj^dus de mag. 1, 47.
i 3) Nach der V.-O. von 375 C. Th. 7, 13, 7, 2 erhält der Rekrut 6 solidi
\ratia vestis ac sumptimm; nach denen des Honorius C. Th. 7, 13, 16. 17 in der
othlage der J. 405 — 406 der Freie 10, der Sclave 2 solidi als pulveraticum.
laher ist die Rekrutenwerbung advenarum coemptio iuniorum (C. Th. 7, 13, 7pr.).
j 4) Ammian 20, 4, 4 erbittet bei der von Constantius verlangten Truppen-
ndung Julian, ut Uli nullas paterentur molestias, qui relictis laribus transrhenanis
b hoc vener ant pacto, ne ducerentur ad partes umquam transalpinas , verendum
se adfirmans, ne voluntarii barbari militantes, saepe sub eiusmodi legibus adsueti
xMstre ad nostra, lioc cognito deinceps arcerentur.
5) Ammian a. a. 0., Zosimus 4, 12 (S. 264 A. 1).
6) Staatsrecht 3, 299. Die personale Dienstpflicht wird gefordert durch
i Stellung eines vicarius (Traianus an Plinius 30) und durch die Form, in
Icher sowohl in den Pandekten (Modestians Dig. 27, 1, 6, 8: fj.r] eis aigarsiav
\iaXiyBo§ai äxovxag) wie auch im theodosischen Codex (13, 3, 3 vom J. 388j: nee
ilmüitiam comprehendi; 13, 3, 10 vom J. 370; 13, 3, 16 vom J. 414) die Immunität
fj' Professoren und Aerzte ausgesprochen wird. In der justinianischen Gesetz-
254 I^^s römische Militärwesen seit Diocletian.
tinian I. ^ wird die Rekrutenstellung nicht in dem ganzen Reich,
aber in einer gewissen Zahl von Provinzen ^ in der Form der Grund-
steuerhebung bewirkt. Der einzelne Grundsteuerpflichtige oder ein
für diesen Zweck gebildeter Complex derselben hat eine dem
Steuermass entsprechende Anzahl von Rekruten aus den eigenen
Leuten zu stellen ^. "Wenn die allgemeine Wehrpflicht wenig efFectiv
gewesen war, so wurde diese beschränkte energisch gehandhabt;
der leibeigene Bauer, der sich von seiner Stelle entfernte {vagus\
wird dem Deserteur gleich behandelt*. Auch hier las nicht der
Staat die geeigneten Mannschaften aus, sondern er durfte nur die
ungeeigneten ablehnen ; aber es konnten ihm nur Bauern angeboten
248 werden und das kostspielige Handgeld fiel weg. Indess ist die den
der Rekrutenstellung selbst nicht unterworfenen Provinzen dafür
auferlegte Geldsteuer auch in den dafür geeignet befundenen häufig
theils electiv, theils schlechthin an deren Stelle getreten^ und die
gebung sind die Verordnungen 10, 53, 6. 11 entsprechend corrigirt; die Fest
haltung der alten Formel in den Verordnungen von 370 und 414 so wie in
Justinians Pandekten können nur als Redactionsversehen betrachtet werden, da,
es damals eine allgemeine Dienstpflicht nicht mehr gab. Ammians Worte
21, 6, 6: supplementalegionibtis scripta sunt indictis per provincias tirodniis lassen
sich dagegen auch mit dem älteren System vereinigen. Wenn in der schwierigen
Stelle 19, 11 nach den S. 256 A. 1 angeführten Worten es weiter heisst: awrum
quippe gratanter provinciales corporibus (= magis quam corpara?) dabunt: quae
spes rem Bonmnam aliquotiens adgravavit, so ist wohl gemeint, dass, je weniger
auf die Provinzen Rekruten umgelegt, um so mehr Steuern von ihnen gefordert
werden können. Einen sicheren Beweis für Rekrutenstellung durch die Grund-
eigenthümer giebt auch diese Stelle nicht.
1) Der meines Wissens älteste zweifellose Beleg für die cdllatio iuniorum\^
ist die V.-O. von 365 C. Th. 7, 13, 2. Das Schweigen der früheren Verordnungen
kann kaum zufällig sein.
2) Schon die V.-O. von 365 (A. 1) unterscheidet die Provinzen, a
cwpora flagitantiir ; ebenso C. Th. 7, 13, 9: ex opportunis regionibus. Die pro-
vinciae suburbicariae schliesst Theodosius I. aus (C. Th. 11, 16, 12), Valentinian III
dagegen ein (nov. 6, 2, 1).
3) C. Th. 7, 13, 7 : ex agro ac domo propria. Sclaven durften damals nich
gestellt werden (S. 250 A. 1); späterhin mag man sie besonders dann zugelassei
haben, wenn sie thatsächlich Bauern waren. j
4) Vagus (auch mit dem Beisatz atque fugitivus C. Th. 7, 13, 6) bezeichne!
entweder allgemein den persönlich Militärpflichtigen, welcher sich dem Diensj
entzieht (so C. Th. 7, 18, 10 z. A. und 17), oder genauer neben veterani ßii*\
(C. Th. 7, 18, 10 weiterhin, ferner 7, 13, 6. 7, 20, 12. 8, 2, 3) den von seiner Heiir|
statte entwichenen Leibeigenen, den alienigena idoneus miUtiae der V.-O. C. Tl
7, 18, 2. !
5) C. Th. 7, 13, 7. 13. 14. 20. Dies heisst tirones in adaeratione persolve,\
(nov. Valentiniani 6, 3, 1). j 1^
■
A
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 255
Behandlung derselben in der justinianischen Gesetzgebung^ lässt
erkennen, dass von dieser auf die Wehrhaftigkeit wenigstens der
Bauern in einem Theile des Reichs berechneten Aushebungsform
damals kaum noch Gebrauch gemacht ward.
3. Das Princip des Erbzwanges gilt, wie für den Senator des
Reiches und den Decurio der Municipien, wie für den Officialen der
Beamten und das Mitglied der hauptstädtischen Bäckerzunft, so auch,
und zwar seit Constantin L, für den Soldaten; für die ausgedehnten
Privilegien, welche dieser den Veteranen und den Söhnen derselben
einräumte 2, war die Compensation diese gesteigerte, in der Führung
der Soldatenkinder in der Liste ^ sich ausdrückende Dienstpflicht.
Schärfer tritt auch sie erst hervor, nachdem die allgemeine persön-
liche Dienstpflicht principiell beseitigt war; seit Yalentinian I.* gilt
der Soldatensohn (fiUus veterani) gleich dem Colonen als persönlich
militärpflichtig ^ und wird, wenn er sich nicht rechtzeitig stellt, dem
Deserteur gleichgeachtet ^, wofür die um diese Zeit wenigstens im
Ostreich aufkommende Erstreckung der Soldzahlung auf die Soldaten-
kinder'' als Aequivalent angesehen werden kann. In Justinians Zeit 249
aber besteht der Erbzwang für den Soldaten nicht mehr^. — Der
Erbzwang ist exclusiv. Wer in irgend einer Beziehung einem solchen
j unterliegt, kann nicht in eine andere ebenfalls mit Erbzwang ver-
1) In lustinians Codex wird diese Lieferung meines Wissens nur einmal
(12, 16, 2) beiläufig erwähnt.
2) Zuerst ausgesprochen werden sie in dem Gesetz vom J. 319 C. Th. 7, 22, 1
und später sehr oft.
3) C. Th. 7, 1, 11: inter adcreseentes matriculis attinentur.
4) Die betreffende V.-O. von 364 ist C, Th. 7, 1, 5.
5) Stellung eines Stellvertreters kommt vor (C. Th. 12, 1, 78).
6) Die Gleichstellung des sich nicht stellenden {vacare C. Th. 7, 22, 2. 10.
i, 2, 3) veterani filius (wobei der militis filius immer mitverstanden ist C. Th.
1, 23, 6. 10) mit dem colonus vagus findet sich zuerst in der V.-O. von 370
^. Th. 7, 13, 6 (wo zu Anfang für vagus aut veteranus zu lesen ist vagus aut
eterani filius), ausserdem C. Th. 7, 18, 10. 7, 20, 12. 8, 2, 3.
7) Die Soldzahlung an die familiae erscheint in Askalon bereits in einer
Jrkunde des J. 359 [B. G. U. I, 316] (in dieser Zeitschr. [Hermes] 19, 422) und die
»'".-0. vom J. 409 C. Th. 7, 4, 31 beschränkt sie auf den Orient und auf Aegypten.
pem Orient gehören auch die übrigen Zeugnisse dafür an (377 C. Th. 7, 4, 17 ;
|06 C. Th. 7, 4, 28; 420 C. Th. 10, 1, 17). Die weströmische Verordnung von 372
'. Th. 7, 1, 11 untersagt sie und die ebenfalls weströmische von 399 C. Th. 7, 5, 1
rwähnt sie nur.
8) Er ist festgehalten für die Officialen der Militärbeamten (cod. Tust.
2, 47). Dass dem ältesten Sohn des in der Schlacht gefallenen Soldaten oder
ubalternoffiziers bis hinauf zum Biarehen der väterliche Sold zugesichert wird
'. Iust.;12,'47, 3), ist ein Recht desselben, keine Pflicht.
256 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
sehene Stellung eintreten; demnach ist dem Soldatensohn, falls er
zum Soldaten tauglich ist, ebenso der Eintritt in eine andere der-
artige Lebensstellung verschlossen, wie auch umgekehrt der munici-
pale Decurio, der hauptstädtische Corporatus, der Officialis einer
Behörde unfähig sind in das Heer einzutreten. Bei der Annahme
eines Rekruten ist dessen Freiheit von derartigen Verpflichtungen
vor allen Dingen nachzuweisen, da sehr häufig der Yersuch gemacht
ward sich auf diese Weise insbesondere dem lästigen Decurionat zu
entziehen.
4. So weit die innerhalb der römischen Reichsgrenzen ange-
siedelten nicht in die Municipalverbände des Reiches eingeordneten
Barbaren in der früher (S. 225 f.) erörterten Form der Clientelsou-
veränetät constituirt werden, schliesst dies Verhältniss wohl die Waffen-
hülfe ein, aber der Regel nach nicht die Rekrutenstellung zum
römischen Heer. Wenn ausnahmsweise der Unterthänigkeitsvertrag
die jährliche Stellung einer gewissen Zahl von Rekruten für das
Reichsheer ausbedingt, werden diese gleich den geworbenen Mann-
schaften in beliebiger Weise den Truppenkörpern zugetheilt^. Aber
250 es ist dies nicht die einzige Form der Unterthänigkeit reichsange-
höriger und ausserhalb des Municipalverbandes stehender Gemeinden.
Unter Umständen werden ihnen wenigstens seit der frühen Kaiserzeit
und vielleicht schon in der republikanischen römische Offiziere vor-
gesetzt, praefecti civitatis oder gentis. Insbesondere in den Alpen-
districten der italischen Nordgrenze lässt es sich deutlich verfolgen,
wie dieses System neben das der Clientelfürsten tritt und dasselbe
1) Ammian 17, 13,3 zum J. 358: (lAmigantes Sarmatae) trihutum awnuum
dilectiimque validae iuventutis et servitium spoponderunt. Nachher 19, 11 erbieten
sich dieselben, auf römisches Gebiet übersiedelnd, Unterthanenlasten {trihutarwrum
onera) zu übernehmen und der Kaiser hofft sich dadurch die Rekrutirung des
Heeres zu erleichtern {proletarios lucrabitur plures et tirocinia cogere poterit valir
dissimä). 30, 6, 1 zum J. 375 : Quadorum . . legati . . . ut (pacem) adipisd ...
possent, et tirocinium et quaedam utilia Bomanae rei publicae poUicebantur.
31, 4, 4 wird nach dem Uebertritt der Gothen das Glück des Kaisers gefeiert,
quod ex ultimis terris tot tirocinia trahens (vorher c. 1 erklären die Gothen se
. . daturos si res flagitasset auxilia oder nach Eunapius fr. 42 Müll. nQood^xrjv
xfj ov/u,fiaxin naQs^siv sjiayyEkXöfisvoi) ei nee opinanti offerret, ut conlatis in unum
suis et alienigenis viribus invictum haberet exercitum et, pro militari supple-
mento quod provinciatim annuum pendebatur (S. 254 A. 5), thesauris aecederet, i
auri cumulus magnus. Insbesondere die letztere Stelle kann nur verstanden
■werden von dauernder Stellung einer Anzahl Rekruten, in Folge deren die
Anwerbung sich verringert und die dafür von den nicht zur personalen Rekruten-
stellung herangezogenen Provinzen gezahlten Steuergelder der Staatskasse ver-
bleiben.
Das römische Militärwesen seit Diocletiau. 257
allmählich verdrängt ^ ; und -wenn es hier weiterhin den militärischen
Charakter verliert und anstatt des Offiziers der Steuereinnehmer,
das heisst anstatt des praefcctus der procurator eintritt, so hat es
anderswo, vor allem in Africa, für solche Fälle, wo die Föderation
und das Stammfürstenthum unzweckmässig erschienen, besonders für
kleinere Distrikte zu allen Zeiten Anwendung gefunden^. Auch in
der Epoche, mit der wir uns hier beschäftigen, sind die africanischen
2)raefecti limitis wahrscheinlich nicht blos den römischen Truppen
vorgesetzt, sondern auch den ihrem Bereich angehörenden Barbaren;
indess ist die africanische Grenzhut dieser Epoche zu unvollkommen
bekannt, als dass sich feststellen liesse, in wie weit diese Barbaren
unter Stammhäuptern standen oder in deren Ermangelung Aushebung
und Commando direct von den Römern ausgeübt ward. Wohl aber
erscheint anderswo eine solche Rechtsform, mit der dann die per-
sönliche Militärpflicht' ebenso verknüpft ist wie mit dem Yerhältniss
des Colonus und des Soldatensohnes*. Aehnlich wie die Abtheilungen
der milites limitanei (S. 209), deren Organisation wohl dabei zu 251
Grunde gelegt ist, werden ausländische Ansiedler als eigene Körper-
schaften constituirt^ und unter einen römischen Offizier, einen p^-ae-
1) Ueber die praefecti dvitatium in den cottischen und den Seealpen vgl.
meine Auseinandersetzung C. I. L. V p. 809. 902; gleichartig ist der praefectus
dvitatium Moesiae et TrebaUia[e] das. n. 1838 [= Dessau 1349].
2) Belege für Africa sind der [pr]aef. cohortis VII Ltcsitan(orum) [ef] nation(um)
Gaetulicar(um) sex quae sunt in Numidia (C. V, 5267 [= Dessau 2721]); prae-
f(ectus) gentis Musulamiorum (C. VIII, 5351 [= Dessau 1435]); praef(ectus) gentis
Cinithiorum (C. VIII, 10500 [= Dessau 1409]) ; aus anderen Gegenden der praef.
ripae Danuvi et dvitatium duar. Boior. et Azalior. (C. IX, 5363 [=^ Dessau 2737]) ;
{pr]aef, dvitatis Maeze[ioi-um] (in Dalmatien; C. IX, 2564); praef. I cohortis Cor-
sorum et dnitatum Barbariae in Sardinia (C. XIV, 2954 [= Dessau 2684]). [Vgl.
▼. Domaszewski, Bonn. Jahrb. 117 (1908) S. 107. 136.]
3) Das meint die S. 258 A. 2 angeführte Verordnung von 405 mit den Worten
quos militia armata detentat und eine andere vom J. 400 (A. 4) mit den Worten
qiios militiae origo consignat.
4) Die drei Kategorien stehen neben einander in den beiden V.-O. vom
J. 400 C. Th. 7, 18, 10 also: ut deseHores veter anorum filios ac vagos et eos,
quos militiae origo consigtiat (A. 3), ad dilectum iuniorum provocet und 7, 20, 12
in der offenbar vollständigen Aufzählung der Gründe der persönlichen Militär-
pflicht, also : quisquis laetus (luctus Hdschr.) Alamannus Sarmata, vagus vel filius
veterani aut cuiuslibet corporis dilectui {dilectus Hdschr.) obnoxius (womit ver-
muthlich die corpora der milites limitanei gemeint sind; vgl. S. 211) et floren-
tissimis legionihus inserendus.
5) Dies scheint noch die Verordnung des Severus vom J. 465 (nov. 2, 1
[ed. P. Meyer p. 201 cf. p. XXIV]; vgl. lex Burg. tit. 4& MG.LL. 3, 623) anzu-
erkennen; indess sind die Worte hofl&iungslos zerrüttet. Sie lauten in der
MOMMSEN, SCHR, VI. 17
258 D^s römische Militärwesen seit Diocietian.
fectus und an letzter Stelle wie die Civilgemeinden unter den prae-
fectus praetorio^ so diese unter den magister militum gestellt^. Mit
Recht werden sie also mit der neben der Unterthänigkeit die Ge-
meindelosigkeit ausdrückenden Benennung der dediticii belegt 2. Der
Zeit nach können wir nur sagen, dass sie schon zu Diocletians Zeit
bestanden haben ^. Dem Orte nach treten sie vor allem in Gallien,
daneben in Italien auf; als in dieser Weise angesiedelt werden ge-
nannt Alamannen oder Sueben, Sarraaten, Franken, Taifalen*. Sie
252 zerfallen in zwei Kategorien. Die eine bei weitem wichtigere und
wahrscheinlich auch ältere begegnet nur in Gallien unter der nicht
römischen und nicht mit Sicherheit erklärten Benennung der laed.
Diesen sind eigene Quasi -Territorien {terrae laeticae) zugewiesene
einen Ueberlieferung: qiioniam . . . ad nos provüicialium querela pervenit eo quod
leti et aliaque corpora publicis ohsequiis deputata homines quorundam se colonis vd
famulis . . sociassent, während in der anderen epitomirenden überliefert ist: ut si
ex marcianitano et anderoneco — oder mareialitano lito andwinico — vel quoeun-
que alio corpore puhlico et colono mit servo possessoris.
1) Dies lehrt bekanntlich die Notitia dignitatum. Auch eine V.- 0. von
369 C. Th. 7, 20, 10 spricht von dem pi'aepositus aut fai/ricae aut classi aut laetis.
2) Diese Bezeichnung braucht Ammian 20, 8, 13 (vgl. 21,4, 8) von den
Lasten und in rechtlicher Allgemeinheit die V.- 0. vom J. 405 C. Th. 7, 13, 16
neben der verwandten Kategorie der foederati.
3) Die früheste Erwähnung ist die in der Ansprache an Constantius vom
J. 296 c. 21: tuo, Maximiane Auguste, nutu Nerviorum et Treverorum arva iacentia
laetus postliminio restitutus et receptus in leges Francus excoluit. Also wurden
von Maximian die Franken neu unterworfen, die Laeten aber den Treverem
und Nerviem durch seine Siege zurückgegeben.
4) Die Laeten heissen Germanen bei Ammian 16, 11, 6. Die Alamannen
nennt die V.-O. vom ,T. 400 (S. 257 A. 4), womit die gallischen laeti gentües
Suein der Notitia (Occ. 42, 34. 35. 42? 44) zusammenfallen werden. Die laeti
Franei hat die Notitia 42, 36 in Gallien. Ausonius im J. 378 geschriebenes
Gedicht (carm. 6 Schenkl): hostibus edomitis qua Francia mixta Suebis certat ad
öbsequium, Latus ut militat armis bezieht sich wahrscheinlich auf diese suebischen
und fränkischen Laeten. Die Sarmaten nennt die Verordnung vom J. 400, die
Sarmatae gentiles als in Italien wie in Gallien an zahlreichen Orten angesiedelt
die Notitia. Die Sarmatae et Taifali gentiles hat die Notitia in Gallien 42, 65.
Julian bei Ammian 20, 8, 13 verspricht zu senden laetos quosdam eis Mhenutn
editam barbarorum pi'ogeniem vel certe ex deditieiis qui ad nostra desciscunt;
anderswo 16, 11, 12 spricht Ammian von den laeti barbari. Zosimus Auffassung
der Laeten (2, 54 von Magnentius: ysrog eXkojv äno ßagßaQcov, fisroixrjoag ds sk
AsTovg s'&vog FaXaTiHÖv) macht die Parallele zu der ümnennung der Galater in
bucellarii und der Gothen in foederati (S. 243).
5) V.-O. vom J. 399 C. Th. 13, 11, 10: ex multis gentibus sequentes Bomanam
felicitatem se ad nostrum imperium. contulerunt, quibus terrae laeticae administrandae
sunt. Die viel häufigeren Ansiedelungen der Barbaren in der Form des Colonats
gehören natürlich nicht hierher.
i
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 259
zugleich aber dieselben mit den einzelnen gallischen Gemeinden,
und zwar keineswegs durchaus mit den örtlich benachbarten, in der
Weise verknüpft^, dass diesen ein Theil des Bodenertrags zufällt,
vielleicht die gewöhnliche Grundsteuer hier nicht für den Staat,
sondern für die betreffende Civitas erhoben wird 2. Es mag dies
wohl eine Entscliädigung gewesen sein für die bei diesen Gemeinden
ausserordentlich gesteigerte Rekrutenstellung (S. 240). Oertliche Be-
satzungen sind diese Ansiedelungen ihrer Lage nach offenbar nicht
gewesen; auch scheinen sie nicht eigene Truppenkörper gebildet zu 253
haben ^, sondern nur in derselben Weise wie anderswo die coloni
und wohl noch in stärkerem Masse als Rekruten ausgehoben worden
zu sein^. — Hinsichtlich der zweiten Kategorie, welche als gentiles
schlechtweg bezeichnet werden, steht nur so viel fest, dass sie den
laeti im Range nachstanden^ und dass der Bodenbesitz mit dem,
■was daran hängt, bei ihnen wegfällt*^; diese Siedelungen sind ver-
1) Beseitigt man unter den für uns verständlichen Namen der einzelnen
Ansiedelungen der laeti theils die von der alten Heimath herrührenden (S. 258
A. 4), theils die von dem Wohnsitz entnommenen {laeti [Batavi] Nemetacenses —
laeti [Batavi] Contra ginnenses — laeti [Lingonenses] per diversa dispeisi), so bleiben
die drei Abtheilungen der laeti Batavi, der laeti Nervii und der laeti lÄngotunses,
von welchen die Icteti Nervii im Gebiet der Nervier selbst, die übrigen von den
Hauptorten weit entfernt angesiedelt sind.
2) Dies zeigt die S. 258 A. 3 angeführte Stelle aus der Kede vom J. 296;
die Laeten der Nervier und der Treverer bauen ihren Acker für diese. Dass
Julian die Barbaren, welche die gallischen Städte plünderten, zu tribidarii
(pflichtig zur Staatssteuer) et vectigales (pflichtig zu städtischen Abgaben) ge-
macht (Ammian 20, 4, 1) und dass er den Gemeinden ihre Nutzungen wieder
geschafft hat (Ammian 25, 4, 15 : vectigalia civitatibus restituta cum fundis), wird
wohl zunächst auf die Laeten und deren Abgaben an die gallischen Gemeinden
sich beziehen; die Herstellung der Ordnung in Gallien schloss dies nothwendig ein.
3) Dass Constantius gegen Julian den gewesenen mag. eq. von Gallien cum
laetis voraussendet (Amm. 21, 18,16), geschieht, weil er durch den in Gallien
wohlbekannten Führer und durch diese gallischen Mannen Julians Truppen auf
seine Seite zu ziehen hofft; von einem Numerus der Laeten ist weder hier noch
sonst wo die Rede.
4) Julian verspricht dem Constantius zur Ergänzung der schölae jährlich
eine Anzahl laeti zuzusenden (Ammian 20, 8, 13. S. 258 A. 4). Aus den Laeten,
Alamanuen und Sarmaten sollen nach der V.-O. von 400 (S. 257 A. 4) die Legionen
-ergänzt werden.
5) Die Notitia stellt sie immer an die zweite Stelle.
6) Da erst durch Odovacar die Barbaren in umfassender Weise in Italien
angesiedelt wurden, so können die Sarmaten der Notitia unmöglich ebenfalls
schon als Bodenbesitzer betrachtet werden, zumal da die Städte, in denen wir
-später die Gothen finden, mit jenen sich im Allgemeinen decken und eine
17*
260 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
muthlich, anders als die laetischen, zunächst als örtliche Besatzungen
zu fassen ^ und sie werden ihren Unterhalt ähnlich erhalten haben
wie die nicht sesshaften Soldaten, Daneben können sie füglich
gleich den Laeten Rekruten gestellt haben.
7. Das Gesammtheer und das Commando.
Obwohl in der bisher gegebenen Darstellung sowohl über die
Stärke der einzelnen Truppenkörper wie über das Commando die
wesentlichen Momente zur Sprache gekommen sind, wird es an-
gemessen sein, theils hinsichtlich der Theilziffern und der Gesammt-
zahl, theils in Betreff des Commandos und der daran haftenden
Jurisdiction die gefundenen Ergebnisse zusammenzufassen und zu
ergänzen.
Die Truppenkörper, deren numerische Bestimmung für das Ge-
254 sammtergebniss in Betracht kommt, sind in der Infanterie die legio,.
das auxilium und die cohors, in der Reiterei die schola, die vexillatio,^
der cunetis equüum, die equites imd die ala.
Dass für die Legion eine zwiefache Ziffer angenommen werdei
muss oder yielmehr unter dieser Benennung bald die alte Volllegion]
von 6000, bald ein Legionsdetachement oder die Neulegion vonl
wahrscheinlich 1000 Mann verstanden ist, wurde bereits entwickelt!
(S. 222.238). Die erstere Annahme ist unabweislich und wird auch
dadurch gefordert, dass sämmtliche allgemeine Angaben über die
Stärke der Legion aus dieser Spätzeit, die orientalischen wie diej
occidentalischen, nur die Legion von 6000 Mann kennen 2. Ebenso'
unabweislich aber ist es, dass die Legion nicht immer in diesem I
Sinne gesetzt wird, vielmehr regelmässig eine bei weitem kleinere |
Truppe bezeichnet. Zu den früher angeführten Beweisen tritt hinzu,;
dass bei der Belagerung von Amida unter Constantius von dem selbstj
dabei betheiligten Ammian die aus 7 Legionen bestehende Besatzung
nebst einigen anderen Trupp entheilen so wie den dienstfähigen dort:
wohnhaften oder dorthin geflüchteten Leuten auf nicht mehr alsj
etwa 20 000 Köpfe angeschlagen wird^. Für die Ansetzung auf
gewisse Ersetzung jener Militäransiedelungen durch die Germanen Odovacar
und Theoderichs sich nicht verkennen lässt.
1) Wenn diese Ansiedelungen, wie es scheint, um das J. 400 entstanden
sind, so passt ihre Lage recht wohl zu der damaligen Defensive.
2) Marquardt Handb. 5 *, 455.
3) Ammian 19, 2, 14. Derselbe verzeichnet 18, 9, 3 (vgl. 19, 5, 2) diese
Legionen: es sind die in Amida garnisonirende V Parthica, also eine der wahr-
scheinlich von Diocletian eingerichteten Grenzlegionen oder deren in Amida
Daa römische Militärwesen seit Diocletian. 2)61
1000 Mann spricht theils die Angabe Prokops ^, dass Geiserich,
indem er seine Vandalen unter 80 Tribüne stellte, damit den An-
schein erweckt habe einer Qesammtstärke seiner Truppen von 255
80000 Mann, theils das oben (S. 224) entwickelte Verhältniss des
Tribuns zu der Neulegion. Die Ziffer passt ferner sowohl zu der
zwischen der Neulegion und der Vexillation bestehenden Correspon-
denz, da die taktische Einheit für die Infanterie stärker gewesen
sein muss als die für die Reiterei, wie auch zu den eben angeführten
ammianischen Ziffern und zu den Legionsdetachements dieser Zeit
von 300 2 und 500^ Mann. Ob das Wort in dem einen oder dem
anderen Sinn zu nehmen ist, lässt sich nur im einzelnen Fall und
zuweilen überhaupt nicht entscheiden; im Allgemeinen kommt bei
den vordiocletianischen Grenzlegionen der Voll-, bei den nach-
diocletianischen Grenz- und bei sämmtlichen Legionen der Kaiser-
truppen der Theilbegriff zur Anwendung.
Das Auxilium scheint einmal in der Stärke von 500 Mann vor-
zukommen*; und es wird dagegen nicht eingewendet werden können,
dass es hie und da missbräuchlich Legion (S. 239 A. 2) und dass
häufig die Truppen überhaupt Legionen genannt werden, da bei
der incorrecten Redeweise der Schriftsteller dieser Zeit sie füglich
auch ungleiche Truppenkörper durcheinander geworfen haben können.
stehender Theil ; zwei aus Gallien, die unter ihren früheren Namen 3Iagnentiaci
et Decentiaci aufgeführt werden (diese verlieren in einem Nachtgefecht 400 Mann
Amm. 19, 6, 11) und vier wahrscheinlich zu dem Heer des mag. mil. per Orientem
gehörige, die tricensimani , also ein Detachement der alten rheinischen Legion
gleich dem Not. Occ. 7, 108 aufgeführten; die decimani fortenses, ebenfalls ein
Detachement der pannonischen X gemina, wie sich deren andere in der Notitia
finden; die Superventores madi die Fraeventores. In der Notitia fehlt die V
Parthica, während sie die Nummern I. IL III. IV. VI aufführt und fehlen
ebenso alle übrigen hier genannten Legionen, ohne Zweifel weil sie bei der
Eroberung des Platzes zu Grunde gingen. Uebrigens können unter diesen sieben
Legionen auch auxilia der Garde gewesen sein, da Ammian, überhaupt in der
Terminologie nicht correct, auch diese Legionen nennt (S. 239 A. 2). — Zu
diesen sieben Legionen kommt weiter eine in Amida garnisonirende Schwadron
mesopotamischer Reiter.
1) b. Vand. 1, 5; vgl. meine ostgoth. Studien im N. Arch. 14, 499 [s. unten].
2) Ammian 20, 4, 2 (S. 241 A. 2). 31, 11,2: cum trecentenis müitihus per
sitigulos numeros (der Infanterie) lectis.
3) Ammian 31, 10, 13: per legiones singulas qjuingenteni leguntur armati.
4) Die 500 miocti cum Germanis Galli (Ammian 25, 6, 13. c. 7, 3) , welchen
der Uebergang über den Tigris gelingt, scheinen eines der gallischen Auxilieu
zu sein.
262 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
Die cohors der vordiocletianischen Zeit, regelmässig von 50O
Mann, obwohl auch Doppelcohorten vorkommen, ist wohl unver-
ändert geblieben; die abweichende Angabe ihrer Stärke auf 300
Mann^ ist wenig beglaubigt.
In der Reiterei ist die schola von 500 Mann hinreichend ge-
sichert (S. 232 A. 6).
Dieselbe Stärke wird der zu der Legion der Kaisertruppen ge-
hörenden vexillatio gegeben ^ und es liegt kein Grund vor diese
Ziffer zu beanstanden.
Für den ctmeus equitum und die e^WiYes- Truppe fehlt jeder
Anhalt; schwerlich aber waren sie wesentlich verschieden von den
übrigen der Reiterei.
256 Endlich die Ala, in älterer Zeit regelmässig von 500 Mann,
wenngleich auch bei ihr Doppelstärke vorkommt, soll in dieser
Epoche 600, bei berittenen Schützen 500 Mann gezählt haben ^.
Dass die Grenztruppen wenigstens in Africa in Anastasius Zeit]
und vielleicht durchgängig in kleine Garnisonen von je 100 bis 200»
Mann auseinander gelegt waren*, ist militärisch bemerkenswerth,,
für die Summenziehung aber nicht zu verwenden, da sich nicht be-l
1) Lydus de mag. 1, 46. 2) Lydus a. a. 0.
3) Nach Lydus a. a. 0. ist die I2t], die er vorher mit ala ei'klärt hat, djio y[
IjijtEtov, die Turma (S. 207 A. 3) ano cp xo^oxcöv ititiscov. Zwei aus lUyricum
nach Mesopotamien geschickte Schwadronen {duarum turmaruni equites) zählen
700 Reiter (Ammian 18, 8, 2). Eine llt] zcöv xaraqiQdxtcov itttiecov der persischen
Armee zählt über 400 Reiter (Eunapius fr. 20 Müll.). — Auf die bei Prokop
zahlreich begegnenden Ziffern gehe ich nicht ein. Sie betretfen theils die Zuzüge
der Bundesgenossen, wie zum Beispiel vier Hunnen zusammen 1200, ein Eruier
300 Reiter führen (b. Pers. 1, 18. 14), theils die Schaaren der Capitäne der
bucellarii, theils militärische Detachements und sind in allen diesen Fällen
unbrauchbar, obwohl das häufige Auftreten der Abtheilungen von 500 Reitern
bemerkenswerth ist (b. Vand. 1, 21. 2, 2. 3). Auffallend ist der nur 50 Mann
führende aataXoyov ijimxov ägxov b. Vand. 2, 23.
4) Erlass des Anastasius (S. 210 A. 5) : Ivansaaxov (?) yivofj.evov fxrj xaxa^f]xXo-&ai
ojg aa&evei? rj äxQSiovg xovg jigcöxovs exaaxov aQid'/nov xal xdoxgov , tovx iaxiv st
fisv ixaxov elsv ävögsg, xovg JiQwxovg jisvzs, sl ds Siaxöaioi, xovg :jiQcbxovg dexa ' xrjv
8e avxrjv dva?:.oyiav xal im xoTg nXloaiv xal im xoTg iXdxxoaiv dvöqdaiv <pvXdxxsa^ai.
Die dem gesetzlichen Ende der Dienstzeit und damit den dafür ausgesetzten
Belohnungen sich nähernden Soldaten wurden häufig entlassen, um diese Beloh-
nungen zu ersparen (Prokop bist. arc. 24); vor solcher Entlassung schützt hier
Anastasius die ältesten Mannschaften bis zum zwanzigsten Theil der Gesammtzahl.
Ueber das Verhältniss des numerus zum castrum ist schon S. 210 A. 5 gesprochen
worden; jenes scheint hier das Hauptlager des Truppenkörpers zu sein. Im
gleichen Sinn unterscheidet Ammian (S. 264 A. 1) castra und castella.
Das römische Militärwesen seit Diocletian.
263
stimmen lässt, wie viele solcher Garnisonen auf den einzelnen
Numerus kommen.
Einen auf dieser wenig befestigten Grundlage angestellten Ver-
such die in der Notitia vorliegenden Verzeichnisse ziffermässig zu
berechnen, lege ich hier vor in der Hoffnung, dass ihm nicht mehr
Gewicht beigelegt werde, als er beanspruchen kann. Bei den Grenz-
truppen musste dabei von Italien, Gallien, Britannien und den afri-
canischen Provinzen mit Ausnahme Aegyptens abgesehen werden,
da für Italien, Gallien und die africanischen Provinzen des "West-
reichs die Angaben unvollständig und völlig unberechenbar sind, 257
Britannien einer älteren Redaction angehört und Libya in der Ur-
kunde ausgefallen ist; es beschränkt also der Anschlag für die
Grenzheere sich auf Spanien, das Donaugebiet, den Orient und
Aegypten. Die Legionen sind nach Ermessen als Voll- oder als
Neulegionen behandelt, die nachweisbare Detachirung zu den
Kaisertruppen berücksichtigt. Kleinere nicht sicher einzureihende
Truppenkörper und die Flotten sind übergangen.
Grenztruppen:
Fussvolk: Legionen zu 6000 od. 1000 Mann
Auxilien (44) zu 500 Mann
Cohorten (85) zu 500 Mann
Reiterei; cunei und equites (161) zu 500
Mann
xVlen (60) zu 500 Mann
185000
22000
42500
249500 Mann
80500
30000
110500
360000 Mann
Kaiserheer:
Fussvolk: Legionen (94) zu 1000 Mann
Auxilien (108) zu 500 Mann
Reiterei :
94 000
54000
148000 Mann
40500
6000
46500
Vexillationen (81) zu 500 Mann
scholae (12) zu 500 Mann
194500 Mann
zusammen: 554500 Mann
Geschichtliche Angaben über den Militärstand dieser Jahr-
hunderte finden sich nur spärlich. Der Truppenbestand von 33
Legionen oder ungefähr 300 000 Mann ist für den Anfang des
dritten Jahrhunderts wohl beglaubigt^; Diocletians nächste Vor-
1) Marquardt Hatidb. 5, 451. Severus hat den alten dreissig drei neue
Legionen hinzugefügt; 33 Legionen gab es noch unter Alexander.
264 ^^^ römische Militärwesen seit Diocletian.
ganger werden denselben nicht wesentlich verändert, aber eher
erhöht als vermindert haben. Was über Diocletian selbst und über
Constantin in dieser Hinsicht raitgetheilt wird, ist schon erörtert
worden (S. 220 f.).*) Valentinian I. verstärkte die römische Armee
258 ansehnlich theils aus dem keltischen Landvolk, theils durch über-
rheinische Barbaren ^. Unter Theodosius I. sollen die römischen
Reichstruppen stärker gewesen sein als je zuvor ^. Von einem
Schriftsteller der justinianischen Zeit wird der Sollbestand für beide
Reichshälften auf 645000 Mann angegeben, während Justinian
höchstens 150000 Mann unter den Waffen gehabt habe 3; in der
That sind von diesem Kaiser die wichtigsten überseeischen Kriege
mit ganz unzulänglichen Streitkräften unternommen worden* und es
geht in diesem Regiment eine begehrliche und verwegene Er-
oberungspolitik mit der kläglichsten militärischen Schwäche Hand
*) [Nachzutragen ist das Exzerpt aus Lydus de mens. I, 27 (p. 13 Wünsch)
ort im xov AtoxXtjuavov ^ näoa xiöv 'Pcofiaiwv atganä /ivQiddeg fjv oxrco xal rgt
fcovra xal ewaxia^iXioi xal ETixaxoaioi xal rsaaagsg , vavnxr/ de dvva/nis rj im xc
imxaiQCOv ^mglcov vavXoxovoa ini xs xoTg Jioxa/^oTg ini xs tfj ■&aX6.aorj xsxgaxiOfivQic
xal PTSvraxiaxtXioi xal nsvxaxöoioi i^iqxovxa xal ovo- oxi jtgog xovzov xov agi^fiov
6 fisyag KcovoxavxTvog im xfjg avaxoXixfjg ßaoiXeiag xov axQaxov öii^rjxev , (og exegag
xoaavxag /nvQiddag axgaxov JtQoaxsß^fjvai xfj 'Poi/jiaixfj oioXixsiq. DESSAU.]
1) Zosimus 4, 12: sx xs xcöv TtQoooixovvxoiv xcp 'Prjvcp ßagßdQcov xal ix xcöv iv
xoig vjiö 'Pcojuaiovg s&veai yeoiQywv xoXg oxQaxioixixoTg iyxaxaXi^ag rdy/Aaoiv. Ammian
30, 7, 6: Valentinianus et auxit exercitus valido supplemento et utrubique Bhenum
celsioribus castris munivit atque castellis.
2) Themistius or. 18 p. 270 Bonn. : m (dem Theodosius) nXovxog xoaovxov ßöaxEi
axQatdv ooov ovTtoxs ff 'Pa>/j.aiu)v rjyefiovia. Zosimus 4, 29 sagt freilich das Gegen-
theil: x6 axQaximxixöv iv oXiyco fisfisioixo XQ'^^V ^"' ^'^ ^^ fxrjdsv jtsQiiaxaxo. Aber
dass er c. 27 ihn selbst die Zahl der niederen Offiziere {iXdgxag xal Xoxayovg xal
xa^idgxovg) verdoppeln lässt, spricht nicht zu Gunsten des parteiischen Bericht-
erstatters.
3) Agathias 5, 18 (daraus Johannes Antiochenus fr. 218 Müller) : xä xcjv
'Pa)ixaiwv oxgaxsvfiaxa ov xooavxa 8ia/Li£fievf]x6xa ojiöoa xrjv aQ/Jlv vjio xwv jidXai
ßaaiXscov i^evQTjxai, ig iXayJoxrjv 8s xiva fioigav TtsQieX&övra ovxexi xcö fisys^si xfjg
noXixslag i^rjQxovv 8sov yäg ig jievzs xal xsaoagdxovxa xal s^axoaiag ;jftAtd^aff
/j,axi/^o)v dvÖQCÖv xtjv oXtjv dysiQsa&ai dvvafiiv /Li6?ug iv rtp xoxs sig nsvxrjxovxa xal
ixaxov jisQisiaxrjxsi. Auf welche Epoche die erste Ziffer sich bezieht, wird nicht
gesagt; nur zeigt das Folgende, dass der Verfasser das Doppelreich im Sinn
hatte.
4) Die vandalische Expedition zählte 10000 Mann Infanterie, 5000 Reiter
(mit Einrechnung der 400 Eruier und 600 Hunnen), 2000 Flottensoldaten auf
92 Dromonen, daneben 500 Transportschiffe und 20000 Nichtcombattanten
(Prokop b. Vand. 1, 11). Zum Umsturz des Gothenreichs , dessen Armee auf
150000 Streiter, meist gepanzerte Reiter, angeschlagen wurde (Prokop b. Goth,
1, 16. 24), wurden von Byzanz 7000 Mann entsandt (a. a. 0. 1, 5. 3, 21).
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 265
in Hand, Die aus den unvollständigen Partialansetzungen der Notitia
oben entwickelte GesammtzifFer stimmt mit der überlieferten voll-
ständigen insoweit zusammen, dass danach annähernde Richtigkeit
auch für jene Aufstellungen in Anspruch genommen werden kann.
Für das Yerhältniss des alten Grenz- und des neueren Kaiserheeres
und für das der verschiedenen Waffen gewähren dieselben wenigstens
Anhaltspunkte. Allerdings ist dabei nicht zu übersehen, dass die
hier vorgelegten sämmtlich Normalziffern sind und dass das Ein-
schwinden der Reichsarmee vor allem wohl auf der ünvollzähligkeit 259
des EflFectivstandes beruht, in welcher Hinsicht insbesondere gegen
Justinian schwere und wahrscheinlich wohlbegründete Anklagen er-
hoben werden ^. Auch dieser letzte Abschnitt der römischen Ge-
schichte hat militärisch seine eigene Blüthezeit und seinen eigenen
Verfall; die gallisch -germanische Infanterie der constantinischen
Periode unter ihren grossentheils germanischen Offizieren verhält
sich zu den im griechischen Osten von thrakischen Condottieri ge-
worbenen Reiterschaaren Justinians ungefähr wie die Legionen des
Augustus zu denen der gallienischen Zeit und wie der Zahl, so auch
dem Werthe nach stehen die Soldaten des sechsten Jahrhunderts
tief unter denen des vierten.
Wir wenden uns zu der Erörterung des Commandos und der
mit diesem verknüpften Jurisdiction. In Strafsachen jeder Art waren
seit langem die allgemeinen Gerichte für den Soldaten unzuständig
und fungirte dabei als Richter der commandirende Offizier 2. In
Civilsachen aber bleiben bis auf Theodosius II. die allgemeinen
Gerichte für den Soldaten competent und Verstösse dagegen werden
mehrfach als Missbrauch gerügt^. Aber nach einer Verordnung vom
jJ. 413* kann der Soldat auch in solchen Fällen nur bei dem Offizier
verklagt werden und dabei ist es geblieben^. Als Kläger hat der
1) Prokop bist. arc. 24. Vegetius 2, 3.
2) Cod. Th. 2, 1, 2. Den Civilisten kann das Militärgericht nicht bestrafen,
auch wenn der Verletzte Soldat ist (C. Th. 1, 5, 2 = lust. 1, 26, 4. C. Th. 1, 7, 2).
3) V.O. von 355 C. Th. 2, 1, 2 und von .397 C. Th. 2, 1, 9. Auf Grund einer
Delegation von Seiten des beikommenden Civilrichters kann allerdings der
pffizier einen Civilprozess entscheidenj(6ordian cod. lust. 7, 48, 2). Die Erhebung
Jer Steuern von grundbesitzenden Soldaten wird im J. 386 den militärischen
Behörden zugewiesen (C. Th. 1, 14, 1). 4) C. lust. 3, 13, 6.
5) Die Regel wird anerkannt in den Verordnungen von 438 (nov. Theod. 4)
md 450 (nov. Marciani 1, 6. 7) und in dem ägyptischen Kaiserschreiben auf
i'apyrus, das ich in Bekkers und Muthers Jahrbuch des deutschen Rechts 6
1863), 398 f. [Ges. Sehr. 2,342] behandelt habe; endlich in Justinians Gesetzgebung
Dig. 5, 1, 7) und speciell für Italien nach der Wiedereroberung (S. 266 A. 3).
266 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
Soldat auch jetzt noch sich an das Civilgericht zu wenden^. Erst
unter den germariischen Königen ist das gothische Militärgericht
auch hierauf erstreckt worden 2, was dann nach der Eroberung
Italiens Justinian wieder abstellte'^.
260 Das oberste Commando und die höchste Jurisdiction stehen
selbstverständlich bei dem Kaiser und von beiden ist wenigstens
im vierten Jahrhundert vielfach Gebrauch gemacht worden. Eine
eigentliche Instanz aber bildet der Kaiser nicht; insbesondere findet
Berufung an ihn von dem Spruch des Magister im Allgemeinen in
vorjustinianischer Zeit nicht statt*, während Justinian dieselbe zu-
gelassen hat\
Abgesehen von dem Kaiser ist das oberste Commando nach
vordiocletianischer Ordnung insofern bei den oder dem praefectus
praetorio concentrirt, als diesem die in Italien stehenden Truppen^
also die hauptstädtische Besatzung, die seit Severus bei Rom
stationirte Legion und die italischen Flotten unterstanden, er aber
zugleich auch über die Grenzarmeen eine gewisse Oberaufsicht
führte ". Unter Diocletian ist dies geblieben : der Praefectus de» ■
Praetorium führte in jedem Reichstheil das Commando über die neu
geschaffene Garde und eine Oberaufsicht über die an der Reichs-
grenze garnisonirenden Truppen''. Constantin aber hat der Präfectur
die Militärgewalt entzogen und bei dem neu eingerichteten Ober-
commando die Waffen getrennt '^, Er übertrug den Oberbefehl über
die Infanterie dem magister peditum, den über die Reiterei dem
magister equitum^, welche beiden Stellungen in personaler Combi-
1) V.-O. von 416 cod. lust. 1, 46, 2. |
2) Vgl. meine ostgoth. Studien im Neuen Archiv 14, 229. I
3) V.-O. pro pet. Vigilii 23: Utes inter duos procedentes Bomanos vd tibi
Romana persona pulsatur, per civiles iudices exercere iubemus, cum talibus negotiis
vel eausis iudices militares immiscere se ordo non patitur.
4) Nov. Theod. II. 4 untersagt sie für die Grenztruppen geradezu, ins-
besondere wegen der weiten Entfernung.
5) Die Appellation vom mag. mil. und vom mag. off. an den Kaiser ist in
die V.-O. von 362 C. Th. 11, 30, 30 bei der Aufnahme in das justinianische
Gesetzbuch 7, 67, 2 hineininterpolirt.
6) Staatsrecht 2\ 1118.
7) Zosimus 2, 32. [Vgl. Ges. Sehr. 4 S. 545 fiF.]
8) Der Bericht des Zosimus 2, 33 hat alle Wahrscheinlichkeit für sich.
Auch nach Lydus de mag. 2, 10 = 3, 40 geht das Commando unter Constantin
über auf die 'kürzlich eingesetzten otQaxrfyor ; der vjiagxog rijs dvaroXfjg, den er
in verwirrter "Weise anhängt, ist nicht der mag. mil. per Orientem, sondern der
comes Orientis.
9) Sowohl für magister peditum wie für magister equitum wird häufig magister
militum und bei Ammian magister armorum gesetzt.
I
i
Das römische Miliiärwesen seit Diocletian. 267
nation ^ znm maffisterkim equitum et peditum oder utritcsque müitiae^ 261
vereinigt werden können. Dieses Amt ist stets mit der Comitiva
ersten Grades verbunden und wird danach auch zuweilen benannt'^,
obwohl gewöhnlicher der Amtstitel hier ohne den Rangtitel auftritt.
Es bildet dasselbe mit den Präfecturen des Praetoriums und denen
von Rom und Constantinopel die höchste Kategorie der Reichsämter*;
ihr Inhaber steht in der Rangklasse der Illustres ^ und wird im
fünften Jahrhundert von dem Kaiser mit parens angeredet®. Der
Competenz nach steht dem magister neben dem Commando auch die
Jurisdiction zu'.
Dieser Magistri, welchen zunächst die Kaisertruppen unterstellt
sind und zwar sowohl die pälatini wie die comitatenses, hat es
anfänglich nur einen für das Fussvolk und einen für die Reiterei
gegeben. Aber ihre Zahl ist bald vermehrt worden^. Allerdings 262
1) Beispiele geben Eusebius der Consul des J. 359 C. Th. 11, 1, 1 [s. jedoch
Mommsen zu d. St.], welche Verordnung, wie längst bemerkt ist, dem Constantius
L^ehört; Marcellus Ammiau 22, 11, 1; unter Jovian Lucillianus (Ammian 25, 8, 9:
Malis magistri equitum et deditum codicillis).
2) Die equites stehen hierbei immer voran , obwohl der magistei' peditum
lern magistei' equitum vorgeht (Amm. 18, 6, 1 : dignitate adficiendus superiore).
Magister equitum et peditum und magister utriusque militiae sind vielleicht in der
Weise verschieden, dass die erstere Bezeichnung überwiegend von der organi-
iChen, die zweite in der Notitia nicht vorkommende überwiegend von der
[personalen Combination der beiden Commandos gebraucht wird.
3) Comes et magister equitum oder peditum oder militum in der V.-O. von
|!65 C. Th. 7, 1, 8; femer C. Th. 7, 8, 8. 7, 11, 1. 7, 18, 16. Not. Occ. 7, 166.
\l<mes allein vom magiater militum C. Th. 7, 1, 17. 23.
I 4) V.-O. von 372 C. Th. 6, 7, 1: praefectum urhi, praefectum praetorio,
lagistros equitum ac peditum itidiscretas ducimus dignitates. Für die Stellung
1er Civilbeamten zu den Offizieren unter dem strengen und formalen Regiment
es Constantius charakteristisch Ammian 21, 16, 2: nee occurrebat (um ihn als
en höher Gestellten zu empfangen) magistro equitum provinciae reet&r nee con-
ngi ab eo civile negotium permittehat : sed cunctae castrenses et ordinariae potes-
%tes (Militär- und Civilbeamten) ut honoi'tcm omnium apicem priscae reverentiae
\iore praefectos semper suspexere praetorio.
5) Equitius mag. eq. et ped. in lllyricum heisst in zwei Inschriften (Eph.
p. 2 n. 718 [C. I. L.ni, 10596 = Dessau 762]; C. I. L. III n. 5670a [= Dessau
74]) vir clarissimus, in einer dritten (C. I. L. III, 3653 [= Dessau 775]) vir
lustris; bekanntlich schliesst der letztere Titel den ersteren nicht aus.
6) Vgl. meine Bemerkungen in Bekkers und Muthers Jahrb. des gem.
echts 6, 407 [Ges. Sehr. 2, 349].
7) Zosimus 2, 32, 33. Cod. lust. 1, 46, 2 (wo das comitiacum officium wahr-
iheinlich auf den comes et mag. mil. zu beziehen ist). 3, 13, 6. 9, 3, 1.
8) Es sind hier nur die ordentlichen Magisterstellungen berücksichtigt
Orden, nicht die späterhin häufigen irregulären und grossentheils titularen.
268 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
hat jeder Kaiser noch unter Constantius wie unter Valentinian und
Valens einen einzigen magistcr peditum gehabt ^ welcher sich regel-
mässig bei dem Kaiser befindet ^ und insofern in praesenti, praesen-
talis genannt wird. Aber magistri equitum functioniren in dieser
Epoche mehrere neben einander^ und zwar theils am Hofe* in der
früheren Stellung, theils, wie es scheint ohne rechtlich fixirte Zahl
und Competenz, als Träger örtlich begrenzter, aber über die Sprengel
263 der Ducate hinausgreifender Commandos, nachweislich in Gallien 5,
Dahin gehören Gildo 393 comes et magist&r utriusque militiae per Africavi (C. Th.
9, 7, 9), Nepos 473 mag. mil. Dalmatiae (cod. lust. 6,61, 5), Zeta unter Justinian
mag. mil. per Armeniam et Pontum Polemoniaeum et gentes (cod. lust. 1, 29, 5);
weiter der Gothenkönig Theoderich als mag. mil. praesentalis und andere ger-
manische Fürsten. Wie der magister militum in Armenien (Ammian 27, 12, 5
zu fassen ist, weiss ich nicht ; auch die iudices militares in Justinians Regulative;
für Italien (pro pet. Vigilii 23) und die magistri militum in den Gregorbriefei
können hier ihre Erklärung nicht finden.
1) Silvanus ist magister peditum im J. 355 (Ammian 15, 5, 2. 16, 2, 4. Victor
42, 15) ; von den Inscriptionen der beiden zusammengehörigen Erlasse C. Th
8, 7, 3: comiti et magistro militiae und 7, 1, 2: comiti et magistro equitum et peditum,,^
ist die zweite zweifellos interpolirt. Ihm folgt Barbatio (Ammian 16, 11, 2.i
14, 11, 24. 17, 6, 2. 18, 3, 1); diesem Ursicinus (Ammian 18, 5, 5. 20, 2, 1); auf ihn'
Agilo (das. 20,2,5. 21,13,3, wo equestris pedestrisque zu schreiben ist); dann
unter Julian Marcellus (das. 22, 11, 2; vgl. Eunapius fr. 17 Müll.); unter Jovian
Lucillianus (S. 267 A. 1); weiter Arintheus (das. 27, 5, 2. 9, vgl. c. 12, 13. 15) und
Severus (das. 27, 6, 3. 28, 5, 2). Bei der Reichstheilung unter Valentinian und
Valens erhält natürlich jeder seinen mag. peditum sowie einen mag. equitum
piaesentdlis (Ammian 26, 5). Die magistri peditum Valentinians sind Dagalaifus
(26, 5, 2) und Severus (27, 6, 1. c. 8, 2. 10, 6. 28, 2, 5. 29, 4, 3), die des Valens Arin
theus (26, 5, 2. 27, 5, 4. 9), Traianus (31, 12, 1), Sebastianus (31, 11, 1). Gleich-
zeitige Function zweier magistri peditum desselben Kaisers ist nirgends erweislich,
2) Der Regel nach sind die in den Provinzen thätigen magistri die dei
Reiter (Ammian 21, 16, 2). Natürlich kann ausnahmsweise auch der magistei
peditum in die Provinz geschickt werden, wie Silvanus nach Gallien (Amm
15, 5, 2).
3) Der Kaiser spricht im J. 372 Recht magistris equitum auditwibui
(Ammian 29, 3, 7).
4) Arbetio heisst bei Ammianus im .1. 355 (15, 4, 1) und noch 361 (21, 13,3
magister equitum und daher 15, 2, 4 collega des Ursicinus; er ist beständig an
Hofe. Unter Valentinian nimmt diese Stellung erst Jovinus ein (A. 5), daiu
Theodosius, der Vater des späteren Kaisers, unter Valens Victor, alle drei of
bei Ammian erwähnt; den letzteren vertritt eine Zeit laug Saturninus (Ammiai
31, 18, 3). j
5) Dem Ursicinus, der an des mag. ped. Silvanus Stelle tritt (Aramiai
16, 2, 8), folgt in Gallien Marcellus (das. und c. 4,3), diesem Severus (Amm
16, 10, 21), Lupicinus (Amm. 18,2,7), Gomoarius (Amm. 20, 9, 5. 21, 8, 1), Nevitt
361 (Amm. 21, 8, 1). Vom J. 363 bis 369 finden wir in dieser Stellung U
Das römische Militärwesen seit Diocletiau. 269
in lUyricum ^, im Orient^. Diese Commandos umfassen sowohl
Infanterie wie Reiterei; in Illyricum unter Valentinian wird daher
der Inhaber als magister equitum et peditum bezeichnet^.
Im Westreich ist diese Ordnung im Wesentlichen geblieben.
Nach der Notitia aus Honorius Zeit stehen die Kaisertruppen hier
theils unmittelbar, theils mittelbar unter den magistri miliium prae^
scntales. Unmittelbar commandiren diese Magistri, wie schon ent-
wickelt worden ist, im Wesentlichen* die in Italien stehenden
kaiserlichen Fusssoldaten und Reiter; es sind dies überwiegend die
palatini, obwohl in dem uns vorliegenden Verzeichniss die Truppen-
körper in Folge späterer Verlegung mehrfach durch einander
geworfen sind. Die übrigen Truppen des Kaiserheeres, wesentlich
die comitatenses , finden wir cantonnirend in den Militärbezirken 264
Africa, Tingitanien, Spanien, Gallien, Britannien und Illyricum ; über
sie führen die beiden magistri in praesenti nur mittelbar das Com-
mando. Zunächst sind in den beiden ersten Districten, welche mit
den Ducaten zusammenfallen, die Kaisertruppen den Commandirenden
der dortigen Grenztruppen unterstellt, in den vier anderen, welche
Ammian sowohl wie in verschiedenen Rescripten den Jovinus, zweifellos nur
mag. eq. (so ausser Ammian die V.-O. von 365 C. Th. 8, 1, 10 und von 367 C. Th.
7, 1, 9, wonach eine andere von 365 mit »lag. eq. et ped. C. Th. 7, 1, 7 sich als
[interpolirt erweist), .\nfangs war er sicher mufj. eq. per Gallias, später vielleicht
>iut(f. eq. pfaesentalis ; wenigstens findet sich unter Valentinian kein anderer,
.lern diese Stellung zugewiesen werden könnte.
1) Die Reihe ist hier Lucillianus (Amm. 21, 9, 5. 7) — Jovinus, bevor er
ils mag. eq. nach Gallien geschickt wird, von Julian zum mag. eq. per Illyricum
gefördert (Amm. 21, 12, 2. 3. 22, 3, 1) — Dagalaifus (Amm. 26, 1, 6. c. 4, 1) —
Kquitius, 365 über die illyrischen Truppen gesetzt nondum magister, sed comes
Amm. 26, 5, 3) erhält bald darauf das Magisterium (das. 26, 5, 11) per Illyricum
jdas. 29, 6, 3). Zur Zeit der Katastrophe des Valens fährt das Commando in
Thrakien der co7nes Lupicinus (Amm. 31, 4, 9).
2) Im J. 353 (Amm. 14, 9, 1; vgl. c. 2, 26) und, eine Zeit lang im Westen
)e8chäftigt und durch den comes Prosper vertreten (Amm. 14, 11, 5. 15, 13, 3),
vieder seit 357 commandirt Ursicinus im Orient als magister equitum (Amm.
4, 11, 5. 18, 2, 3. c. 6, 2 : per decennium). Ihm folgt Sabinianus (Amm. 18, 5, 5)
md unter Valens Lupicinus (Amm. 26, 5, 2) und Julius (Amm. 31, 16, 8).
3) Sowohl in den Inschriften der J. 365/367 (Eph. epigr. 2 n. 718 [C. I. L.
II, 10596 = Dessau 762]), 370 (C. I. L. III, 5670 a [= Dessau 774]) und 371
IL. III, 3653 [= Dessau 775]) wie in der V.-O. cod. lust. 11,68,3 heisst
Iquitiu« magister equitum et peditum oder magister utriusque militiae. Illyricum
ehörte damals ungetheilt zum Westreich (C. Th. 10, 19, 7).
4) Dazu kommen einige Abtheilungen in Spanien und Gallien, namentlich
ie Flotten auf den gallischen Flüssen, welche, man sieht nicht warum, nicht
nter dem Comes von Hispauien und dem mag. eq. von Gallien, sondern direct
nter dem mag. peditum stehen.
270 ^^^ römische Militärwesen seit Diocletian.
entweder mit den Ducaten nichts zu thun haben oder mehrere
Ducate umfassen , eigenen vielleicht theilweise nicht vom Kaiser,
sondern von dem magister peditum ernannten ^ Befehlshabern , dem
magister equitum per Gallias, der trotz der Benennung ein gemischtes
Commando hat, die gallischen, die spanischen dem comes Hispaniac,
die britannischen dem comes Britanniarum , die illyrischen, soweit
dies dem Westreich geblieben ist, dem comes Illyrici. Dies ist
deutlich die Ordnung, wie sie schon unter Constantius und Yalentinian
in Kraft war mit der unwesentlichen Modification, dass die drei
letztgenannten Beamten nicht magistri equitum, sondern bescheidener
comites heissen^. Wenn man die Unterordnung der sämmtlicheii
Commandanten der Grenztruppen unter den magister pteditiim hinzu-
nimmt ^, so leuchtet ein, dass dieser als der eigentliche Träger des
obersten Reichscommandos gedacht ist; und tritt dazu noch die
personale Combination dieses Commandos mit dem präsentalen der
Cavallerie, wie dies bei Stilicho der Fall war, so ist der magister
utriusque militiae des Westreichs einfach der Generalissimus*.
In merkwürdigem Gegensatz zu dieser fast absoluten Centrali- 1
sation des militärischen Oberbefehls im Westreich finden wir, und«
zwar nach ausdrücklichem Zeugniss in Folge einer Anordnung
265 Theodosius I. ^, denjenigen des Ostreichs decentralisirt. Augen-
scheinlich hat hier das Westreich die ältere Ordnung bewahrt,
Theodosius wahrscheinlich unter dem Einfluss Stilichos das Com-
mando in der Weise gestaltet, dass dem allmächtigen Generalissimus
des Westens im Ostreich kein gleichgestellter General gegenüber-
stand. Hier sind seitdem in sämmtlichen Magisterien Reiterei und
1) Dies sind wohl diejenigen qui vicem . . magistrorum militum susceperiwt
peragendam der V.-O. von 413 (C. Th. 6, 14, 3). Wenn in der Notitia der
Magister von Gallien und der Comes von Britannien, nicht aber die Comites
von Illyricum und Hispanien in der Reihe der Beamten aufgeführt, sondern
diese nur bei dem mag. jyeditum erwähnt werden, so mag dies desshalb geschehen
sein, weil die letzteren vielleicht von dem Magister creirt wurden. Die Comitiva
selbst konnte dieser natürlich nicht verleihen, aber wohl einen vacanten Comes
an diese Stelle setzen.
2) Vgl. Ammian (S. 269 A. 1): nondum magister, sed comes.
3) Diese zeigt die Notitia, auch C. Th. 7, 20, 13.
4) Wenigstens eine Andeutung davon giebt Zosimus 4, 59 : t6v vlov 'OvcÖQun
ävadsixvvat ßaadea, UteXixcova oxQarrjyöv zs aTiocprjvag a[A,a rcöv avtöd^i ray/narmv
>tal ijiiTQOTiov tiaxaXiJicbv ra> Jiaidi.
5) Zosimus 4, 27 : tag fikv nQOEorcoaag dgxag awEtaga^E, tovg 8k rwv ozQaxim-
rixcöv rjyovfxsvovg nXsiovag ij tiqÖtsqov sigyaoaro' svog yäg ovtog ijcTiaQ^ov fcai sn
Ttöv tieCcöv Evog xExayfiEvov nlsioaiv ^ tievxe xavxag diivEifis xäg dgxöig- Dies is'
nicht genau richtig, aber trifft nicht weit ab vom Ziel.
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 271
Infanterie organisch combinirt und an die Stelle des einen magister
jaeditum am Hofe und der mehreren theils am Hofe, theils örtlich
fungirenden magistri equitum fünf magistri cquitum et 2)editum ge-
treten, von denen zwei am Hofe jeder die Hälfte der Palasttruppen
«ommandiren, die drei anderen über die im Orient, in Thrakien
und im östlichen Illyricum cantonnirenden comiiatenses gesetzt sind.
Die Abhängigkeit der örtlichen Befehlshaber der Kaisertruppen von
den am Hofe befindlichen und die Unterordnung der sämmtlichen
Duces der Grenztruppen unter den höchst gestellten Magister sind
ebenfalls, wenn nicht aufgegeben, so doch stark beschränkt. Eine
gewisse Controle üben wohl die beiden praesentales des Ostens über
die örtlichen magistri wie über die Duces concurrirend aus ^ ; im
Allgemeinen aber sind die Duces vielmehr den örtlichen magistri
untergeordnet? und die Appellation vom Dux geht regelmässig an
diesen^. In weiterer Entwickelung dieser decentralisirenden Tendenz
hat Leo die Jurisdiction über die Offiziere der Duces und über die
Duces selbst an den magister officiorum^ und Justinian die Appel- 266
lationen von dem Dux an ein aus dem magister ofßciorum und dem
quaestor sacri palatii combinirtes Gericht gewiesen ^
Hiermit hängt weiter zusammen, dass die Ernennung des
Bureauchefs bei den Grenztruppen nach den Ansetzungen der Notitia
im Occident den beiden magistri militum praesentales, und zwar
alternirend zusteht, dagegen im Orient der magister officiorum ihnen
denselben aus seinen Agenten m rehus zuschickt, Ausnahmen
machen in beiden Reichen die vielfach bevorzugten Donautruppen,
l>ei denen, der älteren den Beamten grössere Selbständigkeit be-
1) Nach Anastasius Anordnung cod, lust, 12, 35, 18 sendet ein jeder der
beiden magistri militum pi'aesentales jedes Jahr an jeden örtlichen magister einen
seiner Apparitoren ad responsum mit Adjutoren, ebenso einen an sämmtliche
Duces zusammen.
2) C. Th. 7, 1, 9. 7, 17, 1. Nov. Theodosii II, 24, 1: imminentibus magis-
teriis potestatibus. Leo cod. lust. 12, 59, 8 (A, 4). Anastasius cod. lust. 12, 35, 18.
Von welcher Stelle Justinians africanische duces nach Belisars Rücktritt ressor-
tiren sollen, ist aus cod. lust. 1, 27, 2 nicht zu ersehen,
3) Anastasius a. a. 0. Ist der Dux auch praeses, so geht die Civilappellation
natürlich an den praefectus praetorio (cod. lust. 7, 62, 32, 1 a),
4) Leo cod, lust. 12, 59, 8 weist die Jurisdiction über die duces eorumque
<tpparitores nee non Umitaneos castrorumque praepositos an den magister officioi'um:
jedoch sollen entgegenstehende Gewohnheiten hinsichtlich der drei örtlichen
magistri militum des Ostreichs respectirt werden.
5) Cod. Just. 7, 62, 38,
272 Das römische Militärwesen seit Diocletian.
lassenden Ordnung gemäss, der Bureauchef aus dem Officium selber
hervorgeht ^.
lieber das Commando der Grenztruppen bleibt wenig nach-
zubringen. Die Grenze, der limes, ist militärisch nach den Provin-
zialgebieten in Abschnitte zerlegt und danach führt seit Diocletian ^
der dem einzelnen Abschnitt vorgesetzte Commandoträger den Titel
dux limitis provinciae illius^. Da jeder dux auch comes ist, wird
ihm zuweilen die letztere Benennung gegeben*; titular aber wird
267 sie nicht verwandt, wenn dem Commandanten, was meistens der Fall
ist, nur die Comitiva zweiten Grades zusteht. Ist ihm dagegen die
ersten Grades beigelegt, so nennt er sich comes et dux^, und bei
den nicht zahlreichen Ducaten, mit denen diese Rangerhöhung ein
für allemal verbunden ist, fällt der Titel dux weg und nennt sich
der Commandant blos comes limitis oder comes rei militaris^. Dem
1) Auf Raetien erstreckt sich diese Ausnahme nicht, dagegen auf die
Belgica II.
2) Die ältesten Belege für den Ducat sind die Inschriften Eph. epigr. II
884 [C. I. L. III,' 10981]: dux P(annoniae) s(eciindae) S(aviae) vom J. 303; C. I. L.
III, 764 [= Dessau 4103]: pro salute adq. incolumitate dd. nn. Augg. et Caess.
Aw. Firminianus v. p. dux limit. prov. Seyt., ohne Zweifel unter Diocletian
gesetzt, und C. I. L. III, 5565 [= Dessau 664] vom J. 310. In älterer Zeit wird
dux nicht titular verwendet, bezeichnet aber enuntiativ den ordentlichen oder
ausserordentlichen Commandoführer (vgl. meine Erörterung bei v. Sallet die
Fürsten von Palmyra S. 72 f. [oben S. 204 f.]). Die an die Stelle der ordentlichen
Beamten der früheren Kaiserzeit in den Wirren der zweiten Hälfte des dritten
Jahrhunderts eintretenden ausserordentlichen regelmässig den niederen Schichten
der Armee entnommenen Commandoträger machen die Einleitung zu den regulirten
Duces Diocletians vom Range des Perfectissimats. — Die Kaiserbiographien
folgen auch hierin dem Sprachgebrauch des 4. Jahrhunderts (S. 221 A. 2).
3) Den vollen Titel haben zum Beispiel die A. 2 angeführte Inschrift; die
Notitia Occ. 1, 38. 39. 5, 133; die Verordnungen C. Th. 7, 1, 12. 7, 20, 18 (wo
militum in limitum zu ändern). 12, 1, 133. 15, 11, 2. Eine unsichere Nebenform
C. I. L. III, 3763 dux ad l(ocos?) l(imitaneos?) p(rovinciae) V(aleriae) [jetzt unter
n. 10678: [du]x AP LL PP (?)]. Dux allein schon in den Inschriften der J. 305
und 310 (A. 2) und seitdem häufig.
4) Dux und comes inferior wechseln in der V.-O. von 417 C. Th. 7, 11, 2
und auch in der von 406 C. Th. 7, 11, 1 ist mit dem comes minor der dux gemeint.
Daher ist auch C. Th. 7, 4, 36. 7, 9, 2. 8, 5, 49 der comes kein anderer als der
Dux, und an anderen Stellen C. Th. 1, 22, 3. 7, 4, 32 umfasst comes sowohl den
titularen comes rei militaris wie den titularen dux.
5) Diese Titulatur für Tripolis C. Th. 11, 36, 33; für Libyen in dem Erlass
des Anastasius (S. 210 A. 5).
6) Beides in der Notitia ; comes limitis auch C. Th. 8, 5, 52. Diese Rang-
erhöhung ist wohl erst unter Theodosius I. eingetreten. Der Commandant von
Aegypten heisst dux nicht blos unter Constantin (S. 221 A. 2), sondern noch in
4
Das römische Militär wesen seit Diocletian. 273
Range nach kommt dem Dux bis auf Constantius und einzeln nach-
her noch nur der Perfectissimat zu\ wofür in der theodosischen
Zeit der Clarissimat^, seit dem Anfang des fünften Jahrhunderts
die Spectabilität ' eintritt. Der Dux ist nicht blos in seinem Sprengel
der Höchstcommandirende, sondern auch der rechte Richter für den
Soldaten der Grenztruppen seines Sprengeis*; jedoch erstreckt sich
seine Jurisdiction nicht auf seine Offiziere (S. 271) und noch weniger
auf die etwa in seinem Sprengel cantonnirenden Kaisertruppen 5.
Ueber seine Stellung zu den höheren Militärbehörden, den örtlichen
und den am Hofe functionirenden magistri militum sowie zu dem
magistcr officiorum, ist bereits gehandelt worden. — Die Civil-
verwaltung ist regelmässig von dem Ducat getrennt; wo ausnahmsweise 268
beide Aemter vereinigt sind, steht das Civilamt stets an zweiter Stelle ^.
Unter den Commandoträgern, den magistri militum der Kaiser-
und den duces der Grenztruppen, stehen die Führer der einzelnen
Numeri. Jurisdiction scheinen dieselben von sich aus nicht gehabt,
sondern nur kraft Delegation des vorgesetzten Magister oder Dux
Recht gesprochen zu haben''; sie sind lediglich Offiziere. Durch-
V.-O von 360 (C. Th. 11, 24, 1), 364 (C. Th. 12, 12, 5), ja von 384 (C. Th. 11, 30, 43);
der comes tritt daselbst zuerst 381 auf (C. Th. 4, 12, 9 = lust. 4. 61, 9; C. Th-
6, 10, 3) und später ständig.
1) Ammian 21, 16, 2: nee sub eo (Constantio) dux quisquam cum clarissi-
matu provectus est; erant enim, ut nos quoque meminimus, perfectissimi. C. I. L.
III, 764 (S. 272 A. 2). 4039. 4656 = Eph. ep. 4, 541 [C. I. L. III, 11350; vgl. 11853.
13536] und noch in den J. 365/367 Augustianus (Eph. epigr. 2 n. 718 [C. I. L.
III, 1Ü596 = Dessau 762]) und im J. 377 Frigeridus C. I. L. III, 3761.
2) So im J. 369 C. I. L. III, 6159 [= 7494 = Dessau 770] = dies. Zeitschr.
[Hermes] 17, 524 [unten S. 304] und im J. 386 C. Th. 12, 1, 113.
3) So in der Notitia und später. Nach Justinian cod. 7, 62, 3 wird der
Ducat unter Umständen auch nach Aemtern vom Rang des Illustrats verliehen.
4) Anastasius cod. lust. 12, 35, 18, 6 schärft das Verbot ein die Instanz des
Dux zu überspringen.
5) Anastasius a. a. 0. gestattet ausnahmsweise, dass die im Sprengel des
dux stehenden milites praesentales bei ihm Recht nehmen.
6) Dujc et praeses in Arabien (Notitia; Justinian uov. 102), Mauretanien
(Notitia), Sardinien (V.-O. 382 C. Th. 2, 27, 3); dux et corrector limitis Tripolüani
(C. Th. 12, 1, 133, vgl. 11, 36, 33); comes et praeses von Isaurien (Ammian 19, 13, 2;
Notitia; Justinian nov. 27). Justinian hat dies auf viele andere Provinzen
erstreckt (nov. 25. 26. 28. 29. 30. 31. Ed. 4. 8. 13).
7) Anastasius cod. lust. 12, 35, 18, 3: est ... arbitrü . . ducum pro qualitate
{negotiorum vel quantitate (also durch Generaldelegation) . . . . vel suMm audientiam
interponere litigiis vel eorum discussionem dicatissimis principiis (vgl. Gothofred zu
C. Th. 7, 20, 2) seu arbitris in lods degentibus committere. Wohl mit Recht bezieht
Z. v. Lingenthal darauf den Satz im Erlass des Anastasius (S. 210 A. 5) : roy
MOMMSEN, SCHR. VI. 18
274 D^s römische Militärweseu seit Diocletian.
gängig führen sie jetzt den Titel tribunus. Derselbe wird beigelegt
in der Reiterei nachweislich dem Führer der schola, welcher den
übrigen Tribunen im Range weit voransteht ^, und dem der vexillatio^;
269 in der Infanterie dem der Neulegion ^ und dem des Auxilium sowohl
der Garde* wie der Donauducate^, auch nach altem Herkommen
dem der Cohorte^ Der Führer der Ala mag die alte Bezeichnung
ejtixovQov (vielleicht deu Vicarius des Tribuns, vgl. S. 276 A. 1) : h'^&a rlg ahia-
&sit] naQ avTÜ) fis/Qi vo/uiOfj.dr(ov exaxöv, kafißdvsiv rjfiiov vofiia/.iaTog.
1) S. 233. Diesem im Range gleich oder nahe steht, wie insbesondere nov.
Valent. 6, 3, 1 zeigt (vgl. Ammian 15, 3, 10. 16, 12, 63. 18, 2, 2. Vita trig. tyr.
18, 11. Vegetius 3, 17), der tribunus vacans, das heisst der als effectiv comman-
dirend angesehene (und insofern von dem honorarius wohl zu unterscheidende:
cod. Tust. 12, 8, 2) und am Kampf wie an der Besoldung (vita Alex. 15; trig. tyr. 18)
betheiligte, aber nicht an die Spitze einer schola gestellte Tribun (Ammian
31, 13, 18: triginta quinque oppetivere tribuni vacantes et numerorum reetores).
Wie der Tribunat ohue Commando eines Numerus vergeben werden kann, kann
er auch mit einer anderen Amtsstellung verknüpft werden, zum Beispiel mit
der Verwaltung des kaiserlichen Marstalls (Ammian 26, 4, 2: Valentem fratrem
stabulo suo cu7n tribunatus dignitate praefecit) und mit dem kaiserlichen und dem
prätorianischen Notariat, in welchem Fall der Betreffende allerdings nicht zur
militia armata gerechnet wird.
2) Tribun Dorotheus der vexiUatio equitum eataphractariorum in Arsinoe in
der Urkunde vom J. 359 in dieser Zeitschrift [Hermes] 19, 418 [B. G. U. I, 316].
Ammian 15, 4. 10. 21, 11, 2. 25, 1, 8. 9: quattuor vexillationwii tribuni. Der Tertia-
corum equestris numerus, den Julianus cassirt und der daher in der Notitia sich
nicht findet, ist wohl auch eine vexiUatio.
8) Inschrift vom J. 369 (S. 273 A. 2): [labore devotissi]morum militum sum'um
Primanorum (entweder der 1 lovia oder der I Italica) [et commissor]um
eure Marciani trib(uni) et Ursicini p(rae)p(ositi). Von Mailand C. I. L. V, 6213
[= Dessau 2789]: Derdio ex tribuno, militavit ann. XL int(er) lovianos seni(ores),
welche Legion zur Garde gehört. Aus Africa C. I. L. VIII, 9248 [= Dessau 2812] :
Fl. Ziperis'Jrib(u)n(us) n(umeri) Pr(i)m(anorum) fel(icium) lust(inianorum) depositus
est in p(a)c(e) agens tribunatu(m) Rusg(uniis) ann(is) XII. Ammian 22, 3, 2:
praesentibus lovianorum Herculianorumque principiis et tribunis.
4) Ammian 16, 11, 9. c. 12, 68: Bainobaudes Cornutorum tribunus. Inschrift
von Concordia C. I. L. V, 8753: Fl. Margaridus tribunus militum loviorum
iuniorum. Tribun der Valentinianenses (als auxilium palatinum genannt Not
Occ. 5, 190. 7, 61) in den Arch. Epigr. Mitth. aus Oesterreich 9, 19 [= C. I. L,
III p. 282]. Den Tribun der Victores Caecilides nennt Corippus loh. 7, 375. 440.
Vielleicht gehört hieher auch der Tribun des numerus auxiliarium Constantia£orum
der A. 2 angeführten ägyptischen Urkunde.
5) An den beiden einzigen Stellen, wo die Notitia hierbei den Offizier
nennt, ist dies ein Tribun. Occ. 34, 24: tribunus gentis Mareomanorum. 35, 31:
tribunus gentis per Raetias deputatae. Auch der tribunus militum Nerviorum
(Occ. 38, 9) mag gleichartig sein.
6) Den Cohortenführer nennt die Notitia, wo sie die Titel setzt, überall
tribunus, ebenso die V.-O. von 320 (C. Th. 7, 12, 1 = lust. 12,42, 1) und 369
(C. Th. 7, 20, 10).
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 275
praefedus behalten haben ^. Aushülfsweise wird für die Flotten'^,
die Waffenfabriken ^, die militärisch verwalteten africanischen Grenz-
abschnitte*, die Ansiedelungen der Laeten und Gentilen^ und über-
haupt für jede selbständige Truppe in der constantinischen Zeit**
und meistens in der Notitia"^ die Bezeichnung praefectus, späterhin 270
durchaus die Bezeichnung praeposifus gebraucht^. Daher heissen
zusammengefasst die Abtheilungsführer tribuni et praepositi^^ häufig
auch blos tribuni^^, während praepositus allein in allgemeiner An-
wendung nicht leicht gefunden wird ^^. — Es kommt auch ein vicarius
1) Notitia Occ. 26, 13. 35, 25. 26. 33.
2) Praefectus in der Notiiia ständig, praepositus in der V.-O. von 369
€. Th. 7, 20, 10.
8) Praepositus C. Th. 7, 20, 10. Ammianus 29, 3, 4; tribuni bei Ammian
14, 7, 18. c. 9, 4. 15, 5, 9.
4) Praepositus in der Notitia.
5) Praefectus in der Notitia Occ. 42, praepositus in der V.-O. von 369
€. Th. 7, 20, 10.
6) C. Th. 7, 20, 2 vom J. 320 : Atigustus cum introisset prindpia et salutatus
esset a praefedis et tribunis et viris eminentissimis. Diese den tribuni im Rang
nachgesetzten praefeeti können nicht, wie Gothofred meint, die pi'oefecti legionum
sein, sondern es i-st das Wort hier, wie in der Notitia, für das später geläufige
praepositus gesetzt.
7) Abgesehen von den älteren Abschnitten über Britannien, welche neben
dem praefectiis alae und dem praefectus equitum den praepositus equitum nennen,
kennt die Notitia praepositi nur für die kleinen Grenzabschnitte in Africa; sonst
braucht sie nur tribunus und praefectus.
8) Auch die legio I Martiariim der Inschrift von 371 (C 1. L. III, 3653 [=
Dessau 775]) und die milites auxiliares Lauriacenses einer ähnlichen von 370
(C. I. L. III, 5670* [= Dessau 774]) stehen unter einem praepositus.
9) So schon 313 (C. Th. 7, 21, 1): ex protectoribus vel ex praepositis vel ex
tribunis epistulae; 320 (C. Th. 7, 12, 1): praepositi vel decuriones (welche Subalterneü
der Reiter hier zu finden befremdet; vgl. S. 276 A. 4) vel tribuni; 325 (C. Th.
7, 4, 1): tribunos sive praepositos, qui milites nostros curant; 342 (C. Th. 7, 9, 2):
comitum (d. h. inferiorum) vel tribiinorum vel praepositorum vel m,ilitum nomina.
Ebenso C. Th. 7, 1, 2. 10. 7, 4, 36. 7, 20, 13. 11, 18, 1. 12, 1, 113. Die tribuni
stehen regelmässig an erster Stelle (C. Th. 7, 9, 2. 7, 21, 1. 12, 1, 113), ungenau
an zweiter C. Th. 7, 4, 36. Die Kaiserbiographien mengen auch hier die Titula-
turen des dritten und die des vierten Jahrhunderts. Vita Elagabali 6: militaribus
pracposituris et tribunatibus et legationibus et ducatibus venditis. Vita Aureliani 10:
multos ducatus, plurimos tribunatus, vicarias ducum et tribunorum prope quadra-
ginta. Auch die vita Maximini 5, Claudii 14, Aurel. 17 genannten Legionstribune
sind gedacht als Führer der Gesammtlegion.
10) C. Th. 7, 1, 12. 13. 17. 7, 4, 23. 28. 29. 7, 11, 1. 2. 8, 5, 49. 10, 20, 11.
11, 24, 4. 12, 1, 128. C. lust. 3, 13, 5. 12, 37, 19 pr. § 4. Zosim. 2, 33. Justinian
in der Verordnung für Africa cod. lust. 1, 27, 2. c. 2, 9. 11 nennt unter dem
Dux nur tribuni. Ebenso 6, 21, 18: tribunatum numeri merere.
11) Vita Gordiani 24: militum praeposittiras ; vita Alex. 46.
18*
276 I^^s römische Militärwesen seit Diocletian.
des Abtheilungsführers vor^. — Dem Coramandanten des einzelnen
Castells wird die Benennung praefectus '^ oder praepositus ^ gleich-
271 falls beigelegt. — Auf die Unteroffiziere, welche in dieser Epoche
an die Stelle der alten Centurionen und Decurionen getreten sind*,
und die ebenfalls gänzlich umgestalteten chargirten Gemeinen^ ein-
zugehen liegt nicht in den Grenzen dieser Untersuchung.
8. Uebersicht der in den Clientelstaaten oder im
Ausland gebildeten Truppenkörper.
Die Armee des römischen Reiches ging in dieser Epoche nicht
mehr allein aus der freien im Bürger- oder Unterthanenverband
stehenden Bevölkerung desselben hervor, sondern auch aus den
Unterthanen der Clientelkönige, welche in älterer Zeit nur durch
die von ihren Fürsten gesandten Contingente den Römern Kriegs-
1) Constantin C. Th. 7, 12, 1 = lust. 12, 42, 1. Ammian 15, 4, 10: (tribunus)
agens vicem armaturarum rectc»'is (Schola). Honorius cod. lust. 3, 13, 5: tribuni
sive vicarii. Anastasius cod. lust. 12, 37, 19 pr. § 3. 4. Constantinus Porphyr,
de caer. 1, 91. Vielleicht ist dies der imxovgos des anastasischen Erlasses
S. 273 A. 7. Auch die vicariae diicum et tribunorum in der Biographie Aurelians
c. 10 gehören hieher. Dagegen lässt sich dies nicht mit Gewissheit behaupten
von dem vicarius Divitesi m des merkwürdigen spätrömischen Kölner Steins,
welchen Zangemeister im Westdeutschen Korr. -Blatt 1889 S. 39 vor kurzem
herausgegeben hat [C. I. L. XIII, 8274 = Dessau 2784]. Er erkennt darin einen
Eigennamen und es kann dies richtig sein. Aber vor dem letzten Buchstaben
ist Platz für einen vielleicht nur mit Farbe angegebenen; vielleicht hat dem
vor dem Feind gefallenen protector diesen Stein der vicarius (tribuni) Divitesi(u)m
gesetzt, der Stellvertreter des in Deutz commandirenden Tribuns.
2) Erlass des Anastasius (S. 210 A. 5): 8iä ygafi/idTcov xov jigaicpExrov.
3) C. Th. 7, 9, 1. 7,12,1. 8,7,11: praepositura castri ac müitum. Nov.
Theodosii 24 = cod. lust. 1, 46, 4: dux cum principe (des Officium) castrorumque
praepositis. Leo cod. lust. 12, 59, 8: viros spectabiles duces eorumque apparitwes
nee non Umitaneos castrorumque praepositos. Vgl. S. 210 A. 5.
4) Sichere Zeugnisse für den Centurio aus dieser Zeit kenne ich nicht
[s. jedoch C. I. L. VI, 32974 (christlich) : qui militavit centwrio annos XXX BANG].
Ammian nennt sie [die Centuriae, den centurio nur 18, 6, 21] nicht selten (17, 13, 25.
18, 6, 21. 21, 13, 9. 23, 5, 15. 24, 6, 9. 25, 3, 4. 26, 2, 3. 27, 10, 10), aber in abge-
schriebener Phraseologie. Von Zosimus 3, 23. 4, 27 [an beiden Stellen Ta^iaQxoil
gilt vermuthlich das Gleiche. Die xevtovgca bei Prokop b. Vand. 2, 13 ist wohl
die Hufe wie C. Th. 11, 1, 10. Den Decurio nennt die Verordnung Constantins
C. Th. 7, 12, 1 (S. 275 A. 9); in Justinians Redaction derselben C. Tust. 12, 42, 1
ist er gestrichen und sonst scheint er in der alten militärischen Bedeutung
nirgends vorzukommen.
5) Vorläufig wird die Zusammenstellung C. I. L. V p. 1059 davon eine
ungefähre Anschauung geben ; eine genaue Untersuchung, die sich auf die völlig"
militärisch organisirten agentes in rebus erstrecken muss und auch die Appari-
toren der Beamten nicht ausser Acht lassen darf, bleibt zu wünschen [vgl.
Hirschfeld 'die agentes in rebus' in Sitz.- Ber. d. Berl. Akad. 1893 S. 421 ff.].
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 277
dienst geleistet hatten, und selbst aus dem unabhängigen Ausland.
Ja, während in der älteren Epoche die römische Truppe sich allein
nach der Reichsheimath benannte, galten jetzt die reichsangehörigen
oder auch reichsfremden Barbaren militärisch mehr als die in Folge
der Aufnahme der ehemaligen Peregrinen in das Reichsbürgerrecht
das gesammte eigentliche Provinzialgebiet umfassende römische
Bürgerschaft und es kamen damit die jenen entnommenen Benen-
nungen in allgemeinen Gebrauch. Es ist dies principiell früher
entwickelt worden; hier soll der Versuch gemacht werden diese
Benennungen zusammenzustellen und, was über die Entstehung der
einzelnen beigebracht werden kann, daran anzuschliessen.
Der von den Clientelstaaten als solchen geleistete Wehrdienst,
der Antheil der foederati an der römischen Kriegführung so wie die
Truppensendung auswärtiger Staaten auf Grund eines gewöhnlichen
Allianzvertrags ^ sind von der hier zu erörternden Bildung römischer 272
Truppenkörper begrifflich ebenso leicht zu unterscheiden, wie in
den Berichten der Historiker, abgesehen von dem kriegs- und staats-
rechtskundigen und hierin genauen Prokopius, die drei Kategorien
der aus römischer Werbung hervorgegangenen Reichstruppen, der
Oontingente der reichsangehörigen Föderaten und der dem freien
Ausland angehörigen Hülfstruppen durch einander laufen. Die hier
gegebene so weit möglich geographisch geordnete Zusammenstellung
soll, hauptsächlich auf der Grundlage der Notitia, die erste dieser
drei Kategorien, die zum Reichsheer gehörigen Truppenkörper auf-
zählen, welche ihrer Benennung nach als barbarische erscheinen.
Es gehören zu den Barbaren alle nicht municipal geordneten Reichs-
l»ozirke, nach dem technischen Ausdruck die den Römern unter-
1) Dahin gehören zum Beispiel die Franken und Sachsen in dem Heere
des Magnentius bei Julian (S. 236 A. 3); die Gothen, Hunnen, Alanen, die in
Paunonien sich dem Theodosius auf seiner Expedition gegen Maximus anschliessen
{Pacatus paneg. 32); die Langobarden im Gothenkriege Justinians; die Eruier,
welche häufig bei den Römern Kriegsdienste nehmen (Prokop b. Goth. 2, 14:
^Pcäfialoig xaxä rö ^vf^/na^ixop xa noXka im roi/g noXeixiovs ^vvtäaaovzai) und oft
bei Prokop vorkommen; die nicht minder häufig bei ihm als Hülfstruppen er-
wähnten Hunnen. Manche dieser Völker sind wohl in Betreff der Grenzhut
foederati, aber wenn sie in Africa und Italien fechten, geschieht dies nicht auf
Grund dieses foedus, sondern nach besonderer Verabredung, vorausgesetzt über-
haupt, dass dabei dieselben Kleinkönige gemeint sind. Ob dem Kriegsdienst
ein politisches Bündniss zu Grunde liegt oder, wie dies gewöhnlich der Fall ist,
einfache Dingung und ob der contrahirende Ausländer mehr Fürst oder mehr
Condottiere ist, kommt hier nicht in Betracht. Diese Mannschaften heissen
sodi, ^vfifiaxoi bei Julian wie bei Prokop, und es giebt für sie keine andere
Bezeichnung (S. 226 A. 5).
278 I^^s römische Militärwesen seit Diocletian.
worfenen gentes (S. 226). Dazu kommen weiter die eigentlich aus-
ländischen Staaten. Scheidung der reichsangehörigen und der nicht
reichsangehörigen Barbaren ist nicht blos nach dem Stande unserer
Ueberlieferung nicht ausführbar, sondern auch dadurch ausgeschlossen,
dass, wie früher (8. 229) gezeigt ward, die Tributpflichtigkeit des
römischen Staates gegen einen benachbarten regelmässig in die Form
der abhängigen Föderation gekleidet ward. Es wird diese Ueber-
sicht nicht blos im Einzelnen manche Beziehungen aufzeigen, die zu
beobachten und weiter zu verfolgen geschichtlich von Interesse ist,
sondern vor Allem die Ausdehnung des barbarischen Elements im
römischen Heere selbst einigermassen zur Anschauung bringen.
273 Einzelne wie es scheint in die letzten Decennien des dritten
Jahrhunderts zurückgehende Bildungen dieser Art sind aufgenommen
worden, nicht aber die früher (S. 256 f.) behandelten Laeten und
Gentilen. Hinsichtlich der Bildung dieser Abtheilungen sind nur
die mehr oder minder wahrscheinlichen speciellen Anlässe angegeben
worden; die allgemeinen Beziehungen der einzelnen Völkerschaften
zu Rom konnten in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung
finden. Die Anlässe zu solcher Truppenbildung sind verschieden-
artig gewesen. In völlig abhängigen Clientelstaaten können Truppen-
körper dieser Art aus eigentlicher Aushebung hervorgegangen sein;
indess ist ein Beleg für dies Verfahren mir nicht bekannt ^ und das-
selbe sicher höchstens ausnahmsweise vorgekommen. Wohl aber
mögen Föderationsverträge, welche den abhängigen Staat zur dauern-
den Stellung einer gewissen Zahl von Rekruten verpflichteten
(S. 256 A. 1), manchen derartigen Truppenkörpern den Namen
gegeben haben. Vor allem aber werden solche Bildungen durch
Uebertritt oder Kriegsgefangenschaft oder "Werbung herbeigeführt
worden sein. Nicht wenige der auf diese Weise entstandenen
Truppenkörper scheinen bald wieder aufgelöst, ihre Mannschaften
in andere Truppen vertheilt worden zu sein. Wenn zum Beispiel
die 1. und die 8. Ala, die 7. Cohorte der Franken, die 1. Ala und
die 5. und 9. Cohorte der Alamannen, die 8. Ala der Vandalen
begegnen, so ist nicht die einzig mögliche, aber die nächstliegende
Erklärung, dass dies Ueberreste sind von umfassenden, aber ephe-
meren Truppenbildungen aus den gedachten Nationen, von denen
nur diese wenigen zu fester Rekrutirung und dauerndem Bestände
1) In der früheren Zeit ist dies wahrscheinlich in Thrakien geschehen (in dieser
Zeitschr. [Hermes] 19, 49 [oben S. 65]), weil die thrakischen Fürstenthümer nicht
an der Reichsgrenze lagen und also an deren Vertheidigung unmittelbar sich nicht
betheiligen konnten.
w
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 279
gelangten; ähnlich wie bei den italischen cohortes voluntariorwn die
unvollständige Reihe und die hohen Ziffern sich erklären. Die ört-
liche Grundlage, welche bei den Reichstruppen dieser Zeit überall
hervortritt und ohne Zweifel sich noch viel weiter erstreckt hat als
die örtlichen Benennungen es zeigen , wird in dieser Epoche auch
bei ihrer Ergänzung wahrscheinlich mehr als in der vorhergehenden
festgehalten worden sein. Bei den angesehensten von allen, den
scholae, die sich zum Theil selbst Barbaren nennen und ohne Zweifel
es sämmtlich sein sollten, lässt es sich nachweisen, dass sie fort-
während vorzugsweise aus dem barbarischen Inland oder aus dem 274
Ausland sich ergänzten (8. 232). Aber da überhaupt auf die pro-
vinziale oder ausländische Sonderart der Truppenkörper Werth gelegt
ward, so muss man auch darauf bedacht gewesen sein sie homogen
zu ergänzen. Die Bataver, die Eruier, die Sachsen, die Saracenen
hatten ihre besondere Fechtweise, ihre eigenen Reminiscenzen, ihren
besonderen Corpsgeist; sie sollten in ihrer Eigenart ein Bollwerk
bilden gegen die allgemeine militärische Demoralisation der Reichs-
bürgerschaft und man degenerirte sie, wenn die griechisch-römische
Kloake in sie selbst eingeführt ward. An formale Qualification
freilich kann schon deshalb nicht gedacht werden, weil die dabei
zu Grunde liegende Nationalitätsidee selber nicht streng zu formuliren
war, es lediglich von den Verhältnissen des einzelnen Falles abhing,
ob der mit dem Bürgerrecht beschenkte Franke oder des Franken
in Rom geborener Sohn als Franke oder als Römer zu gelten hatte.
Die nationale Homogenität hat nie mehr sein können als eine
Directive für den rekrutirenden Offizier ^ Auch sind Ausnahmen
sicher von jeher vorgekommen; schon unter Jovianus tritt ein Soldat
Xamens Yitalianus aus der Abtheilung der Eruier in die römische
Aemterlaufbahn ein^. Sie müssen im Laufe der Zeit mehr und mehr
sich gesteigert haben; wie konnte die nach Byzanz verlegte Truppe
der Mattiaker regelmässig ihre Ergänzung vom Rhein her erhalten?
Schliesslich sind in der allgemeinen Auflösung diese Dämme alle
gewichen und zum Beispiel die scholae unter Justinian zu einer
Leibrentenanstalt für die Pflastertreter von Constantinopel geworden.
Saracenen: equites Saraceni Thamudeni (Aegypten Or. 28, 17) —
equites Saraceni indigenae und equites Saraceni (Phoenike
Or. 32, 27. 28).
1) Gemeint sind hier natürlich die römischen Reichstruppen, wie zum
Beispiel das bei Concordia lagernde Auxiliura der Eruier. Bei den auf Grund
der Specialverträge gesandten Hülfstruppen, zum Beispiel der Truppe des Erulers
Phares mit seinen 300 ofioyeveig (Prokop b. Pers. 1, 13) ist die Nationalität selbst-
verständlich. 2) Ammianus 25, 10,9: Vitalianus Erulorum e numero miles.
280 Das römische Militärwesen seit Diocletian. vfK
Assyrier: ala II (Aegypten Or. 28, 33)^.
Parther und Perser: equites primi clibanarii Parthi (vex. com.
Or. 5, 40) — equites secundi clibanarii Parthi {vex. com. Or.
275 6, 40) — equites quarti clibanarii Parthi {vex. com. Or. 7, 32)
— equites sagittarii Parthi seniores {vex. com. Occ. 6, 68) —
equites sagittarii Parthi iuniores [vex. com. Occ. 6, 73). —
ala I Parthorum (Osrhoene Or. 35, 30). — equites Persae cli-
banarii {vex. pal. Or. 6, 32).
Die Parther, die einzige ausländische Nation , nach der in
vordiocletianischer Zeit ein Truppenkörper, die vielleicht bis
in Trajans Zeit hinaufreichende ala I Parthorum, benannt
ist 2, stehen an Zahl und Ansehen der nach ihnen benannten
Truppenkörper auch in dieser Epoche allen andern voran.
Zabdikener: cohors XIIII Valeria (Hdschr. ualeriae) Zäbdenorum
(Mesopotamien Or. 36, 36). — Sagittarii Zabdiceni im J. 360
in Zabdikene selbst (Ammian 20, 7, 1).
Karduener: equites sagittarii Cardueni {vex. com. Occ. 6, 83) —
ala XV Flavia Carduenorum (Mesopotamien Or. 36, 34) ^
Zabdikene und Karduene gehören zu den transtigritanischen
im J. 290 von den Persern an die Römer abgetretenen*, im
J. 363 von jenen wieder zurückgewonnenen ^ Landschaften.
Da auch die Benennungen auf die diocletianische Epoche
führen, sind diese Truppenkörper sicher in Folge dieser Er-
oberung eingerichtet worden, haben aber den Yerlust der i
Gebiete überdauert, Vermuthlich sind die bei dieser Ver-
anlassung neu eingerichteten Regimenter ohne Unterscheidung
von Reiterei und Fussvolk durchgezählt und jedes nach einem
der neuen Districte benannt worden.
Armenier: Comites sagittarii Armenii {vex. Pal. Or. 6, 31). Diese
Truppe und vielleicht zugleich die damit zusammengestellten
comites sagittarii iuniores {vex. Pal. Or. 5, 30) bezeichnet
Ammian® als barbari ingenui, demnach als dem Clientelstaat
Grossarmenien, nicht der römischen Provinz angehörig. —
ala II Armeniorum (Aegypten Or. 28, 22).
1) Vgl. den tribunus Assyriorum in der vita Claudii 13, 3.
2) In dieser Zeitschr. [Hermes] 19, 2 [oben S. 21].
3) Die vorhergehende ala octava Flavia Francarum hat vielleicht auf die
Lesung eingewirkt; doch ist es nicht nöthig zu ändern.
4) Petrus Patricius fr. 14 Müll.
5) Ammian 25, 7, 9; Zosimus 3, 31.
6) 18, 9, 4 unter den in Amida vereinigten Truppen : aderat comitum qiioque
sagittariorum pars maior, equestres videlicet turmae ita cognominatac , ubi meixnt
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 281
Hiberer: Hiberi (aux. Pal. Or. 5, 60). — ala I Iliberorum (Tho- 276
bais Or. 31, 46).
Hiberia ist im vierten Jahrhundert römischer Clientelstaat^
Tzanner: Tzanni [leg. com. Or. 8, 49; im persischen Feldzug Julians
fällt Vetranio qui legionem Ziannorum regehat ^. Vgl. S. 238).
— coh. IX Tsanorum (Thebais Or. 31, 62).
Die Tzanner, am Kaukasus östlich von den Lazen im
Binnenland wohnhaft, nennt schon im Anfang des fünften
Jahrhunderts Theodoret unter den reichsangehörigen Barbaren
(S. 226). Damit übereinstimmend giebt ihnen Prokopius die
Föderatenstellung; Justinian aber bringt sie unmittelbar zum
Reiche^.
Abasger: ala I Ahasgorum (Thebais Or. 31, 55).
Die Abasger, die nördlichen Nachbarn der Lazen am
schwarzen Meer, nennt Theodoret (S. 226) ebenfalls unter
den reichsangehörigen Barbaren, Prokopius* als mit den
Römern von Alters her befreundet.
Sarmaten: ala VII Sarmntarum, (Aegypten Or. 28, 26).
Dabei ist abgesehen von der britannischen ala Sarmatarum,
welche vordiocletianisch und aus den durch Marcus nach
Britannien gesandten jazygischen Mannschaften hervorgegangen
ist^. Die ägyptische kann aus Honorius Zeit herrühren^.
^ownes ingenui harhari, armorum viriumque firmitudine inter alios eminentes. Bei
dieser Elitetruppe sah man also auch auf gute Geburt der Ausländer.
1) Ammian 21, 6, 8. 27, 12. 30, 2, 2.
2) Ammian 25, 1, 19.
3) Nach Prokop (b. Pers. 1, 15, vgl. 2, 3. b. Goth. 4. 13. de aed. 3, 6) ist das
3ebiet der Tzanner römisch {h yfj t>] 'Pcofiaicov) , aber sie leben nach eigenem
Recht {avr6vofA.oi) und erhalten von der römischen Regierung zur Abwendung
ier Brandschatzung jährliche Abfindungsgelder. Justinians Feldherren über-
[ffältigen sie und nöthigen sie, Contingente zum Reichsheer zu stellen: kg xara-
\6yoi'? avxovg 'Pcofiaixovg sjisyQdipavro xal x6 Xomov ^vv xä) äkko) 'Pcof^aicov axQaxö)
7ti rovg noksfj.iovg i^caat. Nach Agathias 5, 1 sind sie ix jiaXaiov vjiöojiovdoi re xal
taxrjxooi, xdöv 'Pcofzaicov. Nach Justinian nov. 1 pr. 28 pr. (wo irriger Weise die
Tzanner und die Suaner als zwei verschiedene Nationen aufgeführt werden)
ind sie durch ihn zuerst unterworfen worden.
4) b. Pers. 2, 29; b. Goth. 4,9.
5) In dieser Zeitschr. [Hermes] 19, 227 [oben S. 109].
6) Claudian de IV cons. Honorii 485 : tua Sarmata discws saüramenta petit :
roieda pelk Gelonus militat. Was Claudian unter den Gelonen versteht, weiss
h nicht; man könnte an die Vandalen denken.
282 Das römische Militärweseu seit Diocletian.
277 Alanen: comifes Alani (vex. Pal. Occ. 6, 50).
Dies ist die von Gratian angeworbene und besonders von ihm
begünstigte Alanentruppe ^; sie wird auch nachher noch erwähnt 2.
Gothen: cohors I Gothorum (Syrien Or. 33, 32).
Tervinger: Teruingi [aux. Fol. Or. 6, 61).
Westgothen: Visi {aux. Pal. Or. 5, 61).
Taifalen : comites Taifali (vex. Pal. Or. 5, 31) — equites Honoriani
Taifali iuniores (vex. com. Occ. 6, 59).
Die Aufstellung dieser gothischen Truppenkörper kann
füglich auf die unter Theodosius I. auf das rechte Donauufer
übertretenden Gothenschaaren bezogen werden^.
Vandalen: ala VIII Vandilorum (Aegypten Or. 28, 25).
Diese E-eitertruppe geht wahrscheinlich zurück auf die von
Aurelian nach dem Siege über die Vandalen theils aus
gelieferten, theils aus freiwilligen Mannschaften derselben
aufgestellten Schwadronen *.
278 Quaden: ala I Quadorum (Thebais Or. 31, 56).
Des Vertrages vom J. 375, wodurch die Quaden sich zur
Stellung von Rekruten verpflichteten, ist schon gedacht wor-
den (S. 256 A. 1).
Marcomanen: equites Marcomani (vex. com. Occ. 6, 65) — Mar-
comani seniores und iuniores (aux. Pal. Occ. 5, 198. 199). —
gens Marcomanorum. unter einem Tribun (Pannonia I Occ. 34, 24).
lieber die Marcomanen vgl. S. 216.
1) Zosimüs 4, 35 : (Gratianus) 'AXavov? riva? avrofiökovg Ss^äfisvog xai oTgaziaig
syxatake^ag dcogeaig zs ädgaig sxii,ia, zum Unwillen der Truppen. Victor ep. 47, 5:
dimi exercäum neglegeret et paucos ex Alanis, qiws ingenti auro ad se transtulerat,
anteferret veteri et Romano militi: adeoque barbaroi'um comitatu ae paene amieitia
capitur, ut nonnumquam eodem habitu iter faceret, odia contra se militum excitavü.
2) Claudian de IV cons. Honorii 487: in Latios ritus transisti, Alane. Ders.
de bello Pollentino 581 : ibat patiens dicionis Alanus , qua nostrae iussere tubae
mortemque petebat pro Latio: docuit gentis praefectus Alanae. Vgl. de VI cons.
Honorii 224.
3) Gothen und Taifalen nach Zosimus 4, 25. Eunapius fr. 60 Müll. The-
mistius or. 16 p. 257 Bonn vergleicht diese Eingewanderten mit den einst barbari-
schen, jetzt zu Römern gewordenen und nach römischem Recht lebenden
Galatern ; so werden wir auch bald diese Skythen sehen ö/noojiövdovg, 6f,ioTQajisCovg,
ofiov ozQaxEvo/xEvovg, öfiov XsizovQyovvzag. Indess waren auch früher schon Gothen-
haufen auf dem rechten Ufer angesiedelt worden (Ammian 31, 6, 1) und es
dienten zahlreiche Gothen im römischen Heer (Ammian 31, 16, 8).
4) Dexippus fr. 24 Müll. : xai avvs/xaxovv auo r^oöe 'P(Ofiaioig BavdrjXav
[jiTiEig Eig diaxMovg, oi [xiv rivEg aiQEXol ex rov jiXrf&ovg ig zrjv ovf.ifJ.ayiav xataXs%-
^EvzEg, Ol dk xal id'EXovrEg sxovaiov azgaziäv vjio8v6[a,£voi.
Das römische Militärwesen seit Diocletian. 28?
Juthunger: ala I luthungorum (Syrien Or. 33,31) — cohors IV
luthimgorum (Aegypten Or. 28, 43).
Dieselben mögen gleich den vandalischen Truppenkörpern
von Aurelian herrühren.
Alamannen : ala I Alamannorum (Phoenike Or. 32, 36) — coh. V
jKicata Alamannorum (Phoenike Or. 32, 41) — coh. IX Ala-
mannorum (Thebais Or. 31, 63).
IJucinobanten: Bucinohantes {aux. Pal. Or. 6, 58). Vielleicht
identisch mit dem numerus Alamannorum, zu dessen Tribun
Valentinian den König der Bucinobanten Fraomarius ernannte
und den er dann nach Britannien schickte ^
Brisigaven : Brisigavi senior es und iuniores {aux. Pal.Occ. 5, 201, 202).
Mattiaker: Mattiaci seniores {aux. Pal. Or. 5, 53 und Occ. 5, 164)
— Mattiaci iuniores {aux. Pal. 6, 53 und 5, 1 65) — Mattiaci
iuniores Gallicani {\aux.. Pal.^ Occ. 5, 209).
Franken: ala I Francorum (Thebais Or. 31,51; Phoenike Or.
32, 35) — ala VIII Flavia Francorum (Mesopotamien Or.
36, 33) — coli. VII Francorum (Thebais Or. 31, 67).
Bructerer: Briicteri {aux. Pal. Occ. 5, 187).
Tubanten: Tuhantes {aux. Pal. Or. 6, 51 und Occ. 5, 176).
Chamaver: coli. XI Chamavorum (Thebais Or. 31, 61).
Diese Truppe ist wahrscheinlich von Julian eingerichtet
worden^.
Ampsivarier: AmpsivarU {aux. Pal. Occ. 5, 188). 279
Angeln?: Anglevarii {aux. Pal. Or. 5, 59).
Eruier: Eruli seniores {aux. Pal. Occ. 5, 162 und oft bei Ammian).
Vgl. S. 240 A. 5. S. 279 A. 1.
Sachsen : ala I Saxonum (Phoenike Or. 32, 37).
Atecotten: Afecotti {aux. Pal. Or. 9, 29) — Honoriani Atecotti
seniores und iuniores {aux. Pal. Occ. 5, 195. 200) — Atecotti
iuniores Gallicani {aux. Pal. Occ. 5, 218).
1) Ammian 29, 4, 7: Bucinobantibus , qttae contra Mogontiacum gens est
ilamanna, regem Fraomarium ordinavit, quem paulo postea . . in Britannias
ranslatum potestate tribuni Alamannorum praefecerat numero multitudine viribus-
»MC ea tempestate florenti.
2) Zosimus 3, 8, 1 : 6 Kdtoaq SaXiov? rs xat Kovddcov /notgay xal rwr iv tfj
Saiaovta vrjO(p riväg rdyfiaoiv iyxareXs^ev , a xal vvv iqp' i^f^cöv k'ri SoxeT TisQiawl^ea^ai.
Mendelssohn z. d. St. vermuthet mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass, was Zosi-
aus von den hier unmöglichen Quaden erzählt, den Chamavern gehört.
XIV.
Die diocletianische Reichspraefectiir.*) \
201 Das für die Imperatorenverfassung ebenso wichtige wie eigen-
artig geordnete Institut der praefecti praetorio ruht bekanntlich, trotz
seines militärischen Charakters, auf dem die republikanischen Ord-
nungen beherrschenden System der zweistelligen Collegialität in dem
vollen Sinne des Wortes, so dass eine Geschäftstheilung nicht statt-
findet, sondern normal die beiden Collegen gemeinschaftlich handeln,
wenn gleich, wo der eine fehlt oder behindert ist, der andere befugt
ist, allein zu amtiren^. Im Gegensatz dazu ist in dem späteren
Kaiserregiment die Sammtverwaltung in die Verwaltung mit getheilter
Competenz übergegangen; und es soll weiterhin entwickelt werden,
wie dieser Prozess sich vollzogen hat. Indess haben sich von der
einheitlichen Verwaltung auch nach ihrem Abkommen noch Spuren
erhalten.
1. Wie es nach der Reichstheilung keinen technischen Ausdruck
für den unter Sonderherrschaft stehenden Reichstheil giebt, so giebt
es auch keinen technischen Ausdruck für den präfectorischen
SprengeP. Aehnlich wie die Reichstheile als partes Orientis und
partes Occidentis bezeichnet werden, werden auch die Präfecten
und die Präfecturen unterschieden, worauf wir weiterhin zurück-
kommen.
2. In der Titulatur der Präfecten fehlt die Sprengelbezeichnung
durchgängig bis auf lulianus ^ ; in den Inschriften wie in den kaiser-
*) [Hermes 36, 1901 S. 201-217.]
1) Vgl. mein röm. Staatsrecht 2, 866.
2) Dioecesis im C. Th. 6,4,4 ist keine Instanz; die Verordnung ist an
einen Stadtpräfecten gerichtet und die Inscription fehlerhaft.
3) Noch in den stadtrömischen Inschriften des Sallustius CLL. VI, 1729
[= Dessau 1254] und [des Saturninius Secundus] 1764 [= Dessau 1255], von
denen die erste im Jahre 864 gesetzt ist. Ich habe darauf schon in den Mem.
deir Instituto 2, 301 aufmerksam gemacht.
Die diocletianische Reichspraefectur. 285
liehen Erlassen wird sie erst von da an gefunden^. Dass bei den 202
Hauptpräfecturen in gewissem Sinne die Sprengelbezeichnung auch
später ausgeschlossen bleibt, wird weiterhin (S. 291) gezeigt werden.
3. Die präfectorischen Erlasse werden, wie die kaiserlichen,
der Regel nach auf die Namen aller zur Zeit im Gesammtreich
fungirenden gestellt. So sind gefasst die Edicte zweier Präfecten
unter Constantinus und Licinius im Donatistenprocess^; dreier unter
Honorius und Theodosius II. 3; zweier oder dreier unter Theo-
dosius II. und Valentinian III.*, mindestens zweier noch unter Leo
und Glycerius^.
Der bei diesem Institut, der ßaodeia änoQcpvQog^^ leitende Ge-
danke der kaiserlichen Stellvertretung kommt noch ein halbes Jahr-
tausend nach der Gründung der augustischen Monarchie hierin zu
seinem, wenn auch nur formalen Ausdruck.
Die Yerwaltungstheilung ist in die Präfectur eingeführt worden
in Folge des Aufkommens der Yerwaltungstheilung im Sammt-
regiment. Zur Beantwortung der Frage, wie die Präfectur gegen-
über dem Sammtregiment mit getheilter Verwaltung geordnet worden
ist, erscheint es zweckmässig, zunächst die Fälle des derartigen
unbestritten anerkannten Sammtregiments übersichtlich zusammen- 203
1) Sie erscheint zuerst unter Julian 362/3 in der Inschrift von Concordia
1. L. V, 8987 [= Dessau 755] : disponente Claud[i]o Mamertino v. c. per Italiam
et Inlyricum praefecto praetorio), dann in den Verordnungen Julians (C. Th. 1, 16, 5)
und Valentinians I. (C. Th. 7, 13, 5. 11, 11, 1. 13, 10, 4).
2) Im Anhang zum Optatus p. 212 der Wiener Ausgabe: epistulae praefedorum
maetorio . . . Petronius Annianus et [lulius] lulianus Domitio Celso vicario
Africae (ergänzt nach der von denselben Präfecten den beiden Kaisern gesetzten
Inschrift C. I. L. III, 13734). Bei Optatus ist der Name des Licinius aus dem
Text entfernt.
3) Erlass vom Jahre 418 aus Ravenna (Hänel corp. leg. p. 289) : exemplar edicti
lunii Quarti Palladii (Präfect von Italien), Monaxii (Präfect des Orients) et
igncola Herum (nach dem zugehörigen Kaisererlass Präfect von Gallien) prae-
^edi praetorio edixerunt. Die Genitive sind Schreibei'versehen.
4) Erlass vom Jahre 434 (Hänel a. a. 0. p. 247): öidzay/ia tmv enägxoiv
oaxs fit] dvayivcooxea&ai rä Nsarogcov ^Xäßcog 'Av&efxiog 'laidcoQog (Präfect des
)rients), ^Xtjaßdaaog (vielleicht Fl. Bassus, etwa Präfect von Italien) xal
PXäßiog üif^jiXixiog 'Prjycvog (Präfect des orientalischen lUyricum C. Th. 6, 28, 8)
c ijiüQxoi Xsyovaiv.
5) Erlass vom Jahre 473 aus Rom (Hänel a. a. 0. p. 260): Felix (Flavivis?)
limelco pp. (in der Adresse des Rescripts von Glycerius Himelco v. c. pr. pr.
\taliae) Dioscurus Aurelianus Protadius (vermuthlich die Präfecten Galliens und
es Ostreichs alle oder zum Theil) vv. cc. pp. dd. (= dicurU).
6) Eunapius vit. Proaeresii p. 86 Boiss. Zosimus 2, 82: aQ^i] SsvxsQa /uezd rä
2S6 Die diocletianische Reichspraefectur.
austeilen, wobei die concurrirenden Caesaren so wie die illegitimen
Begierungen (einschliesslich der Wirren vom Tode des Constantius
306 bis zu der Katastrophe des Maximinus 313) unberücksichtigt
bleiben können.
Diocletian und Maximian 286 — 305.
Constantius I. und Galerius 305. 306.
Constantinus I. und Licinius 313 — 323.
Constantinus II., Constantius IL, Constans 337 — 340.
Constantius II. und Constans 340 — 350.
Yalentinianus I. und Yalens 364 fg.
Yon da an ist die administrative Zweitheilung ein für allemal maass-
gebend, selbst wenn mehr als zwei Augusti vorhanden sind. Als
Yalentinian I. im Jahre 367 seinen minderjährigen Sohn Gratianus
als dritten Augustus oder für das Westreich als zweiten einsetzte,
hat dies auf die Yerwaltung desselben keinen Einfluss gehabt,
sondern ist behandelt worden wie die Sammtherrschaft der früheren
Kaiserzeit mit Sammtverwaltung unter Ausschluss der Sprengel-
theilung ^. Yoraussichtlich also haben diese Creirungen auf die
Präfectur keinerlei Einfluss geübt und es begegnet auch meineai
Wissens nirgends dagegen eine Instanz.
Für die Gestaltung der Präfectur unter den bezeichneten Yer-
hältnissen sind die folgenden Regeln maassgebend.
l. Es liegt im Wesen des Yicekaiserthumes, dass jeder eine
Sonderverwaltung führende Augustus damit auch einen Sonder-
präfecten sich zugesellt, also bei Zweitheilung der Yerwaltung
wenigstens zwei, bei Dreitheilung^ wenigstens drei Präfecturen be
standen haben. So weit der Sprengelbegrilf auf das Gesammtreich
Anwendung findet, erstreckt er sich mit principieller wie praktischer
Nothwendigkeit zugleich auf die Prätorianerpräfectur.
204 2. Was die Zahl der dem einzelnen Augustus zugeordneten
Präfecten anlangt, so überwog in vordiocletianischer Zeit bei diesem
Amt die zweistellige Collegialität, obwohl auch dreistellige Collegien
vorgekommen sind und nicht selten nur ein einziger Präfect fungirt
1) Die politische Bedeutung der Spaltung des Westreichs in zwei Präfecturen
soll damit nicht bestritten werden; in dem ephemeren Sammtregiment von
Theodosius, Valentinian IL und Maximus hat sie sogar die Dreitheilung desi
Reiches auf kurze Zeit erneuert. !
2) Die Dreitheilung unter gegenseitiger Anerkennung ist zuerst vorge !
kommen in den Jahren 311 — 313 zwischen Maximinus, Constantinus und Licinius,'
wobei nur die Rangfolge der beiden ersten controvers war; indess ist diese
Anerkennung sehr bald in Bürgerkrieg umgeschlagen. Vgl. in dieser Ztschr
[Hermes] XXXII 544 [unten S. 329].
Die diocletianische Reichspraefectur. 287
hat (8. 284 A. 1). Ob in der diocletianischen Ordnung jedem der
beiden Herrscher mehrere Präfecten zugegeben wurden oder sie in
die zwei Präfecten sich theilten, ist an sich eine offene Frage, und
positive Zeugnisse fehlen^. Die Wahrscheinlichkeit aber spricht für
die letztere Annahme, da der Zug der Zeit der in der That mit
straffem Regiment unvereinbaren Sammtverwaltung durchaus entgegen
war, und dies bestätigt die weitere Entwickelung des Instituts. In
Niedermoesien in den Ruinen des municipium Tropaeense, dem durch
das Traianusmonument berühmt gewordenen Adam-Klissi, hat sich
ein Denkstein gefunden, welchen den Kaisern Constantinus und
Licinius errichten Petr{onius) Annianus v. c. et lul. lulianus v. em.
praeff. ^n-aef^. Diese Präfecten gehörten also verschiedenen Reichs-
hälften an und es hat alle Wahrscheinlichkeit für sich, zumal mit
Rücksicht auf die vorher erörterte gemeinschaftliche Action der zu-
gleich amtirenden Präfecten, dass es damals andere nicht gab, also
sowohl das West- wie das Ostreich je einen praef'ectus praetorio
gehabt hat. — Ob nach der Katastrophe des Licinius Constantinus 205
die Reichspräfectensprengel beibehalten hat oder nicht, kann gefragt
werden. Indess die aus Constantins Zeit überlieferten Namen von
Prätorianerpräfecten mit den dazu gehörigen Jahresangaben sprechen
trotz ihrer Unsicherheit dafür, dass wenigstens in den späteren Jahren
Constantins mehrere Präfecten gleichzeitig functionirten ; und es hat
überhaupt grosse Wahrscheinlichkeit für sich, dass die einmal
eingeführte Sprengeltheilung, auch nachdem sie in der obersten
1) Genannt wird in diocletianischer Zeit der praef. praetorio Asclepiodotus
als tüchtiger Feldherr (vit. Probi 22, 3) und hervorragend thätig bei des Con-
stantins britannischem Feldzug (Eutropius 9, 22 und daraus Zon. 12, 31; Victor
Caes. 39, 42) ; weiter vit. Aurel. 44, 3 : compertum [a] Diocletiano (so ist zu schreiben)
Asclepiodotus Celsino consiliario sico dixisse perhibetur. Die an einen Asclepio-
dotus — der Name ist sehr gewöhnlich — im justinianischen Codex erhaltenen
Erlasse aus den Jahren 293. 294 dürfen schwerlich auf ihn bezogen werden,
zumal da zwei derselben (5, 31, 9. 5, 10, 4) aus Byzantium datirt sind. Seeck
(bei Pauly -Wissowa 1,1637) macht ihn zum praef . praetorio des Constantins;
vielmehr hat er wohl diese Stellung bei Maximianus eingenommen. — Der
Präfect Sabinus bei Eusebius (bist. eccl. 9, 1, 2. 9, 9, ep. 1 ; Peucetius 9, 11, 4 ist
wohl derselbe nach dem Signum bezeichnet) hat wohl dieselbe Stellung unter
Maximinus eingenommen.
2) C. I. L. Ill, 13734; es sind dieselben, welche in dem S. 285 A. 2 erwähn-
ten Erlasse auftreten. Die Errichtung fällt zwischen 313 und 323; ob vor oder
nach dem cibalensischen Krieg, lässt sich nicht bestimmen. Das Gebiet gehört
wahrscheinlich zum Reichstheil des Licinius, grenzt aber an den constantinischen ;
es kann sein, dass bei der limitis tutela, welche hier den Kaisern verdankt wird,
beide Reichshälften concurrirten und dies Veranlassung gab das Denkmal beiden
Kaisem zu widmen.
288 I^iß diocletianische Reichspraefectur.
Instanz weggefallen war, in der Präfectur geblieben ist, der Westen
und der Osten des gewaltigen Reiches fortdauernd gesonderte Sprengel
gebildet haben. Zweifellose Belege dafür sind freilich bis jetzt nicht
vorhanden.
3. Die nach dem Tode des ersten Constantin eintretende Drei-
theilung des Reiches führte nach dem vorher Bemerkten zu einer
Spaltung der Präfectur des Westreiches; und nach der Katastrophe
des jüngeren Constantin ist diese Scheidung geblieben. Dies bezeugt
ein in der thrakischen Stadt Traiana (Eski-Zagra) den Kaisern Con-
stantius und Constans errichtetes Ehrendenkmal, welches setzten
Ant[onius) Märcellinus (pr. pr. im Jahre 340 nach C. Th. 6, 22, 3 ;
Consul 341), Dom{itius) Leontius {pr. pr. im Ostreich in den Jahren
342 — 344 nach zahlreichen Zeugnissen), Fab(ius) Titianus {pr. pr.
von Gallien nach Hieronymus Abr. 2361 und Verordnungen aus den
Jahren 343 — 349) vv. cc. praeff. praet.'^ Indem dieses Denkmal be-
stätigt, dass innerhalb des Amtes die Collegialität aufgegeben war,
lehrt es weiter, dass Constans nach der Katastrophe des Bruders
die doppelte Präfectur fortbestehen liess. Hier also erscheint der 11
Beginn der weiteren Spaltung der Präfecturen, die Scheidung von
Gallien Spanien Britannien von Illyricum Italia Africa.
4. Die vierte Präfectur ist dem Anschein nach um das Jahr 346
unter Constans entstanden durch die Stellung von Illyricum unter
einen eigenen Präfecten. Dass noch nach der Katastrophe Con-
stantins II. es nicht mehr als drei Präfecten gab, ist vorher ent-
wickelt worden. Aber nach dem Zeugniss der Schriftsteller sowohl
wie zweier Kaisererlasse aus den Jahren 34 H und 349 haben unter
Constans so wie nach ihm in den letzten Jahren des Constantius
206 eine Reihe von Jahren hindurch Anatolius^, dann Florentius^, dess-
gleichen Ausonius, der 378 verstorbene Yater des Dichters*, Illyricum
1) C. I. L. III, 12330. Erhalten ist nur die Basis des Constans; aber die
Unterschrift n(mmni) ■m(aiestati)q(iie) eorum semper devotissim[i\ beweist, dass
Constantius nicht gefehlt hat. Dass Constantinus (f 340) fehlte , zeigen die im
Text verzeichneten Daten der drei Präfecten.
2) Ammianus 19, 11, 2. 21, 6, 5. Victor Caes. 13, 6. Eunapius Proaeres. p. 85
Boiss. Die Ernennung muss vor dem Jahre 858 stattgefunden haben, mit dem
für uns Ammian beginnt. Die Berichte legen die Annahme nahe, dass dieser
Beamte eine wesentliche Verwaltungsreform inaugurirt hat. Ob die Erwähnungen
bei Libanius auf ihn oder auf den gleichnamigen und dasselbe Amt in den
Jahren 397 — 399 verwaltenden Beamten gehen, ist zweifelhaft; vgl. Sievers
Libanius S. 235 [Seeck, die Briefe des Libanius 1906 S. 59 ff. 69]. j
3) Ammianus 21, 6, 5. 22, 3, 6. 22, 7, 5. '
4) Ausonius epic. in patrem 2, 51: ipse nee adfectans nee detrectator honorum
pi'aefectus magni nuncupor Illyrici.
Die diocletianische Reichspraefectur. 289
als Prätorianerpräfectur verwaltet. lulianus aber hat dasselbe wieder
zugleich mit Italien und Africa dem Mamertinus zugewiesen ^ Unter
Valentinian ist es dem Petronius Probus zuerst im Jahre 364 als
Sondersprengel zugetheilt, dann aber seit dem Jahre 368 von dem-
selben zugleich mit Italien und Africa regiert worden 2, was nach
Probus Rücktritt (375?) wieder aufhörte^. Nachdem dann Gratianus
379 das östliche Illyricum seinem neuen Mitkaiser Theodosius ab-
getreten hatte, wurde dies nicht mit der Praefectur des Orients ver-
schmolzen, sondern im Ostreich als Secundärpräfectur verwaltet,
während das westliche Illyricum von da an wieder mit Italien und 207
Africa gemeinschaftlich administrirt wird *. — Damit ist dieYierzahl
für das höchste Reichsamt erreicht, welche also weder an die dio-
cletianische Vierzahl der regierenden Herren angeknüpft^ noch auf
Constantin zurückgeführt werden darf®.
1) C. I. L. V, 8987 (S. 285 A. 1). Ammianus 26, 5, 5. Syramachus ep. 10, 40.
2) Nach Ausweis seiner Inschriften, insbesondere der wichtigsten Veroneser
C. I. L. V, 3344 [= Dessau 1266] (deren Correctur bei Seeck Symm. p. XCIX
verfehlt ist) war derselbe viermal Prätorianerpräfect. 1. Illyrici; der älteste
an ihn gerichtete Erlass vom Jahre 364 (C. Th. 1, 29, 1) betrifft dies Gebiet; den
Titel pr. pr. Illyrici giebt ihm auch der Erlass 11, 11, 1 vom Jahre 365.
2. Galliarum, welchen Titel ihm der nicht datirte Erlass lust. 7, 38, 1 giebt.
Vermuthlich bezieht sich darauf der an Probus ppo gerichtete Erlass vom
Jahre 366 (C. Th. 11, 1, 15). 3. Italiae atque Africae. Dies ist das Amt, das
Probus nach Ammian im Jahre 368 antrat und bis zum Tode Valentinians I.
verwaltete. Dass er es übernahm, ohne die Verwaltung von Illyricum abzu-
geben, zeigen verschiedene Erlasse (8, 5, 28 vor 368 oder 370 oder 373 — 10, 19, 7
vom Jahre 370 — lust. 11, 53, 1 vom Jahre 371), so wie die Berichte Ammians
(29, 6, 9. 30, 5, 11). 4. Die letzte von Probus bekleidete Präfectur ist wieder
von Italien, Africa und Illyricum (C. Th. 11, 18, 1); auf sie beziehen sich die
unter den Jahren 380 — 384 an Probus ^0 gerichteten Rescripte, deren Jahr-
zahlen freilich theilweise corrupt sind.
3) In der stadtrömischen Inschrift C. I. L. VI, 1714 [= Dessau 1271] heisst
Q. Clodius Hermogenianus Olybrius proconsul Africae (360/1), praefectus urbis
(von Rom 369/70), pr. pr. Illyrici, pr. pr. Orientis (beide sonst nicht erwähnt),
consul oi-dinarius (379). Diese Präfectur von Illyricum kann also nur die
occidentalische sein, nicht die 379 beginnende des Ostreichs.
4) Selbständige Verwaltung des westlichen Illyricum ist nicht nachweisbar;
wohl aber hat Stilicho den Versuch gemacht die Präfectur von Illyricum dem
Ostreich abzunehmen und wieder mit dem Westreich zu vereinigen (Sozomenus
bist. eccl. 8, 25 = 9, 4).
5) Diese Annahme, welcher auch ich früher gefolgt bin, rührt her von
Tillemont (hist. 4, 284). Sie ist aber nicht vereinbar mit dem Caesareninstitut,
das nichts zu schaffen hat mit der Reichsverwaltung und wesentlich eine Kron-
prinzenstellung ist.
6) Bekanntlich ist nach Zosimus 2, 32. 33 die Prätorianerpräfectur bis auf
Constantin ungetheilt und doppelt besetzt {dvo jijg avXfjg ovxmv vjkxqxoov xai xrjv
MOMMSEN, SCHK. VI. 19
290 I^iß diocletianische Reichspraefectur.
5. Collegialische Verwaltung der einzelnen Präfectur, wie die
frühere Reichsordnung sie fordert, ist in der diocletianisch-constan-
tinischen ausgeschlossen; das Institut ist unbedingt monarchisch
geordnet, ebenso wie die Verwaltung der Diöcesen und die der
Provinzen. "Wäre dies nicht der Fall, wären diese obersten Reichs-
ämter häufig in Sammtverwaltung gegeben worden so könnten Be-
lege des Zusammen- oder des Entgegenhandelns in unserer Ueber-
lieferung nicht fehlen; es giebt aber dafür kein einziges Zeugniss.
Allerdings begegnen in den aus dieser Epoche überlieferten Ver-
ordnungen nicht selten mit einander unvereinbare Präfectendatirungen,
die man oft versucht hat durch die Annahme einer Simultanverwal-
208 tung mit einander auszugleichen i. Davon aber muss unbedingt ab-
gesehen werden. In den meisten derartigen Fällen lässt sich mit
den heutigen Hülfsmitteln anderweitige Abhülfe treffen, und auch
wo dies nicht der Fall ist, verbietet sich die Anwendung dieses
schlechten Nothbehelfs durch die zerrüttete Ueberlieferung der
Kaisererlasse ^, denen zu- folgen häufig noch viel bedenklicher ist
als sie emendiren zu wollen. Besondere Erwähnung verdient ledig-
lich das collegium praefecturae^ des Vaters Ausonius und seines
Sohnes Hesperius im Jahre 379; dies aber besteht einfach darin,
dass in diesem Jahr der Vater praefectus praetorio GaUiarum war*,
aQxrjv xoivfj fisraxsiQiCo/j-svcov), von da an getheilt in vier monarchiscli verwaltete
Sprengel. Seine zweite Präfectur umfasst das gesammte Illyricum, wie es als
Theil des Westreiches bis zum Jahre 379 verwaltet worden ist; er irrt also darin,
dass er für die monarchische Umgestaltung des Amtes anstatt Diocletians und
für die Vierzahl anstatt des Constans beide Male den Constantin nennt.
1) Beispielsweise hat der tüchtigste Gelehrte , der mit diesen Fragen sich
beschäftigt hat, Tillemont dergleichen Versuche gemacht für das Jahr 355
(Lollianus und Taurus: 4, 682); 380 (Probus und Syagrius: 5, 168); 382 (Syagrius,
Hypatius, Flavianus: 5, 168. 720); 386 (Principius und Eusignius: 5,260); 896
(Eusebius und Hilarius: 5, 792); 400 (Messala und Hadrianus : 5, 801). Aber er
selbst hat zu keinem einzigen der angeführten Fälle rechtes Vertrauen. Mit
voller Bestimmtheit hat Seeck (Phüologus 52 = N. F. 6 S. 449) den Satz auf-
gestellt, dass bei der Reichspräfectur häufig Sammtverwaltung eingetreten ist,
und erstreckt dies auch auf die niemals collegialisch verwaltete Stadtpräfectur.
2) Beispielsweise ist nichts gewisser, als dass Caesarius und Eutychianus
nicht mit, sondern nach einander die Reichspräfectur verwalteten ; aber bei der
die Ueberlieferung am meisten schonenden Annahme, dass der Wechsel 397
zwischen Juli 13 und September 14 eintrat, sind ein Erlass an Caesarius und
sechs an Eutychianus im Datum oder anderweitig fehlerhaft.
3) Ausonius grat. act. 2, 7 (und dazu Tillemont 5, 712 fg.; Seeck Symm,
praef. p. CVII: Hesperius . . . patrem coUegam accepit, quocum non sdlum Italiam,
sed Occidentem integrum una administraret).
4) Dass Ausonius, als er jene Dankrede hielt, lediglich Gallien zu verwalten
hatte, sagt er an verschiedenen Stellen (8, 40. 11, 52. 18, 82. 83). — An ihn ist
Die diocletianische Reichspraefectur. 291
der Sohn praefedus praetorio Illyrici, Itdliae et Africae '•. Vater und
Sohn waren also Collegen in der Prätorianerpräfectur, wie der Stadt-
prätor College des peregrinischen ist; die getheilte Competenz schliesst
den Begriff der Collegialität nicht aus,
6. Dass titular dem Amte zunächst die einfache Bezeichnung
geblieben ist, wurde schon bemerkt; die Verschiedenheit der beiden 209
anfänglich allein fungirenden Präfecten mag, wo es nöthig war, da-
mals ausgedrückt worden sein durch den Zusatz per Occidentem und
per Orienteni oder Occidentis und Orientis, welcher in dem stabileren
Ostreich auch später beibehalten worden ist. Dass auch Thrakien
und Aegypten diesem Beamten unterstanden, wird titular nicht
hervorgehoben. Als dann im Westreich die Sprengeltheilung aufkam,
wurde dem Vorsteher des westlichen Sprengeis die Bezeichnung ^rae-
fectus praetorio Galliaruni gegeben, wobei Britannien und Spanien
ebensowenig mit genannt werden. Das übrige Gebiet wird, wenn
es vereinigt war, vermuthlich als Illyricum Italia Africa zusammen-
gefasst^, wenn getheilt, als Italia et Africa einer-, Illyricum anderer-
seits bezeichnet worden sein. Nach dem Uebergang des östlichen
Illyricum an das Ostreich im Jahre 379 führte der Präfect des öst-
lichen Illyricum den Titel pr. pr. Illyrici, derjenige der östlichen
Hälfte des Westreiches den Titel praefectus praetorio Italiae et
Illyrici oder auch Itdliae, Illyrici et Africae^. — Indess haftet das
in diesem Jahre das Schreiben C. Th, 8, 5, 35 gerichtet; dass er hier Auxonius
beisst, darf nicht irre machen, da der Dichter im Theodosianus auch als Consul
den Handschriften zufolge stets so genannt wird. Fehlerhaft ist dies freilich;
der griechische Arzt, der in Bordeaux zwar nicht Latein lernte, aber zu Ansehen
und Reichthum kam, hat, gewiss mit Rücksicht auf diese Einwanderung, in
seine Familie die Namen Ausonius und Hesperius eingeführt und nichts gemein
mit dem unter Valens im Ostreich thätigen Prätorianerpräfecten Auxonius;
aber die constantinopolitanischen Redactoren des Theodosianus haben die Namen
zusammengeworfen. — Wenn der Dichter anderswo (praef. p, 3 Schenkl und
epiced. in patrem p, 34) sich bezeichnet als praefectus Gallis et Libyae et Latio,
so wird damit nicht gesagt, dass er diese drei Gebiete zusammen verwaltete.
Er hat nach der gallischen Präfectur weiter die höhere erhalten, von der sich
in den Rechtsbüchern freilich keine Spuren finden. Eine praefectura duplex per
proirincias praefccturarum duarum extensa (Seeck a. a. 0. p. LXXX not. 368) ist
■ein Unding.
1) Wir besitzen eine Reihe von Erlassen an den pr. pr. Hesperius aus dem
Jahre 379 (die von 376. 377 sind falsch datirt, da sie mit dem africanischen
Proconsulat desselben collidiren), von denen einer (C. Th. 13, 1, 11) als seinen
Amtsbezirk Italien und (das westliche) Illyricum bezeichnet.
2) Ein Beleg für diese Titulatur fehlt bis jetzt.
3) Die Folge der Namen wechselt: in der Inschrift des Mamertinus (S. 285
A. 1) steht per Italiam et Inlyrieum pr. pr., in denen des Praetextatus vom
19*
292 Die diocletianische Reichspraefectur.
Vicekaiserthum nur an den beiden mit der kaiserlichen Hofhaltung
verknüpften Präfecturen ^, welche in dieser Epoche dadurch aus-
gezeichnet zu werden pflegen, dass der Regel nach das ordentliche
Consulat sich an dieselben anschliesst. Auch in der Titulatur tritt
der Vorrang dieser beiden Stellen insofern zu Tage, als sie regel-
mässig mit dem einfachen Amtstitel ohne Beisatz des Sprengeis be-
zeichnet werden, während bei den secundären von Gallien und
lUyricum der Sprengel nicht leicht fehlt '^. — Endlich scheint dies
210 höchste Reichsamt nur selten durch titulare Verleihung herabgewürdigt
worden zu sein^.
Zum Schluss mag noch hingewiesen werden auf eine Schrift,
die, wie die Vorrede ausdrücklich sagt, die gleichzeitigen Ereignisse
in novellistischer Form schildert und von der Reichspräfectur in ihrer
Jahre 387 theils pr. pr. Italiae et lUyrici C. I. L. VI, 1778 [1779 = Dessau 1259],
theils Illyrici et Italiae VI, 1779». In diesen Titulaturen ist Africa weggelassen
[es erscheint jedoch in der des Praetextatus C. I. L. VI, 1777 = Dessau 1258:
praef. praetorü Illyrici Italiae et Africae] ; dagegen heissen Nicomachus Flavianus
Vater und Sohn C. I. L. VI, 1783 [= Dessau 2948] pr. pr. Italiae, Illyrici et Africae.
Aehnlich schwanken die Constitutionen, wo sie ausnahmsweise den Sprengel
zusetzen.
1) Dies wird, allerdings nicht titular, ausgedrückt durch die Bezeichnung
praefectus praetorio praesens (Ammian 14, 1, 10. 23, 5, 6, umschrieben 20, 4, 8: oö
imperatore nusquam diiungi debere praefectum) oder qui in nostro est comitatu
(Cod. lust. 7, 62, 32).
2) Am deutlichsten tritt dies hervor in den orientalischen eodem exemplo
an mehrere Beamte erlassenen Constitutionen (Theod. 6, 28, 8. 8, 4, 30), welche
den praefectus praetorio schlechtweg und den praefectus praetorio Illyrici neben
einander nennen. Aber überhaupt werden in den Constitutionen die Neben-
sprengel viel häufiger erwähnt als die principalen, obwohl die an die letzteren
gerichteten Erlasse selbstverständlich der Zahl nach weit überwiegen.
3) Flavius Eugenius, v. c, ex praefecto praetorio, consul Ordinarius designattis,
Magister officiorum omnium, comes domesticus ordinis primi omnibusqae palatinis
dignitatibus functus, dem Constantius und lulianus eine Statue in Rom setzten
(C. I. L. VI, 1721 [= Dessau 1244]), wird der Günstling des Constans sein, der bei
Athanasius (apol. ad Constantium p. 526 Migne vol. 26 p. 599) fidyiatgog und auch
bei Libanius (or. pro Aristoph. I p. 427 Reiske [II p. 90 Foerster]) genannt wird.
Dass diese Präfectur eine codicillare war, folgt nicht aus dem Fehlen derselben
in unserer keineswegs vollständigen Präfectenliste, aber daraus, dass die wirklich
bekleideten Aemter darin ohne vorgesetzte Präposition aufgeführt werden. —
Weiter sagt Eunapius (p. 100 Boiss.) von Libanius, dass ihm nach lulians Tode,
vermuthlich von Theodosius (vgl. Sievers Lib. p. 293), diese Würde als titulare
angeboten worden sei {rov zfjs avXijg sjiagxov fisxQi JiQoatjyogiag s'xsiv exeXevev), er
aber den Titel abgelehnt habe. — Wo sonst ex praefecto praetorio begegnet (z. B.
C. I. L. VI, 1170. 3866 [= 31968 = Dessau 5791]), bezeichnet es den gewesenen
Präfecten.
Die diocletianische Reichspraefectur. 293
Machtfülle ein Bild von seltener Anschaulichkeit vorführt. Ich meine
den Aegypter des Synesius.
Dass in dieser Erzählung die an den Namen des Gothenhaupt-
manns Gainas sich knüpfenden constantinopolitanischen Wirren der
Jahre 399 und 400 von einem Augenzeugen geschildert werden, hat
zum Theil nach früheren Yorgängern Sievers in seinen Studien vor-
trefflich entwickelte Es wird zweckmässig sein, die Umrisse der
Erzählung insoweit zu skizziren, als dies für die Chronologie und
die Präfectenfolge nothwendig ist. Das Vicekaiserthum des römischen
Ostreichs tritt hier auf als Königthum von Aegypten. Dieses ist
erledigt^; die Wahl steht zwischen zwei Brüdern, welche beide 211
bereits andere hohe Reichsämter verwaltet haben, dem älteren
Typhos, einem Sünden-, und dem jüngeren Osiris, einem Tugend-
bold, geschichtlich nach der Vorrede den Söhnen des Taurus^, von
denen der jüngere unzweifelhaft Aurelianus ist, Stadtpräfect von
Constantinopel im Jahre 393, Reichspräfect in der zweiten Hälfte
des Jahres 399, Consul im Jahre 400, Reichspräfect abermals
414 — 416*. Die Wahl zum Reichspräfecten trifft auf ihn und es
beginnt damit für Aegypten eine goldene Zeit. Aber der schlimme
Bruder und vor allem dessen noch schlimmere Gattin, erbittert durch
die Zurücksetzung, treten in Verbindung mit der Gattin des Haupt-
manns der in der Hauptstadt lagernden skythischen Miethstruppen,
1) S. 387 fg. Darauf hat Seeck (Philologus 52 = N. F. 6 S. 442 fg.) weiter
gebaut, aber wo er über seinen Vorgänger hinausgeht, meistentheils mehr
scharfsinnig als glücklich.
2) p. 93 D: sjTsidr] ovv /ns&lotaaav avtov (den König = Vater = Gott) dsToi
vöfioi Tzagä rovg jusiCovg ■&eovg. Historisch ist diese Vacanz die des Sommers 399,
bis wohin Eutychianus als Präfect fungirt und Aurelianus ihm folgt. Dass die-
selbe durch den Tod des Ersteren herbeigeführt wurde, ist wenig wahrscheinlich,
■weil er dem Anschein nach im Jahre 404 wiederum zur Präfectur gelangt; vor
Allem aber ist es mehr als bedenklich in solchen Einzelheiten die Novelle ge-
schichtlich zu verwerthen.
3) Wenn die f^syalt] dgxi^, welche dem Vater der beiden Brüder beigelegt
wird (p. 90 B), wie es scheint, die Reichspräfectur ist, so wird mit Sievers an
den pi\ praetorio Taurus gedacht werden müssen, welchen nach dem Tode des
Constantius Julian verbannte. Indess steht im Wege , dass dieser im Occident
zu Hause war und auch sein Sohn Harmonius dem Hofe Valentinians angehörte
(Johannes Antiochenus fr. 187). Vielleicht ist auch hier in den Einzelheiten
Tom Original abgewichen. Im Orient begegnet in dieser Epoche kein nainhafter
Taurus.
4) Unmöglich können, wie dies Seeck will, die Präfecturen 399 und 414 —
416 auf verschiedene Personen bezogen werden. Der Aurelianus Proconsul von
Asia 395 (Theod. 16, 5, 28) ist von dem Präfecten verschieden , vielleicht', Wie
Gothofredus vermuthet, ein Sohn desselben. •■ ' ' ■-
294 I^iß diocletianische Reichspraefectur.
welcher selbst damals gegen einige abgefallene Haufen Krieg führt.
Gemeint ist Gainas und dessen Sendung gegen die aufständigen
Föderaten in Asien unter Tribigildus. Osiris vermuthet Einverständniss
der beiden skythischen Condottieri und plant die Abberufung des
Hauptmanns und sein und der Seinigen Verderben, so wie die Aus-
treibung der skythischen Föderaten aus der Hauptstadt. In der
That berichten auch die Historiker zwar nicht von Einverständnissen
zwischen den gothischen Offizieren und Vornehmen Römern, aber
dieselben passen völlig in die Sachlage hinein, und ausdrücklich
sagen auch sie, dass die Reichsbehörden Einverständniss zwischen
Gainas und Tribigildus argwohnten. Der Hauptmann, zu dem Typho»
sich begiebt, geht auf den Vorschlag den Osiris zu verderben nur in
beschränkter Weise ein, indem er dem Reiche selber treu bleiben
212 und nur den Osiris selbst schonend beseitigen will (p. 110 D). Osiris,
von der drohenden Haltung der Skythen in Kenntniss gesetzt, be-
schliesst sich ihnen auszuliefern und begiebt sich zu diesem Zweck
auf das andere Ufer des Flusses zu den Skythen. Typhos fordert
seine Hinrichtung; der Skythe aber begnügt sich mit Ausweisung,
auf kurze Frist und lässt ihm sogar sein Vermögen ^. Dies ist wesent-
lich historisch: Kaiser Arcadius begab sich, um mit Gainas zum
Ausgleich zu kommen, persönlich zu diesem über den Hellespont
nach Kalchedon und stellte ihm die Führer der gothenfeindlichen
Partei, vor Allem den Reichspräfecten Aurelianus zur Verfügung,
Gainas aber begnügte sich mit der Absetzung und der Ausweisung
des Ministers. Sein Nachfolger im Amt wird Typhos und es beginnt
für die Unterthanen eine Zeit des Elends. Bestimmt hervor tritt
darin nur die Ueberweisung einer orthodoxen Kirche an die aria-
nischen Skythen, augenscheinlich derjenige Vorgang, wobei der
Bischof der Hauptstadt Johannes Chrysostomus den Gothen entgegen-
trat. Die Hauptstadt ist in der Gewalt der Skythen und hat schwer
zu leiden unter dem Uebermuth der fremden Söldner, welche ihi
Hauptlager ausserhalb derselben aufgeschlagen haben. Es entsteht!
während ein Haufen der in der Stadt zerstreuten sich zum Ausrücker
sammelt, ein Strassenkampf zwischen diesen Söldnern und den Bürgern I
wobei gegen alles Erwarten diese die Oberhand behalten und di<
Thore besetzen. Vergeblich versucht Typhos zwischen dem Voll
und den vor der Stadt lagernden Skythen zu vermitteln; seinj
Macht ist im Schwinden. Als dann die Skythen zum offenen Krieil
1) Statt der q)vyri begnügt sich der Skythe mit der fietdoraatg (p. IIIF
und Osiris reist ab ;ußd»'ovff et/uaQfisvovs ixarijaö/ievog ; gemeint ist eine kui
befristete Verbannung.
Die diocletianische Reichspraefectur. 295
schreiten , verlangt das Yolk die Rückkehr der Verbannten ; Typhos
wird verhaftet und entgeht nur durch die Fürbitte des Bruders
schwerer Bestrafung, dieser selbst aber wird unter dem Jubel der
Bevölkerung zurückgeführt und durch die eponyme Magistratur
geehrt. — Auch dieses alles ist wesentlich geschichtlich. Gainas
begiebt sich nach der Zusammenkunft in Kalchedon nach Constan-
tinopel und hat eine Zeitlang dort die Macht in Händen; aber er
verlässt die Hauptstadt und in Folge des Strassenkampfes beginnt
er mit seinen Mannschaften den Krieg, welchen schliesslich am Ende
des Jahres 400 Fravitus zu Gunsten der Reichstreuen entscheidet.
Diese Vorgänge fallen der Zeit nach in die zweite Hälfte des
Jahres 399 und die erste des Folgejahrs 400. Die ,Königswahl des 213
Osiris', das heisst die Ernennung Aurelians zum Reichspräfecten ist
sicher datirt dadurch, dass an seinen Vorgänger Eutychianus eine
Reihe sich unter einander stützender und bis zum Juli 399 reichender
Erlasse vorhanden sind, während zwei an ihn gerichtete datirte vom
August 27 und October 2 desselben Jahres so wie glaubwürdige
historische Berichte^ beweisen, dass Aurelianus Mitte 399 sein Amt
angetreten hat, was vermuthlich mit dem um die gleiche Zeit er-
folgten Sturz des Eunuchen Eutropius zusammenhängt 2. Die Rück-
berufung des Osiris-Aurelianus aus der Verbannung wird von Synesius
(p. 124 A) datirt durch die damit verbundene Uebertragung des
moivvfxov ezog, das heisst des ordentlichen Consulats für 400, welche
füglich, zumal da in der occidentalischen Datirung dieser Consul erst
später zur Anerkennung gelangt^, mehrere Monate nach dem Neu-
jahr stattgefunden haben kann. — Diese Datirung wird dadurch
bestätigt, dass nach Synesius selbst die Herrschaft des Typhos nur
einige Monate gewährt hat* und dass Synesius, der in der Schrift
1) Nach Philostorgius 11, 6 wurde die in die zweite Hälfte des Jahres 399
fallende Verurtheilung des Eutropius von dem Reichspräfecten Aurelianus aus-
gesprochen. Incorrect sind dagegen von den an Eutychianus gerichteten die
drei zusammenhängenden (12, 163 — 165) vom December 399 und von den an
Aurelianus gerichteten die vom Jahre 393 Febr. 27 — (12, 1, 131. 132) — 396
Oci 6 (4, 2, 1. 5, 1, 5) — 399 Jan. 17 (9, 40, 17) datirten.
2) Tillemont 5, 780. Eutropius verwaltet der Sache nach die Reichs-
präfectur und der nominelle Präfect Eutychianus wird mit ihm gefallen sein.
3) Meine Chron. min. 3, 525. Darauf gehen auch die Worte p. 124 C, dass
dem rückkehrenden Osiris zu Theil wird ijtiazazijoai xf] noXizeia fieta avv^fiaroe
(isi^ovo?; regelmässig wird dem Reichspräfecten bei guter Amtführung das Jahr-
consulat verliehen.
4) Das Orakel fordert den Synesius auf nicht zu verzagen: ov yaQ hiavxovg
aila nfjvaq e<pri rov? eifiagrovs eivai. Darauf hat schon Sievers hingewiesen.
296 I^iö diocletianische Reichspraefectur.
selbst erklärt den hauptstädtischen Wirren bis zum Schluss beigewohnt
zu haben (p. 115 A), nach einem seiner Briefe (ep. 61) Constantinopel
eilig verliess, ohne von dem ,Consul' Aurelianus Abschied nehmen
zu können^. Damit kann noch zusammengestellt werden die enge
Yerbindung, in welche einer der Betheiligten, der Bischof Johannes
die Verbannung des Aurelianus mit dem Austritt des Gainas aus der
214 Hauptstadt bringt 2. Diesen zeitgenössischen Zeugnissen gegenüber
fallen chronologisch die Angaben der Historiker wenig ins Gewicht;
indess auch sie sind mit denselben kaum in Widerspruch. Nach
Marcellinus hat Gainas die Hauptstadt bereits im Jahre 399 ver-
lassen. Dass Zosimus in dem Bericht über die Verbannung des
Aurelianus ihn als Consul bezeichnet, ist eine leicht entschuldbare
Verschiebung^. Die sonst über die Gainaswirren vorliegenden in
sich vielfach abweichenden Berichte sind mit jenen chronologischen
Grenzen vereinbar.
Wir wissen, wie der Osiris der Novelle geheissen hat; lässt sich
auch der wirkliche Name des Typhos ermitteln? Sievers hat die
Frage verneint, Seeck sie bejaht und sieht in ihm den Caesarius.
Das aus den theodosischen Subscriptionen sich ergebende Verzeichniss
der Reichspräfecten des Ostens, das allein hierfür in Betracht kommt,
stellt sich für diese Jahre folgendermaassen.
400 Dec. 8 Caesarius (1, 34, 1).
401 Febr. 3 Caesarius (8, 5, 62).
402 —
403 Jun. 14 Caesarius (lust. 7, 41, 2).
404 Febr. 3\
Jul. 14 Eutychianus (15, 1, 42-16, 4, 6—16, 8, 15).
Nov. 18/
405 Jun. 1 5 Eutychianus (lust. 5, 4, 1 9).
Wenn Typhos in unserer Präfectenliste sich findet, so ist er aller-
dings der Caesarius; aber dass er überhaupt darin auftritt, ist mit
der Erzählung des Synesius nicht vereinbar. Sein Prozess und seine
Verhaftung (p. 123B) werden erzählt zugleich mit der Uebertragung des
1) Seeck p. 459 ändert freilich vjiatov in vjtagxov.
2) Seine Predigt (vol. 3 p. 405 Montfaucon = Migne Graec. vol. 52 p. 413)
ist betitelt ofiiXia ö'rs SaroQvTvo? xai Avgrjhavog i^cogio&rjoav xai Faiväg e^fjX^s
rijs nöXscog. Diese mit der gewöhnlichen Darstellung unvereinbare Verbindung
der beiden Vorgänge hat Tillemont (5, 782'j) beanstandet, sicher mit Unrecht.
3) 5, 18. 8. Ihn und den Saturninus (Consul 883) bezeichnen Sokrates (ß, 6)
als ajio vjidrtov, Sozomenus (8, 4) als vjiazixovg. Sie alle haben nur die allge-
meine Rangstellung der Männer im Sinn, nicht das von Aurelianus zur Zeit der
Auslief erung verwaltete Amt.
Die diocletianische Reichspraefectur. 597
Consulats an den Bruder (p. 124 A). In der That kann seine nur
,nach Monaten' zählende Machtstellung unmöglich auch nur bis in
den December des Jahres 400 gedauert haben, geschweige denn in
die späteren Jahre, Es kommt hinzu, dass Caesarius, dessen Prä-
fectur für die Jahre 395/7 gesichert ist, in den Jahren 400/403 das- 215
selbe Amt zum zweiten Mal bekleidet haben würde; dies ist an sich
möglich, verträgt sich aber in keiner Weise mit der Annahme, dass
er der Typhos der synesischen Novelle sei. Endlich und vor Allem
sind jene Angaben, die ihn in den Jahren 400. 401. 403 zum Prä-
fecten machen, sämmtlich vereinzelt und also verdächtig; wie werth-
voll auch die Subscriptionen da sind, wo sie sich gegenseitig stützen
oder sonst Anhalt finden, so häufig führen sie andernfalls als Irr-
lichter die Forschung in den Sumpf. Man wird sich also mit Sievers
dahin bescheiden müssen, dass wir den unter dem Pseudonym
steckenden wirklichen Namen des Typhos ebenso wenig kennen,
wie die Besetzung der Reichspräfectur des Ostens während der
Jahre 400 bis 403 i.
Aber der eigentliche geschichthche Werth der Novelle liegt
nicht in dem Thatsächlichen, das sie wiedergiebt, zumal da bei
diesem doch auch der Fiction ein grosser Antheil zuzuschreiben
ist — man erwäge nur die Erzählung von der öffentlich und nament-
lich durch die verschiedenen Priesterclassen vollzogenen Königswahl,
in deren sehr ausgeführtem Detail wohl nur die Thatsache, dass die
nicht im Reichsamt stehenden fremden Offiziere dabei ausgeschlossen
sind, in Uebertragung etwa auf das kaiserliche Consistorium eine
reale Bedeutung haben mag. Dennoch spricht die Schilderung die
lebendige Sprache der Wirklichkeit. Schon die Behandlung des
Amtes selbst als Königthum ist charakteristisch. Das übergeordnete
Kaiserthum fehlt in der Erzählung nicht 2, aber es ist das des 216
1) Nahe Hegt die Annahme, dass Aurelianus die Präfectur wieder erhalten
hat und man könnte damit die beiden an ihn gerichteten Erlasse 4, 2, 1 und
5, 1, 5 in Verbindung bringen, indem man die als solche unhaltbare Subscription
Arcadio A. IUI et Honorio A. III conss. (396) mit Seeck (S. 448) ändert in
Arcadio A, V et Honorio A. V conss. (402); die Verbannung und die Präfectur
des Typhos wären annullirt und Aurelians Präfectur als fortbestehend angesehen
worden , da Aurelianus 414/6 pr. pr. iterum wird. Aber auf corrigirte Subscrip-
tionen dürfen geschichtliche Hypothesen nicht aufgebaut werden.
2) Es ist nicht leicht bei Synesius zu scheiden , was er dem Kaiser und
was er dem Präfecten zuweist, zumal die Bezeichnungen Vater, Gott, Priester,
König von beiden gebraucht zu werden scheinen. Aber wenn bei der populären
^önigswahl' der ,König' den Ausschlag giebt (p. 95 A: xäv fikv dyx<ofiakov f] rd
nX^^og, ßaailev? ijiiyjT](piaag ^aziga ^legidi naga noXv (xsXl^ov noisi, vgl. p.96B)
298 I^ie diocletianische Eeichspraefectur.
Monarchen, welcher herrscht, aber nicht regiert. In der Hand des
Reichsverwesers liegt das gesammte Regiment, Auflage und Nach-
lass von Steuern, Ertheilung von Immunitäten und Pensionen, Rechts-
pflege, Städtegründung, Bauwesen, überhaupt die Verwaltung. Man
wird dabei nicht übersehen dürfen, dass damals der Schwächling
Arcadius den Thron Constantins einnahm; bis auf einen gewissen
Grad aber hat diese Schilderung dennoch allgemeine Gültigkeit.
Anhangsweise soll hier noch die Berichtigung einer Angabe
Ammians Platz finden, welche mit den hier behandelten Fragen in
Zusammenhang steht. — Als Kaiser Constantins den Kronprinzen
lulianus nach Gallien sendet, stellt er ihm als Berather oder viel-
mehr als Vormund den Präfecten von Gallien Florentius und später
an dessen Stelle den Nebridius an die Seite. Wie es dann zwischen
Constantins und lulianus zum Bruch kommt, bleibt Nebridius dem
Constantins treu (21, 5, 1t) und wird also von lulian verabschiedet.
Discedens lulianus a Uauracis, erzählt der Historiker weiter (21, 8, l), j
Sallusüum praefectum promotum remisit in Gallias, Germaniano iusso
vicem tueri Nebridii, Nachdem er den Tod des Constantins und
lulians Ankunft in Constantinopel berichtet hat, schildert er, Secundo
Sallustio*) promofo praefecto praetorio (22, 3, 1), die Vorbereitungen zum
persischen Feldzug und nennt (23, 1, 1. 6) als Collegen des Kaiser»
im Consulat 363 den Sallustius praefectum per Gallias, worauf in der
weiteren Erzählung mehrfach, vor wie nach dem Tode des Kaisers,
der Präfect des Orients Sallustius genannt wird (23, 5, 6. 25, 3, 14.
21. 26, 5, 5). Auch Germanianus wird nach lulians Tod als Präfect
von Gallien erwähnt (26, 5, 5). Diese Erzählung ist in sich wider-
sprechend.**) Wenn Germanianus an die Stelle des Präfecten von
Gallien Nebridius tritt, so kann nicht gleichzeitig Sallustius Präfect
von Gallien geworden oder gar dorthin zurückgesandt worden sein;
ebenso wenig kann der College des Kaisers im Consulat ein anderer
sein als der Präfect des Orients. Augenscheinlich hat Ammian sich
hier versehen und einen Doppelgänger in die Erzählung eingeführt,
und wenn das Volk den ,grossen Priester' anfleht, anstatt des Typhos ihm den
Osiris wiederzugeben (p. 121 C) , so kann hier nur an die Kaisergewalt gedacht
sein. Die grosse Rede zu Anfang scheint wesentlich daraufhinauszulaufen, dass
die Obergewalt die Menschen, d. h. der Kaiser die Minister walten lässt und
nur in besonderen Fällen eingreift.
*) [Vielmehr Secundo Salutio; vergl. S. 299 A. **.]
**) [S. jedoch Seeck die Briefe des Libanius S. 263.]
Die diocletianische Reichspraefectur. 299
welcher nicht oder doch nicht in dieser Zeit amtirt hat. Sallustius
hat laut seiner Ehreninschrift (C. I. L. VI, 1764 [= Dessau 1255]) seine 217
amtliche Laufbahn begonnen als Statthalter von Aquitanien und
beschlossen als praef. praetorio iterum. Von seiner ersten Reichs-
präfectur erfahren wir sonst nichts und unmöglich kann sie in die
valentinianische Zeit fallen; er kann aber die Secundärpräfectur von
Gallien wohl vor dem Jahre 361 verwaltet haben, da sie häufig die
Vorstufe zu der höheren bildet.*) Sallustius als Präfect von Gallien
ist also bei den Jahren 362 und 363 zu streichen. Auch die Erlasse
dieser Zeit kennen nur den Sallustius (oder Secundus) als Präfecten
des Orients in den Jahren 362 bis 366 und den Germanianus als
Präfecten von Gallien in eben dieser Zeit.**)
*) [Vgl. Ges. Sehr. 4 S. 549 '.]
**) [Die obigen Ausführungen hat Mommsen in dem Aufsatz: Sallustius-
Salutius und das Signum, Hermes 37, 1902 S. 443 ff., der in den Epigraphischen
Schriften zum Wiederabdruck gelangen wird, berichtigt; dort ist nachgewiesen,
daß der von dem Präfekten Galliens verschiedene Präfekt des Orients Salutius
Secundus hieß.]
XV.
Zu der Inschrift von Tropaea.*)
114 Die Inschrift von Tropaea in Medermoesien, welche die Namen
der beiden Präfecten des Praetorium Petr(oniu8) Annianus und
Jul(ius) Julianus nennt [Mittheilungen 17 S. 109 n. 52 = C. I. L. III
S. n. 13734 mit Mommsens Kommentar], ist zusammenzustellen mit
dem in den donatistischen Acten erhaltenen Erlass derselben Be-
amten ^ (ed. Dupin p. 293), der die Inschrift trägt: Petronius Annianus
et (luUus ist ausgefallen) lulianus Domitio Celso vicario Africae und
die Unterschrift: IIIIh.Maias Treviris. Die Zeitbestimmung ergibt
sich theils aus den anderweitig für den Yicariat des Celsus vor-
liegenden Daten, über die Pallu de Lessert vicaires et comtes d'Afrique
p. 47 fg. 165 [und fastes des provinces africaines II p. 170 ff.] ge-
handelt hat, theils aus der sonst bekannten Reihe der praefecti prae-
torio. An Celsus gerichtete datierte Rescripte besitzen wir zwei, das
eine (C. Th. 9, 18, \ = C. lust. 9, 20, 16) vom 1. Aug. 315, das andere
(C. Th. 1, 22, 1 = lust. 1, 48, 1) vom 11. Jan. (Aug. nach Just.) 316;
er ist angetreten nach dem 1. Aug. 314 und abgetreten vor dem
10. Nov. 316, da für beide Daten andere Vicare genannt werden.
Also fällt jener die Donatisten betreffende Erlass zwischen diese
beiden Tage und demnach auch die Function jener Präfecten in die
gleiche Zeit. Andrerseits kennen wir aus diesen Jahren folgende
praefecti praetorio^:
*) [Archaeologisch - epigraphische Mittheilungen aus Oesterreich- Ungarn
17 (1894) S. 114—116.]
1) ed. Dupin p. 293 [s. oben S. 285 A. 2]. Die leichtfertige Verdächtigung |
dieses Documentes durch Seeck (Anfänge des Donatismus in der Zeitschrift für
Kirchengeschichfce Band X S. 551) ist bereits mehrfach von deutschen und fran-|
zösischen Gelehrten abgewiesen worden und kann nach Auffindung der correlatenj
Inschrift bei Seite gelassen werden. |
2) Der Erlass C. Th. 8, 4, 1 an den ppo Constantius ist nicht vom 28. Aprilj
815, sondern sicher erst nach Licinius Sturz ergangen. 1
Zu der Inschrift von Tropaea. 301
Euagrius nach den Erlässen aus Naissus 18. Sept. (C. Th. 14, 18, 1)
und Murgillum 18. Oct. 315 (C. Th. 16, 8, 1), also sicher auf
Constantin zu beziehen.
Leontius 26. Juli 317 (C. Th. 9, 22, 1) ohne Ortsangabe, aber
wahrscheinlich auch constantinisch.
Rufinus, seit 27. April 310 als Präfect Constantins öfter genannt.
Da neben Annianus und Julianus für einen dritten Präfecten des 115
Westreichs kein Raum ist, so kann die Inschrift von Tropaea mit
gutem Grund in die Epoche zwischen 18. Oct. 315 und 26. Juli 317
gesetzt werden. Dass die Caesaren in derselben nicht genannt
■Werden, macht es wahrscheinlich, dass sie vor dem 1. März 317
gesetzt ist.
Bemerkenswert ist auch, dass von den beiden Präfecten der
erste allein senatorischen Rang hat; der zweite dagegen die alte
Rangbezeichnung dieser Beamten vir eminentissimus führt. Hirsch-
feld (Verw. Gesch. I, 235 [2. Aufl. S. 483 A. 3; vgl. 8. 456]) hat
bereits gezeigt, dass die Präfecten nach Alexander bald der einen,
bald der anderen Rangclasse angehört haben; dies dürfte der späteste
Beleg für die letztere sein.
Wichtiger als für die Beamtenchronologie sind die beiden
Documente für die Frage nach der Competenz der praefecU prae-
torio. Bekanntlich fungieren diese höchsten Reichsbeamten in der
früheren Kaiserzeit, sofern ihrer mehrere sind, wenigstens formal
ohne getrennte Competenzen, dagegen im vierten Jahrhundert und
später mit örtlich geschiedenen Sprengein. Man hat sich gewöhnt
diese letztere Ordnung bereits für die constantinisch e Zeit anzu-
nehmen und es spricht dafür allerdings, dass schon in dieser Zeit
sämmtliche in die Gesetzsammlungen aufgenommenen Erlässe nur
einen praefectus praetorio nennen. Indes die Inscriptionen derselben
sind alle stark verkürzt und auch die spätere Gestaltung des Amtes
kann darauf eingewirkt haben. Die beiden hier behandelten von
diesen Compilationen unabhängigen Documente scheinen im Gegen-
theil zu beweisen, dass wenigstens in den ersten Jahren Constantins
zwei Präfecten ohne formell geschiedene Competenz amtiert haben.
iDenn der Erlass in Sachen der Donatisten ist aus Trier datiert und
betrifft Africa, die Inschrift von Tropaea betrifft Illyricum; da in
beiden dieselben Präfecten genannt werden, so scheinen die beiden
^räfecturen, wie wir sie später im Westen finden, von Illyricum,
[talien und Africa einer- und von Gallien andererseits damals noch
licht bestanden zu haben. Dass im Jahre 341 drei Präfecten neben-
iinander amtierten, zwei für die eben genannten beiden Theile des
302 Zu der Inschrift von Tropaea.
Westreichs und einer für das Reich des Ostens, habe ich vor kurzem
bei Herausgabe der Inschrift von Traiana in Thrakien (C. I. L, III
S. 12330) gezeigt; also fällt die Umgestaltung des obersten Reichs-
amtes zwischen 316 und 341. Die nähere Begrenzung zu versuchen
würde hier zu weit führen; es wird dies wesentlich davon abhängen,
wann zu dem Präfectentitel die geographische Determination hin-
zutritt.
Allerdings kommen auch in der Epoche der getrennten Prä-
fectensprengel gemeinschaftliche Erlässe mehrerer Präfecten einzeln
116 vor.*) Ich kenne deren zwei: den Erlass in Sachen der Nestorianer
(Mansi 5, 416) mit dem Präscript 0Mßiog 'Av^ejuiog 'loidcogog ^Xr]o-
ßaooog (?) xal 0Mßiog 2!ijU7tUxiog 'PrjyTvog ol enagy^oi keyovoi^ zu-
sammenzustellen mit der Verordnung vom 29. Januar 435, welche
unter anderen Beamten geschickt ward Isidoro pf. p. ißrientis, auch
sonst oft erwähnt), Begino pf. p. Illyrici ^ ; und den aus Rom 29. April
(473 oder 474) datierten, auf Befehl des neuen Kaisers Glyceriu
ergangenen Erlass gegen die Simonie (Haenel corpus legum p. 260)'
mit dem Präscript Felix Himelco pp. (nach einem anderen Erlassj
des Glycerius vom 11. März 473 praefedus praetorio Italiae), Dioscuru
(in dem oströmischen Erlasse des Jahres 472 und wohl auch de;
Folgejahre mehrfach als praefedus praetorio ohne Zweifel des Oriens
genannt), Aurelianus Profadius vv. cc. pp. dd. (= dicunt). Indes bei
dem ersten dieser Erlässe erklärt es sich aus dem Gegenstand, dass
die beiden Präfecten sich dazu vereinigten; bei dem zweiten dürften
auch ausserordentlicherweise die Präfecten des Reiches sich zu
sammengethan haben, um die universitas vor jenem Missbrauch ab
zumahnen, wobei das vielleicht nur fictive Auftreten des Präfectei
des Oriens in einem Erlass des "Westreichs wohl in den damal
bestehenden besonderen politischen Yerhältnissen seine Erklärung
finden wird. An regelmässiges Zusammenwirken der praefecti prae
torio nach Constantin kann nicht gedacht werden. Dass auch nac'
Theilung der Sprengel eine solche Gemeinschaftlichkeit möglich un
statthaft war, versteht sich von selbst und wird auch durch jen
Inschrift vom J. 341 bestätigt.
*) [S. oben, S. 285.]
1) Auch der gleichartige Erlass vom Jahre 448 (Mansi 5, 420) vrird b
zeichnet als didzay/^a nQots&sv naqä rcöv ejiaQ/cov.
XVI.
Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammt-
herrschaft in ihrem titularen Ausdruck.*)
Wenn ich auf die vor Kurzem in dieser Zeitschrift [Hermes 17] 523
(S. 251 f.) von Gardthausen behandelte Inschrift aus Medermoesien
(C. I. L. III, 6159 [= 7494 = Dessau 770]) zurückkomme, so geschieht
es hauptsächlich, um den Lesern dieser Blätter zur Kenntniss zu
bringen, was sonst vielleicht manchem entgehen könnte, dass die
Wiederauffindung des Steins und die Richtigstellung des Textes dem
Streit über die Beziehung der Inschrift ein Ende gemacht und ein
durchaus unerwartetes Resultat ergeben hat. Sie ist weder von Con-
'' stantinus I noch von Constantius II gesetzt, sondern von Kaiser Yalens.
Diese Feststellung ward Herrn Tocilescu in Bukarest verdankt,
der mit ebenso grossem Eifer wie Geschick die Alterthümer jener
jso lange vernachlässigten Landschaften durchforscht und in den
I 'archäologisch -epigraphischen Mittheilungen aus Oesterreich' vor
'kurzem (Jahrg. 6 S. 47 f.) die Inschrift in abschliessender Weise
veröffentlicht hat. Der nach seinen Untersuchungen nicht, wie
Desjardins angab, in Daieni (Dojani), sondern 10 Kil. weiter strom-
aufwärts in den Ruinen Hassarlik oder richtiger Hissarlik bei Gir-
liciu (Gerlitza), wahrscheinlich den Resten des römischen Castells
Cius^, gefundene, jetzt im Bukarester Museum aufgestellte Stein
, *) [Hermes 17, 1882 S. 523 — 544 mit Nachtrag S. 649. — Vgl. 0. Seeck,
|Hermes 18, 1883 S. 150 ff.]
I 1) Erwähnt wird Cius oder Cium im antoninischen Itinerar p. 224 (Cio)
i* jund in der Notitia imperii Orientis (39, 14 Seeck: euneus equitum Stablesianorum
Cm), Nach den in jenem angegebenen Massen folgt nach Carsus (Hirsowa) strom-
abwärts Cius bei Hissarlik, sodann Beroe oder Biroe bei Ostrowa und das
Legionslager von Troesmis bei Iglitza. Daieni liegt zwischen Hissarlik und
Ostrowa in gleicher Entfernung von beiden. — Für die topographischen An-
Jetzungen habe ich Kieperts Rath einholen können.
304 Die Inschrift von Hissarlik und die römisclie Sammtherrachaft.
giebt, nach richtiger Lesung, folgenden Text, dem ich gleich die
Supplemente beisetze, so weit sie mit einiger Wahrscheinlichkeit
vorgeschlagen werden können:
524 [D. n. invictissimus princeps Fl. V]alens victor maximus triumfator
[semper Aug. in fidem recepto rege Athan]arico, victis superatisque
Gothis,
[ingruente item in victorias illa\s tempore feliciter quinquennaliorum
[ hunc hurgum] ob defensionem rei puhlicae extruxit
5 [labore devotissi]morum militum suorum Primanorum
[et commissor]um eure Marciani trih. et ürsicini p(rae)-
p(ositi) semp(er) vestri
[ordinante Fl.] Stercorio viro clarissimo duxie.
Die einzige wesentliche Abweichung dieser Herstellung von der-
jenigen, welche Tocilescu vorschlägt, besteht darin, dass er noch,
eben wie früher ich und neuerdings Gardthausen, festhält an deraji
Vorschlag Reniers felici und ter zu trennen und also ter quinquen-
naliorum zusammenzunehmen. Aber sprachlich nöthigt dazu nichts;
ja für die Bezeichnung ter quinquennalia giebt es keine genügende-
Analogie ^ und man würde vielmehr quindecennalia erwarten. Ande-
rerseits ist die Einschiebung von feliciter in einen derartigen Satz'
dem Sprachgebrauch dieser Zeit wohl angemessen; so heisst es im
einer Yerordnung vom J. 4^0^: ex quarta decima feliciter futura
indictione. Danach stellt sich die Zeit der Inschrift nicht in den
Anfang des J. 378, sondern um das J. 368. In der That ist die
erstere Ansetzung mit den geschichtlichen Vorgängen nicht in Ein-
klang zu bringen. Man mag zugeben, was Tocilescu annimmt, dass
die 'Besiegung der Gothen' auf die Schlacht bei Babadagh im
J. 377 bezogen werden kann, obwohl der Ausgang derselben min-
destens zweifelhaft war. Aber nach dieser Schlacht, die unfern vor
Hissarlik geliefert ward^, hatten sich die Römer nach Marcianopolii
zurückgezogen und das Schlachtfeld den Gothen überlassen; bah
nachher gingen diese wieder vor und überschwemmten die ganzi
525 thrakische Diöcese; die Entscheidungsschlacht, in der die Röme
vollständig unterlagen und Kaiser Valens selbst den Tod fand, wan
1) Octava, nona quinquennalia findet sich wohl (Marcellinus Comes zu de
J. 439. 444), nicht aber die fragliche Verbindung; und votis X.V auf den Münze
von Valens und Gratian kann doch nur quindecennalibus gelesen werden.
2) C. Th. 11, 28, 6, 1. j
3) Die Station ad Salices liegt nach dem Itinerar fünf deutsche Meilf
nordwärts von Istros auf der Strasse nach Noviodunum (Isaktscha) bei de:
heutigen Babadagh, ungefähr acht deutsche Meilen östlich von Hissarlik. ,
Die Inschrift von Hissarlik und die römische Samtntherrschaft. 305
am 9. Aug. 378 bei Hadrianopolis geschlagen. Unmöglich können
die Römer einige Monate vorher ein Castell bei Hissarlik erbaut
haben. Dagegen passt diese Anlage gut für den Gothenkrieg der
Jahre 367 — 369 ^ Diesen begann Valens im Frühjahr 367 und über-
schritt die Donau, ohne "Widerstand zu finden; die Gothen zogen
sich zurück und wurden von den römischen Streifpartien verfolgt.
Im J. 368 gelang, angeblich wegen der Gewalt des Stromes, es den
Römern nicht denselben zu überschreiten; Valens blieb den Sommer
über bei dem 'Dorf der Carpen' ^ und brachte den Winter in Mar-
cianopolis zu. Im dritten Jahre (369) wurde die Donau bei Novio-
dunum (Isaktscha) auf einer Schiffbrücke überschritten, die weit
landeinwärts wohnenden Greuthungen zu Paaren getrieben und der
mächtigste der Häuptlinge in diesem Gebiet, der Fürst (iudex) der
Thervinger Athanaricus, im Kampfe überwunden und in die Flucht
getrieben, worauf der Kaiser wieder nach Marcianopolis ins Winter-
quartier ging. Hier wurden die Friedensbedingungen festgestellt
und von Valens und Athanarich, die auf der Donau selbst zu Schiff
zusammenkamen, persönlich bestätigt, worauf jener nach Constan-
tinopel zurückkehrte. Es bedarf der Auseinandersetzung nicht, dass
die Errichtung eines Castells in Hissarlik sich in diesen Krieg vor- 526
trefflich einfügt; die Provinz Scythia war durchaus in demselben die
Basis der römischen Operationen und in ungestörtem Besitz der
römischen Armee. Ebenso wird die Ergänzung, die auch Tocilescu
sich darbot, [fugato rege Athan]arico nicht füglich abgelehnt werden
1) Ausser dem zuverlässigen Bericht Ammians 27, 5 und dem chronologisch
minder genauen, im wesentlichen aber übereinstimmenden bei Zosimos 4, 10. 11,
können wir diesen Gothenkrieg, da Valens ihn persönlich geführt hat, chrono-
logisch ziemlich genau verfolgen an den Daten seiner Erlasse [s. jetzt Mommsen
Prolegom. zum Cod. Theod. p. CCXLIff.]:
Marcianopolis 367 Mai 10 (C. Th. 12, 18, 1). 30 (11, 17, 1).
Dorostorum 367 Sept. 25 (10, 1, 11. 12, 6, 14).
Marcianopolis 368 Jan. 31 (7, 13, 2). März 9 (10, 17, 2). Aug. 1 (11, 30, 35).
Nov. 12 (11, 24, 2). 18 (7, 6, 2). Dec. 13 (10, 20, 4). In Folge der
Verwechselung des Datums Valentiniano II et Valente II cos. mit Valen-
tiniano et Valente cos. (vgl. Krüger comm. Mommsen. S. 76 f.) sind diese
Verordnungen meistens unter die des J. 365, eine (11, 24, 2) in das
J. 370 {Valentiniano III et Valente III cos.) gerathen.
Marcianopolis 369 März 11 (9, 21, 7). (Das Datum Antiochia Apr. 30 C. Th.
10, 19, 5 muss verschrieben sein.) Mai 3 (7, 4, 15).
Noviodunum 369 Juli 3 oder 5 (10, 16, 2. 10, 21, 1).
Marcianopolis 369 Dec. 11 (10, 10, 11).
Constantinopolis 369 Dec. 29 (5, 1, 2).
2) Die Lage lässt sich nicht genau bestimmen. Vgl. Zeuss die Deutschen
S. 699.
MOMMSEN, SCHR. VI. 20
306 Diß Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft.
können, nachdem es feststeht, dass die Inschrift auf den ersten
Gothenkrieg des Valens zu beziehen ist, in welchem dieser Gothe
die erste Rolle gespielt hat.
Allerdings bleibt in Betreff der genauen Zeitbestimmung eine
Schwierigkeit. Da der Regierungsantritt Valentinians am 26. Febr.
364 stattfand, so läuft das fünfte Regierungsjahr der beiden Brüder
vom 26. Febr. 368 bis dahin 369. Dass die Quinquennalien am
Anfang desselben gefeiert worden sind, ist wahrscheinlich ^. Dagegen
fällt die Besiegung der Gothen und namentlich die Ueberwindung
des Athanarich erst in den Sommer des J. 369, also auf alle Fälle
später als die Feier der Quinquennalien. Indess hebt sich dieses
Bedenken in der That schon dadurch, dass bei der lückenhaften
Beschaffenheit der Inschrift nicht sicher erhellt, in welche Verbindung
die Quinquennalien mit der Besiegung des Athanarich gebracht
sind. Trifft die oben gegebene Restitution im Allgemeinen das
Richtige, so ist das Castell von Hissarlik bei oder bald nach Be-
endigung des Gothenkrieges im J. 369 erbaut und wird in der
Inschrift rückblickend sowohl der kriegerischen Erfolge wie der
Quinquennalien gedacht.*)
Im Uebrigen ist über die Inschrift wenig zu bemerken. Es
fehlt viel, wahrscheinlich die volle Hälfte, so dass an eine den Wort-
laut treffende Ergänzung überall nicht gedacht werden kann. —
Z. 1 . 2 habe ich nach der damals üblichen Titulatur gestaltet ; imp.
527 Caesar ist in dieser Zeit beinahe verschwunden, dagegen kann neben
Augustus das semper nicht wohl fehlen. Die Ergänzung [cum rege
Äthan]arico ist deswegen vermieden, weil dergleichen Beisätze nicht
schicklich vor dem Hauptsatz stehen können. — Z. 6 bin ich Toci-
lescu gefolgt, dessen Ergänzung sich stützt auf die in einer gleich-
zeitigen Inschrift von Enns^ vorkommende Wendung milites .... cure\
eins commissi. Zu Anfang von Z. 6 mag wohl, wie ich auch früher
1) Es entspricht das "dem Gebrauch dieser Zeit (Eckhel 8, 482) und findet
auch Anhalt in dem bei Gelegenheit des Festes gehaltenen jiEvxastrjQixög des
Themistios: si'QTjzai, ist dazu bemerkt, im xijg atsvrasztjQiSog iv MaQxiavovnöXsi.
Dies passt an sich auf den Winter 367/8 ebenso wie auf den Winter 368/9; aber
der Inhalt schickt sich besser für den ersteren. Es ist darin die Rede von dei|
Niederwerfung des Prokopios (p. 110 d) und weitläufig von den zur Erleichterung j
der Steuerlast getroffenen Anordnungen (p. 112 f.), aber der Gothenkrieg erscheimi
mehr in Vorbereitung als eigentlich begonnen (p. 113 b : rjvixa im Sxv&ag axQa\
XEvsi ßaaiXevg , rjvlxa iyeiQsi jiöXEfxov a.HQaiq)vfj, ferner p. 116 a: siQcbtjv eidov iyö,
atQatiäv (läXXov x^Qov navrog rjoxrjfisvrjv),
*) [Dagegen Seeck a. a. 0.]
2) C. I. L. III, 5670 a [= Dessau 774]. j
Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft. ' 307
schon vermuthet hatte, ein zweiter Truppenkörper gestanden haben;
ob aber gerade der nach der Notitia in Cius gamisonirende cuneus
equitum Stahlesianorum , ist um so weniger sicher, als bei dem da-
maligen Kriegszustand der Provinz auf die regelmässigen Garnisons-
, Verhältnisse für die Ausführung solcher Bauten wenig Gewicht gelegt
werden kann. Darum muss es auch unentschieden bleiben, ob die
in Z. 5 genannten Primarii die Soldaten der I lovia oder der / Italica
sind, da beide in dieser Gegend, jene in der Provinz Scythia, diese
in Moesia secunda in Garnison standen. Von den beiden nachher
genannten Offizieren, einem trihunus und einem praepositus,*) passt
nach regelmässiger Ordnung zu der Legion eigentlich keiner. Die
Tribüne dieser Zeit, so weit sie der Feldarmee angehören ^, sind die
Befehlshaber der Cohorten. Die ihnen im Rang im Allgemeinen
nachstehenden 2 praepositi scheinen auch in dieser Epoche wie in
der früheren eine feste Stellung in der militärischen Hierarchie
nicht gehabt zu haben, sondern der Ausdruck entweder das Com-
mando einer kleineren Truppe überhaupt oder das ausserordentliche
einer solchen zu bezeichnen^. Vermuthlich also sind Marcianus und
Ursicinus nicht zu fassen als die regelmässigen Vorgesetzten der mit 528
dem Castellbau beauftragten Abtheilungen, sondern als besonders
für dieses Geschäft abcommandirte Offiziere niederen Grades. Dass
*) [S. oben S. 274 ff.]
1) Die tribuni scholarum kommen für unsere Inschrift nicht in Betracht.
2) Dies zeigt unsere Inschrift bestimmter als irgend ein anderes Zeugniss.
Auch in der Verordnung C. Th. 11, 18, 1 schliesst die Aufzählung der Offiziere
in absteigender Reihenfolge mit den tribuni vel praepositi miUtares, und ebenso
heisst es C. Th. 12, 1, 113 : admonitis vv. cc. ducibus tribunis praepositis, das.
7, 9, 2: comites vel tribuni aut praepositi und 7, 4, 36: tribuni sive comites vel prae-
positi numerorwn, wobei man sich an die Gleichstellung der tribuni und der
comites minores (C. Th. 7, 11) zu erinnern hat.
3) Allgemein steht pi'aepositus und praepositura C. Th. 7, 9, 1. 7, 21, 2.
S, 7, 11, oftmals zusammen mit tribunus (C. Th. 7, 1, 2: a tribuno vel praeposito;
7, 1, 10: tribunis suis sive praepositis ; 7, 4, 1: tribunos sive praepositos; 7, 12, 1:
ne cui praepositorum vel dectirionum vel tribunorum cohortium). Daher finden
wir es auf verschiedenartige Truppen bezogen; so nennt die Not. Dign., die im
Ganzen das nicht technische Aushülfswort vermeidet, einzeln praepositi für
milites, equites, numeri (Seeck im Index p. 306), Ammian 26, 5, 6 einen praepositus
Martensium, die Inschriften einen praepositus legionis primae Martiorum (C. III,
3653 [=: Dessau 775]), aber auch der equites Dälmatae Aquesiani (C. III, 5565
[= Dessau 664]), der milites auxiliares Lau/riacenses (C. III, 5670 a [= Dessau 774]),
der milites Histrici (C. III, 3370 [= Dessau 2787]). Deutlich zeigt sich der
supplementäre Werth des Wortes in der Verordnung C. Th. 7, 20, 10, wo die praepositi
fabricae, classis, Laetorum neben den cohortis tribuni aufgeführt werden. Was
Vegetius sagt 2, 12: cohortes a tribunis vel praepositis regebantur, ist wenigstens
undeutlich.
20*
308 I^iß Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft.
die Inschrift zunächst von dem letztgenannten ausgeht, scheint der
auf ihn allein bezogene Beisatz semper vester anzuzeigen. — Z. 7
habe ich mit Gardthausen ordinante geschrieben, nicht mit Tocilescu
insistente, weil der dux der höhere Offizier ist und also die Arbeit
nicht leitet, sondern veranlasst. Dass der Clarissimat des dtix, an dem
ich früher Anstoss genommen hatte, nach der jetzigen Feststellung der
Epoche der Inschrift in der Ordnung ist, hat schon Tocilescu bemerkt.
Indem also die Inschrift von Hissarlik nach Feststellung ihrer
Lesung geschichtlich zwar nicht eigentlich Neues lehrt, aber doch
die Ueberlieferung besser begründet und veranschaulicht, erweitert
sie nach einer anderen Seite hin unsere Kenntniss der spätrömischen
Ordnungen. Wenn ich trotz mancher dafür sprechenden Erwägungen
es früher abgewiesen hatte sie auf die spätere Kaiserzeit zu beziehen,
so bestimmte mich dabei vor allen Dingen die Erwägung, dass in
ihr nur ein einzelner Herrscher genannt ist und dies für diejenige
Epoche, der ich sie zuwies, sich allenfalls rechtfertigen Hess, dagegen,
wenn man von dieser absah, sich schlechterdings keine Herstellung
finden liess, wobei sie nicht in eine anerkannte Sammtherrschaft
hätte verlegt werden müssen. Dies trifft auch zu für die von Gardt-
hausen vorgeschlagene Beziehung auf das J. 338, da in diesem die
drei Söhne Constantins neben einander herrschten. Gardthausen
(S. 262) findet sich in dieser Hinsicht mit der Bemerkung ab, dass
wir uns nicht wundern dürften dem Namen des Constantius allein
zu begegnen, 'da er bereits Augustus war', und beruft sich auf die
Bemerkung Krügers im Anhang zu seiner grösseren Ausgabe des
justinianischen Codex (S. *22): constat trium imperatorum nomina
529 simul non legi, Constantem vulgo iungi cum Constantio, Constantini
paucas (constitutiones) , Constantii plerasque auctoris nomen solum
proferre.
Die Unrichtigkeit der Gardthausenschen Attribution ist durch
die Wiederauffindung der Inschrift festgestellt; aber die Rechtsregel,
von welcher ich ausging und welcher dieselbe unzweifelhaft wider-
streitet, bedarf auch jetzt noch theils der Rechtfertigung, theils aller-
dings auch der Beschränkung. In der lockeren Weise, wie es Gardt-
hausen gethan hat, lässt sie sich nicht abfertigen. Das Festhalten
der Reichseinheit auch nach der Einführung der örtlich abgegrenzten
Competenz in die Sammtherrschaft ist einer jener grundlegenden
Gedanken der diocletianischen Staatsordnung, welche für die ganze
Folgezeit den Gang der Dinge beherrschen, ohne welche weder die
gegenseitige Stellung der Höfe von Ravenna und Constantinopel
noch die des byzantinischen Staats zu den germanischen König- ,
Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft. 309
reichen des Westens verstanden werden kann. Auch hier berühren
sich Anfang und Ende: wie es der Grundgedanke bei Abschaffung
des Königthums gewesen ist die Einheit des Oberamts bei getheilter
Competenz festzuhalten, so ist die diocletianische Reichstheilung
eben auch nichts anderes als die Einfügung der getheilten Com-
petenz in die Institution des einheitlichen Oberamts. Auch insofern
ist die Idee der dauernden Reichseinheit das nothwendige Funda-
ment des späteren römischen Staatsrechts, als dieses, wie immer der
harte Druck der Thatsachen, namentlich dem persischen Reich gegen-
über, zu einer derartigen Auffassung hindrängte, dennoch so wenig
wie das ältere das selbständige Nebeneinanderstehen gleichberech-
tigter Staaten anerkennt. Die theoretische wie die praktische Durch-
führung dieses Princips bleibt dasjenige Moment, welches schärfer
als irgend ein anderes die Staatenbildung der Neuzeit von derjenigen
des Alterthums sondert und zugleich dem Mittelalter mit seinem
überleitenden neurömischen Reich die begriffliche Grundlage giebt.
Die Institutionen und Formalien, in denen die dauernde Reichseinheit
zu Tage tritt, müssen um so mehr in der Anschauung festgehalten
und durchgängig beachtet werden, als in dem äusseren Gang der
Dinge allerdings oft jener Grundgedanke verdunkelt und verletzt
wird. Es ist nicht gleichgültig, dass das officielle Yerzeichniss der
Staatsämter der beiden Reiche die Ueberschrift trägt notitia digni-
tatuni omnium tarn civilium quam miUtarium in partibus Orientis und
in partibus Occidentis und überhaupt nach strenger Formulirung das
Ost- wie das Westreich als 'Reichshälften' bezeichnet werden. Es ist 530
hier nicht der Ort die praktischen Consequenzen dieses Princips zu
verfolgen, wie sie namentlich bei der Ernennung der durch ihre
Eponymie wichtigen ordentlichen Consuln und bei der Frage nach
dem Geltungskreis der einzelnen Gesetze und Verordnungen hervor-
treten. Hier soll nur versucht werden der titularen Handhabung
desselben, das heisst dem Satz, dass jede Regierungshandlung recht-
lich aufgefasst und bezeichnet wird als Handlung der Sammtherrscher,
die richtige Begrenzung und die nähere Bestimmung zu geben. Damit
wird zugleich die Frage beantwortet sein, wie es sich erklärt, dass
die Inschrift des Castells von Cius sich dieser Regel nicht fügt.
Die Anwendung der Regel wird zunächst in der Gesetzgebung
zu suchen sein, und in der That erscheint sie hier in der um-
fassendsten und bestimmtesten Weise. Es bedarf nur eines Blickes
in unsere Gesetzsammlungen, namentlich in diejenige, welche die
Gesetze mehr als die übrigen unverkürzt erhalten hat, die der post-
theodosianischen Novellen, um zu erkennen, dass, so lange, es ein
310 I^ie Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft.
Westreich gab, zwar jeder Augustus nach Gutdünken Gesetze erliess,
aber einem jeden derselben die Namen auch des oder der Collegen
mit vorsetzte. Die Gültigkeit derselben in dem Sprengel des
Collegen hing allerdings wenigstens in späterer Zeit davon ab, dass
dieser die ihm zugehenden Erlasse des Collegen auch in seinem'
Reichstheil publicirte^.
531 "Wenn unter der constantinischen Dynastie diese Regel nicht
mit derselben Evidenz hervortritt wie zum Beispiel unter der valen-
tinianischen und der theodosischen, so ist die Ursache keineswegs
zu suchen in einer Verschiedenheit der rechtlichen Normen, sondern
es greifen hier lediglich die inneren Zerwürfnisse zwischen den
Sammtherrschern ein, welche jener Dynastie im Gegensatz zu den
nachfolgenden ihre unheilvolle Signatur gegeben haben. Um so
mehr verdienen die scheinbaren Abweichungen von dieser Regel
genauere Untersuchung; es steckt in ihnen ein Stück Geschichte.
Was zunächst Constantinus I (Augustus 25. Juli 306) und Li-
cinius (Augustus 11. Nov. 307, entscheidend besiegt bei Kalchedon
18. Sept. 323) anlangt, so nennen die wenigen Urkunden, die aus
den betreffenden Jahren in authentischer Form überliefert sind, diö
Herrscher neben einander 2. — Anders verhält es sich in den Ver-
1) Das bei der Publication eingehaltene Verfahren zeigt in deutlichster
Form der im J. 438 gefasste Beschluss des römischen Senats , dessen Protokoll
den für den Occident bestimmten Exemplaren des theodosischen Codex vorgesetzt
worden ist, betreffend die Einführung dieser von dem Kaiser des Ostreichs ver-
anstalteten und nach ihm benannten Verordnungensammlung. Dass erst von
da ab für die Rechtsverbindlichkeit der einzelnen Verordnung die Publication
in dem betreffenden Reichstheile gefordert ward, lehrt das für dasselbe Gesetz-
buch im Ostreich erlassene Publicationspatent : Ms adicimus nuUam constitutionem
in posterum velut latam in partibus Occidentis atiove in loco ab invictissimo ....
Vakntiniano posse proferri vel vim legis aliquam obtinere, nisi Jwc idem divina
pragmatica nostris mentibus intimetur (Nov. Theodosii II 1, 5). Späterhin wurde
demgemäss verfahren; wir besitzen einen Erlass des oströmischen Kaisers vom
1. Oct. 447 (Nov. Theod. II 2, 1), womit er die bis dahin von ihm erlassenen
allgemeinen Verordnungen dem weströmischen Collegen zur Bestätigung über-
schickt und ihn ersucht seinerseits das Gleiche zu thun, und den entsprechenden
Confirmationserlass des weströmischen Herrschers vom 5. Mai 448 (Nov. Valent.
III 26 [25]). Selbst diese Erlasse^ in denen ein College von dem anderen spricht,
tragen im Präscript die Namen beider [der erste den Namen Valentinians als
Adresse].
2) Dies sind, abgesehen von dem bedenklichen Präscript bei Eusebius h. e.
8, 17 [s. dazu Mommsen Arch.-epigr. Mitteil. 16 S. 96 A. 5 und unten S. 328 A. 4;
Dessau zu Inscr. sei. n. 660] , das berühmte Edict zu Gunsten der Christen vom
13. Juni 313 (Lactantiu des mort. persec. 48 : cum felidter tarn ego Constantinus
Augusttis quam etiam ego Licinius Augustus apud Mediolanum convenissemus;
ebenso Eusebius bist. eccl. 10, 5) und ein Schreiben (bei Augustinus ep. 88 vol. 2
Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft. Sil-
ordnungensammlungen. In der theodosischen findet der Name des
Licinius sich nirgends und sind die zahlreichen Erlasse aus diesen
Jahren a^88chlie8slich auf den Namen Constantins gestellt^. Von den
Trümmern derjenigen, die wir mit dem Namen der vaticanischen
Fragmente bezeichnen, gilt im Wesentlichen dasselbe 2. Endlich in 532
der justinianischen fehlt, so weit sie von der theodosischen abhängt,
der Name des Licinius selbstverständlich ebenfalls^. Damit kann
noch zusammengestellt werden, dass Eusebius in der Kirchen-
geschichte verschiedene Erlasse des Constantinus aus diesen Jahren
unter dessen Namen allein mittheilt*. Ohne Zweifel liegt in allen
diesen Fällen spätere Tilgung vor. Wenn nach dem Sturz des
Licinius seine Erlasse cassirt Wurden ^, so ist es davon nur ein noth-
p. 213 ed. Manr. correcter als in der Schrift contra Cresconium 3, 81 vol. 9 p. 476
ders. Ausgabe; vgl. den breviculus collationis cum Donatistis die III c. 41 vol. 9
p. 578) vom J. 314 oder 315 (Tillemont mem. pour servir ä l'hist. eccl. 6, 705)
mit folgendem Präscript: itnperatores Caesares Flavius (überliefert ist Flavii)
Constantimcs maximus {Constantinus et Maximianus die Schrift adv. Crescon.,
welche sinnlose Lesung in Hänels corpus legum übergegangen ist) et Valerius
Licinianus {Lic. fehlt in den epp.) Licinius ad Probianum proconsulem Africaei
1) Gewiss mit Unrecht glaubte Gothöfredus in der Ueberschrift von C. Th.
10, 13, 2 vom J. 313 idem AA. neben der vorhergehenden vom selben Jahr mit
imp. Constantinus A., eine Spur des Licinius zu finden ; es ist dies ohne Zweifel
nichts als ein Schreibfehler.
2) Wenigstens finden sich Erlasse aus dem J. 315 (c. 273). 316 (c. 249).
318 (c. 287) mit dem Präscript Constantinus et Caess. Wenn einer Reihe gleich-
zeitiger Rescripte vorgesetzt ist Augg. et Caess., so mag diese Bezeichnung den
Licinius einschliessen ; aber der Name wenigstens findet in der ganzen Sammlung,
so weit wir sie haben, sich nicht. Vgl. meine Ausführung über diese Präscripte
in dem Nachwort zu meiner grösseren Ausgabe p. 405.
3) Wenn die Verordnung vom J. 319 C. Th. 2, 4, 1 = C. Just. 5, 40, 2 dort
dem imp. Constantinus A., hier dem imp. Constantinus A. et Licinius C. (so!)
gegeben wird, so hat Krüger mit vollem Recht darin einen Schnitzer der Compi-
latoren erkannt, welche nach der Subscription Constantino A. V et Licinio C.
conss. die Inscription schlimmbesserten.
4) Es sind dies die Schreiben aus den J. 313 und 314 an den Bischof
Miltiades von Rom, den Bischof Chrestos von Syrakus, den Bischof Caecilianus
von Karthago und den Proconsul von Africa Anullinus (sämmtlich 10, 5 — 7);
auch im Text begegnet hier das 'ich' statt des 'wir'. Uebrigens wird man bei
diesen Schreiben so wie bei demjenigen des Kaisers an den Ablabius aus dem
Anfang des J. 314 (hinter dem Optatus Milevitanus p. 283 Dupin [p. 204 Ziwsa])
sich zu erinnern haben, dass in dieses Jahr der erste Krieg zwischen Constantinus
und Licinius fällt, welcher selbstverständlich die Collegialität zunächst aufhob.
5) Erlass vom 16. Mai 324 (C. Th. 15, 14, 1): remotis Licini tyranni consti-
tutionibus et legibus. Doch lässt die Beschränkung in dem späteren vom 8. Juli
326 (C. Th. 15, 14, 3): legitimis eius rescriptis minime impugnandis die Möglichkeit
offen, dass unter den uns unter Constantins Namen erhaltenen Erlassen auch
solche sich befinden, die ursprünglich von Licinius herrühren.
m
312 Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft.
wendiges Corollar, dass auch aus denjenigen Constantins sein Name
verschwand. — Dagegen müssen zwei im justinianischen, nicht aber
im theodosischen Codex enthaltene und auch aus anderen Gründen
auf eine verschiedene Quelle zurückzuführende Yerordnungen mit
dem Präscript inipp. Constanfinus et Licinius AA.^ von Tribonian
einer Verordnungsammlung entlehnt sein, die vor dem J. 324 ent-
standen ist; was für die noch keineswegs genügend aufgeklärte Be-
schaffenheit namentlich des hermogenianischen Constitutionencodex
Beachtung verdient. Der Urheber der vaticanischen Sammlung,
deren Entstehung, von einzelnen späteren Zusätzen abgesehen, in
die späteren Jahre Constantins zu fallen scheint, so wie noch die
533 Redactoren der theodosischen vom J. 438 waren sich der Vorschrift
bewusst und mieden den verfehmten Namen durchaus, während
Tribonianus und seine Collegen die Regel nicht kannten oder auch
nicht achteten und copirten, was sie fanden. Uebrigens hat die
Cassirung sich auf die Inscriptionen beschränkt und sind die Namen
der Licinier in den Jahresdaten unangefochten stehen geblieben, wo
allerdings deren Tilgung die heilloseste Verwirrung herbeigeführt
haben würde 2. — So verfuhren die praktischen Juristen. Dass der
Hofprediger noch einen Schritt weiter ging und wo es irgend thun-
lich war, den Namen auch aus den zu historischen Zwecken vor-
gelegten Documenten beseitigte, kann man nur in der Ordnung
finden ^.
Nach dem Tode Constantins am 22. Mai 337 oder vielmehr
nach der Beendigung des Interim am 9. Sept. desselben Jahres
1) C. lust. 3, 1, 8 und 7, 22, 3, zusammengehörend, vom J. 314; 7, 16, 41
unbestimmten Jahres. An Schreiberirrung oder Interpolation ist um so weniger
zu denken, als die beiden Auszüge derselben Verordnung in dem Präscript
stimmen. Vgl. Krüger im Anhang der grösseren Ausgabe p. *18. [Mommsen
Ges. Sehr. 2, 394 A. 3.]
2) Ich habe schon bei anderer Gelegenheit (in dieser Zeitschrift [Hermes]
9, 274. 10, 471 [Rom. Forsch. 2, 71]) darauf aufmerksam gemacht, dass die damnatio
memoriae den Jahrbenennungen gegenüber nicht in vollem Umfang zur Geltung
kommt. Aber die streng durchgeführte Unterscheidung zwischen Kaiser- und
Consulnamen, wie sie hier auftritt, dürfte doch erst dem 4. Jahrhundert angehören.
3) Uebrigens zeigt er (s. oben S. 311 A. 4) sich selbst an mit den Eingangs-
worten , dass er die Uebersetzungen vorlegen wolle t<wv ßaadtxMv diard^scov
KcovaravTtvov xai Aixiwiov, was doch nicht allein auf das zunächst folgende
Toleranzedict bezogen werden kann. Deutlicher noch spricht das vom 15. April
313 datirte Antwortschreiben des von ihm erwähnten Proconsuls Anullinus, das
eine zuverlässigere Quelle (Augustinus ep. 88) in urkundlicher Form aufbewahrt
hat: es trägt das Präscript Aggg. nnn. Anullinus v. c. pro consule Africae, wobei
man sich erinnern muss, dass damals neben Constautiuus und Licinius noch
Maximinus regierte.
Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft. 313
herrschten die drei Söhne Constantinus II, Constantius 11 und Con-
stans gemeinschaftlich bis zum Tode des erstgenannten im April 340,
alsdann die beiden jüngeren gemeinschaftlich bis zum 18. Jan. 350,
von da an Constantius allein. Urkundlich überlieferte Erlasse aus
dieser Sammtherrschaft giebt es meines Wissens nicht; wir sind für
diese Untersuchung auf die Gesetzsammlungen allein angewiesen, und
auch für diese lässt sich das Ergebniss in wenige Worte zusammen-
fassen. Der Name Constantins II ist im theodosischen Codex voll-
ständig verschwunden' und wo der justinianische, der hier allem
Anschein nach lediglich auf der älteren Sammlung fusst, sich hiervon 534
zu entfernen scheint, liegt dem ohne Zweifel theils die zerrüttete
Ueberlieferung, theils die Unkunde der justinianischen Compilatoren
zu Grunde^. Auch hier also hat, eben wie bei Licinius, Tilgung
stattgefunden; und wie konnte dies anders sein, da Constantinus II
im Kampfe fiel gegen seinen Bruder Constans, dem er seinen Reichs-
theil zu entreissen gedachte, und sogar in einem Erlass vom 28. April
340 ^ als puhlicus ac noster inimicus bezeichnet wird. — Anders ver-
1) Die hier zuverlässige Ueberlieferung hat, wenn ich nichts übersehen
habe, in den zahlreichen Gesetzen aus der Zeit der Herrschaft der Söhne nirgends
den Namen des Constantinus. 11, 9, 2 ist dessen Hineincorrigirung gegen die
handschriftliche Lesung imp. Constantius um so verkehrter, als imp. Constantinus
A. voraufgeht.
2) Die beiden Fälle, in denen nach Gothofredus (zu C. Th. 12, 1, 23) im
justinianischen Codex die drei Brüder genannt sein sollen (3, 11, 6. 6, 37, 21),
sind handschriftlich nicht beglaubigt und in der Krügerschen Ausgabe beseitigt.
Bei dem jetzigen Stande der Ueberlieferung, in der bei diesen Kaisernamen die
unterscheidenden Endsilben ausserordentlich häufig weggelassen und dann wieder
nach Schreiberbelieben ergänzt worden sind, ist es schwerlich möglich auch
nur die Frage mit Sicherheit zu beantworten, ob und welche feste Regel
Justinians Compilatoren in Betreif des Constantin und seiner drei Söhne befolgt
haben; es ist sogar sehr zweifelhaft, ob sie die beiden Constantini gehörig
unterschieden haben. So wird das Gesetz vom J. 339, von dem 6, 9, 9. 6, 23, 15.
6, 37, 21 Stücke sind, nicht bloss in den Ueberschriften dem Constantinus Aug.
beigelegt und in dem Erlass Justinians 5, 70, 7, 3 a als Constantiniana lex be-
zeichnet, sondern auch 6, 9, 9 mit idon Aug. an eine, wenigstens wie sie hier
steht, dem ersten Constantin beigelegte, übrigens wahrscheinlich auch den
Söhnen gehörige Verordnung angeknüpft. Weitere Fehler, sei es der Compi-
latoren, sei es der Copisten, finden sich 1, 10, 1. 4, 46, 3. 6, 9, 8. 8, 11, 1. 11, 59, 2.
Was Krüger darüber hinstellt (s. oben S. 308), ist mehrfach unsicher, aber
geradezu verkehrt, dass Gardthausen für seine Aufstellung sich auf den Gebrauch
der justinianischen Compilatoren stützt, ohne des klaren und sicheren der theo-
dosischen Quelle auch nur zu gedenken. Als nicht minder bodenlos muss die
Combination bezeichnet werden , die derselbe Gelehrte S. 260 auf die gänzlich
zerrüttete Subscription von cod. lust. 5, 17, 7 aufgebaut hat.
3) C. Th. 11, 12, 1.
314 Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft.
hält es sich mit Constans: er fand sein Ende durch Magnentius und
an diesem rächte nach einiger Zeit Constantius den Tod des Bruders^,
so dass des letzteren Name, abgesehen von dem Gewaltbereich des:
Magnentius, der Tilgung nicht unterlegen haben kann. Damit stimmen
die Verordnungen, die wir besitzen, insofern überein, als dieselben
sowohl aus der Zeit der Drei-^ wie aus derjenigen der Zweiherr-
535 Schaft^ die Namen Constantius und Constans oftmals neben einander
zeigen. Allerdings stehen daneben noch zahlreichere Erlasse, die
den Namen des Constantius allein tragen*; aber da für das Fehlen
des zweiten Namens schlechterdings kein Grund ersichtlich wird und
Weglassung und Setzung willkürlich wechseln ^, wird dies auf irregu-
läre Verkürzung zurückgeführt werden müssen ^.
Dass nach der Reichsth eilung, wie sie Valentinian und Valens
festgestellt und, abgesehen von einer ephemeren Unterbrechung unter
1) Er ist der tyrannus, dessen gesta die VO. vom 3. Nov. 352 (C. Th.
15, 14, 5) cassirt,
2) 338: C. Th. 2, 6, 4. 12, 1, 26. 15, 1, 5. 339: 11, 36, 4. 12, 1, 27. 28. Den
justinianischen Codex hier und weiterhin zu berücksichtigen erscheint zwecklos ;
im Ganzen stellt sich heraus, dass dessen Redactoren die Inscriptionen des
theodosischen Codex im Allgemeinen so vorlagen, wie sie unsere Handschriften
zeigen.
3) 340: 2, 7, 3. 7, 9, 1 (?). 11, 30, 20. 21. 12, 1, 29. 30. — 341 : 5, 14, 1. 2.
8, 12, 6. 11, 36, 5. 12, 1, 31. 32. — 342: 3, 12, 1. 7, 9, 2. 9, 7, 3. 10, 10, 6.
11, 36, 6. 12, 1, 33. 34. - 343: 11, 30, 22. 12, 1, 35. 36. — 344: 11, 36, 7. 12, 1, 37.
13, 4, 3. — 345: 11, 30, 23. — 346: 9, 7, 3. U, 16, 6. 11, 22, 1. 11, 39, 4. 12, 1, 38.
16, 10, 3. 4.-847: 11, 36, 8. — 348: 11, 30, 24. — 349: 3, 13, 1. 4, 13, 2. 8, 13, 1. 2.
12, 6, 3. 15, 1, 6.
4) 337: 6, 22, 2. 11, 1, 4. 11, 9, 2. — 338: 9, 1, 7. 9, 34, 5. 10, 10, 4. 12, 1, 23.
24. 25. — 339: 6, 4, 3. 4. 8, 18, 4. 11, 1, 5. 11, 30, 18. 19. 16, 8, 6. 16, 9, 2. —
340: 6,4,5.6. 6,22,3. 9,3,3. 9,17,1. 10,10,5. 10,15,3. 11,12,1. - 341:
8, 2, 1. 16, 10, 2. — 342: 1, 5, 4. — 343: 9, 21, 5. 11, 16, 5. 15, 8, 1. 16, 2, 8. —
344: 8, 10, 2. — 345: 10, 10, 7. 11, 7, 5. — 346: 10, 8, 4. — 347: 5, 4, 1. — 348:
1, 15, 2. 10, 1, 6. 10, 14, 2. ~ 349: 2, 1, 1. 7, 1, 23. 7, 22, 6. 8, 4, 4. 8, 7, 3.
8,18,5. 9,17,2. 9,21,6. 9,24,2. 11,7,6. 12,1,39. 12,2,1. 16,2,9. [Zu den
A. 2 — 4 angeführten Constitutionen vgl. Mommsens Prolegomena zum Theodosianus
p. CLX und CCXXIV ff.]
5) Die zusammengehörenden Erlasse 8, 2, 1 (nach der Ueberlieferung) w
12, 1, 31 und 12, 2, 1 w 15, 1, 6 werden je einmal den beiden Kaisern, einmal dem
Constantius allein beigelegt.
6) Es ist dies Willkür nicht der Abschreiber, sondern wahrscheinlich ein-
zelner Redacteure. Man beachte, dass im Titel 12, 1 bei strenger Einhaltung!
der Zeitfolge die 1. 23 mit imp. Constantius A., die 1. 24. 25 mit idem A., diei
1. 26 mit impp. Constantius et Constans AA,. die folgenden bis 1. 35 (J. 343) mifj
iidem A., die weiteren 1.36 — 49 bis zum Tode des Constantius 343 — 361 mill
idem A. bezeichnet sind. Von Rechtswegen mussten die 1. 23 — 39 den beideij
Brüdern beigelegt werden, 1.40 — 49 dem Constantius allein. !
Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft. 315
Theodosius I, die Folgezeit festgehalten hat, jeder Herrscher des
Ostens wie des Westens seinen Erlassen nebst dem eigenen auch
den Namen des Collegen vorsetzte, ja nicht einmal in der Namen-
folge hier derjenige Unterschied hervortritt, den wir bei den Consuln
des Orients und des Occidents beobachtet finden, steht so unbedingt 536
fest, dass es hierfür nicht einmal der Nachweisungen bedarf. Je
schärfer die materielle Trennung der beiden Reichshälften im Verlauf
der Zeit sich accentuirt, desto unbedingter kommt nach dieser
formalen Seite hin die Reichseinheit zur Geltung, während unter
der constantinischen Dynastie der Grundsatz, dass jeder kaiserliche
Erlass formell sämmtlichen Sammtherrschern beigelegt wird, theils
durch nachherige Tilgungen, theils, wenn auch in minderem Grade,
durch nachlässige Redaction der späteren Gesetzsammlungen vielfach
verdunkelt worden ist. Insbesondere von den beiden Kaisern, deren
einem die Inschrift von Cius gehört, ist in ihren Erlassen die Regel
ausnahmslos beobachtet worden.
Wenden wir uns von den Gesetzen zu den Denkmälern, so ver-
steht es sich zunächst von selbst, dass alle Ehreninschriften, denen
in diesem Fall auch sämmtliche Münzaufschriften so wie die sämmt-
lichen Meilensteine dieser Epoche zuzuzählen sind, hier ausser
Betracht bleiben; denn so gewöhnlich dergleichen Ehren auch den
Sammtherrschern gemeinschaftlich gewidmet wurden, so ist doch
damit nicht bloss äusserliche Trennung durchaus vereinbar, so dass
jedem einzelnen Augustus seine eigene Münze und seine eigene
Bildsäule gewidmet werden kann, sondern es ist auch mit dem hier
zu Grunde liegenden Princip nicht im Widerspruch, dass eine einzelne
Ehrenerweisung sich auf einen der Herrscher beschränkt. Nur wo
die Regierungshandlung und die Regentenstellung überhaupt in Frage
kommt, müssen dieselben, auch wenn jene thatsächlich nur von einem
der Kaiser ausgeht und bei dieser zunächst an einen gedacht wird,
dennoch formell auf sämmtliche Augusti bezogen werden. Dies gilt
vor allem von den kaiserlichen Bauten, aber nicht minder von jedem
anderen kaiserlichen Befehl, desgleichen von den allgemeinen nach
der Sitte dieser Zeit die Inschriften einleitenden Wunsch- und Segens-
formeln für die zur Zeit regierenden Herrscher, wie salvis dominis
nostris, pro heatitudine temporum dominorum nostrorum und ähnlichen.
Dass in diesen Fällen die Nennung eines einzelnen Augustus ein
Fehler, man dürfte vielleicht sagen, ein Majestätsverbrechen ist,
belege ich nicht mit den zahlreichen nach dieser Regel abgefassten
Döcumenten aus der Zeit Diocletians und Maximians oder der valen-
tinianischen und der theodosischen Dynastie, um so weniger als der
316 I^iß Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft.
Beweis nicht in dem Vorkommen der Sammtnamen, sondern in
dem Nichtvorkommen des einzelnen Augustus liegt. Ich kann in
537 dieser Hinsicht nur sagen, dass mir — abgesehen von der In-
schrift von Hissarlik — keine einzige Instanz gegen jene Regel
bekannt ist^.
Nicht überflüssig dagegen dürfte es sein, mit Rücksicht auf den
durch die constantinische Periode sich hindurchziehenden, bald unter
der Asche glimmenden, bald in Flammen auflodernden Collegenkrieg
die mir bekannten Fälle aufzuführen, in denen die damaligen Sammt-
herrscher in der angegebenen Verbindung gemeinschaftlich auftreten.
Für die Vollständigkeit des Verzeichnisses kann ich keine Gewähr
übernehmen; selten sind die Belege durchaus, wozu der innere Hader |
gewiss das Seinige beigetragen hat.
1) Die Inschrift von Reims Orelli 1096 [C. I. L. XIII, 3255 = Dessau 703]]
nach vpelcher imp. Caes. Fl. Constantinus max. Aug. sempiternus divi Constantini
Aug. f. der Stadt der Remer Thermen baut, würde dies allerdings sein, wena'j
jene Lesung sicher stände. Aber jener Text beruht auf Apian 203, 1 und ist^
von den Herausgebern interpolirt; die nach 0. Hirschfelds Mittheilung einzig
bisher dafür aufgefundene haudschriftliche Quelle, die Handschrift Belloni (C
I. L. V p. 79) giebt dafür vielmehr imp. Caesar Flavius Constantinus max. Aitß
pii f. Mir ist es nicht zvsreifelhaft , dass die Inschrift Constantin I gehört und
der Vatername hier, wie so oft, verdorben ist.f)
649 t) (Nachtrag. Die Inschrift Constantins von Reims, welche, wie oben aus
geführt wurde, bisher nur durch Belloni und Apian bekannt war, hat sich neuer
dings auch unter den Collectaneen des Bischofs von Padua Petrus Donatus (f 1447
vorgefunden, die mit der Hamiltonschen Sammlung für Berlin erworben wordej
sind und, da sie für die Inschriften wie für einzelne Zeichnungen wesentlicl
von Cyriacus abhängen, nicht das letzte Kleinod dieses Schatzes bilden.*) Si
lautet folgendermassen:**) imp. Caesar Flav. Constantinus max. Aug. sempiternu
divi Constanti Aug. pii filius toto orbe victorüs suis semper ac feliciter celcbrandv
thermas fisci sui sumptu a fundamentis eoeptas ac peractas civitati suae Bemorw
pro solita liberalitate largitus est, wodurch die Beziehung auf Constantin I gi
sichert und jeder Anstoss beseitigt ist. Ortsangabe fehlt, liegt aber im Inhal
Dass sowohl Belloni wie Apians Gewährsmann die Inschrift aus eben diese
Handschrift entlehnt haben, ist so gut wie sicher. Dass Donatus auch dies
von Cyriacus erhalten hat, ist möglich, aber nicht eben wahrscheinlich, c
keiner der sonstigen zahlreichen Compilatoren des Cyriacus sie kennt und galliscl
Denkmäler bei diesem überhaupt nicht erscheinen. Auf jeden Fall ist d
Inschrift noch bei Cyriacus Lebzeiten (er starb nach 1449) nach Italien gelang
und wohl das älteste Denkmal der Wiederbelebung der Inschriftenstudien a{
französischem Gebiet.) |
*) [Vgl. Mommsen, Jahrb. d. Kgl. Preuss. Kunstsarami. IV, 2 (1883) S. 73ij
*) [Danach abgedruckt im C. I. L. a. a. 0.]
Die Inschrift vou Hissarlik und die römische Sammtherrschaft. 317
Constantin I und Licinius.
Wunschformeln:
pro salutem [dd.] nn. Maximini et [Con\stantini et Licini
[se]mper Augg. Prutting (Baiern). C. ILI, 5565 [= Dessau
664].
Constantin II, Constantius II, Constans.
Constantius II, Constans.
Bauten :
[Dd. nn. Constantius et Consy;ans triumphatores Augusti
thermas vetustate Idbefactas restauraverunt Q. Rustico v.
[c] Rom, J. 344/5? C. YI, 1165.
[Dd. nn. Cons]tantius et Const[ans . . . thermjas incuria longi
temporis destituta[s .... Ostiensibus? s]uis reddiderunt.
Ostia. C. XIY, 135 (aus E. Q. Viscontis Papieren). Mög-
licher Weise betreifen diese Inschrift und die vorhergehende
vielleicht auch aus Ostia herrührende denselben Bau.
Decrete :
iussione vener ahili dd. Augg. que nn. Constanti [et Consta]ntis.
Cirta. Der Name des Constans ist, ohne Zweifel durch
Magnentius, getilgt. C. YIII, 7013 [= Dessau 1236].
largitate dd. nn. pp. Augg. Constanti et Constantis. Cirta. 538
C. YIII, 7012 [= Dessau 1235]. Der Name des Constans
ist auch hier getilgt.
decretis provinciae Phoenices sententia divina firmatis dd. nn.
Constanti et Constantis aeternorum principum. Berytus,
J. 344. C. III, 167 [= Dessau 1234].
Wunschformeln :
Beatissimo saeculo dominorum nostrorum Constanti et Con-
stantis Au^ustorum senatum populusq(ue) Romanus clivum
Tihurtinum in planitiem redegit. Bei Tibur. Orelli 1099
[C. I. L. XIY, 3582 = Dessau 729] ; von mir gesehen. —
Beatissimo (wie ohen) Romanus pontem refecit. Ebendaselbst;
Grut. 1079, 1 [C. I. L. XIY, 3583]. Ygl. Borghesi opp. 3, 164.
Der Name des Constans ist getilgt, aber auf der ersten
Inschrift noch lesbar.
. . . beatissimi saec[uli] . . . dd. nn. Constanti et Con[st]antis
m^[ximorum] semper Augg. Zattara in Numidien. C. YIII,
5178.
*) ['Von diesen drei Kaisem liegt jetzt die Inschrift von Troesmis C. III, 12483
= Dessau n. 724 vor; auch sonst ließen sich die Belege vermehren.' DESSAV.]
318 Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft.
pro beatitudine temporum dd. nn. Constanti et Constantis
Aauugg. Sciacca in Sicilien. Orelli 3181 = C. X, 7200
[= Dessau 5905].
Indess wenn also die Regel unzweifelhaft feststeht, so ist da-
neben anzuerkennen, dass sie weniger ihre Ausnahmen, als ihre
Orenzen hat. Auch wo eine Regierungshandlung in historischer
Darstellung erwähnt wird, wird die Individualisirung nach Möglich-
keit vermieden. Wenn für den Bau des pons Valenünianus in Rom
im J. 364/5 auch dem oströmischen Kaiser Valens vom römischen
Senat eine Statue ^ gesetzt wird ob providentiam, quäe Uli semper cum
inclyto fratre communis est, instituti ex utilitate urbis aeternae Valen-
tiniani pontis atq. perfecti, so hat sicherlich Yalens an diesem Bau
thatsächlich keinen Antheil gehabt. Wenn ferner derselbe Senat füi
die Ueberwindung des africanischen Usurpators Gildo^ und für di(
Erneuerung der Stadtmauer ^ seinen Dank an Arcadius und Honoriu;
richtet, so ist in diesem Fall nichts gewisser, als dass der Hof vo
Constantinopel an Beidem ganz ausserordentlich unschuldig wa
539 Aber die Devotion der officiellen Loyalität geht je nach Umstände
verschiedene Wege und auch sie kann aus den Schranken de
gesunden Menschenverstandes nicht völlig heraustreten. Wenn dei
Kaiser Constantin nach der Ueberwältigung des Maxentius im J. 31
der noch stehende Triumphbogen gesetzt wird, quod .... cun
exercitu suo tarn de tyranno quam de omni eius f actione uno tempop
iustis rem publicam ultus est armis*; wenn dem Kaiser Constan
nachgerühmt wird, dass durch sein weises Regiment der Provin
Pannonien reicher Erntesegen erwachsen sei^; wenn für den Sie
iij
1) Eph. epigr. IV p. 279 [C. I. L. VI, 31402 = Dessau 769].
2) C. VI, 1187 [= 31256 = Dessau 794]: senatus populusgue Romanus vit
dicata rebellione et Africae restitutione laetus.
8) C. VI, 1188—1190 [= Dessau 797]: ob instauratos urbi aeternae mmo
portas ac turres . . . ex suggestione .... Stilichonis.
4) C.VI, 1139 [= Dessau 694]. Ich weiss nicht, ob dort die Errichtuit
des Bogens mit Recht in die Zeit nach 315 gesetzt wird; die Aufschrift«
votis X—votis XX und sie X — sie XX setzen die Feier der Decennalien keine
wegs voraus.
5) C. III, 4180 = Henzen 5883 [= Dessau 727] : beatitudine d. n. Constan>
vietoris ac triumfatoris semper Aug. pi'ovisä copiä, quae horreis deerat, posteaqm
condendis horrea deesse coeperunt, haee Vulc(acius) Bufinus v. c. praef. praet f |
se eoepta . . , dedicavit. Es war vornehmlich diese Inschrift, die mich zu c
Frage führte, ob etwa unter der constantinischen Dynastie in Betreff der Nennu
eines einzelnen der Sammtherrscher eine Abweichung von dem allgemein
Gebrauch stattgefunden habe: und auffallend ist sie allerdings. Aber auch h|
Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft. 319
über ßadagaisus und seine Gothen der römische Senat zwar den
drei Kaisern Arcadius, Honorius und Theodosius II den Dank dar-
bringt, aber dabei noch insonderheit das Glück des Honorius und
das Geschick seines Heerführers Stilicho feiert^, so handelt es sich
in dem ersten und dem dritten Fall um einen gewonnenen Sieg, bei
dem dem fernen Collegen nicht in der Weise eine Mitwirkung bei-
gemessen werden konnte, wie etwa bei der Unternehmung eines
grossen Bauwerkes oder der Niederwerfung des africanischen Usur-
pators. Der dritte aber zeigt besonders deutlich den Gegensatz der
staatsrechtlichen Formulirung und des historischen Berichtes. "Wird
wegen eines erfochtenen Sieges ein Ehrenbeiname gewonnen, so
empfängt ihn der unmittelbar betheiligte wie der nicht betheiligte
Kaiser gleichmässig; aber dadurch ist nicht ausgeschlossen, dass in
der Erzählung oder der Erwähnung des einzelnen Waffenerfolges der 540
über die Franken dem West-, der über die Perser dem Ostherrscher
beigelegt wird.
Aehnlich verhält es sich mit der Inschrift von Cius. Hätte sie
bloss den Bau des Castells ausgesprochen, so wären ohne Zweifel
Valentinian und Valens neben einander als Erbauer genannt worden;
aber die Besiegung der Gothen, der Friede mit Athanarich konnten
nicht füglich dem ersteren zugeschrieben werden. So ist es ge-
kommen, dass auch der Bau hier in incorrecter Weise allein dem
Valens beigelegt wird.
Aber ist denn in der Inschrift nicht in der That auch Valen-
tinians gedacht? Dass der bauleitende Offizier sich nicht semper tuus
nennt, sondern semper vester, legt die Frage nahe, ob wir nicht geirrt
haben, wenn wir diese Phrase mit Anwendung des sogenannten
Majestätsplurals auf den vorher genannten einzelnen Kaiser bezogen
haben. Sollte nicht vielmehr, mit Anwendung des oben entwickelten
staatsrechtlichen Gesetzes über den formalen Ausdruck der Sammt-
herrschaft, dabei an Valentinian und Valens gedacht sein? Mit dem
titularen Ausdruck der Sammtherrschaft ist die Feststellung des
Sprachgebrauchs hinsichtlich dieses Plurals vielfach connex. Da, wie
liegt doch in der That nichts vor als die Hinweisung auf einen historischen
Vorgang.
1) Der Triumphbogen wegen des Sieges wird allen dreien gewidmet , quod
Getarum nationem in omne aevum doc[u]ere exti[ngui\ (C. VI, 1196 [= Dessau 798]),
ebenso der vor kurzem entdeckte Denkstein für das siegreiche Heer (Bull. dell.
Inst. 1880 p. 170 [C. I. L. VI, 31987 = Dessau 799]) fdei virtutiq(ue) devotissimorum
tnüitum domnorum nostrarum Arcadi, Honori et Theodosi, aber auf dem letzteren
der Gothen-Krieg bezeichnet als beendigt felicitate aeterni principis domni nostri
Honori, eonsiliis et fortitudine (Stüichonis).
320 I^iß Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft.
mir dies von competentester Seite bestätigt wird, es an einer ab-
schliessenden Untersuchung darüber vom Standpunkt der historischen
Grammatik aus zur Zeit noch mangelt^, so mag es vorläufig dem
Historiker gestattet sein auf eine Seite des Problems hinzuweisen,
die ihn zunächst angeht und ohne deren umfassende Berücksichtigung
dasselbe nicht erledigt werden kann.
Wenn von jeher Redner und Schriftsteller mit den Formeln
ut vidimus, ut diximus keineswegs sich selbst pluralisiren, sondern
nur in freierer Anwendung der Begriffe sehen und sagen sich und die
Hörer und Leser als Mehrheit zusammenfassen, also hierin eine
wirkliche Vertauschung der Numeri nicht gefunden werden darf, so
hat auch das Auftreten der Monarchie bei den Römern einen solchen
Bruch in die Logik der Sprache keineswegs herbeigeführt. Yielmehr
hat wie sonst, so auch dem Kaiser gegenüber der Gebrauch des
541 Singulars bis weit in das fünfte Jahrhundert hinein sich behauptet.
Es zeigen dies die in der Sammlung der Panegyriker enthaltenen
Reden, die alle häufig und grossentheils ausschliesslich den gefeierten
Kaiser oder Caesar im Singular anreden , und die Widmungen der
Kaiserbiographien an Diocletian^ und Constantin^, so wie die der
Geschichtscompendien des Eutropius und des Rufius Festus an Kaiser
Valens. Hätte sich schon damals die wunderliche Vorstellung ent-
wickelt, dass die Ehrerbietung es fordert aus einer Person eine Viel
heit zu machen, so würde die epidemische Gewalt der Adulation
einen solchen Gebrauch rasch generalisirt haben und vor allem in
Lobreden und Dedicationen würden wir ihn nicht vermissen. Wie
also noch im vierten und fünften Jahrhundert in der Anrede auch
der höchsten Beamten notorisch der Singular ausschliesslich in Ge-
brauch ist*, so gilt dasselbe auch von dem Herrscher selbst.
Wenn dennoch sowohl in der Ansprache wie noch mehr in dei
eigenen Rede der Plural in Beziehung auf die Herrscher früh er-
scheint und mehr und mehr überwiegt, so ist zunächst in aller
solchen Fällen die Frage aufzuwerfen, ob nicht an mehrere Herrsche)
1) Doch verdient die kurze Erörterung von Emil Chatelain du pluriel d
respect en Latin (Revue de philologie t. 4 a. 1880 p. 129—139) nicht bloss ii
sprachlicher Beziehung Anerkennung; auch die eingreifenden historischej
Momente hat der Verfasser einsichtig gewürdigt.
2) Vita Aelii 1; Cassii 3; Macrini 15. j
3) Vita Albini 5; Getae 1; Elag. 2. 34. 35; Maximini 1; Gordiani III 1. 8^j
4) In Rundschreiben an Kategorien von Beamten, zum Beispiel an di!
praefeeti praetorio, wechselt allerdings tuus und vester, jenachdem an den nächste
oder an alle Adressaten gedacht wird (z. B. C. Th. 1, 15, 4. 8, 5, 12),
Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft. 321
gedacht sein kann. Für die bessere Kaiserzeit ist eine derartige
Beziehung ohne Ausnahme erweislich; die Stellen namentlich in den
Briefen des jüngeren Plinius, welche als die ältesten Belege für den
Majestätsplural zu figuriren pflegen, gehen erwiesener Massen auf
Nerva und Traianus zugleich^. Aber auch in späterer Zeit ist die-
selbe Auffassung durchgängig statthaft und mehrfach geboten. Wenn
der Biograph des Kaisers Marcus schreibt ^i deus etiamnunc habetur,
ut vohis ipsis, sacratissime Imperator Diocletiane, et semper visum est
et videtur, qui eiim inter numina vestra . . . veneramini ac saepe dicifis
vos vita et dementia tales esse cupere qualis fuit Marcus, so hat er 542
ohne Zweifel diese Verehrung nicht ausschliesslich dem Diocletian,
sondern ebensowohl seinem Mitherrscher beilegen wollen; und wenn
Eutropius, der sein Werk dem Valens zuschreibend ihn mit nian-
suetudo tua anredet, nachher ^ von haec imperii potestas spricht, quam
nunc tranquillitas vestra habet, so ist es noch evidenter, dass er hier
den Valens allein gar nicht nennen durfte. In der gleichen Weise
tritt bei den Panegyrikern neben dem durchaus vorherrschenden
Singular der Plural da ein, wo die Sammtherrschaft in lebendiger
Wirksamkeit besteht, wo die Ansprache an Maximian oft auf Dio-
cletian, die auf Theodosius I oft auf Valentinian II mit Rücksicht
nimmt, während in den an Constantin gerichteten Reden in
charakteristischer Weise der Mitherrscher Licinius verschwindet und
nun gar in der an den Augustus Julianus gerichteten nie ein anderer
Numerus als der Singular erscheint. Der Uebergang vom Singular
in den Plural tritt in mehreren dieser Stellen gerade so unvermittelt
ein wie in der Inschrift von Hissarlik und giebt für sie den deut-
lichen Commentar. — In noch umfassenderer Weise macht der
Plural sich geltend in den eigenen Erlassen derjenigen Kaiser,
welchen ein oder mehrere andere Augusti oder auch nur Caesaren
zur Seite standen. Da nicht bloss, wie wir oben sahen, bei dem
Vorhandensein mehrerer Augusti jedem Erlass die Namen aller vor-
gesetzt wurden, sondern auch die Caesaren insbesondere in späterer
Zeit in der Präscription genannt zu werden pflegten *, so musste, wo
1) S. diese Zeitschrift [Hermes] 3, 89 [= Ges. Sehr. 4 S. 424 A. 1].
2) c. 19. Das überlieferte ipsi ist nicht zu halten. Vgl. vita Veri 11: cum
adhuc post Mar cum praeter vestram clementiam, Diocletiane Auguste, imperatorem
taiem nee adulatio videatur potuisse confingere. Ganz richtig sagt Chatelain
p. 130: partout oii l'ecrivain emploie le pluriel, il associe en esprit Diocletien et
Maximien.
3) 1, 12.
4) Dass die Nennung im Präscript an der tribunicischeu Gewalt hing,
habe ich im Staatsrecht 2, 1165 wahrscheinlich gemacht; von Diocletian au
MOMMSEN, SCHR. VI. 21
322 1^16 Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft.
also im Eingang mehrere Namen standen, der Erlass selbst noth-
wendig im Plural gefasst werden.
Danach kann die Frage aufgeworfen werden, ob der sogenannte
543 Majestätsplural nicht für die bezeichnete Periode ' überhaupt zu
leugnen ist; und insofern es sich um die Anrede handelt, dürfte
dieselbe allerdings zu bejahen, vos und vester, wo sie vorkommen,
immer in Beziehung auf mehrere und zwar rechtlich sich gleich-
stehende Herrscher gesagt sein 2. Hätte ich dies früher gewusst, so
würde ich die richtige Beziehung der Inschrift von Cius vielleicht
schon gefunden haben, bevor der Stein selbst wiederkehrte und
unsere Irrthümer beseitigte. Aber was die Rede in erster Person
anlangt, würde man mit der Behauptung, dass der Plural auch hier
immer auf mehrere Personen sich bezieht, doch zu weit gehen.
Ich habe die Erlasse zweier Epochen, in denen es nur einen
Augustus ohne Caesaren zur Seite gegeben hat, der Regierung
Gordians HI (238 — 244) und derjenigen Julians und Jovians
(361 — 364), auf diesen Sprachgebrauch geprüft. In den ersteren,
in welchen nach der Weise dieser Zeit die Person des Erlassenden
überhaupt zurücktritt, wird dieselbe, wo sie erscheint, meistens im
Singular bezeichnet^; daneben aber finden sich plurale Wendungen:
'wir bestimmen', 'wir gestatten', 'unsere Hoheit', 'unser Verwalter' *.
Aehnlich verhält es sich mit den Yerordnungen Julians, jedoch so,
dass bei ihm die letztere Ausdrucksweise weit überwiegt^ und der
wird sie vermuthlich jedem Caesar zugestanden haben. Auch in Constantins
Erlassen haben die Caesaren vermuthlich gestanden, obwohl mit Ausnahme der
vaticanischen die zurechtgemachten Inscriptionen unserer Sammlungen sie nicht
nennen; wie wenig Verlass auf diese ist und wie wir durchaus in dieser Hinsicht
an die wenigen Originaltexte (insonderheit C. III, 352 [= 7000 = Dessau 6091])
gewiesen sind, habe ich a. a. 0. und eingehender in den Leipziger Berichten
1850 S. 205 f. gezeigt.
1) Belege aus Sidonius und seinen Zeitgenossen und Nachfahren giebt Chatelain
p. 133 f. Für Jordanes habe ich in meiner Ausgabe p. 199 das Gleiche gethan.
2) Auch hier kann ich Chatelain (p. 139) nur beistimmen: jamais on n'a
employe 'ms' pour 'tu' avec autant de liberte que 'nos' pour 'ego\
3) Temporum meorum disciplina (C. lust. 2, 17, 2) — secta temporum meorum
(das. 10, 11, 2) — fiscus mens (das. 2, 17, 2) — rationes meae (10, 3, 2) — procuratar
meus (das. 10, 2, 3 und 10, 3, 3) — non possum animadvertere (das. 4, 58, 2).
4) Nostra serenitas (C. lust. 8, 33, 2) — indulgentia nostra (das. 12, 35, 5) — j
iudicamus (das. 5, 12, 8) — permittimus (das. 9, 1, 8) — procurator noster non vice\
praesidis agens (das. 3, 3, 1). Dass diese Rescripte vielfach interpolirt sind, ist
bekannt; indess liegt kein Grund vor eben hier redactionelle Aenderungen zu
vermuthen.
5) Dies gilt durchaus von den eigentlichen Dispositivworten damus (C. Th j
1, 16, 8), prohibemus (das. 2, 29, 1), revocamus (das. 3, 3, 1) u. s. f.; ferner heisst efj
Die Inschrift von Hissarlik und die römische Sammtherrschaft. 323
Singular nur da begegnet, wo die persönliche Beziehung auf den
Herrscher bestimmter hervortritt^. Allem Anschein nach liegt bei
diesem Gebrauch des Plurals eine ähnliche Anschauung zu Grunde 544
wie bei dem althergebrachten Plural des Schriftstellers. Wie die
litterarische Discussion nicht so sehr dem eben Verhandelnden, als
allen Betheiligten beigelegt wird, so ist auch der Regierungsact
mehr noch Sache des Staats als der ihn vollziehenden Person.
Diese Anschauung, wonach der Herrscher gleichsam zurücktritt
hinter der Herrschergewalt und im Namen des Gemeinwesens oder,
wenn man lieber will, für sich und seine Nachfolger redet, scheint
ziemlich früh dahin geführt zu haben, dass er die ehrenden Be-
zeichnungen des höchsten Amts von sich ab auf dessen sämmtliche
Träger übertrug, seine eigene Verfügung auf diese insgemein bezog.
Es wird weiterer auch auf den griechischen Sprachgebrauch zu er-
streckender Beobachtung bedürfen, um nach dieser Seite hin den
Gebrauch des Plurals genügend festzustellen und weiter die Brücke
zu finden, die von da zu dem Höflichkeitsplural der romanischen
Sprachen führt. Die anmuthige Legende, die schon Dante vernahm,
dass Caesar der erste gewesen, zu dem man voi gesagt hat, ist wohl
geschwunden, aber der wirkliche Hergang der Umgestaltung der
Anrede noch recht unvollkommen erforscht. Vielleicht giebt diese
kurze Erörterung für eine derartige Untersuchung die Anregung.
u. a. ad nostrum comitatum (das. 11, 30, 29) , ad nostrae tranquillitatis comitatum
(das. 11, 30, 81), nostrorum temporum tranquillitas (das. 10, 20, 1), nostro arbitrio
(das. 12, 13, 1), scrinia nostra (das. 6, 26, 1), curam nos subire compulsi (das. 8, 5, 12),
sogar in (senatu) nos quoque ipsos esse numeramus (das. 9, 2, 1).
1) So eonstitutio Constantini patrui mei (C. Th. 2, 5, 1 und 8, 11, 3) — in
consulatu meo quarto (das. 6, 27, 2) — evectiones manu mea perscriptas ipse per-
mütam (das. 8, 5, 13, neben nostra mansuetudo), wogegen anderswo (das. 8, 5, 14)
annotatio manus nostrae gefunden wird. Besonders bezeichnend ist die Verord-
nung über die städtischen öffentlichen Lehrer C. Th. 18, 3, 5: quia singulis civi-
tatibus adesse ipse non possum, iubeo quisquis docere vult .... decretum curialiwm
mereatur .... hoc enim decretum ad me tractandum referetur, ut . . . nostro
iudicio studiis civitatum accedant. — Auch Chatelain sagt p. 138 treffend: pendant
longtemps on a dit ä un empereur imperium vestrum et vultus tuus ; ä un eveque
consilium vestrum et sanctitas tua.
2V
XVII.
Consulari a.*)
538 Die Zusammenstellung der Consullisten von Diocletian abwärts,
welche durch die meiner Ausgabe der kleinen Chroniken des 4., 5.
und 6. Jahrhunderts beizufügenden Register gefordert wurde, hat
mir zunächst gezeigt, wie wünschenswerth es sein würde für die
Epoche von Diocletian bis Justinian eine Zusammenstellung der
Fasten und wo möglich der Jahresdatirungen überhaupt zu erhalten^.
Diese schwierige Aufgabe hat jener Index keineswegs sich gestellt,
wird aber, bis er durch Besseres abgelöst wird, für die betreffende (,i
Epoche einigen Anhalt gewähren. Bei dieser Grelegenheit haben
sich nun die folgenden Bemerkungen ergeben.
I. ^
In den Consularbezeichnungen des J. 307 spiegelt sich der da
malige Streit um die Herrschaftsgewalt, Da nach dem Herkommen
an die Erlangung der Kaiser- oder der Caesarenstellung die Ueber-
nahme des nächsten freien ordentlichen Consulats sich knüpft, sc
waren die rechtmässigen Anwärter auf dasselbe für dieses Jahr di(
im J. 305 ernannten Caesaren Severus und Maximinus, welche füi
306 durch die neuen Augusti Constantius und Galerius ausgeschlossei
worden waren, und der erstere von jenen, Severus, jetzt um so meh
berufen, als er im Vorjahr nach Constantius Tode zum Augustu
erhoben worden war. Diese werden denn auch im Herrschaftsbereic
*) [Hermes 32, 1897 S. 538-553, — Vergl, Seeck Rhein. Museum 1907 S. 489 ff |
1) Die von Goyau Chronologie de l'empire Romain (Paris 1891) gegebenel
Fasten dieser Epoche sind im wesentlichen den Fasten Borghesis entnomme
nach der von Renier genommenen, jetzt in der Pariser Institutsbibliothek auj
bewahrten Abschrift (Goyau Vorrede S. X) mit Weglassung der von Borghej
beigebrachten Belege; in dieser Form sind sie ungenügend und häufig irreführen!
Wo meine Ansetzungen von ihnen abweichen, sind die Borghesischen von nV
erwogen und verworfen worden.
Consularia. 325
des Galeriu8 in diesem Jahr verzeichnet^. — Aber Maxentius, den
der Aufstand in der Reichshauptstadt während der letzten Monate 539
des J. 306 hier und in Italien und Africa zum Machthaber gemacht
hatte, Hess diese Creirung sich nicht gefallen. Er versuchte zunächst
mit dem Kaiser Galerius ein Abkommen zu treffen, indem er zwar
den Maximinus anerkannte, aber an die Stelle des Severus nicht
etwa sich selber setzte, obwohl er, wenn er auch zunächst nur den
Caesartitel in Anspruch nahm 2, schon dadurch ein Anrecht auf das
Consulat hatte, sondern, nach Ausweis der zuverlässigen Chrono-
graphie vom Jahre 354, am 1 . Januar 307 in Rom eben den Galerius
selbst als Consul zum siebenten Mal ausrufen Hess und neben ihm
den Caesar Maximinus. Aber dies Entgegenkommen fand keine
Erwiderung; Galerius wies jenes Consulat zurück und hat es auch
später nicht gezählt^. Zugleich sandte er den neuen Augustus
Severus mit Truppen nach Italien, um die Auflehnung in Rom
niederzuwerfen. Wahrscheinhch hatte Maxentius am Anfang des
J. 307 von dieser beabsichtigten Expedition schon insoweit Kunde,
dass er meinte nur mit Severus persönlich zu thun zu bekommen
und mit Galerius und Maximinus zum Ausgleich gelangen zu können.
Als diese Hoffnung fehlschlug, cassirte Maxentius im April dieses
Jahres die von ihm ernannten Consuln und es wurde für den Rest
des Jahres in Rom nach dem Vorjahr datirt*. Dass er das Consulat
dieses Jahres nicht selbst übernahm, erklärt sich daraus, dass nur
das des 1. Januar angesehen ward als vollgültig und mit dem
höchsten Amt vereinbar. Dagegen Hess er nach Severus Mederlage
sich am 27. October dieses Jahres zum Augustus ausrufen^ und über-
nahm das Consulat mit seinem Sohne für das Folgejahr**. — Aber
1) Die Consuln Severus und Maximinus nennen die griechischen Fasten,
die theonischen wie die heraklianischeu.
2) Schrift de mort. persec. 26. Eckhel 8, 55.
3) Er nennt sich cotisul VII im Jahre 308, consul VIll im Jahre 311.
4) Das besagen die (von Rossi inscr. ehr. I p. XXVI nicht richtig behan-
delten) Worte des Chronographen ex mense Aprili factum est {post'] sextum con-
•oilatiim. Diese Datirung findet sich noch im December. Missverstanden ist
dies von Schiller röm. Kaiserzeit 2, 172.
5) Schrift de mort. pers. 44 : imminebat dies, quo Maxentius imperium ceperat,
qui est a. d. VI Je. Nov., et quinquennalia terminabantur. Maxentius Katastrophe
fand statt am 27. October 312; die fünf Jahre zählen also von dem gleichen
Tage, nicht 306, wie man anzunehmen pflegt, sondern 307.
6) Auffallend ist es, dass er dies nicht schon am 1. Januar 308 antrat,
ndern nach dem Chronographen erst am 20. April. Consul Ordinarius war er
über dennoch; dafür genügt auch der Antritt nach dem I.Januar, wenn vorher
postconsularisch datirt ward.
326 Consularia.
540 ausser der von Galerius und der von Maxentius angeordneten Be-
zeichnung des Jahres 307 begegnet noch eine dritte also gefasste:
[Maximiano] Villi et Constantino. Dem Osten ist sie unbekannt,
dagegen erscheint sie neben und statt der maxentianischen in sämmt-
lichen occidentalischen Consultafeln, in der seltsamen Gestalt, dass
von dem erstgenannten Consul nur die Ziffer, nicht aber der Name
gesetzt wird^. Yon Galerius kann diese Datirung nicht herrühren.
Es wäre ja denkbar, dass er nach Severus Tode dem alten Herculius
an dessen Stelle das Consulat übertragen hat; aber unsere Tafeln
verzeichnen nicht die Consuln überhaupt, sondern die postconsulari-
schen oder consularischen Jahresbenennungen, und nachdem diese
von Galerius für dies Jahr an Severus und Maximinus vergeben
war, änderte der Tod des einen derselben im Laufe des Jahres
hieran nichts 2. Dem Constantinus aber hat Galerius das Consulat
für 307 nicht eingeräumt, da die Fasten der östlichen Reichshälfte,
wie weiter bemerkt werden wird, das erste Consulat Constantins auf 1
das Jahr 309 ansetzen. Also ist diese dritte Datirung des Jahres
307 die constantinische : Constantinus hat nach dem Tode des Vaters
im Jahre 306 wie die maxentianischen so auch die galerischen
Consuln abgelehnt und als Consuln des Folgejahres den Herculius
zum neunten und sich selbst zum ersten Mal proclamiren lassen.
Den verwirrten Verhältnissen dieser Epoche ist dies angemessen und
wir erhalten für sie in diesem Consulat einen festen Anhalt. Der
alte Herculius war allerdings von seinem Sohn Maxentius veranlasst
worden die niedergelegte Herrschaft wieder aufzunehmen, und wenn
dies, wie wahrscheinlich, schon im Jahre 306 geschehen war, so hatte
er als neuer bis Augustus^ ein Anrecht auf das Ordinariat des
Jahres 307, Dies wurde von dem Sohn nicht anerkannt in Folge
541 des zwischen beiden bald darauf eingetretenen Zerwürfnisses, wohl
aber von dem gallischen Machthaber, zu dem Herculius sich noch
im Jahre 306 begab und, indem er ihm seine Tochter Fausta ver-|
1) Novies et Constantino bei dem Chronographen und in den hydatianischer
Fasten. Die Fasten der italischen Chronik und nach ihnen Prosper setzen voi
novies den Namen Diocletians ein, was unmöglich ist, da dieser im Jahre 80^
das neunte, im Jahre 308 das zehnte Consulat geführt hat. Das neunte 30'
passt allein auf den Herculius, der im Jahre 304 das achte geführt hatte. 1
2) So wird bekanntlich für das Jahr 364 nach dem Tode des Kaisers uuii
Consuls lovianus die Jahresbezeichnung nur insoweit geändert, dass dem Nameij
divus vorgesetzt wird. Ebenso wird das Jahr 311 nach Galerius Tode in Noricuii
(CLL. III, 4796 [= Dessau 4197]) bezeichnet divo Maximiano VIU et Maa;<j
mino II Augg. ■
3) Schrift de mort. pers. 26.
Consularia. 327
mahlte, zunächst mit ihm in die engste Verbindung trat^. Freilich
entwickelte sich bald aus dieser Eifersucht und Zwist. Der Schwieger-
vater versuchte seinem Schwiegersohn die Herrschaft und selbst das
Leben zu nehmen und endigte im Anfang des Jahres 310 durch
eigene Hand. Daraus wird es sich erklären, dass sein neuntes
Consulat vom Jahre 307 zwar den Platz in den Fasten behauptete,
sein Name aber aus denselben wenigstens an dieser Stelle getilgt
ward'^. Die Spannung zwischen Constantin und Galerius und die
enge Yerbindung zwischen jenem und Herculius während der Jahre
306 und 307 treten in den Fasten deutlicher und schärfer auf als 542
in der Ueberlieferung.
Das Verhältniss zwischen Galerius und Constantin wird durch
die Fasten der folgenden Jahre weiter beleuchtet. Der letztere hatte
schon als Caesar, in welcher Eigenschaft Galerius seit dem Tode
1) Die bei Gelegenheit dieser Vermählung an den Brautvater gerichtete
frunkrede (6 bei Bährens) gehört in das Jahr 306 wegen der Worte c. 8: te
ricesimo anno imperatorem, oetavo consulem . . . Roma voluit detinere, da Maximian
im Jahre 307 das neunte Consulat annahm. Die Schrift de mort. pers. 29 setzt
die gallische Reise des Herculius etwas zu spät, in das Jahr 307 nach der
Niederlage des Severus und vor das Einrücken des Galerius in Italien. —
Uebrigens führt die erwähnte sicher datirte Rede die Situation des Occidents
am Ende des Jahres 306 uns deutlich vor Augen. Der Aufruhr in Rom und
Italien ist beschwichtigt, nachdem der Altkaiser die Herrschaft und damit das
gewohnte Commando über seine Veteranen wieder übernommen hat (10: Roma
. . abduxit exercitus suos ac tibi reddidit). Von Maxentius ist keine Rede ; ja
wenn in der Schlussapostrophe an den verstorbenen Constantius es heisst: iiec
Maximiano filius, qualis tu eras, nee Constantino pater deest, so ist die Nutz-
anwendung deutlich. Maximianus als wieder eingesetzter Augustus kommt aus
Italien nach Gallien, ura dem Caesar Constantinus die Herrschergewalt zu ver-
leihen (5 und sonst; wobei man sich zu erinnern hat an die dieser Epoche
eigene Scheidung der einfachen Caesarenstellung und der Caesarenstellung mit
Kaisergewalt; St. R. 2, 1164), wie er sie vor Jahren dem Vater verliehen hat
(c. 3 : et paterni et tui auctor imperii) , und die früher schon dem Constantin
verlobte Tochter ihm nun zu vermählen. Dies ist die höfisch - gallische Dar-
stellung, wonach nur in weiter Ferne noch einige Unruhen bestehen (c. 12 a. E.).
In der That ist Maximianus wahrscheinlich nach einem Scheinerfolg in Italien
ohne Truppen zu Constantinus gekommen und hat hier Aufnahme und Aner-
kennung gefunden, während Rom und Italien sich vielmehr gegen den Altkaiser
entschieden und dessen ungerathener Sohn oder Bastard dort noch vor Jahres-
schluss an die Spitze trat.
2) Zufall kann das Weglassen seines Namens neben der Nennung des
Collegen (S. 326 A. 1) nicht wohl sein. Unterdrückung beider Namen unter
blosser Setzung der Iterationsziffern ist dagegen eine nicht selten begegnende
Verkürzung und ohne politische Bedeutung.
328 Consularia.
des Constantius im Jahre 306 ihn anerkannte i, ein Anrecht auf das
Consulat. Dass er es, wie wir sahen, für 307 nicht erhielt, Hess sich
damit motiviren, dass Severus und Maximinus im Rang ihm vor-
gingen. Aber eine nicht also zu motivirende Zurücksetzung lag
darin, dass die Machthaber im Osten den Constantin auch bei der
Besetzung des Consulats für 308 übergingen und Galerius die erste
Stelle dem alten Diocletian übertrug, die zweite für sich selber
nahm. Erst im Jahre darauf wurde von Galerius dem Constantin
zugleich mit der Titularerhöhung vom blossen Caesar zum filius
Augusfi^ neben und nach dem neuen Augustus Licinius das Consulat
für das Jahr 309 zugestanden, wie ihn denn die Fasten des Ost-
reichs für dieses Jahr an zweiter Stelle verzeichnen. Wie gespannt
das Yerhältniss blieb, zeigt die Zurückweisung dieses Consulats für
309 durch Constantin. Unsere Tafeln führen das erste Consulat
Constantins an zwei Stellen auf, die occidentalischen unter 307, die
orientalischen unter 309; beide Ansetzungen schliessen sich aus,
denn nach allen Fasten übernimmt Constantin das zweite Consulat
im Jahre 312. Gegenconsuln hat Constantin weder für 308 noch
für 309 aufgestellt, auch die Consuln des ersten Jahres anerkannt,
dagegen die Proclamation derjenigen des Jahres 309 in seinem.
Machtgebiet unterlassen. Ebenso ist er verfahren gegenüber den
galerischen Consuln des Folgejahres, Andronicus und Probus; sie
werden in den Fasten des Ostreichs und auf illyrischen Inschriften*
genannt, nicht aber im Westen. Hier sind vielmehr die officiellen
Datirungen der Jahre 309 und 310 postconsularisch, für jenes post
consulatum, für dieses anno secundo post consulatum [Dioclefiani]
Äug. X et [Maximiani] VIL Auch den Augustustitel Constantins
hat Galerius erst spät und widerwillig anerkannt, als er ihn eben-
543 falls dem Maximinus einräumen musste*. Wann diese Anerkennung
1) Dies zeigt zum Beispiel der ägyptische Meilenstein C. I. L. III S. 6638
= Dessau 657.
2) Schrift de mort. pers. 32: se lÄciniumque Augustos appellat, Maxentium
(sehr. Maximinum) et Constantinum filios Augtistorum.
3) C. I. L. III, B335. 5565 [= Dessau 664].
4) Nachdem der Verfasser der Schrift de mortibus persecutorum a. a. 0. die
Annahme des Kaisertitels durch Maximinus berichtet hat, fährt er fort: recepit
nie (Galerius) maestus ac dolens et universos quattuor imperatores iubet numerari.
— Genügende Zeugnisse für die in der letzten Zeit des Galerius von diesem
beliebte Sammtformel der Kaisertitular besitzen wir nicht. Das verstümmelte
und schlecht überlieferte Decret von Sinope C. I. L. III S 6979 = Dessau 660
nennt den Galerius und nach einer Rasur den Constantinus; wahrscheinlich j
sind in der Rasur die Namen des Licinius und des Maximinus getilgt und waren)
J
Consularia. 329
stattgefunden hat, wird nicht berichtet und gewöhnlich setzt man
sie in das Jahr 308; die ägyptische Königstafel dagegen führt, wie
unten (S. 333) gezeigt ist, auf das Jahr 309. So ist das Zerwürfniss
zwischen Constantin und Galerius geblieben bis zum Tode des
letzteren im Anfange des Jahres 311. Zum offenen Bruch aber ist
es nicht gekommen; die beiden letzten Consulate des Galerius 308
und 311 stehen unbeanstandet auch in den späteren Fasten.
Jenes erste Consulat des Licinius, das dieser von seinem Creator
Galerius für das Jahr 309 erhielt, ist nach dem Gesagten von seinem
damaligen Gegner und späteren Collegen beanstandet worden. Allein
eigentlich abrogirt wurde es auch nicht. Nachdem sich beide ver-
ständigt hatten, übernahmen sie gemeinschaftlich das Consulat für
312 und Licinius zählt dies als das zweite, womit das erste vom
Jahre 309 für ihn anerkannt ward, wenn es auch in den Fasten des
Occidents nicht figurirt^. — Hinsichtlich der alten und wichtigen
Streitfrage, ob Licinius im Jahre 307 oder im Jahre 308 von Galerius
zum Augustus creirt worden ist, ist es von Belang, dass er das Con-
sulat erst für 309 erhalten hat. Unbedingt entscheidend für das
spätere Jahr ist dies insofern nicht, als möglicher Weise bei seiner
Ernennung ausgemacht sein kann, dass der Altkaiser Diocletian und
der Hauptkaiser Galerius ihm im Consulat voraufgehen sollten.
Immer indess wird das gesicherte Consulatjahr für das Augustusjahr
308 schwer ins Gewicht fallen.
In ähnlicher Weise hat Constantin auch das Consulat des Maxi- 544
minus vom Jahre 307, so lange er mit ihm im Einvernehmen stand,
gewissermassen gelten lassen. In der Stadt Rom ist am 15. April 313^,
zu welcher Zeit Constantin dort der Herr war, Licinius aber wahr-
scheinlich schon gegen Maximinus die Waffen ergriffen hatte, ein
Altar errichtet worden, auf welchem als College Constantins im
dritten Consulat nicht, wie in der späteren officiellen Jahresnomen-
clatur, Licinius gleichfalls als Consul zum dritten Mal genannt wird,
sondern, wie in den heraklianischen Fasten des Ostens, Maximinus
alle vier als Augusti bezeichnet, aber Galerius durch vollere Titulatur aus-
gezeichnet. Wenn das bekannte Edict des Galerius bei Eusebius h. e. 8, 17 im
Präscript die drei Augusti Galerius, Constantinus und Licinius, alle mit voller
Titulatur, nennt, so hat hier Eusebius zweifellos interpolirt ; in einem Erlass des
Galerius konnte Maximinus nicht fehlen und unmöglich Constantin vor Licinius
genannt werden.
1) Prosper hat darum das erste Consulat des Licinius bei dem Jahre 311
eingeschwärzt.
2) C. I. L. VI, 507.
330 Consularia.
als Consul zum dritten Mal, womit also die Consulate desselben von
307 und 311 anerkannt wurden. Späterhin allerdings, nachdem
Constantinus und Licinius gemeinschaftliche Sache gemacht hatten
und Maximinus überwältigt war, sind dessen Consulate alle aus den
Fasten gestrichen worden.
II.
Als im ganzen Eeich, abgesehen von dem Herrschaftsgebiet des
Maxentius, für das Jahr 308 anerkannte Consuln werden in den
griechischen Listen und in einem Theil der lateinischen aufgeführt
Diocletian zum zehnten und (Galerius) Maximianus zum siebenten
Mal, ohne andere wesentliche Abweichung, als dass der Chronograph
von 354 bei Diocletian nur die Zahl setzt und den Eigennamen
unterdrückt^. Dennoch ist diese Ansetzung meistentheils — auch
von mir — verworfen und die erste Stelle dem Maximianus Her-
culius zugetheilt worden, weniger weil dies zehnte Consulat sich an
das neunte des Herculius im Vorjahr anzuschliessen schien, als weil
nach der Abdication Diocletians im Jahre 305 sein Auftreten in der
Consulliste drei Jahre darauf befremdet. Jetzt indess haben zwei
in der schönen Sammlung von Grenfell und Hunt publicirte Ur-
kunden^ aus diesem Jahr das Zeugniss der Listen authentisch
bestätigt: vnaxeiag, heisst es hier, xcbv deojiorcbv '^juöjv Aioxkr][ria]vov
jiarQÖg "AyovoTODV rö i xal raX[eQi]ov OvaXrjQiov Ma^ijuiavov 'Ayovoxov
545 rb [C]. Also ist es auf der Zusammenkunft in Carnuntum zwar nicht
zum Wiedereintritt auch dieses Altkaisers in das Regiment gekommen,
wie dies der alte Herculius im Verein mit Galerius gewünscht haben
solP, aber doch zu der damit connexen Uebernahme des Consulats
für das Folgejahr. Es kann das nicht wohl anders aufgefasst werden,
als dass die Machthaber des Ostens, von denen die Consulernennung
abhing, den Altkaiser zum Wiedereintritt in die Herrschaft drängten
und ihn durch die consularische Nuntiation gewissermassen anti-
cipirten, schliesslich aber doch bei dem alten Mann nicht durch-
drangen. Dass der Zwist zwischen Diocletian und den neuen
Herrschern Constantinus und Licinius, welcher jenem die letzte
Lebenszeit verbitterte*, mit der allerdings auffallenden Unter-
1) Dass bei den Postconsulaten 309 und 310 beide Eigennamen weggelassen
werden — p. c. X et VII und anno II p. c. X et VII — ist wohl nichts als
Kurzschreibung (S. 327 A. 2).
2) Nr. 72. 75 der zweiten Serie. Die Datirung ist von den Herausgebern [
nicht richtig angesetzt worden. I
3) Zosimus 2, 11. Victor epit. 39. Vgl. de mort. pers. 29.
4) De morti pers. a. a. 0. Victor a. a. 0.
Consularia. 331
drückung seines Namens in der stadtrömischen Consularliste zu-
sammenhängt, ist wenigstens möglich.
III.
Ein aus HermupoHs in Aegypten herrührender Kaufvertrag der
Sammlung des Erzherzogs Rainer^ ist datirt vjiareiag twv öeonozcbv
f]fA(bv AixivvLov 2^eßaotov rö g' xal Äixivviov xov InKpaveoxdjov Kai-
<}aQog rö ß' vom 4. Payni der laufenden 11. Indiotion, das ist vom
23. Mai des Jahres 323. Die Consuln dieses Jahres sind nach den
Fasten (Acilius) Severus und (Vettius) Rufinus; aber in dieses Jahr
fällt der letzte zwischen Constantin und Licinius geführte Krieg und
wir entnehmen der hermupolitanischen Urkunde, dass der Herrscher
des Ostens jene Consuln nicht anerkannte und vielmehr für dasselbe
sich zum sechsten und seinen Sohn zum zweiten Mal als Consuln
ausrufen Hess. Da ein Genfer Papyrus der Sammlung Nicole, datirt
aus demselben Jahr Mesori 15 = 8. August, das Jahr bezeichnet als
das 18. Constantins und die gewöhnlichen Consuln nennt ^, so sind
damit für die Zeitbestimmung des Krieges feste Daten gewonnen.
Zunächst ist der Versuch Seecks * durch Correctur der Subscriptionen 546
des theodosischen Codex den Krieg in das Jahr 324 zu verlegen,
hiermit endgültig beseitigt. Weiter erhellt, dass während die ent-
scheidenden Schlachten bei Hadrianopolis am 3. Juli und bei Chry-
sopolis am 18. September* geschlagen wurden, zwischen Mai und
August Aegypten in die Gewalt des Siegers gefallen ist.
Die zweite dieser Urkunden aus dem Jahre 323 gehört, wie
gesagt, zu den in nachdiocletianischer Zeit nicht zahlreichen, die
nach Kaiserjahren datiren. Es wird nicht überflüssig sein hervor-
zuheben, dass die für die ältere Kaiserdatirung geltenden Regeln
im Wesentlichen auch für die spätere Zeit zur Anwendung kommen.
Für jeden Augustus und für jeden Caesar gilt der Zeitraum von
seinem effectiven Antrittstag bis zum nächsten 28. August als erstes
Jahr, wogegen der Zeitraum von dem letzten 29. August, den er
erlebt, bis zu seinem Todestag dem Nachfolger zugeschlagen wird.
1) Bd. 1 S. 31 Nr. 10 der Wesselyschen Ausgabe. Die hinzugefügte Datiruug
321J2 ist nicht correct.
2) J. Nicole papyrus de Geneve vol. 1 n. 10. Was die Doppelzahl im Monat
Meooqt] id' IS bedeutet, weiss ich nicht. 'Axdiov Zaßsivov scheint verschrieben für
SsovriQov. [Der Papyrus ist vom J. 316; s. Wilcken Archiv f. Papyruskunde IIl 383.]
3) Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, röm. Abth. 10
(1889) S. 190.
4) Die Belege CLL. P p. 320. 329.
332 Consularia.
Für Diocletian und die Mitregenten stellen sich die Zahlen
demnach also:
T.. 1 , T u 12. Sept. 284
Diocl. 9. Jahr = Max. 8. Jahr = Const. und Gal. 1. Jahr 29. Aug. 292
28. Aug. 293
Antritt der
Caes.
1. März 293.
Diocl. 12. Jahr = Max. 11. Jahr =- Const. und Gal. 4. Jahr > 29. Aug. 295
28. Aug. 296
Diocl. 20. Jahr = Max. 19. Jahr = Const. und Gal. 12. Jahr 29. Aug. 303
28. Aug. 304
Diocl. 21. Jahr == Max. 20. Jahr = Const. und Gal. 13. Jahr 29. Aug. 304
1. Mai 305
(Abdication der
Augusti.)
Wir besitzen verschiedene in dieser Weise datirte Urkunden:
Diocletian 5 — Maximian 4 ^
Diocletian 17 — Maximian 16 — Constantius und Galerius 9^
547 Diocletian 18 — Maximian 17 — Constantius und Galerius 8(?)*
(Diocletian) 21 (Constantius und Galerius) 13^.
Der Epoche von der Abdankung Diocletians bis zum Tode
Constantius gehören die folgenden Urkunden an:
[Constantius] 14 Galerius 14 [Severus] 2 [Maximinus] 2^
Galerius [15] Severus 3 Maximinus [3] Constantinus [2] '^
Constantinus 18.
Nach der letztgenannten, welche, wie bemerkt, vom 8. August 323
datirt ist, entspricht das 18. Jahr Constantius dem ägyptischen Jahr
1) In diesem Jahr hört die alexandrinische Prägung mit den Kegierungs-
jahren der Kaiser auf.
2) Berliner ägypt. Urk. I Nr. 13. Danach ergänzt Diocletian 6 — Maxi-
mian 5 daselbst Nr. 94.
3) Wessely Wiener Papyri Nr. 40 S. 167.
4) Grenfell und Hunt 2 ser. Nr. 74, wo für xal tj' gelesen werden muss
xal i.
5) Wessely a. a. 0. Nr. 41 S. 169 , wo die Namen fehlen , aber die Zahlen
21 und 13 (Maximian fehlt) gewiss mit Recht von dem Herausgeber auf das
letzte Jahr Diocletians bezogen sind. Dagegen ist die Urkunde nicht, wie der-
selbe meint, ein Beleg für die sogenannte diocletianische Aera, da von dieser
doch nur die Rede sein kann in nachdiocletianischer Zeit.
6) Grenfell und Hunt a. a. 0. Nr. 76, vortrefflich von den Herausgebern
ergänzt.
7) Grenfell und Hunt a. a. 0. Nr. 78, ebenfalls richtig ergänzt. Es sind
nur drei ZifiFern für die vier Herrscher angegeben; die erhaltene dritte wird auf
Severus und Maximinus zugleich gehen und bezeichnet das ägyptische Jahr
29. August 306/7.
Consularia, 333
29. August 322 — 28. August 323, wonach sein erstes Jahr mit dem
28. August 306 endigt. Dies stimmt zu dem Todestag des Vaters,
welcher zugleich der Antrittstag des Sohnes ist, 25. Juli 306.
Die ägyptische Königstafel, die bis Diocletian sicher führt, ist
in diesem Abschnitt^ insofern zerrüttet, als sie für die Epoche von
Diocletians Rücktritt bis zum Tode Constantins zwar richtig 33 Jahre
(305 — 337) ansetzt, von diesen aber 4 dem Constantius oder Con-
stans, 29 dem Constantin beilegt. Die erste Bezeichnung scheint
ein Kurzausdruck für die verwirrte Epoche zwischen Diocletian und
Constantin zu sein. Wenn mit 308 ein Abschnitt gemacht und Con-
stantins Regiment von 309 an gezählt wird, so geht dies sicher
darauf zurück, dass in diesem Jahr Constantin zugleich mit Maxi-
minus von Galerius als Augustus anerkannt und also als solcher in
Aegypten proclamirt ward (S. 327 f.).
Insoweit also hat sich in der Berechnung der Regierungsjahre
in Aegypten nichts geändert. In der That ist die sogenannte
diocletianische Aera, das heisst die Jahrzählung vom ersten Jahre
Diocletians ab, nichts weiter als die Fortsetzung der alten Zählweise 548
mit Zusammenschlagung der einzelnen Regierungen, wie dies, wenn
auch nicht in gleicher Ausdehnung, früher ebenfalls vorgekommen
ist, zum Beispiel bei der Durchzählung der Regierungsjahre von
Marcus und Commodus. Die frühesten urkundlichen Belege für den
Oebrauch dieser Aera sind meines Wissens zwei nach ihr datirte
Steinschriften vom Jahre 453 n. Chr.^
lY.
Das Consulat des Jahres 345 ist in einer vor kurzem bekannt
gewordenen Wiener Papyrus-Urkunde^ vom 12. Pharmuthi = 8. März
•dieses Jahres also ausgedrückt : vjiareiag "lovUov 'A/uavriov jiargixiov
[äveyj]iov xov deonorov fj/ucöv Kovoravrivov 'Ayovorov [x]al 'Povcpiov
"AXßivov T(bv Xafx. Der erste dieser Consuln wird meines Wissens
nirgends genannt ausser in der Datirung dieses Jahres, und in dieser
nennt nur die Wiener Urkunde mehr als das einfache Cognomen.
Hiernach war er ein Verwandter des Kaiserhauses und besass den
1) Nach Useners Ausgabe in meinen Chronica minora Bd. 3 S. 449. 452, 454.
Die Abweichungen der drei Listen sind gleichgültige Schreibfehler.
2) C. I. G. 4745. 4746.
3) Wessely Wiener Pap. Nr. 247 S. 269. Die dort vorgeschlagene Ergänzung
ist nicht statthaft. Die Angabe slg ajioQav x^Qt^ov slg xov ojioqov rfjg svrvxovg
£ioiovar)g [s]xrr)g ivSixtiovog bedarf auch der Revision; der 8. März 345 fallt nicht
in die sechste Indiction, sondern in die dritte.
334 Consularia.
Patriciat. Ob äveyjiov oder ein anderes Nahewort gestanden hat^
weiss ich nicht zu entscheiden; befremdend ist auch die Nennung
des verstorbenen Constantinus als ,unseres Herrn', wofür Constantius
erwartet wird, welcher auch sich einen Julier nannte. — Die Be-
nennung des zweiten Consuls Rufius Albinus widerlegt endgültig die
Annahme Rossis und Anderer, dass der M. Nummius Albinus consul
Ordinarius Herum einer stadtrömischen Inschrift^ der Consul des
Jahres 345 sei. Einordnung dieses Albinus in das im Allgemeinen
wohlbekannte Haus wage ich nicht zu unternehmen.
V.
Die Consularordnung des getheilten Reiches bietet, von Special-
momenten abgesehen, allgemein betrachtet für die Geschichte ein
zweifaches Interesse.
Einmal tritt der Untergang des römischen Westreichs und die
"Wiederaufnahme desselben durch die germanischen Könige Odovacar
549 und Theoderich und dessen Nachfolger uns darin bestimmter ent-
gegen als in den historischen Berichten. Der letzte Consul des
eigentlich römischen Westreichs ist der des Jahres 472, des letzten
Jahres des Kaisers Anthemius (f 11. Juli 472), Festus, der College
des orientalischen Consuls Marcianus. Die Jahre 473 — 479 zeigen
nur orientalische Datirungen ; im Westreich sind entweder die nomi-
nellen Herrscher nicht zur Consulcreirung gelangt oder der Thron war
unbesetzt. Dagegen hat im Jahre 479 diejenige Ordnung sich fest-
gestellt, welche das nächste halbe Jahrhundert bestanden hat: mit
Zustimmung des oströmischen Kaisers wurde im Westreich nicht ein
Kaiser, aber ein germanischer Hauptmann als Reichsverweser ein-
gesetzt und das Symbol der Zusammengehörigkeit der beiden Reichs-
hälften, die Consularernennung, für den Westen ihm übertragen. Die
byzantinischen Historiker berichten von diesen Abmachungen zwischen
Kaiser Zeno und Odovacar 2; aber die urkundliche Bestätigung dafür
giebt der occidentalische Consul des Jahres 480, Basilius, derselbe,
der kurz nachher, im Jahre 483, bei der Wahl des Papstes Felix IH.
mitwirkt und hier bezeichnet wird als sublimis et eminentissimus vir
praefectus praetorio atque patricius, agens etiam vices praecellenfissimi
regis Odovacris^. Denn mehrere in der justinianischen Constitutionen-
1) C. I. L. VI, 1748 [= Dessau 1238]. Wohin dieser gehört, bleibt freilich
unsicher (vgl. C. I. L. III p. 2000).
2) Malchus fr. 10 Müller; Candidus fr. 1 p. 136 Müller.
3) Römische Synode vom Jahre 501 in meiner Ausgabe der Variae Cassio-
dors S. 445.
fr
CoDsularia. 335
Sammlung aufbewahrte constantinopolitanische Erlasse dieses Jahres
sind nach ihm datirt und beweisen, dass er auch im Osten als Consul
anerkannt war.
Diese eigenartige Einordnung der germanischen Kriegshauptleute
in den zusammenbrechenden römischen Gesammtstaat ist später auf
Theoderich übergegangen; da dieser auf Veranlassung des ost-
römischen Kaisers in Italien einrückte und den Odovacar verdrängte,
so befremdet es nicht, dass die hinsichtlich des Consulats dem Odo-
vacar eingeräumten Rechte unverändert auf Theoderich übergingen
und in der Reihe der occidentalischen Konsuln sich keine Lücke
zeigt, wenngleich es zweifelhaft bleibt, welche Consuln während der
Jahre des Kampfes zwischen Odovacar und Theoderich dem Occident
angehören und in wie weit diese von jenem oder von diesem ernannt
worden sind. Die getroffene Einrichtung hat im Wesentlichen fort-
bestanden bis zum Untergang des Gothenreichs und dem Eintritt 550
Italiens in den äusserlich wieder geeinigten römischen Gesammt-
staat. Der letzte in Gemässheit dieser Bestimmung eingesetzte
weströmische Consul ist der des Jahres 534, Paulinus, dessen Er-
nennungsdecret durch König Athalarich nebst dem Notifications-
schreiben an den Senat unter den cassiodorischen Königsbriefen sich
erhalten hat^ Ich habe in den ostgothischen Studien ^ diese für
die Stellung des italisch -germanischen Staates wesentliche Ordnung
näher erörtert.
Andererseits haben bei der Gemeinschaftlichkeit des Consulats
beider Reichshälften und bei der Theilung der Ernennung zwischen
Rom und Constantinopel, namentlich seitdem die Publication oder,
wie sie hier heisst, die Nuntiation der Jahresbenennung nicht mehr
gemeinschaftlich, sondern zuerst in der ernennenden, dann in der
bloss benachrichtigten Reichshälfte erfolgt, in den beiden Reichs-
hälften zwischen der Datirungsform sich gewisse Yerschiedenheiten
eingestellt, deren Feststellung ihren historischen Werth hat. Die
wesentlichen Normen sind, soweit ich sie damals erkannt hatte, in
der angeführten Abhandlung entwickelt worden; hier gestatte ich
mir unter Beiseitelassung der Einzelheiten und der für den Kundigen
leicht zugänglichen Belege die wesentlichen Momente theils reca-
pitulirend, theils ergänzend zusammenzufassen.
Die Theilung der Consularernennung unter den Reichshälften
ist mit grosser Ungleichheit durchgeführt worden. Die Regel mag
1) var. 9, 22. 23.
2) Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 14
(1889) S. 226 f. [unten S. 363 f.].
336 Consularia.
wohl gewesen sein, dass der "Westen den einen und der Osten den
anderen Consul stellt; aber nicht selten werden beide Consuln in
demselben Reichstheil ernannt, wie zum Beispiel noch 522 im West-
reich die Söhne des Philosophen und Staatsmanns Boethius. Ist die
Ernennung in dem einen Reichstheil vollzogen und steht in dem
anderen aus, so ist die legitime Formel dafür cos. illo et qui de
Occidente (oder de Oriente) nuntiatus erit; häufig aber unterbleibt
die Creirung in dem einen oder dem andern Reichstheil, mitunter
auch in beiden, wo dann postconsularische Datirung aushelfen muss.
Zu Grunde liegt hiebei wohl lediglich die Schwierigkeit für das
kostspielige Prunkamt geeignete und bereitwillige Candidaten zu
finden. — Verschiedenzeitige Publication tritt selbstverständlich nur
in dem ersterwähnten Falle ein.
551 Die Folge der beiden Consuln ist gesetzlich fest und wird von
Rechts wegen bestimmt durch den Rang. Der Kaiser steht immer
voran und bei gemeinschaftlichen Kaiserconsulaten der im Amte
ältere^. Unter den Privaten giebt die in dieser Epoche allerdings
nicht häufige Iteration den Yorrang^. Es ist nicht zu bezweifeln,
dass auch in den übrigen Fällen, wo diese Momente nicht eingreifen,
die Rangstellung über die Namenfolge entschieden hat. Abweichungen
von diesen Gesetzen durch Weglassung des einen der, beiden Consuln
oder durch Umstellung sind ausserordentlich zahlreich, aber nichts-
destoweniger durchgängig Fehler. Am zuverlässigsten erweisen sich,
wie begreiflich, die Erlasse der kaiserlichen Kanzleien, namentlich
diejenigen, welche, wie die posttheodosischen Novellen, keiner
Redaction unterlegen haben, während in den grösseren Sammlungen
nicht selten die Subscriptionen nachträglich geändert sind. Die in
einigem Umfang erhaltene Correspondenz zwischen dem Kaiser
Anastasius in Constantinopel und dem Bischof Ilormisdas in Rom
zeigt in den Kaiserschreiben durchgängig die volle, in den Bischofs-
schreiben durchgängig abgekürzte Jahresbezeichnung. Wie die nicht
aus der Staatskanzlei stammenden Actenstücke befolgen auch die
fast ausschliesslich dem Occident angehörigen — Inschriften regel-
mässig die verkürzte Datirung^. Weniger gilt dies von den uns
1) Offenbare Nachlässigkeitsversehen in einzelnen Listen übergehe ich.
2) Dies zeigt die Voranstellung des Longinus in seinem zweiten Consulatj
490. In dem ersten 486 geschieht dies nicht; dass er der Bruder des Kaisers j
Zeno war, ist also nicht entscheidend. !
3) In der sonst durchaus grundlegenden Auseinandersetzung Rossis (wscri
ehr. urbis Bomae I p. XXV f.) sind die Subscriptionen den Inschriften gegenübeii
unterschätzt worden. Unmittelbarere Zeugnisse sind die letzteren freilich, obwoh (
Consularia. 337
überlieferten Consularlisten ; diese aber, durchaus hervorgegangen
aus gleichzeitigen Aufzeichnungen, zeigen häufig, jedoch in grosser
Ungleichheit, bei den Consulaten verschiedenzeitiger Nuntiation die
Spuren des Nachtragens.
Indess die bezeichneten Abweichungen von der legitimen Form
sind, wie dies schon angedeutet ward, mit verschwindenden Aus-
nahmen^ nicht zufälligen Ursprungs, sondern gehen darauf zurück, 552
dass in jedem Reichstheil die eigene Nuntiation vorwiegt und die
der anderen Hälfte der Regel nach entweder ignorirt oder doch an
die zweite Stelle gesetzt wird, ausser wo, wie bei den Kaisernamen
in der Listenführung, die Nothwendigkeit der Umstellung auf der
Hand lag. In diesem Sinn unterscheidet man wohl, je nachdem die
Ursprungsspuren auf die eine oder die andere Reichshälfte führen,
occidentalische oder orientalische Consultafeln , obwohl diese Schei-
dung scharfe Durchführung selten verträgt. In Folge dessen werden,
von den eigentlich officiellen Actenstücken abgesehen, die Consuln
der secundären Nuntiation in den Listen häufig und in den Inschriften
und Urkunden so gut wie durchgängig weggelassen, überall aber,
wo dies nicht geschieht, an die zweite Stelle gestellt.
Wenn der Gebrauch der consularischen Jahresbezeichnung im
Occident überhaupt, so wenig wie der der Indictionsjahre, auf
politische Motive zurückzuführen ist, vielmehr darin, eben wie in
dem Gebrauch der lateinischen Sprache, nichts gefunden werden
darf als die Anlehnung der Germanen des Occidents an eine ihnen
entgegentretende vorgeschrittene Civilisation, so wird man noch
weniger, wie dies von Rossi und seinen Nachfolgern geschehen ist,
in dem vereinzelten Auftreten der orientalischen Consuln secundärer
Ernennung im Occident ein politisches Moment oder gar eine ver-
schiedenartige Stellung der Gothen und der Burgunder zu dem
. byzantinischen Reich zu erkennen haben. Wohl aber scheinen die
*:;^eltenen Fälle, in welchen man von Odovacars Zeit an im Occident
Nachträge einzeln auch hier begegnen — so scheint in der Inschrift von Lyon
(Le Blant inscr. ehret, de la Gaule n. 68 [C. I. L. XIII, 2356]) vom Jahre 448 dem
occidentalischen Consul Postumianus der orientalische Zeno nachträglich an-
gefügt zu sein — und auch die den Sterbetag nennenden Grabschriften wohl
nicht selten erst einige Zeit später concipirt worden sind.
1) Dass der Schreiber von den zwei ihm bekannten Jahresconsuln der
Abkürzung wegen nur einen hinsetzt, ist zwar einzeln zu allen Zeiten vorge-
kommen, aber im Ganzen genommen eine seltene Ausnahme; bei gleichzeitiger
Nuntiation ist die Bezeichnung des Jahres mit einem einzigen Namen auch in
dieser Epoche beinahe unerhört. Dasselbe gilt in diesem Falle von der Um-
stellung der Namen.
MOMMSEN, SCHR. VI. 22
338 Consularia.
mit der einfachen Jahrbezeichnung auskam und dennoch den Consul
aus Constantinopel mit nannte, als persönliche Auszeichnung be-
trachtet werden zu müssen. Sie betreffen, wenn ich nichts über-
sehen habe, vier Personen, Longinus Consul II 490, den Bruder des-
Kaisers Zeno^; Anthemius Consul 515 2; Anastasius Consul 517,
553 den Grossneffen des gleichnamigen Kaisers ^ ; Vitalianus Consul 520,
den übermächtigen Nebenbuhler Justins*. Anthemius ist weiter
nicht bekannt;*) bei den drei Anderen aber liegt die Sonderstellung
auf der Hand und wurde, wie man sieht, auch in dem fernen
Gallien empfunden.
Consularia.**)
(Nachtrag zu [Hermes] Bd. 32 S. 538 [oben S. 324]).
602 I^iö stetig anwachsende Masse der Papyrusurkunden hat unter
vielem Anderen auch für die consularischen Verhältnisse der dio-
cletianisch - constantinischen Zeit einige bemerkenswerthe Momente
ergeben, welche ich, da sie in dieser Zeitschrift ^ nur zum Theil in 1
genügender Weise behandelt worden sind, hier kurz zusammenfasse.
1. Nach Constantius Tode am 25. Juli 306 wurde sofort im
Occident der Sohn Constantinus zum Kaiser ausgerufen, wonach
gemäss dem in Aegypten befolgten System sein erstes Regierungs-
jahr mit dem 28. August desselben Jahres endigte und seine Herrscher-
jahre von da ab weiter gezählt wurden. Damit stimmt, wie ich
früher bemerkt habe ([Hermes] 32, 545. 547 [oben S. 331. 332]), ein
Genfer Papyrus vom 8. August 323, welcher dieses Jahr das achtzehnte
Constantins nennt. Dagegen ergeben die in zwei anderen gleichlauten-
1) Eine Reihe gallischer und oberitalischer Inschriften nennen ihn als
consul II an erster Stelle vor dem occidentalischen Consul Faustus.
2) Eine Inschrift aus der Gegend von Narbonne (C. I. L. XII, 2421) nennt
ihn vor, zwei andere aus der Gegend von Vienne (C. I. L. XII, 1792. 2067) nach
dem occidentalischen Consul Florentius.
3) Eine Inschrift von Lodi (Corp. inscr. suppl. Ital. I n. 863) nennt ihn nach
dem occidentalischen Consul Agapitus, eine von Aix (CLL. XII, 1590) sogar
allein.
4) Eine Inschrift von Lyon (Le Blant n. 563 [C. I. L. XIII, 2377]) nennt ihn
an zweiter Stelle neben dem occidentalischen Consul Rusticius.
*) ['Auch Anthemius gehörte wohl dem Kaiserhause an, er scheint ein
Abkömmling des weströmischen Kaisers Anthemius und des oströmischen Kaisers
Marcianus gewesen zu sein; s. das Distychon C. I. L. XIII, 10032,4 und dazu;
die Bemerkungen von Villefosse Gazette arcMologique 9, 1884 p. 121' DESSAU.]!
**) [Hermes 36, 1901 S. 602 - 605.] '
5) Seeck in dies. Jahrg. [Hermes 36] S. 28 ff.
Consularia, 339
den Docmnenten ^ auftretenden Herrscherjahrziffern 19 — 7 — 5 — 3, da
sie nur auf das Jahr 310/1 bezogen werden können 2, als das Ende 603
von Constantins erstem Regierungsjahr vielmehr den 28. August 307.
Aber diese Daten der beiden Urkunden sind kaum in Einklang zu
bringen mit den daneben stehenden consularischen des 27. Mai und
9. Juni 314. Dass die contractmässig dem Verpächter zukommende
Ertragsquote für das Jahr 310/1 erst im Sommer 314 entrichtet sein
soll, ist der inneren Wahrscheinlichkeit ebenso zuwider wie der Ana-
logie ^. Es scheint hier eine vielleicht mit dem doppelten Consulat des
Rufius Volusianus 311 und 314 in Verbindung stehende Verwirrung
eingetreten zu sein * und einem also beschaffenen Document darf keine
volle Beweiskraft zugeschrieben werden^. Geschichtliche Wahr-
scheinlichkeit hat die Annahme nicht dass Constantins Antrittstag
1) Die beiden Pachtquittungen Berliner Papyri Bd. 2 n. 411 und Nicole
papynis de Geneve 1 n. 13 sind von demselben Verpächter zweien seiner Pächter
ausgestellt nach dem gleichen Formular; sie lauten: Avgi^Xiog IJordficov NiXov
yeovxü)v ev xcö{/J,fj) {xu> fehlt Genf) ^dadeXqjiq AvQrjXi<p 'Axgfj (Genf AvQtjXiq) 'laa)
aXXofpvXov ysogycö ;^at'ßctj'. "Ea^ov Jiagä aov rö extpÖQiov, wv EyeoQyrjaag fj.ov dgovQÖJv
negi xwfirjv ^iXaÖEXtpiav (Genf xwfirjv Taviv) dgovQcör (fehlt Genf) nsvie (xß" Genf)
{insQ yevij/iiaTOc: {yevrjfiätoiv Genf) id' L xal C L ^a* s L xal y L jivqov dgraßag
dsxadvo (Genf jiivrs; es folgen in beiden Exemplaren Brüche und die üblichen
Ziffern und im Genfer jiXrjQtjg) xal ovöiva Xöyov k'xco :iig6g ahv (so beide Exemplare)
:isQi Tov ixq?oQiov (Genf zcöv lx(poQi(ov) vnatiag 'Povcpiov 'AXvoiavov {'OXoaiavov Genf)
xal üergtoviov 'Avviavov xwv Xa/HTigordzcov Ilavvi ß (Genf üavvt is). AvQrjXiog
Hoxdixwv NiXov eaj^ov rö IxcpoQiov jtXrjQtjg ' AvQ^Xiog 'AXvniog djio ^iXaösXq^iag
syQaxpa vjisq avrov dygafi^dtov ovrog (Genf [cvtöjJv dygafifidtcov). Wegen der
Consulnamen vgl. meine Tafel chron. min. 3 p. 518, wo auch diese Urkunden
angeführt sind.
2) Galerius 19. Jahr so wie das 7. Maximins sind 29. August 310 bis
28. August 311.
8) Vgl. die Ausführung Wilckens Ostraka 1 S. 213 ff.
4) Dass die genannten Consuln die des Jahres 314, die Quittungen also
nicht früher ausgestellt worden sind, unterliegt keinem Zweifel. Wenn wirklich
die Quittungen sich auf den Pachtzins des Jahres 310/1 beziehen, so dürften sie
nachträglich ausgestellt und dabei den Consuln des Jahres 311 die ähnlich
lautenden des Jahres 314 substituirt sein; betreffen sie dagegen den Pachtzins
des Jahres 313/4, so sind die Kaiserjahre gänzlich zerrüttet.
5) Mit gutem Grunde bemerken die englischen Papyrusforscher {Fayum
toiums p. 326), dass bei einer derartigen Datirung Schreib- oder vielmehr Rechen-
fehler nicht ausbleiben konnten. In einer Urkunde vom Jahre 295 {pap.
(keyrhynch. 1 p. 91) steht einmal richtig 12 — 11 — 3, an einer anderen Stelle
falsch 12 — 11 — 2; in einer anderen vom Jahre 301 (in dies. Ztschr. [Hermes]
XXXII 547 A. 1 [oben S. 332 A.4]) 18—17—8 statt 18—17—10; auf einem
Ostrakon vom Jahre 298 {Fayum towm a. a. O.) 14—13—4 statt 14—13—6. Auch
Oxyrh. pap. 1 n. 92 scheint fehlerhaft datirt. Man wird also einzeln stehenden
derartigen Ansetzungen nicht unbedingte Beweiskraft beilegen dürfen.
22*
340 Consularia.
im Orient anders angesetzt worden ist als im Westen, Dass Galerius
den Constantinus vor dem 28. August 307 als Mitherrscher anerkannte,
steht unter allen Umständen fest; dass er seinen Antritt nicht auf
den Todestag des Vaters, 25. Juli 306, sondern auf irgend einen
zwischen diesen beiden liegenden Tag, etwa den seiner Entgegen-
nahme dieser Nachricht, datirt hat, wäre eine zwecklose Beleidigung
gewesen.
2. Dass die Controverse, ob Licinius am 11. November 307 oder
am 11. November 308 als Augustus proclamirt worden ist, vermuth-
lich zu Gunsten der letzteren Datirung erledigt werden muss, habe
ich früher (S. 543 [oben S. 329]) ausgeführt. Zu den dafür geltend
604 gemachten Argumenten treten nun die beiden vorher erörterten
Urkunden hinzu, welche das 3. Jahr des Licinius dem 19. des
Galerius und dem 7. Maximins gleichsetzen, also als Endtermin des
1. Jahres den 28. Aug. 309 bezeichnen^, wenn gleich, wie eben
bemerkt ward, diese verwirrten Urkunden nur mit Vorsicht benutzt
werden dürfen. Hinzu kommt eine einwandfreie consularisch vom
Jahre 316 (Phaophi 16 = Oct. 13) datirte Urkunde mit der Gleichung
9 — 3 2, welche, wie die Herausgeber richtig ausgeführt haben, als
Endtermin des ersten Jahres des Licinius ebenfalls den 28. Aug. 309
fordert.
3. Von grösserem Interesse sind die Datirungen zweier offenbar
dem gleichen Jahr angehöriger Documente von Oxyrhynchos, welche
also lauten:
[juerd rrjv vTiareiav] ^ xcöv deojzorcov fifx&v Äixiviov üeßaotov xb
g xal I [Äixmov rov e7i\L(p(av)eoxdTOv KaLoaQ[o\g xb ß, xoTg äjio-
deix'&r]oojuevoig vndxoig xb y. (Drei Zeilen Kurzschrift), Tvßi xy
(= Jan. 18). Grenfell und Hunt Oxyrhynchus papyri 1 n. 42 p. 88.
xoXg änoÖEix&riooiXEVOig vjidxoig xb y MeooQt] xb' (= Aug. 17).
Grenfell und Hunt a. O. 2 n. 60 p. 119.
Nachdem erwiesen worden ist, dass im Reichstheil des Licinius als
Consuln des Jahres 323 dieser selbst zum sechsten und sein Sohn
zum zweiten Mal als Consuln proclamirt waren, fällt die erste diesef
Datirungen in das Folgejahr 324. Dies giebt den Schlüssel für die
andere nicht bloss unerhörte, sondern in der That widersinnige
1) Dies ist von Seeck a. a. 0. richtig entwickelt worden. |
2) Oxyrhynchus papyri 1 p. 168. Seeck gedenkt der Urkunde nicht. i
3) So ergänzt Seeck mit Recht; im vjtatsiag, was die Herausgeber vor-
schlagen, ist unzulässig, da die zweite Consulnbezeichnung im Dativ gesetzt ist
und dieser auch hier gefordert werden müsste, wenn das Jahr 323 gemeint wäre.j
Consularia. 341
Formel. Die consularische Datirung nennt ohne Ausnahme nur er-
nannte Consuln ; Datirung nach designirten Hesse sich denken, kommt
aber meines Wissens niemals vor; Datirung nach Consuln, die
designirt werden sollen, ist ein Widerspruch im Beisatz^. Aber
höfische Rede hat dergleichen Absurditäten vielfach gezeitigt. Da
die erste Datirung auf 324 führt, da in diesem Jahr die beiden
ältesten Söhne des Kaisers Crispus und Constantinus beide zum 605
dritten Mal das Consulat bekleideten und da der Formel die Zahl
To / beigesetzt ist, so sind offenbar die beiden Prinzen gemeint 2;
und die unvernünftige Formel hat einen guten geschichtlichen Anhalt.
In dem Entscheidungskampf zwischen Constantin und Licinius hatte
der Kronprinz Crispus die Flotte geführt und der grosse Seesieg
im Hellespont den Krieg entschieden^. Das ordentliche Consulat
dieser Epoche pflegt die Belohnung grosser Dienstleistungen zu sein;
Constantius verhiess es dem Taurus, wenn es ihm gelingen werde
die widerspenstigen Bischöfe zum Gehorsam zu bringen *; Theodosius I.
verlieh es nach der Besiegung des Maximus seinen namhaftesten
Generalen Timasius und Promotus; nichts lag näher als den sieg-
reichen Kronprinzen in gleicher Weise zu belohnen. Der zweite
Prinz, der damals neunjährige Constantinus war freilich an der
Niederlage des Licinius unschuldig; aber kurz vorher (321) hatten
beide Brüder zusammen das Consulat verwaltet und väterliche Liebe
ist ihm wohl mehr zu Theil geworden als dem Bruder. Man er-
Iwartete also in Aegypten, das anscheinend schon im Sommer des
Jahres 323 vor der letzten Katastrophe des Licinius sich Constantin
junterworfen hatte ^, in den ersten Monaten des Jahres 324 die
1) Dass nicht allgemein die zu ernennenden Consubi zu verstehen sind,
'^oudern individuell bestimmte Personen, die schon zweimal das Consulat bekleidet
hatten, zeigt der Zusatz.
2) Dies haben die englischen Herausgeber richtig erkannt, nur wegen der
iben erwähnten unrichtigen Ergänzung nicht vollständig durchgeführt. Die Aus-
lihrung Seecks, der zu anderen unmöglichen Ergebnissen gelangt, scheint einer
)esonderen Widerlegung nicht zu bedürfen. [S. aber jetzt Jouguet comptes rendus
le l'Acad. des. inscr. 1906 p. 231 ff., wo eine Urkunde mit dem Datum roTg ioofisvoig
jidiotg TÖ xEtagcov oder tö 6' angeführt ist, und Seeck Rhein. Mus. 1907 S. 517.]
3) Origo Constantini (= anon. Valesiamts) c. 23 — 27 ehr. min. 1 p. 9.
4) Sulpicius Severus chron. 2, 41, 1.
5) Dies fordert die vom 8. August 323 datirte ägyptische Urkunde [s. jedoch
331 A. 2 Zusatz] , da sie nach den constantinischen Consuln datirt ist , falls
ie nicht etwa, was nicht unmöglich wäre, erst später aufgesetzt worden ist.
.ber wahrscheinlich haben schon nach dem ersten Zusammenstoss die Provinzen
es Ostens sich ohne weiteres unterworfen, so dass vielleicht nicht einmal überall
in Beamtenwechsel eingetreten ist.
342
Consularia.
Ernennung der beiden Prinzen zu ordentlichen Consuln dieses Jahres;
es kann auch sein, dass diese Erwartung in einem statthalterlichen
Erlass etwa bei der Verkündigung des Sieges Constantins aus-
gesprochen worden war. So geschah es. Auf jeden Fall ist die
Hypothese, dass der Entscheidungskampf zwischen Constantin und
Licinius in das Jahr 324 fällt statt des bisher angenommenen Vor-
jahres, damit beseitigt.*)
*) [Die Frage ist neuerdings wiederum von Seeck Rhein. Museum 1907
S. 493 ff., vgl. S. 517 ff., behandelt worden.]
XVIII.
Das römisch - germanische Herrscherjahr.*)
Mehr als auf irgend einem anderen historischen Gebiet sind für 51
die Uebergangszeit aus dem Alterthum in das Mittelalter die Forscher
auf gegenseitige Unterstützung angewiesen. Wer mit der ost- und
westgothischen, der vandalischen , der burgundischen, selbst der
älteren fränkischen Ueberlieferung sich glaubt abfinden zu können
ohne genaue Kenntnis der Yerhältnisse des sinkenden Römerreiches,
wird zu wahrhaft geschichtlicher Auffassung jener staatlichen Insti-
tutionen nicht gelangen. Aber auch umgekehrt wird, wer von der
römischen Forschung ausgeht, bei der Betrachtung dieser grössten-
theils nicht zu voller Entwickelung gelangten halbgermanischen
Staaten sich in der Lage des Botanikers befinden, dem nur die
Knospe vorliegt und nicht die voll entwickelte Blüthe und die ge-
reifte Frucht. Eine einzelne Frage dieser Art soll hier zur Sprache
gebracht werden, wesentlich eine Frage, deren Antwort zum guten
Theil von denen zu erwarten ist, welche die spätere geschichtliche
Periode zum Gegenstand ihrer Forschung machen. Ich meine die
Datierung nach dem Regentenjahr.
Dass die Regierungsdauer zu allen Zeiten und in allen Monarchien
vom Antrittstag bis zu dem Tag des Rücktritts oder des Todes
berechnet wird, versteht sich von selbst und drückt sich schon darin
aus, dass bei allen genauen derartigen Ansetzungen die Monate und
die Tage aufgeführt werden und nur durch Abrundung die letzteren
häufig, nicht selten auch jene in Wegfall kommen. Danach bestimmt
sich auch der Begriff der Decennalien und der ähnlichen Fristen;
ohne Frage ist bei diesen Ansetzungen immer der factische Antritts-
*) [Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 16
(1891) S. 51-65. — Vgl. Sitz.-Ber. d. Berl. Akad. 1890 S.797.]
344 I^^s römisch - germanische Herrscherjahr.
tag zu Grunde gelegt und entweder der erste oder der letzte Tag
des betreffenden Effectivjahres als Tag der Feier betrachtet worden.
Aber wenn das Regierungsjahr für die Datierung verwandt wird,
bieten sich zwei Möglichkeiten: entweder die einfache Zählung vom
Antrittstag an bis zu dessen kalendarischer Wiederkehr oder eine
an das bürgerliche Jahr in der Weise sich anschliessende Zählung,
dass das bürgerliche Jahr, in welches der Regierungswechsel fällt,
sowohl als letztes des ausscheidenden wie als erstes des eintretenden
Regenten gezählt wird, demnach in der Summierung der Königsjahre
52 diese beiden Ziffern als Einheit in Ansatz kommen. Diese kann im
Ausdruck vereinfacht werden, indem das erste zwischen zwei Re-
gierungen getheilte Kalenderjahr entweder ganz dem ausscheidenden
oder ganz dem eintretenden Regenten beigelegt wird; indess sind
beide Verfahren irrationell und das erstere bei officieller Verwendung
des Regierungsjahrs unmöglich, da der eintretende Herrscher nicht
erst am nächsten kalendarischen Neujahr, sondern sofort in den
Stand gesetzt werden muss diese Datierung zu handhaben, wobei es
nicht darauf ankommen kann, ob der Wechsel länger oder kürzer
vor dem bürgerlichen Neujahr eintritt.
Von diesen beiden Datierungsweisen ist die an das Kalenderjahr
angelehnte sowohl die verständigere wie die geschichtlich traditionelle.
Alle Datierung beruht auf der gleichen Länge der dabei zu Grunde
gelegten Zeitfrist: dies Princip wird durchbrochen, wenn sich die
Endjahre eines jeden Regierenden mehr oder minder verkürzen, und
damit der Zweck der Datierung, die Summenziehung, unmöglich
gemacht. Denn nothwendig haben die effectiven Regierungsjahre
unter jedem Regiment ihr eigenes Neujahr und sind den bürgerlichen
Jahren in unbequemster stets wechselnder Weise incongruent. Auch
die Geschichte bestätigt es, dass, wo man zunächst die Datierung
an die lebenslängliche Herrschaft angeknüpft hat, dies geschehen
ist mit Anlehnung der Herrscherjahre an das landesübliche Kalender-
jahr. Wir werden noch darauf zurückzukommen haben, dass die
Zählung nach den dem bürgerlichen Jahre angepassten Regierungs-
jahren dem Heimathgebiete der monarchischen Staatenbildung, dem
Orient und Aegypten, von jeher geläufig gewesen und in dem
letzteren Lande stets in Gebrauch geblieben ist.
Für den römischen Staat liegen die Verhältnisse insofern anders,
als bei dem Uebergang zur Lebenslänglichkeit des Herrschers der
neue Principat keineswegs als Monarchie auftreten wollte und daher
die Datierung nach Regierungsjahren nicht beliebte, ja als sie ihm
angetragen ward, ablehnte. Es gehört zu dieser systematischen Ver-
Das römisch -germanische Herrscherjahr. 345
schleierung der Monarchie, dass für die dauernde Herrschergewalt,
die dem Volkstribunat die Benennung entnahm, wohl die Jahres-
zählung beliebt, aber diese keineswegs an das bürgerliche Jahr
geknüpft, sondern zunächst auf das effective Regierungsjahr gestellt
ward, wodurch vermieden werden sollte und vermieden ward, dass
das Kaiserjahr die consularische Datierung verdrängte. Im Verlauf
der Entwickelung des Principats zur Monarchie trat auch in dieser
Beziehung eine entsprechende Umgestaltung ein: durch Nerva erhielt
das Kaiserjahr ein festes Neujahr oder genauer gesagt, das alte feste
mit dem 10. Dec. beginnende tribunicische Amtsjahr wurde jetzt das 53
Kaiserjahr, und zwar für das gesammte römische Reich mit Aus-
schluss des staatsrechtlich nur durch Personalunion damit verknüpften
Aegypten: nach diesem System werden fortan die tribunicischen
Jahre sowohl in der lateinischen Reichshälfte gezählt wie im Orient,
hier unter Beseitigung des daselbst bis dahin auch auf das Kaiser-
jahr angewandten seleucidischen Jahranfangs vom 1. October^. Das
also gestaltete tribunicische Jahr, wonach zum Beispiel, nachdem
Hadrian am 11. Aug. 117 zur Regierung gekommen war, officiell
der Zeitraum vom 10. Dec. 116 bis zum 10. Aug. 117 bezeichnet
ward als 21. Regierungsjahr Traians, vom 11. Aug. bis zum 9. Decbr.
117 als erstes Hadrians, war an sich fähig als allgemeines Reichs-
zeitmass angewendet zu werden und wahrscheinlich bestimmt das
consularische Jahr zu verdrängen und zu ersetzen, wie denn wohl
auch nicht ohne Absicht das tribunicische Neujahr des 10. Dec. dem
consularischen des 1. Januar kalendarisch nahe gerückt war. Aber
wenn diese Absicht bestanden hat, zur Ausführung gekommen ist
sie nicht. Die tribunicische Jahrzählung blieb in praktischer An-
wendung auch nachher beschränkt auf die Kaisertitulatur; die officielle
Datierung sah von ihr ab und hielt nach wie vor fest an dem Jahr-
anfang des 1 . Jan. und der durch die Consuln gegebenen Jahres-
benennung. Dabei ist es auch in der neuen diocletianisch-constan-
tinischen Staatsordnung geblieben. Die tribunicische Jahrzählung
behauptet als Bestandtheil der vollen Kaisertitulatur sich bis auf
Anastasius^; dass sie selten und immer seltener erscheint, beruht
lediglich darauf, dass diese Epoche überhaupt bestrebt ist die weit-
läufige Kaiserbezeichnung zu vereinfachen. Ob man des von dem
consularischen verschiedenen tribunicischen Neujahrs sich bewusst
1) Rom. Staatsrecht II, 799 fg.
2) Schreiben an die römischen Behörden vom 28. Juli 516, in lateinischer
üebersetzung erhalten, bei Thiel epist. pontif. I, 765. Aeltere Belege in meinem
Staatsrecht II, 786.
346 I^^s römisch- germanische Herrscherjahr.
geblieben ist, lässt sich nicht entscheiden und ist auch ohne Belang,
da das tribunicische Jahr für die Datierung nicht in Betracht kommt.
Officiell hat es bis zum Anfang des 6. Jahrh. n. Chr. keine andere
für das gesammte römische Reich gültige Jahresbezeichnung gegeben
als die consularische.
Regierungsjahre in directem Ausdruck finden sich bis zu der
bezeichneten Zeitgrenze im officiellen Gebrauch überall nicht. Die
einzige Instanz, die meines Wissens dagegen angeführt werden
kann, die Münze Theodosius II. mit der Aufschrift imp. XXXXIl,
COS. XVIII, p. p., also vom J. 443,*) zeigt wohl, was sich ja von selbst
versteht, dass der Kaiser, wie Decennalien und Vicennalien feiern,
so auch die Regierungsjahre, auf die er zurücksah, jederzeit zählen
konnte ; aber in ihrer völligen Vereinzelung ist sie kein Beweis dafür,
dass es auch nur zulässig war in dieser Weise officiell zu datieren.
54 Es ist der Allerweltsreformator Justinianus gewesen, der das Kaiser-
jahr in die Reichsdatierung eingeführt hat durch die noch erhaltene
Yerordnung vom 31. Aug. 537^, und zwar in der Weise, dass officiell
das Jahr dreifach bezeichnet werden soll, durch das Kaiserjahr,
durch die Consuln und durch die Indictionszahl. Hiebei wird ausdrück-
lich das effective, für Justinian von seinem Antritt am 1. April 527
laufende Regierungsjahr vorgeschrieben. Schon diese "Verordnung
selbst und alle folgenden sind in dieser Weise datiert und nicht
minder vom 12. Regierungsjahr Justinians an (1. April 538/9) die
Münzen sämmtlicher Reichsmünzstätten ^. Allem Anschein nach ist
die in dieser Verordnung vorgeschriebene Jahrbezeichnung seitdem
im byzantinischen Reich unverändert zur Anwendung gekommen*;
nur wird begreiflicher Weise die dreifache Bezeichnung nicht durch-
gängig angewandt, sondern oft, und wie es scheint willkürlich, eine
oder auch zwei dieser Bezeichnungen weggelassen. Im Occident
*) [S. Dessau Ephem. epigr. VII p. 432.]
1) Nov. 47. Die Subscription der Nov. 41, vregen deren Bresslau (Urkunden-
lehre I, 833 A. 4) diese Datierung vor den 31. August 587 verlegt, ist handschrift-
lich unbeglaubigt und Z. von Lingenthals Behauptung, dass keine ältere Novelle
das Regierungsjahr nennt, wohl begründet.
2) Die Kaiserjahre auf den Münzen Justinians beginnen mit anno XIL
(Pinder und Friedländer, die Münzen Justinians in Savignys Ztschr. für Rechts-
wiss. XII, 29.)
8) Wenn die Paschalchronik p. 694 für die Zeit vom 23. Nov. 602 (Sturz
des Mauricius) bis zum 31. Dec. desselben Jahres als officielle Datierung ver-
zeichnet ßaodeias ^mxä stovg a , so will sie nicht sagen, dass mit 1. Jan. 603
dessen zweites Regierungsjahr begann, sondern dass damit, da in diesem Jahr
Phokas das Consulat übernahm, die consularische Datierung wieder hinzutrat
welche nach Mauricius' Tode weggeblieben war.
Das römisch -germanische Herrscherjahr. 347
hat diese Jahresbezeichnung Anwendung gefunden, so weit die
byzantinische Herrschaft reichte. Insbesondere die Datierung nach
dem Kaiserjahr kann als Kriterium für die Anerkennung des Unter-
thanenverhältnisses Constantinopel gegenüber betrachtet werden, wo-
gegen dies, wie weiter unten bemerkt werden wird, von den beiden
anderen Datierungsformen wenigstens nicht in gleichem Masse gilt.
Xamentlich zeigt sich die Wirkung der von Justinian angeordneten
Norm bei der römischen Kirche : in ihrem vorkarolingischen Formular-
buch wird eben diese dreifache Datierung vorgeschrieben ^ und dem
entsprechend sind die unverkürzt erhaltenen päpstlichen Urkunden
nachweislich seit dem Jahre 550 datiert 2, bis dann unter Hadrian L
erst der König Christus und dann Kaiser Karl an Stelle der byzan- 55
rinischen Oberherrlichkeit eintreten ^. Erträglich wurde die namentlich
bei getheiltem Imperium sehr unbequeme Datierung nach dem
cfPectiven Herrscherjahr durch die beiden ihr zugesellten Corrective
des Consulats und der Indiction. Das Consulat selbst ist allerdings
noch unter Justinian selbst in Folge des durch dessen Finanzwirth-
schaft herbeigeführten Ruins des öffentlichen wie des privaten Wohl-
standes * in seinem alten Wesen zu Grunde gegangen ; aber für die
Zeitrechnung hat es sich bis weit in das Mittelalter hinein behauptet^,
indem von Justinians Nachfolger Justinus II. an jeder Kaiser bald
nach dem Antritt der Regierung mindestens einmal das Consulat
übernahm. Nach dieser jetzt zur Antrittsfeier des neuen Herrschers
umgewandelten Festlichkeit ist mit Hinzunahme der längst üblichen
Postconsulate bis in das achte Jahrhundert hinein datiert worden.
Allerdings wird die Brauchbarkeit dieses Correctivs dadurch beein-
trächtigt, dass bei der Zählung der Postconsulate neben der legitimen
1) Liber diurnus ed. Sickel n. 7: data die illa inensis illius imperante illo,
post consulattim, indietione illa.
2) Clinton, fasti Rom. zu diesem Jahr. Es mag sein, dass erst das damalige
Verweilen des Bischofs Vigilius in Constantinopel dessen Kanzlei veranlasst hat
sich dem im Jahre 537 angeordneten Schema zu conformieren ; aber erwiesen ist
es nicht, dass dies nicht schon früher geschehen ist, und auf keinen Fall darf
dieser Conformierung eine besondere politische Bedeutung beigelegt werden.
Belege der dreifachen Datierung aus späterer Zeit bei Ewald in diesem Archiv
III, 549; Gundlach, Arles und Vienne, S. 132.
3) Bresslau, Urkundenlehre I, 836.
4) Das sagt Prokop, bist. arc. 26 , und Justinians eigene Verordnung (nov.
105) kommt wesentlich auf dasselbe hinaus. Es war der Wunsch der Regierung
die altehrwürdige Institution aufrecht zu erhalten; aber die dafür früher üblichen
Zuschüsse aus der Staatskasse wurden nicht femer gewährt und Personen, welche
im Stande gewesen wären diese Ausgaben aus eigenen Mitteln zu bestreiten,
waren schon früher kaum und jetzt gar nicht mehr zu finden.
5) Ducange, de infer. aevi numism. c. 23; Bresslau, Urkundenlehre I, 830.
348 Das römisch - germanische Herrscherjahr.
das Consulatjahr selbst ausschliessenden eine andere dieses mitzählende
aufkommt, welche zwar keine officielle Geltung erlangt hat^, aber
in dem byzantinischen "Westen nicht selten begegnet 2. — Aehnlich
verhält es sich mit der Indiction: bekanntlich wird zum Behuf der
Datierung das Indictionsjahr das ganze Mittelalter hindurch dem
Regierungsjahre bei- und nicht selten auch allein gesetzt. Beide
Datierungen haben festes Neujahr, die consularische das des 1. Januar^,
56 die Indiction von Rechtswegen das des 1. September. Ein anderer
Indictionsanfang ist in derjenigen Epoche, mit welcher ich mich
beschäftigt habe, bei der Datierung wohl niemals in Anwendung^
gekommen; die naheliegende Gleichsetzung des Kalenderjahrs mit
dem Indictionsjahr, in das die ersten ^cht Monate desselben fallen,
lässt sich allerdings schon bei Cassiodor nachweisen, aber sie ist
ohne Zweifel nicht nur bloss abusiv gewesen, sondern hat auch erst
in sehr später Zeit auf die Datierung Einfluss gewonnen*.
Aber wenn die Datierung nach Regierungsjahren als officielle
Reichsdatierung vor Justinian nicht bestanden hat, so ist sie doch
theils als provinziale , theils als conventionelle lange vorher in Ge-
brauch gewesen.
In denjenigen römischen Provinzen, welche in vorrömischer Zeit
nach Herrscherjahren datiert hatten, hat diese Datierung als provin-
ziale auch unter römischer Herrschaft sich behauptet; sie richtet
sich nach dem festen Neujahr in Aegypten des 29. August, in Syrien
1) Die Annahme Rossis (inscr. christ. I p. XLVII, danach Bresslau, Urkunden-
lehre I, 829), dass Justiuus IL diese Zählweise officiell eingeführt habe, ist
unhaltbar. Tiberius übernahm das Consulat nach dem Tode Justins II. am
5. Oct. 578 für das Jahr 579; nachdem er dann am 14. Aug. 582 gestorben war
und sein Nachfolger Mauricius das Consulat erst für das Jahr 584 übernahm,
■wurde beschlossen, das Jahr 583 zu bezeichnen als das vierte Postconsulat des
verstorbenen Kaisers: inavtog avvnaxog, xai ex xoivov döy^iatog iyQa.(ptj fistä
vjiareiav Tißsgiov Koivoxavxivov rov rfjg d'siag Xrj^ecog srovg 8' (Paschalchronik
p. 690). Ebenso ist die kurz vor Tiberius' Tod am 11. Aug. 582 erlassene Ver-
ordnung (novellae constitutiones ed. Zachariae a Lingenthal n. 14) datiert: imp.
d. n. Tiberii Constantini p(er)pfetuij Aug. anno VIII et post cons. eius anno IIL
2) In dieser Weise zählt der africanische Victor von Tounona und zählen
regelmässig die italischen Inschriften (Marini, papiri p. 261 ; Rossi a. a. 0.).
3) Allerdings fällt die Hauptfestlichkeit, welche der Consul ausrichtet,
die secunda mappa im Kalender des Silvius auf den 13. Januar, und daher
berechnet die Paschalchronik (p. 701 Bonn) das Consulat des Heraclius (611)
erst von diesem Tage; aber dass dies für die Datierung nicht in Betracht
kommt, sondern das Consulatjahr mit dem letzten December schliesst, wird
ausdrücklich hinzugefügt.
4) Darauf reduciert sich meines Erachtens die sogenannte Neujahrsindiction
(Bresslau, Urkundenlehre I, 882).
Das römisch- germanische Herrscherjahr. 349
des 1. October, so dass mit dem ersten unter dem Regiment des
neuen Herrschers eintretenden Neujahrstag dessen zweites Regierungs-
jahr anhebte Dass diese Berechnung des Kaiserjahrs in Syrien
durch Nerva beseitigt ward, ist schon erwähnt worden. Das ägyptische
Kaiserjahr dagegen mit dem Neujahr des 29. August hat sich bis
in die späteste Zeit behauptet; selbst die diocletianische Aera ist
nur insoweit eine Neuerung, dass seitdem die Jahre nicht mehr nach
dem Regierungsantritt der einzelnen Kaiser benannt, sondern ein für
allemal von Diocletians erstem Jahr an (29. Aug. 284/5) als dio-
oletianische gezählt werden. Uebrigens ist es für die gegenwärtige
Auseinandersetzung nicht erforderlich auf diese wohlbekannten Ord-
nungen weiter einzugehen; nur daran soll hier erinnert werden, dass
diese provinziale Datierung wohl in weiterem Umfang zur Anwendung
gekommen ist, als gewöhnlich angenommen wird. Es gilt dies nicht
bloss von der bekannten in Marseille zu Tage gekommenen, aber
wahrscheinlich syrisch aufzufassenden Inschrift mit anno V Tiherii
Caesaris Augusfi 2, sondern vor allem von den derartigen Datierungen
bei Josephus. Abgesehen von den auf das Olympiadenjahr oder auf
die Consuln gestellten bedient dieser Schriftsteller sich häufig der
Datierung nach Regierungsjahren sowohl der jüdischen Könige wie
auch, und zwar daneben^, der römischen Kaiser*, wobei er ohne 57
Zweifel wenn nicht das syrische, doch ein dem syrischen analoges
festes Kalenderjahr zu Grunde legt^.
Aber völlig fremd ist auch dem Occident die Datierung nach
Regierungsjahren keineswegs; vielmehr erscheint sie daselbst in
relativ früher Zeit in der Theorie wie in der Praxis. Dem Censo-
rinus, der seinen vortrefflichen chronologischen Tractat im J. 238
n. Chr. schrieb, heisst darin (21, 8) dieses Jahr eorum qui vocantur
anni Aiigustorum ducentesimus sexagesimus quintus und dem ent-
sprechend ist ihm (22, 16) das Jahr 746 d. St. (= 8 vor Chr. G.)
1) Vgl. darüber mein röm. Staatsrecht II, 802.
2) C. I. L. XII, 406 [= Dessau 175]. [Die Inschrift ist aus Alexandria; s.
Jung arch.-ep. Mitth. 16, 1893 S. 15.] St.-R. II, 802 A. 3.
8) Insbesondere in der vita c. 1 wird neben einander gezählt nach den
Jahren des Hyrkanus und denen der Kaiser Gaius und Vespasian.
4) Augustus Regierungsjahre werden bezeichnet als Jahre nach der Schlacht
von Actium (ant. 18, 2, 1) nach dem St.-R. II, 808 A. 2 erörterten Gebrauch.
5) Da er nach jüdischer Weise das Jahr mit dem 1. April beginnt (ant.
3, 10, 5), so wird er wohl von diesem Neujahr und nicht von dem 1. Oct. des
Seleucidenjahrs zählen. Eine zusammenfassende Untersuchung des josephischen
Jahres bleibt zu wünschen; ich habe in Beziehung auf Josephus mich der
Unterstützung Nieses bedienen dürfen. [S. jetzt Niese im Hermes 28, 1893 S. 208 ff.]
350 1^3'S römisch -germanische Herrscherjahr.
annus Augusti vicesimus; in gleicher Weise heisst bei Tacitus
(ann. 4, 1) das Jahr 23 n. Chr. das neunte des Tiberius. Dass für
diese Jahre zwar der Tag der Annahme des Augustustitels , der
17. Jan. 727, als Ausgangspunkt gilt, sie aber vielmehr vom 1. Jan.
an laufen und also einfach Kalenderjahre sind, sagt Censorinus aus-
drücklich ^. Diese Jahrzählung konnte sowohl mit Durchzählung als
Aera verwendet, wie auf die einzelnen Regierungen bezogen werden ;
aber von jenem Gebrauch finde ich schlechthin keinen Beleg und
von diesem aus vorconstantinischer Zeit keinen weiteren als die
schon erwähnten Ansetzungen bei Tacitus und Censorinus und einige
analoge bei den christlichen Schriftstellern des 3. Jahrh. ^. Es ist
dies nicht so befremdend, wie es auf den ersten Blick erscheint.
In reiner Anwendung hätte dasselbe, völlig wie das ägyptische, theils
zu Doppelbenennungen derjenigen Jahre führen müssen, in welche
58 der Regierungswechsel fiel — das Jahr 14 n. Chr. wäre zuerst das
40. des Augustus, alsdann das 1. des Tiberius gewesen — , theils
zur Behandlung einer zuweilen sich auf wenige Tage reducierenden
Frist als ersten Regierungsjahrs. Diese unbequemen Consequenzen
entweder aufrecht zu halten oder angemessen zu modificieren hätt&
sich bei officieller Handhabung dieses Systems wohl erreichen lassen;
da dasselbe aber nur conventioneil fundiert war und da man offenbar
jene Consequenzen nicht einfach hinnahm, für jedes Jahr eine für
dessen ganzen Yerlauf durchstehende Benennung und für jeden
Kaiser auch nominell ein erstes Regierungsjahr verlangte, so ist es
begreiflich, dass für diese bei jedem Regierungswechsel sich er-
neuernden und mehr oder minder arbiträren Fixierungen diejenige
Einhelligkeit, welche für Jahrbenennungen gefordert wird, bei dem
Kaiserjahr sich nicht hat erreichen lassen. Die angeführten Stellen
scheinen zu zeigen, dass, wie es die Schicklichkeit fordert, dem
Todesjahr die Benennung nach dem abscheidenden Herrscher blieb-
und für den neu eintretenden das Antrittsjahr nicht mitzählte; aber
1) A. a. 0.: eorum qui vocantur anni Augustorum . . . (principium) ex Tcal.
larmarüs, quamvis ex a. d. XVI k. Febr. imp. Caesar . . . Augustus appdlatus est^
2) Tertullian (adv. ludaeos 8) nennt das Jahr 29, das er consularisch be-
zeichnet, das fünfzehnte des Tiberius, rechnet also wie Tacitus das Todesjahr
des Augustus diesem zu. An einer anderen Stelle (adv. Marc. 1, 15) wird dieselbe
Jahrzählung als Aera verwendet: a XII Tiberii Caesaris ad XV iam Severi j
imperatoris ; welcher Berechnung er hierbei gefolgt ist, weiss ich nicht genau ,
zu bestimmen. Das unter Cyprians Namen überlieferte Paschalbuch rechnet I
215 Jahre a passione usque ad annum quintum Gordiani Arriano et Papo cos^ \
Hier erscheint deutlich die Gleichung des Kaiser- und des consularischen Kalender- i
Jahrs, und Gordians Jahre sind hier ebenso berechnet wie bei Tacitus die des- !
Tiberius: das Antrittsjahr 258 wird ihm nicht zugezählt. '
Das römisch -germanische Herrscherjahr. 351
schwerlich ist diese Regel mit hinreichender Festigkeit durchgeführt
worden, um diese Jahresbezeichnung allgemein gangbar zu machen.
Diejenige Datierung nach dem Kaiserjahr, welche in und seit der
constantinischen Zeit begegnet, knüpft zunächst an an die provinzialen
Kaiserjahre und ruht auf der Chronikenlitteratur. Bekanntlich nimmt
diese ihren Ausgang vom griechischen Osten; ihre Väter sind für den
Occident der Jude Julius Africanus und der jüdische Bischof Eusebius.
Gutschmid hat in einer seiner schönsten Abhandlungen nachgewiesen,
dass diejenigen Chroniken, auf denen die eusebische beruht, theils nach
syrischen, theils nach ägyptischen Jahren rechneten^, dass aber dasjenige
Jahr, welches Eusebius selbst zu Grunde legte und wo nicht anwandte,
doch anwenden wollte, das römische Kalenderjahr mit dem Neujahr des
1. Januar war^. Dasjenige System, welches Censorinus theoretisch
bezeichnet, ist hier praktisch durchgeführt, und zwar in der "Weise
durchgeführt, dass jedem Kalenderjahre eine einfache Kaiserbenennung
beigelegt ist und dass jede Kaiserregierung mit einem ersten Re-
gierungsjahr beginnt. Auf die hiebei unvermeidlichen Willkürlich-
keiten und die vermeidlichen, aber nicht vermiedenen Fehler ein-
zugehen, ist hier nicht der Ort; das System war damit hingestellt
und bei der Autorität, die die eusebische Chronik namentlich im
Occident in der Bearbeitung des Hieronymus gewann, ist daran
nicht bloss seitdem nicht gerüttelt, sondern es sind auch die späteren
Regierungen nach demselben Princip dem eusebischen Schema an-
geschlossen worden.
Wenn unsere modernen Chronologen die auf Regierungsjahre 59
der vorjustinianischen Kaiser oder der germanischen Könige gestellten
Angaben durchgängig nach dem Effectiv- statt nach dem Kalenderjahr
berechnen, so haben sie wohl nicht genügend erwogen, dass einestheils
ein nicht officielles, aber conventionelles mit dem Kalenderjahr sich
deckendes Kaiserjahr wenigstens schon in traianischer Zeit nach-
weisbar, andererseits die officielle Geltung des kaiserlichen Effectiv-
jahres eine Neuerung Justinians ist. Es scheint vielmehr umgekehrt
da, wo nicht der spätbyzantinische Einfluss sich geltend macht, für
das kaiserliche oder königliche Kalenderjahr die grössere Wahr-
scheinlichkeit zu sprechen. Es kann natürlich hier nicht in alle
Einzelheiten eingegangen werden, in welche diese Frage eingreift;
auch bietet das Material, so unermesslich es ist, bei der Trübung
durch die Barbarei der Zeit und der Fehlerhaftigkeit selbst der
officiellen und der monumentalen Angaben verhältnismässig nicht
1) Kleine Schriften I, 455. 461. 2) A. a. 0. S. 458.
352 -D^'^ römisch -germanische Herrscherjahr.
allzu viele sichere Anhaltspunkte. Nur beispielsweise lege ich einige
Einzelbeobachtungen vor, welche jenes principiell ermittelte Resultat
mir bestätigt haben.
Der cyprische Bischof Epiphanius führte seine Uebersicht der
Haeresieen bis auf das laufende Jahr ecog rov naQovtog, xovxeoxiv
OväXevrog juev erovg ly , Tqaxiavov de sxovg '&', OvaXevxiviavov de
vecoxegov exovg a ^. Effectiv berechnet läuft Yalens dreizehntes Jahr
28. März 376/7, Gratians neuntes 24. Aug. 375/6, Valentinians IL
erstes 22. Nov. 375/6; nach dieser Auffassung beschränkt Clinton
diese Angabe auf die Frist vom 28. März bis 24. Aug. 376. Aber
diese kann nicht als Jahr bezeichnet werden und es ist unglaublich,
dass man also in mühsamer Undurchsichtigkeit mit ungleichen
Elementen gerechnet hat.
Der beste unter den sämmtlichen Chronisten des fünften Jahr-
hunderts, der Spanier Hydatius, sagt von dem Todesjahr des Theo-
dosius: iste annus, qui Theodosii XVII, ipse Arcadii et Honorii initio
regni eorum primus est, quod ideo indicavi, ne olympiadem quinque
annorum turhet adiectio, in hoc loco tanium propter regnanfum inserta 1
principium. Er hat also dem Jahr 395 die Doppelbezeichnung XYII
und I gegeben und es ist wohl Schuld der Abschreiber, dass in der
Handschrift die letztere Ziffer fehlt und die Regierungsjahre der
Söhne von II an zählen. Dies ist der einzige mir bekannte Fall
successiv zu fassender Doppelbenennung eines Kaiserjahrs, wobei
mitgewirkt haben mag, dass der Yater schon am 17. Januar starb;
bei den späteren Thronwechseln wiederholt sich dies auch bei
Hydatius nicht. Hier aber ist das Kalenderjahr gemeint.
60 Victor von Tonnona benennt in seiner Chronik die Jahre bis
563^ consularisch, von da an nach dem Kaiser; sein spanischer Fort-
setzer Johannes hat die consularische Bezeichnung nicht mehr, sondern
benennt die Jahre nach den Kaisern und daneben von Leovigilds
Antritt an nach den spanischen Königen. Diese Chroniken gehören
der Epoche an, in welcher das effective Kaiserjahr officielle Geltung
hatte; nichtsdestoweniger ist es sowohl wegen des unmittelbaren
Anschlusses der Kaiserjahrzählung an die consularische wie auch
wegen der Gleichsetzung der constantinopolitanischen und der
spanischen Herrscherjahre mehr als wahrscheinlich, dass beide
Chronisten nicht das officielle, sondern das chronistisch adaptierte
1) Adv. haer. 66 p. 638 Petav. |
2) Dies heisst ihm post consulatum Basilii v. c. anno XXIII, da er dei
gewöhnlichen Zählung um eine Stelle voraus ist (S. 348 A. 2).
Das römisch -germanische Herrscherjahr. 353
und dem Kalenderjahr geglichene Regierungsjahr zu Grunde gelegt
haben oder wenigstens haben legen wollend
Wenn es meines Erachtens nicht bezweifelt werden kann, dass
von der constantinischen Zeit an das Kaiserjahr, welches bei den
Chronisten und in den ihnen entlehnten chronistischen Angaben auf-
tritt, nach conventionellem Herkommen das gewöhnliche Kalenderjahr
ist, so ist damit noch die Frage nicht entschieden, ob die in den
römisch -germanischen Staaten auftretenden Königsjahre in dem
gleichen Werth zu fassen oder vielmehr Effectivjahre gemeint sind.
Die letztere Auffassung ist jetzt eine so allgemeine, dass man ihre
Begründung für überflüssig zu halten scheint. Dies finde ich nicht
richtig; aber es ist keineswegs meine Absicht diese Rechnungsweise
principiell zu bestreiten. Ich beschränke mich darauf diejenigen
hier einschlagenden Wahrnehmungen vorzulegen, auf welche meine
Studien mich geführt haben.
Die Rechnung nach Königsjahren begegnet nicht bei den italischen
Ostgothen, die ihren Staat als eine Fortsetzung des occidentalischen
!] Römerreichs auffassten^, wohl aber bei den Burgundern, den
gallisch-spanischen Westgothen, den Vandalen, den Franken, den
Langobarden. Eine förmliche Emancipierung von der Römerherrschaft 61
darf aber hierin wenigstens nicht überall gefunden werden. Auch
die consularische Jahrbezeichnung, sowie die Datierung nach den
Reichssteuerterminen schlössen die Anerkenntnis der Zugehörigkeit
zum Römerreich principiell in sich. Umgekehrt schliesst das Königs-
jahr die Anerkennung der Zugehörigkeit zum Reichsverbande nicht
mit begrifflicher Nothwendigkeit aus; auch nach Statthalterjahren
ist im Römerstaat nicht selten datiert worden. Soll dem Königsjahr
dieser oppositionelle Charakter beigelegt, in dessen Setzung ein
Kriterium der Selbständigkeit gefunden werden, so muss mindestens
1) Die berichteten Thatsachen sind in Folge der argen chronologischen
Verwirrung namentlich am Schluss der Chronik Victors nicht geeignet die
Unsicherheit zu beseitigen. Victor giebt nach dem J. 563 dem Kaiser die vier
Regierungsjahre 37 — 40 und setzt Justinians Tod in die 15. Indiction (1. Sept.
566/7), während er erwiesener Massen am 13. Nov. 565, und sowohl nach der
officiellen Zählung wie auch, wenn das Kalenderjahr seines Antritts (1. April 527)
als erstes Regierungsjahr betrachtet wird, nach der chronologisch adaptierten
im 39. Regierungsjahr starb, dagegen nach der letzteren im 38., wenn das
Antrittsjahr dem Vorgänger gegeben wird. "Wahrscheinlich meint Victor die
vier Jahre 563—566 und hat den doppelten Fehler gemacht theils das Jahr 563
zweimal, consularisch wie kaiserlich, aufzuführen, theils den Tod des Kaisers
aus 565 in 566 zu übertragen.
2) Vgl. in dieser Zeitschrift [N. Archiv] XIV, 241 [unten S. 378]. 539.
MOMMSEN, SCHR. VI. 23
354 I^*s römisch -germanische Herrscherjahr.
dessen allgemeine Anwendung vorgeschrieben worden sein. Dies
aber ist wenigstens bei den Burgundern und den Westgothen keines-
wegs geschehen. Die mir bekannten burgundischen Datierungen sind
consularische mit der einzigen Ausnahme, dass das burgundische
Gesetzbuch zwei an demselben 29. März 517 erlassene Verordnungen
aufführt, von denen die eine datiert ist Agapito cons., die andere
anno secundo regni domni^. Aehnlich haben die Westgothen in
Südfrankreich und in Spanien die Jahre bezeichnet: Datierung nach
Königsjahren ist seit 45t|3 nachweisbar^, aber sie wechselt mit der
consularischen und es werden auch wohl beide verbunden. Selbst
unter fränkischer Herrschaft, so spät diese auch auf den Plan tritt,
kann die Datierung nach Königsjahren kaum obligatorisch gewesen
sein, da das Indictions- und vereinzelt selbst das consularische Jahr
auch hier begegnet.
Wenn man sich nun vergegenwärtigt, dass es eine Datierung
nach dem effectiven Kaiserjahr vor dem J. 537 nicht gegeben hat,
dagegen das in Kaiserbenennung auftretende Kalenderjahr chronistisch
in allgemeinem Gebrauch gewesen ist, so werden wohl auch jene
vorjustinianischen allem Anschein nach nicht gesetzlich angeordneten,
sondern ebenfalls conventionell gestalteten Datierungen in demselben
Werthe zu fassen sein. Zeugnisse indes oder sachlich entscheidende
Documente sind mir weder für noch gegen vorgekommen^.
Für die nachjustinianische Epoche fällt allerdings das constan-
62 tinopolitanische durch das byzantinische Italien auch in den Occident
eingeführte Schema sehr ins Gewicht, und wenigstens bei den späteren
Westgothen sind die Regierungsjahre im officiellen Gebrauch nach-
weislich effectiv berechnet worden. König Erwig gelangte nach
Ausweis der Königsliste am 15. Oct. 718 = 680 zur Regierung.
Unter seinem Regiment wurden drei Concilien gehalten, das zwölfte
1) Tit. 52. 62. Binding, Burg.-röm. Königreich S. 309 fg.
2) Inschrift von Bordeaux V hal. . . . [anno] dorn. n(ostr)i Tu[rismundi\
(Jullian inscr. de Bordeaux II p. 37 [C. I. L. XIII, 904]). Inschrift von Viviers
III Tc. Maias XII reg. domini Älarici (C. I. L. XII, 2700). Inschrift von Clermont
anno nono X reg. domni nostri Alarici (Le Blant n. 569 [C. I. L. XIII , 1529]).
Publicationspatent der lex Romana sub die III non. Fehr. anno XXII Älarici
regis. Concil von 516 anno sexto Theuderici regis Petro consule (Mansi VIII, 521).
Concil von 517 anno septimo Theoderici regis Ägapeto v. c. consule (Mansi VIII, 550).
3) In der eingehenden Untersuchung Kruschs über die Chronologie der
fränkischen Könige (Forschungen XXII, 451 sq. mit dem Nachtrag in den Script.!
Merov. II, 576) werden die bei Gregor und sonst auftretenden Königsjahre djirch-l
aus als effective behandelt. Das mag ja richtig sein, obwohl Gregors Jahr ein
festes mit Neujahr vom 1. März ist; aber es wäre wünschenswerth, dass die
Beweise dafür vorgelegt würden. I
Das römisch -germanische Herrscherjahr. 355
toletanische (Mansi XI, 1023) 719 = 681 Jan. 9 — 25 anno primo
regis; das dreizehnte toletanische (Mansi XI, 1059) 721 = 683 Nov. 4
anno quarfo; das vierzehnte toletanische (Mansi XI, 1086) Nov. 14 — 20
anno quinto. Hier kann kein Zweifel obwalten, dass EfFectivjahre
gemeint sind. Es wäre wünschenswerth diesen Daten weiter nach-
zugehen, wobei allerdings bei der für solche Untersuchungen nicht
hinreichend festgestellten Ueberlieferung der spanischen Concilien
die Handschriften heranzuziehen sein werden.
Anders verhält es sich wahrscheinlich mit den Vandalen. Wie
dieser Staat mit seiner gesetzlichen Successionsordnung und seiner
sonstigen formalen Normierung überhaupt eine Sonderstellung ein-
nimmt, so zeigt auch die Datierung nach vandalischen Königsjahren
theils durch ihren willkürlich gewählten Ausgangspunkt, theils durch
ihre Ausschliesslichkeit, dass sie auf Anordnung der Regierung ins
Leben getreten ist. Geiserich, König der Yandalen etwa seit dem
Jahre 428 und seit dem J. 429 in Afrika, datierte bekanntlich weder
von jenem noch von diesem Termin an, sondern von der Einnahme
Karthagos 19. October 439^; dieser Anfangstermin kann nur durch
eine von ihm selbst getroffene Bestimmung Geltung erlangt haben.
In diesem Reiche sind die königlichen Verordnungen allein nach
Königsjahren datiert ^ und ebenso zählt nach Königsjahren schon der
in Karthago selbst im J. 455 geschriebene Paschaltractat ^ und das
von dem gleichen Verfasser damals begonnene und acht Jahre später (53
«rweiterte Buch der Genealogieen *, so wie um 486 Victor von Vita ^.
1) Papencordt, Vandalen S. 78.
2) Bei Victor Vitensis 2, 13, 39 : data sub die XIII k. lun. anno septimo
Etmirici. Da dieser als Himmelfahrtstag bezeichnet wird, so hat Clinton zum
J. 483 mit Recht XIIII k. hergestellt; gemeint ist der 20. Mai 483. Auch die
gewiss officielle notitia der durch dieses Edict entboteuen Bischöfe ist datiert
Ä. Febf. anno octavo (so nach Victor 3, 4, nicht sexto) regis Hunirici. Auch
Münzen mit anno IUI und V anno sind mit Wahrscheinlichkeit dem Hunerich
beigelegt worden (Friedländer, Münzen der Vandalen S. 19). Africanische In-
schriften datieren ebenfalls mehrfach nach Königsjahren; Belege C. I. L. VIII
p.1060 und bei Cagnat rapport III n. 257 [C. I. L. VIII S. n. 11649]: sfub) d(ie)
VIII kl. Martias ano XIIII dfo)m(ini) r(e)g(is) T{ra)s(a)m(undi).
3) Zuletzt herausgegeben von Krusch , Studien zur Chronologie p. 279 fg.
c. 2: est annus praesens . . . a passione domini CGCCXXVI annus XVI regis.
Die Ansetzung des Osterfestes auf den 17. April beweist, dass der Ostertag von
455 gemeint ist; dieser fällt allerdings in Geiserichs sechzehntes Jahr 19. Oct. 454/5.
4) Dasselbe wird demnächst als Anhang zu dem Chronographen von 354 in
berichtigter Gestalt veröffentlicht werden [Chron. min. ed. Mommsenvol.I p.l54ff.].
5) Indess ist die Ansetzung der Einnahme Roms im Juni 455 auf das
15. Regierungsjahr Geiserichs bei diesem 1, 24 nach keiner Rechnung zu halten
und ein Versehen.
23*
356 ^^^ römisch -germanische Herrscherjahr.
Worauf ich aber yor allem Gewicht legen möchte, es scheint diese
Jahrbezeichnung unter vandalischer Herrschaft ausschliesslich in
Geltung gewesen zu sein, weder das consularische ^ noch das In-
dictionsjahr^ hier daneben vorzukommen. Unter den kürzlich in
Kleinleptis gefundenen Mosaikinschriften, deren ungefähre Gleich-
zeitigkeit nicht bezweifelt w^erden kann, finden sich zwei mit Jahres-
bezeichnung, die eine mit d. VIII k. Decem. Hierio et Artabure, also
vom 24, Nov. 427, die zweite mit die VI M. lulias anno XXVIIII,
hienach also vom 26. Juni 468 ^.
Wenn also die Datierung nach Königsjahren bei den Burgundern
und den Westgothen mehr facultativ und conventioneil erscheint, ist
die vandalische allem Anschein nach von Geiserich bald nach der
Einnahme Karthagos gesetzlich vorgeschrieben worden. Aber es
fragt sich, ob dieses vandalische Königsjahr zu fassen ist als Effectiv-
jahr eines jeden Herrschers, also das Neujahr mit jedem Thron-
wechsel sich ändert, oder ob das Neujahr des 19. October dafür als
festes gegolten hat. Jene Berechnung wird jetzt allgemein ange-
nommen; aber die zweite Ansetzung hat bei weitem grössere Wahr-
scheinlichkeit für sich. Allem Anschein nach hat Geiserich in seinem
Staat eine Jahrbezeichnung eingeführt, ähnlich wie in Spanien vom
1. Jan. 38 vor Chr., in Mauretanien von der Einrichtung der Provinz
1. Jan. 40 nach Chr. die Jahre gezählt wurden, nur insofern noch
weiter von der Reichsjahrbezeichnung sich entfernend, dass er für
das consularische Neujahr des 1. Jan. den Tag der Einnahme Kar-
thagos 19. Oct. gesetzt hat. Wenn er selbst, wie dies notorisch ist,
die Jahre also und nicht von dem Tage seines Regierungsantritts
an zählte, so ist kein genügender Grund vorhanden bei seinen Nach-
folgern ein verändertes Princip anzunehmen; ja die allerdings unter
diesen nur ein einziges Mal begegnende Jahrzählung ah ingressu
64 Carthaginis fordert dies mit zwingender Nothwendigkeit*. Gewöhn-
lich tritt diese Aera, eben wie die alexandrinische , welche dafür
1) Wenigstens ist meines Wissens bisher keine Inschrift und kein sonstiges
Document mit consularischer Datierung aus der Vandalenperiode zum Vorschein
gekommen.
2) Die mit Indictionen bezeichneten africanischen Inschriften scheinen
sämmtlich aus nachvandalischer Zeit zu sein (C. I. L. VIII p. 1061).
3) Eph. epigr. V n. 1166. VII n. 25. 26 [C. I. L. VIII S. n. 11127. 11128].
Die richtige Beziehung des Datums ist bisher auch von mir verfehlt worden.]
4) In dem Verzeichnis der vandalischen Könige der Handschrift der|
Madrider Universität n. 134 (Villanueva viage III, 306 [chron. min. III p. 459]):
ac sie agitur hodie LXXXIIII (überliefert ist BCCGIIIl) annus ab ingressui
Carthaginis. Gemeint ist das Todesjahr Thrasamunds 19. Oct. 522/3. |
Das römisch -germanische Herrscherjahr. 357
wohl als Muster gedient haben mag^, vielmehr auf in der Form
des Königsjahrs. Geiserich starb am 25. (?) Jan. 477, dem 38. nach
der Einnahme Karthagos. Dieses endigt 18. Oct. 477, und während
nach der jetzt gangbaren Berechnung Hunerichs zweites Regierungs-
jahr mit dem 25. Jan. 478 beginnen würde, hat hienach der König
bereits seit dem 19. Oct. 477 also datiert. Ich habe keine dia-
kritischen Daten gefunden, die für die eine oder die andere Zähl-
weise den Ausschlag gäben 2; vereinbar mit der hier vorgeschlagenen
sind die mir bekannten alle.
Aber wenn das vandalische Königsjahr selbst schwerlich ein
Effectivjahr gewesen ist, so hat es wahrscheinlich das justinianische
Effectivjahr veranlasst. Nachdem das Vandalenreich gestürzt und
Belisar am 14. Sept. 534 als Sieger in Karthago eingezogen war,
bezeichnet die wieder kaiserlich gewordene karthagische Münzstätte
ihre Prägung mit anno pr(imo), anno III, anno IIIl^, welche auch
auf einer Inschrift* als annus Kartaginis erscheinende Jahrzählung,
offenbar als Widerspiel zu der vandalischen an die Eroberung Kar-
thagos anknüpfenden Königsdatierung, von der Rückeroberung der
mächtigen Stadt ihren Ausgang nimmt und wahrscheinlich auch ihr
j Neujahr am 14. Sept. gehabt hat. Aber auf den Münzen geht diese 65
1) Wie diese gehandhabt ward, zeigen beispielsweise zwei im Berliner
Museum befindliche (nicht publicierte [jetzt bei Wilcken, Ostraka 2 S. 121 f.
11.422. 419]) Steuerquittungen aus dem aegyptischen Jahr 29. Aug. 67/8, dem
Todesjahr Neros. Die eine, datiert vom 16. Juni 68, geschrieben also, ehe Neros
Tod (9. Juni) in Aegypten bekannt war, bezeichnet das Jahr als das vierzehnte
Neros. Die zweite, geschrieben nachdem dieser Tod gemeldet war, datiert
schon für den 26. Sept. 67 auf Galbas erstes Jahr, obwohl dieser erst im Sommer
68 zum Kaiser ausgerufen ward. Also wurde, nachdem der Thronwechsel ein-
getreten war, nicht bloss von dem Tage desselben, sondern vom Anfang des
Jahres an das Jahr dem neuen Herrscher beigelegt. Mit der Aechtung des
Andenkens hat diese Einrichtung nichts zu schaffen, da in der letztgenannten
Urkunde das Vorjahr das 13. Neros heisst; es ist lediglich Vereinfachung der
Jahresbezeichnung durch Beseitigung des ausscheidenden Herrschers.
2) Dass Hunerich, der im Januar 477 zur Regierung kam, am 20. Mai 483
sein siebentes, am 1. Febr. 484 sein achtes Regierungsjahr zählte, verträgt sich
mit beiden Systemen.
3) Pinder und Friedländer a. a. 0. S. 37. Sabatier monnaies Byzantines
z. B. Taf. 16, 24. Münzen der karthagischen Officin mit den Jahrzahlen 5 — 12
kommen nicht vor; wenigstens haben die Herren Babelon, R. Stuart Poole und
V. Sallet auf meine Anfrage mir bestätigt , dass in den Kabinetten von Paris,
London und Berlin solche nicht vorhanden sind. Als provinziale ist die vom
14. Sept. 534 laufende Jahrzählung noch länger gebraucht worden, wie dies die
A. 4 angeführte Inschrift vom J. 557/8 zeigt.
4) C. I. L. VIII, 5262: sub die III kal Septemb. anno XXIIII Kartaginis.
358' ^^^ römisch -germanische Herrscherjahr.
Datierung nicht über das Jahr 537/8 hinaus. Augenscheinlich wird
sie abgelöst durch die am 31. Aug. 537 angeordnete allgemeine von
deöi Regierungsantritt anhebende Zählung der Kaiserjahre, welche
auf den Münzen der karthagischen Officin zuerst im 13. Regierungs-
jahr = 1. April 539/40 gefunden wird.
Also ist die Datierung nach dem Effectivjahr des Herrschers
im Anschluss an die Einrichtung Geiserichs nach der Einnahme
Karthagos in Constantinopel eingeführt worden, von wo aus sie
weiter im Mittelalter sich verbreitet hat.
XIX.
A e r a.*)
Für das räthselhafte Wort aera sind neuerdings inschriftliche 271
Zeugnisse zum Vorschein gekommen, die uns dasselbe in älterer Zeit
und in anderer Beziehung vorführen, als die bisher bekannten, und
welche von denjenigen, die sich mit diesem Gegenstand beschäftigen,
nicht übersehen werden dürfen.
Eine Gruppe spanischer Inschriften^ bedient sich einer Zeit-
rechnung, welche einmal als aer(a) co(n)s(uhim)^, einmal als aera'^,
häufiger mit cos. oder cöws. *, also mit consulum (wobei aera wohl
hinzuzudenken ist) bezeichnet wird, immer mit darauf folgender Jahr-
zahl; auf den uns erhaltenen Steinen ist die niedrigste Ziffer CCCXYI,
die höchste CCCCXXCII^. Ihrem Fundort nach gehören die In-
schriften der Mehrzahl nach der Landschaft Asturien, eine einzige^
Cantabrien an; das übrige Spanien kennt diese Jahrzählung nichts
*) [Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 18
(1893) S. 271—273.]
1) Zusammengestellt, jedoch nicht ohne Fehler, von E. Hübner in dem
Supplementband II. des Corpus inscriptionum Latinarum p. 1112, vgl. praef.
p. LXXXVIII.
2) C. I. L. II, S. 5683 (sicherer Lesung) : . . . Fla(i-io) Avito Sup . . . Sup . . .
an(norum) LXI. Sem(pronia?) Pla(dda ?) p(atri?) pientissim(o) pos(uit) aer(a) co(n)-
s(ulum) CCCLXllI. S(it) t(erra) l(ems).
3) C. I. L. II, S. 5744 (sicherer Lesung) : posuit Severa matri suae Dovidenae
annorum LV aera CCCCLXXIV.
4) C. I. L. II, S. 5752: cos. CCCXVI; das. 2714 = 5732 (sicherer Lesung):
COS. CCCXXIIX; das. 2713: cos. CCCXXXIIX; das. 2918: cons. CCCG; das. 5738:
c. CCCGXXCIL
5) Die Inschrift C. I. L. II, 2707 = 5729 angeblich mit [er]ae CL . . . ist
in Lesung und Ergänzung völlig unsicher.
6) C. I. L. II, 2918 aus der Gegend von Bilbao.
7) Von der Inschrift n. 5683, jetzt im Museum von Leon, ist der Fundort
unbekannt. Die Inschrift n. 2833, angeblich schliessend mit anno COLI, ist
360 Aera.
Die Steine, sämmtlich einfache Grabschriften mit Datierung, ergeben
anderweitige feste chronologische Anhaltspunkte nicht; indess können
sie, da einerseits der Geschlechtsname der Flavier mehrfach auftritt,
andrerseits jede Spur des Christenthums mangelt, mit Sicherheit dem
2. und 3., allenfalls noch der ersten Hälfte des 4. Jahrh. unserer
Zeitrechnung zugetheilt werden.
272 Der Ausgangspunkt dieser spanischen Jahrzählung kann, da sie
sich selbst als 'consularische' bezeichnet, nur dasjenige Jahr sein, in
welchem die römische Republik ihre Herrschaft auf dies Gebiet er-
streckt hat. Bezieht man dies auf das Eintreten der Römer in die
iberische Halbinsel 535 d. St., 219 v. Chr., so fällt die älteste vom
J. 316 datierte Inschrift in das J. 97, die jüngste vom J. 481 in das
J, 263 n. Chr., und vor diese Ziffern wenigstens kann man nicht
zurückgehen. Aber da diese Inschriften nicht in Spanien allgemein,
auch nicht allgemein in der tarraconensischen Provinz auftreten,
sondern lediglich in dem von der übrigen Halbinsel durch hohe Ge-
birge getrennten asturisch-cantabrischen Küstensaum, so wird wahr-
scheinlich die Aera auf die Unterwerfung dieses Theilgebiets zu be-
ziehen sein, ebenso wie die in dem östlichen Theil der Provinz Asia
gebräuchliche Jahrzählung auf die durch Sulla bewirkte Yergrösserung
der Provinz zurückgeht. Aber an den Krieg, durch welchen Augustus
in den J. 728. 729 = v. Chr. 26. 25 diese Landschaften definitiv zum
Reiche brachte, kann unmöglich gedacht werden, da alsdann die
älteste jener Inschriften in 291, die jüngste in 457 n. Chr. fallen
würde. VermuthUch ist die Herrschaft der Römer über die asturisch-
cantabrische Küste nominell in der Epoche zwischen dem hanni-
balischen Krieg und Augustus proclamiert und sind danach später
hier die 'Consuljahre' gezählt worden; füglich könnte man an das
Jahr 616 d. St. = 138 v. Chr. denken, in dem D. Junius Brutus die
römische Herrschaft bis zum atlantischen Meer erstreckte und sich
den Beinamen des Galliciers (Callaecus) gewann; damit würde man
für die Inschriften auf die Zeitgrenze 179 — 345 n. Chr. gelangen.
Indess bestimmten Aufschluß können nur weitere Funde geben.
Entschieden aber wird durch diese relativ alten Zeugnisse ein-
mal, dass die Schreibung des Wortes mit dem Diphthong die richtige
ist, wie sie denn auch durch die Isidorische Etymologie gefordert
wird ^; dass die handschriftlichen wie die inschriftlichen Texte der
Spätzeit weder dafür noch dagegen beweisen, versteht sich von selbst.
nicht bloss ganz unsicherer Lesung, sondern auch schon nach dem Fundort — sie
stammt aus der Gegend von Soria — durchaus von dieser Gruppe zu sondern. |
1) Isidor etym. 5, 36, 4 : dieta aera ex eo, quod omnis orbis aes reddere pro-
fessus est rei publicae. Ebenso de nat. rer. 6.
Aera. 361
Zweitens wird die immer noch vorgebrachte Hypothese, dass
das Wort gothischen Ursprungs und unserem 'Jahr' stammverwandt
sei ^, nun definitiv zu den Acten gelegt werden können. Da auch die
Herleitung des Wortes aus dem Lateinischen philologisch unmöglich
ist 2, so werden wir in dem zuerst in Asturien auftretenden Worte
wohl ein einheimisches iberisches zu erkennen haben, das in das 273
Lateinische übergegangen ist ähnlich wie acnua und arepennis.
Schon in diesem ältesten Kreise tritt die Bedeutung Jahr so ent-
schieden hervor, dass davon wohl auszugehen ist und die spätere
Verwendung für andere Zeit-^ und selbst für Buchabschnitte* ver-
muthlich als secundäre anzusehen sein wird.
Die Frage über die Entstehung der mit dem J. 38 vor Chr.
anhebenden aera domini wird durch das Auftauchen der älteren aera
consulum nicht weiter berührt; mir scheint Hellers Annahme, dass
jene aus dem 84 jährigen Cyclus hervorgegangen ist^, alle Wahr-
scheinlichkeit für sich zu haben.
1) Ideler, Chronologie 2,430. Grotefend, Handbuch der hist. Chronologie
S.23f. Krusch, Studien S. 143.
2) Angenommen wird sie von Heller in Sybels histor. Ztschr. 31, 31.
3) Krusch, Studien S. 143 [Ritterling, Rhein. Mus. N. F. 59 (1904) S. 56 ff.].
4) Brunner, Rechtsgesch. 1, 330 [2. Aufl. S. 482].
5) A. a. 0. S. 24.
XX.
Ostffothische Studien.*)
"ö'
225 Die hier zusammengestellten Abhandlungen sollen, soweit es in
massigen Grenzen ausführbar ist, die wichtigeren staatlichen Ord-
nungen darlegen, welche in Itahen und den damals dazu gehörenden
Gebieten unter den germanischen Königen von dem Auftreten Odo-
vacars im J. 476 bis zu der Gefangennahme des Witiges im J. 540
gegolten haben und nicht einfach als Fortsetzung der früheren Ver-
hältnisse sich darstellen. Diese Länder haben damals nicht weniger
einen Bestandtheil des römischen Reiches gebildet wie nachher unter
lustinian und zum Theil auch unter seinen Nachfolgern, und was
von germanischen Institutionen sich daselbst vorfindet, muss inner-
halb dieses Rahmens erwogen werden. Ueber das Princip wird unter
Einsichtigen heutzutage kaum ein Streit sein; aber die Consequenzen
sind keineswegs in vollem Umfang gezogen. Man giebt wohl zu,
dass die Consuln von Byzanz auch für den Westen ernannt werden;
aber die Millena bleibt die germanische Tausendschaar, die Tuition
die germanische Mundschaft. Die einzelnen in der Ueberlieferung,
namentlich den Väriae Cassiodors uns entgegentretenden Institute
auf ihren römischen Zusammenhang zu prüfen wird in doppelter
Hinsicht nicht überflüssig sein. Dem römischen Forscher bietet
diese letzte Periode der Römerherrschaft im lateinischen Europa
manche alte Bildungen unter verändertem Namen, auch einzelne
wirklich neue Institutionen, die man allzu wenig bemüht gewesen ist
in ihrem Anschluss oder in ihrer Eigenart zu verfolgen. Auch der
Germanist ferner ,wird wenigstens principiell einräumen, dass bei
jeder Einrichtung dieser Epoche zunächst nach ihrer Stellung zu
der römischen Organisation gefragt werden sollte. Ich mache nicht
*) [Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 14
(1889) S. 225—249. 453-544. Nachträge ebd. 15 (1890) S. 181 — 186.]
Ostgothische Studien. 363
den Anspruch schwierige und vielbestrittene Probleme des deutschen
Alterthums zu lösen; ich will nur zu zeigen versuchen, was in dem
bezeichneten Kreise römisch oder nicht römisch ist.
226
Die Consulardatirung des getheilten Reiches.
Zu den wenigen Institutionen, welche im römischen Staat bei
getrenntem obersten Regiment den Reichstheilen gemeinschaftlich
blieben, gehört das Consulat und die von demselben abhängige
officielle Jahresbezeichnung. Für die gegenseitige Stellung der
wesentlich von einander unabhängigen coordinirten Regierungen so
wie für diejenige des italischen Königthums zu der kaiserlichen Re-
gierung von Constantinopel ist die Harmonie wie die Differenz der
Jahresdatirung ein wichtiger Messer, und es sollen, im Anschluss an
die bahnbrechenden Untersuchungen Giambattista de Rossis^, diese
Beziehungen hier dargelegt werden.
Welche Rückwirkung die verschiedenen Reichstheilungen auf
die gemeinschaftlich bleibenden Institute, insbesondere die Gesetz-
gebung und die Consulardatirung ausgeübt haben, tritt in unserer
geringhaltigen Ueb erliefe rung wenig hervor. Zu unterscheiden ist
in Beziehung auf die letztere die Ernennung der Consuln und die
Publica tion.
Die Consuln sind, so lange sie bestanden haben, immer Beamte
des Gesammtreichs geblieben; während alle übrigen Beamten für
einen engeren Sprengel bestellt sind, hat es im Rechtssinn nie weder
einen Consul für den Orient noch einen Consul für den Occident
gegeben, sondern nur Consuln für das Gesammtreich. Wenn dies
einem einzigen Kaiser gehorchte, ernannte dieser beide Consuln; bei
coordinirten Kaisergewalten muss die Ernennung entweder einem
von ihnen als Präcipualrecht zugewiesen oder Alternirung oder auch
1) Insbesondere kommt hier in Betracht dessen zusammenfassende Aus-
einandersetzung in den Inscr. Christ, urbis Bomae I (1861) p. XXV ff. Meine
Untersuchung bezweckt die principiellen Normen von dem massenhaften Detail
befreit zu entwickeln. Die mit umfassendster Kenntniss und mit unvergleichlichem
Scharfsinn von Rossi gefundenen Ergebnisse sind durchgängig von den späteren
Forschern, insbesondere von Binding (in seiner sorgfältigen Zusammenstellung
der burgundischen Jahresbezeichnungen: Burg.-roman. Königreich I, 309 ff.)
acceptirt worden und auch ich habe bei eingehender Prüfung Veranlassung von
ihnen abzuweichen nur in wenigen Punkten, wohl aber manches zu ergänzen
gefunden.
364 Ostgothieche Studien.
Theilung und Cooperirung dabei eingetreten sein^. Festsetzungen
darüber werden schon für die Epoche des ungetheilten Reiches ge-
troffen worden sein, seitdem Kaiser Marcus die höchste Stelle der
CoUegialität geöffnet hatte; sie können noch weniger gefehlt haben,
als Diocletianus den Maximianus sich beigesellte, als die drei Söhne
227 Constantins das väterliche Kaiserreich unter sich theilten, als Valen-
tinian dem Bruder, Theodosius seinen Söhnen die Gebiete zuschied
und mögen im einzelnen Fall in sehr verschiedener Weise ausgefallen
sein. Gemeldet wird über dieselben nichts, und es ist dies nicht
Zufall; es sind dies Abmachungen unter den coordinirten Herrschern,,
welche dem Publikum zwar nicht verborgen bleiben konnten, aber
ihm gegenüber nicht eingestanden wurden: die Ernennung unterschied
nicht zwischen den Augusti, sondern erfolgte im Namen aller. Im
Besonderen ersehen wir, dass die Consuln für das J. 351 beide von
Magnentius in Rom ernannt wurden und im Herrschaftsgebiet des
Constantius, da er diese Ernennungen nicht anerkannte, das ganze
Jahr postconsularisch datirt ward; was nur verständlich ist unter der
Voraussetzung, dass die Bestellung beider Consuln für dieses Jahri
von Rechtswegen dem Westen zukam. Für 379 sind beide von
Kaiser Gratianus ernannt worden 2; es kann die exceptionelle Lage»
des Reiches — diese Ernennung erfolgte nach der Katastrophe des
Valens und vor der Ernennung des Theodosius und der nominelle ^
Herrscher des Westens war damals ein Kind — dabei eingewirkt
haben, aber es ist ebenso möglich, dass dem Gratian, damals dem
älteren Kaiser, nach den bestehenden Abmachungen die Ernennung
beider Consuln für dieses Jahr oder auch überhaupt zukam. Nicht
lange darauf finden wir, vielleicht nach Theodosius Anordnung, die
Ernennung getheilt: für das Jahr 399 ist der eine Consul von dei
östlichen, der andere von der westlichen Regierung creirt worden'
1) Principiell würde das Wesen der CoUegialität auf Doppelernennung mi
gegenseitigem Veto fuhren; aber schwerlich ist diese Consequenz für den Prinj
cipat gezogen worden. Vgl. Staatsrecht 2*, 1170.
2) Ausonius grat. act. 3, 13. 9, 43. 12, 55. 57: cum prior renuntiatus sinj
satis est tuum tenere iudicium; carm. 3, 37: prior indeptus fasces Latiamque cwuleii
consul collega posterim'e fui. Priorität fordert Renuntiation durch dieselbe Stell« 1
Vgl. Staatsrecht 2», 90. I
3) Dass von den beiden Consuln dieses Jahres Eutropius von Arcadius ej
nannt und von Honorius und Stilicho nicht anerkannt ward, ist bekannt. D<
zweite Consul Theodorus gehört nicht bloss dem Westen an, sondern verdanlj
auch seine Ernennung den Machthabem desselben (Claudian de Theodori conj
256 ff.).
Ostgothische Studien. 365
und es muss dies damals das regelmässige Verfahren gewesen sein ^.
Dass von da an die Ernennung regelmässig durch Cooperation der
beiden Reiche vollzogen worden ist, steht vollkommen fest; auf die
allerdings zahlreichen Ausnahmen werden wir weiterhin zurück-
kommen.
Verschieden von der Ernennung ist die Publication. Sie kann
nicht anders erfolgt sein als durch Erlasse der Regierung an die
höchsten Reichsbeamten und wohl auch an das Publicum im Wege
des Edicts^; bei getheilter höchster Gewalt muss sie nothwendig in 22S
jedem Reichstheil von dessen Regierung vorgenommen oder an-
geordnet worden sein^. Davon zeigen sich auch die Spuren. Als
im J. 392 in Rom Eugenius zum Kaiser ausgerufen ward, nahm er,
dem Kaiserrecht gemäss, das Consulat für 393 in Anspruch, das
natürlich im Ostreich so wenig wie sein Kaiserthum selbst anerkannt
wurde. Von den eben erwähnten Consuln des J. 399 ist der des
Ostens Eutropius, der Gegner Stilichos, im Westen als Consul nicht
anerkannt, sein Name hier nachweislich schon bei der Publication
unterdrückt worden*. Wie die Ernennung auch geordnet war, immer
konnte jede Regierung sich weigern ihr so, wie die andere es for-
derte, Folge zu geben, und wenn sie dazu schritt, bestimmte sie
i natürlich zugleich, was dafür eintreten sollte; wie denn in dem
1 ersten Falle der Osten dem Eugenius einen anderen Consul sub-
i stituirte, im zweiten die Machthaber des Westens nur einen Consul
j publicirten. Differenzen in dieser Hinsicht begegnen auch, wo kein
Conflict zu Grunde liegt. Nachdem der für 413 in Aussicht ge-
j nommene Consul Heraclianus sich gegen die Regierung des West-
' reichs aufgelehnt hatte, wurde im Occident die Publication auch des
1) Darauf führt besonders Claudians Vergleichung der Consulernennung
mit der Sendung zweier blitzbewalFneter Adler ah eois oceiduisque plagis (praef.
de consulatu Theodori 11 ff.).
2) Die Meldungen der neuen Consuln erfolgten durch herumgeschickte kaiser-
liche Boten (C. Th. 8, 11, 1. C. Tust. 12, 63, 2).
3) Einen merkwürdigen Beleg für die ungleichzeitige Publication der neuen
Consulate in den verschiedenen Sprengein derselben Reichshälfte geben die
Verordnungen des Jahres 382: alle orientalischen und alle italischen haben die
Consuln dieses Jahres von Anfang an, aber zwei africanische vom März und
April (C. Th. 11, 16, 13. 12, 12, 8) und eine illyrische (C. Th. 12, 1, 89) vom Juli
datiren nach dem Postconsulat; in diesen Provinzen also hatte sich die Publi-
cation der Consuln bis dahin verzögert.
4) Claudian de cons. Theodori 266: non hie violata curulis, turpia non Latios
incestant nomina fastos; de cons. Stilich. 2, 301 : quaecumque profana pagina de
primo venisset limine Phoebi, ante fretum deleta mihi, ne turpia castis auribus
Italiae fastarum exempla nocerent.
366 Ostgothische Studien.
anderen Consuls unterlassen oder zurückgenommen und also dort
postconsularisch datirt^, im Orient dagegen das Jahr nach dem
andern Consul allein benannt.
Aber die nothwendige rechtliche Selbständigkeit der Publication
in jeder Reichshälfte schliesst nicht aus, dass dabei möglichste Con-
formität angestrebt ward; im Gegentheil lag es im Wesen des In-
stituts die Consulpaare in jedem Reiche gleichmässig zu ordnen.
Bei ungetheilter Ernennung ergab sich dies von selbst; aber auch
bei getheilter Ernennung ist die paarweise Publication noch längere
Zeit festgehalten worden, hat man die des im eigenen Reich in Aus-
sicht genommenen Consuls so lange unterlassen, bis auch der andere
229 Name eingegangen war und hinzugefügt werden konnte. Yerzögerte
sich die Publication des neuen Consulpaars über den Jahresanfang
hinaus, so datirte man bis weiter nach dem alten postconsularischi
Es muss dies bis zum Anfang des fünften Jahrhunderts geschehei
sein. Durch das gesammte vierte Jahrhundert hindurch treten die'^
Consuln in allen massgebenden Documenten paarweise auf und
können die relativ seltenen Datirungen nach einem einzelnen Consul
ohne Bedenken auf nachlässige Verkürzung zurückgeführt werden.
Die Paare treten ferner in der gesammten Ueberlieferung in der
gleichen Folge auf, ohne dass hierin ein Schwanken wahrgenommen
wird. Von der letzteren Regel macht allerdings eine Ausnahme das
Jahr 381: von dessen beiden Consuln Syagrius und Eucherius steht
in den Verordnungen, Inschriften und Listen mit verschwindenden
Ausnahmen im Westen der erste 2, im Osten der zweite an erster
Stelle^. Diese Wahrnehmung, namentlich verglichen mit dem weiter-l
hin zu entwickelnden gegensätzlichen Verhalten der Datirung desi
fünften Jahrhunderts, fordert als Regel für das vierte die paarweise {
Publication; die successive würde, wäre sie schon damals üblich ge-j
1) Die beiden Lucio v. c. consule datirten occidentalischen Verordnunger
C. Th. 6, 26, 16. 11, 27, 7 sind ohne Zweifel nach dem später in den Fasten auclj
des Occidents recipirten orientalischen Schema corrigirt. [
2) Diese Folge haben von den 16 weströmischen Verordnungen, die del
Theodosische Codex aus diesem Jahre aufführt, 13 (abweichend C. Th. 15, 7, 61
7. 9) und ebenso die S. 365 A. 3 angeführten drei vom J. 382 mit dem Postl
consulat; ferner die Acten des Concils von Aquileia; desgleichen alle Consularj
tafeln des Westens (fortgesetzte Ostertafel des Chronographen von 354; posf
hieronymische Consularliste; Prosper mit seinen Ausschreibern; Idacius) unj
sämmtliche lateinische Inschriften (Rossi I p. 598). I
3) Dies gilt unter den 24 oströmischen Verordnungen des Theodosische | ;
Codex von 21 (abweichend 11, 39, 8. 16, 5, 8. 16, 7, 1), von den Acten des Conci)
von Kalchedon (daraus Sokrates bist. eccl. 5, 8) und von den östlichen Listen de
Marcellinus und der Florentiner; abweichend ist nur die Paschalchronik.
Ostgothische Studien. 367
wesen, sicher auch hier ihre Spuren hinterlassen haben. Davon ist
auch im Jahre 381 nicht abgewichen, sondern nur bei der PubHcation
in jedem Reich eine verschiedene Ordnung befolgt worden, wahr-
scheinlich weil über die Rangstellung der beiden Consuln eine
Einigung nicht erreicht werden konnte.
Diese Verbindung der Publication des Consuls eigener und des
Consuls fremder Ernennung ist späterhin aufgegeben und das ent-
gegengesetzte System der successiven Yeröffentlichung erst des selbst
ernannten und dann des aus dem andern Reich gemeldeten Consuls
an die Stelle gesetzt worden. Gemeldet wird uns darüber nichts;
aber die weiterhin entwickelten Besonderheiten der Consulardaten
des fünften Jahrhunderts, die damit eintretende officielle Hinweisung
auf die Nuntiation, die häufige und nicht mehr durch blosse Nach-
lässigkeit zu erklärende Datirung nach Einzelconsulaten , und zwar 230
anderer im Westen und anderer im Osten, endlich die bald hinzu-
tretende ständige Ungleichheit der Folge in den occidentalischen
und den orientalischen Listen beweisen die plötzlich hierin ein-
tretende Umgestaltung. Nach den chronologischen Anzeichen werden
wir die Ersetzung der paarweisen Publication der Consuln durch die
successive auf den tiefen Riss zurückführen dürfen, der in Stilichos
Zeit zwischen den beiden Reichshälften eintrat. Eines Staatsvertrages
bedurfte es dazu nicht, da die Befugniss zu solchem Verfahren aus
der rechtlichen Selbständigkeit der Publicationen abgeleitet werden
konnte; aber sie ist allerdings ein politisches Ereigniss, eine Lösung
fast des letzten noch festgehaltenen Rests der ehemaligen Reichs-
einheit.
Die Ausschliessung des Eunuchen Eutropius von der Publication
für 399 im Westen, obwohl an sich eine rein personale Maassregel,
hat, wie dies Rossi richtig erkannt hat, diese Umgestaltung der con-
sularischen Publication zunächst herbeigeführt. Wahrscheinlich hat
. schon für die beiden Folgejahre 400^ und 4012 dieselbe wenigstens
im Occident successiv stattgefunden. Sicher ist dies im J. 404 in
beiden Reichen geschehen: Prosper hat in seiner Chronik nach dem
nicht interpolirten Text nur Honorius cos. VI aufgeführt, Rom also
1) Dass die zaWreichen stadtrömischen Grabschriffcen dieses Jahres (Rossi
n. 484 — 493) nur den Consul Stilicho nennen, nicht den orientalischen Consul
Aurelianus, lässt kaum eine andere Auffassung zu, als dass dieser nicht gleich-
zeitig mit jenem publicirt ward.
2) Da zwei Grabschriften dieses Jahres vom 11. Jan. und 11. Febr. (Rossi
494. 495) nur den Consul Vincentius nennen, vier spätere von Febr./März bis
Sept. (Rossi 496. 497. 499. 500) daneben den Fravitta, so sind wahrscheinlich
auch diese beiden Consuln nicht gleichzeitig in Rom zur Publication gelangt.
368 Ostgothische Studien.
zu Anfang des Jahres den Consul des Ostens nicht gekannt^; um-
gekehrt erklärt Synesios in einem in demselben Jahre in Kyrene
231 geschriebenen Brief nur den Namen des Consuls Aristaenetus zu
kennen 2. Erweislich ist ferner successive Publication für die Consuln
der Jahre 414^, 416* und 419^, während die paarweise, wie wir
1) Wann die zweite Publication in Rom stattgefunden hat, steht dahin.
Die zahlreichen orientalischen wie occidentalischen Verordnungen des Jahres,
beginnend im Orient mit dem 29. Jan. (C. Th. 16,4, 4), im Occident mit den»
26. Febr. (C. Th. 8, 5, 65), nennen beide Consuln ; ebenso ein Schreiben des Papstes
Innocentius vom 15. Febr. (JaiFe 286 = concil. Galliae I, 307). Dagegen fehlt
der zweite Consul in sämmtlichen zahlreich vorhandenen stadtrömischen Grab-
schriften, Also ist entweder in allen jenen Urkunden der zweite Consul inter-
polirt oder es haben ihn die römischen Fossoren trotz der Publication beharrlich
ignorirt. Rossi p. XXXV entscheidet sich für die erstere Alternative ; indess ;
ist namentlich bei dem Papstschreiben Veranlassung für einen derartigen Nach-
trag nicht zu erkennen. Vielleicht ist die zweite Annahme weniger gewaltsam;
dass die in Rom gangbare Liste den Aristaenetus nachzutragen unterliesa,
beweist Prosper und es ist glaublich, dass die Concipienten der Grabschriften
von dieser abhängen.
2) Synesios ep. 133: x^^kg xal TiQwrjv snl twv evayyog vnäxwv, wv äreQÖg iaziv
'Agiazaivezog (tov yaQ ovvdgxovra äyyocöj, xataaEorjfiaofisvrjv ixofj,iodfiT]v imoroX^v zo
oov . . . sniyEyQafifievriv ovo/na , das heisst 'ich habe kürzlich einen versiegelten
Brief empfangen', nicht 'einen kürzlich versiegelten Brief; die Zeitbezeichnung
ist hinzugesetzt, um dem Freunde die Verspätung seines undatirten Schreibens
zu erläutern.
3) Das Schreiben des Papstes Innocentius vom 15. December (Jaffe 303 =
Leonis opp. ed. Ballerin. 3, 188) und zwei occidentalische Verordnungen (C. Th.
2, 16, 3. 15, 7, 13) nennen nur den Constantius; dass in den übrigen wenigstens
des Occidents der orientalische Consul Redactionszusatz ist, ist hier ausser
Zweifel, da von den zusammengehörigen Erlassen C. Th. 2, 16, 3. 4, 22, 6 nur
der zweite ihn hat. Vgl. Olympiodor fr. 23 : Kcovazävxiog Sioiyvazog ndXai ysyovojg
vjiazog xazd zrjv 'Pdßevvav jigosg^szai, fie&' ov xaxd zrjv Kcovozavzivovnokiv vnaxsvei
Kcövazag.
4) Eine Verordnung des Orients C. Th. 6, 32, 1 vom 8. Februar 416 ist datirt
Tlieodosio Aug. VII et qui fuerit nuntiatus; drei ältere oströmische 6, 26, 17
6, 27, 18. 7, 13, 21 nennen dafür den Consul des Westens, ohne Zweifel in Folg(
redactioneller Correctur. Der ursprünglichen Datirung entsprechend ist eir
Brief des römischen Bischofs Innocentius vom 2. Juni 416 (Jaffe 312 = Maus;
3, 1050) datirt lulio Quarto et Palladio, verschrieben statt lunio Quarto Pdlladio
Die Subscription eines früheren Papstschreibens vom 15. März (Jaffe 311 = Leonii
opp. 3, 198) ist verdorben oder interpolirt.
5) Drei päpstliche Schreiben von ganz verschiedener Ueberlieferung, voni
16. Apr. nach Africa (Jaffe 348 = Mansi 4, 451), vom 13. Juni nach Galliei!
(Jaffö 349 = conc. Gall. 1, 367) und vom 19. Sept. nach Illyricum (Jaffe 350 =|
Mansi 8, 754) sind datirt Monaxio v. c. consule; da in diesen Urkunden wil]küt|
liehe Verkürzung der Datirung nicht wohl angenommen werden kann, so scheinl
I
Ostgothische Studien. 369
sehen werden, auch späterhin ausnahmsweise vorkommende Publi-
cation in gleichem Verhältniss auch während der beiden ersten De-
cennien des fünften Jahrhunderts eingetreten sein mag. Mit dem
J, 421 kommt die verschiedenzeitige Publication der beiden CoUegen
äusserlich zum Vorschein, indem von da an regelmässig (von den
Ausnahmen weiterhin) in den Consularlisten einer jeden Reichshälfte
der aus dieser hervorgegangene Consul an erster Stelle steht.
Förmlich aufgegeben freilich ward die Gemeinschaftlichkeit des
Consulats damit nicht. Die Jahresbezeichnung durch einen einzelnen
Consul, die nach der älteren Ordnung nur unter exceptionellen Ver-
hältnissen vorkommen konnte, wurde durch die neue sehr nahe ge-
legt; dennoch erkennen wir deutlich, dass man es zu dieser dem
Wesen der Institution zuwiderlaufenden Consequenz nicht kommen
lassen wollte. In der legalen Datirung ist dies in der That bis zum 232
Zusammenbruch des Westreichs mit wenigen Ausnahmen vermieden
worden. Auch ferner wird jeder Consul in jedem Reichstheil publi-
cirt; auch ferner setzt sich die officielle Jahresbezeichnung in jedem
Reich aus beiden Consuln zusammen. Es stellt sich dafür sogar
eine neue Formel ein: hatte man bis dahin entweder consularisch
oder bei dem Verspäten oder Unterbleiben der Publication des
neuen Consulpaares postconsularisch datirt, so wurde jetzt für den
Zeitraum zwischen der Publication des ersten und derjenigen des
zweiten Consuls die Formel aufgestellt Ulo consule et qui de Oriente
'oder de Occidente) fuerit nuntiattis^ oder gewöhnlich bloss et qui
fuerit nuntiatus'^. Die Nuntiation selbst, die officielle Benach-
auch in diesem Jahr zuerst Monaxius allein in Eom publicirt zu sein. Freilich
-timmt dazu nicht genau die römische Grabschrift vom 4. Sept. mit beiden
Consulnamen Rossi 608 und was weiter dort angeführt wird.
1) Diese volle Form hat die Mailänder Inschrift vom J. 439 CT. L. V, 6268
[= Dessau 1291]; et qui de Oriente die Liste des Idacius unter den J. 459. 461. [Vgl.
Chronica minora III p. 533 z. J. 452 und die Syrakusaner Grabschrift aus dem-
selben Jahr (Orsi, Rom. Quartalschrift 1896 S. 49: imaria'EQxovhavov xal ijrig ajio
nvaxoX^g firjvv&rjoetm). Die Formel de Occidente ist bisher nicht bezeugt. DESSAU.]
2) C. Th. 6, 32, 1 vom 8. Februar 416 (vgl. S. 368 A. 4). — Ferner vom J. 480
0. Th. 10, 10, 34 — vom J. 431 C. Th. 9, 45, 4, wo die schlechteren Handschriften
den fehlenden Consul interpoliren — vom J. 435 C. Th. 6, 28, 8. 16, 5, 66 — vom
J. 438 nov. Theod. II 1 — vom J. 447 nov. Theod. II 2 — vom J. 449 kaiserliches
Schreiben vom 15. Mai an den Dioskorus Hänel corp. leg. p. 252 — vom J. 451
Concil von Kalchedon mehrfach ; kaiserliches Schreiben vom 23. Mai an Anatolius
H&nel corp. leg. p. 251 = Maassen Quellen des canon. Rechts 1, 328; vom 18. Dec.
an Leo Mansi 8, 765 — vom J. 452 kaiserliche Schreiben vom Jan., März, Juni,
Juli Maassen a. a. 0. 1, 330. 331 — vom J. 459 Statthalterschreiben vjiaxiag <PA.
HaxQixiov tov XafXJiQ. xal tov örjkcoürjoof^evov C. L Gr. 3467.
MOMMSEN, SCHR. VI. 24
370 Ostgothische Studien.
richtigung des Regenten des andern Reichstheils von der in Aussicht
genommenen consularischen Ernennung war nichts Neues, neu aber
ihr Hervortreten in der legalen Datirung und ein deutliches Kenn-
zeichen der dabei eingetretenen organischen Aenderung.
Auch die officielle Folge der beiden Namen ändert sich nicht.
Diese wird im Allgemeinen durch das Rangverhältniss bestimmt und!
wie die Kaiser allen übrigen und unter den Kaisern die älteren den
jüngeren vorgehen, wie die Prinzen, Gratian 366, Yalentinian 369,
Honorius 386, auch wohl Anastasius 517 und lustinianus 521 den
Yorrang vor den Privaten haben, so werden diese unter sich eben-
falls nach der Rangordnung gestellt worden sein. Allerdings be-
stimmt, in so weit die Publication paarweise erfolgt, die dabei be-
obachtete Folge den Yorrang (S. 364 A. 2), aber sicher ist durch
diese Folge der Regel nach nur die Rangfolge zum Ausdruck ge-
bracht worden, wenn gleich einzeln aus persönlichen Rücksichten
davon abgewichen sein mag. Es müsste befremden, wenn in Folge
der successiven Publication hievon abgegangen und dem frühei
publicirten Consul der Yorrang eingeräumt worden wäre; und ei
lässt sich auch nachweisen, dass die officiellen Documente einei
233 derartigen Yorrang nicht kennen. Nicht bloss Kaiser und Prinzen!
werden in den Consulardaten des fünften Jahrhunderts regelmässigi
nach ihrem Rangplatz gestellt, sondern es geschieht dies auch bei|
den Privaten. Für die Jahre mit nachweislich successiver Publi-
cation besitzen wir kaiserliche Urkunden mit doppelten Consul- 1
nameni und aus beiden Reichen ^ nur von 421 3, 423*, 432 5, 442^.
1) Urkunden mit einfachen Namen beweisen natürlich niclits, wie zum
Beispiel im J. 459 die Verordnungen Leos nur Patricius, die Maiorians nui
Ricimer nennen.
2) Urkunden der einen Reichshälfte allein, wie von 434 die des Ostreichi
mit Areobinda et Aspare, können nichts entscheiden.
3) Eustathio (Osten) et Agricola (Westen) Verordnungen des Ostens C. Th
16, 2, 45; des Westens C. Th. 2, 27, 1. 3, 16, 2. 4, 15, 1. 9, 42, 23. 10, 10, 29. 30.
4) Asdepioäoto (Osten) et Mariniano (Westen) finden sich datirt 10 west
römische, 22 oströmische Verordnungen des Theodosischen Codex.
5) Aetio (Westen) et Valerio (Osten) sind datirt die weströmische Verord
nung C. Th. 11, 2, 36 und die oströmische 6, 24, 11. In dieser haben zwar unser
Ausgaben Valerio et Aetio, aber die beste Handschrift schreibt Attico et Valerik
und auch der Justinianische Codex 12,17,2 hat, ich weiss nicht woher, di
richtige Folge. i
6) Dioscoro (Westen) et Eudoxio (Osten) ist datirt die Novelle Valerj.
tinians III. 7,2, post consulatum Dioscori et Eudoxii die des Theodosius 22, |
Die entgegenstehende Folge haben freilich die VO. des Justinianischen Codel;
2, 7, 9. 3, 26, 11. 10, 30, 3. 10, 32, 60, aber diese Subscriptionen sind alle schleclj
beglaubigt.
Ostgothische Studien. 371
463^ und 465 2; sie alle stimmen in der Folge der beiden Namen
überein und beweisen also, dass der eigene Consul ebenso wohl an
die zweite wie an die erste Stelle kommen konnte. Die entgegen-
stehenden urkundlichen Zeugnisse sind der Zahl nach gering und
fast alle wenig beglaubigt^.
Die hier entwickelten Normen finden sich allerdings nur in den
Erlassen der beiden Regierungen in vollem Umfang befolgt*; die
Jahresbezeichnung schon der Erlasse der römischen Bischöfe so wie 234
die in den Listen und den Grabschriften auftretende entfernt sich
davon erheblich.
Für die in der Kanzlei des Bischofs von Rom usuelle Jahres-
bezeichnung geben die namentlich aus der Zeit Leos I. (440—461)
1) Basilio (Westen) et Viviano (Osten) ist, allerdings nur nach Haloanders
Zeugniss, datirt die oströmische Verordnung C. lust. 2, 7, 12.
2) Den Basiliscus (Osten) nennt vor Herminericus (Westen) nicht bloss die
oströmische Verordnung cod. lust. 1, 36, 1, sondern auch die römische Synode
(Thiel epist. pontif. I p. 159) und ein Schreiben des römischen Bischofs Hilarus
(das. p. 165); die zweite Novelle des weströmischen Kaisers Severus kehrt aller-
dings die Ordnung um.
3) Vom J. 448 Zenone (Osten) et Postumiano (Westen) ist datirt die ost-
römische VO. Cod. lust. 1, 1, 2 nach dem Concilientext , umgekehrt stehen die
Consuln in der 25. Novelle Valentinians III. — Für 449 ist die Folge Pivtogenes
(Osten) et Asturius (Westen) für das Ostreich durch den Justinianischen Codex
5, 14, 8. 5, 17, 8. 6, 52, 1 verhältnissmässig gut beglaubigt; umgekehrt die nov.
26. 27 Valentinians III.
4) Freilich ist auch bei diesen insoweit Vorsicht nöthig, als sie der Ueber-
arbeitung unterlegen haben. Dass die Subscriptionen des Theodosischen und
des Justinianischen Codex, abgesehen von den auch hier nicht fehlenden Schreiber-
corruptelen, von den Redactoren überarbeitet worden sind, ist unbestritten und
unbestreitbar; indess zeigt schon die Behandlung des et qui fiierit nuntiatus
(S. 369 A. 2) , dass sie keineswegs principiell das effective Datum durch das
der späteren Schablone ersetzen wollten, wenn dies auch einige Male geschehen
ist. Auch bei den nicht durch eine solche allgemeine Redaction gegangenen
Erlassen ist wohl hie und da das effective Datum nach dem späteren Schema
corrigirt worden; von den drei zusammengehörenden Papstschreiben vom 28. Jan.
417 (JafFe 821. 322. 323) ist nach der Angabe der Ballerini (Leonis opp. 3 p. 140.
149. 164) bei dem zweiten in allen und in den schlechteren Handschriften auch
bei dem ersten und dem dritten die ursprüngliche postconsularische Datirung
durch die consularische ersetzt worden. Aber im Allgemeinen sind die einzeln
erhaltenen Urkunden von Interpolationen frei, und vor allem sind dies die
Sammlungen der kaiserlichen Novellen. Diejenige in der neunten Novelle
Maiorians, die dagegen Rossi wieder und wieder (p. XXXV. 350) geltend macht,
ist den Handschriften fremd; erst die Herausgeber haben aus dem für v. c. ver-
schriebenen vaearüs das sinnlose et Clearcho gemacht. Für die Behauptung,
dass die Urkunden den Grabschriften nachzustehen haben, bedarf es anderer
und besserer Beweise.
24*
372 Ostgothische Studien.
und des Hormisdas (514 — 523) zahlreich vorhandenen datirten Ur-
kunden ein verhältnissmässig reichliches und wenig verdorbenes
Material. Sie entfernen sich wesentlich von der officiellen Datirungs-
form. Die in den Regierungserlassen ständige Formel zur Bezeich-
nung der einseitigen Publication et qui fuerit nuntiatus hat sich in
keinem Papstschreiben gefunden. Diejenigen Jahre, welche nach
allgemeiner Ordnung mit Consulpaaren ohne Stellenwechsel be-
zeichnet werden, haben auch hier den doppelten Consul, wie sich
dies für die Jahre 422. 428. 429. 430. 433. 435. 437. 443. 445. 446.
450. 454. 457. 476. 488. 494. 530 nachweisen lässt. Wo dagegen
ein privater Consul des Westens und ein privater Consul des Ostens
neben einander fungiren, steht der erstere entweder am ersten Platz,
wie in den Jahren 431. 432. 447. 448 (wo Leo am 1. März allein den
Postumianus, am 1 . Juni Postumianus und Zeno nennt) 449. 460. 465,
oder allein, was der Fall ist in den Jahren 451. 452. 453. 455. 459.
462. 463 und von 482 an ohne Ausnahme. Die allein entgegen-
stehende Urkunde vom J. 501 Avieno et Pompeio cos. ist jetzt an-;
erkannt als gefälscht^. Voranstellung des privaten Consuls aus de
Ostreich finde ich nur in einem einzigen Fall: im J. 465 schreibt
Bischof Hilarus Basilisco et Hermanarico vv. cc. consuUbus (S. 371
235 A. 1), ohne Zweifel weil jener Schwager des Kaisers Leo schon
damals mehr war als ein Privater. Unmöglich kann in all den
Jahren, welche in den Papstbriefen nur durch einen einzigen Consul
bezeichnet werden, während diesem in der That ein anderer zur
Seite steht, die zweite Publication unterblieben sein; deutlich er-
kennt man hier vielmehr, dass die usuelle Datirung sich bald von
dieser wesentlich emancipirte und das Jahr lediglich nach der erster
Eintragung benannte. Es darf darum auch in der auffallenden That-
sache, dass in der Correspondenz des Bischofs Hormisdas von Rom
mit der Regierung und der Geistlichkeit von Constantinopel jenei
immer bloss den occidentalischen Consul nennt, diese dagegen mi
dem vollen Consulat datiren, nichts gefunden werden als ein ver-
schiedenes Herkommen in den beiderseitigen Kanzleien. — Vermuth-
lieh gilt was hier für den römischen Sprengel nachgewiesen ist
wenn nicht für den ganzen Westen, so doch für Italien und Gallien jf
wenigstens ist mir kein entgegenstehendes Bischofsschreiben vor
gekommen.
1) Jafife 756 = Thiel epist. pont. I, 65. Sie gehört zu den auf Pater Vigll
niers Autorität stehenden Stücken, über die Julien Havet endlich die gelehrtei!
Urkundenforscher aufgeklärt hat (vgl. in diesem Archiv XI, 437). An dem Cor(i
sulardatum nahm schon Rossi I, 413 wohl begründeten Anstoss.
Ostgothische Studien, 373
Die Concipienten der consularischen Jahrtafeln hatten von jeher
mit Schwierigkeiten zu kämpfen, wenn im Laufe des Jahres die
officielle Bezeichnung desselben wechselte, zum Beispiel dasselbe mit
einem Postconsulat begann; genau den Wechsel giebt von den uns
vorliegenden nur eine einzige an^; alle übrigen sind in dieser Be-
ziehung überarbeitet, wobei indess häufig von der zu Anfang des
Jahres gültigen, späterhin modificirten oder beseitigten Bezeichnung
ein Rest stehen geblieben ist. Durch die successive Publication der
beiden Consuln wurde zur Regel, was bisher Ausnahme gewesen
war, der Wechsel der Benennung des Jahres im Laufe desselben;
die Einzeichnung, welche der Besitzer einer solchen Tafel sofort
nach der Publication oder doch bei Anfang des Jahres vorzunehmen
pflegte 2, bedurfte regelmässig der Yervoflständigung und häufig der
Umstellung. Die Nachtragung des zweiten Consuls konnte erst nach
der zweiten Publication vorgenommen werden, die sich häufig ver-
schleppte, und einen eigentlichen praktischen Zweck hatte sie über-
haupt nicht, da der eine Consul, wenn er bis zu ihr hatte ausreichen
müssen, so auch nach ihr ausreichen konnte. In Folge dessen ist
sie häufig versäumt worden. Es darf demnach aus ihrem Fehlen
nicht geschlossen werden, dass die zweite Publication überhaupt
unterblieben, der Consul des anderen Reichstheils nicht zur An- 236
erkennung gelangt ist. Wenn bei dem J. 490 die Fasten Cassiodors
den orientalischen Consul Longinus ignoriren, während die wesentlich
gleichartigen des Aventicensers Marius ihn anerkennen, so ist dies
sicher nichts als eine Nachlässigkeit Cassiodors. Auffallender ist es,
dass bei dem Jahre 486 die meisten orientalischen Jahrtafeln den
im Occident auftretenden Consul Decius nicht kennen und zum Theil
sogar den orientalischen Consul als den alleinigen bezeichnen; aber
bei der geringen Zuverlässigkeit selbst der besseren Tafeln wird
auch daraus keineswegs mit Sicherheit gefolgert werden dürfen, dass
das Ostreich diesem die Anerkennung dauernd versagt hat^. In
1) Dieses ist das der Chronographie vom J. 354 einverleibte [die Jahre
254 — 354 umfassende Verzeichniss der Stadtpräfecten (in meiner Ausgabe der
Chronographie S. 627 fF. [jetzt Chron. min. I S. 65 ff.]): in den Jahren, wo die neuen
Consuln nicht rechtzeitig publicirt werden, beginnt die Datirung mit der Formel
consules quos iusserint domini nostri Augusti und die Consulnamen folgen als-
dann mit Angabe des Publicationstags.
2) Vgl. Ausonius carm. 22, 3 Schenkl : hacUnvs adscripsi fastos; si fors volet,
ultra adiciam, si non, gui legis adieies.
3) Dass zwei Verordnungen dieses Jahres im Justinianischen Gesetzbuch den
Decius ebenfalls nicht kennen, beweist nur, dass er bei ihrer Erlassung im
Orient nicht publicirt war.
i
374 Ostgothische Studien.
diesen wie in den meisten ähnlichen Fällen^ liegt sicher lediglich
Nachlässigkeit des Concipienten zu Grunde und darf wohl aus der
Nennung auf die Anerkennung geschlossen, aber nicht dies um-
gekehrt werden. — In noch höherem Grade gilt dies von der Folge
der Namen. Die bestehende Ordnung führte dazu, dass zunächst
der Consul des eigenen Reichstheils eingetragen ward. Wenn der
hinzutretende zweite Consul ein Kaiser oder ein Prinz war, so ist
ihm natürlich bei der Nachtragung regelmässig die gebührende
Stelle eingeräumt worden, obwohl einzeln auch hiervon abgewichen
worden ist^; aber wenn zwei Private das Consulat verwalteten, habeiA
nach den ersten Decennien der neuen Einrichtung, während derei^
die Listen noch auf die legitime Ordnung Rücksicht nehmen, sie
dieselbe kaum je beachtet, häufig wahrscheinlich gar nicht gekanntÄ
Die christlichen Grabschriften schliessen im Allgemeinen weniger
der officiellen Jahresbezeichnung sich an als der vulgären. "Wie die
in den Urkunden häufige correcte Bezeichnung des einseitig be-
setzten Consulats mit Hülfe der Nuntiation in den Listen sich, wie
andere zu der anfänghchen Jahresdatirung gehörige Notizen, nur
vereinzelt und in irregulärer Weise erhalten hat, so hat sie bisher
sich auch nur auf einer einzigen Grabschrift gefunden (S. 369 A. 1).*)
237 Die Fossoren der Christen in Rom und anderswo ^ werden ihre Jahres-
bezeichnung der Regel nach entweder dem Gedächtniss oder der
zur Zeit gangbaren Liste entnommen und um die zweite Publication
und ihre officiellen Consequenzen sich nicht allzu sehr bekümmert
haben, also auch die Uebergehung eines bereits publicirten zweiten
Consuls in den Grabschriften häufig genug vorgekommen sein*.
1) In einzelnen Fällen wird allerdings die Verschiedenheit der Listen auf
die streitige Legitimität eines Consuls zurückgehen. Als Severus im J. 465
umkam, hatte er schwerlich schon die Ernennung der Consuln für 466 vollzogen.
Wenn einige occidentalische Listen für dies Jahr dem orientalischen Consul den
Tatianus zuordnen, so ist dieser wohl im Occident auf anfechtbarem Wege,
wahrscheinlich von dem damaligen Machthaber Ricimer ernannt und als nicht
legitim bestellt hier nur theilweise und im Orient gar nicht anerkannt worden.
2) So nennen die Florentiner Fasten 440 den orientalischen Consul Anatolius
vor dem kaiserlichen Consul des Westens, Marius von Aventicum 458 Maiorianus
vor Leo.
*) [Wo die Inschrift von Syrakus nachgetragen ist.]
3) Die seltenen orientalischen Inschriften mit Consuldaten aus dieser Zeit
nennen bloss den Consul des Ostens, wie C. I. Gr. 9259 allein den Consul Daga-
laifus des J. 461, ganz wie die häufigen occi dentalischen nur den des Westens '
4) Bekanntlich ist die Bezeichnung des Jahres durch den ersten Consul
allein nichts weniger als selten und Rossi selbst weist (p. XXVII) für das vierte
Jahrhundert dergleichen Fälle in beträchtlicher Anzahl nach. Wenn dies an
Ostgothische Studien. 375
Rücksicht auf die Rangfolge ferner ist bei ihnen im Allgemeinen
ebenso wenig wahrzunehmen wie in den Listen, obwohl einzelne Aus-
nahmen vorkommen. Wenn der orientalische Consul des Jahres 490
Longinus, wo er auf occidentalischen Inschriften erscheint, an erster
Stelle steht ^ und wenn der orientalische Consul des J. 517 Anastasius
in einer Inschrift des Theodoricianischen Galliens mit Uebergchung
des occidentalischen Collegen allein genannt wird'^, so hat dabei
ohne Zweifel eingewirkt, dass Longinus zum zweiten Mal Consul 238
und Anastasius ein kaiserlicher Prinz war; also dieselben Rücksichten,
wie sie auch in den Listen obwalten.
Vom Anfang des fünften Jahrhunderts an bildet also die in
jedem Reichstheil successiv eintretende Publication der beiden Con-
suln die Regel. Damit scheint ständige Verschleppung der Nuntiation
des Consuls aus dem Schwesterreich sich in der Weise verbunden
zu haben, dass diese sehr häufig erst lange nach dem Anfang des
betreffenden Jahres erfolgte; es wird dies namentlich dadurch ge-
fordert, dass auch die officiellen Datirungen mit dem Beisatz et qui
fuerit nuntiatus sich oft weit in das Amtsjahr hinein erstrecken.
grünen Holz geschah, so lange beide Consuln gemeinschaftlich publicirt wurden,
so wäre es geradezu räthselhaft, dass, wie Rossi (p. XXXIV) meint, diese Licenz
im fünften Jahrhundert sich nur ausnahmsweise eingestellt hat. Dennoch ge-
stattet er den Schluss aus dem Schweigen der Grabschrift auf die Nichtpubli-
cation sich häufiger als billig. Beispielsweise besitzen wir aus dem J. 460 einen
Erlass Maioriaus (nov. 11, 1) vom 28. März und zwei Briefe des Papstes Leo vom
16. Juni und 18. August, alle datiert Magyio et Äpollonio consulibus; diese drei
Urkunden erklärt Rossi p. 351 sämmtlich für interpolirt, weil eine einzige
römische Grabschrift vom 7. Sept. nur den ersten Consul nennt. Der Begründer
der christlichen Epigraphik überschätzt die Inschriften gegenüber den Urkunden.
Die Thatsache, dass die bei einseitiger Publication officielle Datirung mit et
qui fuerit nuntiatus sich bis jetzt nur auf einem einzigen Stein gefunden hat,
zeigt unwiderleglich, dass die Licenz in dieser Hinsicht im fünften Jahrhundert
eher stieg als sank. Der Schluss aus dem Fehlen des zweiten Consuls auf
Nichtpublication desselben ist bei Grabschriften höchstens dann gestattet, wenn
sie in grosser Zahl vorliegen, was nach Alarich in dem heruntergekommenen
Rom kaum je der Fall ist.
1) C. L L. V, 5210. 5656. 7531. Wenn die Inschrift C. V, 5417, wie es
scheint, ebenfalls datirt war [Longino bis et] Fausto vv. cc, so war dieser Consul
schon am 4. Aug. 490 in Italien publicirt.
2) Die Inschrift von Aix, jetzt C. I. L. XII, 590, ist datirt vom 23. Nov.
Anastasio v. c. consule (vgl. C. I. L. V, 8120, 2). Rossi p. XLV corrigirt in dem
allerdings nur in Abschrift vorliegenden Text Aug. für v. c; indess haben wir
jetzt einen Anhalt dafür, dass dieser orientalische Consul früh im Occident be-
kannt ward. In einer entweder consularisch oder postconsularisch datirten kürzlich
in Lodi gefundenen Inschrift Pais suppl. C. I. L. V n. 863 steht derselbe Ana-
stasius, aber an zweiter Stelle.
376 Ostgothische Studien.
Diese regelmässige Verspätung der zweiten Publication ist auffallend.
Verschleppung der ersten in dem einen Reich musste natürlich eine
noch gesteigerte Verschleppung der zweiten in dem anderen herbei-
führen; aber darauf allein kann die letztere nicht zurückgeführt
werden: der Consul des Ostens für 453 Vincomalus war nachweislich
bereits am 6. Juli 452 designirt^ und schwerlich ist dies ein Ausnahme-
fall gewesen. Vermuthlich sind theils gegenseitige Eifersucht und das
Bestreben, den Eeichstheil als selbständiges Reich hinzustellen, theils
ein daran anknüpfendes Herkommen dabei mit im Spiel gewesen.
Aber neben der Regel der successiven steht die Ausnahme der
gleichzeitigen Publication beider Consuln. In einer Reihe von Jahren
treten die Consuln mit verschwindenden und ohne Schwierigkeit au
nachlässige Redaction zurückzuführenden Ausnahmen im Osten wie'
im Westen paarweise und im Osten wie im Westen in der gleichen
Folge 2 auf. Welche Consulate bis zum J. 420 unter diese Kate
gorie fallen, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen; wir können!
nur umgekehrt für einige dieser Jahre successive Publication nach-
weisen (S. 368). Sie werden deshalb in der folgenden üebersicht
bei Seite gelassen. Von 421 an ist in den folgenden Jahren von
der successiven Publication der Consuln abgegangen worden.
425. Theodosius XI et Valentinianus.
426. Theodosius XII et Valentinianus II.
427. Hierius et Ardabures.
428. Felix et Taurus^.
239 429. Plorentius et Dionysius.
430. Theodosius XIII et Valentinianus III.
435. Theodosius XV et Valentinianus IV.
436. Isidorus et Senator.
437. Aetius II et Sigisvultus.
443. Maximus II et Paterius.
446. Aetius III et Symmachus*.
1) Erlass des Kaisers Marcianus bei Hänel corp. leg. p. 256.
2) Letzteres gilt freilich von den Kaiserconsulaten auch bei successiver
Publication, da dabei immer die Rangfolge massgebend ist. Im J. 458 datireu
die Urkunden im Occident zuerst allein nach Maiorians Consulat, aber nachdem
das Consulat Leos daselbst bekannt geworden war, steht dieser an erster Stelle.
3) Rossi p. 528 rechnet dieses Consulat zu den getheilten, weil in einer ein-
zigen der zahlreich vorliegenden westlichen Listen, der Paschaltafel cod. Vat. reg.
2077 dies Jahr bezeichnet ist Fl. Feiice v. c. eons. Aber er selbst bemerkt anderswo
(p. LIX), dass in dieser Tafel eben von hier an mehrfache Fehler begegnen,
4) Wohl nur aus Versehen stellt Marcellinus (nach der handschriftlichen
Ueberlieferung) den Consul Symmachus voran.
Ostgothische Studien. 377
450. Valentinianus Aug. VII et Avienus.
454. Aetius et Studius.
457. Constantinus et Rufus.
467. Pusaeus et lohannes ^
476. Basiliscus Aug. II et Armatus ^
488. Dynamius et Sifidius.
492. Anastasius Aug. et Rufus.
494. Asterius et Praesidius.
500. Patricius et Hypatius.
512. Paulus et Moschianus.
522. Symmachus et Boethius.
530. Lampadius et Orestes.
Allem Anschein nach sind für diese Jahre die Consuln in jeder
Reichshälfte paarweise und in gleicher Folge publicirt und daher
dieselben in den Urkunden wie in den Listen in ähnlicher Weise
gleichmässig berücksichtigt worden, wie dies bei den Consulpaaren
des vierten Jahrhunderts der Fall ist. Die nahe liegende Frage,
wie sich die hier genannten Consuln zu der Theilung des Consulats
zwischen dem Osten und dem Westen verhalten, scheint merkwürdiger
Weise dahin beantwortet werden zu müssen, dass diese Theilung
sich bei den oben aufgeführten Collegien auf die vier Zweikaiser-
consulate beschränkt. Dagegen scheinen sämmtliche hier aufgeführte
von einem Kaiser und einem Privaten oder von zwei Privaten ge-
bildeten Consulate zugleich von dem Theilungsgesetz sich zu ent-
fernen. Nachweislich gehören von den so eben verzeichneten Con-
sulaten die der Jahre 427. 429. 436. 476. 500 allein Orientalen,
die der Jahre 437. 443. 446. 450. 522 allein Occidentalen; in
den übrigen Fällen lassen die Consuln einer oder auch beide sich
nicht mit genügender Sicherheit geschichtlich identificiren, können
aber füglich alle der gleichen Reichshälfte entnommen sein wie der
College. Dieser Umstand hat offenbar auf die Publicationsform ein-
gewirkt. Bei jenen vier Zweikaiserconsulaten mag die Regel der
getheilten Ernennung festgehalten sein und ist wohl nur durch freund- 240
liehe Rücksicht auf das Schwesterreich die gleichzeitige Publication
in jedem Reichstheil damit verbunden worden, indem jeder Herrscher
die eigene so lange aussetzte, bis er die seines Nebenherrschers
damit verbinden konnte. Aber bei den übrigen oben aufgeführten
Consulaten, deren Auftreten auf ungetheilte Publication schliessen
läset, muss diese die Folge ungetheilter Ernennung gewesen sein.
1) In diesen beiden Jahren war der Occident ohne Herrscher und können
die Consuln nur von dem Herrscher des Ostreichs ernannt sein.
378 Ostgothische Studien.
Denn wäre das Eintreten zweier Consuln desselben Reichstheils aus
" getheilter Ernennung hervorgegangen, hätte der Kaiser des Ostreichs
einen Weströmer ernannt, so würde die Einzelpublication gerade
ebenso eingetreten sein, wie wenn jeder der Herrscher den Consul
aus seinem eigenen Reichstheil auswählte; ungetheilte Ernennung
dagegen zog ungetheilte Publication mit Nothwendigkeit nach sich.
Es wird also in diesen Fällen der eine Herrscher zu Gunsten des
anderen auf sein Ernennungsrecht verzichtet haben. Dabei ist wahr-
scheinlich in Betracht gekommen, dass das Consulat wegen der un-
geheuren Kosten, die es machte, nicht anders als nach Anfrage und
mit Einwilligung des Candidaten vergeben ward^; es mochte oft
nicht leicht sein geeignete Persönlichkeiten zu finden und es konnte
auch vorkommen, dass zwei sich nahe stehende Personen sich ni
gemeinschaftlich zur Uebernahme bereit erklärten.
Dies sind die Normen für die consularische Ernennung des
fünften Jahrhunderts.*) Wir wenden uns zu der Frage, wie die Könige
Italiens zu derselben sich gestellt haben; ohne deutlichen Einblick in
jene kann das Rechtsverhältniss derselben nicht klar gestellt werden.
Dass Italien auch unter den Königen fortwährend als integrirender
Theil des römischen Staats nicht bloss in Byzanz aufgefasst ward,
sondern ebenso in Rom und Ravenna, steht anderweitig hinreichend
fest. Aus der fortgeführten Datirung nach dem oder den Consuln
des römischen Reiches, neben welcher die Jahrzählung nach der
Indiction im Westen dieselbe secundäre Rolle spielt wie im Osten,
würde an sich die Reichsangehörigkeit nicht gefolgert werden dürfen;
gleiche oder ähnliche Datirung begegnet auch in den Gebieten dei
nicht reichsangehörigen Burgunder, der Westgothen, der Franken
der Vandalen. Beweisender für die formale Zugehörigkeit des ost-
gothischen Gebietes zum römischen Reich ist es, dass in Italien nie
weder unter Odovacar noch unter den Gothenkönigen nach dei
Jahren der Herrscher datirt wird, wie dies in jenen Staaten oft, ji
241 im westgothischen Reich selbst unter Theoderich geschieht 2; soga
1) Cassiodor var. 6, 1 [§ 8]: alios iudices etiam non rogantes evehimus, consuitl
autem sperantes (d. h. wenn sie zur Beförderung — das ist spes — stehen) tantuv
modo promovemus.
*) [^gl- 2u den vorstehenden Ausführungen die später geschriebene üntej
suchung 'Consularia' oben S. 334 ff.]
2) Die spanischen Concilien aus den J. 516. 517. 525 sind datirt das ers'
Tarracone anno sexto TJieuderici regis Petro consule (Mansi 8, 541), das zweite Geru
clae anno VII. Theoderiei regis Agapeto v. c. consule (Mansi 8, 550), das dritte
conventu Ileräensi anno XV. Theuderici regis (Mansi 8, 612), das vierte am
XV. Theoderiei regis Valentiae (Mansi 8, 620).
Ostgothische Studien. 379
während des Krieges, in dem die Herrschaft der Gothen unterging,
datirten diese bis zum letzten Augenblick, noch als sie auf Ticinum
beschränkt waren, nach Consulaten und Indictionen.
Auf die Frage, welcher Stelle in dieser Epoche die Ernennung der
Consuln zustand, fehlt in der Ueberlieferung für Odovacar jede Antwort.
Für Theoderichs Zeiten mangeln die Antworten nicht; die Schwierig-
keit besteht nur darin dieselben mit einander auszugleichen.
Der zeitgenössische und in Fragen dieser Art schlechthin zu-
verlässige Byzantiner Prokopius lässt in der wahrscheinlich bis in
das Einzelne beglaubigten Relation über die Friedensverhandlungen
zwischen Belisar und den Gothen die Abgesandten der letzteren er-
klären, dass ihre Könige die italischen Magistraturen durchaus mit
Römern besetzt und es diesen sogar verstattet hätten das Consulat
Jahr für Jahr von dem Herrscher des Ostreichs entgegenzunehmen ^.
König Athalarich ferner erinnert in einem Schreiben an den Kaiser
lustinianus*) daran, dass der Kaiser des Ostreichs seinem Vater, dem
Schwiegersohn Theoderichs Eutharicus, das Consulat für das J. 519
verliehen habe ^. — Diesen Zeugnissen stehen diejenigen gegenüber,
welche dem König Theoderich die Consularernennung beilegen. Nicht
bloss stellt Cassiodor an die Spitze seiner für das ostgothische
Regiment bestimmten Sammlung von Schematen zu Bestallungen die
formula consulatus, sondern es haben sich unter den königlichen Er-
lassen, die Cassiodor uns aufbehalten hat, das Ernennungsdecret
Theoderichs für den Consul Felix 511^, sowie dasjenige Athalarichs
für den Consul Paulinus 534* erhalten; und in dem Fragment einer
Rede wahrscheinlich Cassiodors dankt der Sprecher dem König für
das empfangene Consulat^. Einer der vornehmen Gothen aus dem
Gefolge Theoderichs ferner hebt in einem Schreiben an den Senat
hervor, dass er den König häufig auch bei Ernennung der Consuln
berathen habe^. Dass hier nicht etwa Usurpation zu Grunde liegt, 242
sondern die von Theoderich ernannten Consuln auch nach byzan-
1) Bell. Goth. 2, 6: tö vjidtcov d^icof^ia Föx'&oi ^vvsxcoqovv 'Pcofiaioig ngög xov
%&v i(öwv ßaaü.icog ig exaorov erog xofii^so&ai.
*) [Vielmehr lustinus, vgl. Mommsen praef. zu Cassiodors Variae p.XXXVIa.E.]
2) Var. 8, 1 [§ 3] : Vos avntn nostrum (Theoderich für das J . 484) in vestra
cwitate celsis curiilihis eoctulistis; vos genitorem meum in Italia palmatae claritate
decorastis. 3) Var. 2, 2; Anzeige an den Senat 2, 3.
4) Var. 9, 22; Anzeige an den Senat 9, 23.
5) [Ed. Traube , in der Mommsenschen Ausgabe des Cass. p. 468.] lactent
se prisci eonsules praepetum initiati semper auspidis . . . nos gloriamur de
sententia boni principis, laetamur de consemu setiatus.
6) Var. 8, 11 [§3]: saepe eonsules, saepe patridos, saepe praefeetos häbita
iwtercessione promovi.
380
Ostgothische Studien.
tinischer Auffassung rechtsgültig bestellt worden sind, beweisen die
die Consuln Felix und Paulinus anerkennenden Urkunden und Listen
des Ostreichs und beweist vor allem das ebenfalls uns erhaltene
Schreiben, in welchem König Theoderich dem Kaiser Anastasius die
Ernennung des ersteren officiell zur Anzeige bringt ^ Ja Prokop^
selbst erkennt anderswo an, dass auch in dieser Epoche der eine
der Consuln in Rom, der andere in Byzanz ernannt ward.
Es ist vorgeschlagen worden, um diese Angaben zu vereinigen,
die Ernennung des Consuls für den AVesten nach dem Fall des West-
reichs als ein Kecht des römischen Senats aufzufassen. Indess ein
schlechterer Ausweg hätte nicht gefunden werden können 3. Die
Zeugnisse, welche diese Ernennung theils dem byzantinischen Kaiser,
theils dem italischen König zusprechen, werden damit nicht aus-
geglichen, dass man sie beide verwirft. Des consensus des Senats
wird allerdings bei diesen Ernennungen gedacht (S. 379 A. 5), aber
nur in derselben Weise wie bei Theoderichs Ernennungen der hohen
Reichsbeamten überhaupt: sie werden dem Senat mitgetheilt und
dieser aufgefordert sich damit einverstanden zu erklären; es ist dies
nichts als eine höfliche Form der Anzeige. Es ist völlig unglaub-
lich, dass das damalige Herrscherthum zu Gunsten einer Corporation
abgedankt und die Ertheilung der höchsten Rangstelle dem bloss
figurirenden Senat überwiesen haben sollte.
Es wird daran festgehalten werden müssen, dass die Consular-
ernennung für das Gesammtreich, insoweit sie dem Kaiser des Occi-
dents zugestanden hatte, ebenso auf Odovacar und weiter auf Theo-
derich übertragen worden ist wie die der occidentalischen Beamten.
Einer Bestätigung durch den Herrscher der anderen Reichshälfte
unterliegt die einseitige Ernennung überhaupt nicht und es liegt
kein Grund vor für die germanischen Könige hievon abzuweichen;
die Weigerung die Publication vorzunehmen stand allerdings jedem
Herrscher frei, aber allem Anschein nach dem Theoderich nicht
minder gegen Anastasius als umgekehrt*. Dass die Gothen die
1) Var. 2, 1. 2) Eist. arc. c. 26.
3) Auch Rossi p, XLI fF. 390 verkennt es nicht , dass diese Lösung in der j
That nichts ist als eine Ausrede; indess lässt er sie für Odovacars Zeit und fQr|
die früheren Jahre Theoderichs gelten.
4) Die Schlussworte des Schreibens var. 2, 1, durch das der König deinj
Kaiser die Ernennung des Felix anzeigt: vos, qui utriusque rei publicae honis
indiscreta potestis gratia delectari, iungite favorem, adunate sententiam: amborum
iudicio dignus est eligi, qui tantis faseibus meretur augeri enthalten nichts, was
nicht von jeder Nuntiation in gleicher Weise gesagt werden konnte; Aner-
kennung kaiserlicher Prärogative (Rossi p. XLVI) kann ich darin nicht finden,|
Auch lauten Theoderichs ernennende Decrete für die Consuln ebenso unbedir
Ostgothische Studien. 381
consularische Würde von dem Herrscher des Ostreichs entgegen- 243
genommen haben, kann dahin aufgefasst werden, dass sie die von
Constantinopel nach Rom gemeldeten Ernennungen als für den
Westen gültig betrachteten, worin allerdings ein Anerkenntniss der
fortdauernden Reichseinheit enthalten war; bei dem geschraubten
Ausdruck ist nicht zu vergessen, dass diese Worte den ihr legales
Verhalten rechtfertigenden Abgesandten in den Mund gelegt werden.
Nicht dasselbe gilt von der Ernennung des Eutharich zum Consul
für 519 durch den Kaiser von Byzanz, Aber bei dieser ist zu er-
wägen, dass diesem seinem präsumptiven Nachfolger Theoderich das
Consulat nicht verleihen konnte. Nach den Ordnungen dieser Zeit
war der Gothe zur Uebernahme eines römischen Amts nicht quali-
ficirt und durfte also auch das Consulat nicht bekleiden; diese Ab-
weichung von den Capitulationen, welche Theoderich bei der Ueber-
nahme Italiens gegen den byzantinischen Hof eingegangen war,
konnte nur der Kaiser des Ostens herbeiführen.
Das System der regelmässig getheilten, ausnahmsweise von der-
selben Stelle vollzogenen Ernennung der Consulpaare bestand auch
in dieser Epoche: in den sieben schon S. 377 mit aufgeführten
Jahren 476. 488. 494. 500. 512. 522. 530 sind beide Consuln von
einer und derselben Stelle ernannt worden; für die übrigen Jahre
sind alle überhaupt eintretenden Consuln aus der Einzelernennung
hervorgegangen und zeigen die evidenten Spuren derselben, das
üeberwiegen eines jeden entweder im Osten oder im Westen.
Principiell ist also die Ordnung von der früheren nicht verschieden;
thatsächlich unterscheidet sie sich dadurch von ihr, dass die Consul-
ernennung häufiger ausfällt und in Folge dessen die Jahresbezeich-
nung durch einen einzigen Consul mehr und mehr um sich greift
und auch die officielle Ausdrucksweise beeinflusst wenigstens in dem
Verschwinden des et qui de Oriente (oder Occidente) nuntiatus fuerit
aus den Urkunden. Nach dem J. 461 ist der Beisatz nicht nach-
weisbar (S. 369 A. 1. 2) und fehlt namentlich durchgängig in den
zum Theil sehr vollständigen Subscriptionen der Novellen lustinians,
offenbar weil die regelmässige Cooperation der beiden Reichshälften
nicht mehr in Aussicht genommen werden konnte. In der officiellen
Datirung des Ostreichs hat der occidentalische Consul sich be-
hauptet; ob auch der orientalische in derjenigen der Könige des
nd vorbehaltlos wie für die übrigen Aemter. Unter Theodosius II. und Valen-
tinian III. begegnet ein römischer Stadtpräfeet utriusqiie imperii iudiciis sublimi-
iatus (C. I. L. VI, 1678. XIV, 2165 [= Dessau 1283]); aber ich kenne kein zweites
Beispiel solcher Cooperation.
Il
382 Ostgothische Studien. M_
244 "Westreichs, lässt sich nicht entscheiden, da es an datirten Erlassen
derselben so gut wie ganz fehlt ^.
Die aus einseitiger Ernennung hervorgegangenen Consulpaare
gehören mit einer Ausnahme dem Orient an und haben also ihr
Amt von dem Kaiser des Ostreichs empfangen. Das einzige an zwei
Occidentalen vergebene dieser Doppelconsulate, dasjenige des Sym-
machus und Boethius wird ihnen von dem König Theoderich ertheilt
worden sein. Allein er konnte dazu nur schreiten, nachdem Kaiser
lustinus auf die Ausübung seines Hechts zu Gunsten dieser römischen
Patricier verzichtet hatte; und wenn deren Katastrophe am letzten
Ende auf ihre Sympathie mit dem Glauben und dem Regiment des Ost-
reichs und ihre Gesinnungsopposition gegen den herrschenden Arianis-
mus und das Germanenwesen zurückgeht, so mag jenes auffallende
durch byzantinische Vergünstigung ihnen gewährte Doppelconsulat
dabei mit in Betracht gekommen sein.
Aus den Consulaten fällt vielleicht einiges Licht auf das ge-
schichtlich sehr im Dunkeln liegende Verhältniss Odovacars zu der
Regierung des Ostreichs. Der letzte von einem weströmischen
Kaiser in legitimer Weise ernannte Consul ist der des J. 472 Festus.
In den J. 473 — 479 ist der Occident in den Consularfasten nicht
vertreten. Wahrscheinlich aber gehören schon die einzeln stehenden
Consuln Basilius 480 ^ und Rufius Placidus 481^ dem Occident an
und sicher occidentalisch ist der Consul 482 Severinus, der College
des Trocondas im Osten. Dasselbe gilt von Faustus, Consul ohne
Collegen im J. 483; von Venantius 484, dem Collegen des Theoderich
im Osten; von Symmachus, Consul ohne Collegen 485; von Decius,
Consul 486 neben Longinus im Osten. Dass diese Consuln auch im
Orient als legitim galten, ist zwar zum Theil bestritten worden,
aber für alle wahrscheinlich und für manche ausser Zweifel*. Da
1) Dass Theodericli in einem Schreiben an den Senat vom 11. März 507
(MG. LL. 5, 170 [in Mommsens Ausgabe von Cassiodors Variae S. 392]) den
orientalischen Consul, den Kaiser Anastasius nicht nennt, steht zu einzeln, un
daraus Schlüsse zu ziehen.
2) Die Persönlichkeit ist nicht festgestellt [s. jedoch oben S. 334 a. E.]
aber die Basilii gehören zum Adel des Westreichs (C. I. L. VI, 1716 [= 8209^1
= Dessau 5635]. X6850, [= Dessau 827]). !
3) Auch diese Persönlichkeit ist bis jetzt nicht fixiert; die Placidi abe
gehören ebenfalls zu den vornehmen Geschlechtern des Westens (C. I. L. VI, 1757
X, 1700 [= Dessau 1231. 1232]).
4) Rossi p. 390 räumt die byzantinische Legitimität dieser Consuln nur fü
Basilius, Decius und Symmachus ein; aber die Stellung aller dieser Consuln is
offenbar die gleiche und die Anerkennung in Byzanz hat wahrscheinlich keiner
gefehlt. Sichere oströmische Verordnungen mit diesen Consulardaten haben wi
Ostgothische Studien. 383
sie also im Westreich aufgestellt und im Osten anerkannt worden 245
sind, so muss die Ernennung des occidentalischen Consuls so, wie
sie später Theoderich vollzogen hat, schon von Zeno dem Odovacar
zugestanden worden sein. Dies hat auch nichts Unwahrscheinliches.
Odovacar veranlasste im J. 478 den römischen Senat in Constantinopel
zu erklären, dass der Westen eines besonderen Kaisers nicht bedürfe,
sondern die Verwaltung für den Herrscher des ganzen Reiches dort
durch Odovacar geführt werden könne, dem der Kaiser den Patriciat
verleihen möge ^. Zeno, zugleich von dem Prätendenten auf den
Herrschersitz des Westens Julius Nepos um Unterstützung an-
gegangen, suchte zunächst zwischen beiden zu vermitteln; aber
wenigstens nach Nepos Tod im J. 480 wird er auf das Ansuchen
des römischen Senats eingegangen und die Delegation der im West-
reich mit 480 wieder beginnenden Consulcreirung ein Theil dieser
Abmachungen gewesen sein; die Aufrichtung des italischen König-
thums hat sich in der Form der Wiederherstellung der Reichsein-
heit vollzogen. Das römisch -germanische Italien, welches uns als
ostgothisches Reich und Schöpfung des Theoderich zu gelten pflegt,
ist in seiner Eigenart vielmehr eine Schöpfung Odovacars, der Ein-
tritt Theoderichs in dessen Stellung lediglich ein personaler Wechsel^.
allerdings nur für Basilius; aber es stehen auch keine ihrer Legitimität entgegen,
da Cod. lust. 4, 59, 2 nur durch Conjectur auf den 16. Dec. 2J0st constdatum Trocon-
dae gestellt ist, die gute handschriftliche Ueberlieferung aa. conss, troconde viel-
mehr auf das Vorjahr führt und also nur beweist, dass Ende 482 Severinus
Consulat im Osten noch nicht publicirt war. Von den östlichen Listen führt
die am schwersten wiegende des Marcellinus alle auf mit Ausnahme des Decius ;
die Paschalchronik hat sie alle; die Florentiner Fasten nur Basilius, Placidus
und Symmachus; Victor von Tunnuna, welcher in dieser Epoche nur orientalische
Consuln verzeichnet, lässt sie sämmtlich weg. Hieraus folgt, dass alle diese
Consuln occidentalische sind, aber dass sie auch im Orient nachträglich aner-
kannt und in den meisten Listen, wenn auch in der Regel nicht ganz vollständig,
nachgetragen wurden. Die sonst allein übrig bleibende Annahme, dass die
orientalischen Listen später mit den im Ostreich nicht anerkannten Consuln
I interpolirt worden sind, ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, zumal da nach
Odovacars bald erfolgtem Sturz die Orientalen nicht füglich sich veranlasst
finden konnten seine Usurpationen nachträglich zu legitimiren.
1) Malchus fr. 10 Müll.: ('OSoaxog) rjvdystaos ttjv ßovXrjv ajiooxeX).ai :jQsaßsiav
Ztjpcovt ar]/j,aivovaav, wg idiag fiiv avroTg ßaadeiag ov dioi, xoivög de ojioxq^osi fxovog
<wv avToxQÜxoiQ EJi äfKfoxEQoig rotg neqaai . zov (levxoi 'Odöaxov vjz avrcöv JiQoßs-
ßk'^o&ai Ixavov ovxa ocoCsiv xä nag avxotg TiQayfiaxa .... aal SsTo^ai xov Zrjvcovog
JiaxQixiov xs avxä> ajiooxEiXai a^iav xal xrjv xcöv 'IxaXwv xovxco iq^sTvai 8ioixi]aiv.
2) Sybel (deutsches Königthum S. 293) hat dies vollkommen richtig erkannt,
wie denn überhaupt seine Behandlung dieser Verhältnisse eine grüne Oase ist
in dem wüsten Sandmeer einer Litteratur, welche vor kurzsichtiger Quellen-
384 Ostgothische Studien.
Auch die zwischen Theoderich und dem Ostreich bestehenden
Verhältnisse müssen in den Jahresdatirungen sich wiederspiegeln:
die Anerkennung des einen Regiments durch das andere fordert die
246 Anerkennung der von diesem ernannten Consuln und , umgekehrt
gestattet die Anerkennung der Consuln des anderen Reiches einen
Schluss auf den legitimen Friedensstand zwischen den beiden
Herrschern. Wir werden also erwarten dürfen, dass Theoderich, da
er während seines gesammten Regiments wohl der Sache, aber nie
der Form nach sich selbständig gestellt hat, der Datirung nach den
Consuln des Ostreichs zu keiner Zeit entgegengetreten ist und ei
wird dies auch ausdrücklich von Prokop (S. 379) bezeugt.
Dem entsprechen die thatsächlichen Yerhältnisse. Die Annahmi
Rossis-, dass die Datirung nach den Consuln des Ostreichs wohl ii
Burgund, aber in dem Herrschaftsgebiet Theoderichs nur bis zu
J. 501 zugelassen worden sei, ist nicht bloss mit Prokop im Wide
Spruch, sondern auch aus anderen Gründen unhaltbar. Dass d
Gebrauch der Consuln für die Jahresbezeichnung überhaupt nie'
angesehen werden kann als Kriterium der politischen Abhängigke:
von dem Staat, aus dem die Consuln hervorgehen, ist schon bemerkt
worden (S. 378); und wäre dies der Fall, so müsste diese Datirung
in dem unabhängigen Burgunderreich noch entschiedener abgewiesen
worden sein als in dem formell abhängigen Machtgebiet Theoderichs.
Vor allen Dingen aber widerstreiten die Thatsachen. Wohl erscheinen
orientalische Consulate auf den Denkmälern aus den letzten zwanzig
Jahren Theoderichs nur ganz vereinzelt; aber dasselbe gilt wesent-
lich ebenso für die frühere Zeit vom Sturz des Westreichs bis auf
das Ende des fünften Jahrhunderts. So vereinzelt wie die beiden
den Consul Anastasius von 517 nennenden Inschriften (S. 375 A. 2)
in jener Epoche auftreten, ebenso vereinzelt stehen in der früheren
die im Jahre 478 und 479 nach dem orientalischen Consul Illus
datierten Papstschreiben, die römische Grabschrift vom J. 482 mit
dem Namen des Trocondas neben dem des Severinus, die drei ober-
italischen Inschriften aus den J. 490. 491 mit dem des Longinus
neben dem des Faustus (S. 375 A. 1). Völlig in gleicher Vereinzelung
begegnen die orientalischen Consuln im burgundischen Gebiet, im
J. 491 derselbe Longinus i, im J. 520 Vitalianus^. Dieser Sachverhalt
forschung und weitsichtiger Quasi -Poesie es zu keiner gesunden historischer
Anschauung bringt.
1) C. I. L. XII, 2058.
2) Die Combination Kossis, dass die Burgunder die orientalischen Consub
zugelassen hätten, während Theoderich sie abwies, beruht lediglich auf zwe
Ostgothische Studien. 385
fordert also eine Erklärung, die für die gesammte Epoche vom Auf-
treten Odovacars bis zur Wiedereroberung Italiens durch lustinian
und ebenso für Italien wie für Burgund zutrifft; und sie kann nur
darin gefunden werden, dass die geordnete Publication des in dem
anderen Reich ernannten Consuls im Orient fortbestand, im Occident
aber nach der Katastrophe des "Westreichs sich nicht wieder her- 247
gestellt hat. Die von Odovacar und später von Theoderich ernannten
Consuln sind regelmässig nach Constantinopel gemeldet und, wenn
die politischen Verhältnisse nicht entgegenstanden, dort ordnungs-
mässig publicirt worden: Nachdem es im Occident einen von dem
Osten anerkannten Reichsverweser gab, wird die Nuntiation aus dem
Osten nach Rom ebenfalls wieder aufgenommen worden sein. Aber
eine officielle Publication der neuen Consuln als solcher kann für
die in Gallien bestehenden Königthümer überhai!»pt nicht füglich
angenommen werden; wenn sie auch in Italien unter dessen Königen
unterblieb, erklärt sich die Beschaffenheit der Consulardatirungen
nach dem Falle des westlichen Kaiserthums in befriedigender Weise.
Bei dem Antritt des Consulats in Ravenna konnte schon wegen der
mit demselben verbundenen Sollemnitäten eine von der Regierung
des Westens ausgehende öffentliche Benachrichtigung nicht fehlen;
auf diese Fälle mag die Herumsendung der den neuen Consul an-
kündigenden Staatsboten (S. 365 A. 2) jetzt sich beschränkt haben.
Darum datirt Italien ebenso wie Gallien regelmässig allein nach den
Consuln, die in Ravenna ihr Amt angetreten hatten. Dass die Legi-
timität der Consuln des Ostens auch für den Westen damit nicht
bestritten werden sollte, zeigen ausser dem Zeugniss Prokops theils
jene vereinzelten Ausnahmen, theils die occidentalischen Consular-
tafeln, deren Concipienten natürlich in grösserem Umfang als die
der einzelnen Grabschriften über die Consuln des Ostens informirt
waren. In diesen, insbesondere in derjenigen Cassiodors, die wohl
als die officielle des Gothenstaats in seiner vollen Machtstellung
angesehen werden darf, stehen die orientalischen Consuln nicht voll-
ständig, aber in solcher Anzahl, dass rechtliche Ausschliessung der-
selben damit nicht bestehen kann. Was also die principielle
Erwägung der Stellung Theoderichs fordert, die durchgängige An-
erkennung des Consuls des Ostreichs wird durch die Documente
nicht widerlegt, sondern bestätigt.
Inschriften, der von Vienne C. XII, 2067 vom Febr. oder März 515 Floren{tiö]
(Westen) et Anthe[mio] (Osten) und der von Lyon Leblant n. 663 [C. I. L. XIII,
2377] vom 19. Septbr. 520 Rustiano (Westen) et Vitaliano (Osten) v(vris) cl(arissimis).
MOMMSEN, SCHR. VI. 25
ggß Ostgothische Studien.
Dagegen ist die Legitimität Theoderichs von oströmischer Seite
allerdings nicht immer anerkannt worden und während dieser Zeit
hat im Ostreich der occidentalische Consul nicht genannt werden
können. Auch dem entsprechen unsere allerdings sehr sparsamen
Denkmäler. Odovacars Tod erfolgte Anfang 493; bis zu diesem
Jahre einschliesslich können die Consuln des Westens, insonderheit
Faustus für 491, Albinus für 493 von ihm ernannt worden sein und
wenn sie, wie dies nicht zu bezweifeln ist, den Byzantinern als zu
Recht bestellt galten, so wird die dem Odovacar früher ertheilte
Yollmacht dabei zu Grunde liegen. Denn mochte immer Zeno die
Expedition Theoderichs gutgeheissen oder auch veranlasst haben, es
248 geht deutlich aus den Berichten hervor, dass er diesem die Macht-
stellung in Italien, wie sie damals Odovacar hatte, nicht an dessen
Stelle übertrug, sondern höchstens für den Fall des Erfolges in
Aussicht stellte '. Als es so weit war, wurde Theoderich von Zenos
Nachfolger Anastasius nicht sofort anerkannt; er führte die Herr-
schaft über Italien zunächst ohne byzantinische Legitimation und
erst um 498 gelang es ihm diese zu erwirken 2. Die Fasten der
Jahre 494 — 497 zeigen nun, im auffallenden Gegensatz sowohl gegen
die vorhergehenden wie gegen die folgenden, ausschliesslich orienta-
lische Consuln. Augenscheinlich also hat Theoderich es vermieden
das bestehende Zerwürfniss mit dem Ostreich durch factische Aus-,
Übung des ihm nicht eingeräumten Privilegiums zu verschärfen; wenn
späterhin von gothischer Seite geltend gemacht wird, dass sie hin-
sichtlich des Consulats die kaiserlichen Rechte respectirt hätten!
(8. 379), so wird auch hieran gedacht sein. Von 498 an dagegen
erscheinen beide Creirungen wieder in voller Parität und auch untei!
1) Anon. Vales. 49: Zeno .... mittens eum in Italiam: cui Theoderieii.
pactuatus est, ut, si victus fuisset Odoachar, pro merito laborum suorum loco eins
dum adveniret, tantum praeregnaret. Das heissfc wohl, dass Theoderich nach den
Siege an Zenos Stelle bis zu dessen Eintreffen im Westreich vorläufig da
Regiment führen solle. Nachdem Odovacar im J. 490 auf die damalige Haupt
Stadt Ravenna beschränkt worden ist, sendet Theoderich den Vormann de
Senats Faustus an Zeno ab eodem sperans vestem se induere regiam (c. 53). Abe
Faustus ist bei Odovacars Tode noch nicht zurückgekehrt (c. 52) und die Gesandt
Schaft erreicht ihren Zweck nicht.
2) Anon. Vales. 57 : Theodericus . . . oecidit Odoacrem: Gothi sibi conflrmi
verunt TJieodericum regem (das heisst, er blieb was er war) non expectanti
iussionem novi principis .... 64: Facta pace cum Anastasio imperatore per Festv
de praesumptione regni is ei (Hs. regni et) omnia ornamenta palatii, quae Odoachi
Constantinopolim transmiserat , remittit. Wenn auf das folgende eodem tempo
contentio orta est in urbe Borna inter Symmachum et Laurentium Verlass ist, so fäl
das Abkommen in das J. 498.
Ostgothische Studien. 387
den nicht selten begegnenden Einzelconsulaten sind mehrfach occiden-
taUsche. — Yon dem späteren Zerwürfniss, das an die Wiederbesetzung
Sirmiums durch die Truppen Theoderichs im J. 504 anknüpft und
im J. 50S zu einer Brandschatzung der italischen Küsten durch die
Byzantiner führte^, zeigen die Fasten keine Spur; allem Anschein 249
nach war es wenig mehr als eine Störung des guten Einvernehmens. —
Dass die für das Jahr 534 von König Athalarich vollzogene Ernennung
des Consuls Paulinus in Byzanz als legitim betrachtet ward, lehren
zahlreiche Verordnungen des Kaisers lustinianus.
11. 453
Der quaestor palatii.
Der kaiserliche Quästor, welcher von dem daneben fortbestehen-
den jetzt stadtrömischen, in dieser Epoche aber nur für die Spiele
in Betracht kommenden gleichnamigen Beamten ^ durch die Doppel-
bezeichnung comcs ordinis primi intra consistorium et quaestor ^ oder
auch durch Determinationen wie quaestor aulae, quaestor intra 2)olO'-
tium, quaestor sacri ijolatii unterschieden wird *, regelmässig aber in
1) Dass im J. 505 der vor Theoderichs Einrücken hier hausende Gothen-
führer Mundo dem Commandauten des östlichen Illyricum Sabinianus eine
schwere Niederlage beibrachte, steht durch das Zeugniss von Marcellinus zum
J. 505, Ennodius paneg. 12, 63—69 und Jordanes 58 fest; der Byzantiner meldet
nichts von der Betheiligung Theoderichs, die beiden Occidentalen dagegen
schreiben die Besiegung des Sabinianus mit oder hauptsächlich dem Feldherm
Theoderichs Pitzia zu, bei dem nach Jordanes Mundo Schutz gesucht und
gefunden hat. Die letztere Darstellung wird wohl richtig sein, aber die erstere
zeigt, dass man im Ostreich wenigstens späterhin diesen Vorgang nicht als
Friedensbruch behandelte. Die Plünderung der italischen Küsten im J. 508,
die Marcellinus berichtet, wird damit zusammenhängen; aber bemerkenswerth
ist wiederum der scharfe Tadel dieses Sieges, welchen piratico ausu Romani ex
Bomanis rapiierunt, bei den Byzantinern. Die Ungezogenheit, welche der Priester
Ennodius in seiner 505/7 gehaltenen Ansprache an den König sich gegen Ana-
stasius herausnahm (17, 81) und die Hindeutung auf die bestehende Spannung
in dem derselben Epoche angehörenden ersten Briefe Cassiodors zeigen wohl das
gestörte Einvernehmen, aber auch nicht mehr.
2) Staatsrecht 2 *, 573. Von den beiden Inschriften des Nicomachus Flavia-
nus C. I. L. VI, 1782. 1783 [= Dessau 2947. 2948] nennt die zweite nur die
kaiserlichen Aemter und darunter die kaiserliche Quästur, die erste daneben
noch die stadtrömischen Stellungen qtmestor, praetc»-, pontifex mciior. Wo auf
Inschriften die Quästur ohne Beisatz erscheint, ist die stadtrömische gemeint.
3) So heisst er in der ältesten Inschrift, die einen solchen Quästor nennt,
der des Saturninius Secundus praef. praet. unter Julian (C. VI, 1764 [= Dessau
1255]).
4) Von den beiden A. 2 angeführten Inschriften des Flavianus, die beide
tim oder in dem J. 431 gesetzt sind, nennt die eine [n. 1783] ihn quaestor aulae
25*
388 Ostgothische Studien.
den kaiserlichen Erlassen und den sonstigen officiellen Actenstücken
ohne Beisatz auftritt i, wird als eine Einrichtung Constantins be-
zeichnet 2. "Wahrscheinlich ist er nicht verschieden von dem vicarius
a consiliis sacris der diocletianischen Uebergangszeit ^, umgenannt
desshalb, weil die in der früheren Kaiserzeit von den quaestores
454 Augusti beschaffte Verlesung der kaiserlichen Erlasse im Senat nach
den Ordnungen dieser Epoche auf ihn überging*. In der Rang-
ordnung, wie sie in dieser Zeit bestand und durch Valentinians
Gesetz vom J. 372 definitiv geregelt wurde, nimmt der Quästor
seinen Platz in der Klasse der illustres^ als Vorstufe des obersten
Civilamts, der Präfectur des Prätorium ®. Zwischen diesem Amt und
dem des magister officiorum, sowie denen der zwei oder seit Ana-
stasius drei obersten Finanzbeamten, den comiies sacrarum largitio-\
num, rerum privatarum und sacri patrimonii, hat keine ganz feste
Rangordnung bestanden. Regelmässig steht der quaestor über dem
magister officiorum'^; aber es findet sich auch, und zwar gleichzeitig,
i
divi Theodosi, die andere [n. 1782] quaestor intra palatium. Quaestor nostri palatii
steht in einer Verordnung Theodosius II. (cod. lust. 7, 62, 32, 1). Exquaestor
palatii nennt sich Cassiodor in den Subscriptionen ; als Quästoren xov naXaxiov
unterscheidet sie Lydus de mag. 1, 28 von den älteren. E3cqu(a)estor s(a)c(ri)
p(alatii) in einer römischen Inschrift vom J. 472 (Rossi 1 n. 844 [C. I. L. VI, 32037] \
q. Tov ■d'siov nakaxlov in lustinians V.-O. nov. 8 c. 7 und sonst.
1) Quaestor schlechtweg heisst er in der Not. dign. und in allen Schreiben
Cassiodors (praef. 5, 3, 4. 6, 5. 8, 13. 14. 18. 19. 9, 24. 10, 6. 7), ebenso regel-
mässig in den kaiserlichen Erlassen.
2) Zosimus 5, 32.
3) Wir kennen ihn nur aus der Inschrift des Caelius Satuminus C. I. L.
VI, 1704 [= Dessau 1214], wo er im Avancement die nächste Stufe über dem
magister studiorum und dem magister libellorum bildet. Vgl. meine Abhandlung
in den memorie dell' instituto archeologico 2 p. 327.
4) Staatsrecht 2 ^ 569 ff. lustinian wird es zum Vorwurf gemacht [Procop.
hist. arc. 14] , dass er trotz seiner barbarischen Aussprache seine Erlasse selbst
und nicht durch den Quästor vorgetragen habe. Claudian de cons. Mallii
Theodori 35 : oracula regni eloquio crevere tuo. Cassiodor var. 5, 4. 6, 5 : nostrae
linguae vox.
5) C. Th. 6, 9, 1. Schon Satuminius Secundus (S. 387 A. 3) übernimmt diei
Quästur nach dem Proconsulat, der obersten Stufe in der zweiten Rangklasse.!
6) Sowohl Saturninius (S. 387 A. 3) wie Flavianus (S. 387 A. 2) erhalten |
nach der Quästur die Präfectur; ebenso Ausonius (cann. 3, 35 Schenkl) und'
Andere.
7) So in den Erlassen von 362 (C. Th. 11, 39, 5) — 372 (C. Th. 6, 9, 1) —
380 (C. Th. 6, 9, 2 = C. lust. 12, 6, 1) — 416 (C. Th. 6, 26, 17) — 440/1 (C. lust.
12, 8, 2); ebenso steht der Quästor voran in den Titeln des C. Th. 1, 8. 9 und
in den Formeln Cassiodors 6, 5. 6.
Ostgothische Studien. 389
die umgekehrte Folge ^ und selbst die Ernennung eines gewesenen
Quästor zum Magister ^. Fester erscheint der Vorrang dieser beiden
Aemter vor denen der Finanzminister ^, aber die wesentliche Gleich-
heit auch dieser Stellungen geht daraus hervor, dass ein solches
Finanzamt einem gewesenen Quästor übertragen werden kann*.
Ueberhaupt werden diese vier oder später fünf Aemter insofern zu-
sammengefasst, als sie in Gemeinschaft mit den besonders berufenen
Beisitzern das kaiserliche Consistorium bilden und sie, im Gegensatz
zu den obersten Trägern der Verwaltung und des Commandos, den 455
praefecti practorio und den magistri milihim die Organe des unmittel-
baren kaiserlichen Regiments sind^.
Wenn dieser Beamte seine Benennung wahrscheinlich, wie gesagt,
davon erhalten hat, dass er die dazu bestimmten kaiserlichen Erlasse
zum Vortrag bringt, so beruht seine Stellung vielmehr darauf, dass
er die kaiserlichen Schriftstücke concipirt und dem Kaiser zur Unter-
schrift vorlegt, während die verschiedenen magistri scrinii wohl auch
nach mündlicher Anordnung des Kaisers einen Bescheid in dessen
Namen ertheilen, aber dafür die kaiserliche Unterschrift nicht er-
wirken können^. Im Besonderen wird die Thätigkeit des Quästors
1) So in den Erlassen von 409 (C. Th. 11, 8, 1) und 415 (C. Th. 1, 8, 1), sowie
in der Notitia dignitatum. Seeck {quaest. de not, dign. 1872 S. 12) erkennt
darin eine zeitweilige Verschiebung der Rangordnung; aber die Daten stimmen
dazu nicht. •
2) Dies gilt bekanntlich von Cassiodor, und es ist dies um so bemerkens-
werther, als in den Formeln die Quästur voransteht. Auch Eugenites war nach
var. 1, 13 erst Quästor, dann Magister. Anastasius, dem Corippus seinen Pane-
gyricus auf lustinus II. zuschrieb, war gemino lionore quaestor et magister. Auch
Tribonianus wird in der Adresse der Novelle 23 angeredet als illustris magistei'
offidorum et quaestor sacri palatii, während gewöhnlich nur die Quästur genannt
wird,
3) Vgl. ausser andern Stelleu besonders die Worte etiam comites rei privatae
in der VO. von 440 C. lust. 12, 8, 2.
4) Mallius Theodorus Consul 399 nach Claudian 34. In lustinians nov. 8
c. 7 steht der comes sacr. larg. vor dem Quästor und dem comes rer. priv.
5) Eine VO. von 384 C. Th. 7, 8, 3 nennt sie im Gegensatz zu den praefecti
praetorio und den magistri militum geradezu comites consistwiani (ebenso C. Th.
6, 30, 1. 4) und bezeichnet sie als participantes augusti pectoris curas, ebenso eine
andere vom J. 372 (C. Th. 6, 9, 1) als die qui sacrario nostro oboediunt (vgl. Gotho-
fred zu beiden). Von dieser Seite her heisst der Quästor bei Symmachus
ep. 1, 23 consilü regalis particeps, bei Prokopius bell. Pers. 1, 14, bell. Goth. 1, 14
des Kaisers so wie des Gothenkönigs naQedQog.
6) So scheint, insbesondere nach der Novelle 19 Valentinians III., das Ver-
hältniss dieser beiden Behörden aufgefasst werden zu müssen. Hier wird unter-
schieden die adnotatio nostri nominis oder nostra, bei der der Quästor mitwirkt.
390 Ostgothische Studien.
in der officiellen Beamtenliste und häufig auch bei den Schriftstellern ^
auf zwei Gegenstände bezogen, die leges und die preces: er entwirft
(dictat) theils die Gesetze, welche der Kaiser zu erlassen beabsichtigt,
theils die Bescheidungen der an den Kaiser gelangenden Eingaben.
Sicher sind die leges hier im weiteren Sinn zu nehmen und alle von
456 der Regierung getroffenen administrativen Verfügungen, auch die
transitorischen und die personalen dabei einbegriffen. Ueberhaupt
aber stehen beide Thätigkeiten allem Anschein nach nur exempli-
ficatorisch und liegt dem Quästor vielmehr allgemein die Concipirung
der vom Kaiser ausgehenden schriftlichen Ausfertigungen ob 2.
Aber ob dem Quästor auch die Ausfertigung der Bestallungenl
oblag, bedarf insbesondere bei der Beschaffenheit der Briefsammlunj
Cassiodors einer eingehenden Erörterung. Die ersten zehn Bücher|
derselben, in denen er, nach seiner Aeusserung in der Vorrede zi
den beiden letzten, ore regis redet, ruhen wesentlich auf der Quästur^
Zwar hat nach der Hauptvorrede er diese Schreiben in einer seinei
drei Amtstellungen theils als quaestor, theils als magister officiorur
theils als praefectus praetorio abgefasst und es lassen auch diese drei
Massen in der Sammlung selbst chronologisch sich bestimmt von ein|
ander scheiden;*) aber das Verhältniss der drei Aemter zu diesei
Geschäft ist nicht das gleiche. In der zweiten Stellung sei er, be-^
und das rescriptum simplex, welches von einem magister scrinii ausgeht, um
angeordnet, dsifes bei Bittschriften um Niederschlagung der Untersuchung wegen
Todtschlags allein die erstere Fonn zur Anwendung kommen soll. Der Gegen-
satz der beiden Aemter, wie die Not. dign. ihn bezeichnet, dass da sind sub
dispositione v. i. quaestaris leges dictandae, preces, und dass der magister memoiiae
adnotationes omnes dictat et emittit et precibus respondet, der magister epistularum
legationes civitatum, consultationes et preces tractat, der magister libellorum cognitiones
et preces tractat, ist wohl mehr der Form als der Sache nach verschieden. Die
kaiserliche Beantwortung der Eingabe erfolgt in doppelter Weise , entweder
durch den Quästor mit kaiserlicher Unterschrift oder ohne solche durch einen
der fnagistri scrinii. Bei dem ersteren Verfahren wurde vielleicht schon das
Concept auf dem Rand der Eingabe vom Kaiser gezeichnet, da die Verordnung
dies adnotatio nostra nennt, auf jeden Fall das Mundum dem Kaiser zur Unter-
schrift vorgelegt. Bei dem zweiten notirt der magister memoriae oder ein anderer
der magistri scrinii auf dem Rand der Eingabe nach mündlicher Anweisung des
Kaisers die Antwort (adnotationes omnes dictat) und besorgt dann selbst die Aus-
fertigung und Zustellung (et emittit). Vgl. P. Krüger Geschichte der Quellen
des röm. Rechts S. 269.
1) Symmachus ep. 1, 23: precum arbiter, legum conditor. Claudianus de
cons. Theod. 34: terris edicta daturus, supplicibus responsa. Corippus ad Anastas. 28 :
prineipis auspicio leges et iura gubernans.
2) Zosimus 5, 32: o rä ßaoikeX doxovvra rerayfiivog vnayogevsiv (^ dictare).
*) [Vgl« darüber Mommsen in der Vorrede zu seiner Ausgabe p. XXVII ff.]
li J
Ostgothische Studien. 391
merkt er ebendaselbst, häufig für den Qiiästor eingetreten; die Ab-
fassung auch eigentlich von Amtswegen nicht von ihm zu entwerfender
königlicher Schreiben sei ihm oftmals übertragen und die Competenz-
grenze in dieser Hinsicht nicht eingehalten worden ^ In gleicher
Weise wird mehrfach von ihm hervorgehoben, dass er als Präfect
nicht selten das Geschäft des Quästor versehen habe 2. Es muss
also die Abfassung der in diesen zehn Büchern enthaltenen Briefe
wesentlich in die Competenz des königlichen quaestor palatii gefallen
sein; der Mehrzahl nach sind dieselben entweder von ihm als Quästor
entworfen worden oder hätten doch im regelmässigen Geschäftsgang
von dem Quästor concipirt werden sollen, Nun sind in dieser Samm-
lung die oben bezeichneten quästorischen Geschäftskreise, die Gesetz-
entwürfe in der Form der edicta (jeneralia und die Bescheide auf
Ansuchen, die 2)reces, zahlreich vertreten. Auch hinsichtlich der
übrigen Königsbriefe, zum Beispiel der an den Kaiser von Con- 457
stantinopel und an die Könige des Occidents gerichteten, weisen die
römischen Ordnungen wenigstens keinen zur Entwerfung derselben
näher berufenen Reichsbeamten auf und steht der Annahme nichts
im Wege, dass auch solche Concepte regelmässig von dem Quästor
aufgesetzt wurden. Aber keine Kategorie ist stärker in diesen zehn
Büchern der Variae bedacht als die der Berufungsschreiben; nicht
bloss sind deren zahlreiche durch die übrigen acht Bücher zerstreut,
sondern die beiden nicht Ausfertigungen, sondern Schemata zu solchen
• enthaltenden Bücher (6. 7) sind, neben wenigen in die Kategorie der
preces fallenden^ und einigen anderen verschiedene statarisch sich
wiederholende Geschäfte betreffenden*, lediglich Formulare für die
1) 9, 24 (an ihn selbst gerichtet bei Uebertragung der Präfectur): quo loco
positus (als may ister) semper quaestorihus adfuisti: nam cum opus esset eloquio
defaecato, causa tuo protim<s crcdebatur infjenio: exigebaris a benif/no principe quod
se tibi noverat minime cominisisse et . . . vacuabat alias labore, ut te sententiae suae
copiosa laude comphret: non enim proprios fines sub te ulla dignitas custodivit,
qmndo conscientiae tuae constat a'edituin, quod a multis fuit proceribus . . pera-
gendum.
2) Vorrede [§ 7]: Frequenter quaesturae vicibus ingrarato otii tempus adimit
crebra cogitutio et . . . illa tibi de aliis honorihus principes videntur imponere, quae
proprii iudices {== Beamte) nequeunt explicare. Ebenso schreibt Athalarich dem
Senat 9, 25 [§ 8]: reperimus eum quidem magistrum, sed implevit nobis quaestoris
officium.
3) Schutzbrief: 7,39. 42. Heirathserlaubniss: 7,40. Alterserlass: 7,41. 46.
Einräumung öffentlichen Bodens: 7,44. Steuererlass: 7,45.
4) Steuerhebung: 7,20—22 — Verpflegung der zum Kaiser sich begebenden
Gesandten: 7, 33 — Ladung an den Hof: 7, 34. 35 — Urlaub für den Senator:
7, 36 — Verkauf von Domanialgruudstücken : 7, 47. Alle übrigen Schreiben dieser
beiden Bücher enthalten Ernennungen.
392 Ostgofchische Studien.
Berufung zu den von dem König zu besetzenden Aemtern. Da der
Verfasser ausdrücklich erklärt durch diese Schemata sich und seinen
Amtsnachfolgern die Geschäfte erleichtern zu wollen, so kann die
Frage nicht abgelehnt werden, in wie fern die Ausfertigung der
Berufung im Amtkreis des Quästors enthalten ist.
Das Verzeichniss aller Civil- und Militärbeamten, die notitia
omnium dignitatum et administrationum tarn civilium quam militarium
oder das laterculum malus führt der primicerius notariorum^ und so
viel wir sehen, hat der Quästor damit im Allgemeinen nichts zu
schaffen. Indess gilt dies vollständig nur für den Occident und für
die zum Ostreich gehörigen Commandos an der Donau. In dem
übrigen Ostreich, ungefähr also ^ in Aegypten und dem Orient erscheint
ein sogenanntes minus laterculum, welches eine Anzahl Offizierstellen
zweiten Grades umfasst und sicher aus der schon in der früheren
Kaiserzeit wahrnehmbaren Zurücksetzung der Truppen der griechi-
schen Reichshälfte'* hervorgegangen ist. Es gehören zu denselben
die den magistri militum unterstellten Offiziere überall nicht, und
von den den comites und duces der Grenzarmeen untergebenen nur
die geringeren, die Commandanten der Legionen nicht, die der Alan
zum grösseren Theil, die Cohortenführer durchaus, im ganzen nach
458 der Not. dign. 122 Offiziere. Diese erhalten ihre Ernennung von
Rechtswegen durch den Quästor. Freilich zogen, wie es scheint
unter dem schwachen Regiment des Arcadius, die magistri militum,
wahrscheinlich die praesentales, diese Ernennungen an sich; aber in
einer Verordnung vom J. 415 wird dies Verfahren als eingerissener
Missbrauch bezeichnet und auf Beschwerdeführung des Quästors zu-
nächst dahin beschränkt, dass vierzig dieser Stellen ihm und dem
von ihm abhängigen scrinium memoriae zurückgegeben werden*.
Bald nachher im J. 425 wird die alte Ordnung vollständig wieder-
hergestellt und dabei ist es geblieben ^ Sicher ist bei diesen
Ernennungen nicht minder wie bei den im maius laterculum ver-
zeichneten die kaiserliche Entschliessung eingeholt worden ; aber der
1) Not. Dign. Or. c. 18, Occ. c. 16.
2) Auch die drei in den Provinzen Rhodope und Thrakien stehenden
Cohorten (not. or. c. 40, 44 ff.) folgen dem System des Orients.
3) Hermes 19, 22 [oben S. 40]. Dass die auch sonst mehrfach hervortretende
Bevorzugung der Donauducate vor denen Aegyptens und des Orients in frühe Zeit
zurückreicht, beweist ihre gleichmässige Behandlung in beiden ßeichshälften.
4) C. Th. 1, 8, 1. Da von dieser Anordnung zwei magistri militum m
Kenntniss gesetzt werden, so scheinen die beiden constantinopolitanischen ge-
meint, die auch bei der Beamtenernennung am leichtesten concurriren konnten.
5) C. Th. 1, 8, 2. 3 = C. lust. 1, 30, 1. 2.
Ostgothische Studien. 393
Vorschlag lag hier dem Quästor, die Führung der Liste dem Personal
des scrinium memoriae ob. Dagegen werden die im malus laterculum
verzeichneten Offiziere auf Vorschlag des magister milituni ernannt
und durch das Bureau der kaiserlichen notarii in die Listen eingezeich-
net worden sein. Der zwischen beiden Stellen bestehenden Eifersucht
mag die Einwirkung auf die Personalfrage zu Grunde liegen, welche
mit der Vermittelung der Berufungen sich naturgemäss verbindet;
zunächst aber bezieht sie sich vermuthlich auf die Sportein, welche
in der späteren Kaiserzeit bei der Ernennung der hohen wie der
niederen Beamten in ausgedehntester und gemeinschädlichster Weise
erhoben wurden. — Was die Ernennungen der Civilbeamten anlangt,
80 pflegte der praefectus praetorio die Provinzialstatthalter^ der
Stadtpräfect die ihm unterstehenden hauptstädtischen Beamten ^ bei
dem Kaiser in Vorschlag zu bringen; wahrscheinlich ist überhaupt
in dieser Epoche es üblich gewesen die unteren Aemter nach Vor-
schlag oder doch nach Anhörung des beikommenden Oberbeamten
zu besetzen. — Die Ernennung der Oberbeamten selbst geht officiell
aus freier königlicher Entschliessung hervor und giebt es ein formu-
lirtes Vorschlagsverfahren dafür überall nicht.
Für ein Vorschlagsrecht des Quästors bietet sich hienach kein
genügender Anhalt: bei den Civilbeamten findet sich davon keine 459
Spur und für die Offizierbestellung im Occident, welchem das minus
Interctdum fremd ist, ebenso wenig. Aber neben dem Vorschlag
bedurfte es noch der Notification: die von dem Kaiser auf Vorschlag
oder auch immediat beschlossene Anstellung eines Beamten musste
dem Betreffenden zur Kenntniss gebracht werden. In welcher Form
dies geschah, ist anderweitig nicht mit Sicherheit festzustellen; aber
es steht der Annahme nichts im Wege, dass sie wenigstens in der
nachdiocletianischen Epoche regelmässig durch kaiserliches Hand-
schreiben erfolgte und dass die Entwerfung desselben so wie die
Erwirkung der kaiserlichen Unterschrift dafür zu den regelmässigen
Obliegenheiten des Quästors gehörte, Theoderich also in dieser Hin-
sicht nur das hergebrachte Verfahren beibehalten hat. Es wird dies
weiter bestätigt durch einige allgemeine Redewendungen Cassio-
1) Cod. lust. 2, 7, 9 vom J. 442: electione tuae sedis; 9, 27, 6 vom J. 439:
'implitudinis tuae testimonio und nachher: per sedis tuae vel nostram electionem.
lustinian nov. 8 c. 8: rjjusTSQq r/>^(po} xai xqIosi Tfjg afj<; vJtsQojifj';.
2) Nach der Verordnung Cod. Th. 1, 6, 6 vom J. 365 soll der Stadtpräfect,
wo er dazu Anlass findet, über jeden städtischen Beamten bei dem Kaiser Be-
schwerde führen und es wird bei eintretendem Personenwechsel auf sein testimo-
nium Rücksicht srenommen.
394 Ostgothische Studien.
clors ^ Die Wichtigthuerei des 'letzten Römers' und sein in den Be-
rufungsschreiben schwelgendes Complimentirbedürfniss mag die quästo-
rische Betheiligung wohl insofern in ein unrichtiges Licht stellen, als
in all diesen Schreiben nur die gefasste kaiserliche Entschliessung zuf
Ausfertigung gelangt. Aber die gewöhnliche Competenz des Quästors
ist hiebei sicher nicht überschritten worden. Auf einen politischen
Einfluss des ausfertigenden Beamten führt keine Spur und es ist
überhaupt mehr als wahrscheinlich, dass Cassiodor einen solchen zu
keiner Zeit besessen hat. Andererseits aber bestätigt auch die ge-
nauere Prüfung den ersten Eindruck, dass die Bestallungsschemata
Cassiodors einigermassen in Parallele gestellt werden können mit
der Notitia dignitatum und den entsprechenden Abschnitten der
Rechtsbücher von Theodosius und lustinian und dass sie uns ein
annähernd geordnetes Yerzeichniss der von dem germanischen Reichs-
verweser zu vergebenden Aemter und Ehren liefern. fl
460 III. 1
Die Civilämter.
Die kaiserliche Befugniss Aemter und Ehren zu verleihen ist
nach dem Untergang des selbständigen Regiments im Westreich auf
die zu dessen Verwesern bestellten germanischen Fürsten, zunächst
auf Odovacar^, sodann auf Theoderich und dessen Nachfolger über-
gegangen. Es kann dies nur auf ein Abkommen zwischen ihnen
und den Herrschern der griechischen Reichshälfte zurückgeführt
werden; wenn Theodahathus in den mit den Vertretern lustinians
vereinbarten Präliminarien darauf verzichtet den Patriciat und die
nach damaliger Ordnung zum Sitz im Senat berechtigenden Aemter
zu verleihen^, so liegt darin das Anerkenntniss, dass seine Vorgängeij
1) Die Quästur heisst ihm 6, 5 [§ 5] genetrix omnium dignitatum; 8, 13 [§ 7
fons omnium dignitatum; ebenso 8, 14 [§ 2]: beneficiis nostris quasi quandam ianuan
cogitavimus dare quaestorem, per quem venientium dignitatum culmina decenter exirent
2) Die wenigen Documente aus Odovacars Zeit zeigen völlig dieselbe Titu
latur wie die der gothischen Epoche. In einem Schenkungsbrief vom J. 48!
(Marini p. 82) heisst König Odovacar Andromacum v. i. et magnifieum magistrur,
officiorum consiliarium nostrum pro nobis subscribere , offenbar weil er selbst de
Schrift nicht kundig ist, und Andromachus unterzeichnet ex pi'aecepto regii
Auf der römischen Synode von 502 wird aus einem älteren Protokoll verleser
was subUmis et eminentissimus vir, praefectus praetorio atque patricius, agens etiai
viees praecellentissimi regis Odoacris Basilius dixit (Thiel epist. pontificum
p. 686). Den comes Bracila nennt lordanes Get. 46, 243.
3) Prokop bell. Goth. 1, 6: rjv de ys rwv vjiijxöcov riväg eg xb rcöv naxQiTtia
rj dXXo ßovXfjg u^lwfia OevSarog dyayetv ßovXrjxai, zovro 8e ovx avxov dcöoeiv, dki
ßaodsa ahrjosiv didövac. Malalas p. 384 überträgt dies irrig auf Theoderich.
Ostgothische Studien, 395
dazu vertragsmässig befugt waren. Auch vom byzantinischen Stand-
punkt aus führte der von Theoderich ernannte Präfect der Stadt
Rom ebenso rechtmässig sein Amt wie sein College in Constantinopel.
Vertragsraässige Beschränkungen dieser Befugniss haben keine Wahr-
scheinlichkeit, da eine solche zunächst bei dem Consulat eingetreten
sein würde und bei diesem, wie wir sahen ^, die Reichsverweser die
kaiserlichen Rechte in vollem Umfang ausgeübt haben.
Die Civilverwaltung des Occidents blieb unter den germanischen
Königen, wie die Imperatoren sie geordnet hatten^. Auch die drei 461
Stufen derselben, die Provinzialverwaltung, die Mittelinstanz der
Vicariate, die hohen unmittelbar vom Herrscher abhängigen Hofämter
finden sich wesentlich unverändert wieder, so weit nicht die engeren
Grenzen dieses Westreichs Aenderungen bedingten, und sie werden
mit einer einzigen sogleich zu erörternden Ausnahme lediglich mit
Römern besetzt^. Nicht die Gothen haben dem Westreich ein Ende
j gemacht; erst Kaiser Justinian hat Italien nach der Eroberung in
eine Provinz des byzantinischen Staates umgewandelt*.
Die Provinzialstatthalter, zusammenfassend bezeichnet als iudices
provinciaruni, zerfallen auch jetzt noch in die drei Rangklassen der
consiäares, correctores oder rectores, praesides, mit wesentlich gleicher
Competenz sowohl hinsichtlich der Rechtspflege wie hinsichtlich der
Steuerhebung.
I Von den Mittelinstanzen erscheint der vicarius urhis Bomae in
' der gleichen Stellung wie früher. Auch ist nach der Besetzung der
angrenzenden gallischen Landschaften der Vicariat für Gallien er-
j neuert worden^. Wenn der dritte Vicariat, der in die Grenzen des
j damaligen Westreichs fiel, der von Italien in den Documenten der
' 1) Neues Archiv Bd. 14 S. 240 ff. [oben S. 378 ff].
2) Anon. Vales. 60: (Theodericus) mUitiam Romanis sicut suh prindpes esse
i j praecepit.
1 o) Procop b. G. 2, 6 : ndoag xag Tfjg Jiohreiag dgxcig avxoi /.lev (die Römer)
! diaysyövaoiv e'xovTEg, röxdog 8k avzöJv fiezsax^v ovöei?. In demselben Sinn hält
t I Totila b. Goth, 3, 21 den Römern ihre Undankbarkeit gegen Theoderich und
Athalarich vor: im tfjg ägxf}? dndarjg avxol kg dsi xaraordvieg xai rrjv nokizsiav
diotxrjodi^Evoi hätten sie Italien an die Griechen ausgeliefert.
4) Totila (a. a. 0.) hält den Römern weiter vor, dass sie durch ihren Ueber-
tritt zu Justinian nur sich selber geschädigt und ihre Magistraturen fast alle
eingebüsst hätten (tag aQx^^? dqpfJQtjvro ox^Söv zi aTidoag).
5) Die Ernennung des ersten vicarius praefectorum für Gallien Gemellus
«. sp. enthalten die Erlasse var. 3, 16. 17 (vgl. 8, 32. 4, 12. 19. 21.) Er wird auch
als vicarius vir spectahilis von Avitus ep. 85 [32] erwähnt. Das alte Determinativ
Septem provinciaruni ist schwerlich wieder aufgenommen, wahrscheinlich dafür
GaJliarum gesetzt worden.
^96 Ostgothische Studien.
gothischen Epoche nicht auftritt^, so ist diese Stelle nicht erst von
den germanischen Reichsverwaltern aufgehoben worden. Bestanden
hat sie nachweislich noch im Jahre 399 2; in der kurz nachher redi-
girten Notitia Dignitatum Occidentis ist der vicarius Italiae zwar in
der Uebersicht der Aemter stehen geblieben, aber im Text gestrichen ^
Wahrscheinlich ist dies geschehen bei der Verlegung des Sitzes der
Regierung von Rom nach Ravenna im Jahre 404; das italische
462 Militärcommando , das die Notitia aufführt, mag damals eingerichtet
und zugleich die Civilverwaltung der bisherigen Vicarien auf den
comes Italiae übergegangen sein.f)
181 t) (Nachtrag.*) Was hier über die ncam der Gothenzeit gesagt
ist, stimmt nicht mit den Ergebnissen, zu welchen zwei junge Gelehrte,
Charles Diehl in Nancy* und Ludo Hartmann in Wien 5, die kürzUch
das byzantinische Regiment über Italien eingehend untersucht haben,
freilich unter sich wieder abweichend, gelangt sind; und ich bin da-
durch veranlasst auf die Frage zurückzukommen, um so mehr als|
ich eine vor Jahren von mir darüber gemachte und von den Genannten !
angezogene Bemerkung als unhaltbar zu bezeichnen habe. [
Die Nichtexistenz des Vicariats von Italien in der ostgothischen
Zeit glaube ich erwiesen zu haben; das Fehlen einer dafür geeigneten
Formel bei Cassiodor reicht in der That allein schon dazu aus.
Aber wenn in byzantinischer Zeit, und zwar nachdem Mailand in
die Hände der Langobarden gekommen war, die Rede ist von einem
Johannes vir magnificus, der nach Genua kommt praefecturae vicet
illic acturus als Nachfolger eines Vigilius, qui vices ülic ante hum
praefecturae gessit^, so kann ich nur gegen Hartmann (S. 40) Dieh
(S. 161) darin beitreten, dass dies ein ständiger Beamter gewesei
1) Das fwum Mediolanense (var. 8, 19 [§ 5]) kann füglich das des Consulari
von Ligurien sein.
2) C. I. L. VI, 1715 [= Dessau 1274]: Oronio Eusebio v. c vicario Itäliai
gesetzt im Jahre 399.
3) Dass er nicht durch Blattausfall fehlt, hat Seeck quaest. de not. digt
(1872) S. 28 gezeigt; ob durch Schreiberversehen oder als inzwischen aufgehober
lässt er dahingestellt. Die Vergleichung Cassiodors entscheidet für die zweit
Alternative.
*) [Neues Archiv 15 (1890) S. 181 — 183.] j
4) Etudes sur l'administration Byzantine dans l'exarchat de Ravenncj
Paris 1888.
5) Untersuchungen zur Geschichte der byzantinischen Verwaltung in Italiei
Leipzig 1889.
6) Gregorius ep. 9, 35 [103], gerichtet an den damals in Genua res
direnden Bischof von Mailand.
Ostgothische Studien. 397
sein inuss; darauf führt sowohl die Nachfolge wie die Nennung nicht
des praefectus, sondern der praefectura. Andererseits aber steht
nichts der Annahme entgegen, dass bei der Ordnung Italiens Justinian
den comes Italiae wieder beseitigt und den vicarius Italiae her-
gestellt hat.
Dass nach der Eroberung Galliens der Vicariat für Gallien von
Theoderich wiederhergestellt ward, ist unbestreitbar und unbestritten ^ ;
und diese Thatsache allein widerlegt Hartmanns Meinung, dass in
der ostgothischen Zeit der Yicariat principiell beseitigt gewesen ist. 182
Es zeigt sich vielmehr wieder recht deutlich, dass in dem Gebiet
Theoderichs das römische Verwaltungsschema, so wie dessen materielle
Voraussetzungen vorhanden waren, von Rechtswegen in Kraft trat.
Auch das Fortbestehen des vicarius urhis Romae in gothischer und
byzantinischer Zeit leugnet Hartmann (S. 39) sicher mit Unrecht.
Die bei Cassiodor 6, 15 für denselben aufgestellte Formel kann
nicht, wie er meint, auf den vicarius praefecturae urhis bezogen
werden, einmal weil der vicarius der praefectura praetorii und der
vicarius der praefectura urhis titular verschieden sind und die cassio-
dorische Formel wie überhaupt so namentlich in der Titulatur nur
auf den ersteren passt, zweitens weil der vicarius des praefectus urhi
lediglich in der diocletianischen Uebergangszeit vorkommt und nach
dem Ausweis der Notitia dign. wie nach allen anderen Quellen
späterhin ein solches Amt nicht mehr bestanden hat^. — Die An-
nahme, dass die Competenz des vicarius urhis Romae im Laufe
dieser Periode eine andere geworden sei, habe ich früher vertreten*
und Diehl (S. 161) wie Hartmann (S. 144) haben mir darin beigestimmt;
doch lässt sich dafür ein genügender Beweis nicht erbringen. Nach
den diocletianisch-constantinischen Ordnungen hat der vicarius urhis
Romae eine zweifache Competenz: er hat theils, als den praefecti
urhi neben-, aber nicht untergeordnet, die secunda iudicia in der
Stadt Rom, theils ist er Oberinstanz für die zehn süditalischen Pro-
vinzen. Beides ist wahrscheinlich geblieben. Wenn er nach Cassiodors
Angabe intra quadragesimum sacratissimae urhis iura custodit, so
kann diese sonst nicht bekannte * Competenzgrenze füglich auf seine
1) Var. 3, 16.
2) Dies ist in den Memorie dell' instituto 2, 308 fg. gezeigt worden. Die
Verschiedenheit des bei Vacanz des Amtes oder Abwesenheit des Beamten ein-
tretenden agens vices praefecti urhis von dem ständigen vicarius praefecturae urhis
habe ich dort ebenfalls entwickelt.
3) Rom. Feldmesser 2, 203 [Ges. Sehr. V 190]. Dagegen Bethmann-HoUweg
Civilprozess 3, 63.
4) Hartmann S. 144 macht indess aufmerksam auf die Stelle bei Gregorius
398 Ostgothische Studien.
städtische Function bezogen werden und dafür schon vor der gothischen
Zeit bestanden haben, während andererseits es sich nicht erweisen
lässt, dass er in gothischer Zeit nicht auch noch in gewissen Be-
ziehungen als Oberinstanz für Süditalien fungirt hat, obwohl aller-
dings davon geradezu nichts zum Vorschein kommt und deren*) Vor-
steher namentlich in Steuersachen direct vom praefectus praetorio
ressortiren.
Ich muss also dabei bleiben, dass in Rom es auch jetzt noch
wie früher drei kaiserliche Stellen ersten Ranges gab, den agens
183 vices praefedi praetorio^, seit dieser selbst in Ravenna residirte, den
praefecfus urbi und den vicarius urbis Romae^. Bei Vacanz des
Amtes oder Behinderung der Beamten tritt für die beiden letzten
ein agens vices ein^.)
Der praefecti praetorio giebt es unter Odovacar und in der ersten
Hälfte der Regierung Theoderichs nur einen; denn damals ging das
Herrschaftsgebiet über die ehemalige Diöcese des ^^raefectus j^raetorio
Italiae, Illyrici et Africae nicht hinaus, ja umfasste dieselbe bei
weitem nicht ganz. Nach dem fränkischen Krieg tritt diesem Prä-
dial. 3, 18: fuit quidam in Campaniae partibus intra quadragesimum Eomana»
urbis miliarium nomine Bmedictus . . . Totilae regis tempoi'e.
*) [D. h. der zehn süditaliscben Provinzen.]
1) Ostgoth. Stud. S. 463. 491 [unten S. 399. 431]. Zu dieser Kategorie gehört
wohl der Johannes vir magnificus in hac urbe locum pi'aefectorum servans be;
Gregor dial. 3, 10. 4, 52; desgleichen der Dulcitius, den als agens vices des p'oe
positus (oder vielmehr praefeetus praetorio: Jaffe - Kaltenbrunner 1775) ItaliU'
Johannes derselbe Gregorius ep. 10, 21 [X, 8] erwähnt und der ohne Namennennunt
noch bei ihm 10, 52 vorkommt: ut cautiones agentium vices lohannis pn'aefect
simul et Palatini hitc transmittere debeat. Wenn Diehl S. 160 A. 11 darüber be
merkt, que le titre de praefeetus simul et palatinus est peu clair, so ist überseher
dass das letzte Wort hier nicht Standesbezeichnung, sondern der 10, 51 genannt
Palatinus patricius gemeint [dagegen Hartmann zu Gregor, ep. IX, 5] und hie
von dessen Vertreter und dem des Präfecten Johannes die Rede ist. Ei
gleichnamiger Mann wird erwähnt in der Veroneser Biographie des Papstf
Symmachus (Duchesne liber pontif. p. 46). Noch weniger durfte Diehl de
loJmnnes vir clarissimus palatinus des Briefes 10, 26, einen Steuerbeamten d(
dritten Rangklasse, mit jenem praefeetus praetorio identificiren. j
2) Dass man den Crescentius, den Papst Gregor ep. 10, 46 [IX, 182] als vicarin
noster bezeichnet, zu einem Reichsbeamten dieser Benennung zu machen pfleg!
während vicarii der Bischöfe oft genug vorkommen, hat viel Verwirrung gestift
(vgl. jedoch Hartmann zu Gregor, ep. IX, 182].
3) Ein solcher des Vicars ist Georgius comes et agens vices Marcellini vicai\
in dem Briefe Papst Pelagius I. von 558/560 (Jaffa' - Kaltenbrunner reg. u. 10!j
mit dem Nachtrag von Löwenfeld; Ewald in diesem Archiv 5, 555).
Ostgothische Studien. 399
fücten (Lßr wiederhergestellte praefectus praetorio Galliarum an die
Seite ^ Hinzugetreten ist zu der Competenz des Präfecten die Leitung
der Waffenfabriken 2. die nach der früheren in der Notitia befolgten
Ordnung dem magister ofßciorum obliegt und im Orient diesem immer
geblieben ist^. Es ist dies wahrscheinlich geschehen, weil die hiebei
wünschenswerthe Centralisirung in dem damaligen Westreich aucli
auf jenem Wege erreicht werden konnte. — Die Stellung des Prä-
fecten als Alter Ego des Kaisers in allen Civilangelegenheiten scheint
formell unverändert geblieben zu sein; doch ist von dem vicekaiser-
lichen Consistorium und den dazu gehörigen tribuni et notarii^ in
dieser Epoche nicht die Rede.
Der magister ofßciorum bleibt ebenfalls an der Spitze theils der
sämmtlichen kaiserlichen Leibwachen, deren scholae auch jetzt noch
römisch sind, aber in Folge der Uebertragung der militia armata
auf die Gothen zu dieser nicht mehr gezählt werden^, theils der
zum Hofe gehörigen Subalternbeamten, während über die eigent-
liche Dienerschaft der später (S. 453) zu erwähnende casirensis
gesetzt ist.
Neu ist in Beziehung auf diese beiden Oberbeamten, dass sie 463
jetzt, in Ravenna residirend, in Rom durch einen agens vices vertreten
werden; aber die Neuerung wird nicht von den Germanen herrühren,
sondern bei der Verlegung des Regierungssitzes eingetreten sein.
Der Vertreter des Präfecten gehört der höchsten Rangklasse an wie
1) So lieisst Liberias bei Cassiodor (var. 8, 6. 11, 1 [§ 16]) und er unterzeichnet
auf der Synode von Arausio im J. 529 also: Petrus Marcellinus Felix Liberius
r. c. et inl. praefectus jyraetOTio Galliarum atque patricius (concil. Gall. 1, 946). Auch
in seiner Grabschrift (C. I. L. XI, 382) heisst es: 7'extt Bomtileos fasces, cwrentibus
annis successu parili Gallica iura tenens. Wahrscheinlich hat das Edict Theo-
derichs auch in dem von ihm mit Italien vereinigten Theile Galliens Geltung
gehabt (Brunner Rechtsgeschichte 1,367 [2. Aufl. S. 528]).
2) Var. 7, 19 vgl. 18.
3) Theodosius IL nov. 6. Zeno cod. lust. 11, 6, 7. lustinian nov. 85.
4) Wo Cassiodor von der Beförderung des aus dem Officium des praef.
jjiaet. ausscheidenden cornicularius (11, 18) und primiscrinius (11, 20) zu tribuni
et notarii redet, können, da diese den Kaiser adoriren, nur die kaiserlichen ge-
meint sein, nicht die des Präfecten. Auf die letzteren beziehen sich C. Th. 6, 10, 3.
Cod. lust. 2, 7, 25, 1. 12, 33, 8. C. L L. VI, 1730. 1761 [= Dessau 1277. 1285].
Das Auftreten der notarii bei dem Präfecten in Verbindung mit dem primieei'ius
notariorum des römischen Bischofs und der Aeusserung Ammians (28, 4, 13), dass
in einem grossen römischen Privathaus bis zu dreissig Notarien thätig seien,
zeigen, dass die notarii mehr als die meisten sonstigen Institutionen des Kaiser-
hofs der Privatverwaltung angehören Und aus dieser in die kaiserliche Haus-
ordnung übergegangen sind.
5) Cassiodor var. 6, 6. Prokop bist. arc. 26.
400 Ostgothische Studien.
der Präfect selbst^; dem des Magister werden wir weiterhin (S, 408)
als dem agens vices des princeps der agentes in rebus begegnen. In
den cassiodorischen Formeln fehlen beide, ohne Zweifel weil sie
nicht vom Kaiser, sondern von ihren nächsten Vorgesetzten ernannt
wurden.
Von der Quaestur des Palastes ist besonders (S. 387 f.) gehandelt
und gezeigt worden, dass sie von den dafür durch die Kaiser auf-
gestellten Normen sich nicht wesentlich entfernt.
Hinsichtlich der Finanzverwaltung gilt nicht dasselbe. Zwar
die eigentliche Reichshauptkasse, in welche die Steuern flössen und
aus der die Beamten und die Soldaten ihre Bezüge empfingen, die
arca des praefedus praetorio functionirt unter den Königen ebenso
wie unter den Kaisem 2. Aber hinsichtlich der unmittelbar kaiser-
lichen Hauptkassen sind Modificationen eingetreten, die eine Erörterung
fordern.
Nach der Formel der comitiva sacrarum largitionum ist dieses
Amt ständig verbunden mit einem primiceriatus , welcher mit der
Beamtenernennung zu thun hat^. Damit muss einer derjenigen beiden
Primiceriate gemeint sein, welche aus ihrer ursprünglichen subalternen
Stellung in hohe Reichsämter übergegangen waren ; und da von diesen
beiden, dem der notarii und dem des sacrum cubiculum, der erstere
anderweitig in der Formelsammlung vertreten ist*, so kann nur an
den zweiten gedacht werden. Diesem entsprechend findet sich, ich
weiss nicht seit wann ^, aber sicher unter Justinian bei der Beamten-
464 ernennung das sacrum cubiculum betheiligt: neben den kaiserlichen
notarii und dem praefedus praetorio participirt an den dafür von
1) An seinen vices agens v. ill. in Rom richtet Cassiodor die Schreiben 11,4
(absens adhaere nostro lateri). 11,5. 12,25; erwähnt wird er auch 4,47. Dei
functus vicibus praefectorum 9, 7 [§ 2] ist wohl der vicarius urbis Bomae.
2) Unter dem Präfecten stehen zwei arcarü mit dem Rang des Clarissimati|
(Cassiodor 12, 20; vgl. 1, 10. 12, 7. 8. 10. 23. 27).
3) Var. 6, 7 [§ 4]: huic . . . dignitati . . . locum quoque primiceriatus adiungimus
ut per te demus honores, per quem et nostrae pecuniae conferirmis largitates un(
weiterhin [§ 9] : comiiivae sacrarum et primiceriatus tibi conferimus dignitates . .
duarum dignitatum gloriosa quidem cura, sed et laboriosa custodia est.
4) Var. 6, 16.
5) Belege aus vorjustinianischer Zeit habe ich nicht gefunden. Gewissi
Domänen, insbesondere die kappadokischen Gestüte, gehörten seit langem zuij
cubiculum und deshalb wird bei dem Erlass der restirenden Steuern dasselbe m;|
genannt (C. Th. 11, 28, 9; nov. Marciani 2); aber welcher Kaiser die eiger;
Betheiligung an den Emennungstrinkgeldern eingeführt hat, weiss ich nicl
zu sagen.
i j
Ostgothische Studien. 4Q1
den Civilbeamten geforderten Sportein damals auch dieses ^ Wahr-
scheinlich sind diese Zahlungen von dem zweithöchsten Beamten des
Cubiculum, dem primicerius in Empfang genommen und ist aus diesem
Grunde dieses Amt von Theoderich mit dem des comes sacrarum lar-
(/Itionum combinirt worden. Dass die besondere Rechnungsführung
geblieben ist, wird daraus geschlossen werden dürfen, dass der König
Zahlungen auf sein cuhiculum anweist^.
Neben der comitiva sacrarum largitionum steht bekanntlich als
die andere kaiserliche Hauptkasse die der Domanialverwaltung, die
comitiva verum xyrivatarum, zu welcher seit Anastasius ^ die comitiva
patrimonii hinzutritt*. Dies gilt auch für den Westen; aber mit
dem letztgenannten Amt hat es hier eine besondere ßewandtniss.
In Odovacars Zeit stehen die kaiserlichen Domänen unter einem Be-
amten mit der Titulatur comes et vicedomimis, anscheinend gothischer
1) Nach lustinians achter Novelle vom J. 535 (wo c. 1 fin. entsprechend
zu ergänzen ist) zahlt zum Beispiel der comes Orientis an den primicerius notario-
rum, resp. dessen adiutor, und an die vier scrinia des latercuUim 53; an das
Officium des praefectus praetorio 80; au das sacrum cubiculum 63 oder an jeden
der drei chartularii vv. spectabiles desselben (vgl. das. c. 7) 21 solidi. Nach den
Bestimmungen Athalarichs ([var.] 9, 15) sollen bei der Ernennung des römischen
Papstes die unvermögenden (denn minus ist in den Text hineininterpolirt) kaiser-
lichen Officialen (dies sind die suggerentes nobis) 3000, bei Ernennung eines
Patriarchen 2000 solidi als Papiergelder (p)-o eollectione chartarum) erhalten, bei
der Ernennung von Bischöfen wie es scheint die unvermögenden Officialen des
Statthalters 500.
2) Var. 4, 51 [§ 12]: expensas vobis de nostro cuhiculo curavimus destinare.
Ebenso 11, 15 [§ ij; vgl. 5, 44 [§ 3]. Es gab dort Normalgewichte für die
Goldzahlung nach var. 5, 39 [§ 5] : ad libram cubiculi nostri, quae vobis in praesenti
data est , nniversas functiones publicas iubemus inferri. Nach diesem Brief und
nach 5, 14 mögen auch die spanischen Tribute und andere Zahlungen in das
cubiculum geflossen sein. Praktisch kann bei der Combinirung der beiden Aemter
der Unterschied damals nicht viel bedeutet haben.
3) Der der Rangklasse der illustres angehörige Beamte Fiavius Peregrinus
Saturninus, welcher in seiner Inschrift (C. I. L. "VI, 1727 [= Dessau 1275]) be-
zeichnet wird als moderans inlustron sacri patrimonii comitivam, in einer Ver-
ordnung vom J. 399 (C. Th. 9, 42, 16) als comes et procurator domus divinae, ist,
wie die letztere zeigt, ausserordentlicher Weise für die Verwaltung von Gildos
Vermögen eingesetzt, nicht identisch mit dem coities Gildoniaci patrimonii, den
einige Jahre später die Notitia Dign. Occ. 12, 5 nennt, da dieser als Unter-
beamter des comes rerum privatarum nicht der ersten Rangklasse angehört haben
kann, aber dessen Vorgänger vermuthlich mit weiterer Competenz, auf jeden
Fall ein ausserordentlicher Beamter [vgl. Hirschfeld, Die kaiserl. Verwaltungs-
beamten, 2. Aufl. S. 47 A. 4].
4) Cod. Tust. 1, 34; Lydus de mag. 2, 27; glossae iuris bei Otto thes. 3, 1776.
MOMMSEN, SCHR. VI. 26
402 Ostgothische Studien.
465 Nationalität^; und unter Theoderich führen unter sämmtlichen Civil-
beamten allein die comites patrimonii zum Theil germanische Namen ^.
Also hat der Ausschluss der Germanen von den Civilämtern auf diese
Stelle sich nicht erstreckt, wie denn auch die vicedomini niederen
Ranges, die Verwalter der einzelnen königlichen Domänen, ebenfalls
Gothen sind 3, Vermuthlich wurde diese Stellung nicht als eigent-
liches Staatsamt aufgefasst. Der unter Odovacar, das heisst unter
Zeno auftretende vicedommus des Westens ist wahrscheinlich gar
nicht nach römischem Muster gestaltet*, vielleicht sogar für den von
Anastasius eingeführten comes patrimonii das Vorbild gewesen. Odo-
vacar hatte guten Grund dem comes reruni privatarum^ welcher die
Verwaltung des Kaiserguts wenigstens nominell und reell die sonst
damit verbundene Competenz behielt, einen eigenen Verwalter des
Königsguts an die Seite zu setzen; im Ostreich dagegen scheinen
die Domänen zwischen dem comes privatarum und dem comes patri-
monii rein äusserlich getheilt gewesen zu sein^ und steht insofern
die Competenz mit der ungleichen Benennung in einem gewissen
Widerspruch, welcher minder auffällt, wenn der Anstoss zu dieser
Einrichtung von aussen kam. Auf jeden Fall macht die Gleichstellung
1) Der Schenkungsbrief Odovacars vom J. 489 (Marini pap. n. 82) erwähnt
den Bericht viri sublimis comitis et vicedomini nostri Ardori über Vergebung von
königlichen Grundstücken intra p(rovinciam) S(iciliam) Syrouiusano territorio und
in provincia Dalmatiarum.
2) Genannt werden als comites patrimonii lulianus [var.] 1, 16; Senarius in dem
Briefe 4, 3 [§ 2]. 4 [§ 2] (in den Adressen mehrfach irrig als comes privatarum
bezeichnet) und in der Grabschrift Burmann anth. 2, 133 [vgl. Mommsen Index zu
Cassiodors Variae S. 499]; Wilia 5, 18. 19. 9, 13; Bergantinus 8, 23. 9, 3. Die
beiden letzten scheinen Gothen; die beiden ersten waren es nicht, Senarius
auch Patricier.
3) Als Gothen erscheinen sie var. 5, 14 [§ 8] (S. 443 A. 5) und können so gefassl
werden in Theoderichs Edict c. 155: s* forsitan persona potentior aut eins pro
curator vel vicedominus ipsius aut certe conductor seu barbari seu Homani in aliqui
genere eausae praesentia non permiserint edicta servare. Dass die Bezeichnung
vicedominus bei Gregorius Magnus, in dem Pontificalbuch, bei Agnellus und sons
von den oeconomi der Kirchen von Rom und Ravenna und einzeln auch vcij
den Verwaltern von grossen Privatgütern gebraucht wird, weist Marini pa^
p. 306 nach.
4) Es kann freilich der praefectus fundorum patrimonialium zu Grund |
liegen, welcher nach der Not. Occ. 2, 42 unter dem praef. pi'aetorio von Italie
fungirt.
5) Böckings Ausführung über die Competenz der beiden Aemter (not. digij
Occ. p. 374 ff.) befriedigt nicht. Eine principielle Unterscheidung von Fiscal
und Krongut ist für diese Epoche unmöglich; und die Verordnung C. Tust. 1, 34,
führt vielmehr auf völlige Gleichartigkeit beider Aemter."
Ostgothische Studien. 403
der Aemter, welche in dem Wechselverhältniss der beiden Reichs-
hälften ein wesentliches Element ist, auch noch in diesem jüngsten
aller römischen Reichsämter sich geltend.
Die comitiva domesticorum scheint unter Theoderich nicht mehr
effectiv vergeben worden zu sein. Es kann nicht Zufall sein, dass
unter den Schematen Cassiodors diese Würde nur als titulare (vacans)
aufgeführt wird^; die dahin gehörigen Ernennungsschreiben, die sich 466
anderswo bei ihm finden 2, hindert nichts ebenfalls in diesem Sinne
zu fassen. Es ist begreiflich, dass unter einem Regiment, das den
Römern verbot auch nur Messer zu führen, diese equites et pedites,
wie scheinhaft ihr Wehrdienst immer sein mochte, ebenso wie die
scholares des Magister zu Pensionären ^ und ihr Vorsteher zum Titular-
offizier wurde; liess doch Theoderich regelmässig diese sogenannten
Besoldungen sogar auf die Erben der Inhaber übergehen*. Die
nachdrückliche Wiederaufnahme dieser Stellung nach Theoderichs
Tode^ zugleich mit der Einführung des weiterhin zu erörternden
1) Var. 6, 11.
2) Var. 2, 15. 16. 11, 31 wird ein ausgedienter Beamter des Bureaus des
Präfecten inter domesticos et protectwes aufgenommen und dem Kaiser vorgestellt.
Ein comes domesticorum Odovacars Pierius Anon. Vales. 53; er wird derselbe
sein, den der Papyrus Marinis n. 82 v. %., Eugippius vita Sev. 44, 5 comes nennen.
Auch der Cousul des J. 494 Asterius nennt sich in der Subscription des Florentiner
Virgil ex comite dornest, protect. und der im J. 519 verstorbene lulius Felix
Valentinianus v. c. et [inl.] com. dorn. (Rossi inscr. ehr. I n. 968 [C. I. L. VI, 32003]).
3) Var. 1, 10 [§ 2] führen die domestici partis equitum et peditum, qui nostrae
aulae videntur iugiter excvbare, Beschwerde über Verkürzung ihrer Bezüge.
4) Prokop hist. arc. 26: Osvdegixog . . rovs sv tw 'Pcöftrjg naXaxico orgarevo-
jxsvovg avtov Eiaasv, o^cog xi diaacöCono TioXixEia? rfj? jtaXaiäg i^vog , /niav dnoXiTicDV
ovvxa^iv ig rjfxsQav sxdaxcp' fjoav de ovxoi JiafA.TiXrjd'EXg äyav oi' xs yaQ oiXsvxiäQioi
Hodovfisvot xai dofieaxixoi xal axoXdgtoc iv avxoTg rjaav, oJg drj äXXo ovdev vjisXiXsi^izo
1} TO xijg argaxsiag ovofia fiövov xal ^ avvxa^ig avxT] ig x6 ouioCfjv äjioxQÖHaa fiöXtg
avxoTg, cbisg s'g re JiaTdag xal ä:no}'6vovg Osvdsgixog avxovg nagaTiifjUiEtv ixiXsvae.
5) Var. 8, 12 [§ 1] : perfectionem necessariarum rerum cotnpletam esse iudicamus, si
quemadmodum eligendo . . . patricium (Tuluin, dessen Ernennung zum patricius
praesentalis die vorhergehenden Schreiben betreffen) armatae rei publieae parti
providitnus, ita et de sociando ei litterarum peritissimo consulamus. Dass diese
Truppe nicht eigentlich Kriegsdienste thun soll, wird allerdings auch hier so
deutlich wie möglich gesagt; aber wohl mag der Paradedienst der Nobelgarde
unter Theoderich geruht und mit diesem Erlass wieder begonnen haben.
(Nachtrag.*) Was hier über die Reactivirung des com^ domesticorum nach IS3
' Theoderichs Tode bemerkt ist, beruht auf einer Interpolation des Briefes 8, 12,
auf die ich erst später aufmerksam geworden bin. Derselbe giebt die Amts-
st'Cllung des Adressaten Arator v. i. in der Aufschrift nicht an; sie wurde ge-
folgert aus den Worten des Textes [§ 8] : te comitivae domesticorum illustratum honore
*) [Neues Archiv 15, S. 183—184.1
26*
4Q4 Ostgothische Studien,
commandirenden Patriciats ist sicher eben wie dieses eine Concession
des schwankenden Gothenreichs an die römische Aristokratie.
Grössere Schwierigkeit als die durchgängig wohlbekannten Civil-
ämter bereiten die unter den germanischen Königen Italiens begegnen-
den Subalternen derselben. Diese selbst, die officia sind nicht der
am wenigsten merkwürdige Bestandtheil der diocletianisch-constanti-
467 nischen Staatsordnung ^. Den Subalternenbegriff hat die republikanische
Epoche als apparifio der Magistrate aufgestellt und diese Subalternen
der Republik, die Lictoren und die übrigen decuriales urbis Romae,
haben wesentlich als Staatspensionäre, bis in die späteste Zeit fort-
bestanden. Aber den Magistraten der caesarisch-augustischen Staats-
ordnung sind formell Subalternbeamte nicht beigegeben; praktisch
treten an deren Stelle einerseits das Gesinde, die eigenen Sclavenjj
und Freigelassenen des Beamten und darunter vor allem die deffl
Kaisers, andererseits die zum Dienst bei den Beamten abcomman-l
decoramus, die trotz ihrer verwirrten Fassung nicht wohl anders verstanden
werden konnten. Aber diese Fassung findet sich nur in den geringeren Hand-
schriften; die beste, die Brüsseler, zum Theil unterstützt durch die Londoner,
liest: te comitiis domesticorum ülustratum isto honore decoramus; wonach also
Arator, nachdem er vorher durch die comitia (das heisst die comitiva) domesticorum
zum Illustrat gelangt war, jetzt nach Theoderichs Tode ein anderes Amt empfängt.
Welches dies ist, spricht Cassiodor nicht aus; es muss eines der minderen der
ersten Klasse gewesen sein, da Arator dieser bereits angehört, aber in dem
Briefe nur von seinem Vater und von der Vorstufe der Beamtenlaufbahn, der
Advocatur die Rede ist, auch am Schluss ihm bei fernerem Wohl verhalten
höhere Stellungen verheissen werden. Aber was der Brief verschweigt, sagt uns
die Subscription des von demselben Mann verfassten und dem Papst Vigilius im
J. 544 überreichten Poems de actibus apostolorum ; es heisst hier: oblatus hie codex
184 ab Aratore inlustri excomite domesticorum excomite privatarum viro religioso sub-
diacono sanctae ecclesiae Romanae"^. Also ist die comitiva privatarum gemeint
und hat Arator diese im J. 526 von Athalarich erhalten, worauf er dann in den
geistlichen Stand übertrat und achtzehn Jahre später in Rom als Subdiaconus
thätig war.)
1) Der sogenannte epitomirte Victor führt dieses System vielmehr auf
Hadrian zurück, denn die officia publica et militiae in den S. 405 A. 3 angeführten
Worten sind die der Civil- und Militärbeamten im Gegensatz zu den officia
palatina, den kaiserlichen später unter dem magister officiorum stehenden Subal-
ternen. Aber dies wird nicht ohne weiteres angenommen werden können, da
die vordiocletianischen Inschriften, zum Beispiel die karthagischen Gesammt-j
gräber der Officialen des Procurator, keineswegs mit den Officialen der Notitia
stimmen. !
2) Diese vollständige Fassung giebt Sirmond (zum Ennodius p. 349 deij
Vogelschen Ausgabe) nacn einer Handschrift von Reims; in anderen, zum Beispie)'
der Berner von Hümer, Wiener Stud. 2, 79 angeführten, steht bloss ab Araton
subdiacono.
Osfgothische Studien. "405
dirten Soldaten. Aus diesen beiden Elementen ist das officium der
späteren Epoche hervorgegangen, aber in der Weise, dass diese den
Civil- wie den Militärämtern nach einem festen, im wesentlichen
beiden gemeinsamen Schema zugeordneten Officialen weder zum
Gesinde gehören noch zu den Soldaten^, sondern es sind diese Stellen
nach der Redeweise dieser Epoche wie die Oberämter dignitates^.
Dem Gesinde entnommen ist der Begriff des officium selbst^ und
von den einzelnen Stellen sowohl die des princeps (A. 3) wie die für
die cura epistularum bestimmten, die der exceptores und die zahl-
reichen übrigen der Schreiber. Dagegen sind den principales der
alten Legion entlehnt die cornicularii, die commentarienses, die singu-
lares. Die Stellung des Herrschers unterscheidet sich in Betreff der 468
Officialen von derjenigen der übrigen Beamten theils dadurch, dass
von den für eigentlich subalterne Geschäfte ihm zugeordneten Unter-
beamten diejenigen höheren Ranges, die magistri scrinii und die
notarii, unter die Oberämter eingereiht werden, theils dadurch, dass
1) Bekanntlich scheiden die späteren Ordnungen die Officialen auch der
Militärbeamten streng von den Soldaten, der militia armata. Dass im weiteren
Sinne alle Beamten jetzt als Soldaten betrachtet werden, erstreckt sich natürlich
auch auf die Officialen.
2 ) In der Not. Dign. wird das Officium der niagistri militum eingeführt mit
den Worten: habet dignitates infra scriptas.
3) Einen xtrincefs officii imper . . . nennt eine Inschrift aus neronischer Zeit
C. I. L. VI, 1921. Die Abtheilungen des Gesindes werden auf den Inschriften
als solche selten benannt; die üblichen Bezeichnungen ihrer Vorsteher prae-
positus cocorum, supi'a stahularios u. dgl. sind anders gewendet. Hauptsächlich
aber hat wohl die in der früheren Kaiserzeit vorherrschende quasi -municipale
Gliederung des Gesindes mit Quasi- Magistraten und Quasi -Decurionen bewirkt»
dass von den Gesinde- Officien in den Inschriften so wenig die Rede ist. Bei den
Schriftstellern finden sie sich. Suetou. Vesp. 14 spricht von dem kaiserlichen
officium admissionum und auch bei den breviaria omnium officiarum das. 21 werden
die Abtheilungen der kaiserlichen Dienerschaft zu verstehen sein. Ebenso
brauchen die Kaiserbiographien das Wort. Als Vorstände des Hofgesindes
nennen sie bald principes, bald magistri (principes aut magistri: vita Alex. 32,1;
principes: vita Marci 8, 10; magistri: vita Nigri 12, 7; Elagabali 20, 2; Gallieni
17, 8). Die Zurückführung der späteren Ordnung des Beamtenwesens auf Hadriau
(vita 10, 3: ordinatis et offidis et impendiis; Victor ep. 14: officia publica et
pdlatina nee non militiae in eam foitnam statuit, quae paucis per Constantinum
immutatis hodie perseverat) schliesst wohl auch diese Subalternen ein (S. 404 A. 1).
Auf die den Dienst bei den Beamten versehenden Soldaten scheint das Wort
erst später, jedoch schon vor Diocletian (z. B. Paulus sent. 1, 6a, 4; vgl. Lactan-
tius de mort. persec. 7: muUi praesides et plura officia) übertragen zu werden.
[Es erscheint in dieser Bedeutung bereits unter Hadrian: C. I. L. VIII, 18042
Ab 3 {officium pr[ocon]sulis); andere inschriftliche Belege bei v. Domaszewski,
Rangordnung des röm. Heeres (1908), S. 5 BANG.]
406 Ostgothische Studien.
jedem der übrigen Oberbeamten ein Officium zugeordnet ist, dem
Kaiser aber seit Constantin ein eigener Oberbeamter als Vorsteher
der sämmtlichen unmittelbar kaiserlichen Subalternbeamten, der
magister officiorum.
Die Subalternbeamten der gothischen Epoche sollen hier zunächst
nach den einzelnen Oberämtern gesondert und weiter für die wich-
tigsten Kategorien die specielle Titulirung und ihr Platz in der Reihe
untersucht werden.
Die Sonderung der Subalternen nach den Aemtern ergiebt sich
grösstentheils von selbst; abgesehen von einzelnen allzu vag gefassten
Erwähnungen macht es keine Schwierigkeit bei Cassiodor die Officien
des praefectus praetorio, der oberen Finanzbeamten, der Vicare, der
Provinzialstatthalter und so ferner von einander zu scheiden. Nur
in Betreff der Bezeichnung officium nostrum in Beziehung auf den
König und in Betreff der Benennung comitiacus bedarf es einer Er-
örterung, an welches Oberamt dabei gedacht ist.
Dem officium nostrum, das in den königlichen Erlassen mehrfach
genannt wird^, werden die Officialen des praef. praet. ausdrücklich
gegenübergestellt 2. Auch in den Verordnungen werden diejenigen
der Finanzbeamten nie an die Person des Kaisers geknüpft, die
scrinia derselben ausdrücklich den sacra scrinia gegenübergestellt^,
welchen in den königlichen diesen Ausdruck vermeidenden Erlassen
die scrinia nostra entsprechen. Insofern der König, wie weiterhin
gezeigt werden soll, zugleich den Platz des magister militum einnimmt,
469 könnte dabei an dessen Officialen gedacht werden; allein die in der
Beigabe des Officium deutlich zu Tage tretende Beamteneigenschaft
1) 2, 28: Stephano v. s. comiti primi ordinis et ex principe offidi nostri, wo
nachher [§ 4] scholae tuae exprincipes erwähnt werden. 3, 30 wird der praef. urbi
angewiesen dem mit der Aufsicht über einen Bau beauftragten v. sp. offkii
nostri [nach den massgebenden Hs. vestri, d. i. des praef. urbi] sölacia (= Bezüge)
anzuweisen. 4, 40 [§ 3] wird per officium nostrae sedis eine Partei vor das Königs-
gericht geladen. 6,3 [§5]: (praefectus praetorio) milites suos Ulis exaequat, qui
inter pi'oceres mixti nostris conspectibus obsecundant. 6, 13 an den ausscheidenden
comitiacus [§ 7]: nostri nominis . . . tuitione vallaris, ut officium, quod nostris
iussionibus speciali solUcitudine famulatum est, amplius aliquid a inilitibus ceteris
promereri potuisse videatur. 7, 21. 22 beaufsichtigen scriniarii officii nostri ini
der Provinz die Hebung einer Steuer. 7, 25 (vgl. 24): ex officio nostro werden!
zwei principes an den comes von Dalmatien geschickt (vgl. S. 443 A. 8). 7, 42
[§ 2] stellt, wer einen Saio erbittet, die erforderliche Caution offixdo nostro. 9, 18, ?
werden Urkunden edirt de nostris scriniis. Edict Theoderichs c. 10: relationen.
ad scrinia nostra transmittant. 2) Var. 6, 3 (A. 1),
3) C. Th. 6, 30, 3: primicerii scriniorum . . . iuxta instar sacrorum scriniorum
ähnlich daselbst 1. 19.
i
Ostgothische Studien. 407
des Magister wird bei den germanischen Königen vielmehr versteckt.
Es bleibt also für dies officium nichts übrig als die Gesammtheit
der dem magister officiorum unterstellten Subalternen; diese Officialen
werden, wie schon die Benennung ihres Vorstehers zeigt, überhaupt
als unmittelbare Subalterne des Kaisers gedacht ^ Auch ist unter den
einzelnen Anwendungen keine, die dieser Determination widerspricht;
und wir werden weiterhin finden, dass mehrere derselben sie fordern,
lieber den comitiacus fehlt es in unserer Ueberlieferung an einer
Erklärung; wir müssen den Begriff aus den einzelnen Erwähnungen
erschliessen, welche ich zunächst zusammenstelle. In einer Inschrift
aus Aquae Statiellae^ vom J. 432 wird ein Disideritis comitiacos
genannt; in einer stadtrömischen ^ vom J. 487 F[l. Va]lens v{ir) d(e-
votus) comit{iacus) ; in einer Urkunde* vom J. 557 Constantinus v{ir)
d{evotus) comitiacus, in einer andern^ vom J. 572 Moderatus v{ir)
d{evotus) comitiacus. Unter Cassiodors Briefen sind adressirt 2,10
Specioso viro devoto comitiaco; 4,5 Ämahili viro devoto comitiaco (nach
den Handschriften freilich comiti); 5,6 Stdbulario comitiaco; 8,27
Dumerit saioni et Florentiano viro devoto comitiaco.*) Aus derselben
Sammlung ist zu entnehmen, dass die comitiaci nicht bloss zum
officium nostrum gehören, sondern auch ihr princeps cardinalis am
Hofe verweilt und, da die potestas comitiaci officii auch in Rom
nicht entbehrt werden kann, daselbst ein Vicarius ihn vertritt®; endlich
dass dem comitiacus bei seinem Ausscheiden nach vollendeter Dienst-
zeit in Gemässheit der kaiserlichen Verordnungen die Titularwürde
des magister scrinii mit der Spectabilität und die comitiva primi
ordinis verliehen wird''. Alle Erwähnungen gehören dem Occident
an; dem Orient kann das Institut selbst nicht fremd sein, das lange
vor der Gothenzeit auf Inschriften erscheint und durch kaiserliche
Regulative geordnet ist, die Benennung aber wird dort nicht gefunden.
Mit diesen Erwähnungen ist zusammenzuhalten, dass die ebenso zahl-^
1) Auch der Hofbeamte Theoderichs silentiarius sacri palatii (S. 462 A. 6)
stand als solcher unter dem magister officiorum (S. 417 A. 3).
2) C. I. L. V, 7530. 3) Rossi iuscr. ehr. 1 n. 887 [C. L L. VI, 32966].
4) Marini pap. n. 79 v. 105. 106. 5) Daselbst n. 120 v. 72. 93.
*) [Vielmehr, wie überliefert ist, coniitiano; s. unten S. 408 A. 4.]
6) Var. 7, 31. 7) Var. 6, 13.
8) Julian, sagt Libanius {^igog rovg ßagvv avtov xaJJoavza; 1 p. 190 Reiske
[1 p. 257 Foerster]), begnügte sich mit vier Schreibern {vjio'yQaq>ETg) und siebzehn
Boten (rö? dyyeUag oi (pigowEg); jetzt sind jener 520, dieser über 10000. Die Ver-
ordnung Theodosius IL (cod. Theod. 6, 27, 23) setzt die Stellenzahl der Matrikel
auf 1174 fest; nach derjenigen Leos cod. lust. 12, 20, 3 bestehen die agentes in
rebus nach ihren fünf Klassen aus 48 ducenarii, 200 centenarii, 250 biarchi,
300 circitores und 450 equites zusammen also aus 1248 immatriculirten Officialen.
4Ö8 Ostgothische Studien. i
470 wie einflussreichen agentes in rebus auch unter Theoderich dieselbe
Rolle spielten wie unter der eigentlichen Caesarenherrschaft ^. Aber
dass Cassiodor unter diesem Namen ihrer nur an einer einzigen
Stelle gedenkt und andererseits die in der eigentlich legalen Nomen-
clatur nicht auftretenden comifiaci so häufig bei ihm begegnen, legt
es schon an sich nahe beide Bezeichnungen zu identificiren. Alle
Kriterien stimmen. Die agentes in rebus stehen unter dem magister
officiorum und gehören also nach Cassiodors Redeweise zum officium
des Königs. Der comitiacus, welcher den princeps cardinalis in Rom
vertritt, ist ohne Zweifel identisch mit dem oben (S. 400) erwähnten,
seit der Verlegung des Hofes nach Ravenna in Rom auftretenden
Vertreter des magister officiorum. Das Prädicat vir devotissimus ist
für den agens in rebus geläufig^ und dem nach vollendetem Dienst
ausscheidenden Agenten wird die comitiva primi ordinis zu TheiP.
Die Benennung comitiacus, welche sprachlich eben wie comitianus^
1) Var. 11, 35: cur agentum in rebus miles offieii post tot laboris incerta
aliquid patiatur ambiguum (d. h. es dürfen die für den vollendeten Dienst ihm
zukommenden Bezüge ihm nicht vorenthalten werden), qtii crebris actionibus
excubando ideo principis nomen habere promeruit, quia militiae saa'amentis eeteros
antecellit? observavit (nicht observabif) enim iugiier imperialibus iussis {observare
alicui = purere alicui, ebenso 12, 1 [§ 1]) et ut reverentiam praetwianae sedis extoller et.
tunc ad eius venit obsequiurn, quando vocabulum coepit habere praecipuiim. lieber
die hier zu Grunde liegende Besetzung der ersten Stelle im Officium des praef.
praet. aus der sehola agentium in rebus wird weiterhin gesprochen werden.
Römische Inschrift eines agens in rebus vom J. 454 oder 525 Rossi inscr. ehr. 1
n. 997 [C. I. L. VI, 32874; vgl. Hirschfeld, Sitz.-Ber. d. Berl. Akad. 1893 S. 421 ff.].
2) Leo und Zeno sprechen von der sehola devotissima oder devotissimorum
ajentium in rebus (C. lust. 12, 21, 7. 8).
3) Nach der Verordnung Theodosius II. cod. lust. 12, 21, 6.
4) Die Beziehung des comitianus der orientalischen Verordnung vom J. 394
C. Th. 8, 4, 18: ex his qiii de numero comitianorum rel ex apparitione culminis
vestri (des praef. praet.) consulari officio deputati sunt nullus ambiendi vel trans-
fugiendi in alterius militiae ordinem habet facultatem ist unsicher. Wenn Lydus
de mag. 2, 7: xai xo/xmavovs rovg dsvreQoargarrj^.ariavovs rj naXaiÖTtjg oI8e aus-
nahmsweise recht berichtet, so haben die Officialen des comes et magister militum
diese Benennung geführt, und es kann die angeführte Verordnung also verstanden
werden ; aber mit grösserer "Wahrscheinlichkeit denkt Gothofredus an den comet
Orientis. Dagegen scheint bei dem comitianum officium in der Verordnung von
416 (C. lust. 1, 46, 2) allerdings das des comes et magister militum verstanderi
werden zu müssen. Ausserdem findet sich die Bezeichnung für die Officialen den
comes domus divinae per Cappadociam, welchen Titel lustinian auf einige andeni
kleinasiatische Provinzen erstreckt hat (nov. 8, 3. 5. nov. 30, 1). Das Epigramn^
auf den nach dem Heermeisteramt strebenden Bordellwirth (4 p. 300 Bähren:
[= Anthol. Lat. ed. Riese P p. 137 n. 128]) ist wohl erst von späterer Hand mi
der unpassenden Ueberschrift versehen worden ad lenonem comitianum ode
nach der zweiten Hand comitiacum [s. oben S. 407*].
Ostgothische Studien. 409
mit ducicus^ und ducianus zusammenzustellen ist und nur den 471
Apparitor eines conies bezeichnen kann, ist allerdings auffallend, da
für die Apparitoren dieses Oberbeamten vielmehr magistrimms an-
gezeigt ist und auch oft von ihnen gefunden wird; indess kann die
oifenbar vulgäre Bezeichnung in der Epoche aufgekommen sein, wo
dieser Beamte comes et magister officiorum genannt und mit dem
ersteren Titel angeredet ward 2. Endlich stimmt die Competenz.
Die Thätigkeit des comitiacus, wofür auch executor gesetzt wird^,
besteht ohne Ausnahme darin, dass er einen kaiserlichen Immediat-
befehl dem, den er angeht, überbringt und dessen Ausführung an
Ort und Stelle betreibt*. Dies aber ist genau das Geschäft der
agentes in rebus ^ und eben dadurch sind sie recht eigentlich das
. Werkzeug der unbedingten kaiserlichen Machtvollkommenheit und
der personalen Allmacht des Herrschers. Wie Theoderich diese Auf-
fassung der Herrschergewalt dem römischen Staatsrecht theoretisch
entlehnte, hat er in den agentes in rebus auch das dazu gehörige
Organ übernommen. — Also ist der diesen comitiaci angehörende
princeps cardinalis, der gleich den grossen Beamten in der unmittel-
baren Umgebung des Kaisers auftritt, der Vormann der schola agen-
tium in rebus. Dieser auch in einer occidentalischen Verordnung:
1) DucicHS kann ich aus lateinischen Texten nicht belegen, aber dovxixö^
findet sich in dem Regulativ des Auastasius für die Pentapolis und bei den
späteren Byzantinern oft.
2) Ammian 18, 8, 5. Ebenso wird der comes et magister equitum mit dem
Rangprädicat angeredet (Ammian 29, 3, 6. c. 5, 46).
3) Die beiden Schreiben var. 4, 5 Amabili viro devoto comiti[acö] und 1, 8
Ämabili executori mit der Anrede devotio tua sind ohne Zweifel an dieselbe Person
gerichtet. Auch die allgemeine Bezeichnung apparitor wird so verwendet:
Triwilae saioni et Ferrocincto apparitori lautet die Adresse 3, 20, lohanni appari-
tori mit der Anrede devotio tua 2, 21.
4) Dies liegt den Phrasen der Formel 6, 13 [§ 2] zu Grunde: contumaces adparen-
dum eogunt, latentes vestigant und so weiter. Eben darauf laufen die an comitiaci
gerichteten Schreiben (oben S. 407; auch 1, 8 und 1, 27, gerichtet an die anderswo
als comitiaci bezeichneten Personen Amabilis und Speciosus) sämmtlich hinaus.
Der Inhalt des Befehls ist gleichgültig; wie das königliche Befehlsrecht ist
auch die Executive des agens in rebus rechtlich unbeschränkt.
5) Charakteristisch ist insbesondere das Betreiben der Vollstreckung: te
instante (1, 27 [§3]), vobis imminentibus (8, 20 [§2]); wie sich dies gleichmässig oft
von dem agens in rebus findet. Ein Beispiel giebt Ambrosius de offidis 2, 29, 150 :
interpellante eo qui sibi illud (ein dem Clerus von Pavia gegebenes Depositum)
imperiali rescripto vindicare cupiebat cle^ici non tenebant auctoritatem: honorati (die
Notablen der Stadt) quoque et intercessores dati non posse praeceptis imperatoris
obüiari ferebant: legebatur rescripti forma directior, magistri officiorum statuta:
agens in rebus imminebat, quid pluraf traditum erat.
410 Ostgothische Studien. '!
472 vom J. 410^ princeps genannte Subalterne ist wohl zu unterscheiden
von den weiterhin erwähnten aus der ersten Klasse der agentes her-
vorgehenden principes der Ober- und Mittelbeamten, welche diesen
Titel nur in Beziehung auf das Officium führen, dem sie beigeordnet
werden, während sie in Beziehung auf die schola agentium nichts
sind als ducenarii, das heisst Agenten erster Klasse. Dies bezeichnet
eben der Beisatz : in der technischen Sprache dieser Zeit heissen die
dem eigenen Officium des Oberbeamten angehörigen Subalternen,
im Gegensatz der von anderen Stellen ressortirenden, cardindles.
Yon den fünf magistri militum des Orients haben im Gegensatz zu
den dreien, deren Officium aus abcommandirten Mannschaften zu-
sammengesetzt wird, die beiden andern einen eigenen Princeps und
so weiter, ein officium cardinale^. Die dem eigenen Sprengel an-
gehörigen Geistlichen werden von denen anderer Sprengel durch
dasselbe Beiwort unterschieden, in Beziehung auf den römischen
Bischof zum Beispiel die Geistlichen der römischen Kirchen pres-
hyteri cardinales und diaconi cardindles genannt^.
Theoderich hat aber den römischen agens in rebus nicht bloss
sich angeeignet, sondern die Institution auch auf die Gothen erstreckt.
Der comitiacus seiner Erlasse zwar ist immer ein Römer; aber zu-
weilen daneben und dann an erster Stelle*, häufiger allein tritt ein
anderer Subalternbeamter auf, gothisch bezeichnet als saio und ohne]
Ausnahme gothischer Nationalität. Welche germanische Institution
dabei zu Grunde liegt, muss dahingestellt bleiben; wie uns dieser
Saio entgegentritt, ist er einfach der agens in rebus gegenüber den
Unterthanen gothischen Rechts^. Wie die Soldateneigenschaft bei
dem agens in rebus schon durch die Nationalität ausgeschlossen wird,
so kommt sie auch dem Saio nicht zu^; aber der Sache nach triti
1) C. Th. 6, 28, 7 = C. lust. 12, 21, 3 vom J. 410: proconsularis
tatis adiectione principes agentes {agentum der just. Codex) in rebus praecipimu
decwari. Die zum Principat Deputirten können hier nicht gemeint sein, wei
diese erst im J. 426 statt des consularischen den Rang der vicarii erhieltei
(C. Th. 6, 28, 20. 21. 22), welche den Proconsuln nachstehen.
2) Die Not. Dign. drückt den Gegensatz in der Weise aus, dass das officiw
magisteriae potestatis dort cardinale habetur, hier in numeris militat et in officii j
deputatur. 3) Gothofred zum C. Th. 12, 6, 7. Ewald zu Gregors Brief 1, 7' ^
4) In den schon angeführten Schreiben 8, 27: Dumerit saioni et Florentiaml ^
viro devoto comitiaco [s. jedoch oben S. 407*] und 3, 20: Triwilae saioni et Ferrocinct\ \^,
apparitori,
5) Damit ist nicht im Widerspruch, dass der Saio auch gegen Römer \e\ ^
wendet werden kann (var. 2, 13. 8, 24). i i^u
6) 9, 2 [§ 3]: circa saionum et militantum molestias. Dass dem Saio für pflich
widriges Verhalten die Entziehung des Donativs gedroht wird (7, 42), berul
^
Ostgothische Studien. 411
der agens wesentlich als Soldat auf^ und dasselbe gilt ebenso sehr, 473
wenn nicht noch in höherem Grade von dem Saio. Auch seine
Thätigkeit besteht in der Uebermittelung der königlichen Befehle
jeglichen Inhalts an den oder die davon betroffenen Personen und
der Ueberwachung ihrer Ausführung 2; bezeichnend für seine Stellung
ist es, dass er da verwendet wird, wo die Execution der Localbe-
hörden nicht ausreicht^, und dass bei Ladungen vor Gericht ihm der
doppelte Betrag dessen zukommt, was nach der von Theoderich auf-
gestellten Taxe dem Executor der Provinzialbehörde an Sportein zu
zahlen ist^. Mit dem Nebeneinanderstehen des agens in rebus und
des saio wird zusammenhängen, dass allgemeine jurisdictionelle An-
zeigen und Anordnungen, zum Beispiel die Anzeige der Uebernahme
einer Person in die specielle königliche Tuition ^ und die Anweisung
zur Ergreifung flüchtiger Yerbrecher'* regelmässig an die gothischen
darauf, dass dies jeder dienstföhige Gothe erhält; als Aufgebot zum effectiven
Dienst ist die Anstellung als Saio schwerlich betrachtet worden.
1) Deutlicher als die Verordnung C. Th. 6, 35, 3 und dazu Gothofredus
zeigt dies die den militärischen Ordnungen dieser Epoche völlig entsprechende
j Gliederung des Körpers der Agenten (S. 407 A. 8). Daher hat auch der princeps
1 der agentes in rebus das Recht einen domesticus zu halten (C. Th. 6, 28, 8).
i 2) Erwähnt werden die Saionen bei Cassiodor ausser in den hier besonders
■ angeführten Stellen 1, 24 [§ 2]. 2, 4. 13. 20. 3, 48 [§ 1] (eins instantia). 4, 14 (ut
Gothi . . . te imminente cogantur exsolvere debitas functiones). 27. 32 (cor am
\partihus positis te imminente soll der Consular von Campanien einen Process
I entscheiden^. [34J. 39 [§ 4] (imminente Duda saione nostro). 47. 5, 5. 10 (te custode
\ atque mediante bei dem Austausch der Zugthierej. 19. 20. 23. 27. 8, 24 [§ 2], 12, 3
(imiversis saionibus qui sunt eancellariis deputati). Der König konnte also auch
den einzelnen Beamten saiones beigeben. Die einzelnen Befehle sind ein wichtiges
Element für das Eingreifen der Centralstelle in die Administration überhaupt;
für die Competenz des Saio bedarf es der Analyse derselben nicht.
j 3) Var. 9, 18, 1 : si quis . . . iuri puhlico parere neglexerit viribusque praepotens
\deuinati officii (des iudex, d. h. des Provinzialstatthalters) spreverit paucitatem,
\relatione iudicis nostris auribus notabilis ingeratur, ut indulta executione saionum
idtionem sentiat vigoris regii, qui oboedire noluit cognitori. Bei dem Executions-
ibefehl werden Stufen unterschieden (4,32 [§2]: moderata exsecutio; 4,34
§ 2] : moderata iussio).
4) Var. 9, 14 [§ 4]: si nostra (nicht vestra) conveniunt decreta pulsatos, tantum
\c(mmodi percipiat executor, quantum gloriosus domnus amis noster pro honorihus
personarum (die Ladungsgebühr richtet sich theilweise nach dem Rang des Ge-
ladenen; Bethmann- Hollweg Civilprocess 3,201) debere saiones accipere expressa
quantitate constituit . . . [% 5] Si rero tua iussione (des comes Syracusanae civitatis)
Iconventio destinatur . . . mediam portionem executor accipiat, quam de praeceptis
Iregiia sumere potuisset.
I 5) Var. 7, 39. Vgl. 2, 29 [§ 2] : a quoquam cuiuslibd nationis homine.
6) Var. 2, 19.
412 Ostgothische Studien,
wie an die römischen Behörden gerichtet werden. — Für die Ge--
sammtauffassung der germanischen Reichsverweserschaft ist das In^
stitut dieser saiones in hohem Grade belehrend. Wer sich dem Augen-
schein nicht verschliesst, muss erkennen, dass so, wie Theoderich es
gestaltet hat, es ebenso der praktische Ausdruck der personalen
Omnipotenz des Herrschers ist wie das der agentes in rebus und also 1
das Regiment Theoderichs über die Gothen eben dasselbe war, |
474 welches der Kaiser des Westreichs über die in seinem Dienst stehen-
den Ausländer übte oder doch üben sollte.
Nach Erörterung der Gruppen der Subalternen wenden wir uns
zu derjenigen der Einzelstellen. Ein jedes Officium besteht aus einer
geschlossenen Zahl von Officialen, welche theils nach ihrer Rangfolge,
theils nach ihrer speciellen Bestimmung benannt sind. Aus dei
gothischen Epoche sind namentlich durch Cassiodor zahlreiche dahin
gehörige Benennungen und Anordnungen aufbehalten, welche in der »
Einzelheiten klar zu legen grossentheils nicht möglich ist und aucl:
so weit es möglich ist, nicht überall dem Zweck dieser Auseinander
Setzungen entsprechen würde. Aber mit den principes und den can
cellarii muss sich bekannt machen, wer mit diesen Studien sich bp
schäftigt.
Wie durchaus die Institution der officia aus einem Gusse is'
zeigt sich am deutlichsten in dem gleichmässig in ihnen allen auf
tretenden Bureauchef, dem princeps. Begriff und Benennung sin
nicht neu, sondern der Organisation des kaiserlichen Gesindes ent
lehnt 1; aber neu ist das durchgreifende Auftreten des Amtes un
der Benennung bei allen Civil- wie bei allen Militärbeamten und di
weiterhin noch zu entwickelnde Tendenz den Beamten durch de
ihm zugeordneten, aber von ihm möglichst unabhängig gestellte
Bureauchef zu controliren und von der höchsten Stelle in Abhängig
keit zu erhalten.
Die Bezeichnungen princeps und primicerius sind dem Begr
nach nicht verschieden; im Gebrauch fallen sie auseinander. Pri
ceps wird überwiegend von dem Chef des Gesammtbureaus gebrauch
die schon erörterte (S. 409) Abweichung, dass die scJiola agentiu
in rebus einen princeps als Yormann hat, rechtfertigt sich dadurc
1) Die Belege S. 405 A. 3. Die Bemerkung des Scholiasten zu den Verric
1. 1, 28, 71 p. 179 Orelli in Betreff der Ausdrücke princeps, commentariensis, c
nicularius: haec nomina de legionaria militia sumpta sunt bestätigt nur se" ■
Unwissenheit. Die principes der alten Legion , an die er wohl gedacht h .
gehören gar nicht hierher; und die principales der späteren Legion, die chi-
girten Gemeinen, haben ebenso wenig mit dem princeps des Officium etwas gem« •
Ostgothische Studien, 413
dass der Bureauchef des magister officiorum ausnahmsweise nicht
jmnceps heisst, sondern den Titel adiutor führt ^. Primicerius da-
gegen wird theilä für die obersten Spitzen des Bureaus der Finanz-
beamten und für den Vormann der notarii \evyfandt^, theils für den
Vormann einer Unterabtheilung des Gesammtbureaus, wie zum Bei-
spiel in dem Bureau des comes sacrarum neben dem primicerius 475
totius ofßcii der primicerius exceptorum steht, zugleich secundocerius
des ganzen Officium. Dieser Verschiedenheit der Titulatur mögen
wohl Verschiedenheiten der Competenz entsprochen haben, nament-
lich die dem 2^*''^f^ce2)s eingeräumte weitgehende Gewalt über die
übrigen Subalternen nicht im gleichen Umfang dem primicerius zu-
gekommen sein.
Nach dem im Allgemeinen bei den Subalternen streng einge-
haltenen Anciennetätsavancement sollte der Bureauchef aus dem
Bureau selbst hervorgehen. Indess ist für den Princeps des Civil-
beamten dieses Aufrücken mindestens seit dem Anfang des fünften
Jahrhunderts^, vielleicht schon seit der Einrichtung dieser Bureau-
vorstandschaft selbst auf die Aemter dritter Ordnung, insbesondere
die Provinzialstatthalterposten beschränkt*; die Bureauchefs der
Mittel- und ebenso die der Oberinstanzen gehen vielmehr hervor aus
dem Bureau der agentes in rebus, jedoch nicht in gleicher Weise.
Den civilen Mittelbeamten von der Klasse der spectabiles wird der
Bureauchef aus den agentes in rebus in der Weise geschickt, dass
er als 'deputirt' nicht unter dem Beamten steht, dem er zugegeben
ist, sondern auch ferner unter dem magister officiorum als dem Vor-
1) Auch bei Cassiodor var. 6 , 6 [§ 8]. Aehnlich findet sich bei dem
Marstall, der unter dem comes verum privatarum steht, da dessen Bureau chef
primicerius heisst, ein princeps stabuli dominici (C. V, 1880).
2) Auch bei den africanischen Ducaten Justinians findet er sich in dieser
Geltung (C. lust. 1, 27, 2).
3) lohannes Lydus de mag. 2, 10. 3, 23. 40 führt mit Berufung auf ein nach
seiner Angabe im theodosischen Codex stehendes, im justinianischen weggelassenes
Gesetz die Einschiebung des princeps auf Arcadius und speciell auf Rufinus
zurück. Das Gesetz findet sich nicht und die Angabe ist nicht bloss bedenklich,
wie alles Historische bei diesem Schriftsteller, sondern auch insofern seltsam,
' als Rufinus unter Arcadius selber Präfect war und damit seine eigene Competenz
geschwächt haben würde. Auf keinen Fall kann bis dahin der cornicularius der
Bureauchef des Präfecten gewesen und der^winceps erst damals hinzugekommen sein.
4) Nach der Notitia haben eigenen Bureauchef im Orient sämmtliche civile
ünterinstanzen und von den Mittelinstanzen der Proconsul von Asia, im
Occident nur die beiden niederen Grade der Unterinstanzen, die correctores und
die praesides, wogegen den consulares der praefectus praetorio den Bureauchef
schickt.
1;
414 Ostgothische Studien.
gesetzten der agentes. Dagegen die Bureauchefs der Oberbeamten
vom Range des Illustrats und insonderheit des praefectus 2^'rci,ßtorio
werden wohl auch aus den agentes in rebus genommen^, scheiden
aber durch ihre Ernennung zum princeps aus dem Verbände der-
476 selben aus und stehen unter dem Beamten, dem sie beigegeben
sind 2; wie es denn offenbar unmöglich gewesen wäre den princeps
des praefectus praetorio einer niedrigeren Stelle unterzuordnen. "Wem
in diesem Fall die Auswahl zusteht, wird nicht gemeldet; wahr-
scheinlich hat eine solche gar nicht stattgefunden, sondern ist die
Anciennetät oder eine ähnliche Ordnung dabei massgebend gewesen.
Dass es dem Oberbeamten freigestanden habe aus den Agenten die
ihm beliebige Person sich auszuwählen, verträgt sich mit dem "Wesen
der Einrichtung nicht; der Ausschluss der oberamtlichen Ernennung
wird mit derselben Nothwendigkeit für diesen Bureauchef gefordert
wie für die Bindung des republikanischen Consulats durch die Quästur
die comitiale Ernennung der Quästoren. Es kommt hinzu, dass unter »f
den vom praef. praet. zu vollziehenden Ernennungen, welche Cassio-
dor in den beiden letzten Büchern in ähnlicher Weise vorführt wie
in den früheren die königlichen, eben der erste der Bureaubeamten,,
der princeps fehlt. — Da die in die Provinzen abcommandirten
Agenten ausschliesslich und vermuthlich wenigstens der Regel nachi
auch die principes der Oberbeamten aus der ersten Kategorie deij
Agenten, den ducenarii genommen werden, deren nach Leos "Ver-
ordnung nicht mehr als 48 sind, so gelangen diese Agenten, wem
sie ihre Laufbahn vollenden, regelmässig nicht bloss zum Ducenariat
sondern auch zum Principat und werden die dem nach vollendete:
Laufbahn ausscheidenden Agenten zugesicherten Emolumente nich
an den Ducenariat, sondern an den Prmcipat geknüpft, welcher frei
1) Verordnung Valentinians III, vom J. 449 (nov. Val. 26): (princeps) e\
eadem schola (agentium in rebus) ad dbsequia praefecturae praetorianae post infin
disci'imina et consumpta aetatis parte meliore convenit. Lydus de mag. 3, 1<|
o jiQiyxixp . . . ovös juegog Tfjg xa^ecog (des praef. praet.) iari xal avxög , avrd$ i\
rcöv fiayiatQiavcöv xarä ßa^fiov Tiagayivstai im rä fj.syiotd jioxe öixaar^Qia ; c. 23 (vgf
S, 413 A. 3); c. 40: jiQiyxiJia avxov arjfiegov rov fiayiargov xaksTad-ai ovftßaivn
— Auch der Bureauchef des magister officiorum selbst, der nicht piinceps heissl
sondern adiutor, wird aus den agentes in rebus genommen (C. I. L. VIII, 989 [p. 978|
Fl. Ärpagio . . . ex agente in rebus v. c, ex adiut. inl. viri mag. offieior. v. spectabi
2) Die Notitia unterscheidet sorgfältig die principes ex eodem officio odl
de eodem corpore der Unterbeamten, die principes de schola agentium in re
ducenarii der Mittelinstanzen und die principes schlechtweg der Oberbeamtcl
Dass auch die letztgenannten aus den agentes in rebus genommen worden, ste^Wju
anderweitig fest (A. 1); der Gegensatz der zweiten und der dritten Kategorie mi! r*««!
also darin bestehen, dass die letzteren aus der schola agentium in rebus ausscheidit ('«»n
Ostgothiscbe Studien. 415
lieh unter Umständen auch titular verliehen werden kann ^ Dass
der Yormann der Agenten selbst, ebenfalls princeps genannt, mit
dieser Kategorie nicht verwechselt werden darf, ist schon erinnert
worden (S. 409).
Die hier geschilderte Ordnung ist auf die germanischen Reichs-
verwalter übergegangen 2; insbesondere ist es auch für diese bezeugt,
dass der Bureauchef des ^rae/ec^MS /jrae^oWo aus Aqxx agentes in rebus
hervorgeht und den Titel princeps führt*. Unzweifelhaft hat dieser
in älterer Zeit neben dem einen oder den mehreren Beisitzern a 477
consiliis gestanden*; noch Cassiodor selbst hat seine Stellung
als consiliarius der Präfectur unter seinem Vater begonnen^ und
noch er bezeugt einerseits, wie gesagt, die Fortdauer des aus den
Agenten hervorgehenden Principats und nennt andererseits mehrfach
den consiliarius des Präfecten als dessen hauptsächlichen allen Sub-
alternbeamten übergeordneten Gehülfen **. Dennoch erheben sich
1) C. Th. 6, 27, 16. 19. 6, 28, 8.
2) Das schon (S. 406 A. 1) erwähnte Schreiben 2, 28 ist adressirt Stephano
f. 8. comiti primi ordinis et ex principe officii nostri und erwähnt [§ 4] scholae ttiae
exprincipes. Die comitiva primi ordinis wird bei dem als princeps ausscheidenden
agens in rebus ausdrücklich sonst nicht erwähnt, aber sie stimmt zu dem seit
dem J. 426 ihm zukommenden Rang des lyicarius (C. Th. 6, 27, 20. 21. 22).
3) 6) 6 [§ 7]: officium eius (des magisten- offidorum) tanta genii praerogativa
decoratur, ut militiae perfunctus munerihus ornetur nomine principatus miroque modo
inter praetoi'ianas cohortes et urhanae praefecturae milites videantur invenisse pri-
matum, a quibus tibi (dem mug. off.) humile solvebatur obsequium. Auch 11, 35 (vgl.
S. 408 A. 1) spricht von dem Uebertritt des agens in rebus in das Officium des
}n-(ief. pi'aet. als dessen princeps.
4) Die Verordnung von 444 cod. lust. 1, 51, 11 nennt die consiliarii virorum
ilhistrium pi'aefectorum tam praetorio quam . . . urbis. Lydus de mag. 3, 11 lässt
in früherer Zeit rovg owsSgevorzag xrj dg/jj ävÖQas vofiixcoxdjovg dem Präfecten
den Urtheilsentwurf {periculum, wie für gexivor zu emeudiren ist [gexiTärov
Wuensch]) aufsetzen. Vgl. Bethmann-Hollweg Civilprocess 3, 130. — Der adhibit(us)
in consil(ium) praef(ectis) praet(oi-io) item urb(i) Henzen 6519 [C. I. L. XI, 6337 =
Pessau n. 1422] ist vordiocletiauisch.
5) Anecd. Holderi: dum patris Cassiodori patricii et praefecti praetorii con-
iiirius fieret.
6) Nach 6, 12 [§ 2] erhalten die comitiva primi ordinis unter Anderen die con-
siliarii praefectorum conscientia clari, dictatione pi'aecipui, qui in illo actu amplissi-
mae praefecturae sie videntur exercere facundiam, ut . . . alteram credas esse quae-
sturam: unde frequenter et nos iudices adsumimus. 8, 81 [§ 1] : cum te (Severus v. sp.)
praefectorum cotisiliis laudabiliter irihaerentem omnia didicisse credamus, qua£ ad
rei publicae statum pertinent componendum. 11 praef. [§4]: ne quis forsitan possit
offendi, quod in praetoriano ciilmine constitutus sie omnimodis aetioso pauca dicta-
verim, accipiat viri prudentissimi Felicis praesumptione factum, cuius participatus
mm in otnni causa consilium, dessen Lob dann weiter ausgeführt wird.
416 Ostgothische Studien.
gegen das dauernde Nebeneinanderstehen des consüiarius und des
princeps ernstliche Bedenken. Wenn bei Cassiodor Ernennungs-
schreiben weder für den princeps noch für den consüiarius sich vor-
finden und dasselbe für den letzteren offenbar absichtlich durch die
ehrenvolle Erwähnung in der Vorrede des elften Buchs ersetzt wird,
so lässt für jenen sich dies in der schon angegebenen Weise erklären,
ist aber für diesen im hoh^n Grade befremdend und legt die Frage
nahe, ob Cassiodors consüiarius nicht zugleich sein princeps gewesen
ist. Dafür spricht weiter, dass nirgends sonst in den beiden letzten
Büchern Cassiodors dieser princeps hervortritt. Noch auffallender
ist es, dass in den kurz nachher , für Africa von Justinian aufgestellten
Matrikeln sowohl bei dem praefectus praetorio wie bei den duces
478 der princeps fehlt ^, der doch in den Verordnungen selbst genannt
wird 2, dagegen vor dem officium dort der consiliarius , hier der
adsessor aufgeführt wird. Es ist dafür schwerlich eine andere Er-
klärung zu finden, als dass unter lustinian beide Stellungen zusammen-
gefallen sind und der princeps selbst der consiliarius gewesen oder
auch mit Rücksicht auf dessen Aufnahme in die Matrikel aus der-
selben gestrichen worden ist, eben wie wir später bei den Militär-
behörden eine ähnliche Umwandlung des princeps in den domesticus
finden werden. Der erste Subalternbeamte musste, zumal bei den
weitgehenden Befugnissen, welche die römischen Einrichtungen ihm
einräumten, nothwendig gewissermassen zum Gehülfen des Ober-
beamten werden und seine Stellung der des berathenden Beisitzers
sich nähern; dass die Laufbahn des consiliarius einer- und desi
princeps andererseits nicht allzuweit auseinanderlagen, beweist die
Beförderung des einen ^ und des andern * zur Provinzialstatthalterschaft.
1) Cod. lust. 1, 27, 1. Bei der .schlechten üeberlieferung ist auf den Plural|
{pii'O annonis consiliariorum auri libras viginti) kein Gewicht zu legen, sonde
mit Krüger der Singular herzustellen, zumal da nach der ganzen Anlage de
Schemas sonst eine feste Zahl und die Vertheilungsnorm nicht fehlen könnten!
Die ersten vier scrinia gehören, wie die Benennung des Vormanns zeigt, dei|
numerarii und können den princeps nicht enthalten haben. Dass auch der cornii
cularius fehlt, ist weniger auffallend, da dieser zwar bei allen Civilämtern d&\
zweiten Platz unter den Subalternen einnimmt, aber den Militärbeamten durcbj
gängig fehlt und der Kaiser also für dessen Beseitigung ein Vorbild hattfi
2) Cod. lust. 1, 27, 2, 11: periculo viri spectabiUs ducis ac tribuni et princij
3) Var. 6, 12 (S. 415 A. 6).
4) C. Th. 6, 28, 1 vom J. 380 : agentes in rebus, si prindpatus sorte depos
forsitan provinciae gubernacula non mertierint, par erit salutationis loco Ms . i\
qui praesidatum gesserint cedere. Demnach ist auch nichts im Wege den Sa
Duda 4, 32. 34 [39, 4] und den gleichnamigen eomes v. sp. 4, 27 [§ 5]. 28 zu identificiraj
Ostgothische Studien. 417
Der cancellarius^, zu dem wir uns jetzt wenden, ist niemals,
wie vielfach geglaubt wird, ein Thürsteher gewesen 2. Vielmehr
liegt es ihm ob, den durch Gitter (cancelli) abgeschlossenen Raum,
in dem der amtirende Beamte sich befindet, das secretum, vor un-
berufenem Zutritt zu bewahren und was dem Oberbeamten während
seiner Function vorzulegen ist, von den ausserhalb Stehenden ent-
gegenzunehmen und dem Beamten zu überreichen. In dem Officium
des Kaisers oder, was dasselbe ist, in dem des magister ofßciorum
tritt derselbe gewöhnlich unter dem Namen des silentiarius auf,
den wir ebenfalls als Hofbeamten Theoderichs nachweisen können*. 479
Unter den übrigen Ober- und Mittelbehörden, die wahrscheinlich
sämmtlich einen solchen Subalternen gehabt haben, ist der cancellarius
nachweisbar bei dem praefectus urhi^ und bei den duces^; am meisten
ist von ihm die Rede in Beziehung auf den praefecttis praetorio'^ . Wor-
auf die Sonderstellung beruht, welche er hier einnimmt, lehrt uns
Cassiodor: er ist der einzige unter den Subalternbeamten, welcher nicht
nach der Anciennetät aufrückt, sondern von dem jedesmaligen Prä-
1) Vgl. über diesen P. Krüger Kritik des just. Codex S. 163.
2) Dass die kaiserlichen ostiarii auch cancellarii genannt worden sind, pflegt
man zu folgern aus der vita Carini 16: praefectum urbi unum ex cancellariis suis
fecit; aber die beste Handschrift hat calcellariis, was wohl aus ealceolariis oder
(nach Hirschfelds Vorschlag) aus tabellarüs verdorben ist [der Palatinus, die
Vorlage des Bambergensis, hat cancellariis].
3) Kaiserliche, das heisst dem tnag. off. untergeordnete cancellarii kommen
nur vor in der Not. dign. Occ. 9, 14. 15: admissionales cancellarii, welche beide
Kategorien dem officium admissionum Not. dign. Or. 11, 17 entsprechen. Dass
der admissionalis mit dem silentiarius zusammenfällt, sagt Lydus de mag. 2, 17;
es wird dies auch auf die davon nicht oder wenig verschiedenen cancellarii sich
erstrecken.
4) Theoderichs sileniiarii erwähnt Prokop bist. arc. 26; ein silentiarius sacri
paiatii am Hofe Theoderichs ist S. 462 A. 6 angeführt.
5) Den cancellarius des Stadtpräfecten nennt das Edict des Apronianus
362/4 (C. I. L. VI, 1770), was wohl die früheste Erwähnung dieses Officialen ist.
Ein anderer cancel(larius) inl(ustris) urb(anae) s[e]d{is) Rossi 1 n. 1122 [C. I. L. VI,
8401].
6) In der Matrikel, welche Kaiser Anastasius für den Dux der Pentapolis
aufstellte, steht der cancellarius an dritter Stelle hinter dem adsessor und dem
\domesticus (S. 418 A. 3). Da er in den justinianischen Matrikeln der africanischen
\duees (cod. lust. 1, 27, 2) sich nicht vorfindet, so muss ihnen der cancellarius entweder
von dem mag. mil. gesandt worden sein wie den Provinzialstatthaltern des
^ccidents vom praef. praetorio, oder sie haben ihn in der Weise selber ernannt,
le Cassiodor dies für den praef. praetorio schildert.
7) Er ist auch gemeint var. 1, 35 [§ 2]. Ein cancell(arius) pre(fecti) Longini
einer Ravennatischen Inschrift vom J. 574 C. I. L. XI, 317.
MOMMSEN, SCHR. VI. 27
4X8 Ostgothische Studien.
fecten, allerdings aus dem Kreis der Subalternen^, nach eigenem
Ermessen ausgewählt wird 2. Wenn wir also im germanischen West-
reich den cancellarius zwar ausserhalb der Matrikel und in einer
besondern Vertrauensstellung, aber doch noch innerhalb des Officium
finden, so erscheint er in den gleichzeitigen Ordnungen der Kaiser
des Ostens schon ausserhalb des Officium neben und nach dem con-
480 siliarius^ und auch im Gehalt vor den Officialen ansehnlich bevor-
zugt*. — Was die Unterbeamten anlangt, so giebt es im Westreich
wenigstens unter Theoderich einen cancellarius in jeder Provinz^;
diesen aber ernennt nicht der Statthalter, sondern der Präfect*^ und^
es ist also die Institution, welche in Honorius Zeit nur für die Statt-
1) Nach dem Lyder 3, 36 gehen die cancellarii hervor aus den Augustales,
welche unter den Abtheilungen der officiales liüerati den höchsten Platz ein-
nehmen und auch bei Cassiodor var. 11, 30 auftreten. Ist diese Angabe richtig
und allgemein gültig, so war die Auswahl des Präfecten noch weiter beschränkt.
2) Dies zeigt die Vergleichung des die freie Wahl betonenden Ernennungs-
schreibens des cancellarius Johannes 11, 6: quamvis statutis gradibus omnis militia
peragatur . . . tuus honor cognoscitur sollemni ordine non teneri, qui suis primatibus
meruit anteponi, und der übrigen itixta mairiculae seriem (11, 17 [§ 2]) vollzogenen
Aufrückungsdecrete 11, 19 — 32, unter denen c. 27 jener Johannes, qui nostro
iudicio cancellorum olim sumpsit officium, in der keineswegs hohen Stellung als
praerogativarius wiederkehrt. Es kann also der Cancellariat mit einer Matricular-
stelle combinirt werden.
3) Die Matrikel des Anastasius für den Dux der libyschen Pentapolis und
die Justinians für den pr'aef. praet. Africae nennen vor dem officium jene den
adsessor, den domestieus und den cancellarius, diese den cmisiliarius und den
cancellarius.
4) Nach der Matrikel Justinians bezieht der africanische cancellarius ein
Gehalt von 588 solidi, der höchstbesoldete Officiale nur von etwa 40, wobei
freilich die Sportein dort wie hier nicht eingerechnet sind. Nach Lydus 3, 36
bezieht der cancellarius einen Solidus täglich. In der Matrikel des Anastasius
sind die Zahlenverhältnisse nicht klar,
5) TJniversis oder ^universis oder' ist zu streichen] diversis cancellariis pi'ovincia-
rum singularum. 12, 1. 10; speciell genannt wird der cancellarius von Lucanien
11, (39!) 12, 12. 14. 15; Campanien 11, 37 und wohl auch 11, 10; Samnium 11, 36;
I Ligurien 11, 14. Zu vergleichen sind auch die Worte des vielleicht dieser Epoche
angehörigen Edicts von Buca in Samnium C. I. L. IX, 2826 : cancellarii nostri auCr
[toritat e].
6) Var. 12, 1. Darum heisst dem Präfecten cancellarius noster auch der
provinciale (12, 3 [§ 2]). Nach den drei ungefähr gleichlautenden Rundschreiben,
durch welche Cassiodor als praef. praet. die Provinzialstatthalter anweist die
Jahressteuern zu erheben (11, 7. 12, 2. 16), sendet der Präfect ständig zwei milites
nostrae sedis zur üeberwachung dieses Geschäfts; der eine davon ist sicher der
cancellarius, in dessen Händen das Rechnungswesen der Provinz liegt, der zweite
wahrscheinlich der canonicarius (var. 11, 38. 12,4 [7]; vgl. nov. Maioriani 2,2;
cod. lust. 10, 19, 9).
^i
Ostgothische Studien. 419
halter von Consularrang bestand, dass der Präfect ihnen den Bureau-
chef sendet ^, jetzt mit Uebertragung auf den Cancellariat auf alle
Provinzialvorsteher erstreckt. Im Orient scheint nicht das Gleiche
geschehen und der provinziale Cancellariat nur missbräuchlich vor-
gekommen zu sein ^. — Im Occident giebt es bei jedem Bureau nur
einen cancellarius und dies wird auch im Orient die Grundform
gewesen sein^. — Ein Rangprädicat habe ich für den eigenen can-
cellarius des Präfecten nicht gefunden; dem provinzialen wird der
Clarissimat gegeben*. — In welcher Weise dieser vornehme Sub-
alterne der römischen Ordnung in die wirklich germanische über-
gegangen ist, liegt ausserhalb des Kreises dieser Untersuchung^.
Der kaiserliche Staatsrath, und der Patriciat gehören nicht 481
eigentlich zu den römischen Civilämtern; aber das Wenige, was über
sie zu bemerken ist, wird am zweckmässigsten hier angeschlossen..
Der kaiserliche Staatsrath, das consisforium sacrum, wird bekannt-
lich aus den vier oder später fünf obersten Hofbeamten, dem magister
ofßciorum, dem Quästor und den zwei, später den drei Directoren
der Finanzen, ferner aus denjenigen Personen zusammengesetzt,
welchen der Kaiser die comitiva ersten Grades und damit das Recht
ertheilte an den Staatsrathssitzungen theilzunehmen ^. Diese letztere
1) S. 413 A. 4. Wegen der Verordnung von 394 C, Th. 8, 4, 18 vgl.
S. 408 A. 4.
2) Die orientalische Verordnung vom J. 423 (C. Th. 1, 35 [34], 3) verbietet dem
Provinzialstatthalter jemand mitzunehmen, cui domestici (vgl. S. 448 A. 2) vd
cancellarii nomen imponat, lässt aber dann die Ernennimg von cancdlarii zu
periculo primatum officü sub fide gestarum, also durch den Statthalter, aber mit
Zuziehung der Spitzen seines Officium, das für etwaige Malversationen aufzu-
kommen hat, und unter Aufnahme eines entsprechenden Protokolls. Der Lyder
lohannes klagt 3, 37, dass die Dirigenten der Provinzialhebungen {ot sv rouff
hcaQxio-i? xaXxoloyovvrsg) sich diesen ansehnlichen Namen (ro xavx£)laQicov d^icofia)
anmassen.
3) Zu Lydus Zeit gab es in dem Bureau des praef. pi'ad. Oricntis zwei
rechtmässige cancellarii; dass dies von jeher so gewesen sei, kann sein Zeugniss
nicht erhärten. Ueber den Plural cod. lust. 1, 27, 1 vgl. S. 416 A. 1.
4) 11, 10. 37. 39. 12, 3. 15.
5) Erwähnt mag werden, dass sie in der Einleitung des burgundischen
Gesetzbuchs c. 4 also auftreten: sciant itaque optimates, comites, consiliarii, dome-
stici et maiores domus nostrae, cancellarii etiam, Burgundiones quoque et Botnani
civitatum aut pagm'iim comites vel iudices deputati.
6) Dass der comes primi ordinis als solcher in das consistorium den Eintritt
hat, spricht Cassiodorvar. 6, 12 [§ 4] bestimmt aus. Allerdings wird die Bezeichnung
&»nes consistorianus nicht allen comites der ersten Classe beigelegt, sondern nur
denen, die keine andere Competenz daneben haben (vgl. nov. Valent. III. 6, 3, 1 :
27*
420 Ostgothische Studien.
Auszeichnung wird wie die eigentlichen Aemter auch titular ver-
liehen ^. Noch in der gothischen Epoche wird die comitiva für das
Consistorium vom König nicht lediglich als Titularehre vergeben ^
und die Einführung in das Consistorium liegt auch jetzt dem magister
officiorum ob^. Auch der bei diesem Consistorium beschäftigten
tribuni et notarii und ihres primicerius* sowie des dabei ebenfalls
fungirenden süentiarius (S. 417 A. 4) wird in dieser Zeit gedacht.
— Aber diejenige Bedeutung, wie sie den Staatsrathssitzungen in
Constantinopel zukommt, können die ravennatischen nicht gehabt
haben. In dem einen der beiden merkwürdigen König Theoderichs
persönliches Verhalten bei der Entscheidung der an ihn gelangenden
482 Sachen lebendig schildernden Schreiben wird das Verfahren vor dem
Consistorium als antiquirt bezeichnet^ und dies wird dadurch be-
stätigt, dass die kaiserlichen notarii, welche unter der später üblichen
Bezeichnung a secretis bei den Byzantinern eine gewisse Rolle spielen ^,
comites consistorianos vel primi ordinis); aber es ist keine Ursache zu bezweifeln,
dass zum Beispiel der comes Orientis auch Sitz im Consistorium gehabt hat.
1) C. Th. 6, 22, 8, 1. Wenn der comes ordinis primi schlechtweg unter-
schieden wird von dem comes ordinis primi intra palatium (C. I. L. VI, 1690
[= Dessau 1240]) oder dem comes intra consistorium ordinis primi (C. I. L. VI,
1741 [= Dessau 1243] vgl. 1739. 1740. 1742; ähnlich C. VI, 1764 [=- Dessau 1255])
oder dem comes sacri consistorii (C. I. L. VI, 1725 [= Dessau 1284]), so kann der
erstere der bloss titulare comes sein, obwohl wer beide comitivae primi ordinis
erlangt, dies als Iteration bezeichnet (C. I. L. VI, 1690 [= Dessau 1240]. 1739.
1740. 1757 [= Dessau 1232]).
2) Die Formel dafür var. 6, 12. Ein ex com(ite) consistorii in der Inschrift
vom J. 519 Rossi inscr. ehr. 1, 968 [C. I. L. VI, 32003].
3) Var. 6, 6 [§2]: donator aulici consistorii [vielmehr collocutionis nostrae
. . . donator, aulici consistorii quasi quidam lueifer],
4) Die Formel dafür var. 6, 16. Als titular wird diese Stellung zu Theil
dem aus dem Officium des praef. praet. ausscheidenden cornicularius und primi-
scrinius (S. 399 A. 4), wobei sie zur Audienz bei dem Kaiser zugelassen werden
(adoranf). Bei gleicher Verabschiedung wurde diese Ehre auch lohannes dem
Lyder zu Theil (de mag. 3, 30).
5) 5, 41 [§ 3] : obtinuit ille saepius in vectationibus nostris, quod in consistoriis
agi solebat antiquis.
6) Diese Benennung findet sich bei Prokop hist. arc. 14, bell. Pers. 2, 7 und
bei Lydus de mag. 3, 28; notarius secretorum in der Biographie Aurelians c. 36;
griechisch 6 xiäv s^üy&ev tpegofiivcov anoxQioewv ^rjvvxrjg Zosim. 1, 62. Auch die
Wendungen bei Cassiodor var. 1, 4. 6, 16 weisen darauf hin. Dagegen ist var.
4, 3 [§ 3]. 4 [§ 3] das excipere (usus es sub exceptionis officio eloquentis ingenio . . .
nunc ad colloquia dignus, nunc ad exceptiones aptissimus) wohl auf den referenda-
rius zu beziehen, da diese Thätigkeit zu der herabgekommenen Stellung des
tribunus et notarius nicht passt und die Beförderung von derselben zum comes largi-
tionum ebenfalls auf den referendarius hinweist.
Ostgothische Studieu. 421
tan dem gothischen Hofe ganz untergeordnet sind ^, ebenso der bei
ler Sitzung des consistorium , dem secretum gleichfalls betheiligte
iilentiarius ausdrücklich bezeichnet wird als inactiver Pensionär
403 A. 4). Das in Constantinopel neben der Verhandlung
Staatsrath hergehende Verfahren , dass der Quästor und die
tagistri scriniorum einzeln dem Herrscher Vortrag halten, herrscht
in Ravenna jetzt allein. Insbesondere die magistri, jetzt gewöhnlich
)ezeichnet als referendarii^ oder ävnyQaq)eig'^, junge den Staatsdienst 483
plamit beginnende Leute, haben die schwierige Aufgabe, oft während
ler königlichen Spazierritte, dem alten Kriegsmann die Sachen bündig
rorzutragen (S. 389) und seine nicht selten in heftigen Worten ge-
gebenen Entscheidungen entgegenzunehmen*. — Es hat dies nicht
1) Wo Cassiodor von der Ertheilung dieser Stellung an seinen Grossvater
spricht var. 1, 4 [§ 10], setzt er hinzu: honor qui tunc dabatur egregiis.
2) Die magistri scriniorum kommen bei Cassiodor nur insofern vor, als der
mit dem Principat ausscheidende ctgens in rebus diese Würde titular erhält
(6, 13 oben S. 407 A. 7). Die Formel für die referendarii var. 6, 17; es heissen
so Cyprianus (8, 21 [§4] und anon. Vales. 85) und Johannes (8, 25). Dieselbe Benen-
nung findet sich auch im Orient in dem Protokoll vom J. 427 cod. lust. 1,50,2:
mandata impp. Theodosii et Valentiniani Attgg. tnissa ad Antioehum j)(raefectum)
p(raetorio) per referendarium und in der Verordnung Leos vom J. 473 cod. Just.
4, 59, 1, sodann ständig in der justinianischen Zeit (Prokopius bell. Pers. 2, 23 ;
hist. arc. 14; nov. lust. 10. 113. 124). Ausdrücklich werden sie mit den magistri
scriniorum nicht identificirt; aber das Geschäft des referendarius , dem Kaiser
die eingehenden Anliegen vorzutragen und dessen oft mündlich ertheilten Bescheid
den Parteien mitzutheilen (Cassiodor a. a. 0. ; Prokop a. a. 0. ; nov. 133 c. 1) deckt
sich völlig mit dem jener magistri. Wie diese stehen die referendarii unter dem mag.
off. (Inscription der Nov. 10) und wie diese (Zeno cod. lust. 1, 23, 7) haben sie die
Spectabilität; denn diese fordert die der Formel 6, 17 angewiesene Stelle und
auch dem Johannes wird 8, 25 in den Handschriften diese beigelegt, nicht der
lUustrat. In älterer Zeit giebt es vier Magistri ; lustinian (nov. 10) schreibt vor
die auf dreizehn gestiegene Zahl der Referendarien auf acht zu reduciren. Unter
ihnen stehen wie unter den magistri eine Anzahl adiutoi'es (nov. 124 c. 4). Die
bis dahin wohl nur in der Umgangssprache gebräuchliche Bezeichnung ist unter
lustinian die officielle.
3) Petrus Patricius fr. 14 Müll.: avxiyQacpsvg rfjg nvrjurjg. Suidas unter
'AdQiavöi;: ävriygaipsvg töv ijnorokwv. Den Gegenkaiser des Theodosius Eugenius
nennt Philostorgius 11, 2 magister, Theophanes zum J. 5882 äviiygafpivg. Vgl.
Reiske zu Const. Porph. de caerim. 2 p. 287 Bonn. Auch der antigraphus bei
Gregorius ep. 1, 28 ist wohl ein Referendarius. Wahrscheinlich ist referendarius
Uebersetzung von dvnyQafpsvg, obwohl jener Ausdruck früher auftritt als dieser
und gewöhnlich von den Griechen beibehalten wird; dass für den im Griechischen
schwer wiederzugebenden Vorschlag re hier dvzi gesetzt ist, kann nicht ver-
wimdern.
4) Beide Schreiben, das bei Lebzeilen Theoderichs aufgesetzte 5, 41 (vgl. 40)
und das später abgefasste 8, 21 betreft'en das Referendariat Cyprians und sind
422 Ostgothische Studien.
anders sein können. In dem Reiche Theoderichs war der Gothe
wie für die Reichsämter und für den Senat disqualificirt, so auch
nicht fähig im Consistorium zu sitzen; und der Beherrscher 'der
Gothen und der Römer' konnte wohl von römischen Referendarien
sich über Regierungsangelegenheiten Yortrag halten lassen, aber
einem Staatsrath, aus dem die Gothen ausgeschlossen waren, unmög-
lich mehr als jene nominelle Existenz gestatten, welche das Ab-
kommen mit Byzanz forderte.
Der Patriciat ist bekanntlich eine Schöpfung Constantins oder
richtiger gesagt, Constantin hat den erblichen Briefadel, wie ihn auf
den Spuren Caesars und Augusts die frühere Kaiserzeit entwickelt
hatte, in einen personalen umgewandelt. Auch jetzt ist der Patriciat
wesentlich ein Ehrentitel ^ Dennoch sind die Gothen von demselben
nicht minder ausgeschlossen wie von den Aemtern^ und mussten es
schon darum sein, weil nach den derzeit bestehenden kaiserlichen
484 Ordnungen der Patriciat nur nach Bekleidung eines zur ersten
Rangklasse gehörenden Staatsamts verliehen werden konnte^. Die
Verleihung steht bei der Regierung und ist wie die Amtsernennung
auf die germanischen Könige übergegangen*; sie erfolgt immer auf
Lebenszeit^. Irgend welche Competenz ist damit in dieser Epoche
auch insofern merkwürdig, als das Verfahren gegen Boethius, das eben dieser
Cyprianus herbeiführte, wahrscheinlich in dieser Weise eingeleitet worden ist.
Der erste Brief schildert die von dem König in Begleitung Cyprians unter-
nommenen Spazierritte und die während derselben von diesem gehaltenen Vor-
träge {relationes, suggestiones) und lobt dessen unerschrockenes Verhalten gegen
den König ([§ 2] regiis intrepidus militavit affatihus ... [§ 4] impetum nostri animi
frequenter sustinuit); das zweite Schreiben hebt [§ 4] noch nachdrücklicher hervor,
dass unter diesem alten Kriegsmann auch der Friedensdienst ein militärisches
Wesen an sich gehabt habe (fuerunt apud illum virtutum omnium vir um exerci-
tualia vel pacata servitia) und dass ihm in der Discussion Stand zu halten mehr
Sicherheit und mehr Muth gefordert habe als dem Feind ins Auge zu sehen {qui
tantam firmitatem animi semper exegit, tantam verhorum in adserenda veritate constan-
tiam, ut nierito se vicisse diceret hostem, qui illo praesente vitare valuisset errorem).
1) Unter und nach Justinian wird er auch Frauen verliehen (Prokop hist.
arc. 9. 16; Gregorius ep. 1, 33 und sonst).
2) Alle in gothischer Zeit begegnende Patricier sind Römer mit Ausnahmt
Theoderichs selbst und unter Athalarich des Tuluin, von dem bei den Militär-
ämtern gesprochen werden wird (S. 447).
3) Zeno cod. lust. 12, 3, 3. lustinian uov. 62.
4) Cassiodors Königsschreiben geben dafür zahlreiche Belege.
5) Die damit wenigstens formell in Widerspruch stehende Bezeichnunj
expatrieiiis ist ein seltsames Räthsel. Sie findet sich an zwei Stellen. In de
Präsenzliste für das Concil von Kalchedou 451 (Mansi 6, 563 if.) werden zunächs
Ostgothische Studien. 423
nicht verbunden^, wohl aber ein bevorzugtes Stimmrecht im Senat,
auf das wir bei diesem zurückkommen (S. 425).
IV. 485
Der römische Senat und die Verwaltung von Rom und
Ravenna.
Keine der öffentlichen Einrichtungen des theodericischen Römer-
staats entfernt von den aus der vordiocletianischen Zeit uns geläufigen
Anschauungen sich so weit wie der Senat. Allerdings sind es
schwerlich die germanischen Könige gewesen, welche diese Aende-
rungen herbeigeführt haben; fehlten uns nicht mit dem Anfang des
sechsten Buches der theodosischen Sammlung die wichtigsten in
dieser Beziehung ergangenen Kaisergesetze, so würden wir sicher
die neuen Normen theils auf die Umgestaltung der Staatsordnung
durch Diocletian und Constantin, theils auf die Verlegung des Re-
gierungssitzes nach Ravenna zurückführen können.
Der senatorische Erbadel, oder nach dem technischen Ausdruck
dieser Epoche der Clarissimat, hat unverändert fortbestanden. Er ist
namentlich in steuerlicher Hinsicht von Wichtigkeit, insofern der ex-
ceptionellen Belastung der Senatoren auch die Kinder und die Frauen
senatorischen Ranges unterlagen^. Von dem geborenen clarissimus^
die fungirenden Beamten aufgezählt, darunter der orgaTrjkäzrjg y.ai ano vTidicov
jiaTQixiog Anatolius, alsdann eine Anzahl Senatoren, zuerst Florentius ojid ijidgxcov
xal vTiäxcov (Consul 429) xal jiargtxiojv und mehrere andere analog charakterisirte,
womit der lateinische Text stimmt. Aber derselbe Florentius heisst in einem
zu den Acten desselben Concils gehörenden Schreiben vom J. 448 (Hänel coqj.
leg. p. 249) patricms. Ferner stellt die Verordnung Zenos cod. lust. 3, 24. 3 den
patricius und den expatricius neben einander und beide an die Spitze der illustres.
Auf Inschriften ist mir nichts Aehuliches begegnet; patriciae famüiae vir (C. I. L.
VI, 1725 [= Dessau 1284]) fordert nur die factische Verleihung des Patriciats
durch mehrere Generationen. Eine Erklärung finde ich nicht, aber ein Rang-
unterschied zwischen dempatricius und dem expatricius kann nicht bestanden haben.
1) lucorrect spricht die stadtrömische Inschrift vom J. 450 (Rossi inscr.
ehr. 1, 751 [C. I. L. VI, 8406]) von einem seriniarius inl. patriciae sedis. Gemeint
ist die Stadtpräfectur, da in dieser Zeit der praef. praet. in Ravenna residirte;
der damalige praef. urbi muss den Patriciat gehabt haben. Die Umwandlung des
praef. jyraetorio Africae oder Italiae et patricius in einen patricius Africae oder
Italiae ist nachjustinianisch. — Ueber den patricius praesentalis bei den Militär-
ämtern S. 448. 2) C. Th. 6, 4, 17 und dazu Gothofredus.
3) Cassiodor var. 8, 17 [§ 7] : secundo ad vestram curiam venit, qui et ex senatore
natus est (Erwerbung des Standesrechts) et aulicis dignitatibus probaiur honoratus
(Erwerbung des Stimmrechts). 8, 19 [§ 2] an den Senat: licet apud vos seminarium
sit senatiis, tarnen et de nostra itidulgentia nascitur qui vestris coetibus applicetu/r.
Dasselbe stand wohl auch in der defecten Verordnung C. Th. 6, 2, 7.
424 Ostgothische Studien.
wird der Senator unterschieden^ und diese letztere Eigenschaft
wahrscheinlich auch jetzt noch entweder durch die Bekleidung eines
stadtrömischen Amtes erworben oder durch kaiserliche Adlection.
Von den stadtrömischen Aemtern kommt, wie in früherer Zeit,
wesentlich nur die Quästur in Betracht, da Prätur und Consulat
486 nicht leicht anders als nach Erwerbung der Senatoreneigenschaft
bekleidet werden konnten^. Dass die römische Quästur, welche
mit den daran geknüpften Spielen bis in die Mitte des fünften Jahr-
hunderts nachweislich fortbestand^, so lange sie dauerte, die Senatoren-
qualität verlieh, wird nirgends ausdrücklich gesagt; aber es steht
dieser Annahme nicht blos nichts entgegen, sondern sie wird durch
den Zusammenhang mit x^othwendigkeit gefordert*.
Die kaiserliche Ernennung zum Senator hat sich verglichen mit
der älteren in zwiefacher Weise geändert. Einmal giebt es, während
die vorconstantinische Epoche eine Adlection in die erste Rangklasse
so gut wie nicht kennt ^, jetzt keine andere als die inter consulares;
80 viel wir wissen, ist der Rang als praetorius oder quaestorius in
dieser Epoche von der Regierung nicht mehr verliehen worden.
Zweitens wird die Senatorenqualität, und zwar wie gesagt in der
Form der Consularität , regelmässig jetzt nicht wie früher durch
personale Verfügung verliehen, sondern sie ist an gewisse Aemter
ein für allemal geknüpft, und zwar entweder an deren Ue bernahme
oder an deren Mederlegung. Auf der Verknüpfung mit der Amts-
übernahme beruht der Amtstitel consularis. In der früheren Kaiser-
zeit bezeichnet dies den gewesenen Consul und nur in der vulgären
Ausdrucksweise tritt diese die hohe Rangklasse hervorhebende Be-,
Zeichnung zu dem Amtstitel hinzu oder gar für ihn ein; der Statt-*
halter von Syrien heisst officiell legatus pro praetore, aber da er aus
den consularischen Senatoren genommen wird, in gewöhnlicher Rede
auch legatus consularis und häufig selbst consularis schlechtweg.
Späterhin verschwindet bei denjenigen Statthalterschaften, die nur an
gewesene Consuln oder auch mit dem Titularconsulat zugleich vergeben
1) C. Th. 16, 5, 52 vom J. 412: poenae nomine . . . cogantur inferre spectabiles
auri pondo XL, senatores auri pondo XXX, clarissimi auri pondo XX.
2) Ob der Yolkstribunat in dieser Zeit fortbestand, ist zweifelhaft (Staats-
recht 2' S. 330), obwohl er in den Adressen noch unter Anastasius erscheint
(Thiel epist. pont. 1 p. 765). 3) Staatsrecht 2» S. 534.
4) Die oft erwähnte Adlection inter consulares fordert die Existenz nicht-
consularischer Senatoren, also das Fortbestehen der praetorii und der quaestorii;
und diese können nur aus den stadtrömischen Aemtern hervorgegangen sein, da '
die Adlection dieser Epoche sich auf praetorii und quaestorii nicht erstreckte.
5) Staatsrecht 2' S. 942.
Ostgothische Studien. 425
werden, der eigentliche Amtstitel vor der Rangbezeichnung und wird
der Rang so völlig zum Amtstitel, dass dem gewesenen Statthalter
dieser Kategorie ganz gewöhnlich die Bezeichnung ex consulari ge-
geben wird. Folgerichtig wird dieser Amtstitel jetzt auch ohne
wirkliche Bekleidung einer hohen Provinzialstatthalterschaft lediglich
titular verliehen, die Exconsularität dem nach vollendeter Dienstzeit
ausscheidenden agens in rebus und zahlreichen anderen Kategorien
der Subalternbeamten als Abschiedsvergünstigung beigelegte Alle 487
diese sei es durch die Uebernahme eines Administrativamts, sei es
im Wege der Gratification zur Consularität gelangenden Personen
sind damit Senatoren 2. Sie sind also allen Pflichten und Lasten
dieses Standes unterworfen, wenn sie nicht, was allerdings häufig
geschieht, davon besonders befreit werden^, werden aber auch zu
den Ehren und Rechten desselben zugelassen, zum Beispiel zu den
criminalprozessualischen Privilegien und zum Senatorensitz bei den
öffentlichen Festlichkeiten *.
Nach der älteren Ordnung gilt der letztere Satz auch von dem
Stimmrecht in der Curie; es hat dies jeder Senator. Jetzt aber,
wir wissen nicht seit wann, vielleicht schon nach Anordnungen Dio-
cletians oder Constantins, stimmen nur die Senatoren der ersten
Rangklasse, die illustres'^ und zwar nach den drei Klassen*^ der
Patricier, der gewesenen Consuln ' und der übrigen zu einem Amt 488
1) C. Th. 6, 27, 5 vom J. 386: agentibus in rebus huiusmodi praestitimus
cudicülos, ut post 2^i'>^cipatum in ampUsmno ordine inter adlectos considares
habeanttir. Gleichartig C. Th. 6, 24, 8. 9. 10. 6, 25, 1. 6, 26, 7. 8. 6, 30, 19.
2) C. Th. 6, 27, 6 vom J. 370: qui ex agente in rebus princeps ftierit . . . sit
Senator et merito consularibus aggregetur. Aehnliches findet sich oft.
3) C. Th. 6, 27, 6 fährt fort: sed ut eum functio ulla non teneat, collatio non
'^"fraudet.
4) Nov. lust. 62, 1 : et in Itidis circensibus et quando conventus fuerit nuntiatus
mlüo mare et senatores colligi necesse est et suum officium exercere. Der conventus
bezieht sich freilich nur auf die stimmberechtigten Senatoren (vgl. Constantinus
Porph. de caer. 1, 92: 6r^>e idödtj rä fidvdaia oiUvtiov xal xo/iisvzov u. a. St. m.);
aber das Recht auf den Sondersitz im Circus werden wohl alle gehabt haben.
5) Ulpian oder vielmehr Tribonian Dig. 1, 9, 12, 2: 'senatores^ accipiendum
est eos, qui a patriciis et consulibus usque ad omnes illustres viros descendunt, quia
et hi soll in senatu sententiam dicere possunt.
6) Die Klassen definirt genau lustinian nov. 62. Die Grundzüge schon in
den Verordnungen Gratians C. Th. 6, 6, 1 und Valentinians III. nov. 11.
7) Die in der Curie sitzenden Consulare werden zuweilen metonymisch für die
stimmberechtigten Senatoren überhaupt gesetzt ([var.] 6, 4 [§ 3] an den Stadtpräfec-
ten: eonsides supra omnes seilicet consulares; 5, 22 [§ 5] vom rector decuriarum: intro-
ducat vestrae curiae consulares). "Wahrscheinlich war die neue Ordnung in der Form
eingeführt worden, dass von den alten Rangklassen des Senats (Staatsrecht 3
426 Ostgothische Studien.
erster Klasse gelangten Personen, einerlei ob dieselben wirklich
fungirt oder das Amt nur als titulares empfangen haben. Dem ent-
sprechend erscheint bei Cassiodor der Eintritt in die Curie abhängig
von der Bekleidung eines der grossen Hofämter ^, in welcher Hinsicht
S. 852. 966 ff.), den minderen das Stimmrecht entzogen ward und insofern der
Senat von jetzt an aufgefasst werden konnte als die Klasse der consulares.
üebrigens ist terminologisch nicht zu übersehen, dass es zwei Kategorien der
consulares giebt, die gewesenen oder titularen Consuln vom Range des Illustrats,
welche Sitz und Stimme im Senat haben, und die wirklichen oder titularen
Provinzialstatthalter erster Ordnung, bei welchem Amtstitel jetzt an den Consul-
rang nicht mehr gedacht wird und denen nur der Clarissimat und keineswegs
der Sitz im Senat zukommt. Die Zweideutigkeit der Titulatur kann nur im
einzelnen Fall durch den Zusammenhang gehoben werden. (Nachtrag.*) Es
hätte hier darauf hingewiesen werden sollen, dass Gregorius' (bist. Franc.
2, 38) Bericht über Chlodovechs Consulat wesentlich correct ist: ab Anastasio
imperatore codicillos de eonsulatu accepit et in basilica beati Martini tunica blattea
indutus et chlamyde, itnponens vertiee diadema. Der Versuch dem Frankenkönig einen r
Platz in den Fasten zu verschaffen, der noch kürzlich gemacht worden ist, wäre
allerdings besser unterblieben (vgl. Krusch in dieser Zeitschrift [N. Archiv] 12, 299)
aber neben den jetzt wieder das ganze Jahr hindurch fungirenden und in dei
Datirung ausschliesslich verwendeten consides ordinarii (Staatsrecht 2 *, 93) stehet
in dieser Epoche die titularen sowohl in den Erlassen des Ostreichs (cod. lust
10, 32, 67, 1. 12, 3, 3. 4), wie auch bei Cassiodor (var. 6, 10 und sonst) und ii
zahlreichen bis in späte Zeit hinabreichenden byzantinischen Bleisiegeln. Das;
an diese hier zu denken ist, beweist die dafür technische Erwähnung der codi
diu. ungenau ist allein die Nennung des Diadems, das Chlodovech nur al
König, nicht als Cousul getragen haben kann. Ebenso hat Gregor in den folger
den Worten: ab ea die tamquam consul aut Augustus est vocitatus den Augustu
mit Unrecht hereingezogen. Der Titel, der dem Honorarconsul zukommt, ist e
consule^ und in diesem Sinne muss Gregors tamquam consul aufgefasst werdei
Proconsul, wie in einem Theil der Handschriften der lex Salica Chlodovee
genannt wird, kann weder mit v. Sybel (Rhein. Jahrb. 4, 86; histor. Zeitschri:
56, 399) von einem durch den Kaiser des Ostens dem fränkischen König übe
tragenen Froconsulat über Gallien verstanden , noch mit Waitz (Verf. Gescl
2, P, 47) auf das Honorarconsulat bezogen werden; wenigstens wird dies tituli
185 nie also bezeichnet. Es ist doch wohl nichts als Schreiberversehen für das alle:
in den Zusammenhang passende praecelsus.)
1) Formel de referendis in senatu 6, 14 [§ 3]: senatui praedestinatus est cui n
contulimus laticlaviam dignitatem. 8, 17 (S. 423 A. 3) 19 (S. 423 A. 3). Wenn d
praefectus urbi aufgefordert wird hinsichtlich einer für die Aufnahme geeigneti
Person das Geeignete zu veranlassen (1, 41 : magnificentia tua Fausto . . . decern
attribui, quae circa referendos curiae pi'iscus ordo dictavit; ähnlich 3, 33 [§ 1]. 4,!;
*) [Neues Archiv 15, S. 184—185.]
*) So heissen in justinianischer Zeit Narses (C. VI, 1199 [= Dessau 835|
und Solomou (C. VIII, 1863 [= Dessau 831]. 4677), die beide nur das Hononl
consulat bekleidet haben können. Die wirklich in Function gewesenen Oodsu
dagegen nennen sich ex conside ordinario, wie z. B. Decius 486 (C. X, 68
[= Dessau 827]), Boethius Consul 522 in der Subscription einer seiner Schrift«
Mavortius Consul 527 in derjenigen der horazischen Epoden und Cassiodor selb
Ostgothische Studien. 427
die hohen Finanzämter ^ und die Hofquästur^ als die niedrigsten
unter den Illustraten besonders hervortreten. Es ist dies Vorrecht
ausserdem auf zwei der höchsten Stellen der zweiten Rangklasse
erstreckt worden, den prhnicerius notariorum ^ und den vicarius urhis
Romae*. Auch der magister census scheint unter Umständen mit-
gestimmt zu haben ^. Da diese Aemter alle vom Kaiser, resp. vom
König vergeben wurden, so werden die stimmberechtigten Senatoren
sämmtlich von der Regierung ernannt und diese Ernennung dem
Senat nur zur Kenntniss gebracht, damit er die Einführung des neuen
Mitglieds bewirke. Dass die Regierung dafür die Einwilligung des
Senats erbittet, ist eine höfliche Form; ein effectives Cooptationsrecht
hat der Senat nicht gehabt •*, wenn auch er und sein Vorsitzender
in der Lage sind die Einführung zu verzögern'. — Den Gothen 489
bleibt selbstfolglich der Senat verschlossen^.
[§ 3] : maf/nificentia tua Petrum . . . in album sacri ordinis secundum priscam
consueUidinem curet referri), so ist dabei vorausgesetzt, dass denselben das er-
forderliche Amt wirklich oder titular verliehen war.
1) So gelangt der comes sacrarum in die Curie honorum lege (5, 41 vgl.
40. 8, 17 vgl. 16); ebenso der comes j/rivatarum (8, 14 a. E. vgl. 13) und der comes
patrimonn (4, 4), vielleicht aber nur wenn er Römer war (S. 402 A. 2).
2) 5, 4. 8, 19.
o) In der Formel 6, 16 [§ 3] heisst dieser Primiceriat honor qui efficit senatorem,
cui patrum cmla reseratur. Auch in den weiteren Angaben Cassiodors über dessen
Rang und anderswo (C. Th. 6, 10, 2; Nov. Theod. 25, 6) wird diese Stellung dem
niustrat genähert und die Interpolation der Not. Dign. Or. 18: suh dispositione
■i inlustris spectdbilis primicerü notariorum zeugt von Sachkunde.
4) Var. 6, 15 [§ 2] : dignitatem sencdoris adquiris et illa tibi pandimtiir atria
quae smnmatibus pröbantur esse conlata.
5) Var. 5, 21 [§ 3] : maioris etiam natu tUere, cum fuerit necesse, sententia, (actus
tot patribus senior, tantis tacentibus vox senatus. 22 [§ 5] : Capuanum . . . maioris etiam
ndtii auctoritate siibvehimus. Anderweitige Aufklärung fehlt; es sieht so aus, als
sei der magister census, wenn niemand sonst dazu bereit war, gehalten gewesen
einen Beschluss vorzuschlagen.
6) Dies zeigt sich am deutlichsten darin, dass die Ernennungen der schon
im Senat sitzenden Personen zu höheren Würden, wie zum Beispiel des gewesenen
comes privatarum zum Quästor (8, 13. 14) und eines Senators zum Patricius (1, 4)
in ganz ähnlicher Form dem Senat mitgetheilt werden und auch hier von dessen
consensus die Rede ist.
7) Symmachus ep. 9, 118: Jiospitem tuum Faustinum senatus amplissimus in
societatem rece^nt . . . tibi . . . acceptum (erat Studium totius ordinis: nam ut bene-
ficio sacro debet dignitatis impetrationem , ita tuo decreti nostri celeritatem. Bei
Cassiodor var. 4, 29 ertheilt der König dem Stadtpräfecten einen scharfen Ver-
weis dafür, dass er den Armentarius, dessen Aufnahme in den Senat der König
3, 13 befohlen hat, noch nicht eingeführt habe.
8) Ueber die Ausnahme zu Gunsten Tuluins ist bei den Militärämtern
gesprochen.
428 Ostgothische Studien.
Die Competenz des Senats bleibt in ihren Grundzügen unvei
ändert. Gleichstellung des Senats und des Herrschers als der beider
Träger der souveränen Gewalt gehört zum "Wesen auch des nach-
diocletianischen Senats. Er hat die Reichseinheit länger und volle!
vertreten als das Kaiserthum. Die diocletianische Reichstheilunj
hat den römischen Senat nicht berührt. Als Constantin die novi
Borna schuf, gab er zwar auch ihr statt der curia einen senatum
aber zunächst mit untergeordneten Rechten^ und erst Kaiser luliai
hat den Senat seiner Vaterstadt dem römischen in Rechten un«
Ehren gleichgestellt^. Die formale Souveränetät verknüpft noch i;
der germanischen Epoche sich mit dem Begriff des Senats^. Ein
wesentliche Neuerung besteht in der Constituirung eines der stimm
berechtigten Senatoren zum Tormann und zum Haupt des Senatf
Caput oder prior senatus^. Die Senatsordnung der Kaiserzeit kenn
eine derartige Einrichtung nicht: der princeps senatus der Republi
ist verschwunden und die Vorstimme hat dasjenige Mitglied de
490 ersten Klasse, w^elches im einzelnen Fall der Vorsitzende zuerj
befragt. Allem Anschein nach hat diese Ordnung noch am Ausgan
1) Auon. Vales. 30: ibi etiam senatum constituit secundi ordinis: claros vocavi
Vgl. Staatsrecht 3, 1260 A. 2.
2) Zosimus 3, 11: sdcoxs fxev rf] nolsi ysQovoiav eysiv mojisq xfj 'Pw[ai]. Libanii
tiqÖi; Oeodöaiov uieqI rfjg ardoscog 1 p. 633 Reiske: rov 'lovhavov . . . tov avTii^sv;
zj) '^Pwfi.aioiv ßovXf] zi]v vsav (die folgenden Worte sind ausgefallen) [7zö).ei fi
ßovXfj vermutet Förster ed. Libanius II p. 393].
3) Var. 2, 24 [§ 3]: parem nöbiscum rei publicae debetis adnisum. Das. 6, 4 [§
wird das iura condere wie dem Princeps (S. 462 A. 4), so auch dem Senat beigeleg
der Senat kann Gesetze machen {leges constituei'e) wie der Princeps und d
Senator unterscheidet sich von diesem nur insofern, als er, und der Priucej
nicht, unter dem Gesetz steht (S. 462 A. 4). Vgl. cod. lust. 1, 16, 1 vom J. 38
quamvis senatus consultum perj^etuam 2)er se obtineat firmitatem, tarnen etiam nostt
legibus idem prosequmiur adicientes u. s. w. Vgl. Staatsrecht 3, 1238 und in diese
Archiv 10, 582 [s. weiter unten in diesem Bande].
4) Caput senati heissen Festus Consul 472 bei dem Anon. Vales. 53 ui
in der Biographie des Papstes Symmachus c. 5; Symmachus Consul 522 bei jene
c. 92; primus Senator in Beziehung auf das Ostreich Basiliscus bei dem Anc
Vales. 41. Cassiodor nennt den Festus senatus piHor 1, 15 [§ 1] und spricht anders\
9, 21 [§ 5] vom pi-imus wdinis. Bei Procop b. Goth. 3, 13 unter dem J. 545 heis
Cethegus Consul 504 jiQwrog Tfjg 'Pcofiaicov ßovXrjg; doch ist dies vielleicht nie
im technischen Sinne zu verstehen. (Nachtrag.*) Aus Versehen ist Symmach
hier als Consul des J. 522 bezeichnet und nicht als Consul des J. 485. Dana
. dürfte Caput senatus nicht einen von dem Herrscher bestellten Vormann des Sem
bezeichnen, sondern einfach den nach der senatorischen Rangordnung au cj
Spitze stehenden Senator.)
_f i
*) [Neues Archiv 15, S. 185.]
Ostgothische Studien. ' 429
des 4. Jahrhunderts n. Chr. bestanden ^ Man wird ihre Abänderung
mit Wahrscheinlichkeit an die Verlegung des Regierungssitzes von
Rom anknüpfen können; obwohl der praefectus urhi in Rom
blieb, konnte dies Veranlassung dazu geben den Senat mehr als
eigentliche Verwaltungsbehörde zu gestalten. Der Vormann des
Senats ist wohl immer Patricier, aber nicht gerade weder das älteste
noch das im Rang am höchsten stehende Mitglied dieser ersten
Klasse 2, also wahrscheinlich vom König ernannt ^ und allem Anschein
nach ernannt ohne Endtermin, so dass er lebenslänglich im Amt
verblieb oder doch verbleiben konnte. Die Verwaltungsgeschäfte,
die dem Senat schon früher oblagen, zum Beispiel die Anstellung
der öffentlichen Lehrer werden vorzugsweise durch ihn beschafft
worden sein*; sicher beaufsichtigt er die in Rom Studirenden und
wird die Erlaubniss sich zu diesem Zweck in Rom aufzuhalten zu-
nächst ihm zur Kenntniss gebrachte Aber er muss eine weiter
gehende Aufsicht geführt haben; er wird angewiesen das Haus eines
in Staatsgeschäften Abwesenden unter seinen besonderen Schutz zu
nehmen ^. Wenn in dieser Epoche der Senat veranlasst wird wegen
1) Staatsrecht 3, 976. Wenn noch Symmachus, nicht eponymer Consul im
jj. 376, zuerst im Senat gefragt zu werden pflegte [C I. L. VI, 1698 = Dessau 1257],
ISO kann es damals nicht wohl ein förmliches Senatshaupt gegeben haben.
j 2) Der vornehmste Senator ist nach den S. 425 A. 6 angeführten Regulativen,
jwer in der Klasse der Patricier am frühesten das Consulat verwaltet hat; in
• tlieser Stellung kann Symmachus Consul 522 [vielmehr 485 ; s. oben S. 428 A. 4
Nachtrag] selbst bei seinem Tode nicht gewesen sein, geschweige denn als der
iBrief var. 4, 6 geschrieben ward, in dem er schon als Vormann des Senats auftritt.
3) Daher auch 1, 15 [§ 1]: senatus prior esse meruisti.
4) Diese Anstellungen erfolgen primi ordinis vestri ac reliqui senatus amplis-
»: kirnt audoritate (var. 9, 21 [§ 5]).
^ I 5) Der Provinziale, der an dem Unterricht in Rom theilnehmen will, bedarf
• laflir der Erlaubniss seines Statthalters und hat, wenn er das zwanzigste Lebens-
« Jahr erreicht hat, Rom zu verlassen (C. Th. 14, 9, 1). Die beiden wesentlich
leichlautenden Schreiben 1, 39. 4, 6, königliche an die Stelle dieser statthalter-
ichen tretende Erlaubnissbriefe, zeigen weiter, dass die jungen Leute, so lange
ie mit ihrem Vater oder einem Anverwandten in Rom verweilen, besonderer
erlaubniss nicht bedürfen. Daher wird das Gesuch hinsichtlich der Theilnahme
.n dem Unterricht in der Hauptstadt zunächst darauf gerichtet, dass es dem
^ater oder dem Oheim gestattet werden möge, sich in seine Heimath zurück-
ubegeben unter Belassung der Söhne oder Neffen in Rom. In dem Schreiben
, 22 scheint derartigen Studenten wegen des Todes des Vaters die Rückkehr
i ihre Heimath vor vollendeter Studienzeit gestattet zu werden. Für uns
ommt in Betracht, dass diese drei Schreiben nicht an den Stadtpräfecten,
ondem an den Vormann des Senats gerichtet sind. — Den Urlaub für Beamte
nd Senatoren ertheilt immer der König (var. 3, 21. 4, 48. 7, 36).
6) Var. 1, 15 [§ 2].
430 • Ostgothische Studien.
eines Auflaufs gegen die Juden Untersuchung anzustellen und Be-
491 strafung herbeizuführen ^ und wenn er in Folge des Schismas vom
J. 530 ein Verbot die Wahl des neuen Papstes bei Lebzeiten des
alten vorzunehmen so wie allgemeine Bestimmungen hinsichtlich der
bei der Anstellung von Geistlichen zulässigen Sportein erlässt^, so
konnten dergleichen Angelegenheiten freilich auch in früherer Zeit
an den Senat gebracht und von i"hm regulirt werden. Wahrscheinlich
indess ist die Betheiligung jetzt eine directere gewesen und hat
dabei der Yormann des Senats eine hervorragende Rolle gespielt;
vielleicht ist die Publication der letzterwähnten Bestimmungen durch
ihn erfolgt^. Wie die erste Stelle, die dem Stadtpräfecten im Senal
auch jetzt beigelegt wird*, sich zu der Stellung des caput senatu.
verhalten hat, lässt sich nicht ermitteln.
Ueber die speciell hauptstädtischen Beamten ist wenig zu be
merken. Prätur und Quästur sind durch die diocletianisch-constan-
tinische Ordnung aus Reichsämtern in municipale verwandelt wordei
und als solche, wie von dieser schon bemerkt ward, bis in die Mitt»
des fünften Jahrhunderts nachweisbar^, aber meines Wissens nich
aus der Periode der germanischen Könige. Dass der municipal
Leiter der Volkslustbarkeiten, der tribunus voluptatum, wie bei der
Municipalwesen nachgewiesen werden wird (S. 434), jetzt ebenso i
Rom auftritt wie in Mailand, legt die Frage nahe, ob nicht di
prätorischen und quästorischen Spiele selbst damals weggefallen sine
Die Aemter selbst können darum immer noch fortbestanden haber
dass Cassiodor ihrer nicht gedenkt, kann Zufall sein, da ein besonde
rer Anlass dazu nicht vorlag.
1) Var. 4, 43.
2) Der kürzlich aufgefundene Act des Senats ist abgedruckt in diese
Archiv 11, 368; erwähnt wird er bei Cassiodor 9, 15. 16.
3) Die seltsame Fassung des eben genannten Beschlusses, dass unter d
TJeberschrift senatus amplissimus presbyteris, diaconis et universo clero ein dritt
zu diesen im Namen des Senats spricht (in sanctitatis vestrae notitiam duxim
perferendum senatum amplissimum decrevisse), erklärt sich eher, wenn der A
vom prior senatus als wenn er vom pi'aef. urbi ausgeht.
4) Cassiodor var. 1, 42 [§ 3]. 6, 4 [§ 3]. 9, 7 [§ 4]. Nov; Just. 62. Dass in d
Sitzung des J. 438, in welcher der theodosische Codex publicirt wird, der pra
praet. Faustus den Vorsitz führt und nicht der anwesende Stadtpräfect , ha
ich in diesem Archiv 10, 584 [s. weiter unten in diesem Bande] dadurch zu i
klären versucht, dass der Vorsitz dem höchsten anwesenden Beamten zukasj
und dies scheint mir immer noch besser als den Faustus zum Senatshaupt i
machen.
I
5) Staatsrecht 2», 238. 534. '
Ostgothische Studien. 431
Dass, nachdem der Hof und die Hofämter nach Ravenna über-
gesiedelt waren, in Rom ein agens vices des praefedus praetorio vom
JRang des Illustrats (S. 399) und als Vertreter des magisfer ofßciorum
ein vicarius principis agentium in rebus (S. 408) fungirtcn, ist bereits
ausgeführt worden. Wenn die Kaiser, so lange sie in Rom residirten,
den Bürgern die Spenden selber zu vertheilen pflegten, finden wir
jetzt daselbst einen dafür vom praef. praet. bestellten Beamten, den 492
erogator opsoniorum vom Rang des Clarissimats ^. Die beiden hohen
Localbeamten, der praefedus urhi und der vicarius urbis Bomae (S. 395)
bUeben am Orte. Von den Unterbeamten des ersteren, die aber nicht
von ihm, sondern von der Regierung creirt wurden, finden wir die
meisten und wichtigsten der von der Notitia dignitatum aufgezählten bei
Cassiodor wieder: den praefedus annonae^; den praef edus vigilum^ ;
1) Var. 12, 11.
2) Var. 6, 18. 12, 9. Erwähnung verdient das Verfügungsrecht desselben
über den der stadtrömischen Bäckerzunft zustehenden Grundbesitz (fundi dotales:
C. Th. 14, 3, 7. 13. 19), welches die Formel 6, 18 [§ 4] erwähnt: dignitati tuaepistorum
iura famulata sunt, quae per diversas mundi partes possessione latissima tendebantur
, und wovon das Schreiben des p)'aef. praet. an den praef. annonae 12, 9 eine
bisher nicht beachtete geschichtlich merkwürdige Anwendung enthält. Durch
I Verordnung vom J. 451 wurde ein Theil der durch die Vandalen vertriebenen
I africanischen Grundbesitzer auf diesen Bäckergütern angesiedelt (nov. Valent. III.
I 33, 4: de p^'aediis pistorns stattio, quoniam his quos harbaries afflixe>'at et ob
I almonia ante fuerant lege concessa, ut ad eos tantum debeant pervenire, quos ab.
' hostibus certum est faeultates captivitatis infortunio perdidisse). Das Eigenthum blieb
! der Zunft oder vielmehr der Stadt Rom, aber die Africaner erhielten den Besitz
j {penes quos salvo urbis Bomae privilegio haee htimanitas permancbit, donec melim-e
; augurio ubertas rcriim Africae continget) mit dem Recht der Vererbung auf die
j Söhne; in Ermangelung solcher soll der Provinzialstatthalter zu Gunsten der am
j schwersten Betroffenen darüber verfügen. Durch den Brief Cassiodors wird der
t praefectus annonae angewiesen den aus Africa herübergekommenen Fremden,
j der peregrina gens, den advenae, die nur die Sprachgemeinschaft verbindet {sola
fides generis est patrios sonore sermones), in ihrer Gesammtheit {univei'sa natio
qitantum ad successionis beneficium una familia est) die Besitzungen zu überweisen,
welche der zu ihnen gehörende kinderlos Verstorbene nicht als Eigenthümer im
Rechtssinn und ohne das Recht der Veräusserung, aber als steuerpflichtigen Be-
sitz innegehabt hat. Dieses Schreiben kann sich nur auf praedia pistoria in
Italien oder Sicilien beziehen. Allem Anschein nach ist diejenige Siedelung,
mit der es sich beschäftigt, nicht die einzelner vertriebener Römer, sondern
emes nicht lateinisch redenden africanischen Stammes (gens, natio). Die felix
captivitas dieser Africaner bei Cassiodor knüpft an das captivitatis infortunium
der Verordnung an; ob damit mehr gemeint ist als die blosse Vertreibung aus
dem Besitze, weiss ich nicht zu sagen.
3) Var. 7, 7. Daraus, dass Cassiodor ihn dem eomes formarum nachstellt,
wird nicht mit Sicherheit geschlossen werden dürfen, dass die Rangstellung sich
nach der Zeit der Notitia verschoben hat.
432 Ostgothische Studien.
den comes formarum^; die beiden Hafenbeamten, jetzt bezeichnet
493 als comes Porfus urhis Bomae und vicarius Portus^; den magister
census^; den curator statuarum unter der wohl unvollständigen Be-
zeichnung comes urhis JRomae^; wogegen der architectus puhlicorum^
und der praepositus calcis^ sich nicht mit Sicherheit an die ältere
Hierarchie anknüpfen lassen.
Ueber die gleichzeitig in Ravenna bestehenden Einrichtungen
erfahren wir wenig'' und dies Wenige fast nur durch Cassiodor.
Der praefectus classis Pavennatium cum curis eiusdem civitatis,
den die vor der Verlegung des Regierungssitzes aufgesetzte Notitia
1) Var, 7, 6. Der consularis aquarum, den die Notitia daneben stellt,
kommt bei Cassiodor nicht vor; ebensowenig wenigstens in den Formeln der
comes riparum et alvei Tiberis et cloacarum der Notitia, obwohl ein v. sp. Johannes
zur Instandsetzung der formae und der cloacae, man sieht nicht ob als ordent-
licher Beamter oder mit ausserordentlicher Competenz, 3, 30. 31 auftritt,
2) Formeln 7, 9. 23. Den comes Partus nennen auch die Inschrift C. X, 6441
[= Dessau 1250] (vor 370, da sie Tuscia und Umbrien noch als correctorischß
Provinz kennt) und die Notitia; der vicarius Portus ist wahrscheinlich der
centenarius Portus der Notitia. — Der comes siliquatariorum et curas portus agens,
an den var. 2, 12 gerichtet ist, bezieht sich wohl ebenso wie die Adresse 2, 19
qui portibus . . praesunt auf die Hafenbeamten überhaupt, da mit der Hafett
aufsieht damals die Erhebung der nur im Occident begegnenden Abgabe von
V24 des Preises bei jedem Kaufgeschäft verbunden war. Vgl. über die custodia
litorum C. Th. 7, 16. 10, 19, 9.
3) Dass der 5, 21 [§ 2]. 22 [§ 5] vielleicht nicht titular als reetor decuriarum
bezeichnete Capuanus v. sp. eben der magister census ist, habe ich Staatsrecht
P, 370 ausgeführt. Unter ihm steht das Archiv (scrinia) des Senats mit den
darin niedergelegten Testamenten und sonstigen Documenten; er bestellt die
Decurialen und führt die neuen Mitglieder in den Senat ein.
4) Formel 7, 13. Der curator statuarum erscheint in der Inschrift C. VI, 170J
[= Dessau 1222] aus constantinischer Zeit und in der Notitia.
5) Statt der Emennungsformel findet sich 7, 15 die königliche Anzeige de:
vollzogenen Ernennung an den Stadtpräfecten. Mit dem tribunus rerum nitentiun
der Notitia wird er schwerlich identificirt werden dürfen.
6) Formel 7, 17. Vgl. den Titel C. Th. 14, 6 de calcis coctorüms urhis Borna
et ConstantinopoUs.
7) Dass der ünterbeamte des italischen praefectus praetorio, der praefectu
annonae Africae (Not. occ. 2, 41 und dazu Böcking p. 150), welcher seinen Sit
schwerlich in Karthago, sondern wohl in Rom gehabt hat, mit jenem nach Bai
venna übergesiedelt ist, lässt die von Fl. Felix ex pi-ae(fecto) ann(onae) Afr(kai\
pr(ovinciae?) (oder, nach Hirschfelds Vorschlag, proconsularis) seinem siebe;
jährigen Sohne in Ravenna gesetzte Grabschrift (C. I. L. XI, 323) vermuthffl
welche ich eben deshalb nicht mit Rossi (Bullett. crist. 1879, 100 flf.) dem vierte»
sondern dem fünften Jahrhundert zuweisen möchte. Aber die Fortdauer diestf i
Amtes in gothischer Zeit ist nicht zu erweisen und nicht wahrscheinlich, c
Africa damals nicht zum Reich gehörte.
Ostgothische Studien. 433
nennt ^, ist wahrscheinlich identisch mit dem cassiodorischen comes
Bavennae, da dieser hauptsächlich mit der Flotte, aber auch mit der
Stadtverwaltung zu thun hat 2. Der praefectus vigilum urbis Eaven-
natis^ ist offenbar dem stadtrömischen nachgebildet, scheint aber eine
weiter gehende jurisdictionelle Competenz besessen zu haben, da in
Ravenna die Appellationsinstanz des Stadtpräfecten wegfiel. — Noch
kommt ein Beamter vor zur Ueberwachung des Kaufs und Verkaufs
der nach damaligem Gebrauch unter freiem Himmel angelegten
Grabstätten *.
V.
Das Municipalwesen.
Die municipale Organisation ist unter den germanischen Fürsten
geblieben wie sie war und dient auch jetzt neben den eigentlich
städtischen Zwecken namentlich der Hebung der Staatssteuern.
Die Bürgerschaft tritt, wie schon lange vorher, auf unter der
Benennung der possessores^^ so dass die nicht grundsässige Bevölke-
rung ignorirt wird. Besonders ausgezeichnet werden darunter, wie
dies ebenfalls seit langem hergebracht ist, die zu einem wirklichen
oder titularen Staatsamt gelangten Municipalen, die lionorati.
Die Curie bleibt in ihrer bisherigen Stellung; die ihr angehörigen
Municipalen heissen nicht mehr decuriones, sondern gewöhnlich
curiales.
An der Spitze der einzelnen Stadt stehen auch jetzt noch die
Duumvirn oder Quinquennalen ^, ohne Zweifel wie bisher von dem
Gemeinderath ernannt. Daneben fungiren als vom König ernannte
oder vielmehr bestätigte Beamte der curator und der defensor. Jener
1) Occ. 42, 7. Ob in der Inschrift des Gudila S. 455 A. 1 [ciira\tor r(ei)
rfH)b(licae) richtig ergänzt ist, bleibt zweifelhaft.
2) Var. 7, 14. 3) Var. 7, 8. 4) Var. 3, 19.
5) Daneben var. 8, 33 [§ 2]. 12, 5 [§ 5] die conductores tnassarum. Vergl.
Marini pap. n. 73; C. I. L. X, 8076.
6) Nach dem Ediet Theoderichs c. 52. 53 sind bei Schenkungen zuzuziehen
tres curiales et (Handschr. aut) magistratus, aut pro magistratu defensor civitatis
cum tribus eurialihus, aut duuniviri aut quinquennalis oder wie es nachher heisst,
magistratus, defensor, duumviri aut quinquennalis. Diese an C. Th. 8, 12, 8 an-
knüpfende Redaction scheint insofern verwirrt, als der magistratus wohl nicht
der curator ist, sondern die munidpaUs dieser Verordnung, also eben die duumviri
aut quinquennahs. Savignys jetzt recipirte Streichung des aut vor quinquennalis
ist verfehlt, da der Vorsteher des Municipiums bekanntlich entweder den
Duumvir- oder den Quinquennalentitel führte. Die Ravennatischen Urkunden
nennen gewöhnlich magistratus, das heisst Duumvirn, einzeln auch Quinquennalen
(Marini pap. p. 250).
MOMMSEN, SCHR. VI. 28
494
434 Ostgothische Studien.
kann kein anderer sein als der seit Traian begegnende damals für
die finanzielle Controle der Municipalverwaltung bestimmte kaiser-
liche Commissarius ; dass ihm in dieser Zeit die Ueberwachung des
Marktverkehrs insbesondere mit Rücksicht auf die ständigen Maximal-
495 tarife oblag, erfahren wir aus Cassiodor. Sonst kommt in der letzten
Kaiserzeit dies Amt fast nur bei der Beglaubigung öffentlicher Auf-
nahmen vor, und zwar auch da nur bei untergeordneten Acten ^; es
spielt in der ostgothischen Periode die gleiche unansehnliche Rolle 2.
Die eigentliche Stadtverwaltung liegt in der Hand des defensor,
welcher, obwohl hervorgehend aus der Wahl der Mitbürger^, in
dieser Epoche vom Kaiser* und daher auch von dem gothischen_
König bestätigt wird ^. Ausser diesen regelmässigen Aemtern fungii
in den ansehnlichsten Städten der seit dem Anfang des 5. Jahrhl
nachweisbare trihunus voluptatum, ein mit der Aufsicht über di^
öffentlichen Festlichkeiten, wenigstens zuweilen auf Lebenszeit, vom
Kaiser ernannter Beamter, der Agonothet^. Dass in der gothischen
Zeit auch Rom einen solchen gehabt haf^, ist schon erwähnt worden
1) In der oben angeführten Verordnung C. Th. 8, 12, 8 wird die Beglaubigung
der Schenkungsacte den Duumvirn und den Defensoren aufgegeben und hinzu-
gefügt: curatores enim civitatum ab huiusmodi negotio temperare debebunt, ne tanta
res eorum concidat vüitate.
2j Ausser in der Formel 7, 12 erscheint dieser Beamte nirgends bei Cassiodor,
auch nicht in den Adressen der an die Stadtgemeinden gerichteten Schreiben.
3) Cod, Th. 1, 29, 6; cod. lust. 1, 55, 8, 11: episcopm'um nee non clericorum
et honoratorum ac possessorum et curialium decreto.
4) Der Erlass vom J. 409 cod. lust. 1, 55, 8 und Justinians nov. 15 (vgl,
nov. 75 = 104), auch die Sportelordnung der Nov. 8 (c. 1 und not. 49) geben die
Bestätigung dem praef. praet., die dritte Novelle Maioriaus vom J. 458 dem
Kaiser. Den herabgekommeuen Zustand auch des Defensor schildert Justinians
nov. 35 sehr drastisch.
5) Var. 7, 11. Er wird regelmässig in den Adressen der an eine Stadt-
gemeinde gerichteten Schreiben aufgeführt. Ungenau wird dabei die Mehrzahl
gesetzt (var. 2, 17. 3, 9. 49. 9, 10). — Der praefectus urbis Ticini Eusebius
(Anon. Vales. 87), schwerlich ein Gothe, dürfte der Defensor der Stadt sein, der
freilich mit dem gewöhnlichen Titel var. 4, 45 vorkommt.
6) Nachzuweisen ist er für Karthago in der VO. vom J. 413 C. Th. 15, 7, 3;
femer für Mediolanum und zwar auf Lebenszeit bei Cassiodor var. 5, 25, wo der
Adressat Bacauda nicht wegen seines keltischen Namens zum Gothen gemacht
werden darf. Auch die orientalische Verordnung vom J. 426 C. Th. 8, 7, 21 ==
C. Tust. 12, 49, 7, schärft für die (Curatoren) equorum curulium civitatum diver-
sarum die kaiserliche Bestätigung ein. Die Formel 7, 10 erweist ebenfalls diesen
trihunus als Municipalbeamten, da sogleich der defense»' und der curator folgen.
7) Dies beweisen die beiden stadtrömischen Inschriften vom J. 523 (Rossi.
inscr. ehr. 1 n. 989) und 526 (das. n. 1005), ferner der Titel des C. Th. 1, 19
von dem nur die Ueberschrift erhalten ist, sowie die Wendungen bei Cassiodoi
var. 1, 43 [§ 3]. 6, 19 [§ 3]. j
Ostgothische Studien. 435
(S. 430). Die Benennung wird daraus hervorgegangen sein, dass
mit der Ernennung zu diesem Amt der Kaiser die Ertheilung des
Offiziertitels zu verbinden pflegte, eben vrie die notarii des Kaisers
und des praefectus praetorio auf dem gleichen Wege zu dem Tribunen-
titel gelangt sind. — Wenn alle diese Einrichtungen bloss beibehalten
sind, so hängt es dagegen sicher mit den veränderten militärischen 496
Yerhältnissen zusammen, dass auch der städtische Thorwart aus
königlicher Ernennung hervorgeht^.
Den nach dem Muster der municipalen geordneten Provinzial-
verbänden gehört wahrscheinlich der unter diesem Titel allein bei
Cassiodor erscheinende tribunus provinciae an 2. Es wird für dieses
Amt die frühere Bekleidung eines Staatsamts, also die Eigenschaft
des Jionorahis, ferner ein gewisses Lebensalter und königliche Er-
nennung oder Bestätigung gefordert^; er führt den Yorsitz in dem
Concilium der Provinz und hat wenigstens insofern Anspruch auf
Gehorsam. Allem Anschein nach ist dies nichts als der alte Flaminat
der Provinz, mit Rücksicht auf die christliche Ordnung umgenannt
und mit dem titularen Tribunat in ähnlicher Weise verbunden, wie
dies bei dem tribunus voluptatum geschehen ist,
VI. 497
Die Militärämter.
Die römische Militärordnung der spätesten Epoche ruht auf dem
Gegensatz der vordiocletianischen Grenz- und der diocletianisch-
constantinischen Kaisertruppen; jene stehen, in fest begrenzte Com-
maados geschieden, unter den einzelnen comites rei militaris oder
duces, diese, geschieden in die Garde (palatini) und das übrige Kaiser-
heer (comitatenses), unter den magistri militum^. Die einzelnen ent-
weder den Grenztruppen oder dem Kaiserheer angehörigen Truppen-
körper werden von ihren meistens als tribuni bezeichneten Offizieren
H^efehligt. In dem occidentalischen Reiche Theoderichs haben die
Verengerung der Grenzen und die gänzlich veränderte militärische
1) Die Formel für den custos portarum civitatis 7, 29.
2) Die Formel 7, 30. Die 12, 24 in Beziehung auf den Transport zur See
der aus Istrien nach Ravenna bestimmten Wein- und Oelsendungen erwähnten
tribuni mariUmorum sind wohl die der beiden Küstenprovinzen Flaminia und
Venetiae.
3) Dies gilt auch von dem flamen provinciae (C. Th. 12, 1, 21 a. E.).
4) Die schwierigen Fragen über die Zahl der magistri militum und die Ver-
theilung der milites Palatini und comitatenses unter dieselben [vgl. oben S. 267 flf,]
kommen für die gothische Periode nicht in Betracht.
28*
436 Ostgothische Studien.
Stellung Italiens diese Grundverhältnisse nicht in dem Grade ver-
schoben, dass sie nicht auch hier sich wiederfänden.
Wie in dem Staate Theoderichs nur der Gothe Soldat sein kann,
kann auch er allein Offizier sein ^. Dem Ausschluss der Gothen von
den civilen Magistraturen steht der Ausschluss der Römer von den
Militärbeamten gegenüber 2.
Die einzelnen Truppenkörper werden in Italien durch die in
dem betreffenden Stadtbezirk angesiedelten Gothen gebildet. In
Folge der Confiscation des dritten Theiles des Grundbesitzes daselbst
zu Gunsten der germanischen Dienstpflichtigen hätte jedes Territorium
eine solche grundsässige Besatzung haben sollen; indess ist die
germanische Ansiedelung offenbar sehr ungleichmässig durchgeführt
498 worden und hat namentlich im Süden der Halbinsel nicht viel be-
deutet. Es kann dabei die Absicht mitgewirkt haben die Mann-
schaften nicht allzusehr zu zersplittern und hauptsächlich in einer
relativ massigen Zahl von Ortschaften zusammenzuhalten. Nachweis-
lich befanden sich derartige sesshafte Besatzungen in NeapeP, Reate,
Nursia*, Ticinum^, Dertona^. Die Mannschaften erhalten ausser
ihrer Hufe regelmässig Jahr für Jahr ein Donativum in Geld'' und,
1) Dass die Breonea in Raetia genannt werden militaribus officiis adsueti
(var. 1, 11 [§ 2]), macht sie keineswegs zu Soldaten; es mag dabei an die
private Dienstnahme der bucellarii [oben S. 241 ff.] gedacht sein.
2) Römische Benennung führt allerdings zwar nicht der Commandant der
sirmischen Provinz Colossaeus, dessen Name trotz der etymologischen Spielerei
3, 24 sicher unrömisch ist, aber wohl der dux Itaetiae Servatus 1, 11. Indes»
unbedingt sicher ist der Schluss von römischer Benennung auf römische Natio-
nalität keineswegs (Dahn 3, 60).
3) Formula comitivae NeapoKtanae 6, 23, wozu die Schreiben 6, 24 honwatis,
possessoribus et eurialibus civitatis Neapolitanae und 6, 25 de comite (so die Hand-
schriften verdorben) principis militum de comitiva supra scripta als Empfehlung
des comes theils an die Stadtgemeinde, theils an sein Officium Beilagen sind. In
verschiedener Redaction (vgl. S. 438 A. 4) noch einmal 7,26: formula comitivae
diversarum civitatum — 27 : formula honoratis possessorihus et eurialibus de comitim
supra scripta — 28: formula principis (principibus der Pal.) militum comitivae
su/pra scriptae.
4) 8, 26 wird Quidila Sibiae f. zum prior für die Gothen dieser beiden
Städte ernannt; die Adresse universis Beatinis et Nursinis ist ungenau, da das
Schreiben ausdrücklich an die Gothen sich richtet [§ 4]: vobis proficit, quod
Bomani quieti sunt, qui dum aeraria nostra ditant, vestra donativa multiplicant.
5) 10, 29 Wisibado comiti [§ 1] : ut tibi urbem Ticinum, quam per bella defen-
deras, gubernandam pace crederemus. 4,45: comitibus defensoribus et eurialibus
Ticinensis civitatis.
6) 1, 17: universis Gothis et Romanis Dertona consistentihus.
7) Var. 5, 26. 27. 86. 7, 42. 8, 26. Nach der Gewinnung Spaniens verwendet
Ostgothische Studien. 437
wenn sie mobilisirt sind, Verpflegung (annonae) oder Verpflegungs-
gelder ^.
Eine gewisse Gliederung für das Aufgebot kann nicht gefehlt
haben. Die condonia, welche zwar nicht die Drucke, aber wohl die
Handschriften Cassiodors uns etwa in dem Werth der Hufe zeigen^,
mag dabei zu Grunde gelegt worden sein, so dass jedes mit Gothen 499
belegte Territorium nach der Zahl der gothischen Hufen Mannschaften
zu stellen hatte. Ueber die Organisation des Heerbannes selbst
erfahren wir nichts. Der örtliche Offizier, welchen die Ansässigkeit
der Truppen fordert, führt das Commando der Regel nach über die
Gothen eines städtischen Territoriums^. Zuweilen sind aber auch
mehrere benachbarte Städte unter einem Commando zusammengefasst
worden (S. 436 A. 4) und in kleineren oder nicht stark mit Gothen
belegten Provinzen mag dies selbst für die ganze Landschaft ge-
schehen sein*; aber eine Zusammenfassung der italischen Gothen
Theoderich die von da eingehenden Gelder für das Swqov etiexeiov der dortigen
und der italischen Gothen (Prokop b. G. 1, 12).
1) Den zur Küstenvertheidigung aufgebotenen Gothen {deputati Gothi)
schuldet der Fiscus Verpflegung (9, 25 [§ 9]). Der nach Rom gesandten gothischen
Besatzung annonas fecimus seeundum forum rernm venalium comparari (10, 18 [§ 2]),
d. h. sie erhalten die in Scheffeln festgesetzte Annona nach den auf dem römischen
Kornmarkt notirten Getreidepreisen in Geld ausgezahlt (C. Th. 7, 4, 32; vgl. meine
Ausführung Eph. epigr. 5 p. 644 [observat. epigraph. n. XL]). Auch die 60 Mann,
die den Pass von Aosta bewachen (var. 2, 5) und überhaupt die Soldaten der-
jenigen, qui portibus vel clusuris 2^'>'ci^unt (var. 2, 19), müssen als mobilisirte
Mannschaften betrachtet werden ; wenn über das Anrecht jener Leute auf die
annonae Zweifel bestanden, so wurden dazu wohl die im Territorium ansässigen
Gothen befehligt, und bei diesen ist ein solches Bedenken begreiflich.
2) Nach 5, 10. 11 sollen den durch Venetien und Ligurien nach Gallien
ziehenden Gepiden per unamquamque eondomam drei solidi Verpflegungsgelder
gezahlt werden. Dies [oder condamam] haben alle massgebenden Handschriften :
hebäornadam ist Interpolation einer einzigen Handschrift ohne Autorität und aller
Ausgaben von Accursius an [in seiner Ausgabe des Cassiodor hat Mommsen sich
für condamam entschieden]. Ducange weist das Wort weiter nach namentlich aus
Gregors Briefen, z. B. 11, 20: tit ... unam Uli de iure ecclesiae deputare condumam
debuisses: sed quia conduma ipsa vineolam parvam iuris eiusdem ecclesiae nostrae
teuere didtur, et ipsam sibi pariter vineolam petit debere locari. Vgl. 12, 11.
3) Es würde nicht befremden in wichtigeren Plätzen mehreren gothischen
Offizieren zu begegnen , wo dann einer dem anderen übergeordnet zu denken
wäre; aber durch var. 4, 45 (S. 436 A. 5) wird dies für den comes ebenso wenig
bewiesen wie für den defensor (S. 434 A. 5).
4) Bei Prokop b. Goth. 2, 28 stehen die cpQovQia avyvd in der Provinz der
cottischen Alpen, welche För^oi ix nalaiov nokXoi rs xal ägiazoi ^vv re yvvai^l
xal jiacal roTg avrcöv bewohnen, unter dem Gesammtbefehl des Gothen Sisigis,
und es erscheint dies nicht als ein blosses Kriegscommando.
438 Ostgothische Studien.
nach den damaligen Provinzen hat als allgemeine militärische
Organisation sicher nicht bestanden^. Die städtischen Befehlsführer
treten bei den Gothen nicht auf unter der für die niedrigste Stufe
der römischen Militärhierarchie technischen und auch bei den Yandalen
500 recipirten ^ Bezeichnung tribunus, sondern theils unter der Benennung
prior (S. 436 A. 4), theils ohne Amtstitulatur mit dem blossen Rang-
titel eines königlichen comes. Dass dieselben der Regel nach der
zweiten Klasse der comites angehören^, weist auf verhältnissmässig
untergeordnete Stellung; aber wie es die elastische Natur dieser
Bezeichnung verstattet, werden je nach der Stärke der Besatzung
und der "Wichtigkeit des Platzes einzelne derselben, insbesondere
die Platzcommandanten von Neapel und Ticinum, höheren Rang und
grössere Bedeutung gehabt haben*. Es mag auch wohl die Compe-
tenz eine qualitativ ungleiche gewesen sein, der von Neapel mehr
1) Die universi Goihi per Pieenum et Samnmm constituti, welche 5, 26 zur
Entgegennahme des jährigen Donati vs nach Ravenna berufen und 5, 27 als
millenarii provinciae Piceni et Samnii bezeichnet werden, sind einfach die pos-
sessores; niiUena ist hier wie anderswo (nov. Maioriani 7, 16: binos per iugum vel
millenas solidos; Justinians VO. pro pet. Vigilii 26 : possessoribus . . . superindietieium
titulum impositum esse pro unaquaque millena; Marquardt Staats verw. II * 230)
und auch bei Cassiodor selbst var. 2, 37 die Steuerhufe. Dass die Gothen wie
die Römer grundsteuerpflichtig waren, worüber gestritten worden ist, zeigen
var. 1, 19. 4, 14. Auch bei Victor Vitensis 1, 10, 30: fuit hie Wandalus de Ulis
quos miUenarios vocant kann das Wort den Inhaber der sors Wandalica bezeichnen,
obwohl in Beziehung auf Africa millena als Hufe sonst nicht vorkommt.
2) Als König Geiserich Africa unter ähnlichen Verhältnissen besetzte wie
Theoderich Italien, legte er bei der Ordnung seiner Mannschaften den damaligen
römischen numerus von 1000 Mann unter einem tribunus zu Grunde. Denn dies
meint Prokopius b. Vand. 1, 5 (vgl. 2, 8 p. 421, 4 Bonn.) mit den Worten: loyayovs
avtoTs insarrjosv ovy rjooov i] oydorjxovra, ovojisq xi^iaQXOVQ exäksoe, döxrjaiv nagsxov
d«rc6 Ol /iivQiddag avvievai röv xwv orgaTSVo/Lisvcov Iecov. Hätte Prokop eine die
Tausendziffer geradezu ausdrückende Bezeichnung im Sinn gehabt, so würd0
er diese gesetzt oder doch umschrieben haben; wer seine Weise kennt, wird
nicht zweifeln, dass xiXiaQioi ihm hier wie überall der tribunus ist. Geiserich
benennt die Führer seiner 80 Truppenkörper mit dem römischen Titel tribunus
und giebt sich dadurch den Anschein einer Truppenmacht von 80000 Mann.
Dass der römische numerus dieser Zeit regelmässig 1000 Mann zählt und regel-
mässig von einem tribunus geführt wird, soll in anderem Zusammenhang ent-
wickelt werden [s. oben S. 261].
3) Var. 7, 26 : per indiciionem illam in illa civitate comitivae honorem secundi
ordinis tibi . . . largimur.
4) Wenigstens scheint bei Cassiodor ein gewisser Gegensatz zu bestehen
zwischen den Formeln für den Comes von Neapel 6,23 — 25 und der formula
comitivae Gothorum per singulas civitates 7, 3, während allerdings in der zweiten
Redaction, der formula comitivae diversarum civitatum 7, 26 nebst den Beilagen
27. 28 der Gegensatz von Neapel und den übrigen Städten ignorirt wird.
Ostgothische Studien. 439
in die städtische Verwaltung eingegriffen haben als derjenige von
Dertona^, obwohl die ganze Anlage dieser Einrichtungen strenge
Competenzgrenzen ausschliesst und die gothischen Befehlshaber der
einzelnen Städte sicher vom König mit Geschäften jeder Art speciell
oder allgemein beauftragt worden sind.
Die hier geschilderte theodericianische Militärordnung Italiens
ist nicht erst unter den germanischen Königen entstanden. Yon
den Truppenkörpern, welche die unter Honorius geschriebene Notitia
Bkjnitatum Occidentis aufführt, sind die aus der reichsländischen
Aushebung hervorgehenden in der germanischen Epoche in Folge
des Ausschlusses der Römer vom Heerdienst verschwunden. Aber
ausserdem verzeichnet sie — der Orient hat nichts Aehnliches und
der Abschnitt ist offenbar ein am Schluss der occidentalischen Militär-
ordnungen eingeschalteter Nachtrag — unter der Uebcrschrift prae-
positurae magistri militum praesentaUs a parte peditum neben reichs-
ländischen eine beträchtliche Anzahl in Italien sesshaft gemachter
barbarischer Truppenkörper, meistens mit Angabe der Stadt, zum
Beispiel Cremonae, Taurinis, Aquis sive Dertona, einzeln mit Nennung
der Landschaft, Apuliae et Calahriae, per Brittios et Lucaniam,
regionis Samnifis^; jede solche Abtheilung steht unter einem prae- 501
fectus. Sie bezeichnet diese Truppenkörper als Sarmaten. Weiter
erfahren wir über diese Anordnungen nichts^; aber deutlich zeigt
sich bereits in ihnen die Ordnung der Gothenzeit. Es werden in
diesen Standlagern die Sarmaten durch Odovacars, diese durch
Theoderichs ausländische Mannschaften abgelöst worden sein; der
praefediis heisst jetzt prior oder comes; die den Fremden zustehenden
Rechte sind sicher später gesteigert worden; aber die Grundlage ist
die gleiche* und selbst das Ueberwiegen Norditaliens tritt schon
1) Cassiodors Phrasen geben dafür einen gewissen Anhalt, dass in die
Polizei und den Handelsverkehr der gothische Commandant in dem grossen
Emporium anders eingriff als die Platzcommandanten in den Landstädten. Man
kann sogar die Frage aufwerfen, ob nicht der comes von Neapel ebenso als
Militärcommandant von Campanien aufgefasst werden muss wie der comes von
Syrakus als solcher von Sicilien.
2) Die von Seeck vorgeschlagene Aenderung Begio [in Sattinitis] ist sprach-
lich wie sachlich unzulässig, die überlieferte Lesung unbedenklich.
3) Auf die Sarmatenkriege Constantins gehen sie schwerlich zurück; die
»n diesem in den Provinzen und auch in Italien (anon. Vales. 32) angesiedelten
.irmaten sind wohl einfache Colonen, nicht Militärcolonisten.
4) Selbst in der Benennung entsprechen den Sarmatae gentiles der Notitia
■jci Cassiodor die var. 8, 17 [§ 6] den Itomani entgegengesetzten gentiles, wie sonst
Gothi und Eomani oder barbari und Itomani sich einander entgegengesetzt werden.
440 Ostgothische Studien.
hier deutlich hervor, wie denn auch diese Ansiedelungen nur hervor-
gegangen sein können aus den Schutzmassregeln gegen die Einfälle
der Barbaren und sie also vorzugsvreise in die nördlichen Land-
schaften gelegt werden mussten. — Auch die für diese Truppen
getroffenen finanziellen Einrichtungen lassen sich weiter zurückver-
folgen. In öffentlichen Rechnungen vom J. 444 wird einer von einem
sicilischen Domanialgut harharico fisco geleisteten Lieferung gedacht^;
aus der Epoche, wo Theoderich im Orient verweilte, eines dortigen
Beamten rov Fox'&ixov xa/biiag'^. Dieser fiscus harbaricus oder xb
Foxd^ixov muss die Kasse sein, aus welcher die den fremden Soldaten
bewilligten Yerpflegungs- und Soldgelder ^ gezahlt wurden, wie zu
Beispiel Zeno einem anderen gothischen Feldhauptmann solche fi
1 3000 seiner Leute vertragsmässig zugesichert hat. Sicher sind jene
jährlich von Theoderich seinen Gothen geleisteten, der römischen
Militärordnung unbekannten ständigen sogenannten Donative eben
jene 'Geschenke' an die barbarischen Föderaten, in welchen die
Vergewaltigung des römischen Reichs durch die ausländische Solda-
tesca in greller Weise zu Tage tritt.
502 Aehnlich sind vermuthlich auch die ausseritalischen Truppen
von Theoderich organisiert worden; indess ist über dieselben wenig
bekannt. Der Satz, dass die Gothen oder überhaupt die Nichtrömer*
t
1) Marini pap. n. 73: [Fund^us Anniana sire Myrtus per s(uprc() s(criptos)
sol(idos) n(umero) C XL VII et [rati]one tritici sive hordei, quod ante barbarico
fisco praest(abatur), sol(idos) n(umero) LXXV. Missverstanden von Marini S. 285.
2) Malchus fr. 18 p. 128 Müll.
3) Malchus fr. 17: owrd^sig xs xai rqocprjv {== annonam). Die den foederati
gewährten dona erwähnt häufig lordanes (vgl. meinen Index dazu p. 186). Die
römischen Ordnungen dieser Zeit unterscheiden zwar den Sold und die Verpfle-
gung, aber jener ist unständig und immer freie Gabe. Nur bei Gelegenheit der
Quinquennalien hatten die Soldaten ein Anrecht auf ein festbemessenes soge-
nanntes Geschenk. Nöfiog fjv , berichtet Prokop bist. arc. 24, avä nEVTaETi]olba
Exdarr}v rov ßaoüJa xcöv oigaticoriov sxaoTOv dcogsTa^ai XQ^o^V Taxzw, nehmlich mit i
5 Goldstücken. Dieser Gebrauch ist schon älter; Macrinus (vita Diad. 2) sagt:
dabimus per cuncta quinquennia hoc quod hodie putavimus.
4) In den Douaulandschaften ist die Zahl der Gothen wohl eine geringe j^ JJ
gewesen. Die Adressen 3, 24 universis barbaris et Romanis per Pannoniam com-
stitutis und 4,49: universis provincialibus et capillatis, defensoribus et curialibus
Siscia vel Suavia consistentibus vermeiden wohl nicht ohne Absicht die Nennung
der Gothen. Eben dahin führen die an einen für die Savia ernannten Beamten
gerichteten dunklen Worte 5, 14 [§ 6] : antiqui barbari, qui Romanis nmlieribus elege-
runt nuptiali foeden'e soeiari, quolibet titulo praedia quaesivetunt , fiscum possessi
cespitis persohere ac superindicticiis oneribus parere cogantur. Danach könnten hier,
anders als in Italien (S. 438 A. 1), die wehrpflichtigen Barbaren steuerfrei gewesen
»21
Is
Ostgothische Studien. 441
ausschliesslich dienstpflichtig sind, hat ohne Zweifel auch hier ge-
golten; und die dortigen Truppen, so weit sie nicht zu den mobi-
lisirten gehören, werden ebenfalls in den einzelnen Territorien
ansässig gewesen seinK Die östlichen Befehlshaber heissen hier
allgemein praepositi ^ und werden speciell, zum Beispiel für Massilia*,
für Avennio *, für die dalmatische Insel Curicta ^ als comites bezeich-
net; es ist keine Ursache vorhanden sie anders aufzufassen als die
italischen.
Ueber diesen örtlichen Commandanten stehen ausserhalb Italiens
die der Grenzbezirke, sowohl dem Princip nach wie in der Titulatur
denen des römischen Reiches gleichartig. Die vornehmeren dieser
Befehlshaber nennen sich comites mit Hinzusetzung des Commando-
bezirks, also mit einer wahrscheinlich, wie bei den römischen comites
rei militaris, zum Amtstitel gew^ordenen Rangbezeichnung '^, die
geringeren duces. Nach römischer Ordnung gehören beide Kategorien
zu der zweiten Rangklasse der sp>ectabiles; in den Schreiben Theo-
derichs wird diesen comites das Prädicat der ersten gegeben"^, den
duces das der zweiten^. Dass neben diesen Militärcommandanten, 503
sei es mit gleichem, sei es mit engerem Sprengel, Civilbeamte stehen,
steht fest für Dalmatien^ und Savia^" und kann auch für die übrigen
Tind die.s Vorrecht durch Heirath mit einer Römerin (vgl. C. Th. 3, 14, 1) ihnen
verloren gegangen sein.
1) Die Salonitani milites 1, 40 sind offenbar Gotheu. Die von Theoderich
nach Spanien geschickten Gothen scheinen von den Bürgern ihres Wohnorts
Frohnden gefordert zu haben (var. 5, 39 [§15]: servitia quae Gothis in cidtaie
positis superfliie praestahantur, dec&rnimus amoveri: non enim decet ab ingenuis famu-
latu7n quaerere quos ynisimus pro libertate pugnare).
2) Nach der Besetzung des südöstlichen Galliens nimmt Theoderich dem
Lande die Verpflegung der dort stehenden Truppen ab und sendet dueibus ac
jpraepositis die erforderlichen Summen, um dieselbe zu bestreiten (3, 42). Hier
handelt es sich allerdings um mobilisirte Mannschaften.
3) Var. 3, 34. 4, 12. 46. Er ist vir illustris.
4) Var. 3, 38. 5) Var. 7, 16.
6) Comes rei militaris finde ich freilich in gothischen'^ Quellen nicht, aber
iafür comes pi-ovindae 7, 1.
7) Dies Prädicat führen Colossaeus comes Pannoniae Sirmiensis (3, 23. 24.
l, 13) und Oswin zweimal comes Dalmatiae et Suaviae (1, 40 3, 26. 4, 9. 9, 8. 9).
jildila comes Syracusanae civitatis heisst vir sublimis (9, 11. 14).
8) 7, 4 [§ 1].
9) Der comes provinciae des Schemas 7, 1 ist nach dem zugehörigen Schreiben
, 24 zunächst comes Dalmatiarum. Der consularis pi'ovinciae Dalmatiae findet
ich 5, 24.
10) 5, 14 [§ 7. 8] werden der comes Gothorum und der iudex Bomanoriim der
l'rovinz neben einander genannt.
442 Ostgothische Studien.
Militärbezirke gegolten haben ^, obwohl es auch nicht auffallen
würde, wenn in einzelnen derselben, wie wir dies im Orient für
Isaurien und Arabien finden. Civil- und Militärgewalt in eine Hand
gelegt worden ist. — Die Commandobezirke sind allerdings, wie es
nicht anders sein konnte, völlig verändert. — Sicilien, früher eine
befriedete Provinz, steht jetzt unter dem comes Syracusanae civitatis,
welcher, wie es scheint, mit dem Platzcommando der Hauptstadt
den Oberbefehl auf der ganzen Insel verbindet 2. — Im Norden und
Nordosten ist der Militärbezirk der beiden Raetien geblieben, wie
ihn uns die Notitia zeigt ^. Ueber Noricum, dessen Donauufer zu-
sammen mit dem angrenzenden pannonischen früher ein zweites
Commando bildete, erfahren wir nichts; es ist sogar zweifelhaft, ob
diese Landschaften unter Theoderichs Herrschaft gestanden haben*.
Yon grosser Wichtigkeit dagegen waren die beiden bald getrennt ||
verwalteten, bald unter ein Commando gestellten Provinzen Savia,
mit der Hauptstadt Siscia, und Dalmatien^. Die erst im J. 508
hinzugewonnene Provinz Pannonia oder Sirmium hat wenigstens zu
Anfang ein Commando für sich gebildet (S. 441 A. 7). — Ueber die
von Theoderich in den noch später gewonnenen gallischen Land-
schaften getroffenen militärischen Einrichtungen fehlt jede Kunde;
die duces, die genannt werden, sind schwerlich im Sinn der Beamten-
hierarchie zu verstehen^.
504 Diesem hohen gothischen Militärbeamten steht wie dem ent-
sprechenden römischen ein adsessor zur Seite'', welcher aber nach
1) Auch Justinian stellte Sicilien nach der Eroberung unter einen dux und
einen praetor (nov. 75 = 104).
2) 6, 22. 9, 11. 14. Dies hängt oflfenbar damit zusammen, dass Theoderich
auf Bitte der Römer nur eine geringe Zahl Gothen nach der Insel schickte
(Prokop b. G. 3, 16); die Tertiation hat sich auf Sicilien nicht erstreckt und
man kann fragen, ob die hier befindlichen Gothen nicht lediglich als mobilisirte
Soldaten zu betrachten sind. 3) 1, 11. 7, 4.
4) Dass Justinian 'die Stadt Noricum und die germanischen [vielme
pannonischen] Festungen' an die Langobarden förmlich abtrat (Prokop b. Goth.
3, 33), beweist dies keineswegs.
5) Savia allein unter Fridibadus: 4, 49 vgl. 5, 14. Dalmatien allein (wii
es scheint): 7, 25. Beide vereinigt: 9, 8. Die Umwandlung Dalmatiens in ein«
Militärprovinz beginnt mit dem magister militum per Dalmutias Nepos im J. 473j
(cod. lust. 6f 61, 5), offenbar demselben, der kurz darauf zum Kaiser des Westens
ausgerufen ward. .
6) Dies gilt sicher von dem dux Ibba vir sublimis (S. 455 A. 1) und wahrj
scheinlich von den .3, 42 erwähnten (S. 441 A. 2). j
7) Der adsessor des römischen dux tritt am bestimmtesten auf in dei
Matrikeln für die von Justinian in Africa eingerichteten Ducate (cod. lust. 1 , 27, 2)
r...f
Ostgothische Studien. 443
dem theodericianischen System Römer sein muss^. Ebenso sind
die Officialen des gothischen Coraes oder Dux nach Cassiodors aus-
drücklichem Zeugniss nach römischer Weise geordnet 2. Damit über-
einstimmend werden dem comes von Dalmatien aus dem kaiserlichen
Officium zwei principes zugesendet ^ ; denn nach der damaligen römi-
schen Ordnung empfangen der comes und der dux ihren Bureauchef
aus der dem magister officiorum unterstellten scliola der agentes in
rebus ^ und die Subalternen des magister officiorum sind eben das
kaiserliche Officium (S. 406). Nur für die Sendung zweier principes
findet sich keine genügende Erklärung, wenn nicht etwa, da es sich
lediglich um die Einführung des neu ernannten Comes bei dem
Officium handelt, hier in incorrecter Weise neben dessen eigenem
princeps auf den des Civilstatthalters mit Rücksicht genommen worden
ist. — Die domestici dieser Militärstatthalter, welche einflussreiche
Stellen bekleiden und ein Gehalt von 200 oder nach einer Verfügung
Athalarichs von 250 Solidi und iO annonae beziehen^, werden eben-
falls aus den römischen Einrichtungen erklärt werden müssen und
kehren in diesen auch wieder: in gleichzeitigen Erlassen des Ostreichs 505
1) Dies wird geschlossen werden dürfen theils daraus, dass der gothische
Commandant der einzelnen Stadt, wo Römer betheiligt sind, nur sprechen darf
adhibito sibi prudente Romano (var. 7, 3 [§ 1]), theils aus dem römischen Charakter
der Officialen. Der adsessor des dux oder comes kommt selbst bei Cas.siodor
nicht vor. Vgl. S. 470.
2) 7, 25 : nostra laus est, si vos (den gothischen comes) militia Bomana comi-
tetur. Die weitere Ausführung dreht sich darum, dass diese den priscae sandiones
entsprechende Bureaugestaltung ein besonderer Vorzug des bestehenden Regiments
sei und das gesetzliche Verhältniss der Gothen zu den Römern beweise und
verbürge.
3) In der formula epistulae qiiae ad commendandos principes comiti {DaJma-
tiarum nach 7, 24) destinahir (7, 25) heisst es ex officio nostro (d. h. aus den
Officialen des maxister officiorum S. 407) illum atque illum ad vos credidimus esse
äirigendos. Wenn in dem vorhergehenden an den princeps Dalmatiarum ge-
richteten Ernennungsschreiben der Singular gebraucht wird, so kann dies an
neden der zwei gleichlautend erlassen sein.
4) Zu Theoderichs Zeit bestand diese Einrichtung im Orient. Dass im
Jt-cident früher die magistri militum praesentales den Commandanten der Grenz-
truppen den Bureauchef zuschickten , kommt hiebei nicht in Betracht ; die ger-
manischeu Fürsten verfuhren hierin nach dem Schema des Ostreichs, da sie ihr
Amt von da her empfingen.
5) Var. 5, 14 [§ 8] : domestici comitis Gotliorum nee non et vicedomini aliqua dicwn-
r provincialihus concinnatis terroribus abstiilisse. 9, 18 : comperimus de domesticorum
'jccessibus, qui destinatis comitibus obsequuntur, provinciales damnis plurimis ingra-
'atos . . . praecijnmus, ut supra ducentos soUdos et decem annonaSf quas hactenus
icceperunt, . . . qiiinquaginta eis solidos annuos facialis . . adiungi.
444 Ostgothische Studien.
wird dem dux als Bureauvorsteher bald ein domesticus mit ähnlichen
Emolumenten zugeordnet^, bald ein primicerius^; was beides, wie
weiterhin sich bestätigen wird, nichts ist als andere Bezeichnung
des princeps.
Aber mit der obersten Stufe der Kriegsgewalt hat es -eine
besondere Bewandtniss. Magistri militum des Königs Odovacar sind
gut, wenn auch nicht urkundHch bezeugt^ und dass dieses höchste
Militäramt auch unter Theoderich nicht weggefallen ist, geht hervor
aus der Angabe Cassiodors über die Privilegien seiner Officialen*.
Nichtsdestoweniger wird nirgends aus der Zeit der Gothenherrschaft
eines solchen Beamten gedacht und werden selbst diejenigen Feld-
herrn, die im Auftrage Theoderichs selbständig Expeditionen geführt
haben, wie Pitzia und Ibba, nie mit diesem Amtstitel belegt; jas
sogar in der Sammlung der formulae wird dieses Amt nicht gefunden,-
was unmöglich durch Vergessen und Versehen erklärt werden kann.
Ohne Zweifel liegt zu Grrunde, dass Theoderich selbst das Magisterium
bekleidete und auch als Verweser des Westreichs in dieser Stellung
blieb. Wie andere germanische Fürsten dieser Epoche ^ hat er das-
selbe von dem Kaiser des Ostens empfangen und als magister militum
1) Im Eliasse des Anastasius (Z. v. Lingenthal Monatsber. der Beii. Acad*
1879 S. 134 fg.) werden die ersten sieben der 40 Officialen des eomes et dux da?
libyschen Pentapolis also aufgeführt: adsessar {ovvxd&sdQos) — domesticus — can-
cellarius — decanus — suhsenbendarius — spatharius — bucinator. Die Emolur
mente betragen ausser dem Antheil an dem eigentlichen Gehalt (40 annonm
und 40 capitus, zusammen etwa 360 solidi für die 40 Personen) für den domesticv^'^
126 (oder 123) solidi.
2) In den Officien der von Justinian eingerichteten africanischen Ducat|||
(cod. lust. 1, 27, 2) stehen an der Spitze der adsessor und der primicerius.
3) Sowohl Tufa wie Livila werden in den ravennatischen Quellen (anoä.ij
Vales. 51. 54; chron. Rav. zum J. 493 [chron. min. I p. 320], wo Tufanem zu leseoi
ist) als mag. mil. bezeichnet; von jenem heisst es: quem ordinaverat Odoacar cwmi
optimatibus suis k. Apfr. und er heisst so auch nach seinem üebertritt zu Theoderich.
4) Var. 6, 3: nullus ei (dem praef. praet.) miles de fm'i sui auctoritate pi-aescriUti
eoccepto offidali magistri militum. Dies bestimmen auch die römischen Ordnungen
(C. Th. 1, 7, 4; nov. Theod. 7, 4; cod. lust. 12, 54, 5).
5) Der Franke Chilperich um das J. 474 : Sidonius ep. 5, 6. Der Burgunder
könig Sigismund schreibt durch Avitus (ep. 93 Peiper) an Kaiser Anastasius
traxit illud a pi'oavis genei'is mei apud vos decessoresque vestros , . . Romana devotio
ut illa nobis magis claritas putaretur quam vestra per militiae titulos porrigeba
celsitudo cunctisque auetoribus meis semper magis habitum est quod a principihn
sumerent quMm quod a patribus attulissent. Entsprechend nennt Papst Hilaru:
(ep. 9, p. 146 Thiel) im J. 463 den Gundiocus vir illustris magister militum. Vgl
Binding S, 66.
i
Ostgothische Studien. 445
praesentalis des Ostreichs ist er in Italien eingerückt \ hat er den
König Odovacar^ überwältigt und das Land sich unterworfen. Es 506
ist begreiflich, dass er als Herrscher Italiens sich des -Titels enthielt,
da die jetzt ihm zustehende Machtvollkommenheit über die selbst
des höchstgestellten magister milHum weit hinausging; aber daraus
folgt keineswegs, dass er dieses Amt abgegeben hat. Jene gothischen
Besatzungen in den einzelnen italienischen Städten standen, so viel
wir sehen, unter keinem anderen Oberbefehl als dem des Königs
selbst : wie sie in Honorius Zeit praepositurae magistri militum prae-
sentalis heissen, werden sie auch in der Gothenzeit officiell in gleicher
Weise aufgefasst worden sein. Es lassen sich davon noch weitere
Spuren erkennen, f)
t) (Nachtrag.*) Die richtige Auffassung der Stellung Theoderichs 185
bestätigt sich weiter durch den aus derselben entwickelten Exarchat,
dessen Entstehung übrigens Hartmann in der oben [S. 396 A. 5] an-
geführten Schrift in allem Wesentlichen richtig dargelegt hat. Wenn
der Gothenkönig als ständiger magister militum in Italia für Byzanz
jfunctionirt hatte, so musste nach dem Sturz der Gothenmacht dieses
jAmt wieder in der durch das byzantinische Schema gegebenen Form
besetzt, für den neu gewonnenen Reichstheil ein oberster Militärchef
ohne Lebenslänglichkeit und Erblichkeit bestellt werden. Auch in
Africa, das freilich formell vom Reiche getrennt gewesen war, lagen
nach dessen Wiedereroberung die Verhältnisse ganz ähnlich. Der
iSache nach ist dies auch dort wie hier geschehen ; Belisar, Solomon,
jJohannes in Africa, Belisar, Narses, Smaragdus in Italien sind wesent-
lich die in Thracien wie im Orient als magistri militum bezeichneten
pbercommandanten. Was sie von diesen unterscheidet, ist haupt-
ächlich die Titulatur. Zwar für Africa gilt nicht einmal dies, insofern
lort die Inschriften namentlich den Solomon einfach magister militum
lennen und diese Benennung hier erst nach längerer Zeit abgekommen
1) Marcellinus zum J. 483: Theodericus rex Gothorum Zenonis Augusti
lunificentia paene pacatus magisterque praesentis militiae fadus, eonsul quoque
esignatus. Die Rivalitäten der beiden Theoderich um die Machtstellung am
iyzantinischen Hof, die Malchus ausführlich berichtet, drehen sich wesentlich
m die Verleihung dieses obersten Commandos.
2) Dass dieser eine solche Feldherrnschaft übernommen hat, wird nicht
erichtet und es mag damit zusammenhängen, dass von ihm ernannte magistri
lilitum vorkommen. Auch den Patriciat hat wohl Theoderich, aber nicht Odo-
acar erhalten; Zeno verspricht ihm denselben, falls er ihn nicht von Nepos
rhalten werde, und nennt ihn vorläufig so (Malchus fr. 10), aber von Ertheilung
t nirgends die Rede.
*) [Neues Archiv 15, S. 185— 186.]
446 Ostgothische Studien.
ist^. Aber im byzantinischen Italien erscheint der Magistertitel in
solchem officiellen Gebrauche nicht, wahrscheinlich weil er, nach
Ausweis der Briefe Gregors, dort häufig an Offiziere niederen Ranges
vergeben ward und daher den Oberfeldherrn nicht hinreichend
charakterisirte. Hier hat einige Zeit das Amt bestanden ohne
officielle Titulatur — wenigstens können wir für Belisar keine nach-
weisen und legt Narses, von dem wir Inschriften besitzen 2, sich nur
Rangtitel (vir gloriosissimus, vir excellentissimus, jicbtricius) bei; insofern
unrichtig, obwohl sachlich zutreffend betrachten die späteren Byzan-
J86 tiner schon ihn als Exarchen. Das Wort exarchus, welches dies^
Lücke ausfüllt, bezeichnet in der reinen Graecität den Anhebe:
insbesondere den Yorsänger und hat in besserer Zeit keine militärische
Färbung; dagegen in einem Erlass Justinians vom J. 545 ^ spricht
der Kaiser von 'unseren Exarchen' in der Weise, dass diese Be-
nennung, wie in älterer Zeit das lateinische dux, den zeitigen Com*. ||.
mandoführer ohne Rücksicht auf dessen Rangstellung bezeichnet;
und wie dies der Grundbedeutung des Wortes wohl entspricht, so
wird enuntiativ das italische Obercommando correct und genügend
dadurch charakterisirt. Sicher als Titel begegnet das Wort zuerst
in der vor kurzem von Rossi ans Licht gezogenen Inschrift des
Julianus s^agxog 'I[TaUag] vom J. 589* und von da an ständig; es
muss zuerst diesem oder einem seiner nächsten Vorgänger officiell
beigelegt worden sein. Es ist wohl richtig, was Hartmann (S. 30) \ ■
sagt, dass die Macht des Exarchats ausging von dem Specialmandat | f
für die Führung des Gothenkrieges, aber der Exarch ist kein ausser- 1 i
ordentlicher Weise bestellter Befehlshaber, sondern der ordentliche
Militärcommandant des byzantinischen Italiens. Civilcompetenz liegt
an sich in dem Amte nicht; es wird dies schon dadurch gefordert,
dass dem Exarchen wenigstens das ganze sechste Jahrhundert hin?
durch der praefectus praetorio Italiae zur Seite steht. Aber das
Uebergreifen der Militärbehörden in die Civilverwaltung wird dureli
das Wesen des damaligen Regierungssystems gewissermassen ge-
■ ÜiCt
1) Die in Karthago zum Vorschein gekommene Inschrift des Exarchen vorij , jDj
Italien Smaragdus (C. VIII, 10529), welche sowohl Diehl (S. 171) wie Hartmanrj ivjj,
(S. 114) anführen, ist nach Reinachs Zeugniss, der den Stein gesehen hat, einf| , \]^
in Rom angefertigte und nach Tunis exportirte Copie derjenigen der Phokassäuld ..^^^
(Eph. ep. V p. 538). ]>^,
2) C, I. L. VI, 1199 [= Dessau 832], X, 8045, 14. I i .:.,
3) Nov. 130. j ■.1
4) Rossi inscr. christ. 2 p. 455; Hartmann S. 111. Das älteste Schriftstüclij
in dem das Wort auf das italische Obercommando angewandt wird, ist
Schreiben des Papstes Pelagius II. vom J. 584 (JafFe-Kaltenbrunner n. 1052).
Ostgothische Studien. 447
fordert; und wenn in Africa der magister militum Solomon zu-
gleich sich praefectus praetorio nennt und für ihn also die oberste
Militär- und die oberste Civilverwaltung formell combinirt worden
sind, so haben seine titellosen oder betitelten italischen Amtsgenossen,
ohne Zweifel durch Specialmandat, sachlich häufig, vielleicht regel-
mässig eine analoge Stellung erhalten und den iwaefectus praetorio
mehr als Unterbeamten denn als Collegen behandelt. Insofern sagt
Hartmann weiter nicht unrichtig, dass der Exarch bald der Träger
der kaiserlichen Central Verwaltung in Italien geworden ist^; aber
es ist doch nicht zu übersehen, dass der für die gesammte römische
Spätzeit massgebende Grundgedanke der Scheidung der civilen und
der militärischen Competenzen principiell auch diese Institution
beherrscht hat.)
Die unleugbare Unterlassung der Verleihung der Heermeister-
würde kann nicht daraus erklärt werden, dass Theoderich römische
Aemter nicht an Gothen verliehen hat; denn mit den Grenzcom-
mandos ist dies geschehen und die Incapacität der Gothen beschränkt
sich überhaupt auf die Civilämter. Wenn dagegen Theoderich selber
magister tnüitum war und blieb, obwohl er sich nicht so nannte, so
ist es begreiflich, dass er keinem seiner Feldherrn die Bezeichnung
j^ewährte ^. In ganz ähnlicher Weise haben die römischen Herrscher
iie Führung des Imperatortitels früher den Privaten untersagt als
hn selber angenommen.
Hieraus erklärt sich ferner das Verhalten der gothischen Re-
gierung nach Theoderichs Abscheiden. Der liederliche Knabe Atha-
arich war als König erbärmlich, als Heermeister lächerlich. Dies
ührte die Creirung eines neuen und eigenartigen Amtes herbei.
Is wurden theils der alte gothische Kriegsmann Tuluin^, theils der
lamalige iwaefectus praetorio von Gallien, der Römer Liberius* von
1) Schärfer noch und also noch minder zutreffend ist die gleiche Auffassunof
Diehl (S. 15fg.) entwickelt; nach ihm ist das Exarchat zwischen 572 und
als combinirte militärisch - civile Centralstelle eingerichtet worden.
2) Dass Theoderich in Folge der Abmachungen mit Byzanz die Befugniss
eoes Amt zu verleihen gefehlt hat, ist möglich, aber nicht wahrscheinlich.
3) Var. 8, 9. 10. 11. 12. Man muss die merkwürdigen Schreiben nachlesen,
m sich die Schärfe der Gegensätze zu verdeutlichen, die hier versöhnt werden
)llten, wie die Steigerung des Ansehens des Patriciats und des Senats bei den
othen durch den Eintritt eines ihrer Vormänner, die Sicherung der Wehrhaftig-
iit des Staats durch die Verleihung des Patriciats an einen Kriegsmann darin
hofft wird.
4) Var. 11, 1 [§ 16]. Auch hier beachte man die prägnante Bezeichnung des
ömers als eines Kriegsmanns {exercitualis vir). Seine Grabschrift (C. I. L. XI,
448 Ostgothische Studien.
507 der Königin Amalasuntha zu pafricii praesentales ernannt, mit doppel-
ter Ueberschreitung der bisher geltenden Normen. Der Gothe war
als solcher nicht fähig zum Patriciat (S. 422), der Römer als solcher
unfähig ein Commando zu führen. Der Sache und zum Theil dem
Namen nach ist dieser patricius praesentalis nichts als der magister
praesentalis militum; um so deutlicher aber erkennt man, warum
lieber mit dem lediglich titularen Patriciat der Competenzbegriff
verknüpft und eine neue Benennung erfunden als die alte mit dem
Königthum thatsächlich verschmolzene wieder aufgenommen ward.
Diese Auffassung der Stellung Theoderichs löst vielleicht noch
ein anderes Räthsel. König Theodahathus verleiht einem Mann der
ersten Rangklasse, dem Patricier und Consularen Maximus den.
primiceriatus , qui et domesticatus nominatur^. Es ist im hob
Grade befremdend, dass die Stellung eines primicerius einem Mai
wie Maximus gegeben wird, auch wenn man in Rechnung zieht, d
der König selbst das Missverhältniss zwischen dem Amt und d
Rangstellung des Beamten hervorhebt und entschuldigt. Welchi
Primiceriat hier gemeint ist, wird nicht gesagt. An die beiden v^
nehmen Primiceriate des Cubiculum und der Notare wird nicht
denken sein, da in dem Cubiculum der Primicerius nur der zweite
Beamte ist und die Stellung des primicerius notariorum in keiner
Hinsicht als besonderer Vertrauensposten erscheint. Gegen beide
spricht überdies, dass die Bezeichnung domesticus so gut wie aus-
schliesslich von Subalternen der Offiziere gebraucht wird''^. Unter
den Subalternen darf auf keinen Fall an den Bureauchef im Officium
des magister officiorum gedacht werden, nicht blos weil dieser den
Titel adiutor führt, sondern vor allen Dingen, weil Maximus unmög-
lich der Subalterne eines Andern als des Königs selbst gewesen sein
kann^. Es giebt nur ein einziges Officium, das diesen Bedingungen
382) lässt ihn die zwiefache Präfectur von Italien und von Gallien gewinnen j
non imbelli pretio und führt dies weiter aus : Äusoniae populis gentiles rite cohories I
disposuit, sanxit foedera, iura dedit, das heisst er ordnete die Stellung der gothi- i
scheu foederati zu den Römern, nicht als Offizier, aber als römischer Civilbeamter,
1) 10, 11. 12.
2) Dass auch der princeps der agentes in rebus das Recht hat einen c?<Mne-l
stiem zu wählen, ist nur eine Bestätigung mehr (S. 411 A. 1). Wenn die Ver-j
Ordnung C. Th. 1, 35, 3 den Provinzialstatthaltern untersagt domestici vel caneellariii
zu ernennen, so wird hier (vgl. S. 419 A. 1) lediglich ein Missbrauch abgestellti
Wo sonst domestici bei Civilbeamten vorkommen, sind deren Hausleute gemeintj
3) Dies spricht entscheidend gegen die sonst nahe liegende Annahme,
der Primiceriat des Maximus die oben (S. 410) erörterte Stellung des prir
cardinalis, des Vormanns der agentes in rebus sei. Auch werden die Benennung8i|
primicerius und domesticus auf denselben nirgends angewendet.
Ostgothische Studien. 449
genügt: dies ist das des magister militum, wofern eben der König 508
selbst der Magister war. Also wird es auch erklärlich, warum
Theodahathus in seiner unsicheren Königsstellung diesen Posten dem
ihm durch Familienbande verknüpften Consular verlieh. Die Stellung
konnte von Rechtswegen einem Gothen nicht gegeben werden, da
der Officiale des Offiziers nicht Soldat ist, sondern Subalternbeamter.
Es ist ferner schon bei anderer Gelegenheit hervorgehoben worden ^,
welche hervorragende Stellung in den Kriegen dieser Zeit insbeson-
dere bei den magistri militum, wie zum Beispiel bei Silvanus^,
Aspar^, Belisar*, der domesticus einnimmt, der emxQOJiog desselben
und xoivoivbg xcbv änoggi^rcov ^. Was ich damals vergeblich zu er-
mitteln versuchte, die Stellung desselben in der Beamtenhierarchie,
wird jetzt klar. Der oberste Subalternbeamte eines jeden Offiziers,
der princeps nach der älteren Nomenclatur, führt späterhin die Be-
nennung ■primicerius oder gewöhnlicher domesticus. Wie wir diesen
bei dem dux fanden, finden wir ihn nun gleichmässig, aber in einer
dem Range seines Vorgesetzten entsprechenden Steigerung, bei dem
römischen magister militum, dem König der Gothen. Deutlich tritt
in Beziehung auf die germanischen Könige es hier zu Tage, dass
sie als magistri militum des Römerstaats regiert haben. Wenn
Theoderich die Beamtenstellung nicfit allzu scharf in den Officialen
zum Ausdruck kommen Hess, so hat Theodahathus auf diesem Wege
einen vornehmen Römer in eine etwa unserem Generalstabchef ver-
igleichbare Stellung gebracht; worin nicht weniger eine Capitulation
enthalten ist wie in dem Act, den er mit den Gesandten Justinians
ibschloss.
YII.
Die Rangklassen.*)
Die Rangklassen der römischen Kaiserzeit ruhen auf dem Staats-
imt; die Grenzen haben in dieser Hinsicht vielfach gewechselt, das
Princip aber ist immer dasselbe geblieben. Allerdings wird dasselbe
delfach umgangen durch die titulare Amtsverleihung, welche in
;wiefacher Form vorkommt: es giebt neben den illustres u. s. w.
509
1) Ephem. epigr. 5, 140. 648 [Observat. epigr. XXXV Schluß].
2) Ammian 15, 6, 1.
3) Procopius bell. Vand. 1, 4. 4) Procopius a. a. 0. 1, 11.
5) Diese domestici sind es auch, die die gothischen Feldherren bei Malchus
c. 16 mit einem gehässigen Ausdruck als die Geldschneider (eigentlich Geld-
lappler, TtQoayoiyia? twv Irjfi/iiäzcov, entlehnt aus Dio 46, 6), nehmlich der Feld-
erren nennen.
*) [Vgl. Hirschfeld 'die Rangtitel der röm. Kaiserzeit' in Sitz.-Ber. d. Berl.
-kad. 1901 S. 579 ff.]
-MOMMSEN, SCHB. VI. 29
450 Ostgothische Studien.
administratores einerseits illustres u. s, w. vacantes, welche das Amts-
abzeichen (cingulum) und den Titel, andererseits illustres u. s. w.
honorarii, welche bloss den Titel zu führen berechtigt sind ^. Dies
gilt auch für die von Cassiodor wiedergegebene Ordnung. Ins-
besondere für die erste Klasse der illustres ist die titulare Verleihung
bei ihm durchaus an ein bestimmtes Amt geknüpft^ und auch für
die Spectabilität und den Clarissimat wird dasselbe gelten^, während
die niederen Klassen des Perfectissimats und des Egregiats in dieser
Epoche durch andere minder feste Titulaturen ersetzt werden*. —
510 Da die Gothen die römischen Civilämter nicht bekleiden durften,
so müssen ihnen consequenter Weise dieselben als titulare gleichfallftr,
verschlossen gewesen sein; auch findet sich kein Beispiel einer der-^*
artigen Verleihung an einen Gothen. Dass sie zu den Militärämtertf?
zugelassen werden, kann dazu benutzt worden sein ihnen die Rang-
klassen zu öffnend Geschehen ist dies auf jeden Fall. Theoderich
hat die römischen honorati und seine germanischen Unterthanen
hinsichtlich der Rangklassen zusammengeworfen und diese römischen
Kategorien auch auf die letzteren erstreckt^.
1) Diese Ordnungen fasst kurz zusammen die Verordnung Theodosius II.
im cod. lust. 12, 8, 2; die weiteren Unterscheidungen, insbesondere je nachdem
das Titularamt vom Kaiser persönlich oder nur durch kaiserliches Schreiben
verliehen ist, so wie die Rangverschiedenheiten innerhalb der Kategorien könne^j
hier übergangen werden. Auch der Unterschied der vacantes und der honorarii
tritt bei Cassiodor nicht hervor; er nennt nur die codicilli vacantes.
2) Die Ueberschriften der Schemata 6, 10: formula qua per codicillos vacamb^
jproce/res fiant und 11: formula iUustratus vacantis sind ungenau wie manche
andere; dem Text nach bezieht sich die erstere auf die höheren Kategorien —
genannt werden Consulat, Präfectur und Quästur — , die zweite auf den iUu-
stratus vacans comitivae domesticorum.
3) Die formulae speetabüitatis 7, 37 und clarissimatus 7, 38 sind ohne Zweifel
so zu verstehen, dass das Titularamt je nach dem einzelnen Fall hinzutritt; wie
denn 2, 28. 6, 13 der ausscheidende princeps neben dem Rang der Spectabilität
das titulare magisterium scrinii erhält.
4) Vir devotus wird bei Cassiodor häufig den Apparitoren gegeben; die ihnen
gleichstehenden sm'ones werden auch mit devotio tua angeredet (5, 10 [§ 2]. 12, 3 [§ 2]).
aber in der Adresse fehlt vir devotus immer, selbst wo es dem ihm gleichstehen-
den Apparitor gegeben wird (8, 27). Es findet sich bei Cassiodor auch vir stre-
nuus (12, 26) und vir experientissimus (12, 18. 23). Dieselben Titulaturen, sowie
die ähnlichen vir honestissimus, vir latidabilis weisen die gleichzeitigen Urkunden
und Inschriften auf. ■
5) Allerdings sieht man nicht, wie auf diesem Wege zum Illustrat gelangt,
werden konnte; es giebt kein Militäramt dieses Ranges als das des magistei,
militum und dies ist schwerlich auch nur titular von Theoderich vergeben worden j
6) Viri illustres heissen Arigernus, Marabadus, Osuin, Sigismer, Suna; liri
Ostgothische Studien. 451
Nichts als eine zweite Rangklassenordnung ist an sich die Gliede-
rung des kaiserlichen Gefolges, das System der comites nach den
altherkömmlichen drei Graden und den daran anknüpfenden weiteren
Abstufungen. In der Epoche indess, welche uns hier beschäftigt,
finden wir die Comes- Titel in Verbindung mit gewissen Deter-
minativen vielfach in Amtstitel umgewandelt. Es ist damit völlig
ebenso gegangen wie mit unserem sehr ähnlichen Rathstitel. Die
spätere Beamtenhierarchie ist grösstentheils aus dem Hofpersonal
hervorgegangen und die Berufung zum Amt mit der Ertheilung einer
Comitiva höheren oder niederen Grades verknüpft worden. Dies
führt zunächst zu Doppeltitulaturen mit combinirter Rang- und Amts-
bezeichnung, wie zum Beispiel comes et magister militum, comes et
magister officiorum, comes et quaestor^, comes et dux^, comes et cor-
rector^, comes et trihunus^. Der niedere Grad wird im titularen
Gebrauch hier wie überall regelmässig unterdrückt, weil er mehr
die Zurücksetzung als die Auszeichnung markirt und auch der höhere
nicht häufig ausgesprochen, weil er aus der hinzugefügten Amts-
stellung sich meistentheils von selber ergiebt. Die Beilegung des
Comes-Titels ist an sich personale Auszeichnung und ist dies insofern
immer geblieben, als er einem Nichtbeamten oder auch einem Be-
amten als Vorzug vor seinen Collegen verliehen wird^ Aber früh 511
und häufig hat sich mit einer bestimmten Amtsstellung eine graduirte
Comitiva in der Weise verknüpft, dass jene nicht ohne diese ver-
liehen wird. In diesem Fall wird regelmässig der Doppeltitel ver-
einfacht, entweder durch Abwerfung der selbstverständlichen Rang-
bezeichnung, wie bei dem magister militum, dem magister officiorum,
dem quaestor dies späterhin ständig geschieht, oder indem die Amts-
competenz an den Rangtitel angeschlossen wird, wie die obersten
Finanzbeamten und die Vorsteher der domestici et protectores auf-
treten als comites largitionum, rerum privatarum, domcsticorum, die
spectabües Adila (2, 29), Anna (4, 18), Duda (4,28). Für gothischen Clarissimat
finde ich keinen Beleg. Wegen vir devotus s. S. 450 A. 4.
1) C. Th. 1, 8, 2 vom J. 424.
2) So heisst der Dux der libyschen Pentapolis Daniel in dem Erlasse des
Anastasius.
3) C. I. L. V, 4327. 4328. 4) C. I. L. V, 7798 vom J. 568.
5) C. Th. 6, 21, 1: grammaticos Graecos Hdladium d Syrianum . . . placuit
honorari codicillis comitivae ordinis pi'itni . . . ita ut eorum qui sunt ex vicariis
dignitate potiantur, wo der in der Klasse der spectabües stehende Vicariat den Rang
genauer präcisirt. Die so häufige Verleihung der Comitiva niederen Grades an
ausscheidende Subalterne (z. B. Theod. 6, 27, 17) ist nicht immer mit der Ver-
leihung eines Titularamts combinirt.
29*
452 Ostgothische Studien.
nicht durch ein anderes Amt, sondern aus besonderem Vertrauen
in den Staatsrath berufenen als consistoriani, diejenigen duces, welche
die Comitiva ersten Grades erhalten, als comites rei militaris. —
Zwischen den drei Graden der Comitiva und den eigentlichen Rang-
klassen besteht ein festes Yerhältniss nicht. Wirkliche und Titular-
beamte der ersten Rangklasse sind, wenn zugleich comites, immer
comites ersten Grades. Aber unter den comites ordinis primi gehören
nicht wenige der mit fester Competenz ausgestatteten in die Rang-
klasse der spectdbiles, wie die comites consistoriani und die comites
rei militaris. Bei personaler Yerleihung der comitiva wird neben
dem Grad auch wohl der Platz in der Rangklasse ausdrücklich fest-
gesetzt (S. 451 A. 5), — Wie die Rangklassen hat Theoderich auch
die comitiva ebenso an Römer wie an Gothen verliehen und die
Ungleichheit der mit der comitiva verbundenen Rangklasse beweist,
dass dieselbe Ungleichheit zwischen seinen gothischen comites be-
standen hat wie zwischen seinen römischen^. Wenn es unter den
für uns unbenannten gothischen Beamten bestimmte höher gestellte
Kategorien gegeben hat, so mag er mit diesen die Comitiva ersten
Ranges in ähnlicher Weise verbunden haben, wie dies bei den
höheren römischen Aemtem geschah; es kann aber auch der Titel
für den Gothen blos persönliche Auszeichnung gewesen sein. Auf
jeden Fall kann die römische Bezeichnung eines bestimmten gothi-
schen Amtes nur derjenige in dem comes suchen, der den technischen]
Werth der römischen Bezeichnung ebenso wenig kennt wie Theo-
derichs Verhalten zu den römischen Titulaturen.
512 vni.
Die Hofdienerschaft und das Gefolge.
Der alte Gegensatz zwischen den amtlichen Verrichtungen, welch
von freigeborenen Bürgern geleistet worden, und den persönlich«
Diensten der Sclaven und der Freigelassenen hat in der letztep
Phase des römischen Staates im Laufe der monarchischen Eni
Wickelung sich mehr und mehr verwischt und die Beseitigung jene
Princips gewissermassen ihren Abschluss gefunden durch die ii
J. 422 von Theodosius II. verfügte Aufnahme des praepositus saci
cuhiculi unter die Beamten der ersten Rangklasse. Wie weit Thec
derich in dieser Hinsicht germanische Einrichtungen beibehalte
1) Die S, 450 A. 6 angeführten viri illustres und spectabiles heissen gleic
massig comites. Dass ein gothischer comes der dritten Klasse sich nicht find«
ist wohl nur Zufall.
IW'l'ki
Ostgothische Studien. 453
oder die der byzantinischen Kaiser angenommen hat, lässt sich nur
in geringem Grade ermitteln. Dass die Ausschliessung der Gothen
von den Civilämtern sich auf die Hof bedienten nicht erstreckt, ver-
steht sich von selbst.
Unter der Hofbedienung nehmen nach der damaligen byzantini-
schen Ordnung den ersten Platz die cubicularii ein, deren eben
genannter Vorsteher dem magister officiorum im Rang vorgeht.
Theoderich scheint es damit ebenso gehalten zu haben; der in den
Formeln fehlende praepositus cuhiculi am ostgothischen Hofe, der
Nationalität nach ein Gothe, ist ein einflussreicher Beamter ^ und die
cubicularii auch Theoderichs sind verschnitten 2. Den Primiceriat
des königlichen cubiculum fanden wir mit der comitiva largitionum
combinirt (S. 400).
Abgesehen von den cuhic^darii stand nach den Ordnungen des
Ostreichs die gesammte Hofdienerschaft, so weit sie nicht als Sub-
alternbeamte von dem magister officiorum abhingen, unter dem Yor-
steher des kaiserlichen Hauses, dem zur zweiten Rangklasse ge-
hörenden castrensis sacri palatii. Unter diesem Namen findet dies
alte und wichtige Hofamt bei Cassiodor sich nicht; aber der Titel 513
\cura jmlatii, welchen die Notitia geringeren dem Castrensis unter-
Igeordneten Beamten, wie es scheint den Hausmeistern der einzelnen
Ikaiserlichen Paläste beilegt^, ist wahrscheinlich wie anderswo* so
iauch bei Cassiodor^ an die Stelle der eigentlich officiellen Titulatur
\castrensis sacri palatii getreten. — Ueber die einzelnen Ministerialen
erfahren wir so viel wie nichts^. — Dass der Schwertträger des
1) Anon. Vales. 82: agente Trhvane praeposito eubieuU. Derselbe ist wohl
Trij/guilla regiae praepositus domns bei Boethius consol. 1, 4 (vgl. Triggua bei
liunodius n. 445 = ep. 9, 21 [und Triwila saio var. 3, 20]).
2) Ravenuatisehe Inschrift vom J. 541 (C. I. L. XI, 310): vir s(u)bl(imis) Seda
^gnucus et cubicularius regis Tlieoderid; bei Theoderichs Tode war er 25 Jahr
ilt. Die Titulatur nöthigt nicht ihn als praepositus zu fassen (vgl. S. 455 A. 1).
8) Or. 17, 5. Occ. 15, 6. Verwendung des Wortes in gleicher Bedeutung
;anu ich sonst nicht nachweisen.
4) Ammian 22, 3, 7: Saturninus ex cura palatii. C. Th. 6, 13, 1. 11, 18, 1
om J. 409: iion viros spectabiles comites archiatrortim , nmi comites stabuli, cura
mlatii. Renatus Frigeridus bei Gregorius Turon. h. Fr. 2, 9 : Aeiius ex comite
lomesticorum et Johannes cura palatii. Die gleichbenannten Beamten der eigent-
ifh byzantinischen Epoche sind bekannt.
5) Var. 7, 5.
6) Es findet sich ein Florentinus v(ir) c(larissimus) ex p(rae)p(osit)o pistoi'um
1 der ravennatischen Urkunde Marini pap. n. 121 v. 40. 64, wonach der nicht
ichere Text der ravennatischen Inschrift C. I. L. XI, 317 vom J. 548: Floi-entius
ater pistorum regis Theoderici wohl corrigirt werden muss. Die cursoi'es und
454 Ostgothische Studien.
Königs, immer ein Gothe, eine hervorragende Stelle im Gefolge des
Königs einnimmt ^, kann nur auf germanische Ordnungen zurückgehen.
Der spatharius kommt zwar als unfreier Mann früh im römischen
Hauswesen vor 2, aber unter den kaiserlichen Officialen erscheint er
nicht ^ und wo wir ihn in spätester Zeit im Officium der hohen römi-
schen Offiziere finden*, dürfte er eher von den germanischen Feld-
hauptleuten entlehnt sein. — Der königliche Leibarzt begegnet in
ähnlicher hoher Rangstellung wie der kaiserliche". — Diejenigen
514 chartarii, welche nach Cassiodor von ihrem fribunus dem König in
Vorschlag gebracht werden^, dürften die des Castrensis sein.
Neben dieser im Allgemeinen wenigstens nach byzantinischem
Muster geordneten Hofdienerschaft umgiebt den König ein gothisches
Gefolge. Gefolgsleute in dem Sinne, wie sie Tacitus schildert, mögen
die dromonarii gehören nicht hieher, sondern zu den Officialen des Präfecten
oder des Magister.
1) Nach lordanes sind Theudes, der Vicekönig Theoderichs in Spanien
(c. 58, 302 vgl. Prokop b. Goth. 1, 12), und Vitiges, der Nachfolger des Theoda-
hathus (c. 60, 309) königliche spatharii. Directive über das Verhalten des gegen
die Franken gesandten Heeres werden an den Spatharius Unigis adressirt (var.
3, 43), was vielleicht für Vitiges verschrieben ist. Riggo Spatharius des Königs
Totila bei Gregorius dial. 2, 14.
2) Ein unfreier spatarius aus der frühen Kaiserzeit C. I. L. VI, 9043. Ein
anderer in der Inschrift von Salona Arch. Epigr. Mitth. aus Oesterreich 9, 14
[C. III S. n. 8759], Auch die armigeri (C. VI, 9191) sind davon kaum verschieden.:
3) Nach Lydus de mag. 2, 11. 3, 41 hat Theodosius I. gesetzlich festgestellt,
dass der römische Kaiser nicht ins Feld ziehen dürfe; und vielleicht ist dies
wahr. Die in jeder Hinsicht vortreffliche Rede, in welcher Synesius den er-
bärmlichen Arcadius zu militärischer Haltung und militärischem Umgang
ermahnt, spornt ihn mit keinem Wort zu der Theilnahme am Krieg.
4) Der S. 444 A. 1 angeführte Erlass des Anastasius nennt unter denj
Officialen des dux der Pentapolis nicht eben an hoher Stelle den spatharim.^
Emalac spatarius domni patricii Bilisarn C. I. L. VI . 9898. Ueber die hier ein-
greifenden bewaffneten Dienerschaften, welche in dieser Epoche in grossem j
Umfang auftreten, werde ich anderswo handeln [vgl. oben S. 241 ff.].
5) Var. 4, 41. 6, 19. Vgl. besonders C. Th. 6, 16. 11, 18, 1.
6) Chartarii oder chartularii giebt es in allen Officien; aber in der Notitia
wird nur Or. 17, 10. Occ. 15, 11 unter dem Officium des castrensis ein chartulariu
et scrinium ipsius aufgeführt. Diese werden also zum Hofpersonal gehört undl
mehr bedeutet haben als die übrigen chartarii; und schon darum dürfte Cassio-i
dors probatoria chartariorum 7, 43 sich auf sie beziehen, zumal da das Officiunl
darin mit den patrimonia domus divinae zusammengestellt wird. Aber es isil
auch geradezu ausgesprochen, dass die vom Castrensis angestellten Officialeil
kaiserlicher Bestätigung bedürfen (C. Th. 6, 30, 12). Der tribunus ist ohne Zweifel
als ein dem chartarius der Notitia verliehenes Ehrenprädicat aufzufassen, ähnlicll
wie bei Ammian 31, 13, 18 zwei tribuni vacantes erwähnt werden, quorum oÄcJ
stäbulum, alter curabat palatium.
Ostgüthische Studien. 465
in demselben enthalten gewesen sein; aber jedenfalls geht der Ej-eis
weit darüber hinaus. "Wir finden an seinem Hofe oder auch in
seinem Auftrag vom Hofe entsendet eine Anzahl angesehener Gothen,
zum kleineren Theil mit der Comitiva oder einem römischen Rang-
titel ausgestattet, nicht selten mit der nicht römisch titularen, aber
den Rangprädicaten nachgeahmten Ehrenbezeichnung vir sublimis^,
häufig ohne jede Titulatur, aber in einigen Fällen und selbst in offi-
ciellen Actenstücken bezeichnet mit dem nicht römischen Prädicat
als maiores domus regiae^, welche Benennung nicht einem Einzelnen 515
vorzugsweise zukommt, sondern, wie etwa patricius und Senator, einer
Kategorie ^. Ihre militärische und politische Thätigkeit lässt sich
bei einzelnen einigermassen bestimmen. Tuluin, von vornehmer
gothischer Abkunft, kommt noch als Knabe an den Hof, macht dann
herangewachsen im Jahre 504 die Expedition nach Sirmium mit,
1) Diese Titulatur erhalten in den A. 2 angeführten Actenstücken Gudila
und Bedeulfus, der erstere auch in dem Fragment einer ravennatischen Inschrift
C. I. L. XI, 268: [Theoderico fort]issimo et clementissi[ino rege iubente] vir subl(imis)
Gudila com. . . . [curajt&r r(ei) p(u)h(licae); ebenso Ibba, der Feldherr Theoderichs
in der Expedition gegen die Franken in der Adresse var. 4, 17. Indess wird
auch dem in die einzelne Stadt geschickten gothischen Beamten derselbe
Titel beigelegt (allgemein var. 7, 3 [§ 1] ; dem comes Tancila, der bei Cassiodor var.
2, 36 die Spectabilität hat und wahrscheinlich der comes von Comum ist, bei
Ennodius 60 = ep. 2, 33) und muss er also ziemlich so weit gereicht haben
wie der römische comes. Vgl. S. 453 A. 2.
2) Schreiben Theoderichs an die römische Synode 27. Aug. 501 (Thiel epist.
pontif. 1 p. 672 [in der Mommsenschen Ausgabe des Cassiodor p. 420]) über-
schrieben: praeceptio regis quarta missa ad synhodum per maiorem domus regis;
im Text (das. p. 675 [ed. Mommsen p. 422]) : Gudila et Bedeulfus sublimes viri
(überliefert ist Gudilam et Bedeulfum sublimes viros), maiores domus nostrae, quos
[rws Mommsen in s. Ausg.] de praesente (= vom Hoflager) misimus cum inl(ustri)
v(iro) eomßte) Arigerno, . . . sax^ramenta praestabunt. Antwortschreiben der Synode
(das. p. 675 [ed. Mommsen p. 422]) : praeceptis ad nos moderatissimis per maiores
domus Gudilam et Bedeulfum sublimes mros missis. Acten der Synode vom 23. Oct.
501 (das. p. 662 [ed. Mommsen p. 429]): ut . . . recentium adhiic vestigia vulnerum
illustris vir comes Arigernus et sublimes viri Gudila et Bedeulfus maiores domus
regiac perspexissent. Relation der Bischöfe an den König (das. p. 676 [ed.
Mommsen p. 423]): episcopos cum maiore domus vestrae illustri viro Arigerno
'lireximus. Schreiben des Königs an die Synode (das. p. 681 [ed. Mommsen p. 425]):
:<i roluerint discutere causam, ut securus egrediatur, Arigernus, Gtidila et Bedeulfus
sacramenta ei praestabunt. Wie man sieht, wird dem Arigernus, da er comes
und vir illustris ist, vorzugsweise diese römische Titulatur gegeben, aber den-
noch zählt auch er zu den maiores domus. — Theodahathus an den Senat bei
Cassiodor var. 10, 18 [§ 2]: his (den zur Vertheidigung Roms aufgebotenen Trup-
pen) praefecimus maiofem domus nostrae Vuaceenem.
S) Wenigstens treten in den Acten der Synode von 501 drei maiores domus
;t' und es sieht nicht so aus, als ob sie die einzigen seien.
i
456 Ostgothische Studien.
wird zurückgekehrt unter den maiores domus verwendet ^ und beräth
den König in militärischen und civilen Sachen, namentlich auch bei
der Ernennung der römischen Beamten ^, betheiligt sich weiter als
Commandoführer (^infer diices) sowohl an dem ersten Feldzug gegen
die Franken 510 wie an einer späteren Expedition nach Gallien
523/4 und wird endlich nach Theoderichs Tode von Amalasuntha
zum patricius praesenfaneus und damit zum Senator ernannt (S. 448).
— Dem Arigernus, der 'beinahe ein Römer' ist^, wird geradezu das
Regiment über die Stadt Rom anvertraut*; in dieser Stellung ist
er thätig sowohl bei der Schlichtung des Schisma im J. 501 wie auch,
nachdem er inzwischen den fränkischen Krieg mitgemacht hat, ein
Decennium später während der Quästur Cassiodors; in den damals
geschriebenen Briefen spielt er völlig die Rolle des Stadtpräfecten ^.
Ob diesen maiores eine Anzahl jüngerer in der königlichen Haus-
gemeinschaft sich vorschulender Adlicher geordnet zur Seite stand;
516 ob es bestimmt geschiedene Klassen innerhalb des gothischen Ge-
folges und eine feste Hofstellung für dieselben gegeben hat'', ist
nicht zu erkennen. Die gothischen maiores domus regiae aber füllen
ungefähr die Stelle aus, welche in dem eigentlichen Kaiserregiment
das Consistorium einnimmt. König Theoderich legte mancherlei
1) Nach var. 8, 10 [§ 5] vertraut Theoderich dem Tuluin nach dessen Rückkehr
aus dem Felde sein Haus an : rigwem Uli regiae domus virtutis contemplatione com-
misit, wo offenbar der technische Ausdruck in Cassiodors Manier umschrieben wird.
2) Var. 8, 9. 10. 11, besonders 10 [§ 5] : ut quem ingeniosum bella prohaveratit,
fortissimi regis consiliis misceretur . . . cum ipso proelia, cum ipso negotiorum
aequabilia disponebat und in Tuluins eigenem Brief 11 [§ 3] : saepe consules,
saepe paMcios, saepe praefectos hahita intercessione promovi.
3) Var. 4, 16 [§ 1]: civem paene restrum.
4) Var. 4, 16 [§ 2] an den Senat bei dem Wiedereintritt des Arigernus in
seine Stellung: disciplinae se praefati viri Bomanus ordo restituat ... [§ 3]
pareatur ergo viro mtiltis temporihus iam pi'obato. 4, 23 : quamvis opoi'teat commissam
tibi disciplinam Eomanae civitatis in Omnibus custodiri.
5) Sehr anschaulich tritt dies hervor in den königlichen Schreiben var.
3, 36. 45. 4, 16. 22. 23. 43. Er wird angewiesen in Rom zu führende Processe
zu beaufsichtigen oder auch vornehme Römer zu veranlassen sich vor dem [j
Königsgericht in Ravenna zu stellen; bei ihm werden die Juden von der römischen
Kirche wegen entfremdeter Grundstücke verklagt und klagen die Juden wegen
erlittener Vergewaltigung.
6) Was Prokop b. Goth. 3, 1 von dem Gothenkönig sagt: dgiazcijvza tov
ßaoiksa noXXovg xe älXovg xal xovg doQv<p6Qovg jiaQiotao&ai vöfiog , gilt ebenfalls
von jedem römischen höhern Militär; vgl. bell. Vand. 2, 28: aQxövzcov satt(ofx.sv(ov
omo&Ev sardvai xovg öoQVfpÖQovg vö/zog. Ob Aetius und Belisar ihr Gefolge nach
dem der Barbarenkönige geordnet oder diese als römische Feldherren sich jene
Generale zum Muster genommen haben, ist hier zu untersuchen nicht der Ort;
das Ergebniss ist in beiden Fällen dasselbe.
Ostgothische Studien. 457
Angelegenheiten den Spitzen seiner Umgebung zur Erörterung vor^
Dass das eigentliche Consistorium, indem es die Gothen ausschloss,
für diese Thätigkeit nicht geeignet war, ist schon (S. 422) ausein-
andergesetzt worden. Es blieb nichts übrig als neben dem durch
die bestehende Verfassung gegebenen formalen Staatsrath einen
affectiven von der Titulatur absehenden einzurichten, in welchem
der König ohne Rücksicht auf Qualification fragte und beauftragte,
wen er wollte und wie er wollte. Es können an diesen Sitzungen,
namentlich wo es sich um nicht militärische Angelegenheiten handelte,
auch Römer theilgenommen haben, namentlich die am Hof anwesenden
hohen Beamten und allenfalls die comites consistoriani; vorwiegend
waren darin ohne Zweifel die Gothen. Dass wir für deren derartige
Functionen eine formulirte Ordnung nicht zu erkennen vermögen, ist
schwerlich Schuld der Ueberlieferung. Der Organisation der römi-
schen Bureaukratie, durch welche die principiell feststehende kaiser-
liche Vollgewalt praktisch begrenzt war, stand in dem Staate Theo-
derichs das aus eben jenem Vollgewaltsbegriff entwickelte Belieben
des germanischen Königs ohne gleichartige formale Beschränkung
gegenüber.
IX.
Die Gesetzgebung.
Die Gesetzgebung ist auch nach der Trennung des Gesammt-
reichs ebenso wie das Consulat den Theilen gemeinschaftlich ge-
blieben. Wie bei diesem neben der im Rechtssinn gemeinschaft-
lichen Ernennung die von Rechtswegen getheilte Publication steht,
konnte auch die Mittheilung des neuen Gesetzes an die beikommen-
iden Oberbeamten, welches die regelmässige Form aller officiellen
Publication war, nicht anders als durch die eigene Regierung er-
Ifolgen, der Kaiser des Ostens seine Verfügung dem Proconsul von
1) In den Schreiben, welche Theoderich in Veranlassung des Schisma an
die römische Synode richtet, bemerkt er den Bischöfen mehrmals (p. 678. 680
Thiel [Cassiodorus var. ed. Mommsen p. 424. 425]), dass er mit seinen Berathern
len ärgerlichen Handel selber hätte schlichten können, es aber — als Arianer
vorziehe die katholischen Bischöfe ihn selber erledigen zu lassen: si tws de
lesenti (|von ßavenna aus) ante voluissemus iudieare negotium [negotio Mommsen
II s. Ausg.], habito cum proceribus nostris de inquirenda veritate tractatu, viam
. . potuissemus invenire iustitiae und nachher: causam, quae agitur , si mihi
<m fuisset aut iustitiam habuisset, ut ego debuissem audire cum procei'ibus palatii
II ti, potueram tractare et iudieare, quomodo et deo placuisset et posterüati
ngratum non fuisset. Die Cassiodor geläufige Bezeichnung proceres schliesst die
lömer wie die Gothen ein; vgl. u. A. 4, 3. 5, 6. 7. 8, 2. 15. 9, 7. 17. 21. 23. 24.
)ahn 3, 36.
517
458 Ostgothische Studien.
Africa unmittelbar nicht zur Kenntnis» bringen^. Freilich ist das
Institut der Publication als Bedingung der Rechtsgültigkeit der
gesetzlichen Vorschrift im römischen Staat überhaupt schwach ent-
wickelt; im gerichtlichen Verfahren wurde bei den kaiserlichen
Erlassen wohl nach der Echtheit gefragt, aber nicht nach der ord-
nungsmässigen Publication. Insofern war es eine Neuerung, dass
Theodosius II. im J. 429 vorschrieb die aus dem anderen Reichstheil
herrührenden Erlasse nicht anders zur Anwendung zu bringen als
nach Uebersendung derselben und Billigung durch die eigene Re-
gierung 2, welcher das Recht solche Erlasse zu modificiren oder zu'
unterdrücken ausdrücklich gewahrt ward 3. Es sind in Gemässheit'
dieser Anordnungen die von den oströmischen Herrschern Theodosius
und Marcianus und selbst noch die von Leo 468 erlassenen Yerordnungenr
nach Rom gesandt und dort veröffentlicht worden. Occidentalische?
Verordnungen aber scheinen in dieser Periode nicht nach Con--
518 stantinopel geschickt und also dort auch keine publicirt zu sein*; der
Verfall der administrativen Ordnung macht wie bei dem Consulat so
auch bei der Gesetzgebung früher im Westen sich geltend als im Osten.
Dass in Italien, nachdem dort das Regiment deutscher Heer-
fürsten an die Stelle desjenigen der Kaiser des Westens getreten
war, die bis dahin von den Kaisern des Ostens wie des Westens
erlassenen Gesetze in Kraft blieben, versteht sich von selbst und
gilt in gleicher Weise auch für die ehemals zum Reiche gehörigen,
aber damals bereits vollständig davon abgelösten Staaten. Es bleibt
zu untersuchen einmal, ob die zu Odovacars und Theoderichs Zeit
ergangenen oströmischen Gesetze auch auf Italien Anwendung ge-
funden haben, zweitens ob bei der Handhabung der Legislative
1) Diocletian freilich rescribirte an den Proconsul von Africa (meine Ab-
handlung über die Zeitfolge der Constitutionen Diocletians in den Schriften der
Berliner Akademie 1860 S. 418 [Ges. Sehr. 2 S. 264] ; P. Krüger Gesch. der Rechts- 1
quellen S. 283) ; aber aus späterer Zeit findet sich nichts Aehnliches. |
2) C. Th. 1, 1, 5: in futurum si quid promulgari placuerit, ita in . . . parte alia |
valebit imperii , ut non fide dubia nee privata adsertione nitatur, sed ex qua parte
fuerit constitutum, cum saeris transmittatur affatibus in alterius quoque recipiendum :
scriniis et cum edictorum sollemnitate vulgandum. Wiederholt nov. Theod. 1, 5.
3) A. a. 0.: missum enim suscipi et indubitanter obtinere conveniet, emendanc^^
vel revocandi potestate nostrae clementiae reservata.
4) Darauf, dass die Gesetzsammlungen des Orients vom J. 438 ab keine
occidentalischen Erlass aufweisen, hat P. Krüger a. a. 0. S. 292 aufmerksam!
gemacht. Es kann sich dies nur daraus erklären, dass einerseits nach dem ebeDl
angeführten in diesem Jahre ergangenen Gesetz in den Gerichten des Ostreichij
ein nicht daselbst republicirter occidentalischer Erlass nicht berücksichtigt werdeij
durfte, andererseits die von Theodosius angeordnete Uebersendung im Westreicll
unterblieb.
Ostgothische Studien. 459
durch die Könige des Westens sich Rücksichtnahme auf das Ost-
reich zeigt.
Dass ein von der constantinopolitanischen Regierung in dieser
Epoche erlassenes Gesetz in Italien publicirt worden ist, lässt sich
nicht nachweisen, und wie, vielleicht mehr durch Nachlässigkeit als
im Wege der Opposition, die im Osten creirten Consuln zur regel-
mässigen Publication im Westen nicht mehr gelangten, mag man
auch die neuen Verordnungen des Ostens, wenn man sie überhaupt
erhielt, dort ignorirt haben. Daher bestehen in dieser Epoche die
wesentlichsten Verschiedenheiten zwischen den Ordnungen des Ostens
und des Westens. Vor allem in dem Abgabensystem ist die schwere
Besteuerung des Handelsverkehrs durch die Auflage des Vierund-
zwanzigstels von jeder Kaufsumme, welche im Westreich während
der Agonie desselben eingeführt wurde, auf das Ostreich nicht er-
streckt worden 1, ebenso die Beseitigung der Monopolien durch Leo
und des Chrysargyrum durch Anastasius auf das Ostreich beschränkt
geblieben, so dass dessen finanzielle Lage verglichen mit derjenigen
des Occidents eine erträglichere gewesen sein muss. Aber dass die
GHeichsetzung staatlicher Einrichtungen in den beiden Reichshälften
sich auf die neu hinzutretenden erstrecken sollte, beweist die erst
unter Anastasius eingerichtete und im Westen wie im Osten wenig-
stens gleich benannte comitiva patrimonü (S. 401).
Es bleibt zu untersuchen, in welchem Umfang die germanischen 519
Könige die Legislative in Anspruch genommen haben. Dass von
jder Mittheilung ihrer Erlasse an die Herrscher des Ostens keine
jSpur begegnet und dass in den oströmischen Rechtssammlungen
dergleichen nicht anzutreffen sind, beweist nicht, dass nach byzan-
jtinischer Auffassung Odovacar und Theoderich das Recht Gesetze
zu erlassen gefehlt hat; es kann dies nichts sein als die Fortsetzung
jdes schon früher nachweisbaren negativen Verhaltens der West-
regierung. Aber bei Prokopius erklären die Vertreter der Gothen
bei der Rechtfertigung ihres Verhaltens gegen Byzanz dem Belisar,
dass keiner der gothischen Könige jemals ein Gesetz erlassen habe 2;
aach diesem Zeugniss eines unparteiischen Zeitgenossen^ ist auch
1) Die am Schluss der Novellen Theodosius II. stehende herrenlose Ver-
ordnung gehört sicher dem Westen [sie steht jetzt unter Valentinians III. Novellen
h. XV, in Paul Meyers Ausgabe S. 99].
2) Bell. Goth. 2, 6: &EvdsQixov fisv fj aXXov otovovv dtads^afisvov x6 Föf&cov
kgäro? vöfxo? xb Jiagdjtav ovöslg ovx iv YQdfJ-iuaaiv, ovx äyQaqpo? iori.
3) Prokopius steht nicht in derjenigen Achtung, auf die er gerechten
Anspruch hat. Sprachlich und litterarisch wird ihn niemand vertheidigen wollen;
liber er war wie wenige in der Lage wahrhaft zu berichten, und er hat dies
460 Ostgothische Studien.
vom gothischen Standpunkt aus die Reichsgesetzgebung als Präro-
gative der Kaisergewalt aufgefasst worden.
Eben dahin führt die Betrachtung des gothischen Regiments
sowohl von der formellen wie von der materiellen Seite. Die tradi-
tionelle Auffassung des grossen Gotheufürsten als des Begründers
einer neuen germanisch-römischen Staatsordnung stimmt damit freilich
nicht. Man kann es Gibbon verzeihen, dass er jenen Ausspruch auf
die Gesetzgebung in gothischer Sprache beschränkt wissen wollte;
die bessere Einsicht in die Verhältnisse hat Theoderichs Festhalten
an dem einigen römischen Reiche längst anerkannt^. Aber dass
dieser Germanenfürst hierin radical von den übrigen sich unter-
scheidet, dürfte in vollem Umfange noch nicht zur Geltung gelangt sein.
Von formaler Seite wird vor allen Dingen bei der Gesetzgebung
520 auf den Gebrauch des "Wortes lex Gewicht zu legen sein 2. Für
diese Epoche, in der die Gesetzgebung principiell dem Kaiser zustand,
ist die Verwendung jenes sacrosancten Wortes ein kaiserliches
Reservatrecht; niemals wird die von einer anderen Stelle ausgehende
Verfügung mit demselben bezeichnet. Dies gilt aber von sämmt-
lichen Erlassen Theoderichs. Me findet sich dafür lex edictalis oder
eine gleichwerthige Bezeichnung^; sie nennen sich ohne Ausnahme
gethan, so weit dies von zeitgenössischer Geschichtschreibung unter einem in
jeder Beziehung erbärmlichen Regiment billiger Weise gefordert werden kann.
Der postume Nachtrag, den ihm abzusprechen thöricht ist, verstösst allerdings
in der Wiedergäbe des Hofklatsches arg gegen die Würde der Geschichte und
den guten Geschmack; aber Wahrhaftigkeit, so weit sie in solchen Dingen
überhaupt möglich ist, herrscht auch in ihm und bestätigt er lediglich in weiterer
Ausführung und in Anwendung auf die innere Verwaltung dasjenige vernichtende
ürtheil über das damalige Missregiment, welches die vom Verfasser heraus-
gegebenen Schriften nicht aussprechen, aber ergeben.
1) ßrunner Rechtsgeschichte 1, 52. 53 [2. Aufl. 1 S. 66 f.] bezeichnet zu-
treffend als das politische Princip Theoderichs die Festhaltung der Reichseinheit
und weist dafür namentlich hin auf die vom Kaiser Anastasius erbetene Aner-
kennung des von dem König ernaimten Consuls.
2) Gaudenzi {Fopera di Cassiodoro p. 73 fg.) hat mit Recht darauf hinge-
wiesen, dass die ostgothischen Anordnungen niemals als leges auftreten, sondern
als edicta, und dass diesen Königen die legislative Gewalt mangelt.
3) Die dem Schreiben Theoderichs an den Senat Pervenit ad nos (MG. LL.
5, 169 [jetzt in Mommsens Ausgabe der Variae Cassiodors S. 392]) vorgesetzte
Ueberschrift incipit praeceptum, immo lex data a gloriosissimo rege Theoderieo be-
weist nur, dass der Abschreiber an dem echten praeceptum Anstoss nahm.
Die in einem Erlass Odovacars (Thiel ep. pontif. 1 p. 686) vorkommenden Worte:
omnia quae ad fiduri antistitis electionem respiciunt religiosa moderatione servemiM
Jianc legem specialiter praeferentes quam nobis heredibusque nostris Christianafi
mentes devotione sancimus brauchen lex in dem Sinn, wie es auch jeder Private
verwenden kann. i''
f.
i
Ostgothische Studien. 461
edictum^. Aber ein edictum kann jeder Beamte erlassen; nach der
rein formalen Seite hin bestätigen also die Urkimden die Aeusserung
Prokops. Den principiellen Gegensatz des theodericianischen Regi-
ments zu dem der vom Ostreich unabhängigen Staaten, selbst des
gleichzeitigen und ihm am nächsten stehenden burgundischen, be-
zeichnen, gegenüber den ostgothischen Edicten, des Königs Gundo-
bad mansurae in aevum leges.
Wenn sich der Gegensatz zwischen dem den Osten regierenden
Kaiser und dem Italien verwaltenden König darauf beschränkt hätte,
dass der letztere seine Anordnungen nicht mit der Benennung lex
versehen durfte, so wäre dies zwar nicht gleichgültig, da in politischen
Fragen auch die Formalien eine reale Bedeutung haben, aber aller-
dings von untergeordnetem Belang. Unzweifelhaft nun hat Theode-
rich Gesetze erlassen, wenn man das Gesetz fasst als die generelle
Verfügung im Gegensatz zu der auf der gleichen Machtvollkommen-
heit ruhenden Anordnung für den einzelnen Fall 2. Bestimmungen
wie die, dass alle für öffentliche Bauten brauchbaren unverwendeten 52J
"Werksteine dem Eigenthümer genommen werden können ^ oder dass
gewisse Vergehen mit bestimmten Strafen geahndet werden sollen*,
}) Es ist überflüssig Belege dafür anzuführen, dass edictum oder edictale
progi'amma die technische Bezeichnung für die Legislative des Gothenkönigs ist.
Aber auch die an einzelne Beamte adressirten Schreiben werden oft in gleicher
Weise bekannt gemacht worden sein; in dem Erlass an die Bewohner der Provinz
Savia 5, 15 [§ 3] bezieht sich der König auf das zugleich an den dorthin gesandten
Steuerrevisor gerichtete und zu publicirende Schreiben 5, 14 {oracula nostra . . .
vulgata declarabunt) und die anteriora edicta 5, 5 [§ 4] scheinen nichts zu sein als
der an einen Saio gerichtete Erlass 4, 47.
2) Anders kann der Begriff nach der Verordnung Theodosius IL cod. lust.
1, 14, 3 und überhaupt der Ueberlieferung nicht aufgefasst werden. Die als
allgemein anwendbar vom Kaiser hingestellte "Verfügung ist lex generalis oder
lex schlechtweg; die im Senat verlesene oder durch kaiserliches Edict dem
Publicum mitgetheilte Anordnung fällt nur darum nothwendig unter diesen
Begriff, weil aus beiden Mittheilungsformen diese Absicht hervorgeht. Für die
personale und die trausitorische kaiserliche Verfügung giebt es einen technischen
Ausdruck nicht, wenn nicht etwa die pragmatica sanetio in diesem Sinne zu
fassen ist. Für diese Auffassung spricht insbesondere, dass lustinian, indem er
nov. 113 die Processe nach den allgemeinen Gesetzen und nicht nach den kaiser-
lichen Einzelentschliessungen entschieden wissen will, an die Spitze der letzteren
den ysvixol vöfioi entgegengesetzten den ngayfiarixog xvnog stellt. Dass im Sprach-
gebrauch wie sachlich beide Kategorien in einander laufen, ist freilich unleugbar.
3) Var. 1, 28: universis Gothis et Romanis.
4) Var. 9, 2 [§ 2] : edictali programmate definimtis, ut si quis versatus fuerit in
iniuria . . . curialis vel aliquid ei pi'aeterquam iussum fuerit a nobis vel ab auiicis
quorum interest potestatibus imponere fortasse praesumpserit, axit decem librarum
auri dispendio feriatur . . . aut . . . per fustuaria supplicia laeeretur.
4(32 Ostgothische Studien.
würden, von einem Kaiser erlassen, zweifellos als Gesetze betrachtet
worden sein, wie sie denn auch ausdrücklich eäicta generalia genannt
werden^. Auch in der Geltungszeit besteht kein Unterschied. Der
für die republikanische Epoche und noch für die des Principats
massgebende Gegensatz des ohne Zeitgrenze erlassenen Gesetzes
und der auf die Amtsdauer des Magistrats erlassenen Verordnung
ist dieser Epoche überhaupt fremd; die königlichen Edicte werden
wie die Kaisergesetze auf alle Zeit erlassen ^ und diejenigen Theo-
derichs gelten von Rechtswegen auch unter seinen Nachfolgern^.
Unbedenklich also kann dem Reichsverweser des Westens in diesem
Sinn die Legislative beigelegt werden. Aber keineswegs ist die
königliche Legislative qualitativ der kaiserlichen gleich. Freilich
wird die principielle Grundlage der Staatsordnung dieser Zeit, der
Satz, dass der Kaiser über dem Gesetz steht und seine Willens-
meinung, generell geäussert schlechthin, speciell ausgesprochen für
den einzelnen Fall massgebend ist, bei Cassiodor auch auf den König
522 bezogen*. Aber es verhält sich damit wie mit dem Augustustitel,
den ihm einer seiner Grossen beilegt^, während er selbst der Be-
zeichnungen Kaiser und kaiserlich {sacer^) sich enthält. Praktisch
1) Var. 9, 18: provide decrevit antiquitas universitatem edictis generalibus ad-
moneri. Mit diesen Worten leitet Athalarich sein bekanntes grösseres Edict
ein. von dem er in dem Begleitschreiben an den Senat [9, 19] sagt: necessaria quae-
dam Eomanae quieti edietali pi'ogrammate duodecim capitihus, sieut ius civile legüm
institutum, in aevum servanda conscripsimus.
2) in aevum servanda (A. 1).
3) Var. 9, 14 [§ 6] : edicta gloriosi domni avi nostri vel universa praecepta qtme
ad Siciliam pro commonendis universorum morihus destinavit . . . volumus . . . custo-.
diri. Aehnlich 9, 19 a. E.
4) Var. 6, 4 [§ 2] : (leges) ah ipsis (den Senatoren) sciuntur posse [die Mehr-
zahl der Hs. potuisse] constitui: quae res pro paiie nobis absolute communis est,
sed hac sola ratione disereti (besser disci'etis), quod alteri subdi non possumus, qui
iudices nos habemus. Ebenso 8, 13 [§ 7] an den Quästor: vox legum diceris, dum
nos iwa condamus. 10, 4 [§ 4] schreibt Theodahathus : non duhitaint (Amalasuntha'
par entern, prius iuri publico suhdere, qv^em paulo post voluit ipsis quoque legibui
anteferri [die Hs. antefe^-re]. Schroffer ist die souveräne Gewalt von Gottes Gnader
wohl nie formulirt worden als von diesem Rhetor: potestati nostrae, heisst es
1, 12 [§ 1], subiaceat omne quod volumus, anderswo (10, 16 [§ 1]): cum deo prae
stante possimus omnia, sola nöbis credimus licere laudanda. Auch das logischi ^.
CoroUar dieser Omnipotenz, das Eigenthumsrecht an allem innerhalb der Reichs
grenzen befindlichen Gut wird nicht vermisst (10, 5 [§ 2] : domum exceptam non habe
princeps, sed quicquid divino auxilio regimus nostrum proprie confitemur), uni
servire oder famulari als Bezeichnung der öffentlichen Thätigkeit giebt dazu dij
geeignete Ergänzung. 5) C. I. L. X, 6850 [= Dessau 827]. i
6) Dahn 3, 236 behauptet das Gegen theil; und es finden sich allerding!
einige entgegenstehende Stellen im Edict (c. 55: sacer cognitor) wie bei Cassiodcj
'. t
Ostgothische Studien. 463
hat er das Kaiserrecht der Gesetzgebung sich ebensowenig ange-
eignet wie das kaiserliche Münzrecht; seine Legislative ist die der
hohen Beamten, welchen allen und insbesondere dem ]yrci,efectus
praetorio in dieser Zeit sowohl in der Theorie ^ wie in zahlreichen
praktischen Anwendungen ^ eine eigene, aber der kaiserlichen nicht
gleichstehende legislative Befugniss beigelegt wird. Es mag ein- 523
geräumt werden, dass zwischen der kaiserlichen und der magistrati-
schen Legislative eine qualitative Verschiedenheit mit begrifflicher
Schärfe nicht gefunden werden kann ; wenn dem praefecttis praetorio
die Erlassung einer forma generalis insoweit eingeräumt wird, als
diese den bestehenden gesetzlichen Vorschriften nicht zuwiderläuft
(A. 1), so ist ein an den geltenden Ordnungen nichts änderndes
Gesetz streng genommen ein Widerspruch im Beisatz. Aber praktisch
ist der Gegensatz ebenso bedeutend wie zweifellos. Der Beamte
kann mit seinen edicta generalia oder formae generales die bestehenden
Ordnungen wohl in untergeordneten Punkten verschärfend oder
{sacrae largüiones häufig; Sacra vestis 1, 2 [§ 1]. 6, 7 [§ 6] ; sacrum cubiailum 8, 10
[§ 3]; comitatus sacratissimus 8, 32 [§ 1]), ja in einer Grabschrift vom J. 519 (Rossi
n. 968 [C. I. L. VI, 32003]) ex silentiario sacri palatii. Aber es sind dies meistens
«tändige Formeln und die ausserordentliche Seltenheit des der späteren Kaiser-
terminologie so geläufigen Wortes in Beziehung auf den König bei einem
■Schriftsteller wie Cassiodor lehrt darum nicht weniger deutlich, dass der officielle
Sprachgebrauch der germanischen Könige es ausschloss. Charakteristischer Weise
wird es mehr von Athalarich gefunden als von Theoderich, eben wie auf den
Münzen nur jener dominus noster genannt wird.
1) Schon Alexander rescribirt cod. lust. 1, 26, 2: fwmam a praefecto praetorio
(latam, etsi generalis sit, minime legibus vel constitutionibus contrariam, si nihil
jiostea ex auctoritate mea innovatum est, servari aequum est. Es ist hier deutlich
-agt, dass eine solche forma auch nach dem Rücktritt des erlassenden Prä-
< ten und überhaupt, wie das Gesetz, bis zur Wiederaufhebung in Kraft bleibt.
Wenn Cassiodor var. 6, 3 [§ 3] von dem praefectus praetoiio sagt: paene est, ut
'''•'/es possit condere, quando . . . sine appellatione potest negotia terminare, so wird
■r ganz richtig die Inappellabilität der von ihm im einzelnen Fall erlassenen
Kntscheidung und das Recht generelle Edicte zu erlassen mit der MachtvoU-
! kommenheit des Kaisers in Parallele gestellt.
2) So droht ein Stadtpräfect (C. I. L. VI, 1711) den Müllern: deprehensus
multae subiaceat et fustiario supplicio noverit se esse subdendum. Cassiodor
lilsst als pr. pr. nicht blos für Kaufund Verkauf Maximaltarife (var. 11, 11. 12),
ndern setzt auch auf deren Uebertretung Geld- oder Leibesstrafe [11, 11, 2]: si
(S vendentium rwn servaverit quae praesentis edicti tenor eloquitur, per singulos
■essus sex solidorum multam a se noverit exigendam et fustuario jjosse subiacei'e
l'plicio. Ebenso heisst es 12, 13 [§ 3] in Betreff der Subalternen, welche die Kirchen
traudiren: edictali programmate definimus, ut qui in hac fuerit ulterius fraude
rsatus, et militia careat et compendium propriae facultatis aviittat und ruft er 12, 1
; 4] seinem Bureau zu : edicta nostra tu primus observa.
464 Ostgothische Studien.
mildernd modificiren, nicht aber eigentlich neue Institutionen schaffen.
Wie die Quasi-Legislative der praefecti praetorio durchaus in dieser
Beschränkung gehandhabt worden ist, so haben auch die germanischen
Könige Italiens sich in dieser Hinsicht in den Grenzen gehalten, in
welchen die Legislative dem hohen römischen Beamten von Rechts-
wegen zukommt. Man braucht dafür nur die königlichen von Cassio-
dor concipirten Erlasse mit denen Cassiodors als praefectus praetorio
(S. 463 A. 2) zu vergleichen; das Uebergreifen in die Legislative ist
diesen wie jenen ebenso gemein wie die Beschränkung desselben
auf eine frei schaltende Executive.
Nichts tritt überhaupt in Theoderichs Regiment deutlicher hervor
als die Tendenz die bestehenden Ordnungen zu conserviren und der
Neuerungen sich zu enthalten. Bei seinem Erscheinen in Rom gelobt
er öffentlich das geltende Kaiserrecht unverbrüchlich zu halten^.
Dasselbe hebt Prokopius an zwei Stellen von ihm hervor 2. Aehnliche
Wendungen sind Cassiodor geläufig^. Als Einschärfung der be-
stehenden Yorschriften und Bestärkung derselben durch die etwa
angeordneten Modificationen kündigen die königlichen Erlasse regel-
524 massig sich an und vor allem thut dies das dem Gesetzbuch sich
nähernde selbständige Edict Theoderichs* sowie eine einigermassen
ähnliche zusammenfassende Verordnung seines Nachfolgers^. Auch
halten sie durchgängig was sie versprechen: zum weitaus grössten
1) Anon. Vales. 66 : ad Palmam populum adlocutus se omnia deo iuvante quod
retro p^'incipes JRotnani ordinaverunt imnolabiliter servaturum promittit. Der Eid,
den Athalarich bei Antritt der Regierung in Rom leisten Hess (var. 8, 2. 3),
erstreckt sich auch hierauf {var. 9, 18 a. E.).
2) Bell. Goth. 1, 1 : rovg vöjuovs ev tö) ßeßaioi Sisocöoaxo. 2, 6 erklären die Ver-
treter der Gothen dem Belisar : JiagaXaßövzeg ztjv xfjg 'ItaXiag aQxrjv rovg xe vo/nove
xal rrjv nohreiav öiEOCooäfie&a twv 7iw:!zots ßeßaadsvxörcov ovSsvog ■^aoov.
3) Var. 11, 8 [§ 1] : priscorum mos fuit nova iura decernere, ut succedenti popula\
aliquid quod omissum videbatur adiungerent ; nunc autem sufficiens satis conscientiais
veterum decreta servare. 3, 43 [§ 1] : delectamur iure Romano vivere quos armis
cupimus vindicare. 4, 22 [§3]: nos qui nescimus a legibus discrepare. Aehnliches
oft (Dahn 2, 129). Beachtenswerth ist auch, dass Kaiser Anastasius den König
oft ermahnte leges principum amplecti (1, 1 [§ 3]).
4) Dasselbe enthält nach dem Epilog quae ex novellis legibus ac veterii
iuris sanctimonia collegimus; es wird dem Prolog zufolge erlassen salva iwii
publici reverentia et legibus omnibus cunctorum devotione servandis.
5) Var. 9, 18 [§ 12] : sed ne pauca tangentes reliqua credamur noluisse sern
omnia edida tarn nostra quam domni avi nostri . . . et usualia iura pubh
. . . censemus . . . custodiri . . . quid per multa discurrimus? legum usualis regithl
et praeceptorum nostrorum probitas ubique servetur. Begleitschreiben dazu 9, 1!
[§ 2]: quae custodita residuum ius non debilitare, sed potius corroborare videantw
Ostgothische Studien. 465
Theil können noch wir die einzelnen Sätze dieser Erlasse in den
uns vorliegenden älteren römischen Rechtsquellen nachweisen, und
wo Neuerungen hinzutreten, tragen dieselben einen dem bestehenden
Recht homogenen Charakter^.
Somit hat König Theoderich nebst seinen Nachfolgern und
ebenso vor ihm König Odovacar das formale Recht eine lex zu
erlassen überhaupt nicht in Anspi-uch genommen, sondern dies als
Reservatrecht des Reichsherrschers anerkannt, das Recht aber gene-
relle und dauernde Verordnungen zu erlassen allerdings, aber nur
in derjenigen secundären Geltung sich vindicirt, wie dasselbe auch
anderen hohen Reichsbeamten, insbesondere dem praefectus praetorio
nach römischer Ordnung zukommt.
X. 525
Die Rechtsstellung der Gothen in Italien.
Die Rechtsstellung der Gothen in Italien hängt ab von den
allgemeinen Normen, welche der römische Staat für die Anwendung
seiner Gesetze und Ordnungen aufstellt.
Seit früher Zeit, man möchte sagen von jeher besteht für die
römischen Rechtsordnungen ein doppelter Kreis der Anwendbarkeit,
unterscheiden sich die personale und die territoriale Satzung. Es
genügt hier an bekannte Sätze zu erinnern. Die strafrechtlichen
Bestimmungen gehören der Regel nach zu der zweiten Kategorie ^
und nicht minder die den Verkehr regelnden 3; in der Epoche, welche
uns hier beschäftigt, wird im Criminal- wie im Civilverfahren weder
hinsichtlich des Rechtsschutzes noch hinsichtlich der Verantwortung
nach dem Personalrecht der betreffenden Person gefragt und. mit
1 Ausnahme der Angehörigen der mit Rom factisch im Kriege stehen-
I den Staaten, auf alle innerhalb der römischen Grenzen verweilenden
Ausländer die Verkehrsgemeinschaft erstreckt*. Zu der ersten
1) Vgl. besonders Dahn Könige der Germanen 4, 45 ff. und Bluhme MG.
iLL. 5, 148. Beispielsweise räth das Edict Theoderichs c. 51. 52 zwar des Beweises
jwegeu Schriftlichkeit allgemein an, fordert aber die Urkunde nur bei Schenkung
von Immobilien, welche Unterscheidung dem theodosischen Gesetzbuch geradezu
^\ enigstens nicht entnommen werden konnte (Brunner zur Geschichte der Urkunde
>. 129). Die meisten Abweichungen laufen hinaus auf Umwandlung der Strafen,
zum Beispiel bei Schadenersatz auf Substituirung des Naturalersatzes für die
Schätzung in Geld. Ebenso wird var. 3, 20 ein zu Unrecht entzogenes Grund-
' ick CMtn alio eiiisdem meriti restituirt.
2) Staatsrecht 3, 599 A. 1. 3) Daselbst B, 605.
4) Der alte Satz, dass jeder mit Rom nicht im Vertrag stehende Staat mit
ilim rechtlich im Kriegsverhältniss sich befinde, steht noch in Justinians Gesetz-
MOMMSEN, SCHR. VI. 30
466 Ostgothische Studien.
Kategorie dagegen gehören insbesondere diejenigen privatrechtlichen
Institutionen, welche nicht dem eigentlichen Geschäftsverkehr dienen,
namentlich das Ehe- und das Erbrecht. Wie in früherer Zeit, so J
noch im sechsten Jahrhundert können Eheschliessung ^ und Beerbung ^ !
nur stattfinden auf der Grundlage des römischen Personalrechts.
Eine Verschiebung ist in dieser Hinsicht nur insofern eingetreten,
526 als das römische Personalrecht der republikanischen und der früheren
Kaiserzeit nicht mit dem römischen Bürgerrecht zusammenfiel, sondern
jedes dem römischen Staat incorporirte mehr oder minder autonome
Gemeinwesen sein eigenes von dem eigentlich römischen verschiedenes,
aber im römischen Staat ebenfalls anerkanntes Personalrecht besass;
es konnte also der Athener und der Ephesier auch nach römischer
Auffassung auf Grund seines Gemeinderechts eine gültige Ehe ein-
gehen und die Erbfolge bei ihm eintreten^. Dagegen ist in der
diocletianisch-constantinischen Rechtsordnung der Kreis des römischen
Bürgerrechts so weit gezogen worden wie die Gemeindeangehörigkeit
des Reiches; unter den Städten desselben werden nicht mehr wie
früher bürgerliche und latinische oder peregrinische unterschieden,,
sondern wer einer städtisch geordneten Reichsgemeinde angehört,
ist auch römischer Bürger*. Demzufolge gelten die römischen Ge-
setze über Ehe und Erbschaft jetzt für alle Reichsgemeinden und
innerhalb dieses Kreises scheinen selbst die Ortsstatuten zwar nirgends
buch (a.a.O. S. 590 A. 2); aber die Freundschaftsverträge gingen ungefähr so
weit wie der politische Horizont der Römer und die formale Ausnahme ist
praktisch die Regel.
1) lustinian inst. 1, 10 pr.: iustas nuptias inter se cives Romani eontrahtmty
qui secundum praecepta legum coeunt. Gaius 1,55 = Dig. 1, 6, 4: in potestate
nostra sunt liberi nostri qiios ex iustis nuptiis pi'ocreavimus , quod ius proprium
civium Umnanorum est.
2) Ulpian Dig. 28, 5, 6, 2 : solemus dicere media tempora non nocere, ut puta^
civis Bomanus heres seriptus vivo testatore factus peregrinm mox civitatem Roma-
nam [recuperavit]: media tempora non nocent.
3) Staatsrecht 3, 692. 745.
4) Wie auch die viel besprochenen Worte Ulpians Dig. 1, 5, 17: in ort
Romano qui sunt, ex constitutione imp. Antonini cives Romani effecti sunt Ursprung'
lieh gefasst und gedacht gewesen sein mögen (vgl. Staatsrecht 3, 699) , als Bi
standtheil der justinianischen Gesetzgebung sind sie sicher in dem oben be-j
zeichneten Sinn auszulegen. [In einem Gießener Papyrus (n. 15), der demnächst
von Paul M. Meyer im 2. Heft der Gießener Papyri veröffentlicht werden wird
ist der Wortlaut der Constitutio Antoniniana erhalten (vgl. die Ergänzung Meyen
in der Zeitschrift der Savignystiftung R. A. 1908 S. 473 f. : 8i8<afii xot[g a\vvanä{
toTs xaTOixovoiv xrj\v oixoviJ,sv[t]]v ji[ohz]siav 'Pa>/j,ai(ov.] Beachtenswerth ist daneb
die Beseitigung der beiden des Bürgerrechts entbehrenden Kategorien der Frei
gelassenen lateinischen und dediticischen Rechts durch Justinian.
Ostgothische Studien. 467
gefehlt, aber in das Personalrecht wenig eingegriffen zu habend —
Indess ist der alte Begriff der reichsangehörigen Peregrinität auch
in dieser Epoche keineswegs verschwunden, wenn gleich die Be-
nennung gewechselt und der Kreis sich verengert hat. Die reichs-
angehörigen barbari oder gentües einer Anzahl von Grenzdistricten
sind wie die ehemaligen reichsangehörigen peregrini vom römischen
Personalrecht ausgeschlossen und es gelten für sie die engeren für
diesen Kreis von den Römern anerkannten Rechtsordnungen 2, Wie 527
wenigstens späterhin in den aus dem römischen Reich entwickelten
Staaten jede diesem Staate angehörige Person nach dem Recht eines
bestimmten Stammes lebt, so verhält es sich auch in dem Staat der
Römer; nur deshalb tritt diese Rechtsanschauung hier nicht so bestimmt
hervor wie dort, weil die Mischung von Bürgern und Nichtbürgern in
dem römischen Reich ebenso secundär ist wie primär in seinen Splittern.
Auch die Stellung der nicht reichsangehörigen innerhalb der römi-
schen Grenzen verweilenden Personen hat sich nicht geändert. Es gelten
für sie die Regeln des römischen Territorialrechts; das römische
Personalrecht aber mangelt ihnen mit allen seinen rechtlichen Conse-
quenzen, wie dies unsere Rechtsbücher in Betreff der Gefangenen und
der Geiseln näher ausführen ^. Eine Consequenz dieser Auffassung, dass
das Vermögen des innerhalb der römischen Grenzen sterbenden Pere-
grinen als herrenloses Gut an den Staat fällt, spricht auch Cassiodor aus *.
1) Das in Armenien geltende Vorzugsrecht der Söhne bei der Erbfolge
schafft Justinian (edict. 3) ab als ein 'barbarisches' und für 'Römer' unschick-
liches Gesetz: 8ia rovzo 8rj xai xovg ■^/nersgovg ixsToe xazejcs/ii^/afiev vö/iiovg, iva stg
avtovg äfpoQiövzeg oihco noXitsvoi.vxo.
2) In einer merkwürdigen Ausführung aus der ersten Hälfte des 5. Jahrh.
(Theodoret 'E}.X. naßrjfi. d^sQanEvnxij tract. 9 p. 337 ff. Gaisf. [p. 223 ed. Raeder])
wird die von den Römern im Allgemeinen innerhalb ihrer Grenzen durchgeführte
Rechtseinheit geschildert, insbesondere bemerkt, dass damals auch Athener und
Lakedämonier nach römischen Gesetzen leben (xazä xovg 'P(Ofiai(ov noXixevovxai
vöfiovg) ; aber eine Anzahl der Grenzvölker : die Aethiopen, die Saracenen, die Lazen,
I die Sanner, die Abasger (alle drei am Kaukasus), überhaupt die den Römern
gehorchenden Barbaren 'machen ihre Verträge nicht nach römischem Recht' {ovxs
■o Al&iOTiEg Ol Qrjßcöv xä>v AtyvMxltov öfioxEQfxoveg , ovxs xä nifinoXXa q)vXa xov
■ uar]X, ov Äd^oi, ov 2ävvoi, ovx 'Aßaayoi, ovx 01 äXXoi ßd^ßagoi 0001 xrjv 'Po>fiaicov
näl^ovxai deanoxEiav xaxä xovg 'Po>fMaia>v vöfxovg xd TiQog dXXrjXovg jioiovvxai ^vfißö-
«(«). Aehnlich stellt Themistios im J. 383 (xagiaxi^gtov vjisg Saxogvlvov p. 257
! >ind.) die ehemals barbarischen Galater, welche jetzt nicht mehr Barbaren sind,
ndem ganz Römer und denselben Gesetzen gehorchen, in Vergleich mit den
len eingewanderten Gothen, die bald auch mit den Römern steuern und dienen
Tden. 3) Staatsrecht 3, 605 A. 3.
4) Var. 9, 14 [§ 3] an den Comes von Syrakus: quorundani etiam substantias
ortnortim . . . fisei nomine caduci te perhibent titulo nhidicare, cum tibi hoc tantum
30*
468 Ostgothische Studien.
Zu diesem Kreis gehören die im Ausland angeworbenen Soldaten.
Die vordiocletianische Zeit hat solche nicht gekannt und die römi-
schen Rechtsgelehrten also keine Veranlassung gehabt sich mit ihnen
zu beschäftigen. Als dieselben dann zu einem mehr oder minder
ständigen Bestandtheil der römischen Streitkräfte wurden, müssen
sie unter die eben bezeichneten Normen gezogen worden sein ^ Der
persische Kaufmann, die sarmatische Geisel, der fränkische Söldner
waren gleichmässig im römischen Reich verweilende und unter nor-
malen Verhältnissen in die Heimath zurückkehrende Ausländer und
528 ihre Rechtsstellung principiell dadurch gegeben. Allerdings ist von
dieser Rechtsconsequenz wohl häufig durch personale oder generelle
Anordnung abgegangen worden. Wie derartiger/ Verfügungen zu
Gunsten der Geiseln mehrfach gedacht wird, so sind wahrscheinlich
auch zu Gunsten der angeworbenen Mannschaften Ausnahmebestim-
mungen ergangen; das Testirrecht des römischen Soldaten mag auf
sie erstreckt, das subsidiäre Intestaterbrecht der Truppenkörper eben
mit Rücksicht auf sie von Constantius II. eingeführt worden sein'-*.
Die Stellung der bei den Römern Dienst nehmenden Fremden
verschob sich thatsächlich , als diese nicht mehr kamen, um wieder
zu gehen, sondern ihr Dienstverhältniss bleibend und erblich wurde.
In welchen Formen dies im Orient sich vollzogen hat, entzieht sich
so gut wie ganz unserer Kunde und soll hier nicht erörtert werden.
Dass im Occident dergleichen Ansiedlungen bereits im Anfang des
fünften Jahrhunderts begegnen, ist schon dargelegt worden (S. 439);
indess über die Rechtsstellung der Sarmaten der Notitia wissen wir
ebenfalls nichts. Vielleicht sind sie als einquartierte Soldaten be-
trachtet und ist auf sie die römische Vorschrift angewendet worden,
dass ein solcher Anspruch hat auf den dritten Theil der Behausung ^.
Zu Grundbesitzern aber hat erst Odovacar seine Mannschaften ge-
de 2^eregrinis videatur esse commissum, quibus nullus her es aut testamentarms
legitimus invenitur. Der Eelativsatz kann nur die Rechtsstellung der Peregrinen
überhaupt definiren, da ein Römer auch dieser Zeit nicht vom heres testamentarius
aut legitimus eines Peregrinen sprechen kann, auch, wenn der Fall der Erb-j
losigkeit (bona vacantia) bezeichnet werden sollte, dieser bei dem Bürger so gut]
wie bei dem Peregrinen eintreten konnte.
1) Der auswärtige Söldner steht strafrechtlich unter römischem Gesetz.
Nach diesem wird ein Hunne in Belisars Heer wegen eines begangenen Todt-
schlags bestraft; vergeblich verlangen seine Kameraden, dass er nach seinem
Landrecht gerichtet werde (Prokop b. Vand. 1, 12). Ebenso verfährt Narses gegeL
einen Eruier, der den römischen Bestimmungen zuwider das Recht seinen Sclaver
zu tödten in Anspruch nimmt (Agathias 2, 7).
2) C. Th. 5, 4, 1.
3) C. Th. 7. 8, 5 = C. lust. 12, 40, 2 und sonst. Vgl. Dahn 2, 43.
t
i
fl
Ostgothische Studien. 469
macht; darüber, dass die römischen Machthaber sich weigerten diese
Forderung des germanischen Condottiere zu erfüllen, ist das Westreich
zusammengebrochen; die Söldner setzten dann sich selber in Besitz.
Theoderich hat im Wesentlichen nichts anderes gethan als an die
Stelle der Leute Odovacars die seinigen gesetzt. Erst in Beziehung
auf die letzteren kann die Frage, welche Rechtsstellung sie einnahmen,
vielleicht eine Antwort finden.
Auch als ansässige und tributpflichtige Leute sind die Gothen,
vom römischen Standpunkt aus betrachtet, Ausländer geblieben ^
Selbst die Gewalt des italischen Königs war, wie es scheint, hierin
der kaiserlichen ungleich und durch diese nationalen Schranken ge-
bunden; weder konnte er den Römer zum Gothen noch den Gothen
zum Römer machen, da auf diesem Gegensatz die gesammte Ordnung
der Dinge in Italien beruhte^. Wie Alexanders Makedonier neben
den Asiaten, wie die cives Romani in Cirta und Kyzikos neben den 529
Stadtbürgern, so stehen in Italien die Gothi neben den Romani,
immer vor, aber vor allem immer neben diesen. Einen römisch
i:('l)ildeten Gothen nennt König Theoderich in einem Schreiben an
den Senat civis paene vester (S. 456 A. 2). Sie sind unfähig ein
ithnisches bürgerliches Amt zu bekleiden und im römischen Senat zu
<itzen. Sie gehören keiner Reichsgemeinde an; die Gothi Dertonae
ronsistentes sind nicht cives Dertonenses^ und nicht einmal incolae^; von
den municipalen Aemtern sind sie nicht minder ausgeschlossen wie von
I Ionen des Staats. — Sie gelten ferner, auch als Angesiedelte, sämmtlich
als Soldaten. Es liegt im Wesen der sesshaften Soldatesca, dass jeder
Dienstfähige angesehen wird als dienend; aber auch auf Frauen, Kinder,
Greise muss diese Auffassung sich erstreckt haben. — Yon diesem Aus-
gangspunkt, dass sie sämmtlich Ausländerund sämmtlich Soldaten sind,
sind die Fragen zu beantworten, welchen Gerichten sie unterworfen
sind und welche Rechtsnormen für sie zur Anwendung kommen.
1) Die Gotheu trügen Bedenken sich den Franken zu unterwerfen, weil sie
Lchten alsdann ihr eigenes Recht (die Jtdrgia v6f.uf.ia) zu verlieren (Agathias 1, 20).
2) Dies lehrt namentlich die Ertheiluug des Consulats an Eutharich durch
u Kaiser (oben S. 381). Als kaiserliche kommt die Verleihung eines römischen
I Amts an einen Ausländer, welche die des römischen Bürgerrechts voraussetzt
1 »der einschliesst, häufig genug vor,
3) Consistere ist bekanntlich technisch für das blosse Domicil im Gegensatz
jÄüiu Bürgerrecht [vgl. oben S. 156. 186] und steht bei Cassiodor meistens in diesem
ISinn; incorrect 3, 9: possessoiibus defensoribiis et curialibus Estunis ['vielleicht
•<fini' Mo. in s. Ausg.] consistentibus.
4) Der Incolat mit seinen Rechten und Pflichten (Staatsrecht 3, 803 iF.)
lerte wahrscheinlich das Reichsbürgerrecht. Der in Capua wohnhafte Puteo-
!ier ist ineola, aber schwerlich der dort wohnhafte Perser.
470 Ostgothische Studien.
Die Competenzfrage ist wesentlich entschieden durch die Sol-
datenqualität ^. In dieser Epoche gilt für den Römerstaat die Regel,
dass der Soldat sowohl im Criminal- wie im Civilv erfahren nur vor
das Militärgericht gestellt werden kann 2; und diese liegt auch den
Ordnungen Theoderichs zu Grunde. Indess sind dieselben insofern
weiter gegangen, als danach alle zwischen einem Gothen und einem
Römer geführten Processe, auch wenn jener Kläger ist, vor das
Militärgericht gehörten, nur dass dem betreffenden Offizier die bei
allen Civil- und Militärgerichten längst übliche Zuziehung eines
rechtskundigen Römers für diese Fälle zur Pflicht gemacht wurdet.
530 Dies ist ein Uebergriff des Föderatenregiments und sicher mehr aU
jeder andere von den Römern als unbillig und gemeinschädlich
empfunden worden; es hat denn auch Justinian nach der Eroberui
sofort die Competenz der Militärgerichte wieder auf das alte relat
erträgliche Mass beschränkt*. — An welche Stellen hienach die
Klagen zu bringen sind, ergiebt sich im Allgemeinen aus der früher
über die Militärbehörden gegebenen Ausführung. In Italien ging
ein solcher Prozess zunächst an den einzelnen Stadtcommandanten ^j
in den Provinzen entweder an diesen oder an den dort den Befel^l
führenden Dux oder Comes ^ ; in welchem Yerhältniss in dem letztere^
1) Die hier versuchte Wiederaufnahme der bekannten Glödenschen Auf-
fassung weicht von dieser darin wesentlich ab, dass die gothische Nationalität
auch für den richtenden Offizier gefordert wird und dürfte damit den gegen
diese mit Recht erhobenen Bedenken nicht ausgesetzt sein.
2) Theodosius IL nov. 4; Marcianus nov. 1, 7; Anastasius cod. lust. 12, 35, 18 pr.
3) Var. 7, 3 [§ 1] in der Formel der comitiva GotJiornm per singulas civitates:
(comes) secundum edicta nostra inter duos Gothos litem debeat amputare; si quod
etiam inter Gotlium et Romanum natum fuerit fortasse negotium, adhibito sibi pru-
dente Romano certamen possit aequabili ratione discingere: inter duos autem Ro-
manos Romani audiant quos per provincias dirigimus cognitores. 9, 14 [§ 7] an |
Gildila, den comes Syracusanae civitatis: dum um negotia Romanorum etiam Im invitis
adtuum diceris vocare iudicium; quae . . . ulterius non praesumas, ne, dum vis iudicium
incompetenter quaerere, reatum potius videaris invenire. Memm' enim . . debes esse
edicti . . . Ordinariis iudicibus administrationum sua7-um potestas inlibata servetur.
Vgl. S. 443 A. 1. Mit vollem Recht hat Glöden in diesem iuris prudens denj
römischen Adsessor erkannt; die bei dem gothischen Comes eintretende Besonder- 1
heit besteht nur darin, dass der römische richtende Beamte diesen zuziehen
kann, der gothische ihn zuziehen muss. Mehr als gutachtliche Autorität kommt
auch hier ihm sicher nicht zu.
4) Justinian pro pet. Vigilii 23 : Utes inter duos procedentes Romanos vel ubi
Romana persona pulsatur, per civiles iudices exercere iubemus, cum talibus negotiü J^ ''
vel causis iudices militares immiscere se ordo non patitur.
5) Auf diese bezieht sich die Formel 7, 3.
6) Dies zeigt namentlich der Erlass an den Statthalter von Sicilien 9, 14 [•|
Diejenigen an den Comes der Provinz Sirmium 3, 23. 24 beweisen wohl, daaj
4
Ostgothische Studien. 471
Falle die Militärgerichte zu einander standen, wissen wir nicht.
Ebenso wenig lässt sich ermitteln, wie diese Militärgerichte geordnet
waren und ob etwa der Umstand dabei mitgewirkt hat^.
Es bleibt das Königsgericht. Dasselbe ruht in den Ordnungen
Theoderichs völHg wie in den byzantinischen auf der formulirten
personalen Allmacht des Herrschers; er kann jeden Prozess sowohl
anstatt des competenten Gerichts wie unter Cassirung des von diesem
gefällten Urtheils^ an sich ziehen und entweder selber entscheiden^
oder auch zur Entscheidung an beliebig von ihm ausgewählte Special- 531
delegirte weisen *. Eine Unterscheidung zwischen den vor die Militär-
und den vor die Civilgerichte gehörenden Streitigkeiten oder, was
dasselbe ist, zwischen Gothen und Römern ist theoretisch wie praktisch
bei dem Königsgericht nicht wohl denkbar und es zeigt sich davon
auch nirgends eine Spur: die eigenthümlichen Rücksichten, welche
iin Ostreich auf die Einschränkung des Kaisergerichts im Militär-
process hinwirkten ^, bestehen im italischen Westen nicht. Principiell
fällt das theodericianische Königsgericht schlechthin mit dem römi-
schen Kaisergericht zusammen und tritt nur, den engeren Verhält-
(li'iselbe auch über Römer Jurisdiction hat, schliessen aber nicht aus, dass
auch hier die Prozesse zwischen Römern an den Statthalter gingen.
1) Den capillatorum conventtis erwähnt das Edict 145. Der König schreibt
auch wohl vor, dass die Parteien sich über die Richter vereinbaren sollen (var.
4, 14. 46).
2) Var. 4, 46 cassirt der König den von einem Gothengrafen gefällten Spruch
und ordnet abermalige Instruction der Sache an. Ob ein geordnetes Appellations-
verfahren in den vor das Gothengericht gehörigen Sachen bestand, ist sehr
zweifelhaft. Dass ein gothischer Dux angewiesen wird einen Gothen nicht zu
Unrecht als unfrei zu behandeln (var. 5, 30), gehört kaum hieher. Dass in den
Prozessen der Römer die Appellation namentlich an den praef. praetorio und den
praef. urbi fortbestand, ist bekannt.
3) Var. 5, 15 [§ 1]: cundis labwantihus comitatus noster coticedit iustitiam. Dies
ist nostra audientia (3, 37 [§ 2]), nostra mdida (5, 40 [§ 4]), in welchen die dabei
I lotheiligten jungen Männer für ihren künftigen richterlichen Beruf sich schulen.
' Me vorgeforderten Personen werden unter Umständen gebunden vor den König
führt (var. 3, 20 [§ 3]).
4) Ein solches Commissorium erhalten für einzelne Processe Sona und Theo-
»lahathus (var. 3, 15). Var. 3, 13 wird Sunhivadus v. sp. beauftragt, die in Sam-
nium zwischen Gothen und Römern, wohl wegen der Bodentheilung, entstandenen
Streitigkeiten zu schlichten. In anderen Fällen weist der König den beikommen-
den Richter an, seine Schuldigkeit zu thun (var. 8, 28).
5) Die S. 470 A. 2 angeführten Verordnungen von Theodosius IL und
Marcianus beschränken die Berufung der Militärpersouen an das Kaisergericht
mit Rücksicht theils auf die gi-ossen Dimensionen des Reiches, theils wohl auch
auf das unkriegerische Verhalten der Herrscher des Ostreichs. Bei Theoderich
fielen beide Rücksichten weg.
^-^2 Ostgothiache Studien.
nissen und der Individualität des Herrschers entsprechend, mit
stärkerer Intensität auf.
In diese Verbindung gehört die Tuition. Nach den römischen
Ordnungen des sinkenden Reiches kann, wer sich in seiner persön-
lichen Sicherheit bedroht fühlt, von dem Gericht besonderen Schutz
erbitten und ihm einer der Officialen desselben zugewiesen werden
mit dem Auftrag, dem Petenten Beistand zu gewähren i. Untersagt
532 ist die Zutheilung eines Soldaten anstatt des Apparitor^. Nach der
rechtlichen Consequenz muss diese Befugniss wie jedem anderen
Grericht so auch dem Kaiser zugestanden haben; indess findet sich
unter den wenigen Nachrichten, die uns über die Tuition unter dem
Kaiserregiment zugekommen sind, von Gewährung derselben durch
die höchste Stelle kein Beleg. Umgekehrt erscheint dies Instituij
in den aus der theodericianischen Epoche vorliegenden Nachrichtei
nicht ausschliesslich 3, aber überwiegend als Königsschutz, regelmässig
1) Erwähnt wird die Tuition in Verordnungen von 393 C. Th. 1, 21, 1 (A. 2)
von 412 C. Th. 13, 6, 36: si quis cuiusKbet dignitatis iudicum. vel militantutiki
. . . aditus negaverit petitum a se tuitionis praesidium und von 413 cod. lust. 1, 33, 3:
si quis iudicum vir illustris vel praefectus urbi cognitionem comitivae privatarum
examini debitam sibimet vindicandam censuerit vel tuitionem contra eiusdem ,
sedis statuta praestiterit ; vgl. auch C. Th. 4, 15, 1. Deutlicher als in den Gesetzen^
tritt uns das Institut entgegen bei Symmachus ep. 9, 24 [22]: hominum tuorum
cura summota est, quos et praesentia mea et iudiciaria tuitio defendit und vor allem
rel. 23. Hier erhält ein unbotmässiger Advocat des bei der Stadtpräfectur
thätigen Barreaus gegen den praefectus annonae, dessen Officialen er in einer
nach seiner Meinung berechtigten Weise abgewehrt hat, und gegen den Stadt-
präfecten selbst, dem er parteiische Behandlung eines ihn persönlich berührenden
Processes zur Last legt, Schutz von dem zweiten kaiserlichen Oberrichter in
Rom, dem Vicarius {tuitionem postulavit — auxilium impetravit), worüber sich der
Stadtpräfect namentlich insofern beschwert, als der Vicarius im Rang unter ihm
steht. Nachher verlangt ein gewisser Felix, auf dessen Zeugniss es ankommt
und der deswegen festgehalten wird, von dem Stadtpräfecten tuitionis auxilium
und dieser giebt ihm einen seiner Nomenciatoren bei ut in urbe pacata; dennoch
bemächtigen sich die Gegner seiner mit Gewalt und führen ihn in ein Privat-
haus ab.
2) C. Th. 1, 21, 1 = lust. 1, 46, 1: numquam omnino negotiis privatorum vel
tuitio militis vel executio tribuatur. Daher civilis tuitio var. 1, 36 [§ 2].
3) Der Senatsvorsteher wird aufgefordert einem von Rom Abwesenden
Tuition zu gewähren (var. 1, 15), ebenso wahrscheinlich Provinzialstatthalter
hülfsbedürftigen Personen (var. 1, 36. 2, 29). Nicht gleichartig ist, trotz de«
gleichen Ausdrucks, var. 4, 41 [§ 3] : ne euiusquam . . . temeritas in te Impetus reparare
possit audaciae, patricii Albini . . . tuitio te deputata communiet, da Albinus Pri-
vater zu sein scheint; dies dürfte eher mit dem Patrocinium zusammenzustellen
sein, das über die Grünen des Circus zu übernehmen der König zwei Patricier
auffordert (1, 20 [§ 3]).
Ostgothische Studien. 473
bewirkt durch Zuordnung eines der Agenten in rebus, respective
eines Saio S welche, wie wir sahen (S. 410 A. 6), formell den civilen
Officialen zuzuzählen sind. Principiell besteht kein Unterschied
zwischen der Tuition unter Theodosius 1. und derjenigen unter Theo-
derich ; thatsächlich tritt das Selbstregiment des germanischen Fürsten
hier, wie überhaupt in der Rechtspflege, mit einer Wuchtigkeit auf,
zu welcher kein Kaiser, auch Justinian nicht die Parallele bietet
und welche allerdings, geschichtlich betrachtet, als eine tiefgreifende
Umgestaltung der Staatsordnung angesehen werden muss.
Die weitere Frage, welche Rechtsnormen auf die Gothen An-
wendung finden, wird vom römischen Standpunkt aus dahin beant-
wortet werden müssen, dass darüber zunächst die ausgesprochene
oder aus den Umständen hervorgehende Absicht des römischen 533
Gesetzgebers entscheidet, wo aber kein Specialgesetz vorUegt, alle
territorialen Gesetzvorschriften, aber auch nur diese auf den Gothen
Anwendung finden. Dem entspricht der Thatbestand. Die criminelle
Legislation so wie die den Verkehr betreffende civile ist einheitlich
und bleibt dies auch, nachdem die Germanen in Italien angesiedelt
sind; an zahlreichen Stellen ist es bezeugt, dass die Kaisergesetze
unter Theoderich ebenso für Gothen wie für Römer gelten und die
IVerfügungen des Königs selbst wenden sich gleichmässig an alle ihm
jium Gehorsam Verpflichtete 2. Auch konnte der Gothe, nachdem
1) Nach der formula tuitionis 7, 39 wird dieselbe gewährt durch eine
loppelte iussio, die eine gegen die Gothen, die andere gegen die Römer ge-
lichtet; es wird dies zu verstehen sein von der Beauftragung eines einzehien
'iaio und eines einzelnen Agenten in rebus mit der entsprechenden Beschützung.
- die Tuition in der Zuordnung eines speciell bezeichneten Apparitor {auxilium
III 4, 27 [§3]) besteht, in dem defensionis praesentis commodum (1, 06 [§ 2]) zeigt
ieli insonderheit 1, 37: contra incivilium impetus Candacis (vgl. lordanes Get.50, 265)
fuitionem sub aequabili defensione praestamns , ut nee legibus te subtrahat nee
'in contra iura publica laboi'are permittat, ferner 4, 27. 28. 7, 42 vgl. 5, 39 a. E.
Xerkwürdig ist die Gewährung des Königsschutzes an den Statthalter von Cam-
'anien gegen seinen Vorgesetzten, den praefectus praetorio (3, 27); doch kann
freilich derselbe im allgemeineren Sinne verstanden sein, wie anderswo
;i7. 6, 13. 8, 1) sicher. Scharfe Abgrenzung dieser Form der Verwendung der
pparitoren gegenüber dem allgemeinen Königsmandat (S. 411) darf sachlich
)enso wenig erwartet werden, wie strenge Terminologie bei Cassiodor.
2) Var. 0, 13 [§ 2]: nee permittimus discreto (so, nicht indiscreto die Hs.) iure
vere, quos uno voto volumus vindicare. Wenn 8, 3 [§ 4] der König gelobt iustitiam
custodire et Goihis Romanisque apiul nos ius esse commune, so ist wohl gleiche
jrechtigkeit, nicht gerade gleiches Recht gemeint. Theoderichs Edicte wenden
"h bekanntlich bald ausdrücklich, bald stillschweigend immer an Gothen und
)mer zugleich. Dass die Gothen sich der Rechtsgleichheit nicht immer
474 Ostgothische Studien.
er vömischev 2JOSsessor geworden war und die römischen Grundabgaben
entrichtete, unmöglich in diesen wesentlichen Beziehungen bei seinem
nationalen Verkehrsrecht bleiben. Liesse es sich nachweisen, dass
Theoderich gothische Rechtssätze in seine allgemeinen Erlasse auf-
genommen hat, so wären diese Sätze eben dadurch zu römischen
geworden. Aber schwerlich hat er in diesem Sinne verfügt; nicht
bloss weil er überhaupt, wie bemerkt ward (S. 464), sich enthielt
die bestehenden Rechtssätze zu ändern, sondern weil das römische
Princip der Gleichförmigkeit des Territorialrechts ohne Zweifel auch
von ihm aufgenommen und festgehalten ward. Jene Bestimmung
hinsichtlich der nothwendigen Zuziehung eines des römischen Recht«
kundigen Beiraths bei den Processen zwischen Gothen und Römejj
wird füglich dahin ausgelegt werden dürfen, dass der Militärricht
in diesem Fall gehalten war, nach römischem Rechte zu entscheide
Wo dagegen bloss Gothen betheiligt w^aren, wird daraus, dass aj
dann der gothische Richter einen römischen Juristen nicht zuzuziehdl
hatte, weiter gefolgert werden dürfen, dass er in solchen Fällen di|
heimischen Rechtsordnungen zur Anwendung bringen sollte. Dim
ist die nothwendige Consequenz der Aufnahme ausländischer Stämmf:
in den Territorialverband; es kann den Gothen des Westens nichi'
versagt worden sein, was der Osten den Lazen und den SaraceneÄ
gewährte (S. 467 A. 1). Einer Völkerschaft, die dem römischöit
Reich, aber nicht dem römischen Bürgerverband angehörte, könnt
534 man für den inneren Verkehr die herkömmlichen Geschäftsform«
nicht füglich untersagen, am wenigsten wenn diese Völkerscha
mehr noch herrschte als diente.
In noch höherem Grade gilt dies von dem Personalrecht. Dem i
Ausländer ist dasselbe in seiner römischen Gestaltung principielll
verschlossen; um es ihm in anderer Form zu ermöglichen, bedarf!
es vom römischen Standpunct aus eines legislatorischen Acts oderi
doch einer diesen vertretenden Observanz. Solche Acte oder solche i
Observanzen können hier nicht ausgeblieben sein. Es muss für die
innerhalb der Reichsgrenzen angesiedelten gothischen Soldaten einj
Ehe- und ein Erbrecht gegeben haben, also ihnen entweder ihr bis-'
heriges Landrecht als römisches Statutarrecht geblieben oder eiii
solches neu verliehen sein. Wie weit dies sich erstreckt hat, bleib,
unbestimmt 1 und selbst über Ehe und Erbschaft erfahren wir nich
willig unterwarfen, ist begreiflich; Wendungen wie var. 2, 29 [§ 2]: a qHoquat.
cuiuslibet nationis homine und 5, 39 [§ 6] : conductcyres domus regiae, quacumqu,
gente sint editi sprechen deutlich.
1) Die civilrechtliche Majorennität ist wohl auch als Personalinstitution z|
Ostgothische Studien. 475
viel. Dass die Ehe zwischen einem Gothen und einer Gothin^ in
der gothischen Form abgeschlossen als gothische anzusehen ist
und aus ihr rechte Erben nach gothrscher Ordnung hervorgehen,
versteht sich von selbst; ob die Form des Eheschlusses eine eigen-
thümliche war oder die römische Consensualehe auf die Föderaten
erstreckt ward, wissen wir nicht. Nach Kaiserrecht war die Ehe
sowohl des Römers mit einer Ausländerin wie des Ausländers mit
einer Römerin nicht bloss nichtig, sondern auch criminell strafbar^;
auch in dem Herrschaftsgebiet Theoderichs kann eine solche Ver-
bindung nicht wohl rechtsgültig gewesen sein^. Hinsichtlich des
Erbrechts hat Theoderich die Anwendbarkeit der römischen Be-
stimmungen über das Militärtestament auf die Gothen gemäss ihrer
Soldatenstellung edictalisch festgestellt*. Nach welchen Regeln die 535
Intestaterbschaft des Gothen regulirt ward, erfahren wir nicht. Mag
die königliche Legislative auch in dieser Hinsicht manche Verschieden-
heiten zwischen Römern und Gothen ausgeglichen haben, andere
Hess sie sicher bestehen.
Während also der römische Bürger personell nach römischem,
lebte der neben ihm wohnende italische Gothe nach seinem eigenen
davon verschiedenen Personalrecht. Dafür gewährt eine zwar späte,
aber schlagende Bestätigung ein im J. 769 in Brescia aufgenommener
ii.juachten und man kann aus var. 1, 38 [§ 2] herauslesen, dass die Waffenfähigkeit
Idem Gothen die aetas legitima giebt; aber es kann auch eine Vergünstigung für
leii einzelnen Fall gemeint sein. Bei der formula aetatis veniae 7, 41 scheint
lur an Römer gedacht zu sein.
1) Aber nicht einmal unter den Gothen Theoderichs hat allgemein Conu-
Mum bestanden. Prokop b. G. 3, 2 (vgl. S. 479 A. 2).
2) Valentinian I. bedrohte dergleichen Mischehen mit Capitalstrafe (C. Th.
i3, 14, 1). Der Gothe Fravitta erhielt von Theodosius I. ausnahmsweise Erlaub-
liss, eine solche Ehe einzugehen (Eunapius fr. 60: ywalxa fjrrjos 'Pcof^iaiav svdvg
. . xai 6 ßaoü.svg ijiszQsys xov yd^ov).
3) Die allerdings nicht klare Stelle var. 5, 14 [§ 6] (S. 440 A. 4) zeigt, dass für
jlen bfirburus wenigstens in Pannonien an die Heirath mit einer Römerin sich
lechtsnachtheile knüpften. Die aus einer derartigen Verbindung entsprossenen
Cinder folgten nach römischer Ordnung dem Recht der Mutter. Ob aber in
lerjenigen Epoche, wo die Gothen mehr galten als die Römer, das von einer
iothin mit einem Römer erzeugte Kind als gothisch galt, ist mindestens
weifelhaft.
4) Edict32: barbari, quos certum est rei publieae militare, quomodo rolueiint
t potuerint faciendi darnus licentiam testamenti, sive domi sive in castris fuerint
onstituti. Auch dies ist nicht eigentlich Codification, sondern Interpretation,
'eiche zugleich anerkennt, dass der Gothe auch nicht mobilisirt dennoch Soldat
it. Ein civilrechtliches Testament können nach demselben Edict 28 nur die
rrichten, quos testari leges permittunt.
476 Ostgothische Studien.
Rechtsact eines Stavila civis Brixianus vivens legem Gothorum ^. Die
italischen Gothen sind durch Justinian wohl unterworfen, aber nicht
ausgerottet worden; sie verloren die jährlichen Donative und ihren
privilegirten Gerichtsstand, aber nicht ihren Grundbesitz. Wie Justi-
nian in seinem Regulativ für die neue Präfectur die Verfügungen
aller gothischen Könige mit Ausnahme derjenigen des 'Tyrannen'
Totila bestätigte, so werden zahlreiche Gothen in ihrer alten Pere-
grinenstellung im Reich verblieben sein, und von dem Nachkommen
eines derselben ist jene Urkunde ausgestellt worden. ;'Mm
536 XI.
Gesammtergebniss.
Fassen wir zusammen, was bisher im Einzelnen erörtert ward.
Die germanischen Könige, welche das Westreich verwalten, sind
für ihre Person römische Bürger. Den kaiserlichen Geschlechts-
namen der Flavier^ führen sowohl Odovacar^ wie Theoderich* iff;
1) Cod. dipl. Langob. n. 38 col. 72, angeführt von Bruuner Rechtsgeschichte
1, 271 [2. Aufl. S. 396]. Dass für das correcte consistens Brixiae hier civis Brixianus
sich eingestellt hat, ist begreiflich. — Die ecclesia legis Gothorum und die ähn-
lichen Formeln der ravennatischen Urkunden beziehen sich auf die arianische
Coufession.
2) Bekanntlich ist Flavius der angeborene Geschlechtsname Constantius L,
wozu er dann den seines Adoptivvaters Valerius fügte. Jener ging nicht blos
auf seine gesammte Descendenz über, sondern auch nach deren Erlöschen auf
die sämmtlichen späteren Kaiser (Eckhel 8, 500). Die Erbmonarchie ist zwar
wie der vordiocletianischen (Staatsrecht 2, 1135), so aucb der späteren Staats-
ordnung genau genommen fremd ; wohl aber wird die Nachfolge immer als
Erbfolge gedacht, ja diese Anschauung sogar auf die vordiocletianischen Herr-
scher übertragen (a. a. 0. S. 1144-). Dass das templum gentis Flaviae auf dem
Quirinal, eine Anlage Domitians (Becker Topogr. S. 586), von Claudius 'futurm'tm
memor'' ausgebaut wird (vita 3, 6 vgl. trig. tyr. 33, 6) , gehört zu dessen fictiver
Verknüpfung mit dem constantischen Hause . die ihm auch in der gefälschten
Urkunde vita Aurel. 17 den Namen Flavius Claudius verschafft hat. Die im
4. Jahrh. jenem Gebäude gegebene seltsame Bezeichnung Flaviae gentes wird auf
die Hinzuziehung des constantischen Hauses zu dem vespasianischen bezogen
werden dürfen. Von dem Flaviercult in Africa spricht Victor Caes. 40, 28, v<m
dem in Italien die hispellatische Inschrift Henzen 5580 [C. I. L. XI, 5265 =
Dessau 705; vgl. ebd. n. 5283 = Dessau 6623], bei deren Rettung, als diese noch
nöthig war, ich in den Berichten der sächs. Gesellschaft 1850 S. 199 ff. weiteres
über den Flaviercult zusammengestellt habe.
3) Auf den Münzen nennt er sich Fl(avius) Odovac(ar). Rossi inscr. ehr. 1
p. 390; Friediänder Münzen der Vandalen S. 58.
4) So nennt er sich in den Schreiben an die römische Synode Thiel epist.
pontif. 1 p. 672. 678 [Cassiodorus ed. Mommsen p. 420. 424] und an den römischen
Senat MG. LL. 5, 169. Cassiodor hat diese Benennung nicht, ohne Zweifel nur,
weil er consequent die Einnamigkeit durchführt.
r
i
Ostgothische Studien. 477
Folge der kaiserlichen Bürgerrochtsverleihung ^. Sie sind befugt, die
römische Tracht zu tragen, und wenigstens Theoderich hat dies 537
späterhin gethan (A. 2). Sie sind fähig, römische Aemter und Ehren zu
empfangen, wie denn insbesondere Theoderich als magister militum,
als Consul und als patricius fungirt hat. Ihre Stellung an der Spitze
des "Westens, so weit er damals noch zum Reiche gehörte, — Spanien
ist, auch als es unter Theoderich stand, von ihm als selbständiges
Königthum beherrscht worden (S. 378^) — setzt sich aus einem zwie-
fachen Element zusammen: sie sind einerseits römische Beamte,
andererseits Stammfürsten der im römischen Reich angesiedelten,
aber des römischen Bürgerrechts entbehrenden Barbaren.
Die erstere Stellung ist das magisterium militum praesentale mit
erweiterter Competenz, insonderheit durch das schon dem Odovacar
beigelegte Recht, die übrigen nach römischer Ordnung für das West-
n i(!h erforderlichen Beamten zu ernennen und durch die erst unter
Theoderich hinzutretende Befugniss, das Purpurgewand ^ und was
sonst die kaiserliche Hofhaltung von der privaten unterschied^, gleich
1) Die seit dem 4. Jahrh. häufigen vornehmen Flavier werden zum kleineren
Theil den auch in vordiocletianischer Zeit nicht seltenen Häusern dieses Namens
ioder einer der beiden flavisschen Kaiserfamilien entsprossen sein; bei weitem die
(meisten werden denselben führen in Folge der Schenkung des Bürgerrechts an
den Begründer des betreifenden Hauses in constantinischer oder nachconstanti-
inischer Zeit. Nach dem früheren Herkommen (Staatsrecht 3, 64 A. 1) giebt
diese dem Neubürger den kaiserlichen Geschlechtsnamen und wir haben keine
lürsache, weder an der Fortdauer dieses Gebrauchs zu zweifeln, noch nach
janderen Gründen zu suchen. Die von R. Scholl (bei Nöldeke die ghassanischen
|Färsten S. 15) zweifelnd geäusserte Vermuthung, dass der Name den Patricier
[bezeichne, ist auf jeden Fall unstatthaft, da der Patriciat persönlich, der Name
erblich ist. Es sind auch keineswegs gerade die vornehmsten Geschlechter, bei
welchen der Flaviername sich einstellt, viel eher die fremden, wie zum Beispiel
oei Stilicho und Merobaudes, ebenso den saracenischen Phylarchen und den
germanischen Königen. Die massenhafte Einführung germanischen und über-
laupt ausländischen Blutes in die römische Aristokratie, welche mit dem
^ermanophilen Constantin beginnt, spiegelt sich in den vornehmen Flaviern
lieser Jahrhunderte ebenso deutlich, wie die Einführung der inländischen Nicht-
•ömer in den römischen Heerdienst in den Aeliern und Aureliern des zweiten
md des dritten Jahrhunderts.
2) Cassiodor chron. zum J. 476: nomen regis Odovacar adsumpsit, cum tarnen
xfc purp^cra nee regalibus uteretur insignihus. Anon.Vales. 53: mittens legationem
Cheodericus . . . ad Zenmiem imperatorem et ab eodem sperans vestem se induere
egiam. Jordan es Get. 57, 295: Theodsricus . . . Zenone imp. consulto pi-ivattim
abitum suaeque gentis vestitum seponens insigne regio amictu quasi iam GotJwrum
lomanormnque regtiator adsumit. Dass er den Purpur trug wie der Kaiser,
estätigt Cassiodor var. 1, 2 [§ 2].
8) Die regalia insignia, auf welche Odovacar nicht Anspruch machte (A. 2)
478 Ostgothische Studien.
dem Kaiser zu führen. Trotz dieser weitgehenden Befugniss blieben
sie römische Beamte. Es ist nicht weit von Stilicho zu Odovacar
538 und Theoderich. Wären die Präliminarien zur Ausführung gelangt,
welche zwischen den Abgesandten Justinians und dem Nachfolger
Theoderichs vereinbart wurden und in denen dieser auf das Recht
der Beamtenernennung und ohne Zweifel auch auf den Purpur ver-
zichtete, so wäre zwischen dem also beschränkten Gothenkönig und
dem römischen magister militum kaum eine Yerschiedenheit übrig
geblieben. Aber auch die volle Herrschergewalt, wie sie nach dem
Abkommen mit Anastasius König Theoderich bis zu seinem Ableben
unbestritten ausgeübt hat, ist die eines römischen Beamten. Er
vermied freilich sich magister militum zu tituliren, da er mehr war,
aber er nannte sich auch nicht Augustus und was ihn betraf war
nicht sacrum; er besass das Münzrecht nicht oder doch nur in unter-
geordneter Weise ; die Gesetzgebung übte er nur in der Beschränkung
wie andere hohe Reichsbeamte auch; das Recht dem Nichtrömer das
Bürgerrecht zu verleihen und also Gothen in die römischen Aemter
und den römischen Senat zu bringen hat ihm ebenfalls gefehlt.
Theoderich hat die weitgezogenen, aber dennoch seine Stellung von
der der Könige der Burgunder und der Westgothen scharf scheiden-
den Schranken nach der formalen Seite hin streng eingehalten und
nie aufgehört den Westen als Beamter des Kaisers zu regieren^, v
Daneben war der römische magister militum zugleich König
derjenigen im römischen Reich angesiedelten, aber nicht zu den
Reichsbürgern zählenden Germanen, denen er durch seine Geburt
angehörte. Wie weit dieser Kreis zu ziehen ist, lässt sich direct
aus den römischen Quellen nicht entscheiden; aber es wird kein
Verständiger daran zweifeln, dass der Gothenkönig Theoderich zu- j
nächst nicht viel mehr gewesen ist als jene Könige der Alamannen,
mit deren sieben Julian bei Strassburg schlug, dass er, wie es jetzt
ausgedrückt zu werden pflegt, nicht als Volkskönig der Gothen seine
Laufbahn begann, sondern einer ihrer Gaukönige war. Erweitert!
und die ornamenta palatü, welche derselbe nach Constantinopel sandte und die
dann Anastasius an Theoderich zurückschickte (anon. Vales. 64), fallen wesentlich
zusammen; neben dem abstracten Recht, das rothe Gewand anzulegen, kam in
Betracht die kaiserliche Garderobe selbst, das Diadem und die sonstigen Juwelen, j
das goldene Tafelgeschirr und was dessen mehr ist (Friedländer Sittengesch.
1«, 168).
1) Die Aeusserung Prokops bell. Goth. 1,1, dass er sich die Kaisergewalt
angemasst und in der That als vortrefflicher Kaiser regiert habe ßSyto /"f'
zvgavvog, sgyco 8k ßaodsvg äkrj&rji; zcöv iv ravxrj rrj ri/Lifj . . . rjvdoxifxrjxöxoiv ovösvoi
rioaov), ist natürlich politisch gemeint und insofern vollkommen richtig.
I
Ostgothische Studien. 479
hat sich diese seine Hausmacht, so zu sagen, bei oder kurz nach
der Eroberung Italiens dadurch, dass die daselbst ansässigen Ger-
manen, soweit sie nicht von ihm ausgerottet oder ausgetrieben
wurden, ihn sämmtlich als ihren Stammfürsten anerkannten^, wie
dies nachweislich die Rügen gethan haben 2. Die 'Gothen', als deren 539
Fürst er seines römischen Amtes waltet, sind in der That eine durch
Sammteid unter sich geeinigte und an ihn geknüpfte Conföderation
germanischer selbst königloser Gaue ^. Insofern wird man ihn aller-
dings als Yolksfürsten auffassen müssen, nur dass seine Gothen mit
dem ethnologisch also bezeichneten Kreis sich keineswegs decken.
Von seiner germanischen Fürstenstellung entnimmt Theoderich seinen
lateinischen, aber nicht römischen Amtstitel. Aber er nennt sich
weder rex Gothorum noch rex Romanonim — jenes nicht, weil er
damit seine Yorstandschaft über die Römer ausschliessen würde,
dieses nicht, weil er es nicht ist und es überhaupt einen rex Roma-
norum nicht giebt. Expressa nocent. Er nennt sich rex schlechthin
und überlässt es dem Publicum, in diese Benennung seine Doppel-
stellung hineinzulegen*. Mit dieser seiner Fürstenstellung ist das
1) Diesen Act hat der Chronist (anon. Vales. 57) im Sinn bei den Worten:
uf . . . oecidit Odovacrem , Gothi sibi confirmaverunt Theoderieum regem, non ex-
pectantes hissionem nov/i pi'incipis (des Anastasius). Einerseits ist damit anerkannt,
dass Theoderichs Königsstellung in Italien mit seinem angestammten Königthum
nicht identificirt werden kann, andererseits, dass jene byzantinischer Genehmigung
nicht unterlag. Bei den föderirten Königen kommt freilich römische Belehnung
vor, aber keineswegs ist sie allen gemein, und dass sie auf die Gotheukönige
niemals Anwendung gefunden hat, beweist unwiderleglich das Schweigen der
Byzantiner.
2) Pi'okop b. G. 3, 2 nennt die Rügen einen früher unabhängigen gothischen
Stamm (e-&vog): OsvdsQi^ov de avzovg x6 xav^ dgxag JZQoaetaigcaafisvov ^vv äXXoig
tioiv e^vEOiv eg xe t6 yevog anoxexQivxo xal ^vv avxoTg ig xovg noXsixiovg curavxa
•nQaoaov yvvai^l fievxoi d>g ^xioxa snifiiyvvfisvoi dXXoxQiaig dxQai<pvioc Jiaiöcov 8ia-
^oxaig x6 xov k'&vovg ovofia iv 0(pioiv avxoTg dceacoaavxo.
3) Darum erfolgt die Kriegserklärung der Gothen cum coniuratis nobis gentibus
3, 2 [§ 3] ; ebenso 3, 1 [§ 3] : obiciamus cum nostris coniuratis — vielmehr coniuratas
— eximias gentes), Theoderichs Gothen sind also ein Bund mehrerer demselben
iönig gehorchender Stämme, die ihre Sonderstellung bis zu einem gewissen
jrrade gewahrt haben. Durch die Gewinnung Spaniens tritt Ehegemeinschaft
;wischen den dortigen und den italischen Gothen ein (Prokop b. G. 1, 12). Un-
gefähr nach demselben Schema entstand in Africa das Königthum der 'Vandalen
ind Alanen' nach der officiellen Bezeichnung (vgl. in diesem Archiv 8, 853
Ges. Sehr. 4, 565]. 11,630; Prokop b. Vand. 1, 24) , während gewöhnlich, wie
'rokop b. Vand. 1, 5 sagt, rä xwv 'Akavcöv xal xcöv äXlcov ßagßaQCov ovöfiaxa Jilijv
^avQOvaicov ig xo xcöv BavdiXcov änavxa djisxgi&t].
4) Bei Prokop b. Pers. 2, 1; b. Vand. 1, 13 heissen er und seine Nachfolger
4g0 Ostgothische Studien.
\
römische Magisterium nicht bloss personal verknüpft, sondern die
Lebenslänglichkeit der ersteren ist auf das römische Amt übertragen.
Selbst die Jahrzählung knüpft bei ihm nicht an das Amt an, sondern
an das Gaukönigthum ; die Tricennalien, welche Theoderich im J, 500
in Rom feierlich begeht, können nur auf das letztere bezogen werden ^.
540 Auch die Nachfolge ist principiell nicht magistratisch, sondern monar-
chisch gedacht und geordnet, aber merkwürdiger Weise monarchisch
nicht im germanischen, sondern im byzantinischen Sinn. König
Theoderich verfügt auf dem Todbette über seine Herrschaft zv^
Gunsten seiner Tochter und seines Tochtersohns; nach dessen Tode
ernennt die Tochter den Theodahathus zum Mitherrscher; diesen
setzen die Gothen ab und machen an seiner Stelle den Witiges zum
König. Dies alles ist wenig germanisch, aber gut byzantinisch. In
der Regel wird in der nachdiocletianischen Epoche die eigentlich*
Nachfolge im Regiment durch die Herbeiführung der Mitherrschal
vermieden; selbst bei getheiltem Reich geht die in der einen Reichj
hälfte erledigte Herrschaft von Rechtswegen auf den Herrscher del
andern über. Aber das Kaiserthum dieser Epoche ist auch hin-
sichtlich der Nachfolge eine auf sich selbst gestellte Autokratie.
Der Herrscher verfügt darüber nicht bloss durch einen bei seinen
Lebzeiten in Kraft tretenden Act, wie die Ernennung zum mit-
herrschenden Augustus ist, sondern auch durch letztwillige Bestim-
mung, wie denn Constantin L in dieser Weise die Nachfolge ordnete
und Kaiser Arcadius testamentarisch den König der Perser zum
Vormund seines unmündigen Sohnes bestellte. In Ermangelung
einer derartigen Anordnung tritt nicht etwa Intestaterbfolge ein.
Könige der Gothen und der Italiker; auch dies ist nicht titular, sondern sachlich
zu verstehen und insofern richtig.
1) Die Feier der Tricennalien Theoderichs erwähnt Anon. Vales. 67 ; sein
Bericht kann nur auf das Jahr 500 bezogen werden und diese Datirung wird
auch durch Marius von Aventicum gestützt, während die Kopenhagener Fort-
setzung des Prosper die gleichen Vorgänge dem J. 504 zutheilt. Indem die
Unvereinbarkeit der officiellen Zählung italischer Regierungsjahre Theoderichs
mit dessen sonstigem Verhalten übersehen ward, versuchte man jene Angabe
durch halsbrechende ICmendation darauf zu beziehen. Der Beziehung der über-
lieferten Tricennalien auf das gothische Königthum steht kein wesentliches
Hinderniss entgegen. Der Bericht des lordanes, der einzige, der auf seinen
Eintritt in dasselbe eingeht, führt allerdings ungefähr auf 474 statt auf 471:
aber bei lordanes Chronologie will eine Differenz dieser Art wenig bedeuten.
— Damit besteht es, dass derselbe Annalist, der die Tricennalien erwähnt, dem
König 33 Regierungsjahre beilegt (c. 58: regnavit annos XXXIIl); in der Er-
zählung behandelt er ihn als das, was er war, als König von Italien und rechnet i
diese HeiTschaft vom Tode Odovacars.
Ostgothische Studien. 481
sondern besetzt den Thron die Gesammtheit der Offiziere, wie dies
nach dem Tode Julians und Jovians geschehen ist; selbst die revo-
lutionären militärischen Kaisercreationen werden nach dem Staats-
recht auch dieser Epoche, ebenso wie nach dem älteren, dadurch
legitimirt, dass sie gelingen. Diesem Muster sind die Gothen gefolgt
und zeigen sich damit recht deutlich als das, was sie sind, Soldaten
und Offiziere des römischen Kaiserreichs^. Wenn Justinian den von
Athalarich ernannten Consul ohne weiteres ebenso proclamirt wie
die von Theoderich creirten und dann nach dem Siege alle Gothen-
könige, auch den Witiges als legitime anerkennt und ihnen den
'Tyrannen' Baduila gegenüberstellt (S. 476), so hat freihch dabei die 541
Rücksicht auf die mit Witiges abgeschlossene Capitulation eingewirkt;
aber er spricht damit doch nur aus, was dem bestehenden Staatsrecht
entsprach. Allerdings aber offenbart sich hier ebenfalls, dass das mit
der Einwilligung des Herrschers von Constantinopel eingerichtete
germanische Königthum von Italien nicht als personale Massregel
gedacht war, sondern als dauernde Reichsverweserschaft. Es ist das
lauch vollkommen begreiflich. Auf die efiFective Reichseinheit hatte
iman längst verzichtet und für den griechischen Kaiser war die Er-
setzung des occidentalischen durch einen König- Reichsverweser eine
Steigerung wenn nicht seiner Macht- doch seiner Ehrenstellung.
Justinians Versuch die Reichseinheit zu erneuem hat nach ephemeren
Erfolgen nur bewirkt, dass der Westen auf immer vom Reiche sich
löste.
Trotz dieser Doppelstellung der germanischen Könige in Italien
ist das Regiment derselben theoretisch wie praktisch wesentlich die
IPortsetzung des bisherigen kaiserlichen : die Germanen derselben sind
nichts als in römischen Dienst getretene ausländische Soldaten, Theo-
iderichs Gewalt über dieselben nicht die des germanischen Königs
über seine Waffengefährten, sondern die des römischen magister
\nilitum über seine foederati. Darum unterwarfen sich die Gothen
iem römischen Feldherrn Belisar, als sie sich überzeugt hielten,
'lass er sich zum Kaiser des Occidents werde ausrufen lassen; sie
vürden, wäre dies geschehen, lediglich in ihrer bisherigen Stellung
erblieben sein und nur den Commandoträger gewechselt haben.
Vielleicht werden die Mitforscher sich dieser Auffassung eher
nschliessen, wenn eine derartige Doppelstellung in den römischen
xrenzdistricten auch sonst nachgewiesen wird. In der That unter-
1) In scharfem Gegensatz dazu hat das Königthum der Vandalen, das als
jnabhängig von Zeno anerkannt ward (Prokop b. Vand. 1, 7), seine eigene nach
jermanischen Grundsätzen geregelte Erbfolgeordnung (a, a. 0.).
MOMMSEN, SCHR. VI. 31
482' Ostgothische Studien.
scheiden sich, die Gothen Theoderichs und Athalarichs von den
ungefähr gleichzeitigen Saracenen Alhiraths und Almundhirs nur
durch die grösseren Verhältnisse^. Auch diese Saracenen sind
Flavier und Patricier. Auch sie gelten den byzantinischen Histo-
rikern als Könige, obwohl, da ßaodevg nur dem Kaiser zukommt,
in der officiellen griechischen Titulatur der dem rex entsprechende
cpvXaQxog eintritt. Auch sie sind über sämmtliche in der Provinz
Arabien den Römern gehorchende arabische Stammfürsten gesetzt,
eben wie Theoderich König ist nicht bloss über seinen Erbgau,
542 sondern auch über andere conföderirte germanische Haufen. Auch
sie führen, gleichsam als Ober-Phylarchen, neben dem Civilstatthalter
und dem römischen Befehlshaber (dem dux) ein Avahrscheinlich von
dem des letzteren örtlich abgegrenztes Commando, welches der Sache
nach dem römischen Ducat ebenso entspricht wie das Commando
Theoderichs dem des magister miliium. Auch dieses Commando ist
mit dem Stammfürstenthum so fest verknüpft, dass die Zeitbegrenzung
der römischen Magistratur dabei cessirt und der Yater den Sohn
ohne weiteres dem Kaiser als Nachfolger präsentirt. Diese Ord-
nungen sind in der Hauptsache nicht erst damals entstanden, sondern
die althergebrachten der römischen Clientelstaaten; die für die zum
Reiche gehörigen, aber 'barbarischen' Grenzdistricte ausgebildeten
festen Formen haben mit geringen Modificationen auf die Germanen
des Westreichs wie auf • die römischen Grenzhüter der arabischen
Wüste Anwendung gefunden.
Die Einsicht in die Stellung der Germanen in Italien giebt
weiter den Schlüssel für die in Gallien, Spanien, Africa gebildeten
Germanenreiche, überhaupt für die aus dem römischen Föderaten-
wesen hervorgegangenen Kleinstaaten, wie dies Sybel in seiner vor-
trefflichen Erörterung über das deutsche Königthum längst klar
entwickelt hat. Dass Theoderichs römisches Regiment nicht das
kaiserliche, sondern das des kaiserlichen Beamten, dass seinYertrag
mit Kaiser Anastasius staatsrechtlich vielmehr die Erwirkung seiner
Anstellung als Vertreters des Kaisers im Westreich ist, dass ihm die
Benennung des Herrschers ebenso mangelt wie die eigentlichen
Prärogative des Herrscherthums, das Münzrecht und die Gesetz-
1) Alles was folgt ist ausgezogen aus der schönen Abhandlung Nöldekes
über die ghassanischen Fürsten aus dem Hause Gafna's (Abhandlungen der !
Berliner Akademie 1887). Ich führe nur die beiden Inschriften an Waddington ■
2562 c: 0X. 'J}.a/j.ovv&aQ[o]g [6] jiavEVCprjfio? natQUiiog) xai tpvlagxos und 2110 vom j
J. 578: im rov 7iavev(p{riixov) 'Jla/Mvvddgov naxQixiov sv eii voy rfjg inagxi^KK) '
ivd{ixnciiJvog) la .
y
Ostgothische Studien. 483
gebung, dies unterscheidet ihn von den gleichzeitigen Königreichen
der Burgunder, der Westgothen und der Vandalen, und nur um so
schärfer, weil er eine Reihe von Jahren hindurch zugleich Italien
als römischer Reichsverweser und Spanien als unabhängiger König
regiert hat. Aber alle jene selbständigen Germanenstaaten haben
dieselbe Vorstufe durchgemacht, auf welcher wir Italien unter Odo-
vacar und Theoderich finden; ihre Stifter begannen alle als römische
Generale germanischer Föderaten. Wenn die italischen Germanen
über diese Stufe nicht hinausgelangt sind, so beruht dies theils darauf,
dass das römische Element in Italien eine stärkere "Widerstandskraft
gegen die Fremden entwickelte als die romanisirten Provinzen, theils
in zufälligen Umständen, Theoderichs Abgang ohne einen ebenbürtigen
Nachfolger und die in treuloser Zeit dem Herrscher bewahrte Treue
eines byzantinischen Generals. Man sollte diese Epoche nicht als
die Bildung römisch -germanischer Königreiche bezeichnen, sondern
als die Zersplitterung des römischen Reiches in Theilstaaten, als die 543
Vollendung derjenigen staatlichen Entwickelung, deren Vorfrühling
das gallische Kaiserthum des Postumus und des Tetricus ist, die
dann in dem Auseinanderfallen der lateinischen und der griechischen
Reichshälfte principiell sich entscheidet und in der Zersplitterung
des Westreichs in kleine Kaiserthümer ihren letzten Ausdruck findet.
[Allerdings führt dieselbe wohl im ersten Stadium nur zur territorialen
'rBeschränkung der einzelnen Herrschaftsgebiete, aber im zweiten
[weiter zur Auflösung der politischen Institutionen Roms; und auch
pafür ist die theodericianische Organisation lehrreich. Die römischen
Einrichtungen, nicht bloss die bürgerlichen, sondern auch die mili-
tärischen stehen in ihrer ganzen völlig bureaukratischen, aber in
hrer Art bewundernswerthen Durchbildung noch wesentlich alle
lufrecht ; formell erscheint nichts verändert, als dass die militärischen
\.emter mit den im Reiche angesiedelten Soldaten ausländischer
lerkunft besetzt werden. Aber das königliche Selbstregiment greift
11 alle Zweige der staatlichen Thätigkeit mit einer Energie ein, wie
lie in dem diocletianischen-constantinischen Regiment wohl principiell
nthalten war, aber schon wegen der örtlichen Ausdehnung des Reiches
•raktisch nie mit einiger Dauer sich hat realisiren können; es ist
in Ausfluss dieses Selbstregiments, dass die amtlosen maiores domus
egiac in königlichem Specialauftrag bei weitem stärker an den
legierungsgeschäften betheiligt sind, als die mit römischen Aemtem
usgestatteten Römer und Gothen. In der weiteren Entwickelung
ätte dies nothwendig zu denselben Zuständen führen müssen, wie
ie Provinzialstaaten des Westens sie aufweisen: neben desorganisirten
31*
484 Ostgothische Studien.
Resten der römischen Organisation, den defensores, den cancellarii,
den comites eine aus dem absoluten Kaiserthum sich ableitende
Herrschergewalt. Diese Bastardstaaten hatten denn auch, wie bilhg,
kaum rechte Zukunft. Die Neubildung der germanischen Staaten
hat sich nicht bei ihnen vollzogen, sondern bei den Langobarden
und vor allem bei den Franken, die wohl auch mit den Resten der
römischen Civilisation sich auseinanderzusetzen hatten, aber keines-
wegs als Trümmer des Kaiserreichs ihre neuen Bahnen begannen.
Nach Abschluss des Druckes geht mir von Herrn Augusto
Gaudenzi, Professor der Rechte in Bologna, eine Schrift zu s\
rapporti tra VItalia e Vimpero cf Oriente fra gli anni 476 e 554 d.
(Bologna 1888. pp. 232). Dieselbe entwickelt zunächst mit Sachl
künde und Scharfsinn, freilich zum Theil mit allzu starker Kn*
Wendung des conjecturalen Pragmatismus, die wechselnden politisch!
Yerhältnisse zwischen Constantinopel und Ravenna, berührt aber, wi^
544 selbstverständlich, vielfach die hier erörterten Yerhältnisse und icl^
freue mich, in den meisten Fällen mit dem jungen viel versprechen^
den italienischen Gelehrten zusammenzutreffen. "Wo dies nicht der
Fall ist, werden die Mitforscher prüfen. Hier nachträglich möchte
ich nur zur Sprache bringen, dass Gaudenzi S. 152 die Einführung
des comes sacri pafrimonii durch Anastasius meines Erachtens mit
Unrecht anficht. Indem ich im Uebrigen auf die oben S. 401 ge-
gebene Ausführung verweisen kann, habe ich nur hinzuzufügen, dass
die in der Verordnung des Glycerius vom J. 473 (Hänel corpus legum
p. 260) vorkommenden Worte : eiusdem . . anni quo sacerdos vocatur
comes nostri patrimonii ecclesiasticae suhstantiae moderetur impensas
nichts hindert auf den comes rerum privatarum zu beziehen, da die
res privatae oft genug Patrimonium des Kaisers heissen und die Be-
zeichnung in der Verordnung weder titular noch gegensätzlich auf- j
tritt. Diese Stelle berechtigt also keineswegs, eine durch zwei von
einander unabhängige byzantinische Quellen berichtete und durch die
Beschaffenheit des entsprechenden Titels in Justinians Gesetzsamm-
lung beglaubigte Nachricht für falsch zu erklären.
I
I
XXI.
Die Quellen der Langobardengeschichte
des Paulus Diaconus.*)
Paulus Diaconus Geschichte Italiens von der Gründung Roms 53
bis zum Beginn der Karolingerzeit ist recht eigentlich der Schritt-
stein von der alten zu der modernen Cultur, die Wende bezeichnend
und beide verbindend. Dass die Langobarden, den Spuren des
grossen Theodorich folgend, bei ihrer Uebersiedelung nach Italien
nicht blos die eigene Sprache verhältnissmässig rasch mit der der neuen
Heimath vertauschten, sondern auch die Erinnerungen und die Vor-
geschichte Roms, ohne die eigenen Ahnen fallen zu lassen, ebenfalls
rückwärts adoptirten, das hat zum guten Theil^die neue Welt in
die Bahn gewiesen, in der sie heute noch sich bewegt; und keiner
hat das lebendiger empfunden, keiner durch seine Schriften so viel
dazu beigetragen römischer und germanischer Tradition zu gleich-
berechtigtem Besitzstand zu verhelfen wie dieser Benedictinermönch,
als er nach dem Untergang seines Stammstaats dessen Geschichte
als einen Theil der italischen schrieb. Dass dem Schriftsteller Paulus
seiner Persönlichkeit nach ein Platz in erster Reihe zukomme, soll
damit nicht behauptet werden. Es ist schwer über die geistige
Begabung derjenigen Männer zu urtheilen, welche in den Incunabeln
der Historie gearbeitet haben; so schwer, wie nach den Werken
der primitiven Bildhauer und Maler über die künstlerische Befähigung
Ides Meisters ein sicheres Urtheil zu fällen. Aber ohne Zweifel
nimmt Paulus insofern eine litterarische Sonderstellung ein, als die
römische Bildung bei ihm sich bis zu einem Grade verinnerlicht
*) [Neues Archiv der Gesellschaft fßr ältere deutsche Geschichtskunde 5
1880) S. 53—103 mit einer Karte (s. unten S. 527). — Vgl. Waitz ebenda S. 415 ff.
P. del Giudice, Lo storico dei Langobardi e la critica moderna (Milano 1880).
Neff, Neues Archiv 17 (1892) S. 204 ff.]
486 Diß Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
hatte, wie sie in dieser Epoche geradezu ohne Beispiel ist. Wohl
schrieb er das Latein seiner Zeit und scheint auch, während seine
Verse, namentlich die Hexameter und die Distichen, relativ correct
sind, in der Prosa sich der damals üblichen unklassischen Rede-
formen, zum Beispiel des absoluten Accusativs und ganz vereinzelt
des substantivirten Particips nicht durchaus enthalten zu haben.
Aber wer auch nur einigermassen die stammelnden und stümper-
haften Schriftstücke kennt, wie sie in jener Zeit verfertigt wurden^,
54 der betrachtet mit Verwunderung und zuweilen mit Bewunderung
dies durchaus klare, meistens bequeme Latein, diese verständige und
doch aller Affectirung fern stehende Wortfügung, diese Fähigkeit
zu gestalten und zu stilisiren. Ganz abgesehen von dem Inhalt
seiner Mittheilungen ist es der Mühe werth sich zu vergegenwärtigeq|ti
1) Ich kann es mir nicht versagen an einem Beispiel zu zeigen, wie hoch
Paulus als Stilist sogar über dem ihm noch am nächsten kommenden, in anderer
Hinsicht im Ganzen vorzüglicheren Gregor von Tours steht. Ich wähle den
Bericht über die Schlacht zwischen den Pranken und den Langobarden, den
Paulus 3, 29 ausdrücklich aus der Historia Francorum anführt als hisdem ipsis
paene verbis exarata:
Gregorius 9, 25:
(Childebertus) legationem ad impera-
torem direxit, ut, quod prius non fecerat,
nunc contra Langobardorum gentem
debell ans cum eius consilio eos ab
Italia removeret [removerit Arndt in s.
Ausg.]. Nihilominus et exercitum
suum ad regionem ipsam capessen-
dam direxit. Commotis ducibus
cum exercitu illuc [exercitum illic
Arndt] abeuntibus confligunt pariter.
Sed nostris valde caesis multi prostrati,
nonnulli capti, plurimi etiam per fugam
lapsi vix in patriam [patriae Arndt]
redierunt; tantaqiie ibi fuit strages de
Francm'um exercitu, ut olim similis
[simiU Arndt] non recolatur.
Paulus 3,29:
(Childepertus) legationem ad impera-
torem Mauricium direxit mandans
ei, tit, quod prius non fecerat, nunc
contra Langobardorum gentem bellum
susciperet atque cum eius consilio
eos ab Italia removeret. Qui nihil
moratus exercitum suum ad Lango-
bardorum debellationem in Italiam
direxit. Cui Authari rex et Lango-
bardorum acies non segniter ob-
viam pergunt proque libertatis
statu fortiter confligunt. In ea
pugna Langobardi victoriam ca
piunt: Franci vehementer caesi,
nonnulli capti, plurimi etiam per fugam
elapsi vix ad patriam revertuntur
tantaque ibi strages facta est de Fran-
corum exercitu, quanta usquam alib'
non memoratur.
Man sieht, wie der Langobarde die Satzglieder, die dem Franken in der Pedej ^-
stecken bleiben, durchgängig ergänzt und seine Quelle mit der vollen Ueber iiB
legenheit des darstellenden Historikers über das geschichtliche Rohmaterial m)
behandelt. Andrerseits versteht es sich von selbst, dass solche Ueberarbeitunj! ^
recht gefährlich ist; die sachliche Forschung wird diese Uebertünchung de
Ueberlieferung bei Paulus niemals aus den Augen verlieren dürfen.
y
r
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. , 487
wie er sein Geschichtswerk aus den disparatesten Quellen mit voller
Herrschaft über den Stil zu formaler Einheit durchgebildet hat. Der
Grundstock seiner Arbeit ist bekanntlich der knappe, in seiner Art
elegante, von griechischer Bildung getragene Geschichtsabriss des
Eutropius. Dass Paulus diesen sich überhaupt zum Muster genommen
hat, ist augenscheinlich und zeugt für sein richtiges Gefühl ; obwohl
der Umstand, dass er an diesem, und nur an diesem, eigentlich kein
Wort geändert hat, ohne Zweifel zunächst auf äussere Ursachen zu-
rückgeht ^. Aber es ist in der That merkwürdig, wie er den Kanzel- 55
stil des Orosius, die Anekdoten der Exempelbücher, die bald
abgerissenen, bald wieder in weites Detail sich verlaufenden Nach-
richten der römischen, langobardischen und fränkischen Annalen und
Historien, die rohe Legende der langobardischen Origo leidlich zu-
sammengeschmolzen und einigermassen auf die Weise des Eutropius
herab oder hinaufgestimmt hat, von König lanus dem ersten von
Italien an, bis hinab auf König Luitprand. Dazu stimmt eine Kunde ^
und ein Interesse für die klassische Litteratur, wie sie in dieser
Weite und Fülle vielleicht nicht vor den Humanisten wiederkehrt.
Wenn es jetzt als erwiesen anzusehen ist, dass der Auszug des
Festus unserm Paulus gehört, so ist dieses lateinische Wörterbuch
der Inbegriff der schweren Sprach- und Sachgelehrsamkeit der
augustischen Zeit und die Bearbeitung des Paulus geradezu ein
Meisterstück von klarem Zweckbewusstsein und sicherer Handhabung
der leidigen epitomatorischen Scheere. Diese Energie der klassisch-
römischen Bildung vereinigt sich bei Paulus augenscheinlich mit
einem lebhaften Nationalgefühl, das durch den Zusammenbruch des
Langobardenstaates wohl eher noch gesteigert worden ist. Unter
1) Ich habe in der Droy senschen Ausgabe p. XXXVIII daraufhingewiesen,
dass Paulus sein Werk, soweit der Eutrop reicht, nur in der Form von Zusätzen
zu dessen Text geschrieben haben kann, und meine, dass jedem, der Gefühl für
Stil und Individualität der Schriftsteller hat, diese Ansicht sich nicht blos als
möglich, sondern als nothwendig erweisen wird. Hätte ein Schriftsteller, der
die Sprache so wie Paulus beherrscht, es unternommen den Abriss der römischen
Geschichte in gewöhnlicher Weise aus den verschiedenen Quellen zu redigireu,
'^o war es eine psychologische Unmöglichkeit, dass er der einen mit sclavischer
Treue folgte, die anderen alle nach freiem Belieben umschrieb. Darum ist auch
auf meinen Rath die Hauptausgabe der Historia Bomana so angeordnet worden,
wie etwa das von Paulus mit seinen Zusätzen versehene Eutropexemplar aus-
esehen haben mag.
2) Beiläufig: mögen die Philologen beachten, was bisher wohl nicht ge-
thehen ist, dass Paulus den Anfang (1, 1 [?]) des uns unter dem Namen des Servius
geläufigen Vergilcommentars 2, 23 unter dem Namen des Donatus anführt.
Dieser stand sicher in der Handschrift, die Paulus benutzte.
488 Di6 Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
diesen Eindrücken hat er geschrieben und noch heute tragen seine
Blätter jene doppelte Signatur der klassischen Bildung und der
nationalen Empfindung.
Es ist einigermassen schwer der Aufgabe gerecht zu werdenJ
die Paulus Schriften an die Geschichtsforscher stellen. Die Geschichte
Roms ist ziemlich früh in halbe Yergessenheit gerathen, zum Theili
durch Zufälligkeiten, hauptsächlich aber dadurch, dass die Quellen|
dieser wenn auch an sich respectablen Compilation zum weitaus
grössten Theil noch für uns fliessen und Paulus durch sie als Zeug«
ungefähr so entbehrlich wird, wie es Livius da ist, wo wir seiner
griechischen Gewährsmann besitzen. Auf die Langobardengeschichtel
haben sich natürlich umgekehrt die historischen Studien der Germa-
nisten vorzugsweise gerichtet: aber was Paulus hier für die späte
Kaiserzeit bringt, vor allen Dingen aber, was die Kenntniss des
56 ganzen Paulus auch denjenigen nützt, welche unmittelbar nur für
seine germanischen Nachrichten ein Interesse haben, ist wenig zur
Geltung gekommen. Jetzt wird dies hoffentlich anders werden. Die
namentlich bei der Historia Romana für das kritische Studium
geradezu unerlässliche Voraussetzung, die durchsichtige Auftrennung
der Compilation in ihre einzelnen meist bis in das Satzglied hinein
zu scheidenden Bestandtheile, ist durch die kritische Herausgabe der
beiden Werke in den Monumenta Germaniae beschafft. Die beider-
seits nicht unbegründeten Vorwürfe, dass wer die Historia Romana
studirt, die Historia Langobardorum ignorirt und umgekehrt^, lassen
der gerechtfertigten Hoffnung Raum, dass diese Einseitigkeit nun
ein Ende haben wird. Dazu soll diese kleine Arbeit einen Beitrag
geben, indem ich versuche die bei der Historia Romana gewonnenen
Ergebnisse auf das Zwillingswerk anzuwenden, und zwar haupt-
sächlich auf das erste und einen Th'eil des zweiten Buches, weil für
die Methode der Behandlung die Erörterung dieser Abschnitte aus-
reicht und weil sich hier vorzugsweise diejenigen Nachrichten finden,
welche meinem Arbeitsfeld angehören oder doch nahe stehen. Wo
ich auf Dinge einzugehen veranlasst bin, die meinen eigenen Studien
fern liegen, thue ich dies in der Ueberzeugung, dass gerade hier
1) Wie sehr die Bearbeiter der Hist Langob. das andere Geschichtswerk
vernachlässigt haben, zeigt recht deutlich, dass für die Angaben 1, 25: Nam p&r
Belisarium .... super avit, die augenscheinlich ein Auszug aus der Hist. Rom.
16, 11—19 sind, Jacobi in seiner übrigens fleissigen und nützlichen Abhandlung
'die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus' (Halle 1877. 8.)
S. 31 und ihm folgend Waitz in den Anmerkungen diese nicht, sondern unge-
hörige Autoren citiren.
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 489
nichts mehr geschadet hat als die banausische Beschränkung der
Arbeit auf die nächsten Handwerksgenossen, und dass es besser ist,
wenn ein Romanist auf germanistischem Gebiet einen Fehler macht,
als wenn er es für sündhaft erachtet sich um dasselbe zu bekümmern.
Der Zusammensturz des römischen Weltreiches hatte zur noth-
wendigen Folge, dass in den verschiedenen politischen Machtgebieten
die historische Litteratur sich auf sich selber stellte: bald bildeten
sich drei Hauptmassen, die oströmische, die langobardische und die
fränkische. Selbstverständlich stehen diese nicht abgeschlossen und
unvermittelt neben einander; vielmehr hat natürlicher Weise Be-
nutzung verschiedenartiger Quellen neben einander zu allen Zeiten
stattgefunden. Aber kein Schriftsteller hat in so umfassender Weise
im Anschluss an die Geschichte des ungetheilten Römerreichs diese
drei Massen in einander gearbeitet, wie dies Paulus versucht hat.
Hiedurch wird der Untersuchung die Richtung gegeben: diese drei
Massen sind zunächst zu scheiden und eine jede auf ihre eigenen
Quellen zurückzuführen.
Bei weitem am leichtesten ist dies für die fränkische Ueber- 57
lieferung, da Paulus hier für die ältere Zeit ausschliesslich Gregors
jvon Tours uns erhaltene Historia Francorum gebraucht hat. Deren
frühere Abschnitte lässt er bei Seite; aber von der Einwanderung
der Langobarden in Italien an'^, welche diese zu Nachbaren der
jFranken macht, berücksichtigt er sie namentlich für die fränkisch-
langobardischen Beziehungen, aber auch sonst durchgängig und
schreibt sie vielfach, wie er selbst sagt (3, 29), ipsis paene verbis
jius. Paulus drittes Buch besteht zum grösseren Theil aus solchen
lExcerpten aus Gregor. Dazu fügt er (3, 34) eine sicher von ihm
m Frankenland vernommene Legende über den König Gunthramnus,
veil diese, wie er sagt, in die Historia Francorum nicht aufge-
lommen sei. — Nach dem J. 591, wo Gregor abbricht, begegnen in
betreff des Frankenreichs nur dürftige Notizen, deren Herkunft und
/"erhältniss zu dem sogenannten Fredegar zu erörtern ausserhalb des
Creises dieser Untersuchung liegt.
Es bleiben also die langobardischen und römischen Abschnitte;
nd da jene in der Historia Langobardorum wie billig durchaus
berwiegen, so wird es angemessen sein mit ihnen zu beginnen.
1) Zuerst 2, 6. Dass schon 2, 2 Gregor gebraucht sei, glaube ich nicht.
490 Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
Wie Paulus in der römischen Geschichte anhebt mit der Ein-
wanderung des Griechenkönigs Saturnus und sodann des troischen
Aeneas nach Italien, so beginnt er auch seine Erzählung von den
Langobarden mit der weisen Frau Gambara, der Mutter der Stamm-
führer der Langobarden Ibor und Aio und deren Wanderungen von
Scadinavia bis nach Italien. Bekanntermassen liegt diese Legende
uns ausser bei Paulus auch in der Origo gentis Langohardorum vor^
einem Schriftstück, welches in einigen Handschriften des Edicts de»
Königs Rothari demselben vorgesetzt ist und welches bereits Paulus
an dieser Stelle gefunden und als dazu gehörig betrachtet hat ^. Das
58 Yerhältniss dieser Origo zu Paulus Langobardengeschichte ist für
diese der nothwendige Ausgangspunkt der Kritik 2. Waitz sieht in
1) In den beiden besten Handschriften von Madrid und la Cava folgt a'
diese Origo gentis Langobardorum das Gesetzbuch des Königs Rothari mit dessffll
prologus, das heisst dem Promulgationspatent vom J. 643; in denen von Modena
und Gotha ist die Folge zerrüttet, obwohl auch hier die Origo in Verbindung
mit dem Edict auftritt. Paulus citirt den prologus zweimal, 4, 42 für das Jahr
der Ankunft der Langobarden in Italien, sicut idem rex (Rothari) in sui edicti
testatus est prologo, ferner 1, 21 zur Bekräftigung eines Sieges der Langobarden
über die Suaven: hoc si quis mendacium et non rei existimat veritatem, relegat
prologum edicti, quem rex Rothari de Langobardorum legibus composuit, et paene
in Omnibus hoc codidbus sie, ut nos in hac historiola insertiimus, scriptum reperiet.
Jene Jahrzahl steht allerdings im Prolog, der Suavensieg aber in der Origo.
So einleuchtend es nun ist, dass Paulus mit dem prologus an der zweiten
Stelle diese meint, so kann ich doch nur mich der jetzt von den meisten Ge-
lehrten befolgten Annahme anschliessen , dass die Origo nicht ein integrirender
Theil des Edicts und überhaupt nicht officiell publicirt worden ist, wenn auch
Paulus beides angenommen hat. Einerseits deutet derselbe verständlich genug
an, dass schon damals nicht alle Handschriften des Edicts die Origo enthielten;
andrerseits würde König Rothari, wenn er die Origo als einen Bestandtheil
seines Prologs betrachtet hätte, nicht diesem selbst noch die Königsliste ein-
verleibt haben, die, so weit sie reicht, sich mit der Origo deckt. Allerdings
ist zu erwägen, dass Paulus die Origo in anderer Gestalt gelesen bat als wir
und darin eine Aeusserung gefunden haben kann, die diese Arbeit mit dem
Rechtsbuch in Beziehung setzte; aber wahrscheinlich ist diese Combination
keineswegs. Vielmehr ist die Origo vermuthlich eine erst im J. 668, mit welchem
die eine Recension derselben schliesst (die andere reicht bis zum .1.671), als I
Erläuterung der Königsliste des Prologs dem Edict vorgesetzte Privatarbeit, j
Uebrigens ist für die Frage, woher ihr Urheber seine Nachrichten nahm, die
Controverse über ihr Abfassungsjahr und über ihren officiellen oder Privat-
charakter gleichgültig.
2) An die Origo denkt Paulus ohne Zweifel auch bei den den Regierungs-
jahren des ersten Königs 1, 14 beigefügten Worten sicut a maioiibus traditur. Dass in
diesem Abschnitt Paulus in wesentlicheren Nachrichten mündlicher Ueberlieferung
gefolgt ist, halte ich nicht für wahrscheinlich ; da er mehrfach für recht gering*
Die Quellen- der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 491
der Origo, wie sie jetzt vorliegt, die von Paulus benutzte Quelle,'
nach meiner Ansicht hatte Paulus dieselbe in weit grösserer Aus-
führlichkeit vor sich und lässt sich aus dem stark verkürzten, aber
sonst nicht arg verunstalteten Auszug und aus der paulinischen Ueber-
setzung der rohen Volkssage in gebildete Geschichtserzählung eine
Recension combiniren, die dem Original näher steht als beide er-
haltene Traditionen.*)
Aeusserlich zunächst macht diese Annahme keine Schwierigkeit.
Schon zu Paulus Zeit gab es Handschriften des Langobardenrechts,
welche die Origo nicht enthielten; von den zahlreichen auf uns ge-
kommenen haben nur drei, alle saec. X. XI, die Origo und zwar in
zwei verschiedenen, aber in beider Gestalt corrumpirten und inter-
polirten Recensionen; als dritte kommt dazu das sog. Chron. Gotha-
num, aus einer einzigen Handschrift ebenfalls des 11. Jahrh. bekannt,
eine noch weiter abweichende Recension desselben Schriftstückes.
Praktischen Werth hatte dasselbe nicht und gehörte wahrscheinlich
formell dem Gesetzbuch nicht an. Es ist also an sich nichts weniger
als unwahrscheinlich, dass diese geschichtliche Einleitung späterhin, 59
auch wo sie nicht ganz wegblieb, doch nur in verkürzter Form Auf-
nahme gefunden hat.
Dass Paulus mancherlei Quellenschriften gebraucht hat, die uns
nicht oder nur verstümmelt vorliegen, steht fest. So hat er den
vollständigen Festus de significatione verborum gehabt, den wir jetzt
nur in Auszügen oder Bruchstücken besitzen. Aber es giebt noch
eine näher liegende Analogie, welche, obwohl sie für diese Frage
nicht gerade entscheidend ist, doch dabei mit erwogen zu werden
verdient: ich meine die von mir im Hermes (12, 401 [== Ges. Sehr.
Vn S. 434]) nachgewiesene Thatsache , dass dem Paulus die uns
nur in kürzerer Form und mit Weglassung des Schlusses erhaltene
Schrift de origine gentis Romanae in vollständigerer Gestalt zu Gebote
gestanden hat. Beispielsweise führt hier der Sohn des Numitor, den
sein Oheim König Amulius von Alba umbringen lässt, den Namen
Sergestus, während er in unserer Origo g. R. sowohl wie in der
sonstigen lateinischen Litteratur namenlos bleibt, bei mehreren griechi-
schen Schriftstellern aber Aiyeorog genannt wird. Die Verwandtschaft
Dinge sich auf Erzählungen beruft, zum Beispiel für den Ruhm der Waffen-
schmiede aus Alboins Zeit (1,27), so würden dergleichen Andeutungen wohl in
den grösseren Erzählungen nicht fehlen, wenn von diesen dasselbe gälte.
*) [Vgl. dazu die Gegenbemerkungen von Waitz, N. Archiv 5 (1880) S. 421
und ausserdem A. Vogeler, Paulus Diaconus und die Origo gentis Langobardorum
(Progr. Hildesheim 1887); L. Schmidt, N. Archiv 13 (1888) S. 391 ff.]
492 Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
beider Schriften reicht allerdings, so weit wir urtheilen können,'
nicht weiter als bis zu dem Titel und dem Gegenstand im Allge-
meinen; aber auch dies Zusammentreffen kann kaum ein zufälliges
sein. Der ursprüngliche Verfasser der langobardischen Origo mag
jene Schrift spätester römischer Zeit, wenn nicht auch verfasst, so
doch gekannt und im Anschluss an die origo gentis Bomanae die
origo gentis Langohardorum zusammengestellt haben; eben wie Paulus
selbst seine Historia Romana und seine Historia Langohardorum als
zusammengehörige Werke schrieb. Die Recension der origo gentis
Romanae, welche Paulus vorlag, ist für uns verloren, da die erhaltene
einem durchaus fremdartigen und Paulus unbekannt gebliebenen Ge^
Schichtswerk eingereiht ist; ist es unter diesen umständen befremdend
dass wir die andere Origo nur verkürzt besitzen?
Eine wesentliche Unterstützung findet diese Yermuthung noc|
in dem Yerhältniss der Origo zu der sogenannten Gothaer Chroni
und beider zum Paulus. Beide sind, wie gesagt, verschiedene Reda(
tionen desselben Schriftstücks, die Origo im Ganzen die reicher
und reinere, die Gothaer Chronik vielfach getrübt und entstelUj
- Dennoch enthält die letztere mancherlei Angaben allein, die gewiss^
dem Original angehören und von denen einzelne auch bei Paulus
sich finden. Wenn nach dem Gothaer Text die Langobarden vor **
ihrem Abzug aus Pannonien den Avaren ihr dortiges Gebiet über- *
lassen, diese aber sich verpflichten es zu räumen, falls binnen der \
nächsten zweihundert Jahre die Langobarden wieder aus Italien ver- i .]
60 drängt werden sollten, so kennt diesen Vertrag auch Paulus (1,27. j|
2, 7), nur dass er von der Frist nicht spricht; in der Origo aber i'~
steht davon nichts. Hier ist eine andere Erklärung nicht möglich, . Ij
als dass die letztere diese Erzählung weggelassen hat. Aehnliche j !**
Stellen begegnen mehrere; und es ist dies Yerhältniss der beiden '
Texte schon von Jacobi (S. 7) richtig erkannt und die nothwendige ^^
Schlussfolgerung daraus gezogen worden. Doch soll nicht behauptet \ ^^
werden, dass alles, was die Gothaer Chronik mehr hat, aus der Ifäiitii
gemeinschaftlichen Quelle herrührt, vielmehr haben an anderen
Stellen wahrscheinlich fremdartige Zusätze sich eingedrängt ^ und es
ist in der Benutzung des wunderlichen, zum Theil kaum verständ-
lichen Schriftstücks grosse Vorsicht geboten. ;gj
Ich wende mich zu der Einzelvergleichung der beiden Recen-
sionen, wobei es namentlich darauf ankommt, festzustellen, was Paulus
1) Waitz in der Ausgabe p. 8. 14. 9, 21 urfcheilt ebenso; anders Jacobi
S. 13. 14.
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 493
bei seiner weitreichenden und schwer zu controlirenden Belesenheit
anderswoher in die Origo eingelegt hat oder haben kann. Zur be-
quemeren Uebersicht stelle ich, soweit es angemessen scheint, den
Text der Origo, wie wir sie haben, und die paulinische Redaction
neben einander, indem ich bei der letzteren besserer Uebersicht
wegen mir die Weglassung erwiesener Einlagen und einige Um-
stellungen erlaube, ohne sonst an der Fassung zu ändern.
ORIGO:
Est insula quae^ dicitur Scada-
nan^ in partibus Aquilonis uhi
multae gentes habitant.
inter quos erat gens parva quae
Winilis vocdbatur.
PAYLYS:
Intra insulam Scadinaviam con-
stituti populi dum in tantam multi-
tudinem pullulassent, ut iam simul
habitare non valerent, in tres om- 61
nem catervam partes dividentes,
quae ex Ulis pars patriam relin-
quere novasque deberet sedes ex-
quirere, sorte perquirunf. Ea pars,
cui sors dederat genitale solum
excedere exteraque arva sectari,
Winili erant, numero perexigui,
quippe qui unius non nimine
amplitudinis insulae tertia solum-
modo particula fuerint. Sic ordi-
natis super se duobus ducibus.
1) id est consuli qui hat die eine Recension (Handschrift von Madrid; iä
est sub consule qui die Handschrift von La Cava), erat insula quae die zweite
(Handschrift von Modena). Waitz liest est insula qui, mit Unrecht, da das
Masculinum durch die Verderbung von insula in consuli hervorgerufen ist.
üebrigens zeigt sich hier deutlich, was auch von den Herausgebern nicht ver-
kannt worden ist, dass zwischen den beiden Recensionen die Wahl der Lesung
frei ist und auch die zweite, obwohl etwas mehr entstellt als die erste, doch
dieser gegenüber nicht selten das Richtige erhalten hat. So wird zum Beispiel
der König, der bei Paulus heisst Agilulf qui et Ago dietus est, in der zweiten
Recension richtig Aggo, in der ersten dagegen Aequo genannt, was offenbar
nichts ist als Schreibfehler. Von der Verwechselung dagegen des Vaters Agilulf
und des Sohnes Adelwald, welche in der zweiten Recension und noch mehr in
der Gothaer Chronik herrscht, ist die erste Recension frei geblieben. Dass die
erste Recension mit 671, die zweite mit 668 schliesst, also die letztere insofern
der ursprünglichen Form näher steht, hat schon Waitz hervorgehoben.
2) scadanan 1, scadan quod interpretatur excidia 2; welche Form vorzuziehen
sei, kann zweifelhaft sein, nicht aber, dass die nur in der zweiten Recension
beigesetzte Interpretation späterer Zusatz und auszuwerfen ist.
494 Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
et erat cum eis mulier nomine
Gambara, quae hahehat duos
filios, nomen uni Ybor et nomen
alter i Aio: ipsi cum matre sua
principatum tenehant super Winilis.
Ibor sciUcet et Äione ^, qui et ger-
mani erant et iuvenili aetate floridi
et ceteris praestantiores, ad exqui-
rendas quas possint incolere terras
sedesque statuere valedicentes suis
simul et patriae, iter arripiimt.
Horum erat ducum mater nomine
Gambara de cuius in rebus dubiis
prudentia non minimum confide-
bant.
Die Schrift, welche Paulus vorlag, setzte offenbar gleich unserer
Origo mit der Nennung der Insel Scadinavia und der Erwähnung
der vielen in ihr wohnenden Yölkerschaften ein. Was bei Paulus
voraufgeht, ist aus Isidor etym. 14, 4, 4 entnommen; es wird einer-
seits die terra dives virorum ac populis numerosis et immanibus fre-
quens amplificirt, andererseits die Bemerkung über das obere und
untere Germanien der römischen Zeit aus ihm übernommen. Auch
die Ansetzung des Tanais als der Ostgrenze Grermaniens, verkehrt
wie sie ist, rührt daraus her, dass Isidor diesen Fluss als die Ost-
grenze Europas bezeichnet und in seiner schwankenden Darstellung
Germanien beinahe als Theil von Scythien erscheint: Isidors Worte:
(Scythiae) pars prima Älania est . . . post hanc Dada, ubi et GotJiia,
deinde Germania haben Paulus verführt zu schreiben, dass non im-
merito universa illa regio Tanai tenus usque ad occiduum, licet et
propriis loca in ea singula nuncupentur nominihus, generali tamen
nomine Germania (vocitatur). — Weiterhin sind die Bemerkungen
über den Massenverkauf germanischer Sclaven in Italien und über
62 die Verwüstung des 'armen Italien' durch die deutschen Horden
natürlich nicht auf geschriebene Zeugnisse zurückzuführen: die ein-
zelnen Völker, die Paulus anführt als nach Italien gelangt, sind
Anticipation der folgenden Erzählung, insonderheit die Ruger, Heruler
und Turcilinger der Geschichte Odoacars (1, 19) entlehnt. — Sehr
wahrscheinlich stand in der Origo des Paulus ungefähr dasselbe, was
in unserer Recension überliefert ist, so dass er es ist, der die Insel
'im Norden' mit der Germania der Römer in Verbindung gebracht
1) Die massgebenden Handschriften des Paulus haben Aionem. Ob Äüy^
oder Agio zu schreiben ist, lassen die Handschriften der Origo wie des Paulas
unentschieden; doch scheint die letztere Schreibung vorzuherrschen, muss auch
p. 54, 11, da hier aus dem Stillschweigen geschlossen werden darf, in A 1
stehen.
Hk Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 495
und ihren barbarischen Namen lateinisch umgeändert hat. Denn
Scadinavia, wie Paulus ohne Zweifel schrieb^, hat er nach seiner
ausdrücklichen Angabe aus Plinius Naturgeschichte genommen, wo
in der That diese Form sich findet '^. Es ist bemerkenswerth , dass
Paulus die Naturgeschichte (wie er sie nennt die Schrift de natura
rerum) des Plinius, von einer Doppel -Anekdote abgesehen 3, nur
benutzt hat für diese Nachricht über die Urheiraath der Langobarden
und für den Ursprung von Ticinum*; man sieht, dass ihm diese
Gegenstände von hervorragender Wichtigkeit gewesen sind und dass ()3
er seine ganze klassische Kunde aufgeboten hat, um für seine
Heimath die Brücke von den römischen Zuständen zu denen
der Gegenwart zu schlagen. In letzterer Hinsicht bringt er dann
1) Waitz hat mit Recht diese Form beide Male in den Text gesetzt; in
seinen Varianten heisst es zu der ersten Stelle: Scadinavia A3c, Dl, Scandi-
navia A* 2,2,2a, 5, 6. B 1, 2 (in E F fehlen diese Worte), zu der zweiten
Scadinavia F', G* (corr. Scad.), alii; Scadanaviä 43. 62; Scandinavia corr.
Scadan. D 1. Da Waitz (p. 44) von drei Handschriften (A 1, 2 F 1) die Varianten
vollständig giebt, also insoweit aus seinem Stillschweigen Schlüsse gezogen werden
jlürfen, so haben an der zweiten Stelle die zwei derselben, die sie enthalten (A 1
jehlt), und allem Anschein nach auch sonst die meisten bessern Handschriften
\Scadinavia; an der ersten dagegen versagen neben A^ auch F^ und G' und ist die
Jeberlieferung überhaupt wenig gesichert. Man wird aber unbedenklich nach
1er zweiten Stelle die erste constituieren dürfen; denn was Waitz meint: fortasse
Paulus tie in hoc quidern verbo scribendo sibi constans fuit, ist nicht wahrschein-
ich, da er das Wort an beiden Stellen offenbar aus gleicher Quelle nimmt oder
ielmehr in der zweiten nur die erste wiederholt und es sich hier doch nicht
im eine bloss orthographische Variante handelt. Diese seine Quelle aber ist
'linius, und dass dessen massgebende Handschriften ebenfalls die Form Scadi-
avia aufweisen, giebt für die Schreibung bei Paulus die schliessliche Be-
tätigung.
2) Bei Plinius 8, 15, 25 ohne wesentliche Variante; an der anderen Stelle
• !•>, 96, die Paulus wahrscheinlich meint, schwanken die massgebenden Hand-
|Ariften zwischen Scadinavia und Scatinavia; für jenes spricht aber das Zeugnis«
''icuils (7, 22 Parthey), das für sich allein, auch von dem des Paulus abgesehen,
'' Herausgeber hätte bestimmen sollen diese Form in den Text zu nehmen,
candinm-ia findet sich nur in geringen Texten.
3) Zwei Berichte über wundersame Geburten bei Plin. 7, 3, 33. 35 sind
iederholt der erste in der Hist. Lang. 1, 15, der zweite in der Eist. Rom. (zu
utrop 3, 27) p. 50, 6 Droysen. An der directen Entlehnung aus Plinius zu
veifeln, wie der Herausgeber der letzteren p. XL thut, war um so weniger
rund, da Paulus in dem andern Geschichtswerk den Plinius ausdrücklich
iführt.
4) Paulus H. R. (zu Eutrop 4, 1) p. 65, 1. Dass Paulus durch nachlässige
üutzung seiner Quelle auf Pavia bezogen hat, was Plinius von Lodi berichtet,
eilt die Herleitung der Angabe aus Plinius keineswegs in Frage.
496 I^ie Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
noch eine Schilderung der Insel nach der Angabe von Augen-
zeugen bei.
Der Bericht von der Uebervölkerung der Insel, der Dreitheilung
der Bewohner und dem Auszuge des einen Drittels findet sich nur
bei Paulus, ist aber schon durch seine sagenhafte Form deutlich
gekennzeichnet als der Origo entlehnt, in der freilich jetzt die un-
klaren und offenbar verkürzten "Worte inter quos erat diese Nach-
richten vertreten. Die Bemerkung des Paulus, dass ausser der
Uebervölkerung et aliae causae egressionis (Winilorum) asseverentur,
deutet darauf hin, dass die vollständige Origo noch Weiteres hinzu-
fügte, etwa von Ueberschwemmungen oder Misswachs oder ähnlichen
Bedrängnissen meldete. Auch die Art, wie im Chr. Goth. die Gam-
bara auftritt, lässt wenigstens ahnen, dass in der ursprünglichen
vollen " Gestalt die Sage noch in ganz andern Farben leuchtete , als
wir sie kennen. Dass die gens parva auch in Paulus Quelle stand,
zeigen die (aus c. 7 herübergenommenen) Worte numero perexigui —
fuerinf. Das barbarische Winilis oder WinniUs — die zwei Recen-
sionen der Origo so wie die besten Handschriften des Paulus schwanken
zwischen beiden Formen — hat sowohl die geringere Recension der
Origo wie auch Paulus in die zweite lateinische Declination über-
tragen; doch ist beachtenswerth, dass bei Paulus in der für die
Schreibung (namentlich wo A 1 fehlt) in erster Reihe massgebenden
Handschrift (F^ St. Gallen saec. YIII/IX) 1, 10 Winilis capiunt sich
gefunden hat. — Da die epitomirte Origo den Auszug weggelassen!
hat, so fehlt ihr auch die Ernennung der Führer. — Ob, was Paulus
über die Weisheit der Mutter der Fürsten berichtet, geradezu in
der Legende gestanden hat, in die es an sich gut passen würde,
oder Paulus dies aus der weiteren Erzählung folgerte, ist ziemlich
gleichgültig; ebenso ob die Legende die Mutter als neben den Söhner
herrschend hat bezeichnen wollen, was Paulus nicht thut und viel
leicht auch der ungebildete Schreiber der Origo mit seiner Wendung
cum matre sua nicht hat sagen wollen.
Die Auseinandersetzung über die Merkwürdigkeiten Germaniens
die Paulus selbst zu Anfang und am Schluss deutlich als Einlagt
bezeichnet, eine interessante Probe von der Art, wie derselbe selbs
Gesehenes und mündlich Berichtetes mit seiner Bücherkunde zusammen
arbeitet, hat mit der Origo augenscheinlich nichts zu schaffen. Wa
über die Scridifennen gesagt wird, gehört wenigstens zum grössere
Theil zu dem aus Büchern Geschöpften und geht sicher auf eine un
64 dieselbe Quelle zurück wie die bei Prokop b. Goth. 2, 15, Jordani
Get. 3, geogr. Rav. besonders 4, 12 über sie gegebene Kunde. Welch
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 497
Verwandtschaft aber zwischen diesen Nachrichten obwaltet, ist eine
sehr schwierige und wenn überhaupt, so gewiss nicht beiläufig zu
erledigende Frage.
Es folgt die Erzählung von der Entstehung des Namens der
Langobarden.
ORIGO:
Moverunt se ergo duces Wanda-
lorum, id est Ämbri et Assi cum
exercitihus suis et dicebant ad
Winnües: 'aut solvite nöbis trihuta
aut praeparate vos ad pugnam et
pugnate nohiscum\
Tunc responderunt Yhor et Aio
cum matre sua Gambara: 'melius
est nöbis pugnam praeparare quam
Wandalis tributa persolvere\
Tunc Ambri et Assi, hoc est duces
Wandalorum, rogaverunt Godan, ut
daret eis super Winniles victoriam.
Hespondit Godan dicens: 'quos sol
surgente antea videro, ipsis dabo
victoriam\
Fo tempore Gambara cum dnobus
ßliis suis, id est Ybor et Aio, qui
principes erant super Winniles,
rogaverunt Fream uxorem Godan,
ut ad Winniles esset propitia.
Tunc Frea dedit consilium, ut sol
surgente venirent Winniles et mu-
lieres eorum crines solutae circa
fadem in similitudinem barbae et
cum viris suis venirent.
MOMMSEN, SCHR. VI.
PAVLVS [1,7—8]:
Sic in regionem quae appellatur
Scoringa venientes per annos illic
aliquot consederunt. Illo itaque
tempore Ambri et Assi Wanda-
lorum duces mcinas quasque pro-
vincias bello premebant. Hi iam
multis elati victoriis nuntios ad
Winilos mittunt, ut aut tributa
Wandalis persolverent aut se ad
belli certamina praepararent. Tunc
Ibor et Aio adnitente matre Gam-
bara dcliberant melius esse armis
libertatem tueri quam tributorum
eandem solutione foedare. Man-
dant per legatos Wandalis pu-
gnaiuros se potius quam servi-
turos.
Et accedentes Wandali ad Godan
victoriam de Winilis postulaverunt
illeque respondit se Ulis victoriam
daturum, quos primum Oriente sole
conspexisset.
Tunc accessit Gambara
ad Fream uxorem Godan et Win-
nilis victoriam postulavit.
Freaque consilium dedit, ut Wini-
lorum mulieres solutos crines erga
fadem ad barbae similitudinem
componerent maneque primo cum
viris adessent, seseque Godan vi-
32
498 Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diacouus.
Tunc luciscenfe sol dum surgeret,
65 giravit Frea uxor Godan lectum
tibi recumbehaf vir eius et fecit
fadem eius contra orientem et
excitavit eum.
Et nie aspiciens vidit J^inniles et
mulieres ipsorum Jiabentes crines
solutas circa faciem et ait: 'qui
sunt isti longibarbae?^ et dixit
Frea ad Godan: 'sicut dedisti
nomen, da Ulis et victoriam'; et
dedit eis victoriam, ut tibi visum
esset, vindicarent se et victoriam
haberent. Ab illo tempore Winni-
lis Langobardi vocati sunt.
dendas pariter e regione, qua ille
per fenestram orientem versus erat
solitus aspicere, conlocarent, atque
ita factum fuit.
Quas cum Godan Oriente sole con-
spiceret, dixit: 'qui sunt isti longi->
barbi?' tunc Frea subiunxit, ut
quibus nomen tribuerat victoriam
condonaret. Sicque Winilis Godan
victoriam concessit .... [c. 10]
Winili igitur qui et Langobardi
commisso cum Wandalis proelio
acriter, utpote pro lihertatis gloria,
decertantes victoriam capiunt.
Die prächtige Legende über den Ursprung des späteren IS^amens
der Winiler, des der Langobarden ist glücklicher Weise in beiden
Recensionen so ausführlich überliefert, dass wir sie vollständig zu
würdigen im Stande sind. Die Landschaft Scoringa, in welcher nach
Verlassen der Insel Scadanan die Langobarden zuerst sassen und
wo der eingewanderte kleine Stamm gegen die mächtigen Yandalen
seine Freiheit zu vertheidigen hatte, nennt nur Paulus; in unserer
Recension der Origo ist der Kampf ortlos. Dass dies auf Ver-
kürzung beruht, zeigt deutlich die spätere Wendung: et moverunt se
exinde Langobardi et venerunt in Golaidam, während vorher ausser
der Insel Scadanan kein Ortsname genannt und exinde also be-
ziehungslos ist. Die weitere Erzählung giebt das beste, vielleicht
das einzige recht lebendige Beispiel dafür, wie Paulus die ihm
schriftlich oder mündlich zugekommenen historischen Legenden be-
handelt hat. Die fast durchgängige Umsetzung der directen Rede
in die indirecte, die Einführung des armis libertatem tueri und ana-
loger klassischer Phrasen, die durchgeführte Stilisirung und Histori-
sirung sprechen für sich selbst; aber doch konnte der Langobarde
hier, wo es sich um den Ursprung des stolzen Namens handelte,
sich nicht verleugnen und hat, auch wo die ridicula fabula ab anti-
quitate relata der Historisirung Trotz bot, sie dennoch nicht unter-
drückt. Freilich hat er die lehrreiche Greschichte, warum man besser
thut seine Sache auf die Frau als auf den Mann zu stellen, in einem
Puncte verdorben oder vielmehr die vermuthlich mit der bei Nieder-
schrift von Märchen üblichen Unklarheit aufgezeichnete Erzählung
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 499
missverstanden. Die Fabel rauss darauf ruhen, dass Gott "Wodan
nach der Stellung seines Bettes beim Aufwachen nach Westen sah
und dass von den beiden kampfbereit sich gegenüber stehenden
Völkern die Vandalen westlich, die Winiler östlich lagerten. Der
treuherzige Gott konnte dann seinen vandalischen Verehrern den
Sieg wohl in dem Räthselworte versprechen, dass er denen zufallen (H)
solle, auf die sein Auge am Morgen des Schlachttages zuerst fallen
werde. Da aber seine listige Frau ihm das Bett umdrehte, so hatte
er damit vielmehr sich und seine Begünstigten gefangen. Dies lässt
sich aus der Origo recht wohl herauslesen, aber auch wohl begreifen,
warum Paulus diese 'lächerliche und nichtsnutzige' {ridicida et pro
nlhilo lidbenda) Geschichte so verunstaltet hat, dass man sie ohne
Hinzunahme jener Version nicht verstehen kann. Auch so noch
kann man fragen, was die zum Bart coiffirten Frauenlocken mit
Wodans Wahrspruch zu thun haben; doch scheint nichts zu fehlen,
vielmehr die Sache so gedacht zu sein, dass damit das Erstaunen
des Gottes markirt werden soll, als er statt der vorausgesetzten
Vandalenschaar diese seltsamen Langbärte erblickt, vielleicht sogar,
dass die listige Gattin dem Mann eine Aeusserung ablocken will,
welche es ausser Zweifel stellt, dass an dem Morgen sein Blick in
der That zuerst auf die Winiler gefallen ist.
Was Paulus weiter über die Ableitung des Wortes Langobarden
von 'lang' und 'Bart' vorbringt, ist, wie Waitz bemerkt, aus Isidor
2, 2, 95 geschöpft. Die Identification des Wodan oder Godan mit
dem Mercurius ist meines Erachtens entlehnt aus der vita Colum-
bani c. 53: Uli aiunt deo suo Vodano, quem Mercurium vocant alii,
s>; velle litare; da Paulus des Columbanus 4, 41 gedenkt, so wird
ihm dessen Biographie nicht unbekannt geblieben sein. Allein bei
Paulus erhalten ist der Bericht über die Hungersnoth, welche die
Langobarden aus Scoringa nach Mauringa führt, über den Widerstand,
den die Assipitten ihnen entgegenstellen, die Geschichte von den
mit den Langobarden verbündeten 'Hundsköpfen', wodurch sie die
Assipitten überlisten, der Zweikampf des langobardischen Sclaven
mit dem Vorkämpfer der Assipitten, die daran geknüpfte juristische
Ursprungslegende der Freilassung durch den Pfeil, endlich die
Einwanderung nach Mauringa. Anderweitige eine Controle ge-
währende Nachrichten sind für keine dieser Legenden weiter vor-
lianden; dass sie alle in die Origo vortrefflich passen, wird nicht
bestritten werden. Insbesondere die Erzählung in Betreff der
Freilassung durch den Pfeil schickt sich gut für eine mit dem
Landrecht in Verbindung gesetzte geschichtliche Aufzeichnung,
32*
\
500
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
wobei es gleichgültig ist, ob in diesem diese Freilassung vorkam
oder fehlte.
"Warum die Langobarden auch Mauringa wieder verliessen, giebt
keine der beiden Ueberlieferungen an; mit der Einwanderung in
Golanda treffen beide Recensionen wieder zusammen.
ORIGO:
Et moverunt se exinde Lango-
hardi et venerunt in Golaida.
67 et postea possiderunt dldonus An-
thaih et Banaib seu et Burgun-
daib.
PAVLYS [1, 13]:
Egressi itaque Langohardi de
Mauringa applicueruntin Golanda,
ubi aliquanto tempore commorat%
dicuntur post Jiaec Anthab ei
Banthaib, pari modo et Vurgundai
per annos aliquot possedisse, qua6
nos arbiträr i possumus esse voca-
bula pagorum seu quorumcumqi
locorum.
Hier tritt die Yerkürzung der Origo deutlich hervor. Dass die vi<
ältesten Heimstätten der Langobarden Scadinavia, Scoringa, Mauringa"
Golanda einer zusammenhängenden Legende angehören, wird schwer-
lich bestritten werden. Aber wie die Origo jetzt liegt, gelangen
die Winiler von Scadanan nach Golanda und fehlen ihr von jenen
Heimstätten die zweite und die dritte, obwohl in dem exinde, wie
bemerkt, die Spur einer Zwischenstation sich erhalten hat. — Die
juristische Legende über die Entstehung des Aldionats lag dem
Paulus wesentlich in derjenigen Fassung vor, die in unserer Origo
steht; die Worte, womit er die ihm selbst nicht mehr verständ-
lichen Namen Anthaib, Banaib oder Bantaib, Burgundaib erklärt:
es seien vocabula pagorum, beruhen darauf, dass seine Vorlage sie
aldonos nannte. Ob man darunter abhängige Gaue oder was sonst
zu verstehen hat, entzieht sich meiner Competenz; vergleichen kann
man die spätere Erzählung (5, 29), dass der dux der Bulgaren Alzeco
erklärt dem König der Langobarden dienstbar sein zu wollen {ei se
serviturum) und dass er dann statt des Titels dux den des gastaldiiis
annimmt.
Die Wahl des ersten Königs wird ebenfalls wesentlich gleich-
massig berichtet:
ORIGO:
et dicitur, quia fecerunt sibi regem
nomine Agilmund filium Aioni ex
genere Gugingus.
PAYLVS [1, 14]:
Mortuis interea Ibor et Aionc
ducibus, qui Langobardos a Sca-
dinavia ediixerant et usque aa
1
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 501
haec tempora rexerant, nolentes
iam ultra Langobardi esse suh
ducibus regem sibi ad ceterarum
instar gentium statuerunt. Regna-
vit igitur super eos primus Ägel-
mund filius Aionis ex prosapia
ducens originem Gungingorum,
quae apud cos generosior habebatur.
Die Worte et usque ad haec tempora rexerant werden wohl mit Recht
von Bethmann als Zusatz des Paulus betrachtet; aber er hat damit
nur den Sinn der Legende richtig aufgefasst. Denn wenn der erste 68
König auch nach der Origo ein Sohn des einen der beiden Hege-
monen war, so hat die Legende ohne Zweifel deren Regiment bis
zur Königswahl erstreckt, wie dies ja auch nothwendig war, um die
Continuität der Chronologie herzustellen. Geschichtlich wird freilich,
auch wer in jener Wanderung einen wesentlich echten Kern aner-
kennt, doch die Anknüpfung der beiden Hegemonen an die Königs-
reihe als Piction zu betrachten haben. Uebrigens liegt über die
Dauer der Hegemonie keinerlei Andeutung vor und kann die Sage
dafür ebenso gut Jahrhunderte wie Jahrzehnte in Rechnung gebracht
haben.
Die Erzählung von der niederen Herkunft des zweiten Königs
Lamissio, wie er bei Paulus und in der Königsliste des Rothari,
Lamicho, wie er in unserer Origo heisst, des langobardischen Servius
Tullius, fehlt in der Origo; aber nicht mit Recht sagt Bethmann
bei Waitz, dass sie ihr widerspreche. Die Worte ex genere Gugin-
gus, welche in der Origo wie bei Paulus dem ersten König beigesetzt
werden, werden bei dem zweiten nur in der einen Recension der
Origo wiederholt und sind eine handgreifliche Interpolation, da sonst
keinem späteren König das Geschlecht beigesetzt wird und auch
die Königsliste, die König Rothari seinem Promulgationspatent ein-
verleibt hat, nur dem ersten einen solchen Beisatz giebt. Wenn
Paulus den Namen davon herleitet, dass lama (Langobardorum)
lingua ^liscina dicitur, so steht es philologisch längst fest — die
Belege sind bei Forcellini , Ducange und Diez zu finden — , dass
dies Wort kein deutsches ist, sondern ein lateinisches, das in den
romanischen Sprachen fortlebt, wie denn Ducange es aus den Statuten
von Modena in ganz gleichem Werthe anführt und noch Dante es
also gebraucht hat. Wenn Paulus oder vielmehr dessen älterer
Gewährsmann dasselbe für langobardisch hielt, so wird er dies nicht
502 Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
deswegen gethan haben, weil es bei Festus vorkam, von dem Paulus
doch wusste, das8. dieser deutsche Wörter nicht verzeichnet, sondern
weil es ein der lateinischen Gelehrsamkeit jener Zeit unbekanntes,
aber in Norditalien gangbares Bauernwort war, an das ein alter
lombardischer Märchenerfinder den heimischen Königsnamen füglichl
anknüpfen konnte. — Der Zweikampf des Lamissio vor seiner Thron- ^
besteigung mit einer Amazone über den Durchgang durch deren
Grebiet ist genau nach derselben Schablone gearbeitet wie der oben
erwähnte der Langobarden und der Assipitten und muss aus der-
selben Quelle genommen sein. Paulus Kritik: omnibus quihus veteres
69 historiae ^ notae sunt — man hört den Kenner — patet genteml
Amazonum longe anfea, quam haec fieri potuerint, esse deletam beruht
wieder auf Isidor etym. 9, 2, 64: has iam non esse constat, quod . . .
usque ad internicionem deletae sunt (vgl. Justin 2, 4, 33). — Wohin
die Langobarden von Golanda und unter König Agilmund gelangen,
sagen weder Paulus noch die Origo^; jener berichtet nur, dass sie
in der neuen Heimath von den Bulgaren überfallen worden
seien und dabei König Agilmund sein Ende gefunden habe.
Die Regierungsjahre des Agilmund sind nur bei Paulus ange-
geben.
Von dem Bulgarensieg des Lamissio berichtet ebenfalls nur
Paulus. Die Regierungsjahre dieses Königs finden sich weder in
der Origo noch bei Paulus.
1) Wie die veteres historiae hier Isidors origines sind, so citirt Paulus sie
H. L. 2, 14 mit den Worten in historüs legimus; und nichts anderes ist auch die
gleich darauf dort angeführte historia Bomana. Bei Eutrop 3, 7, welche Stelle
Waitz gemeint glaubt, steht nichts, woraus man schliessen könnte, dass Histrien
einst weiter gereicht habe; aber aus der Isidorstelle 14, 4, 17, mit der sich Paulus
eben hier beschäftigt, durfte allerdings gefolgert werden, dass Histrien ehemals
bis zur Donau reichte, üebrigens citirt er anderswo (2, 23) als Bomana historia
den Eutrop 2, 16, während 1, 15 die historiae veterum Plinius naturalis historia
sind. Was Paulus H. L. 2, 14 aus den annales libri über Bergamo anfährt,
kehrt nach Waitz treffender Bemerkung wieder H. B. 15, 1 und ohne Zweifel
bezeichnet er damit das Werk, dem er diese Nachricht entlehnt hat. Für die
schwierige Untersuchung über die Quellen der letzten Bücher ist diese Ursprungs-
angabe nicht ohne Bedeutung.
2) Das CJir. Goth. nennt Pannonien, was aber mit der weiteren durch die
Uebereinstimmung von Paulus und der Origo gesicherten Erzählung in Wider-
spruch steht. Auch ist diese Legende von den alten Heimstätten der Lango-
barden, Scadanan, Scoringa, Mauringa, Golanda, . . ., Rugilanda offenbar natio-
nalen Ursprungs und kann das römische Pannonien in der Lücke nicht gestanden
haben. Dies wird also zu den Interpolationen dieser Version gerechnet werden
müssen.
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaoonns. 503
Von den beiden folgenden Königen Lethuc und Hildeoc wissen
beide Quellen nur die Namen und von dem ersteren die ungefähre
Regierungszeit zu melden.
Unter der Regierung des Gu^eoe berichten dann beide Quellen
die Besiegung der Ruger durch Odoacar und die Uebersiedelung
der Langobarden in das von diesen verlassene Gebiet, Paulus aber
mit Aenderungcn und Einlagen theils aus der vita Severini, theils
aus Jordanes. Wenn es in der Origo heisst: illo tempore exivit rex
AudoacJiari de Ravenna cum exercitti AUmonim, so hat Paulus ein-
mal für jenen Namen seiner Gewohnheit nach die Form gesetzt, die
er bei seinen römischen Gewährsmännern fand, ferner statt die
Expedition zu bezeichnen als von Ravenna aus unternommen, viel-
mehr den Odoacar Herrscher von Italien genannt, was der Sache
nacli auf dasselbe hinauskommt und historisch leichter verständlich
war. Die Alanen sodann, welche die römischen Quellen nicht mit
Odoacar in Verbindung bringen und deren Einfügung an dieser Stelle
ein Fehler der langobardischen Geschichtslegende zu sein scheint, 70
hat er beseitigt und als die Völker, die ihm in den Feldzug gegen
die Ruger folgten, ausser den Italikern die Turcilinger, die Heruler
und die schon früher ihm unterthänigen Ruger aufgeführt. Dies
kommt her aus Jordanes, dem er einmal (Rom. p, 239 [§ 344]) heisst
genere Eitgus, Torcilingorwn, Scirontm Herulorumque turbis munitus,
anderswo (Get. c. 46 [§ 242]) Torcüingorum rex, lidbens secum Sciros,
Hendos diversarumque gentium auxiliarios und wieder (Get. 57 [§ 291])
rex TorcUingorum Rugorumque, nur dass Paulus mit Rücksicht auf
den eben gegen den Rugerkönig gerichteten Krieg nur einen Theil
dieses Volkes zu den dem Odoakerbotmässigen meinte zählen zu dürfen.
Weiter heisst es wesentHch übereinstimmend:
ORIGO:
et venu in Rugilanda, et impu-
gnavit Hugos, et occidit Fewane^
regem Bugorum secumque multos
captivos duxit in Italiam. Tunc
exierunt Lnngobardi de suis regi-
onihus et habitaverunt in Rugi-
landa annos aliquantos.
PAVLVS [1, 19]:
venit in Rugiland piugnavitque cum
Rugis ultimaque eos clade conßciens
Feletheum (vorher Feletheus qui
et Feva dictus est) insuper eorum
regem extincxit, vastataque omni
provincia Italiam repetens copiosam
secum captivorum muUitudinem
1) Die Handschriften der Origo haben occidit Theuvane, aber das Chr.
Goth., das hier einsetzt, richtig Fetvane. Der Accusativ Fewanem ist regulär:
für die eigenthümliche Flexion der unrömischen Mannsnamen auf a in anis,
wie Totilanis, Attilanis finden sich inschriftliche Belege C. I. L. V, 6176. 7793
vgl. W. Schulze, Zur Gesch. lateinischer Eigennamen (Berlin 1904) S. 40 A. 6].
504 Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
dbduxit. Tunc Langöbardi de suis
regionibus egressi venerunt in Rugi-
land, quae Latino eloquio JRugorum
patria dicitur, atque in ea, quia
erat solo fertilis, aliquantis commo-
rati sunt annis.
Nur hat Paulus den zweiten Namen des Königs der Ruger und die
Angaben über sein Yerhältnis zu Severinus aus dem Eugippius ab-
geschrieben ^, den er für Odoacars Geschichte auch bist. Rom. 15, 8. 9
neben Jordanes benutzt.
Ich unterlasse die weitere Vergleichung , insofern sie lediglich
entweder Uebereinstimmung in Namen und Zahlen zu constatiren
hat oder auch das Fehlen einer Anzahl von Paulus berichteter That-
sachen in der Origo, die, wie es bei solchen Auszügen zu gehen
pflegt, im Verlauf mehr und mehr sich verkürzt. Es wird genügen
71 diejenigen Punkte zu erörtern, bei welchen eine Yergleichung der;
sachlichen Angaben einigermassen möglich ist.
Die berühmte Erzählung von Rosamunda und Alboin bringt
Paulus in aller Yollständigkeit, relativ ausführlich auch die Origo;
doch tritt in dieser die Verkürzung wieder meines Erachtens deutlich
zu Tage. Dass ein Erzähler, der mit so liebenswürdiger Weitläufig-
keit berichtet, wie Frau Freia ihrem Wodan das Bett verrückt, bei
der Rosamundengeschichte den Schädelbecher weggelassen haben
soll; dass überhaupt ein so drastischer Zug aus der ersten recht
früh erfolgten Niederschrift der Erzählung ausgefallen ist und erst
Paulus, der den verhängnisvollen Becher in der Hand des Königs
Ratchis sah, ihn wieder hergestellt hat, ist nicht gerade unmöglich,
aber wenig glaublich. Bei Epitomatoren aber ist alles möglich,
und nicht am wenigsten die Weglassung der Pointe. — Wie die
Rollen in diesem Trauerspiel vertheilt werden, ist in beiden Er-
zählungen nicht recht klar; nach der Origo wird Alboin getödtet ab
Hilmichis et Rosemunda uxore sua per consilium Peritheo; bei Paulus
schafft Hilmichis, der Waffenträger des Königs, sich den tapferen
Peredeo zum unfreiwilligen Genossen und es heisst dann: iuxta
consilium Peredeo HelmecJiis interfectorem omni bestia crudelior intro-
duxit. Es sieht das ganz so aus, als habe Paulus seine Vorlage
nicht recht verstanden, woran sie allerdings wohl selber schuld war,
und darum etwas hingeschrieben, was auch keinen klaren Sinn giebt.
1) c. 8. 46. Dass Noricum nördlich bis zur Donau reiche, ist der Choro-j
graphie Italiens entnommen (vgl. 3, 30 und unten S. 526).
I
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 505
In dem Bericht über die Strafgerichte, welche König Agilulf
oder Ago über die aufständischen Grossen verhängte:
ORIGO:
Et exivit Aggo dux Turingus
de Taurinis
et iunxit se Theudelendae reginae
et fadus est rex Langöbardorum
et occidit duces rebelles suos, Zang-
rolf de Verona, Mimulf de Insula
Sancti luliani et Gaidulf de Berga-
mum, et alias qui rebelles fuerunt
et genuit Aggo de Theudelenda
filiam nomine Gunperga
PAVLYS:
3, 30 Agilulf dux Taurinensium
civitatis
3, 35 (Theudelinda) Agilulfum . . .
et sihi virum et Langöbardorum
genti regem elegit.
4, 3 Agilulf rex occidit Mimulf um
ducem de Insula Sancti Iidiani
. . . Gaidulf US . . . Pergamensis
dux . . . rebellans ... in gratia
receptus est.
4, 13: Ago rex rebellantem sibi
Zangrulf'um Veronensium ducem
extinxit. Gaidulfum quoque Per-
gamensem ducem, cui iam bis pe-
percerat, peremit. Pari etiam
modo et Warnecautium apud Ti-
cinum occidit.
vgl. 4, 47: Gundipergam, Agilulfi
et Theudelindae sibi filiam in
matrimonium sociavit.
tritt das Yerhältniss der beiden Quellen recht deutlich zu Tage. 72
Einerseits zieht die Origo die gleichartigen, aber nicht der Zeit nach
zusammengehörigen Vorgänge, wie die Hinrichtung des Herzogs der
Isola San Giulio (im Lago di Orta) und die der Herzöge von Yerona
und Bergamo sind, zusammen und ersetzt den Warnecautius durch
das unbestimmte alU; andrerseits aber hat sie, so kurz sie ist, einiges
mehr, so die Angabe der Heimath des Agilulf, welche die Königs-
liste in Rotharis Prolog bestätigt, und die Geburt seiner Tochter,
während Paulus diese Tochter wohl später erwähnt, hier aber nur
die Geburt des Sohnes und Nachfolgers meldet.
Dies Yerhältniss der beiden Quellen bleibt dasselbe bis zum
Ende der Origo; der Bericht über die Eroberungen des Königs
Rothari (4, 45) und sogar noch der kurze über den sicilischen Aufent-
halt des byzantinischen Kaisers Constantinus (gewöhnlich bezeichnet
als Constans H), mit dem sie schliesst, kehrt in viel grösserer Aus-
506 Die Quellen der Lancrobardengeschiclite des Paulus Diaconus.
führlichkeit, aber soweit die Origo reicht fast übereinstimmend, bei
Paulus wieder.
Wie stellt sich nun in Betreff dieser langobardischen Legenden
und Geschichte die Quellenfrage?
Waitz nimmt für die langobardischen Abschnitte des Paulus-
eine dreifache Quelle an: einmal die Origo, zweitens eine altera
narratio, quae prorsus diversa de sedibiis et migratione gentis illius
tradidit, welcher beiden Quellen Widersprüche Paulus entweder
nicht bemerkt oder doch der Beachtung nicht werth gehalten habe,
endlich die Schrift des Secundus de Langohardorum gcstis. Dass
jene ersten beiden Quellen vielmehr zusammenfallen, ist in der bis-
herigen Entwickelung gezeigt worden. Von Widersprüchen sehe ich
nicht bloss nichts — denn was in dieser Hinsicht über die Herkunft
des Lamissio und über die Ermordung Alboins bemerkt wird, beruht
entweder auf irriger Textconstituirung oder auf irriger Interpretation — ,
sondern das Ineinanderfügen beider Recensionen erscheint mir leicht
ausführbar und durch ihre Beschaffenheit geradezu geboten.
Anders verhält es sich nun freilich mit der Schrift des Secundus
von Trient. Paulus erwähnt dieselbe zweimal (3, 29. 4, 40) und
unter der gleichen Titelbezeichnung der gesfa Langohardorum; es'
fragt sich, was er daraus genommen hat und wie sie sich zu der|
Origo stellt. Jene Frage lässt sich insoweit einigermaassen !
beantworten, als, obwohl eigentliche Anführungen daraus bei
Paulus gar nicht vorkommen, doch eine Reihe von Nachrichten
theils nach ihrer persönlichen, theils nach ihrer örtlichen Beziehung
mit völliger Sicherheit auf diesen Gewährsmann zurückgeführt
werden können, was auch schon oft, zuletzt in recht befriedigende]
W^eise von Jacobi S. 65 ff. geschehen ist. Die hervorragendster
darunter sind die eben von diesem Secundus im J. 603 voll
73 zogene Taufe des königlichen Prinzen (4, 27) und die Localnotizei
über Trient und die Umgegend aus den J. 577 (3, 9), 590 (3, 3
vgl. 4, l), wo die Aufzählung der castra in territorio Tridentino ei'
deutliches Ursprungszeugniss ist\ 591 (4, 2), 595? (4, 10), wo der
neuen dux von Trient gewiss nicht zufällig das Prädikat vir bonu
ac fide catJioUcus beigesetzt ist. Für die Beschaffenheit des Werke
ist es ebenfalls beweisend, dass Paulus (3, 29) bei dem Secundu
einen Bericht über den nach den fränkischen Annalen im J. 58
über die Franken erfochtenen Sieg der Langobarden zu finden ei
1) Das castrum Ferrugae ist Veruca an der Etsch (Cassiodor var. 3, 4^
das von den Trienter Gelehrten dicht bei Trient gesucht wird, ich weiss nicl
ob mit Recht.
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 507
wartete und nicht fand. Endlich ist mit Recht hervorgehoben wor-
den, dass Secundus nach Paulus (-1, 40) die Thaten der Langobarden
usque (td sua tcmpora beschrieben hat und im J. 612 gestorben ist
und dass von da ab die bis dahin reichlich fliessende Erzählung
versiegt, so dass zum Beispiel bei König Arioald (626—636) Paulus
selber anmerkt (4,41): de cums regis rjestis ad nostram notitiam
illiquid minime pervenit. — Wenn hiernach längst und mit gutem
Grund angenommen ist, dass die eigentlich historischen Nachrichten
bei Paulus aus der Zeit vor 612, so weit sie aus einer langobardi-
schen Quelle herrühren, auf Seciuidus zurückgehen, so erscheint es
um so schwieriger das Yerhältniss dieser Quelle zu der Origo zu
bestimmen. Es ist reine Willkür, wie dies zum Beispiel Jacobi
thut, die Nachrichten, welche einen sagenhaften Charakter tragen,
der Origo, die als zeitgenössische Aufzeichnungen sich charakteri-
sirenden dem Secundus zu vindiciren ; es ist dies um so mehr Will-
kür, als es gerade eine Besonderheit der älteren Langobarden-
geschichte ist auch auf dem der eigentlichen Legende entrückten
Gebiet in der ausgeführten und persönlich gehaltenen Erzählung,
wie die von der Unthat der schönen Rosamunde und von Autharis
Werbung um Theudelindens Liebe sind, Wahrheit und Dichtung zu
einem unvergleichlichen Chiaroscuro zu mischen. Denn einerseits
ist es ausser Zweifel, dass die Origo trotz ihres Titels auch die
spätere Zeit umfasst hat, und da w4r sie erwiesener Maassen nicht
80 vollständig lesen, wie sie Paulus vorlag, so ist jede Anwendung
des argumentum a silentio nichts als L^nkritik. Andrerseits spricht
nicht blos der Titel der Schrift dagegen, dass Secundus nur die
Geschichte seiner Epoche erzählt hat. Die farbenreiche Erzählung
von dem Einfall der Avaren im J. 610 (4, 37) gehört sicher dem
Secundus; aber sie ist die höhnische Erfüllung des bei der Aus-
wanderung der Langobarden zwischen beiden Yölkern geschlossenen
Pacts \ und wer jene niederschrieb, hat auch diesen berichtet. Vor 74
allen Dingen aber haben wir oben gesehen, dass auch bei den
Vorgängen unter Agilulf (590 — 616), die recht eigentlich in die
Epoche des Secundus fallen, die enge Verwandtschaft zwischen der
Origo, so weit diese reicht, und Paulus keineswegs sich verleugnet.
Ueberhaupt wird jedem mit solchen Forschungen Vertrauten sich die
Wahrnehmung aufdrängen, dass die ältere langobardische Ueber-
lieferung bei Paulus einen homogenen Charakter an sich trägt und
1) 1, 27. 2, 7. Das ist der Sinn der Worte: fallaciter tarnen eis promittenUs,
qxiod eos, unde digressi fuerant, Pannoniae in finibus collocarent. "Vgl. S. 492.
508 Die Quellen der Langobardengesehichte des Paulus Diaconus.
innerhalb derselben kaum für mehr als einen Gewährsmann rechter
Raum ist.
Es giebt nur einen Weg, der aus diesen Verlegenheiten ins
Freie führt; aber diesen Weg hindert auch nichts zu beschreiten.
Ist es nicht evident, dass die origo gentis Langohardorum nichts ist
als ein mit einer kurzen Fortsetzung versehener Auszug aus der
Schrift des Secundus von Trident? Dann erklärt sich alles sehr
einfach. Die Origo ist dem Landrecht der Langobarden möglicher
Weise gleich bei dessen Erlassung im J. 643, wahrscheinlich erst
im J. 668 als geschichtliche Einleitung vorgesetzt worden. Wie
sollte, wer dies that, dabei die bis gegen das J. 612 geführte Chronik
des Secundus von Trident ignorirt haben? Nichts liegt näher, als
dass man eben diese selbst dafür verwandte und sich darauf be-
schränkte sie so gut es ging bis auf die Gegenwart fortzuführen.
Dass Paulus das Buch da, wo er sich gegen den Vorwurf der Ge-
schichtsfälschung vertheidigen wollte, nach dessen officieller Stellung F
als prologus edicti des Königs Rothari citirte, sonst aber als des!
Secundus gesta Langohardorum, steht nicht entgegen; zugegeben
einmal, dass das Geschichtswerk ein integrirender Theil des Rechts-
buches war, wofür wenigstens Paulus es gehalten hat, so konnte
gegen beide Bezeichnungen nichts eingewendet werden^. Es ver-
stärkt den Beweis nicht eben, verdient aber doch bemerkt zu werden,
dass von jenem Langobardensieg im J. 588, den Paulus bei Secundus
vergeblich suchte, auch in der Origo nichts zu finden ist. Ebenso
erklärt es sich in diesem Fall einfach, woher Paulus die Nachrichi
von dem Tode des Secundus im J. 612 genommen hat; wer etw£
75 fünfzig Jahre später dessen Werk fortführte, fing zweckmässige!
Weise seine Aufzeichnungen mit dieser Nachricht an. j
Wenn man aus der Langobardengeschichte des Paulus di(
Nachrichten etwa von 610 an so wie ferner die römisch-byzantinischeij
1) Man kann diese Vermuthung auch dahin modificiren, dass die Origo bi
zum J. 612 aus dem Secundus ausgezogen ist und dem Paulus sowohl diese -
Auszug wie der vollständige Secundus vorlag. Diese Combination bietet de. f •!
Vortheil, dass die Anführung der Schrift unter verschiedener Bezeichnung sie
also von selbst erklärt. Aber gegen sie würde man mit Recht geltend machei
dass Paulus, der doch über das Verhältnis seiner beiden Quellen nicht füglic;
im Unklaren sein konnte, da wo er sich in ihren Schutz stellte, nicht de
Auszug vor dem Rechtsbuch, sondern vielmehr den Secundus selbst citire
musste. Darum bleibe ich bei der einfachen Annahme stehen, dass das dei
Edict vorgesetzte Geschichtswerk eben nichts war als das des Secundus m
entsprechender Fortsetzung bis zum J. 668 oder 671 und dass Paulus für d,
ältere Langobardengeschichte nur diese eine Quelle gehabt hat. '"^
il
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 509
tnd die fränkischen Bestandtheile ausscheidet und mit dem Rest
die Nachrichten der Origo und die hieher gehörigen des Chronicon
Gothanum combinirt, stellt sich ein langobardisches Geschichtswerk
von wesentlich einheitlichem und gleichartigem Charakter heraus,
das dem wenig älteren fränkischen des Gregorius von Tours an die
Seite tritt. Dasselbe näher zu charakterisiren ist nicht die Aufgabe
dieser Untersuchung und kann auch nicht unternommen werden ohne
sachliche und eingehende Prüfung sowohl der legendarischen wie
der mehr oder minder historischen langobardischen Ueberlieferung,
wozu mir die Voraussetzungen fehlen. Nur auf ein Moment möchte
ich mir noch gestatten die Aufmerksamkeit der Mitforscher zu
richten: es ist dies die auffallende Wechselbeziehung, in welchem
dieses älteste langobardische Geschichtswerk zu den Historikern der
Gothen, dem Jordanes und mittelbar also auch dem Cassiodor steht.
Die beiden correlaten Bücher des Jordanes tragen bekanntlich
das eine den Titel de summa temporum vel de origine actibusque
gentis Romanorum, das zweite den de origine actibusque Getarum,
Wenn die oben ausgesprochenen Vermuthungen das Richtige treffen, so
lagen dem Paulus vor theils die origo gentis Romanae eines unbe-
kannten Verfassers, theils des Secundus origo gentis Langobardorum,
wie die Schrift im Auszug betitelt ist, oder gesta Langobardorum,
wie Paulus dieselbe bezeichnet. Der Analogie in der Gliederung
und der Titulirung der Schriften thut es keinen Abbruch, dass
Secundus die erstere Schrift wahrscheinlich nicht verfasst, sondern
nur mit seiner eigenen zusammengestellt hat. Aber weit bemerkens-
werther ist die innere Verwandtschaft der gothischen und der lango-
bardischen Legende. Die Gothen wandern aus der insula Scandia^,
wo midtae et diversae manent nationes (c. 3) und welche ist quasi
officina gentium aut certe velut vagina nationum"^. Von da schüfen
sie auf drei Fahrzeugen unter ihrem König Berich nach dem Fest-
land (c. 4. 17). Ihre Sitze sind nach einander die Landschaft Gothi-
scandia, das Gebiet der Ulmerugen, das Land Oium, das der Spaler
und so weiter; die Erzählung dieser Fahrten spinnt sich an der
Königsliste ab (vgl. besonders c. 24). Die erste Völkerschaft, mit
der sie auf dem Festland handgemein werden, sind die Vandalen
(c. 4). Weiterhin wird in die Erzählung die Fabel von den Ama- 75
Zonen hineingezogen, indem diese selbst als skythische Frauen für
1) Scandza, wie Jordanes schreibt, ist nur orthographische Variante.
2) Ob es zulässig ist die unter den Völkern von Scandia genannten Vino-
viloth mit den Winiles in Verbindung zu bringen, werden die Germanisten ent-
scheiden [vgl. Müilenhoff im Index der Mommsenschen Ausg. p. 166].
5I0 I^ie Quellen der Laugobardengescbichte des Paulus Diaconus.
den gothischen Stamm in Anspruch genommen und ihre Siege den
gothischen Heldenthaten zugezählt werden. Yon Entlehnung der
einzelnen Erzählungen kann gar keine Rede sein; aber ist es wirk-
lich Zufall, dass das Schema der gothischen und der langobardischen
Origo in dieser seltsamen Weise übereinstimmt? Cassiodors gothische
Geschichte, Jordanes Auszug derselben können dem Tridentiner
Oeistlichen kaum unbekannt geblieben sein; die Aufzeichnung der
Legenden muss einen wesentlichen Bestandtheil von jener ausge-
macht haben und auch der Auszug hat davon manches bewahrt,
wobei die Etymologie eine ganz ähnliche Rolle spielt wie bei der
Langobardenlegende — man erinnere sich der Erzählung von der
Entstehung des Namens der Gepiden^. Es kann ja sein, dass diese
Erzählungen deshalb stimmen, weil sie beide Bruchstücke einei
grossen germanischen Gesammtursprungslegende sind. Es kann abei
auch sein, dass der gothische Märchenerzähler den langobardischen
angeregt hat zu analoger Fabulirung. In der That sind die Ama-
zonengeschichten, die, allerdings in wesentlich anderer Wendung, ir
beiden Wanderlegenden ihren Platz gefunden haben, der letzterei
Auffassung bei weitem günstiger. In die gothische sind dieselbei
erwiesener Maassen lediglich auf gelehrtem Wege gelangt in Folg<
der Identificirung der Gothen mit den Skythen; sollte es danacl
nationale Heldensage sein, dass der Langobarde Lamissio um dei
Uebergang über den Fluss mit der Amazone im Zweikampf gestrittei
hat? — Wie die Langobarden in Italien politisch an den Platz de
Gothen getreten sind, so mochten auch ihre Historiker wohl siel
angeregt finden ihre Legende nach dem gothischen Muster auszuj
gestalten. Auf jeden Fall wird es zweckmässig sein, wenn diejenigei
welche berufen sind dergleichen Fragen nicht bloss aufzuwerfei
sondern auch zu beantworten, die innere Verwandtschaft der beide
Erzählungen im Auge behalten wollen.
Ich wende mich zu dem anderen Abschnitt dieser Untersuchun,!
der Ermittelung der römischen Quellen, welche Paulus neben de
fränkischen und langobardischen benutzt hat. Es sind deren zwd
eine Chronik und das Verzeichnis der Provinzen, in welche Italic
als Diöcese des römischen Gesammtstaats zerfiel.
77 Gleich der fränkischen Chronik tritt auch die römische in dij
Historia Langobardorum vor der langobardischen Quelle zurüc
1) Man möchte wohl etwas mehr wissen von den fabulae aniles über c
Lösung der Gothen aus der britannischen Sclaverei um den Preis eines Bosses (c, i
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus üiaconus. 511
In den ersten vierundzwanzig Kapiteln des ersten Buches schöpft
Paulus, von einzelnen früher erörterten Einlagen abgesehen, die
Erzählung ausschliesslich aus der heimischen Quelle. Als er aber
an die durch die Gothenkriege Justinians herbeigeführte und an-
geblich von dessen Feldherrn Narses veranlasste Einwanderung der
Langobarden in Italien gelangt, giebt er offenbar aus andern Quellen
Mittheilungen über Justinians Regiment. Bei diesen ist zunächst
bemerkenswerth ihre Anknüpfung an den Schluss der historia Ilomana.
Paulus führt diese bis zum Tode des Totilas 552 und schliesst sein
sechszehntes Buch mit den Worten: quia vero restant adhuc, quae
de lustiniani Angusti felicitate dicantur, in saquenti . . . libello pro-
menda sunt. Dieses 'folgende Buch' ist nicht vorhanden, aber an
dessen Platz tritt die Langobardengeschichte. Denn in dem Bericht über
■Justinian werden zwar die Ereignisse, die in der römischen ausführlicli
erzählt sind, der persische Krieg von 530, die Eroberung Africas 534,
die üeberwindung der Gothen in Italien durch Belisar, in äusserster
Kürze zusammengefasst, aber dann geht die Erzählung mit relativer
Ausführlichkeit über auf Dinge, von denen in der hist. Romana nichts
steht: die Besiegung des Maurenkönigs Antalas (wahrscheinlich 549),
das grosse Legislationswerk, den Bau der Sophienkirche, und schliesst
mit einem Gesammturtheil über den Kaiser. Im folgenden Buch
«odann wird die Erzählung des Gothenkrieges eben an dem Punkte
wieder aufgenommen, wo die hist. Rom. abbricht, das heisst mit dem
Kampfe zwischen jSfarses und Butelinus im J. 553, nur dass die noch
bei Totilas Lebzeiten erfolgte Entsendung der langobardischen Hülfs-
truppen zu der Armee des Narses voraufgeschickt wird. Also
schliessen die Stücke so genau zusammen, wie es nur verlangt wer-
den kann, und hat Paulus seine Geschichte Italiens in der Weise
angelegt oder, wenn man will, seinen ursprünglichen Plan in der
Weise modificirt^ dass er die ersten sechszehn Bücher als historia
1) Dass die historia Romana vor 774 vollendet ist, steht fest, nachdem
l^frd. Hirsch ('das Herzogthum Benevent' Leipzig 1871, S. 47) erwiesen hat, dass
ichis in diesem Jahre den Titel diix mit dem Titel princeps vertauschte.
dere beachtenswerthe Gründe für die gleiche Zeitbestimmung hat Dahn
tulus Diaconus 1875 1, 15) beigebracht. Die historia Langöbardorum dagegen
ist nach dem Zusammensturz des Langobardenreiches und dem dadurch veran-
lassten unfreivi^illigen Aufenthalt des Paulus am fränkischen Hofe geschrieben.
Es liegt also zwischen beiden eine geraume Zwischenzeit und eine Modification
des ursprünglichen Planes kann um so weniger befremden. Dass Paulus selbst
über das Verhältniss der späteren Schrift zu der früheren nichts sagt, erklärt
sich wohl daraus, dass jene unvollendet blieb und also auch ohne Vorrede und
Dedication ist. Auffallend bleibt es, dass die Gelehrten des fränkischen Hofes,
deren Complimente sonst in der That nichts zu wünschen übrig lassen:
512 ^ie Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
78 Romana, die letzten sechs als historia Langohardorum betitelte.
Das letztere Werk ist unvollendet geblieben und damit die Antwort
auf die naheliegende Frage abgeschnitten, wie Paulus, der dasselbe
nach dem Sturze des Langobardenstaates schrieb, sich das Yerhält-
niss seines Werkes zu der Gegenwart gedacht hat. An eine nationale
Opposition des langobardischen Gelehrten gegen König Karl wird
kein Yerständiger denken; eher möchte man im Hinblick auf die
Art, wie Paulus dem Frankenstaat seiner Zeit gegenübertritt (vgl.
besonders 6, 16), vermuthen, dass Paulus als dritten Theil der
Geschichte Italiens sich gesfa Francorum gedacht hat.
Dies Yerhältniss der beiden Werke des Paulus ist auch für die
Quellenfrage wesentlich, insofern hienach die späteren Theile der
historia Romana und die römischen Abschnitte der Mstoria Lango-
hardorum nothwendig in der Untersuchung zusammengefasst werden
müssen. Da die Droysensche Einleitung nur auf jene eingegangen!
ist, so will ich hier versuchen kurz darzulegen, dass die dort ge-l
fundenen Resultate auch für diese zutreffen und ihnen in der That
eine uns verlorene oder doch nur unvollständig erhaltene Chronik
zu Grunde liegt.
Wenn wir aus den ersten vier Büchern — ich ziehe hier auch
das dritte und vierte in den Kreis der Untersuchung hinein — alles
ausscheiden, was mit Wahrscheinlichkeit entweder auf Gregoriui-
von Tours und dessen Fortsetzer ^ oder auf Secundus von Trieni
und dessen Fortsetzer oder auch auf die dem Paulus bekannte nichii
chronistische Litteratur zurückgeführt werden kann, so bleiben unge-|
fähr folgende Stücke übrig:
1, 25. Es ist dies der so eben erörterte Abschnitt über Justiniam
Regiment im Allgemeinen. Was Paulus am Schlüsse übe:
die Schriftsteller Cassiodor, Dionysius Exiguus, Priscianus
Arator aussagt, ist nicht aus einer Chronik geschöpft, sonderi
aus den Titeln und den Vorreden ihrer Werke und bestätig
weiter seine ausgebreitete Litteraturkunde.
Graeca cernei'is Bomerus, Latina Virgilius,
in Hebraea quoque Philo, Tertullus (doch wohl Tertullian) in artibus,
Flaccus crederis in metris, Tibullus eloquio
von seiner historischen Schriftstellerei gar nichts zu wissen scheinen, währen
doch die historia Romana damals schon fertig war und wenigstens ihre Existei
jenen mit Paulus viel verkehrenden Gelehrten kaum unbekannt bleiben könnt i
1) Die Bekehrung der persischen Königin Cesara (4, 50) scheint fränkischcj
Erzählungen entlehnt.
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 513
2, 1 — 5 (vgl. 3, 12) Geschichte des Narses und Einwanderung
der Langobarden in Italien, nach Abzug dessen, was davon
dem Secundus gehören kann.
2, 11 Narses Tod. 79
3, IL 12. lustinus II, Tiberius Constantinus, nach Abzug der
grossen aus Gregor und dem Pontificalbuch genommenen
Abschnitte.
15. 22 (?) Mauricius, nach Abzug dessen, was dem Gregor gehört.
4, 26, Mauricius. Pocas.
29. Tod des Papstes Gregorius.
36. Focas. Heraclius.
49. Söhne des Heraclius. Constantinus (sog. Constans II).
Vergleichen wir mit diesen Nachrichten die uns anderweitig
erhaltenen annalistischen, so kehren manche derselben darin in der
Weise wieder, dass die Gemeinschaftlichkeit der Quelle ausser
Zweifel steht. Solche Analogien bieten sich mehrfach zwischen
Paulus einerseits, andererseits Isidor und der Kopenhagener Fort-
setzung des Prosper. Yor allen Dingen aber zeigen sich ungemein
enge Beziehungen dieser Abschnitte des Paulus zu der Chronik des
Beda, sogar, was immer am sichersten führt, Uebereinstimmung im
Falschen. Dahin gehört die Berechnung der Dauer des Vandalen-
reichs auf 96 Jahre, welche Paulus auch in seiner römischen Ge-
schichte (16, 14) vorbringt. 95 Jahre rechnen dafür lustinian selbst^
und Prokop2 und diese Ziffer ist die officielle und die richtige;
daneben findet sich die Zahl 92 bei Marius von Avenches^, die Zahl,
die Paulus hat, ausserdem bei dem Byzantiner Marcellinus und bei
Beda*. — Papst Gregor starb in der siebenten Indiction; Paulus
wie Beda setzen seinen Tod in die achte. — Die beiden nach ein-
1) In der Verordnung C. lust. 1, 27, 1. Ueberliefert ist hier antea centum
et quinque (oder quinquagintä) annos und nicht mit Krüger ante CV, sondern
mit Verwandlung von ^ in X ante XCV annos herzustellen. — In der unter
die Anhänge zum Prosper gerathenen Notiz bei Roncalli 1 p. 703 [Chron. min. 3
S. 460] werden 93 J. 10 M. 11 Tage gerechnet.
2) Vand. II, 3 p. 423 Bonn [vol. I p. 432 (§ 26) Haury]. Die ihn ausschreiben-
den Griechen übergehe ich.
3) Ihn allein führen Jacobi (S. 85) und Waitz an, mit dem Bemerken, dass
'aulus dieselben Fasten wie Marius brauche. Aber an Entlehnung kann doch
Ibst unter dieser Voraussetzung nicht gedacht werden, da die Summe nicht
timmt. Droysen nimmt Entlehnung aus Beda an, was wenigstens möglich ist.
4) Dazu kommt wohl noch die Ruiuartsche Chronik Roncalli 2, 264 [aus
'da, vgl. Chron. min. 3 p. 232]; die Handschrift Brux. 1794 hat anno vkesimo
xto, und XX FI wird verdorben sein aus XCVI.
MOMMrSEN, SCHR. VI. 33
514 Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diacouus.
ander kurze Zeit regierenden Söhne des Heraklius, Constantinus und
Herakleones, haben beide in der gleichen falschen Folge.
Zur Yeranschaulichung dieser Beziehungen setze ich diejenige
Stelle der Langobardengeschichte, an welcher dieselben im weitesten
Umfang und in der grössten Bestimmtheit hervortreten, hier her mit
den dazu gehörigen Parallelstellen:
80 Isidorchr.llO:*)
Huius (Focae)
tempore prasini et
veneti per Ori-
entem vel Aegyp-
tum civile bellum
faciunt ac sese
mutua caede pro-
sternunt.
Proelia quoque
Persarum gravis-
sima adver sus rem
puhlicam ecccitan-
tur: aquibus Po-
mani fortiter de-
bellati plurimas
provincias {usque
adEuphratem) et
ipsam {ut dicunt)
Hierosolymam a-
miserunt.
Contin. Havni-
ensis : '
')
Prasini et veneti
per Orientem vel
Aegyptum civile
bellum faciunt ac
sese mutua caede
prosternunf.
Haec dum interius
in re publica a-
guntur, Persi ad-
versum exterius
eam excitantur,
qui tarn gravissime
debellando acce-
dunt, ut innume-
ras vicinas suo
regno provincias
ipsamque Aegyp-
tum ac ludaeam
a Romano iure
subtraherent et
sibi tributarias
facerent.
Beda
n
Persae adversus
rem j^ublicam gra-
vissima bella ge-
rentes multas Ro-
manorum provin-
cias et ipsam Hie-
rosolimam aufe-
runt.
et destruentes ec-
clesias sancta
quaequeprofanan-
tes inter ornamen-
ta locorum vel
sanctorumvel com-
Paulus 4, 36:
Huius (Focae)
tempore prasini et
veneti per Ori-
entem et Aegyptum
civile bellum fa-
ciunt ac sese mu-
tua caede proster-
nunf.
Persae quoque ad-
versus rem publi-
cam gravissimal
bella gerentes muU
tas Romanorun^i
provincias et ip-
sam Hierosoli-
mam auferunt.
et destruentes cc^
clesias, sancta
quoqu£ profanav
tes, inter ornameh
ta locorum sancio
rum vel commn
*) [Chron. min. ed. Mommsen vol. II p. 478; die in ( ) gesetzten Wort)
sind dort aus dem Text entfernt.]
**) [Ebd. vol. I p. 338.] ***) [Ebd. vol. 111 p. 310.]
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 515
muniumquaedb-nium etiam ve-
stulere etiam ve-xillum dominicac
xillum dominicae\crucis ahducunt.
crucis abducunt.
I Contra hunc Fo-
I catem EracUanus,
gut Africam rege-
\hat, rebellavit at-
\que cum exercitu
^veniens cum re-
\gno vitaque pri- Sl
i vavit, remque pu-
ihlicam Romanam
Eraclius eiusdeni
' filius regendam
suscepit.
Bei dieser Lage der Sache hat der Herausgeber der Geschichte
der Langobarden, und ähnlich der der römischen, sich dabei beruhigt,
dass Paulus die Chronik des Isidor so wie die seines Zeitgenossen
Beda ausgeschrieben habe. Es kann nicht meine Absicht sein die
weit umfassende Frage in diesem Zusammenhang zu erledigen ; nicht
die Lösung selbst, aber den Weg derselben soll die folgende Dar-
legung aufzeigen.
Jene Verweisungen auf Isidor und Beda erwecken schon an
sich mancherlei Bedenken. "Wie seltsam ist es, wenn man zum
Beispiel die oben abgedruckte Stelle betrachtet, dass Paulus aus
Isidors Chronik nichts weiter in die Langobardengeschichte auf-
genommen haben soll als die eine Notiz über den Streit der Grünen
und Blauen M Wie seltsam ferner, dass Paulus diese Nachricht
und die bei Isidor folgende über die Einnahme Jerusalems durch
die Perser zwar in derselben Folge giebt, wie Isidor sie hat, aber
nur die erste in der Fassung Isidors, die zweite in wörtlicher Ueber-
einstimmung mit Beda! Es ist ja richtig, dass das compilatorische
\ erfahren der Schriftsteller der letzten römischen Zeit und des be-
ginnenden Mittelalters seltsame Probleme zeigt; wer dem Orosius,
dem Isidor und so weiter in der Genesis ihrer Schriftstellerei nach-
gegangen ist, der weiss es, wie wunderliche Fälle theils der sporadi-
^'•hen Quellenbenutzung, theilst der Contamination — sehr häufig des
j 1) Jacobi a, a. 0. S. 31, Dass 1, 25 nicht geradezu aus Isidor herrührt,
wurde S. 488 Amii. bemerkt.
33*
516 Die Quellen der Langobardengescliichte des Paulus Diacpnus.
Grnndwerks mit den daraus geflossenen Auszügen — bei ihnen be-
gegnen, oft ohne allen ersichtlichen Zweck. Aber wenn man in
dieser Hinsicht das Mögliche und vielleicht selbst das kaum Mögliche
hinzunehmen bereit ist, so reichen die gangbaren Aufstellungen in-
sofern auf keinen Fall aus, als in der Langobardengeschichte des
Paulus eine Anzahl von Nachrichten übrig bleiben, welche augen-
scheinlich weder aus der langobardischen Quelle herrühren können
noch bei Isidor oder Beda sich finden. Yielmehr hat Paulus, wie
für die späteren Bücher der römischen Geschichte so auch für die
langobardische, verlorene im byzantinischen Italien abgefasste Annalen
benutzt und die oben (S. 512. 513) zusammengestellten Nachrichten
diesen entnommen. Welcher Art diese Chronik gewesen und von
82 wem sie sonst ausgeschrieben ist, lässt sich einigermassen bestimmen;
und unter dieser Yoraussetzung erklärt sich einfach, was sonst grosse
Schwierigkeit macht.
Die Vorgänge im Osten fehlten in der Chronik nicht völlig; es
ist die Rede von dem Kampf der Grünen und der Blauen unter
Focas. Aber diese Angaben sind dürftig und der Horizont des
Verfassers ist nicht der von Constantinopel , sondern der von Rom
oder Ravenna. Die Chronik führte, wie dies bekanntlich nach Hie-
ronymus Vorgang in der gesammten dem römischen Kaiserreich
ungehörigen Annalistik geschieht, die Kaisernamen mit Ordnungs-
zahlen auf — Tiberius Constantinus heisst bei Paulus Eomanorum
regum quinquagesimus (3, 12) — und setzte einem jeden die Re-|
gierungsdauer bei, ausserdem hie und da eine lakonische Aeusserung
über Herkunft und frühere Lebensstellung: so bei Tiberius Con-
stantinus 3, 11. 12 das Amt des curapalaü, bei Mauricius 3, 15 primus
ex Graecorum genere. — Was ihren sonstigen Inhalt anlangt, so
wurde schon gesagt, dass wenigstens ein Theil der hier in Frage
stehenden Nachrichten nicht füglich auf die langobardische Chronik
zurückgeführt werden kann, andrerseits, dass es noch viel wenigei
möglich ist darin Auszüge aus uns erhaltenen Chroniken zu erkennen
Von Paulus zusammenfassender Auseinandersetzung über Justiniar
ist bereits (S. 511) gesprochen worden; wer sie im Zusammenhang
prüft, wird nicht zweifeln, dass sie zu dieser Quellengruppe gehör
und dennoch unmöglich auf die uns sonst daraus erhaltenen Stücki
zurückgeführt werden kann. Den Maurenkönig Antalas kennen wi
recht wohl aus der Johannis des Corippus und der Vandalen
geschichte Prokops; aber ausser Paulus nennt seinen Namen kein
occidentalische Quelle ^, und wie sollte er in die gesta Langöbardorui^
1) Es ist ein Irrthum Jacobis (S. 71), dass diese Angabe auch in Jordanej
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 5t 7
des Secundus gerathen sein? Der merkwürdige Gesammtbericht
über die Gesetzgebung Justinians wird, nach dem Zusammenhang,
in welchem er auftritt, aus eben derselben Quelle herrühren, und
es ist dies nicht ohne Bedeutung, da dies das einzig vorhandene
Zeugniss ist für die Gesammtpublication der justinianischen Novellen^-
Die den Narses betreffenden Berichte, insonderheit die über den
Gothenkrieg des Butelinus und über die Ueberführung seiner Leiche 83
zur Bestattung nach Konstantinopel, werden in ihrer Gesammtheit
nicht wohl dem Secundus beigelegt werden können; die Erzähluhg
steht durchaus auf dem römischen Standpunct und die meisten hier
berichteten Vorgänge gehen die Langobarden gar nichts an'^. —
Diesen oströmischen Annalen, nicht den langobardischen entnahm
Paulus die Angabe über die Expedition des Heraklianus zum Sturz
des Phokas, von welcher, so viel ich weiss, ausser ihm kein lateini-
scher Autor etwas meldet.
Aus dieser gemeinschaftlichen Quelle, nicht aber einer aus dem
andern, haben Isidor, die Kopenhagener Fortsetzung des Prosper^,
römischer Geschichte sich findet ; dieser spricht wohl von dem Sieg des Johannes,
aber den Antalas nennt er nicht.
1) Ich habe früher in dieser Zeitschrift ([N. Archiv] 3, 185 [= Ges. Sehr. 2,
S. 431]) darauf aufmerksam gemacht, dass er entweder aus Paulus eigener Kenntniss
des Julian und der Vorrede des justinianischen Codex (schwerlich der Digesten)
geflossen ist oder Paulus ihn einem ihm vorliegenden Geschichtswerk entlehnt bat.
Ich dachte damals an das des Secundus, in welchem eine derartige Notiz füglich
hat stehen können; aber nach der Umgebung, in der sie auftritt, zwischen dem
Maurenkrieg des Antalas und der Erbauung der Sophienkirche, wird man sie
vielmehr der römisch -byzantinischen Quelle zuzutheilen haben.
2) Dieser Art sind zum Beispiel die erlesenen Nachrichten über den Franken
Viuingus bei Paulus H. L.2,2, über den wir sonst nur durch den Byzantiner
Menander (fr. 8 p. 204 Müller) Kunde haben. Allerdings wird es kaum möglich
M'in in Betreff dieser italischen Vorgänge die Grenze zwischen Secundus und
den Annalen des Ostreichs mit einiger Sicherheit zu ziehen, da zumal letztere
iii wahrscheinlich schon dem Secundus vorgelegen haben werden und sehr wohl
•n ihm für seine Laugobardengeschichte verwerthet sein können. Ist die
Nachricht des Chr. Goth. über das Verhältniss des Narses.zur Kaiserin Sophia
'in ursprünglicher Bestaudtheil der Origo, so hat sie Secundus aus den ost-
römischen Annalen in seine Langobardengeschichte hineingesetzt; dehn die
Identität jener Notiz mit der isidorischen ist augenscheinlich und kann, wenn
-^ie von Haus aus zur Origo gehört, nur dadurch erklärt werden, dass Isidor und
^ecundus aus derselben Quelle geschöpft haben. Aber für diese Aufstellung, so
uitthaft sie an sich ist, giebt eine der Interpolation mehr als verdächtige
Quelle keinen ausreichenden Beweis; und ich erkenne darum in dieser Nachricht
vielmehr mit Waitz (oben S. 492 A. 1) ein späteres Einschiebsel.
3) Es macht nichts aus, dass die' Zählung der Kaiser hier mit der dfes
Paulus niclit ganz stimmt: Tiberius ist dem Paulus der fünfzigste, würde aber
518 I^iß Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
Beda und Paulus geschöpft. Es ist bezeichnend, dass die wahrschein-
lich falsche, aber von dem constantinopolitanischen Hofe entweder
aufgebrachte oder doch nicht gemissbilligte Erzählung von der Be-
rufung der Langobarden nach Italien durch Narses bei Isidor und
bei Paulus gleichmässig auftritt. Dabei verzweigen diese Derivationen
sich wieder in sich selbst : so ist die Nachricht über den Perserkrieg
(S. 514) bei Isidor besser und vollständiger gefasst als bei Beda und
Paulus, die am engsten zusammenstimmen und eine mehr entstellte
Recension der gemeinschaftlichen Grundlage benutzt haben müssen
als der ältere Compilator.
Eine Reihe anderer Fragen knüpfen hier an. Sehr wahrschein-
lich ist das Pontificalbuch , welches ja ebenfalls dem byzantinischen
Italien angehört, mit diesen oströmisch -italischen Annalen auf das
engste verwandt ; ja es kann die Frage aufgeworfen werden, ob die
84 zahl- und umfangreichen Stücke, die jetzt bei Beda wie bei Paulus
als Excerpte aus dem Pontificalbuch gelten, nicht vielmehr mit diesen
Annalen zugleich von ihnen übernommen worden sind. Leider ist
bei dem fast unerträglichen Mangel einer kritischen Ausgabe desj
Pontificalbuchs*) und der Unsicherheit, in der wir uns jetzt gegen-
über den weit aus einander gehenden Recensionen desselben befinden,
diese Frage zur Zeit schwerlich zu entscheiden. — Die Verzweigung
endlich dieser Chronik weiter hinauf mit den ravennatischen Auf-
zeichnungen aus der Zeit des Theodorich und mit den in Constanti-
nopel selbst geschriebenen Annalen führt in einen ganz anderer
Kreis der Untersuchung, in welchen hier einzutreten keine Voran
lassung vorliegt. |p
Ganz anderer Art ist das Verzeichniss der italischen Provinzen
zu dessen Erörterung ich schliesslich übergehe. | i
Als Kaiser Diocletian die alte der Sache nach längst beseitigt
Scheidung zwischen der regierenden Bürgerschaft und den regierte
Unterthanen des Römerstaats auch dem Namen nach aufhob un^
auch nach dieser Seite die Einheit des Staatsgedankens zum volU
monarchischen Ausdruck brachte, hat er den Regierungsbezirk Italiei
welchen er aus dem bisher befreiten Mutterland und den dazu g«
schlagenen alten Provinzialdistricten des bairisch- tirolischen Alper j
nach der Kopenhagener Chronik die Nummer 51 geführt haben. Uebrige)p||li|, «
benutzt diese daneben auch wieder den Isidor.
*) [Diesem Mangel ist abgeholfen worden durch die ausgezeichneten Auj'
gaben von Duchesne (Paris 1886 — 1892) und von Mommsen selbst in den Mon '
menta Germaniae (Berlin 1898), wo in den Prolegomena p. XIX und CVf. üb
diese Fragen gesprochen ist.] W |j
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 519
landes und der Inseln des tyrrhenischen Meeres bildete, wahrschein-
lich in die folgenden zwölf Kreise getheilt^:
1. Raetia.
2. Venetia et Histria.
3. Aemilia et Liguria.
4. Alpes Cottiae.
5. Flaminia et Picenum.
6. Tuscia et Umhria.
7. Campania et Samnium.
8. Apulia et Calahria.
9. Lucania et Bruttii.
10. Corsica. <
11. Sardinia.
12. Sicilia.
Diese Zahl ist vor dem Ablauf des vierten Jahrhunderts auf 85
sechzehn gestiegen durch Theilung der Provinzen 1 (Raetiae duae),
3 (Aemilia und Liguria), 5 (Flaminia et Picenum annonarium und
Picenum suburhicarium) und 7 (Campania und Samnium). Diese
Ziffer nennt das älteste vollständige uns mit dem Kalender des
.Polemius Silvius erhaltene Verzeichniss der italischen Provinzen 2.
Noch vor dem Jahre 399 kam durch die Einrichtung der Provinz
Valeria die Gesammtzahl auf siebzehn, und so viele nennt sowohl
die Liste der Notitia digniiatum aus dem Anfang des 5. Jahrh. ^ wie
auch ein Verzeichniss der gesammten römischen Provinzen, das sich
in zwiefacher Ueberlieferung erhalten hat. Der eine Text gehört
1) Es würde hier zu weit führen die Einzelangaben zu begründen. Ich
bemerke in dieser Hinsicht, dass in dem Veroneser Verzeichniss aus der Zeit
Diocletians die Nummern 1. 2, 4. 5 {Flaminia Picenum ist zusammenzuziehen).
6. 8. 9. 10 aufgeführt werden und dass der zweifellos defecten Liste wahrschein-
lich nicht mehr als vier Namen (3. 7. 11. 12) fehlen, da guter Grund vorhanden
ist Samnium als anfänglich mit Campanien verbunden zu betrachten.
2) In meiner Ausgabe des Polemius Silvius (in den Schriften der sächs.
Gesellschaft der Wissenschaften Bd. 3 S. 251 [= Ges. Sehr. 7 S. 652 ff.; auch
Chronica minora ed. Mommsen I p. 535 ff.]) und danach hinter Seecks Not. dign.
p. 254. — Aus diesem Katalog ist dann wieder derjenige hergeleitet, der in manchen
Handschriften der Notitia provindarum Galliae mit dieser verbunden ist und in
Folge dieser Verknüpfung fehlerhaft die gallische Provinz Alpes Graiae unter
den italischen aufführt. Zu dieser Kategorie gehören die beiden von Schelestrate
antiq. eccl. 2, 643 fg. abgedruckten Listen ; andere sind von mir a. a. 0. S. 247
und von Brambach im Rhein. Mus. 23, 263 verzeichnet. Ich erwähne diese Liste
nur, weil sie in Folge jenes Fehlers ebenfalls siebzehn italische Provinzen nam-
haft macht und daher leicht mit der jüngeren verwechselt werden kann; in der
That nennt siö nur sechzehn und fehlt ihr die Valeria.
3) Besonders Occ. c. 2.
520 Diß Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
^u den Stücken, welche der alte Speierer Codex der Notitia digni-
tatum angehängt hat^; der zweite findet sich in zwei Handschriften,
die auch die Geschichtswerke des Paulus enthalten und auf deren
Gesammtcharakter ich unten zurückkomme, der Bamberger III. E. 14
des 11. und der Oxforder Magd. Lat. 14 des 14. Jahrhunderts 2. Dass
der Speierer und der Bamberg- Oxforder Text wesentlich identisch
sind, zeigt eine grosse Anzahl gleichmässig begegnender Verderb-
86 nisse' und Interpolationen*; übrigens sind beide selbständig und
berichtigen einer den andern mehrfach ^. — Dieses Verzeichniss der
siebzehn italischen Provinzen ist das jüngste, das wir besitzen. Die
Zahl der Provinzen ist späterhin wenigstens noch um eine vermehrt
worden durch die vor 458 erfolgte Theilung Tusciens; aber Yer-
zeichnisse dieser Art sind nicht auf uns gekommen ^ und damit auch
für die Entstehungszeit des unsrigen eine feste Grenze gegeben.
Diese siebzehn Provinzen nun sind es, welche Paulus in seinem
catdlogus provinciarum Italiae fand. Wenn er achtzehn aufführt, so
1) In meiner Ausgabe des Polemius Silvius ist dies Verzeichniss S. 251
,[= Ges. Sehr. 7 S. 652] nach den massgebenden Handschriften abgedruckt [auch
Chron. min. I p. 535]. Die Wiederholung hinter der Seeckschen Ausgabe der JVoi.
Dign. p. 254 giebt von dieser jüngeren Recension kein treues Bild.
2) Das Provinzialverzeichniss der Bamberger Handschrift ist von Waitz im
Archiv 9, 678 gedruckt; die Varianten der Oxforder theilt Pauli mit N. Arch.
1, 162 [vgl. Chron. min. 1 p. 524 f.]. Ich hatte von Waitzs Publication keine Kennt-
niss, als ich die Herleituug der Liste des Paulus früher erörterte und bin daher
jetzt im Stande manches Einzelne schärfer als damals zu bestimmen.
3) Dahin gehört zum Beispiel, dass in Gallien die Provinz Maxima Sequa-
norum für zwei gezählt wird und ebenso in Spanien die Provinz Tingitana tran^
fretum; dass der sehr selten begegnende alte Name von Byzanz, Lygos (wohl
nach Plinius h. n. 4, 11, 46) erwähnt wird; dass, um bei der Diöcese Illyricum
stehen zu bleiben, die Namen Valeria in Viridia, Praevalis in Siribalis oder
Syrivalis, Mysia superior in Misia inferior, Haemimontus in Emanthus, Scythia
in Scothia oder Scotta gleichmässig verdorben sind.
4) Eine sichere Interpolation ist die Zufügung von Alpes Apenninae zu
Alpes Cottiae; wahrscheinlich gehört hieher auch die britannische Provinz der
Orcaden und anderes mehr.
5) So wird bei Spanien das sinnlose transmittit des Speierer Textes durch
den Bamberger gebessert in terras intrat; umgekehrt bei Constantinopel das
sinnlose facta des Oxforder, facta IUI et des Bamberger durch den Speierer in
prius; so heisst die Provinz Augustamnia im Speierer Text Augustalis, im Bam-
berger Tamnis. Am bemerkenswerthesten ist, dass bei den beiden Moesien,
wovon superior zu Illyricum, inferior zu Thrakien gehört, der Bamberger Text
durch Schreibfehler beide Male inferior hat, der Speierer durch Schlimmbesserung
desselben Fehlers Obermösien nach Thrakien, üntermösien nach Illyricum bringt.
6) Die confuse Liste beim Geogr. Rav. 4, 29 habe ich in den Leipz. Sitz.-Ber.
1851 S. 105 [= Ges. Sehr. 5 S. 308] erörtert. Wenn hier unter Ausschluss der beidec
Raetien und der drei Inseln statt der also übrig bleibenden zwölf achtzehn i
Die Quellen der Langobardengeschicbte des Paulus Diaconus. 52 1
bemht dies auf einem von ihm begangenen Fehler, dessen Auffindung
und Beseitigung er indess selbst in seiner ehrlichen Weise an die
Hand giebt. Die neunte Provinz sind ihm die Apcnninae Alpes.
welche nach ihm von den cottischen Alpen beginnen, zwischen
TuBcia und Umbria einer- und der Aemilia und Flaminia andrer-
seits liegen und die Orte Bobbio, Verona, Frignano ^ bei Bologna,
Monteveglio -^ bei Cesena und Urbino umfassen. Diese Provinz liegt 87
nun aber in der Luft. Von denjenigen Ortschaften, welche Paulus
hier dieser neunten Provinz zuweist, setzt er anderswo Bobbio in die
cottischen Alpen (2, 16. 4, 41), Verona nach Venetien (2, 14), Frig-
nano und Monteveglio in die Aemilia (6, 49), widerlegt sich also
-selbst auf das Gründlichste, was übrigens nicht nöthig war. Denn
die Landschaften, zwischen denen diese Provinz belegen ist, Tuscia,
Umbria, Flaminia, Picenum, stossen bekanntlich zusammen und es
ist zwischen ihnen gerade so viel Platz wie zwischen Brandenburg
und Pommern ^. Augenscheinlich denkt Paulus hier in der That an
das Apenninengebirge und was er sagt, kommt ungefähr darauf
hinaus, wie wenn jemand Tirol, Baiern, das Alpenland und die
Schweiz als vier Landschaften neben einander zählte. Es ist also
'sehr begreiflich, dass ausser unserm Benedictiner kein Alter oder
Neuer von dieser Provinz etwas gemeldet hat, und als Entschuldigung
dieses für einen Langobarden fast unbegreiflichen Versehens kann
höchstens geltend gemacht werden, dass der Sünder geständig ist.
Denn er setzt ganz ehrlich hinzu: sunt qui Alpes Cottias et Appen-
'ninas unam dicunt esse provinciam: sed hos Victoris revincif historia,
j)rovinciae famosissimae gezählt werden, so beruht dies wenigstens zum grössten
Theil darauf, dass der mit römischem Material ganz unwissend operirende Ver-
fasser jede doppelnamige Provinz für zwei zählt, üebrigens ist das Verzeich-
hiss so entstellt, dass eine befriedigende Erklärung mir wcjnigstens nicht gelungen
ist. Dass auf die Gesammtzahl Paulus eingewirkt hat, ist möglich, da die Schrift,
• wie sie liegt, dem 9. Jahrh. angehört; auch werden die Maurungani des Raven-
.Daten (1, 11) gewöhnlich mit Paulus Mauringa zusammengestellt und an Paulus
erinnern ebenfalls des Chorographen Uni qui et Atari. Aber es genügt dies do,ch
keineswegs, um die Benutzung des Paulus durch den Ravennaten sicher zu
stellen; man sollte denken, dass in diesem Fall der letztere mehr aus jenem über-
i! j ,nommen haben würde.
1) Mons Ferronianus oder castrum Feronianum (so Paulus 6, 49) haben die
italienischen Gelehrten längst mit Recht auf die Landschaft Frignano zwischen
T.ucca und Bologna bezogen. ,
2) Montembellium, bei Paulus hier [2, 18] und 6, 49, ist nicht, wie Waitz erklärt.
Montebello (welches?), sondern, wie schon Cluver p. 293 bemerkt hat,' Monte-
veglio im Gebiet von Cesena.
.3) Die beiliegende Karte [s. i?. 527], d^e ich Kieperts freundschaftlicher
Hülfe verdanke, zeigt dies ad oculos.
522 Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
quae Alpes Cottias per se provinciam appellat. Also weil der buch-
gelehrte Mann in dem sogenannten epitomirten Victor c. 5 las, dass
Nero die Alpes Cottiae zur Provinz gemacht habe, machte er, ab-
weichend von seiner Vorlage, aus der Provinz Alpes Cottiae et
Apenninae zwei und gab darum Italien eine Provinz mehr als ihm
zukam. Streicht man diesen eingeschwärzten District, so entspricht
die Liste des Paulus genau der oben erwähnten der siebzehn Provinzen.
Immer bleibt es wünschenswerth, theils an sich, theils zur Con-
trole der Quellenbenutzung des Paulus, dass derjenige Katalog de|r
italischen Provinzen nachgewiesen wird, welchen Paulus vor sich
gehabt hat. In der That glaubt Waitz die Vorlage des Paulus in dem
Provinzialverzeichniss der Madrider Handschrift A. 16 des 10. Jahrr
hunderts wieder aufgefunden zu haben und hat dieses daher seinen
Ausgaben der Langobardengeschichte angefügt. Es ist dies aber
ein Irrthum. Das Verhältniss der beiden Verzeichnisse ist das wort-
getreuer Uebereinstimmung in der Fassung wie in der Reihenfolge,
nur dass das Madrider sich auf die Nomenclatur der Provinzen nebst!
den Grenzbestimmungen und den wichtigsten Ortschaften beschränkt,
während Paulus eine Anzahl von Ortschaften mehr nennt und gewisse!
antiquarische Bemerkungen giebt, auf die wir zurückkommen. Mehr
88 als Paulus hat der Madrider Katalog nur drei kleine Notizen über
die italischen Inseln, welche alle drei wörtlich aus Isidor abge-
schrieben sind ^ ; ferner bei der Provinz, die dem heutigen Calabrien
entspricht, die bei Paulus nicht genannte Ortschaft Malvitus, das isi
der kleine Ort Malvito zwischen Cosenza und Castrovillari. Die \\^
einzige Abweichung der Texte besteht darin, dass Ligurien nacl
Paulus usque ad Gallorum fines extenditur, während der Verfasse)
des Katalogs für die Gallier die Langobarden nennt, wobei jener at r^^^
das transalpinische Gallien dachte, dieser an den heutigen Namei j[|,
der Lombardei. — Dieser Thatbestand würde nun der Annahmi jjj
von Waitz nicht gerade widersprechen; die Zusätze des Madride ^jj
Verzeichnisses können später in den Text gekommen sein und da ^^
Fehlen alles antiquarischen Materials legt allerdings jene Annahmj i^^
nahe. Aber bedenklich ist schon die sclavisch genaue Ueberein| jja
Stimmung in der Fassung, welche ganz und gar nicht der Art gleich I ^
mit der Paulus seine Quellen behandelt. Ferner sind die doppe]
namigen Provinzen bei Paulus durchaus richtig benannt, währen
der Katalog incorrect nur Venetia ohne Histria aufführt. Die Ein \][
Schiebung von Malvito sodann stammt vermuthlich aus Lando 2)
■ — ' *, ■
1) Die Bemerkung über Syrakus steht bei Isidor 14, 6, 32, die Corsica tnult
promunturiis angulosa in demselben Capitel §. 42, die über die Gestalt Sardiuie
daselbst §. 39. Bei Waitz ist nur die letzte Stelle nachgewiesen.
Die Quellen der Laugobardengeschichte des Paulus Diaconus. 523
(p. 374, 5 Droysen: civitatum Calabriae id est Regium Malvitum
(hnsentiam), in welchem Fall das Madrider Verzeichniss jünger sein
würde als dieser. Aber es ist nicht nöthig über solche Nebenpuncte
'/AI controvertiren, da die blosse Zählung die Frage erledigt. Paulus
zählt, wie bemerkt, achtzehn Provinzen, der Katalog sechzehn, beide
mit Einschluss der fictiven Alpes Apenninac. Der Unterschied beruht
darauf, dass die beiden Raetien bei Paulus mitgezählt sind, wie sie ja
notorisch zu der Diöcese Italien gehört haben, seit und so lange es
eine solche gab, in dem Katalog dagegen diese zwar auch stehen, aber
nicht gezählt werden. Dies erklärt sich einfach aus einem groben Miss-
verständniss der Worte des Paulus, das der Schreiber des Madrider
Katalogs sich hat zu Schulden kommen lassen. Paulus nennt als
secunda provincia Ligurien, schliesst daran die duae provinciae Raetia
prima et Raetia secunda und zählt dann als quinta die Alpes Cottiae ^.
Der Epitomator schreibt dies alles wörtlich ab, weil aber Paulus die
dritte und vierte nicht, wie er sonst pflegt, als tertia und quarta,
sondern nur als duae provinciae bezeichnet, so macht er mechanisch
weiter numerirend die quinta des Paulus zur tertia und so weiter.
Dieses alberne Versehen setzt es ausser Zweifel, dass der Madrider 89
Katalog nichts ist als ein schlechtes Excerpt aus unserm Paulus.
Aber wie diese Chorographie Italiens, die älteste mittelalter-
liche, die wir besitzen, auch für die römische Forschung ein werth-
volles Document ist und seit Cluverius grundlegender Arbeit bei
unseren Topographen stetige und gewissenhafte Berücksichtigung
gefunden hat, so ist auch das demselben in der That zu Grunde
liegende antike Provinzialverzeichniss von uns bereits nachgewiesen
worden. In meinen Untersuchungen über die römischen Provinzial-
verzeichnisse*) habe ich schon vor mehr als zwanzig Jahren dar-
gethan, dass der verloren gegebene catalogus provinciarum Italiae
des Paulus kein anderer ist als der betreffende Abschnitt des oben
(8. 519) erwähnten jüngeren Provinzialcatalogs. Es erscheint an-
gemessen die italische Liste nach den beiden auf uns gekommenen
Fassungen, der der Speierer Handschrift ^ so wie derjenigen von
Bamberg und Oxford^, hier neben einander zu stellen.
1) Hier sind also die Zahlen in bester Ordnung und Waitzs Bemerkung:
Paulus nutnerorum ordinem turbasse videtur nicht am Platz.
*) [Abh. der Sachs. Gesellsch. d. Wissensch. Bd. 3 (1857) S. 249 f. = Ges.
Sehr. 7 S. 650 f.]
2) Diese selbst ist bekanntlich verloren, aber wird durch eine Anzahl zwar
junger, aber treuer Abschriften ersetzt. Ich habe von diesen die Münchener
10291 zu Grunde gelegt; die Varianten der übrigen sind gleichgültig.
• 3) Ich folge der letzteren, die wenigstens hier den reinem Text giebt.
Die Varianten der Bamberger mitzutheilen verlohnt der Mühe nicht.
''524 Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
90
JPrima
Secunda
Speierer Verzeichniss:
Provintiae Italiae sunt XVII.
Campania, in qua est Capua.
Tuscia cum Umbria, in qua est Roma.
Quarta
Quinta
Sexta
Septima
Octava
Nona
Decima
Undecima
Duodecima
Tertia decima
Quarta decima
Quinta decima
Sexta decima
Septima decima
Nursia Valeria, in qua est Reate.
Flammina, in qua est Ravenna.
Ricinum, in qua est Asculis.
Liguria, in qua est Mediölanum.
Venetia cum Histria, in quibus Aquüeia.
Alpes Cotticae et Appenn, in quibus Genua.
Samnium, in qua est Beneventu.
Apulia cum Calabria, in quibus Tarantmn.
Rritia cum Lucania, in quibus Regium.
Retia prima.
Retia secunda.
Siciliae insula in mari TyrrJieno.
Sardinia in mari Tyrrheno.
Corsica in mari Tyrrheno.
Die ungemeine Aehnlichkeit dieses Verzeichnisses mit Paulus
in der Grundlage sowohl wie in den Nebenbemerkungen, zum Beispiel
in der Hervorhebung des tyrrhenischen Meeres bei den drei Inseln,
springt in die Augen. Die Frage, ob Paulus Chorographie aus dem
Provinzialkatalog geflossen ist oder vielmehr der Katalog aus Paulus,
erledigt sich schon durch die einfache Erwägung, dass dieser Katalog
ja nicht bloss Italien umfasst, sondern die sämmtlichen Provinzen
des noch aufrecht stehenden römischen Reiches aufführt, überhaupt
-aber einem Corpus angehört, dessen Zusammenstellung weit über
Paulus und vermuthlich bis in das fünfte Jahrhundert zurück reicht.
Dies bestätigt sich auch vollständig bei genauer Vergleichung, indem
der Katalog einerseits in Paulus Chorographie wohl mit der diesem
.eigenen schriftstellerischen Freiheit, aber sachlich vollständig repro-
ducirt ist, andererseits durchaus den Schlüssel bietet für Paulus
Zweifel und Yersehen. Vor allem gilt dies von den leidigen Alpes
Apenninae. Die ächte römische Ueberlieferung kennt in der Diöcese
Italien keine Alpenprovinz als die Alpes Cottiae; Paulus aber fand,
wie wir sahen^ in seinem Verzeichniss diese Provinz als Alpes Cottiae
.et Axjenninae. Eben diesen falschen Namen, dessen Verkehrtheit
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus, 525
Bamberger und Oxforder Yerzeichniss: 91
Provinciae itaque Italiae sunt sedecim.
I. prima Campania, in qua est Capua.
II. Tuscia cum ümbria.
III. JEmilia Nursia Valeria.
IV. Flaminia, in qua est Mavenna civitas.
V. Picenum.
VI. Liguria, in qua est Mediolanum.
VII. Venecia cum Histria, in qua est Äquileia urbs Venecie,
Mantua. Que Gallia Cisalpina dicitur.
VIII. Alpes Coczie et Alpes Appennine.
IX. Samnium.
X. Apulia cum Calabria in qua est Tarantus.
XI. Brictia cum Imcania.
XII. Recia prima.
XIII. Recia secunda.
XIV. Sicilia insula in mari Tireno.
XV. Sardinia in mari Tyreno.
XVI. Cursia in mari Tyreno.
und dessen Entstehung ich anderweitig nachgewiesen habe ^, führt
die Provinz in den beiden Fassungen; und auch die Consequenz
dieses Fehlers, dass Genua zu der Alpenprovinz statt zu Ligurien
gerechnet wird, hat Paulus übernommen. Ebenso passt auf dasselbe,
was JPaulus 2, 20 von der Marsorum regio sagt, dass sie in catalogo
provinciarum Italiae minime ah antiquis descripta est, was er dann
bedauert und weiterer Forschung vorbehält: si quis autem lianc per
se provinciam esse vera ratione comprohaverit, huius rationabilis sententla
modis erit omnihus tenenda. Endlich findet die Bemerkung 2, 18:
extiterunt quoque qui Aemiliam et Valeriam Nursiamque unam pro-
vinciam dicerent offenbar ihre Erklärung in der Verwirrung, welche
hier in beiden "Verzeichnissen herrscht und offenbar aus der beiden
zu Grunde liegenden Urhandschrift übernommen ist. Es muss heissen
tertia Aemilia: quarta Nursia Valeria; in der Speierer Liste ist die
erste Provinz ausgefallen, die Zahlen aber in Ordnung, in der Bam-
berger dagegen fehlt quarta und ist in Folge dessen die Zählung
geändert. Was die Paulus vorliegende Handschrift gehabt hat,
1) C. I. L. V p. 810.
526 I^iß Quelleu der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
können wir nicht wissen ; doch ist wahrscheinlich die Zahlenänderung,
welche die Bamberger und die Oxforder aufweisen, erst auf deren
Rechnung zu stellen ^ und dürfte Paulu« gelesen haben tertia Aemilia
Nursia Valeria: quinta Flaminia und so weiter, wo es dann begreif-
lich ist, dass er schwankte, ob qtmrta ausgefallen sei, was er freilich
und mit Recht vorzog, oder aber die Aemilia Nursia Valeria eine
92 Provinz bilde und der Fehler in den folgenden Zahlen stecke. Die
Thatsache, dass eben diese Form der italischen Provinzialliste Paulus
vorgelegen hat, wird durch die bei beiden übereinstimmenden Fehler
ausser Zweifel gestellt.
Sie ist insofern von einigem Belang, als sie uns den Schlüssel
giebt für die paulinische Chorographie Italiens und zugleich einen
genauen Einblick in Paulus Arbeitsweise gewährt, wie er sonst in
den späteren Büchern der römischen und in der gesammten lango-
bardischen Geschichte kaum uns verstattet ist. Es ist darum der
Mühe werth die Untersuchung hier so weit zu führen, wie es uns
möglich ist.
Die Zusätze des Paulus sind zwiefacher Art: theils geographische,
theils etymologische. Jene ersteren bewegen sich wieder in doppelter
Richtung: während der Katalog nur die Namen der Landschaften
und einige der wichtigsten Städte nennt, giebt Paulus bei jenen regel-
mässig die Grenzen, oft mit Hinzufügung der Himmelsrichtung an
und vermehrt die Zahl der Städtenamen ansehnlich. Diese Zusätze,
zu welchen noch die gleichartige Angabe über Noricum 3, 30 hinzu-
tritt, sind zum grossen Theil sicher nicht der persönlichen Kunde
des Paulus entnommen, sondern schriftlichen Aufzeichnungen, allem
Anschein nach einer Karte von Italien, wie sie die beiliegende Tafel
zu reproduciren versucht; nur von einer solchen konnte alles dies
füglich abgelesen werden. Bei der Aufstellung dieser Karte selbst
ist sicher Plinius benutzt worden. Er allein unter den lateinischen
Autoren bezeichnet den Silarus als Grenzfluss zwischen Campanien
und Lucanien (3, 5, 71) und den Aternus (Pescara) als Grenzfluss
zwischen Samnium und Picenum (3, 13, 110), welche letztere An-
setzung sogar verkehrt ist. Das seltsame 'linke Hörn' {sinistrum
cornu) Italiens von 50 Milien Länge, das 2, 21 in Yerbindung mit
Hydruntum genannt wird, beruht gewiss auf Plinius 3, 11, 101:
Brundisium L m. p. ab Hydrunte. Auch die meisten übrigen An-
gaben, für die bei ihrer Allgemeinheit eine bestimmte Herleitung
nicht erweislich ist, mögen wohl plinianisch sein, aber keineswegs
1) Auf die willkürliche Umgestaltung, welcher alle in diesen Handschriften
enthaltenen Stücke unterlegen haben, komme ich weiterhin zurück.
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 527
528 ßiß Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
gehört ihm alles an, wie denn zum Beispiel Aurelia als Districts-
bezeichnung überhaupt sehr selten {vita Aureliani 7) und bei Plinius
nirgends gefunden wird^ Yor allen Dingen aber führen zwar die
genannten Localitäten der grossen Mehrzahl nach die römischen
93 Namen 2, aber sowohl die Auswahl wie manche einzelne Angaben
zeigen , dass die. von Paulus benutzte Vorlage nicht gar lange vor
ihm entstanden ist. Abgesehen von den der mittelalterlichen Ent-
stellung durchgängig sich zuneigenden Namensformen wie Isernia,
Bergamum u. a. m. ^ begegnen die neuen Namen neben den alten bei
Ticinum == Papia und Forum Cornelii = Imolas, ferner die neuen
Namen allein bei denjenigen Orten, die in römischer Zeit nicht oder
doch ohne Stadtrecht gewesen sind*: Cassianum (Cassano) — Furcona
(Civita di Bagno) — Pescara (Pescara, Stadt und Fluss) — Saona
(Savona). In Beziehung auf diese ist die Chorographie von Wichtig-
keit als das älteste Zeugniss ihrer städtischen Entwickelung.
In anderer Beziehung von Interesse sind die etymologischen und
quasihistorischen Nachrichten, die Paulus dem Provinzialkatalog in
ziemlich ausgedehntem Umfang eingefügt hat. Es wird zweckmässig
sein, sie hier übersichtlich zusammenzustellen, mit Hinzufügung der
Quelle, so weit dies möglich ist:
Bamb. zu 2, 22 (Arch. 9, 6S9):
dixerunt antiqui, ut redor ista-
rum insularum (wird hier be-
zogen auf Sardinien und Corsica)
fuisset Eolus et inde fuerunt
Isidor 14, 6, 36: . . Aeoliae insu-
las Siciliae appellatae ab Aeolo
quem poetae finxerwit i
regem fuisse ventorum. ^
1) Dass Paulus Venetia und Histria westlich bis zur Adda erstreckt, stimmt
nicht zu Plinius, der vielmehr 3, 17, 124 Bergomum zur Transpadana rechnet;
aber für diese Ansetzung beruft sich Paulus ausdrücklich auf die annalium libii,
in denen Bergamo civitas Venetiarum heisse. Vgl. S. 502 A. 1.
2) Der lacus Clitorius ist wohl nichts als der umbrische Fluss Clitumnus,
den auch Isidor 13, 13, 6 zum lacus macht. — Eine Stadt Samuium hat es nie
gegeben; was Paulus über sie sagt, gehört in die etymologische Masse.
3) Zum Theil gehören freilich diese Abwandelungen bereits dem sinkenden
Alterthume an. Bemerkenswerth ist in der Hinsicht der apulische Ort Aceruntia;
neben dieser inschriftlich und sonst belegten Form der guten Zeit steht Acerentini
in einer paestaner Inschrift (Henzen 5184 [C. I. L. X, 482 = Dessau 6449]) des
dritten Jahrb., Agerentia oder vielmehr Acerentia bei Paulus 2, 21 und die
heutige Schreibung Acerenza. Vgl. C. I. L. IX p. 47.
4) Von dem monasterium JBohium und den oben erörterten Namen mons
Ferronianus und Montembellium sehe ich ab ; sie stehen ohne Zweifel nur in der
Reihe, weil sie entweder Paulus persönlich besonders interessirten oder späterUSHii
in der Erzählung wiederkehren. 11^
««I
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulos Diaconus. 529
dicte Eoliae, et ut novit hene de
ventis, rustici nominabant eum
esse regem ventorum.
2, 16 Alpes Cottiae a Cottio rege,
qui Neronis tempore fuit, ap-
pellatae sunt.
18 Alpes Appenninae dictae sunt
a Punicis, hoc est Hannihale
et eins exercitu, qui per easdem
Homam tendentes transitum ha-
huerunt.
2 1 Apulia a perditione nominatur:
citius enim ibi solis fervoribus
terrae virentia perduntur. Der
Bamberger Text setzt hinzu
(Arch. 9, 689): ibique nascitur
animal simile lepori et dicitur
per contrarietatem prosperum,
et dicunt ut habeat quattuor
pedes cum quibus currit, tres
habet equales, unum minorem qui
usque ad terram non pertinget.
Bamb. zu 2, 20 (Archiv 9, 688) :
Atella dicta est eo, quod atre,
id est fusce, ficus ibi nascuntur.
19 Aureli(a) Aemili(a)que et Fla-
mini(a) a constratis viis, quae
ab urbe Roma veniunt, et ab
eorum vocabulis, a quibus sunt
constratae, ialibtis nominibus
appella(ntur).
Bamb. zu 2, 21 (Archiv 9, 688):
Barrium civitatem Italiae acce-
pit nomen, quia homines, qui
eam condiderunt, fuerunt eiecti
de instda Barra, unde et nati
fuerunt.
Bamb. zu 2, 20 (Archiv 9, 688):
Benevenfum antea nominabatur
colonia, Greci vero eam nomi-
nabant Maloeton: Diomedes
MOMMSEN, SCHB. VI.
Victor epit. 5 (oben S. 522).
Isid. 14, 3, 13: Apenninus mons
appellatur quasi Alpes Poenicae,
quia Hannibal veniens ad Italiam
easdem Alpes aperuit.
94
Festus ep. p. 33: Barium urbem
Italiae appellarunt conditores
eius expulsi ex insula Barra,
quae non longe est a Brundisio.
Festus ep. p. 34: Beneventum co-
lonia cum dedticeretur, appellari
coeptum est melioris ominis
causa: namque eam urbem antea
M
530 Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
autem Beneventum et Arpos
condidit.
1 7 Britfia ita a reginae quondam
suae nomine appellata est.
Bamb. zu 2, 21 (Archiv 9, 688):
Brundisium civitatem fecerunt
Greci, et quia est facta qtmsi
Caput cervi, ideo eam nomina-
95 verunt Brundisium: Greca ete-
nim lingua Brundisium cajiut
cervi dicitur.
1 7 Campania appellata est propter
uherrimam, Capuae planitiem:
ceterum ex maxima parte mon-
tuosa est.
22 Corsica a duce siio Cor so no-
minatur.
20 Ab Etruscorum populo Etru-
ria dicta est.
14 Forum lulii dictum, quod
lulius Caesar negotiationis forum
ihi statuerat.
Bamb. zu 2, 23 (Arch. 9, 689):
Galli {galli enim, nicht gallieni
die Hschr.) enim dicti sunt ab
alhedine corporis: gala enim
Graece lac dicitur.*"
14 Histria ah Histro flumine cog-
nominatur: quae sectmdum Bo-
manam historiam amplior quam
nunc est fuisse perhibetur.
24 Italia ab Italo Siculorum duce,
quieam antiquitus invasit, nomen
accepif.
Graeci incolentes Maloeton (so
die Handschriften) appellarunt.
— Das Folgende kann aus
Servius zu Aen. 8, 9 geflossen
sein, stand aber wahrscheinlich
auch bei Festus,
lordanes Get. 30 [§ 156]: Bryttip-
rum regio . . . nomen quondam
a Bryttia sortitus regina.
Isidor 15, 1, 49: Brundisium con-
struxerunt Graeci. Brundisium
autem dictum est Graece, quod
brunda caput cervi dicatur.
Isidor 15, 1, 54 (Capua) a locis
campestribus, in quibus sita est.
— Festus ep. p. 43: Capuam
... appellatam ferunt . . . a
planitie regionis.
Isidor 14, 6, 41: (Corsicam appel-
lant) a nomine ducis.
Isidor 14, 4, 22: Etruriam ab E-
trusco principe (vocatam) putant.
Festus ep. p. 84: Forum Flami-
nium, forum lulium ab eorum
nominibus, qui ea fora consti-
tuenda curarunt.
Isidor 9, 2, 104 = 14, 4, 25:
Galli a candore corporis nun-
cupati sunt: ydXa enim Graece
lac dicitur.
Isidor 14, 4, 17: Isfriam Ister
amnis vocavit, qui eius terram
infinit: ipse est Danuvius. Ygl.
oben S. 502 [A. 1].
Isidor 14, 4, 18: ab Italo Sicuh
rum rege ibi regnante Italia
nuncupata est.
Die Quellen der Langobardengeachichte des Paulus Diaconus. 531
24 Italia dicitur, quia magni in
ea hoves, hoc est itali, hahentur
. . . namque . . . italus ... vi-
. tulus appellatur.
24 Italia Ausonia dicitur ah Au-
sono, Ulixis fdio:primitus tarnen
Beneventana regio hoc nomine
appellata est: postea vero tota
sie coepit Italia vocitari.
24 Dicitur Latium Italia iwo eo
quod Safurnus lovem suum
fdium fugiens intra eam in-
. venisset latehram.
1 5 Liguria a legendis, id est colli-
gendis leguminihus, quorum satis
. ferax est.
17 Lucania nomen a quodam luco
accepit.
Bamb. zu 2, 14 (in der Ausgabe
von Waitz mitgetheilt) : Mantua
accepit nomen a fdia Teresiae,
- que hahuit nomen Mantua et
fuit ex genere Thebanorum, et
cum venisset ad Italiam, fecit
civitatem in Venecia, quam de
nomine suo Mantuam appel-
lavit.
19 (Piceni) hahitatores cum a
Säbinis illuc properarent, in
eorum vexillo picus consedit,
atque hac de causa Picenus
. nomen accepit.
20 Samnites nomen accepere olim
ah hastis, quas ferre solehant
quasque Graeci oavvia appellant.
20 (ah urhe antiquitate consumpta
. Samnio) totaprovincia nominatur.
Festus ep. p. 106: Italia dicta,
quod magnos italos, hoc est hoves
haheat; vituli etenim ah Italis
itali sunt dicti.
Festus ep. p. 1 8 : Ausoniam appel-
lavit Auson Ulixis . . . filius
eam primam partem Italiae, in
qua sunt urhes Beneventum et
Cales, deinde paulatim tota quo-
que Italia, quae Apennino fmi-
tur, dicta est Ausonia.
Isidorus 14, 4, 13: Italia Latium
dicta eo quod . . Saturnius a
love sedihus suis pulsus ihi
lattierit.
96
Festus ep. p. 119: Lucani appel-
lati dicuntur . . . quod ptrimitus
in luco consederunt.
Isidor 15, 7: Manto Tiresiae filia
post interitum Thebanorum
dicitur delata in Italiam Man-
tuam condidisse: est autem in
Venetia.
Festus ep. p. 212: Picena regio
. . . dicta, quod, Sahini cum
Asculum proßciscerentur , in
vexillo eorum picus consederit.
Festus ep. p. 327: Samnites ah
hastis appellati sunt, quas
Graeci oavvia appellant; has
enim ferre assueti erant.
Festus ep. p. 327: Samnites appel-
lati sunt . . . a coUe Samnio,
34*
532 I^iö Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
97
22 Sardinia a Sarde HercuUs
filio nominatur.
23 Senogallia a ijrallis Senonihus
vocitata est.
22 Sicüia de Siculi ducis proprio
nomine nuncupatur.
Bamb. zu 2, 22 (Arch, 9, 689) :
(Sicüia) ante a Sicano Sicania
nominabatur: in ea est civitas
Siracusana. Haec insula sepa-
ravit mare ah Italia.
Bamb. zu 2, 21 (Archiv 9, 689):
Tarentus ideo dicitur quia Taras
filius Nepfuni eam condidit.
16 Tuscia a iure, quod populus
illius superstitiose in sacrificiis
deorum suorum incendere sole-
hant.
14 Eneti licet apud Latinos una
littera addatur, Graece lauddbiles
dicuntur.
16 ümhria dicta est, quod imhri-
hus super fuerit, cum aquosa
da des olim populos devastaret.
ubi ex Sabinis adveniantes con-
sederunt.
Isid. 14, 6, 39: Sardus Uercule pro-
creatus . . . Sardiniam occupavit.
Isid. 14, 6, 32 a Siculo Sicilia
(cognominata).
Isidor a. a. 0.: Sicilia a Sicano
rege Sicania cognominata est,
deinde a Siculo . . . Sicilia . . .
Principem urbium Syracusas
habet . . . Italiae coniunctam
fuisse Siciliam, sed medium
spatium impetu maris divisum.
Isidor 15, 1, 62: Taras Neptuni
ßlitts fuit, a quo Tarentum
civitas et condita et appellata est,
Isid. 9, 2, 86 = 14, 4, 20 Tusci
Italiae gens est a frequentia
sacrorum et turis vocata, id est
OLTib rov ■&veiv.
lordanes Get. 29 [§ 148]: posses-
sores, ut tradunt maiores, enetii
[atveroi] id est lauddbiles dice-
banfur.
Isidor 9, 2, 87 = 14, 4, 21 (Umbri)
historiae perhibent quod tempore
aquosae cladis imbribus super-
fuerint et ob hoc "OjußQiovg^
Graece nominatos.
Sehr deutlich erkennt man hier, in welchem Umfang Paulus
über das klassische Quellenmaterial verfügte. Er hat die Etymologien
der italischen Landschaften mit einer Vollständigkeit zusammen-
gestellt, die für jene Epoche überrascht. Wichtiger ist es, dass unter
diesen Notizen mehrere sind, die sonst nur bei Festus begegnen;
mit vollem Recht hat Waitz hierin die Entscheidung der alten
Controverse gefunden, ob der Paulus, der dem König Karl cupiens
aliquid vestris bibliothecis addere den Auszug aus dem Festus wid-
mete, unser Historiker oder ein anderer gleichnamiger Geistlicher
Die Quellen der Langobardengeschichte . des Paulus Diaconus. 533
ist. Unter den charakteristischen Zügen des merkwürdigen Gelehrten
ist es nicht der am wenigsten interessante, dass er wohl der einzige
gewesen ist, der sich nicht bloss um die römischen Historiker, sondern
auch um dies Reallexikon der sprachlichen und sachlichen Alter-
thümer Roms gekümmert hat. Man wird wohl noch einen Schritt
weiter gehen und auch die oben aufgeführten Etymologien von
Apulia, Atella, Aurelia und so weiter (vgl. Forum lulii). Liguria,
deren Quelle anderweitig nicht nachweisbar ist, auf den vollständigen
Festus zurückführen dürfen. Selbst erfunden hat Paulus sie sicher
nicht; sie fallen alle in die Abschnitte, die wir aus dem vollständigen
Festus nicht mehr besitzen und passen gut in denselben hinein.
Es sind in die oben gegebene Uebersicht der von Paulus zu
dem Provinzialverzeichniss gemachten Zusätze einige Stellen auf-
genommen worden, welche in der uns vorliegenden Langobarden-
geschichte desselben sich nicht finden, sondern einem auf diesem
fassenden Geschichtswerk entlehnt sind. Es schien angemessen die
über dieses erforderliche Untersuchung von der voraufgehenden Er-
örterung zu trennen.
Die ebenso umfängliche wie schlechte Compilation, um die es
sich hier handelt, ist, wie es scheint, in zwei verschiedenen Be-
arbeitungen erhalten, von denen die eine vertreten wird haupt- 98
sächlich durch die schon mehrfach erwähnte Bamberger Handschrift
E. ni. 14 des 11. Jahrh.i, die andere durch die gleich alte vati-
canische 1984 2. Alle in diese Compilation aufgenommenen Bestand-
theile sind darin geändert und stark verschlechtert; die vaticanische
Recension geht in dieser Hinsicht noch beträchtlich weiter als die
Bamberger, wie es scheint in Folge abermaliger willkürlicher Ueber-
arbeitung^; aber auch die relativ bessere ist eine freie Umschreibung
der dem Schreiber vorliegenden Texte. Das ist auch nicht zu ver-
1) Sie ist musterhaft beschrieben von Waitz in dem älteren Archiv 9, 673 —
703; vgl. das. 6, 44 — 50. 7, 328 — 337. Umfängliche Proben aus der Histm-ia
Romana giebt Droysen p. 379—395 (vgl. p. XXXII). In Betreff einzelner Puncte
hat mir Halm freundlich Auskunft gegeben. Gleichartig ist die Oxforder
Magdal. Lat. 14 des 14. Jahrb., beschrieben von Pauli in diesem Archiv 1, 161 —
168. Ebenso gehört hierher Urbin. 961 (Droysen, Vorr. zum Eutrop p. XXXIII)
[Chron. min. I p. 524flF.].
2) Beschrieben von Pertz Archiv 5, 80 und von Papencordt, Vandalen S. 400;
vergl. Waitz SS. Langob. p. 30. Droysen a. a. 0. (vergl. p. XXXIII) giebt auch
von dieser Recension umfassende Proben.
3) Das zeigt die Vergleichung der bei Droysen abgedruckten Stücke, zum
Beispiel gleich zu Anfang die erst hier begegnende ganz alberne Identificirung
der Stadt Satumia in Etrurien mit Sutrium.
534' Die Quellen der Langobardeugeschichte des Paulus Diaconus,
wundern, denn der Schreiber hat es sich zur Aufgabe gestellt ein
eigenes Geschichtswerk herzustellen, für welches Paulus eigentlich'
nur eine der Quellen ist. Dies Werk setzt, nach der Einleitung der
Bamberger Handschrift und den sonst vorliegenden Daten ^, sich
zusammen aus einer geographischen Einleitung de partihus mündig
au»' einer hauptsächlich dem Orosius entlehnten Zusammenstellung
über die Urgeschichte (Assyrer, Amazonen, Skythen, Perser, Troia)^;
auB der römischen Geschichte des Paulus ; aus einem Auszug der
Gesta Francorum, in der vaticanischen Eecension als 17. Buch von
Paulus römischer Geschichte bezeichnet; endlich aus dessen Lango-
bardengeschichte, welche ja der Zeit nach sich an die römische
anschliesst^. Dass diese unmöglich auf Paulus selbst zurückzuführen-
99 den Umarbeitungen seiner Bücher im 10. Jahrh. in oder bei Neapel
entstanden sind, hat Waitz* sehr wahrscheinlich gemacht. ■'
Die Compilation ist, wie man sieht, im Ganzen genommen,
schlechthin werthlos. Aber etwas mehr giebt sie dennoch als blosse^;
Umschreibung sonst bekannter Texte. Die Bamberger Handschrift
ist die älteste, welche die "Widmung der römischen Geschichte des
Paulus an die Adelberga aufbehalten hat; allerdings ist auch deren-
Fassung ganz verändert^, aber da diese Yorrede in allen uns be-
kannten älteren Handschriften fehlt, so muss dem Schreiber des:
10. Jahrhunderts nicht bloss eine sehr alte, sondern auch eine von;
1) Archiv 9, 677. Danach und nach der Vergleichung der vaticanischen-
Recension scheint es mir nicht zweifelhaft, dass' die Schriften des Jordanes, die'
Alexandergeschichte, die Epitome des sogen. Victor nicht zu dieser Compilation'
gehören, wenn auch die beiden letzteren in gleicher Art und vermuthlich von
demselben Mann umgearbeitet worden sind.
2) Die Quelle hiefür ist, wie Bethmann (Archiv 12, 721) bemerkt, wahr-
scheinlich die Handschrift Laurent. 66, 40 aus dem 9. Jahrh.: exordia Assiriwum,
beginnt Ninus res — exordia Antazonum, beginnt apud Exitus — zwei Abschnitte,'
beginnend Darius rex und Bellum lulii — de exordia Exitorum, beg. Exiti,''
schliesst Olymp, nuncupatur — storia Daretis — Excidium Troie beg. Thetis,
Die Herkunft der Handschrift aus Monte Cassino verdient Beachtung [Chron..,
min. II p. 308 ff.].
3) Die vaticanische Corripilation scheint den Versuch gemacht zu haben
eine Fortsetzung bis auf Karl den Grossen hinzuzufügen (S. 537 A. 3).
4) Archiv 9, 692; vgl. Bethmann Archiv 10, 318. Droysen zum Eutrop
p. XXXIII hat Wäitz's Ausführung übersehen. Sie bezieht sich zunächst auf,|
das Alexanderbuch, dessen Abfassung in oder bei Neapel um das J. 942 danach'
ausser Zweifel scheint. Ungefähr aber muss Zeit und Ort auch für die sonstigen |
gleichartigen üniarbeitungen zutreffen, die der Bamberger Codex enthält. Za
beachten ist auch, dass die Bamberger und die Oxforder Handschriften bloss]
Abschriften sind, wonach allein schon die Entstehung des Originals wahrschein-
lich dem 10. Jahrhundert zuzuweisen ist.
5) Abgedruckt bei Droysen p. 379.
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 535
unseren alten Texten sehr abweichende Handschrift des Paulus vor-
gelegen haben. Durch denselben Compilator ist, so viel ich weiss
allein, das vorher erörterte von Paulus benutzte Yerzeichniss der
römischen Provinzen aufbewahrt worden ; es bildet bei ihm den
Schluss der geographischen Einleitung. Es liegt nahe auch dies
darauf zurückzuführen, dass ihm ausser den beiden bekannten Ge-
schichtswerken noch anderes Paulinische zugänglich gewesen ist.
Hiezu kommt nun ein drittes. Bethmann (Archiv 7,334) und be-
sonders Waitz (Archiv 9, 688 flg.) theilen eine Anzahl von Stellen
mit, welche die Umarbeitung vor der Langobardengeschichte voraus
hat und die namentlich in das Provinzialverzeichniss treffen. Beide
betrachten dieselben als Interpolationen; und so weit sie sich auf
geläufige Quellen zurückführen lassen, wäre gegen diese Annahme
nichts einzuwenden ^ Aber drei derselben sind augenscheinlich
entlehnt aus Festus. In dem Artikel Jßeneiuntum kehrt sogar die-
selbe Corruptel von Maleventum wieder, die unsere Festushandschriften
zeigen. Derjenige über Barium stimmt wörtlich mit Festus Auszug
und steht sonst nirgends; selbst die Insel Barra wird nur hier ge-
nannt. Die Ableitung von Atella endlich ist sonst schlechterdings
unbekannt, passt aber vortrefflich für Festus. Will man also nicht
annehmen, dass dem Bearbeiter ebenfalls der vollständige Festus
zur Verfügung stand, wozu schwerlich jemand geneigt sein wird, so
muss ihm ein Exemplar der Langobardengeschichte des Paulus vor-
gelegen haben, welches nicht bloss die Dedication enthielt, sondern 100
auch entweder Nachträge des Verfassers oder, was vielleicht wahr-
scheinlicher ist, die für die Capitel über die italischen Provinzen
von Paulus zusammengestellten Materialien.
Yon solchen Materialien finden sich noch weitere Spuren. Wir
besitzen eine Handschrift des echten Eutrop, die vaticanische 1860
aus dem J. 1313, welche nicht bloss in den Lesungen durchaus mit
dem von Paulus benutzten Eutroptext übereinstimmt, sondern auch
eine Reihe der von Paulus zum Eutrop gemachten Zusätze einreiht^,
während bei weitem die meisten fehlen. Wo Paulus dieser Einlagen
wegen an dem Text des Eutrop Aenderungen vorgenommen hat, folgt
die Handschrift in der Regel dem ursprünglichen Text; doch zeigt
sich an einer Stelle, dass der Schreiber die Aenderung des Paulus
1) Die Angaben über die Masse Italiens und Sardiniens (Archiv 9, 689) sind
theils aus Solinus 7, 23, theils aus Isidor 14, 6 genommen.
2) Sie sind zusammengestellt in Droysens Vorrede p. X ; es sind darunter
Entlehnungen aus Hieronymus, Orosius, Victor epit., Jordanes Rom., also aus
sämmtlichen Hauptquellen des Paulus.
536 I^ie Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
ebenfalls vor sich gehabt hat^. Endlich begegnen an zwei Stellen
Zusätze, die denen des Paulus durchaus gleichartig sind, aber in der
römischen Geschichte nicht erscheinen^. Offenbar ist, wie ich dies
schon früher hervorgehoben habe, die Handschrift aus demjenigen
Exemplar des Eutrop abgeschrieben, das Paulus benutzt und mit
den Zusätzen versehen hatte, aus welchen dann weiterhin seine
römische Geschichte erwachsen ist.
Daran knüpft wieder eine andere Frage an: ich meine die
Herkunft derjenigen Erweiterung der römischen Geschichte, von
welcher in der Handschrift Yatic. Palat. 909, geschrieben um das
J. 1000, das Autograph vorliegt und die sich selber als 'fortgeführt
durch Landolfus Sagax bis zum J. 806' (vielmehr bis 8 1 3) bezeichnet.
Man hat bisher angenommen, dass der Schreiber oder, wenn man
will, der Verfasser dieser Compilation, jener Landolfus, im Sinne und
nach Art des Paulus dessen Arbeit fortgeführt hat und darauf die auf-
fallende Gleichartigkeit der von Paulus selbst und der von seinem Fort-
101 setzer benutzten Quellen^ zurückgeführt. Aber dass die verlorene Origo
gentis Romanae, welche wir nur durch Paulus und durch Landolfus
kennen, beiden fast zwei Jahrhunderte aus einander liegenden Schrift-
stellern vorgelegen haben soll, ist wenig wahrscheinlich*. Wenn
Landolfus ein Exemplar der römischen Geschichte des Paulus benutzt
hat, welches derselbe mit seinen Zusätzen versehen hatte, so konnte
er auch auf diesem Wege seine Compilation herstellen^; und dafür
1) Es ist dies, wie ich schon bei Droysen a. a. 0. nachgewiesen habe, 6, 24
p. 110, 9 Droysen, wo Paulus aus Eutrop: Caesar Bomam regressus und Orosius;
quattuor triumphis urbem ingressus in der Hist. R. gemacht hat: Caesar Bomam
cum quattuor triumphis ingressus, während die vaticanische Handschrift liest:
Caesar Romam quattuor triumphis ingressus regressus, also dem Schreiber offenbar
der eutropische Text mit den darüber geschriebenen Worten des Orosius vorlag.
Dadurch ist auch Droysens an sich schon wenig befriedigende Annahme wider-
legt, dass die Handschrift aus einer Abschrift des von Paulus gebrauchten Eutrop
geflossen sei, in welche die paulinischen Zusätze aus Paulus oder L.andolf hinein
corrigirt worden seien.
2) Droysen a. a. 0. führt sie auf; der erste ist aus Hieronymus entlehnt,
wie Droysen dort nachweist, der zweite aus Jordanes Rom. 281. Auch das Auf-
treten dieser Zusätze schliesst die Annahme aus, dass die Handschrift späterhia
aus Paulus interpolirt ist.
3) Sie sind verzeichnet bei Droysen p. LXV. Hinzu treten bei Landolf
Nepotianus, Rufinus, die Tripartita und vor allem Anastasius.
4) Droysen p. X weist diese und noch eine andere weniger auffallende
Uebereinstimmung der vaticanischen Glossen mit dem Text des Landolfus nach,
5) Natürlich soll nicht behauptet werden, dass Landolfus nur paulinische
Materialien benutzt hat. Die den Paulus fortführenden Bücher 19 — 26 sind,
abgesehen von einigen Excerpten der Langobardengeschichte und der — wahr-
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 537
sprechen noch andere Spuren. Einmal kehrt in der römischen Ge-
schichte 9, 6 ein arger Schreibfehler, den Paulus Text vermeidet,
aber dessen in die vaticanische Handschrift übergegangenen Notizen
aufzeigen, avarus für Maurus, bei Landolf wieder; welches unver-
kennbar darauf hinweist, dass dieser nicht allein den uns vorliegen-
den Paulus, sondern daneben eben die Collectaneen benutzt hat, von
denen einiges in jene Handschrift übergegangen ist. — Zweitens
findet sich hier vielleicht die Auflösung der räthselhaften Thatsache,
dass jene grossentheils auf dem Paulus beruhende Compilation, von
der vorher die Rede war, in der einen der uns vorliegenden Formen
genau dieselbe Ueberschrift trägt, welche Landolf seinem emendirten
Paulus vorgesetzt hat^. Beide Werke gehen sich genau genommen
nichts an. Das unter dem Namen des Landolfus bekannte beschränkt
sich auf das römische Geschichtswerk des Paulus und giebt unter
Beibehaltung der Fassung demselben nur Zusätze und keine Fort-
setzung; das andere ist nach der Absicht des Verfassers ein grosses
allgemeines Geschichtswerk, worin beide Werke des Paulus in durch-
aus veränderter Fassung Aufnahme gefunden haben, der zu Grunde
liegende Text des römischen aber im Ganzen der gewöhnliche ist
und von den zahlreichen Zusätzen der anderen Compilation nur
geringe Spuren sich finden 2. Dennoch berühren sich beide Werke 102
einmal darin, dass der langobardische Theil des ersteren und ebenso
das zweite Benutzung der Collectaneen des Paulus zeigt, zweitens,
wie es scheint, auch darin, dass beide Arbeiten bis zu dem gleichen
Endtermin fortgeführt waren ^. Gesetzt, die Bibliothek von Monte
! scheinlich der um 825 geschriebenen Contintiatio Romana derselben (p. 201 Waitz)
I entlehnten — Notiz über Adalgisus (p. 376, 35 Droysen), bekanntlich aus dem
I Anastasius einfach abgeschrieben und hören eben da auf, wo dieser endigt.
Dass Paulus diesen auch nur gekannt hat, ist nicht wahrscheinlich und durch-
aus kein Grund vorhanden diesen Abschnitt ihm beizulegen. Ebenso mag auch
ein Theil der Zusätze der ersten 18 den 16 des Paulus entsprechenden Büchern
auf Landolfs eigene Thätigkeit zurückgehen.
1) p. 227. 380 der Droysenschen Ausgabe.
2) Doch kehrt wenigstens ein Zusatz des Landolfus p. 228, 21 Droysen : a
l'iusanio rege Spartan&rum in der Bamberger Compilation p. 383, 21 Dr. wieder.
3) Allerdings ist, nach dem was mir über die Handschrift Vat. 1984 vor-
liegt, schwer zu sagen, wo nach der Absicht des Schreibers das Werk schliesst.
Nach Bethmann (bei Waitz SS. Lang. p. 30) fehlt der Schluss der Langobarden-
geschichte und ist von späterer Hand nicht vollständig ergänzt. Nach Pertz
'.Archiv 5, 80) dagegen scheint der Schluss nur versetzt zu sein und auf das
Ende der Langobardengeschichte des Paulus eine 'kurze Geschichte der Lango-
barden' zu folgen, welche mit Erwähnung von Stephan II (752—757) und Leo III
rj95-816) endigt. Wenn der Schreiber diese als integrirenden Theil des Werkes
538 I^iö Quellefn der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus.
Cassitiö bewährte die autographen Exemplare der beiden Geschichts-^
werke des Paulus, das römische mit einer Anzahl von Nachträgeri
versehen, welche Paulus vielleicht bei einer Ueberarbeitung de»
Werkes zu benützen gedachte^, das langobardische zugleich die für
den Abschnitt über die italischen Provinzen benutzten Collectaneen
enthaltend, so konnte zwei Jahrhunderte später in demselben Klostei^
Landolfus der Kluge wohl jene beiden Arbeiten verfertigen, zuerst
das allgemeinere Geschichtswerk unter Beiseitelassung der Randnoten
der römischen Geschichte, späterhin eine neue vermehrte Auflagö
von dieser. ' '
Wenn ich mit einem kurzen Wort über die Glaubwürdigkeit
des Paulus schliesse, so geschieht es nur um zu erklären, dass, da
ich in anderer Hinsicht vielfach von Waitz abweiche, ich mich um so'
mehr freue hier mit ihm im Wesentlichen zusammenzutreffen. Wenn
er in der Vorrede zur Langobardengeschichte sein Urtheil dahin'
zusammenfasst: eandem, qua in historia Romana res diversas intef'
se coniunctas videmus, levitatem hie deprehendimus und ihm in deoi
Anmerkungen mehrfach das nicht wohlklingende Wort fingere an-
103 hängt, so ist das letztere offenbar nicht im schlimmsten Sinn gemeint
und wird das erstere im Ergebniss zugegeben werden müssen, wenn'
auch dem Paulus wohl nicht so sehr Leichtfertigkeit vorgeworfen
werden kann als vielmehr eine allzu überlegte und daher leicht'
täuschende Quellenbenutzung. Ein nachdenklicher und gewandter
I^Tacherzähler ist nicht gerade das Ideal der Geschichtsquelle; und
wenn auch die heutige Forschung, die es in der Entwickelung der
historischen Kritik ja erstaunlich weit gebracht hat, in dieser Hinsicht,
auf den Paulus herabsieht wie der Primaner auf den Quintaner, so,
bleibt jenes Lob dennoch relativ ein wohlverdientes. Aber ebetf
wegen dieses Vorzugs haben wir uns wohl vorzusehen seinen Schluss*
aus den Quellen nicht für ein Zeugniss zu halten. Wenn beispiels-
betraehtete, so konnte seine Ueberschrift insoweit bestehen. — Sollte aber auch
Droysen p. XXXIV mit Recht angenommen haben , dass diese Ueberschrift zu
dem im Vat. 1984 erhaltenen Geschichtswerk in der That nicht gehört und
mechanisch aus dem Werk des Landolfus übernommen ist, so würde auch dies I
immer einen Anhalt dafür geben, dass beide Arbeiten am gleichen Ort entstanden
sind.
1) Daraus würde sich die verschiedene Behandlung der Auszüge bei Paulus)
und bei Landolfus erklären, die namentlich bei den Geticis des Jordanes sehr be- 1
stimmt hervortritt: Paulus giebt den Inhalt sehr frei wieder, Landolf ziemlich j
die Worte selbst. Das erklärt sich, wenn wir dort verarbeitete, hier unver-j
arbeitete Collectaneen vor uns haben.
Die Quellen der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus. 539
weise Paulus bei seinen Gewährsmännern findet oder zu finden
meint, dass die beiden sich bekriegenden Könige Odoacar und Fewa
beide über die Ruger herrschen, so gleicht er diesen Widerspruch
damit aus, dass er jedem die Herrschaft über einen Theil des Volkes
zuspricht (S. 503). Wo Paulus von der Wanderung der Gallier spricht
(2, 23), entnimmt er die Gesammtzahl der dreiraalhunderttausend
dem Justin, ebenso die Wanderziele Italien, Delphi und Kleinasien;
aber die Theilung in drei gleiche Massen berichtet Justin nicht,
und wenn des Paulus Herausgeber anmerkt: hos numeros Paulus
sihi fmxisse videtur, so kann man darauf höchstens entgegnen, dass
wer irgend einmal Geschichte erzählt hat ohne Noten zum Text zu
schreiben, sich hüten wird wegen einer solchen 'Fiction' den Stein
aufzuheben. In ähnlicher Weise setzt Paulus, wo er die von den
Galliern in der Lombardei gegründeten Städte aufführt, den im
Uebrigen aus Justinus (20, 5, 2S) entnommenen Namen die Lango-
bardenhauptstadt Ticinum von sich aus und in erster Stelle zu. Aber
Justins Aufzählung ist doch nur Exemplification und legt sogar die
Auffassung nahe, dass die meisten ansehnlichen Städte Oberitaliens
den gleichen Ursprung gehabt haben, Schwerlich hat Paulus eine
Nachricht hingeschrieben, die er nicht für wahr gehalten hat; aber
i zu dieser Ueberzeugung ist er allerdings häufig durch Schlüsse ge-
! kommen, die anfechtbar und bedenklich sind, und denen nachzu-
kommen nicht immer leicht ist ^
1) Dass die Transalpiner durch den Wein und die Früchte Italiens nach
dem Süden gelockt worden seien, erzählt Paulus zweimal: einmal (2,23) in Be-
ziehung auf die Gallier und König Brennus, welche Erzählung, abgesehen von
griechischen Autoren, nur bei Livius 5, 38 sich findet; anderswo (2,5) bezogen
auf die Langobarden und Narses. Plinius h. n. 12, 1, 5 hat eine dritte Personal-
besetzung: hier ist es ein in Rom beschäftigt gewesener helvetischer Hand-
werker Helico, der bei der Heimkehr seinen Landsleuten Feigen, Trauben, Oel
und Wein mitbringt. Wem Paulus hier folgt oder ob er hier sich freie Moti-
virung gestattet hat, wage ich nicht zu entscheiden. Dass er den Livius
gekannt hat, ist sehr zweifelhaft; eher mag auch hier eine Nachricht des Festus
benutzt sein.
XXII.
Christianity in the Roman empire.*)
Dear Sir,
You have asked my opinion about the relation between the
Christian Church and the Roman government of the pagan epoch,
and especially about the development of the hostility between the
two powers — questions never out of debate, and recently treated
carefully and skilfully by my friend Professor Ramsay in his interes-
ting lectures on „the Church and Roman Empire before A.D. 170."
I am well aware that neither in theory nor in arguments there is
much to add by me to what I set forth in my paper „Religionsfrevel
nach roemischem Recht", published two years ago,**) and agreeing
in the main with Ramsay's views. Nevertheless it may not be amiss
to sum up the case in the sense required by you, and to state some
points where I am obliged to differ from him.
The intense hatred in which the Christians were held in the
Roman empire is a fact so well established and so well known that
it is not necessary to dwell upon it. Tacitus and Suetonius, Lucian
and Aristides, are there to attest it, and still more fully the shout
into which the mob translated their invectives: Christianos ad leones.
It is a general feeling pervading the whole empire, the aristocracy
and the populace, Italy alike and the Greek provinces of higher
civilization. How early it developed itself is evident from the policy
of Nero, who sought to avert from himself the fury of the rabble
for a great disaster by offering up to it these unhappy sectaries.
This populär hatred, bitter, universal, lasting — whence did it
spring?
Certainly the Christians, as offspring of the Jews, came in fori
the same aversion which this race has always met with in the whole
*) [The Expositor, 4. ser. vol. 8 (1893) S. 1—7 (Brief Mommsens an den
Herausgeber).]
**) [Historische Zeitschrift n. F. B. 28, 1890 S. 389 ff. = Ges. Schriften 3
S. 389 ff.l
Christianity in the Roman empire. 541
Occident — an aversion which, though restrained by a higher Stan-
dard of humanity, still to the present day dominates the canaiUe,
titled or not titled. They came in for the ancient hatred, but not
for the time-honoured position and secular privileges of the followers
of Moses. The conviction that the Christian ^conventicles were orgies
of lewdness and receptacles of every crime got hold on the populär
mind with all the terrible vehemence of aversion that resists all
argument and heeds not refutation. Two of the best Romans,
Tacitus exciising the emperor, who condemned the Christians of the
capital for false crimes by admitting their turpitudes not requiring
to be proved, Pliny wondering at finding the Christian congregations
innocent and moral, give us an idea what their contemporaries of
inferior order thought of these sectaries.
But these are only the outworks. It must be acknowledged that
the hatred against the Christian was better founded and better deserved
than the repulsive feeling against the Jew. What I am about to
say may be commonplace, but it cannot be omitted.
The political order of the ancient world, and especially of the
Roman state, rested on the nationality of the religion. He who
imagines that the gods of Rome did not survive to the imperial
epoch, may as well say that the Roman res publica was not restored
by Augustus. The spread of doubt and disbelief is, especially in a
political view, not sufficient to abolish an established religion; the
Roman paganism remained, to use Ramsay's (p. 324) words, the
keystone of the imperial policy. As the cives Bomani of the
imperial epoch were a different Institution from those who conquered
Italy, so the Capitoline Jupiter was adored in a different way by
those who carried the blocks for his temple up the Tarpeian mound,
and by those who founded imitation capitols throughout the orbis 3
Romanus; but the national religion was the foundation as well of
Latin Rome as of the Roma communis omnium pafria, the spiritual
Symbol of the political union.
Now this foundation was sapped, this symbol rejected by the
Christians, and by the Christians first and alone. The severing of
the nationality from the creed, the basing the religion on humanity
is the very essence of the Christian revolution. The mighty words,
-there is no difference between Jew and Greek, between slave and
t'ieeman", are the political and the social negation of the established
Order; the Christian proselytism, extinct long ago in the Jews, a
systematic warfare against it. War too has its laws and its outlaws.
The Christian „atheism", the negation of the national gods, was, as
m
542 Christianity in the Roman enipire.
I have shown elsewhere ,*) the contempt of the dii puhlici populi
Bomani, in itself high treason, or as the Christians express it
(thoughts being free, but words not), the mere Christian Name, the
„testimony^ of such atheism, constitutes a crime in the eye of the
law. It is practically unwise to carry out this principle to its füll
consequences; good politics must not be too logical. But it has
always to be borne in mind that every follower of Scaevola and
Labeo must have ranged contempt of the public gods among the
crimes deserving death, and that it was a sheer impossibility in
principle for any Roman statesman to accord to those guilty of it
even toleration. Christianity at this stage may well be compared
with republican opinion in a monarchical country. There is nothing
morally to blame in it; nothing inconsistent with the highest views
of patriotism and public duty; nevertheless even the most liberal
monarchy cannot acknowledge a republican party. Self-defence
rules the world. As long as imperial Rome continued its stay in
the eternal city and maintained the tradition of national government.
it regarded the Christian creed rightly as its slayer,
This general, and in a certain sense lawful, base of tlic
Christian persecutions by the Roman empire will, I should think.
be admitted generally; certainly my friend Ramsay enters fully in
theae views. But the question at issue lies less in the principle
than in the execution. The wishes of the great majority of the|
Roman public, to see worked out that persecution in füll force, we
have glanced at; how far the Roman government did or did not
give way to them? I have stated in my paper that, admitting ol
course many deviations from the rule occasioned by local and indi-
vidual influences, generally a System of toleration prevailed, thf
government neither risking direct Opposition to the populär feeling
nor giving way fully and completely to the logical hate or the
unruly rage of the Opposition party. Ramsay (p. 143) differs fron
this view. „When Mommsen implies that the emperors would gladl;^
have tolerated Christianity, but were occasionally forced by popula
feeling and populär clamour to depart from their proper policy an(
persecute Christianity, I cannot follow him." In the explanatioi
that follows the author is not so much in variance with my statc
ment as it seems here; still, I shall have to defend it.
In the first place what I have averred is, I should think, t^
necessary in itself that special pleading is almost superfluous. War,
fare against religious or political ideas, however implacable in theorj!
") [Ges. Sehr. 3 S. 395.]
I
Christianity in the Roman empire. 543
18 not easily put in practice. A thoroughbred monarchist, thougli
idesirous to hang every republican, if he has the power of the gal-
lows, will find some difficulty in using his power. The most certain
eure for antisemitism , though unhappily not of general application,
Is to name the „Jew-eater" minister; his huraanity will not be the
better for it, but he cannot but understand the dangers of carrying
his ill-will into execution. The same fact must have manifested
itself in the government of the Roman empire; good rule and policy
prevented even those Magistrates, who shared the feeling of aversion
against the Christians, from giving way to the passion of the mob, 5
This must have been the case especially in the government of the
epoch treated by Ramsay. There never has been a fanatic at the
head of the Roman empire. The rulers were not far-sighted
Hör did they aim at reforming theirworld; they were quite satisfied
;to let things go on as they had gone before, and to defend the
actual State of society, ignoring its dangerous under-currents. It
is true, that Christianity ruined the base of the existing society:
but thence it does not follow that the statesmen of the epoch made
war on it ä la russc: Enough of cruelty was enacted to justify the
complaints uttered in the Apocalypse ; but stillthe streng wishes of
the enemies of Christianity were not appeased, and on the whole
the System of ignoring and of leniency dominated.
Füll details alone could enlighten us about the balance held
between the two scales, and reliable facts are scarce in the rubbish
which has been handed down to us under the heading of history of
imperial Rome. Augustus and Tiberius being out of the question,
it is probable that the Separation of Jews and Christians by the
general public, and the rise of animosity against the latter took place
under the second dynasty, as Nero's measures show it fully developed.
The double foundation on which the persecution rested, the general
€ontempt of the Roman gods and the belief in special crimes of
lewdness and other misdemeanours attributed to their conventicles,
the nomen Christiani and the flagitia Christianorum , without doubt
sprang up together. I have already shown, that the first, innate and
undeniable, was the necessary consequence of the juxtaposition of
Christian Church and Roman State; I cannot understand how
liamsay (p. 243n.), on arguments evidently unsolid, attributes this
discovery to Vespasian. That practically in the administrative treat-
ment of the new sectaries, the special crimes attributed to them
were much more urged than their ideal disrespect to the Roman G
divinities, is applicable to every stage of the persecution; and it is
544 Christianity in the Roman empire. I
not to be wondered at, that in the history of Nero's reign these
crimes are dwelt upon, though Suetonius' sober statement shows
that Nero's government did not confine itself in its measures of
repression against the Christians to those accused of arson. "We may
safely assume that they began under Nero partly in defence of
the public gods, partly against the excesses said (and probably not
in all cases unjustly) to reign among them.
The huge proportions and the cruel features, which this repres-
sion assumed in the worst years of this reign, form an exception to
the general preponderance of toleration or, what comes to the same,
of moderate persecution, which confirms the rule. This in my opi-
nion continued under the Flavian dynasty. There is, as Ramsay
himself admits (p. 256), no trace of recrudescence under its first
two emperors. If the political dissolution of the Jewish nation and
the laying waste of its centre were aimed at the Christians too, as
Ramsay is inclined to admit, following Bernays, the imperial govern-
ment must have been extremely ill-informed on the real state of
things; though the Jews thus lost the base of their social position,
the Christians were the gainers by it, being freed finally from the
national trammels of their origin. Be that as it may, Ramsay is
wrong in regarding Vespasian as the true originator of the warfare )
against the Christian creed in itself; he was far too practical for
such a Crusade. Much better does it agree with the sombre but!
intelligent despotism of Domitianus; and the persecution attributedj
to him I think with Ramsay (p. 259) founded in fact, though the few| ■
details handed down to us point not so much to the abstract defence j
of the religion of the state as to the repression of Christian proselytisml
arriving at the ladies in court and the imperial family itself. 1
I have nothing more to add. For the reign of Trajan, Hadrian '|
and Pius, Ramsay admits freely, that the system of toleration, in ''
the sense determined above, prevailed; the evidence of their letters
preserved to us is there to attest it. Marcus may have introduced
harsher measures, especially the searching for believers in the
Christian creed, though the tone in which his younger contemporarj
Tertullian speaks of him prevents us from stretching this repressior
too far. The scanty details known to us may be regarded in eitheij
sense, as rule or as exception; I pass over them the more readiljj
as here I am happy not to be at variance with my friend anc|
epigraphical collaborator.
Less still I dwell upon the later epoch, to which Ramsay'fj
book does not extend. It shows us the Christians increasing ii
i
Christianity in the Roman empire.
545
number and influence, combated in literary discussion by pagan
writers of high standing, and victorious in the end. The great final
result of the Roman government, the union of all the widely different
nations under it in a uniform body of cives Romani, required, in
replacement of their different creeds, a religion adapted to the new
Order of things, to the united empire; and thus the Christian religion
became the religion of civilized humanity, the slayer of the Roman
religion its Substitute and heir. But this great event does not enter
into the present discussion, nor form a proper part of my already
too lengthy answer on the question you proposed to me. The details
will always remain disputable and disputed ; but, on the main points,
with a little common sense and a little good will, we need not
despair of arriving at a general understanding.
MOMMSEN, SCHR. VI,
35
XXIII.
Zu Apostelgeschichte 28, 16
{aTQccTom^aQx^s = princeps pe'regrinorum).*)
495 Die stadtrömischen castra peregrirmmm {ist die Stadtbeschreibung',
peregrina wohl incorrect bei Amtniän; ^ie Iilechriften lassen beid
zu) werden in der litterarischen Ueberlieferung erwähnt theils in der
constantinischen Stadtbeschreibung (Jordan Top. 2, 573), theils bei
Ammian zum J. 357 (16, 12, 66), sowie in den stadtrömischen In-
schriften C. L L. VI, 230. 231. 428; Dessau inscr. Lat. sei. n. 484**)
und der ostiensischen C. XIY, 7. Dass sie auf dem Caelius lagen
(Becker Top. 8. 509; Preller Reg. S. 99 [Jordan -Hülsen Top. 1, 3
S. 234 ff.]), sagt Ammian, und wird bestätigt durch die Inschriften-
funde, von denen einer sogar einen aedilis (= Hausmeister) castro-
rum nennt (C. YI, 231); indess gab es auch in der Umgegend Roms
zu dieser Truppe gehörige Posten (sfationes), so an der Appia
(C. YI, 230) und in Ostia (C. XIY, 7). Ausserhalb des hauptstädti-
schen Kreises begegnet nirgends eine gleichartige Einrichtung.
Das Commando in diesem Lager führt der princeps castrorum
peregrinorum, wie er in der ältesten Inschrift (C. I. L. YI, 354) heisst,
496 sonst als princeps peregrinorum bezeichnet, welchen wir nur aus den
Steinen kennen (CLL. II, 484. YI, 354. 1110. 3325. 3327. YIII,
7002 vergl. p. 1067; Dessau n. 484). Unter ihm steht der suhprinceps
peregrinorum (C. YI, 354. UIO. 3329. Orelli 6747 [C. L L. XI 5215
vgl. 5216]), mit welchem der vices agens principis peregrinorum
(C. YI, 428. 3326) vielleicht zusammenfällt. Auch ein optio militum
peregrinorum (C. YI, 3328) oder optio peregrinorum (C. YI, 3324
[vgl. 32870J. YIII, 1322 [= 14854]) wird genannt.***)
Die diesen Offizieren unterstellten Mannschaften, in den ange-
führten Inschriften einmal als milites peregrini, gewöhnlich als pere-
*) [Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1895, S. 495 — 503.]
**) [Neue stadtrömische Texte Notizie degli scavi 1905 S. 13 und bei
Domaszewski, Die Rangordnung des röm. Heeres, Bonn. Jahrb. 117 (1908) S. 267.]
***) [Vgl. Domaszewski a. a. 0. S. 28. 104.]
Zu Apostelgeschichte 28, 16. 547
grini schlechtweg bezeichnet, treten unter diesem Namen sonst nirgends
auf und es ist durch die schönen Untersuchungen Henzens (Bullett.
deir Institute 1851, IT 3 fg. 1884, 21 fg.) vollständig erwiesen S dass
sie das Commando führten über die hauptstädtischen frumentarii,
wie denn jene suhprincipes, vices agentes und optiones sich auch cen-
turiones frumentarii (C. VI, 428. 3326. Orelli 6747 [C. I. L. XI 5215
vgl. 5216]) oder exercitatores militum frumentariorum (C. VIII, 1322
[r= 14854]) nennen und dem Genius castrorum peregrinorum von den
frumentarii Altäre gesetzt werden (C. VI, 230. C. XIV, 7).
Diese frumentarii sind bekanntlich die zur Vermittelung des
Verkehrs zwischen den Legionen in den Provinzen und dem grossen
Hauptquartier in der Hauptstadt in dieser stationirten Legionscen-
turionen; sie sind insoweit ständig, dass vielleicht die Personen
wechseln, die Vertretung der Corps aber dauernd ist. Eingerichtet
zunächst, wie der Name besagt, für das Verpflegungswesen sind sie
darauf keineswegs beschränkt, sondern werden für Meldungen über-
haupt und namentlich auch für Polizeizwecke verwendet 2. Dass sie
insbesondere bei dem Gefängnisswesen betheiligt waren, ist begreif-
lich und es finden sich dafür auch bestimmte Indicien ; eine ephesische
Inschrift (C. IH, 433) nennt einen frumentarius leg. I adiutricis agens
curam carceris und in den castra peregrinorum auf dem Caelius
endigte nach Ammian a. a. O. unter Constantius der gefangene
Alamannenkönig Chnodomarius sein Leben.
Wann diese Einrichtung aufgekommen ist, ist nicht überliefert,
wie wir denn überhaupt von dieser Truppe nur beiläufig etwas er-
fahren. Unter den relativ zahlreichen datirten Inschriften, welche 497
sie nennen, ist die älteste (C. I. L. VI, 354) aus der Zeit des Severus,
alle übrigen jünger; Preller (Regionen S. 99) hat die Bildung des
Corps zurückgeführt auf die von diesem Kaiser vorgenommene um-
fassende Reorganisation der hauptstädtischen Garnison und man pflegt
1) Allerdings bemerkt Henzen selbst, dass die Inschrift C. VIII, 1322 [=
U854], indem sie von einem optio peregrinorum et exercitat&r militum frumen-
tariorum spricht, einen gewissen Unterschied zwischen jenen und diesen anzu-
deuten scheint. Dieser könnte etwa darin bestanden haben, dass dem einzelnen
Centurio einige Gemeine seiner Legion beigegeben waren und man also einen
:^eren Kreis der abcommandirten Centurionen und einen weiteren der ab-
ommandirten Legionare überhaupt unterschied. Indess kann es auch sein, dass
die Titulatur des optio und die des exercitator bloss usuell verschieden formulirt
waren und hier in dieser usuellen Gestalt combinirt auftreten, ohne dass damit
ein Gegensatz zwischen peregrini und milites frumentarii gemacht werden soll.
2) Marquardt Staatsverw. 2*, 491 fg. [v. Domaszewski a.a.O. S. 34f. 88;
Paribeni, Rom. Mitt. 20 (1905) S. 310 ff.].
85*
548 ^^ Apostelgeschichte 28, 16.
ihm jetzt darin zu folgen. Aber dies ist keineswegs gerechtfertigt.«
Ihren Anfangen nach muss die Einrichtung nothwendig zurückgehen ^
auf die Organisation des stehenden Heeres an den Reichsgrenzen
und des grossen Hauptquartiers in der Hauptstadt, das heisst auf
Augustus. Wann die in Rom verweilenden Legionscenturionen ein
eigenes Lager und einen eigenen Commandanten erhalten haben, ist,
damit allerdings nicht entschieden, Ihre Benennung miliies peregrini
kann, wie Henzen (Bullett. 1884 p. 24) richtig sah, nur davon ent-
lehnt sein, dass diese Mannschaften eigentlich peregre stationirt und
nach Rom nur abcommandirt waren; nach ihrer seltsamen Gestalt,
welche zunächst auf eine Nichtbürgertruppe hinführt^, ist sie sicher
nicht officiellen Ursprungs, sondern im gemeinen Yerkehr aufge-
kommen ^ und also wahrscheinlich sehr viel älter als ihre Einführung
in die Geschäftssprache. Etwas Aehnliches gilt auch von der Be-
nennung des Commandanten. Princeps ist eine für Offiziere sonst
unerhörte Bezeichnung und muss es sein, da der princeps, wie zum
Beispiel im Senat, den primus inter pares, den nicht befehlführenden
Vormann bezeichnet. Unmöglich im Allgemeinen in der Militär-
hierarchie, passt sie auf diese Truppe vortrefflich, insofern jene
Centurionen der verschiedenen Legionen ursprünglich wenigstens
eine geschlossene Abtheilung nicht bilden konnten, wohl aber einer
von ihnen nach dem Grade und bei gleichem Grade nach dem
Dienstalter an der Spitze stand. Yermuthlich ist auch der optio in
diesem Sinn zu fassen^. Wann die Truppe diejenige Formation er-
498 hielt, in welcher sie uns seit dem Anfang des 3. Jahrhunderts entgegen-
tritt, lässt sich nicht bestimmen ; aber aller Wahrscheinlichkeit nach j
reicht diese Formation in die bessere Kaiserzeit zurück.
1) So hat Preller sie gefasst und eben darum ihre Einrichtung dem Severus
beigelegt.
2) Ich erinnere an die aquileiensische Inschrift C. V, 923 eines Praetorianer-
centurionen, der seine Hoftruppe mit Stolz der harbarica legio gegenüberstellt,
und an die legiones militia provincialis der Schrift über die Lagerschlagung (c. 2).
3) Vergl. über die optiones Cauer Eph. ep. 4 p. 441 fg. Die gewöhnliche
Bedeutung des Stellvertreters eines Centurio oder eines Decurio passt hier nicht ;
man wird den optio peregrinorum zusammenzustellen haben mit dem optio tri-
bim[orum lejgionum quinque der Inschrift C. I. L. X, 135 (Cauer a. a. 0. p. 451,
wo aber Orelli 3514 = C. I. L. VI, 2451* als gefälscht zu beseitigen ist). Esj
kann dies nur der durch Wahl oder auch durch Anciennetät berufene Vormann
der die Detachements von fünf Legionen führenden Tribüne sein. Gleichartig'
sind auch die optiones der tdbellarii (C. VI, 9915; Eph. ep. 5 p. 113), wobei mar'
sich der eastra tabellariorum (Curiosum urb. Rom. p. 574 Jordan) zu erinnert
haben wird. Vielleicht ist der optio der peregrini nicht mit dem subprineeps zi
identificiren, sondern die ältere Benennung des princeps; es ist möglich die ihn
nennenden Inschriften der Zeit vor Severus zuzuweisen.
Zu Apostelgeschichte 28, 16. 549
Zu dieser Zusammenstellung bin ich veranlasst worden durch
die oben [Sitz.-Ber.] S, 491 in ihren verschiedenen Gestalten ab-
gedruckte Stelle der Apostelgeschichte über die Gefangenhaltung
des Apostels Paulus in Rom, in welcher im griechischen Original
der oTQaroTtedaQxv^' ^^ ^^^ alten lateinischen Uebersetzung der prin-
ceps peregrinorum auftritt. Die erstere Bezeichnung auf den }y)-ae-
fectus praetorio zu beziehen, ist sachlich wie sprachlich nicht möglich;
sachlich nicht, weil dieser wohl die kaiserliche Criminaljustiz hand-
habt^, aber hier nach dem ganzen Zusammenhang die für die
Untersuchungshaft beikommende Stelle gemeint ist; sprachlich nicht,
weil sowohl nach dem Wortsinn wie nach dem Sprachgebrauch ^
die fragliche Bezeichnung dem Gardecommandanten nicht zukommt.
In der lateinischen Titulatur entspricht jener griechischen zunächst
der praef actus castrorum, und in diesem Sinn finden wir das in
titularem Werth nicht häufig begegnende Wort bei den Schriftstellern ^
1) Wenn Traian (ep. Plin. 57 [65]) anordnet , dass ein zur Relegation ver-
urtheilter, aber diesem Spruch zum Trotz in der Provinz sich aufhaltender
Verbrecher gefesselt ad praefectos praetorii mei geschickt werden soll, so ist hier
natürlich nicht die das Gefängniss beaufsichtigende, sondern die Spruchbehörde
gemeint. — Gleichartig sind die Worte des Philipperbriefes 1, 12. 13; yivwaxsiv
ie vfiäg ßovXofiai, ddekqpoi, ozi zä xax ifik fiäXXov sig jiqoxotitjv xov evayyeUov
IXrjXv&sv, &öxe xovg dsafiovg fxov (pavsQOvg kv XQioxqt ysvead^ai Iv oXco xü> nQaixwQiq»
xal xoTs koijiotg jtäaiv. Als Paulus dies schreibt, sind die zwei Jahre, auf
welche die Apostelgeschichte seine Internirung begrenzt, verstrichen. Die Ein-
kerkerung ist eingetreten, der Prozess hat begonnen und Paulus schreibt nicht
ohne Hoffnung auf Freisprechung, aber gefasst auf das Todesurtheil. Das Prae-
torium ist ohne Zweifel die richtende Behörde, die praefecti praetorio mit ihren
zahlreichen Gehülfen und Subalternen, bei den 'übrigen allen' wird zunächst zu
denken sein an den Umstand bei den öffentlichen Verhören. Dass Paulus auch
in diesen Kreisen Sympathie fand, bestätigt der von ihm den makedonischen
Christen am Schluss des Briefes übermittelte Gruss der Heiligen ix xfjg KalaoQog
olxiag.
2) Die griechischen Bezeichnungen des praefectus praetorio sind Staatsrecht 2*,
864 A. 2 zusammengestellt. Unter den nicht titularen haben die herodianische
tnaQiog xcöv axQaxoTiiöcov und die philostratische rjyEfiwv x<öv axQaxojiidcov mit der
unsrigen wohl eine gewisse Verwandtschaft; und dasselbe gilt von dem bei
Eusebius de mart. Pal. 9, 2 neben den ^ys/^oveg , den Provinzialstatthaltem, ge-
nannten xätv axQaxojTsdcov ägxetv sjiixsxay/j.svog. Aber das Commando über die
Lager schlechthin, welches dem Gardecommandanten als dem allgemeinen Ver-
treter des Kriegsherrn zukommt, ist doch wesentlich verschieden von dem Com-
mando eines einzelnen axQaxönedov, und nur dies kann unter dem axQaxojieddßx^s
verstanden werden. Darum wird diese Bezeichnung auch regelmässig von Offi-
zieren mittleren Ranges, nicht von den höchstcommandirenden gebraucht.
3) Sicher bei Josephus bell. .6, 4, 3, über welche Stelle Eph. ep. 4 p. 576
= C. I. L. III S. n. 6809 gesprochen ist, und in dem sog. philoxenischen lateinisch-
550 ^'^ Apostelgeschichte 28, 16. |
499 und vielleicht auch auf einer Inschrift^ verwendet. Einen Offizier
dieses Titels giebt es nun freilich in Rom nicht. Läge uns bloss |
der griechische Text vor, so würde man den dem Gefangenenwesen
zunächst vorgesetzten Befehlshaber verstehen, wobei der 2>rae/ec^«s
prcietorio, wie bemerkt, sprachlich wie sachlich ausgeschlossen ist,
dagegen die Zusammenstellung mit dem Gemeinen und dem Centurio
einen höher gestellten Offizier fordert. Dass der Verfasser eine
bestimmte titulare Bezeichnung im Sinn gehabt hat, ist keineswegs
erforderlich; recht wohl könnte, falls die Aufsicht über die Gefangenen
griechischen Glossar (corpus gl. Lat. vol. 2 p. 156). Wesentlich identisch ist bei
Dio 78, 13 die dem Decius Triccianus beigelegte Bezeichnung 6 zov 'AXßaviov
atQarojiedov ägxojv , den der Biograph des Caracalla c. 6 (wie Henzen C. I. L. VI
p. 792 sah) praefedus legionis II Parthicae nennt; für den Legionslegaten nicht
senatorischen Ranges ist dies die correcte Titulatur. Wo das Wort sonst vor-
kommt, hat es keinen titularen Werth oder ist dieser mindestens zweifelhaft,
sondern entspricht dasselbe ungefähr unserem Befehlshaber. So brauchen es
z. B. Dionysius von Halikarnass ant. 10, 36 und Lucian quomodo hist. conser. sit
22 (30). Sehr deutlich erscheint dieser Sprachgebrauch bei Eusebius hist, ecc^
9, 5, 2: azQaTOJisödQxt]?, ov öovpta 'Pcofiatoi jiQoaayoQsvovaiv; für den dux der clit^'
cletianischen Militärordnung giebt es einen entsprechenden griechischen Tit^i
nicht. Ebenso kann bei Julian ep. 50 der atQarojisdägxfj? Theophilos nach dem
Zusammenhang nur der dux Thebaidos sein. An einer anderen Stelle in der
Chronik Abr. 2317 (die griechische Fassung ist bei Theophanes p. 8 de Boor
erhalten) spricht Eusebius von einem ozQarojiEddQxv^ Diocletians Namens Veturius,
und der mit gleicher Bezeichnung, aber ohne Namennennung bei demselben
h. eccl. 8, 4 erwähnte Offizier ist derselbe, wie Tillemont (mem. pour l'hist.
eccl. 5, 9) vermuthet und (nach Harnacks Mittheilung) die Glosse der Hand-
schrift F^ OvezÖQiog ovo^a avzcp bestätigt hat. Hier sollte man allerdings di€
Bezeichnung einer bestimmten Charge vermuthen. Hieronymus Uebersetzung
(der Armenier und Rufinus versagen) magister müitiae zeigt wenigstens, dass ei
bei dem Worte nicht an den praefectus praetoi'io gedacht hat; aber der titular(|
Magister, griechisch axQaxr)Xäzrjg , ist nachdiocletianisch. Es steht nichts in
Wege den Titel hier ebenso zu verstehen, wie er bei Lucas gefasst werden muss
denn dass bei Verlegung der Residenz von Rom weg die milites peregrini den
kaiserlichen Hofe gefolgt sind, lässt sich nicht bezweifeln. Aber zumal mr
Rücksicht auf die Parallelstelle ist doch wohl auch hier das Wort nicht ^1
technische Chargenbezeichnung zu fassen. Sicher gilt dies von einer zweitei
Stelle des Theophanes p. 51, da die Stellung des Jovianus, von der er hie
spricht, von Sokrates h. eccl. 3, 22 als Tribuuat bezeichnet wird. ! *^t
1) Die zweisprachige Inschrift von Amastris C. I. L. III, 6984 [= 1364 1 *i
vgl. 14187*] scheint praefectus castrorum legionis XIII geminae in dem (nocl ^
U(ngedruckten [jetzt unter der angegebenen Nr. des Suppl.]) griechischen Tex' '^l
also ZV übersetzen; doch ist die Lesung nicht sicher [sie ist es: [o]TQaTOJi[i ''h
SäQXTj{i); vgl. auch die ebenda gefundenen Inschriften desselben Offiziers n. 1418'/
(lat. = Pessau n. 4081) und 14187* (griech.)]. Andere griechische Inschrifte^
l^enne ich nicht.
Zu Apostelgeschichte 28, 16. 551
mit dem Praetorianerlager in Beziehung stand ^, einer der Tribüne
des Praetorium hier gemeint sein^. — Nun aber tritt hier der
lateinische Uebersetzer ein mit der dem praefcctus castrorum gleich- 500
werthigen und der hauptstädtischen Truppenordnung zugehörigen
Charge des princeps {castrorum) peregrinorum. Er kann allerdings
damit eine Determinirung, die für seine Zeit passte, in das Original
hineingetragen, aber auch dieses so verstanden haben, wie der Ver-
fasser es verstanden wissen wollte. Für die letztere Annahme spricht
einmal, dass der Uebersetzer kaum ein Jahrhundert später schrieb
als der Verfasser; zweitens: die innere Wahrscheinlichkeit, wenn
man die Dinge in ihrem Zusammenhang erwägt. Die inhaftirten in
Rom zur Aburtheilung kommenden Personen waren entweder eben
dort in Haft genommen oder aus den Provinzen dorthin geschickt
worden, lieber die Modalitäten der Haft der ersteren Kategorie
verfügten ohne Zweifel der Regel nach die sie veranlassenden Be-
amten, also hauptsächlich die Consuln, der Stadtpraefect und der
1) Beweisen lässt sich dies allerdings nicht. Wenn unter den Subalternen
des praef. pract. einer war ab commentarns custodiarum , was nach der Inschrift
von Pesaro Orelli 3206 [C. I. L. XI 6343 = Dessau 2073] wahrscheinlich ist
(Hirschfeld in diesen Sitzungsber. 1891 S. 859), so ist dieser wohl zunächst als
Gehülfe bei dem Criminalprozesse zu fassen und folgt daraus auf keinen Fall
die Unterstellung der Gefängnisse unmittelbar unter die Praefecten, auf welche
sonst schlechthin keine Spur hinweist.
2) Das Lagercommando unmittelbar wird von diesen im Turnus geführt
worden sein; gefehlt haben kann eine derartige Ordnung nicht, aber es wird
oichts darüber gemeldet. An den princeps castrmum der atinatischen Inschrift
vom Jahre 208 (C. X, 5064) wird nicht gedacht werden dürfen. Diese steht mit
dieser Titulatur bis jetzt allein (C. VI, 216 ist spät und unklar [s. jetzt C. VI, 30718],
und die beiden anderen Eph. 4 p. 241 von mir angeführten Inschriften sind von
Bormann a. a. O. 5, 126 als nicht hierher gehörig nachgewiesen worden [neuerdings
Inschrift bei Perusia gef. C. XI, 7093 ^ = Not. d. sc. 1905 S. 196]), und ich muss, .
im Gegensatz gegen meine früheren Annahmen, bezweifeln, ob er auf das Prae-
torium sich bezieht, ja ob überhaupt damit eine bestimmte Charge gemeint ist
(s. dagegen v. Domaszewski a. a. 0, S. 101 , der den Titel, wie Mommsen früher,
auf das Praetorium bezieht]. Gesetzt ist der Stein einem Soldaten, der nach
dem höchsten Praetorianercenturionat, dem Trecenariat (vergl. Eph. ep. 4 S. 242
[v. Domaszewski a,. a. 0. S. 99 f.]) Centurio in der 20. Legion und — ob zugleich
oder nachher, lässt der Text offen — princeps castrorum geworden ist. Darauf
lässt sich eine feste Militärstellung dieser Benennung nicht begründen, am
wenigsten eine solche im Pi:aetorium, die, wenn sie bestanden hätte, gewiss
nicht hier allein vorkommen würde. Eher möchte der Geehrte bezeichnet werden
als der angesehenste Centurio der für den britannischen Krieg, während dessen
.der Stein gesetzt ward und an dem die 20. Legion theilnahm, zusammengezogenen
Armee. Dann erklärt sich auch für ihn die militärisch anomale Bezeichnung
jprmccps. Das Commando im hauptstädtischen Pr?,etorium ist sicher nie von
einem blossen Centurio geführt worden.
552 Zu Apostelgeschichte 28, 16.
Praefect der Vigiles, von welchen allen es sicher oder wahrschein-
lich ist, dass ihnen besondere Gefängnisse unterstellt waren. Dass
dagegen die durch Militärtransport aus den Provinzen eingelieferten
Gefangenen, zu welchen Paulus gehört, zunächst bei der Militärstelle
verblieben, welcher die Direction jener Transporte oblag, liegt
wenigstens ausserordentlich nahe. Dabei ist nicht zu übersehen,
dass, von den dem Stadtpraefecten unterstellten Truppen abgesehen,
nicht bloss die praetorischen Cohorten, sondern die gesammte haupt-
städtische Garnison in den praefecti praetorio ihre unmittelbaren Chefs
hatte, also durch die Unterstellung der Inhaftirten unter die frunientarii
sie keineswegs derjenigen unter die praefecti praetorio entzogen wurden.
Es kommt mir nicht zu, die Folgerungen zu ziehen, die für die
Zeit- und Ortbestimmung der Apostelgeschichte selbst und ihrer
lateinischen Uebersetzung hieraus etwa gezogen werden können; aber
es ergiebt sich aus diesen Zeugnissen, falls sie vorher richtig ge-
würdigt worden sind, doch auch einiges für die milites peregrini und
für die uns sehr wenig bekannten Ordnungen des Gefängnisswesens
501 in der römischen Kaiserzeit ^. Ist die Erzählung, wie die Apostel-
geschichte sie giebt — dass die ausführlichere Fassung von dem
Yerfasser selbst herrührt, scheint mir unzweifelhaft — in ihren Einzel-
heiten historisch, wie sie es recht wohl sein kann, so hat bereits in
neronischer Zeit ein Sammtlager der nach der Hauptstadt deputirten
Legionscenturionen und, was daraus nothwendig folgt, ein Befehls-
haber desselben bestanden, und ich sehe nicht, dass dem ein Be-
denken entgegenstände 2. Auf jeden Fall gilt dies für die Zeit, wo
die Apostelgeschichte geschrieben ward, und wenn sie auch eines
der jüngsten Bücher des Kanons ist, wird sie doch wohl noch dem
l. Jahrhundert angehören^. Für die Benennung des Lagers als
castra peregrinorum und dessen regelmässige Verwendung für die
Untersuchungshaft* dürfte die lateinische Uebersetzung der jigd^eis
1) Gehandelt hat darüber vor kurzem 0. Hirschfeld , Sitzungsber. der Berl.
Akad. 1891 S. 857 fg.
2) Dass neben dem grossen Praetorianerlager, den castra schlechthin,
specielle castra für die Stadtcohorten, die vigiles, die Flottensoldafren, die equites
singulares zum Theil schon früh angelegt worden sind , scheint mir zweifellos,
wenn auch das Einzelne sich nicht verfolgen lässt.
3) Jülicher Einleitung in das N. T. S. 206 [vgl. jetzt Harnack, Apostel-
geschichte (1908) S. 217 ff ].
4) Die allem Anschein nach echten Worte IJw zrjg jtaQSfißolij; können nur
auf dies bezogen werden; Paulus erhält von dem in demselben den Befehl
führenden Offizier die Erlaubniss nebst einem ihm beigegebenen Soldaten in der
Stadt eine Miethwohnung (act. 28, 30: iv I8lcp /xco'&cöf^ari) zu beziehen. Vergl. ülpian
I
Zu Apostelgeschichte 28, 16. 553
das älteste und bestimmteste Zeugniss sein. Wenn die theologische
Forschung diesen Text dem 2. Jahrhundert zuweist und seine Heimath
in Rom sucht, so sind unsere Aufstellungen damit im besten Einklang;
in der That dürfte ein in späterer Zeit oder ausserhalb Roms Leben-
der schwerlich im Stande gewesen sein den ozQazoneddQxv^ <ier
Urschrift so in sachgemässer "Weise zu präcisiren. — Gern ginge
man einen Schritt weiter. Nach unserem Bericht wird Paulus, nach-
dem ihn der Statthalter von Judaea in Haft genommen hat, zur
Ueberführung nach Rom behufs der Aburtheilung vor dem Kaiser-
gericht nebst anderen Gefangenen einem Centurio lulius Ix xfjq
oneigrjg ^^eßaoxfjg (act. 27, l) übergeben, dem einige Soldaten bei-
gegeben sind (act. 27, 31. 42). Mit jener Cohorte ist nichts anzu-
fangen ^. Legionscohorten führen niemals eigene Beinamen. Auxiliar-
Dig. 48, 3, 1 pr. : de custodia reorum procotisul aestimare solet, utrum in carcerem
recipienda sit persona an militi tradenda vel fideiussoribus committenda vel etiam sibi.
1) Was Schürer (Gesch. des jüdisch. Volkes PS. 384) über die ajisTga Zeßaaxi]
der Apostelgeschichte ausführt, erscheint mir in jeder Hinsicht verfehlt. Agrippas
Truppen bestanden bei seinem Tode, nach Josephus ant. 19, 9, 2, aus einer Ala xü>v
Kaioagicov xal t(öv Seßaazr]V(öv und fünf Gehörten ; da er damals den gesammten
Besitz des [Gross-]Vaters wieder vereinigt hatte, so sind diese Mannschaften
ohne Zweifel in Palaestina überhaupt ausgehoben worden und werden die
Caesareer und Sebastener hier, wie in ganz gleicher Weise ant. 20, 8, 7, nur
genannt als die beiden wichtigsten Städte des Reiches. Da den Kern der
Truppen die Sebastener bildeten (Josephus bell. 2, 3, 4: tö noXs(j.ixä>xatov fisQog
^sßaozTjvot tQiaxi^ioi; 2, 4, 2: ro fiaxif^corarov rcöv 2sßaaTt]v(öv) , so erklärt es sich
leicht, dass seit der Uebernahme dieser Truppen in die römische Armee die
Reitertruppe auftritt als ala Sebastenorum (Josephus ant. 20, 6, 1 ; bell. 2, 12, 5),
später, nachdem Vespasian sie aus der Heimath weggenommen hatte (Josephus
ant. 19, 9, 2), auf den mauretanischen Inschriften entweder mit gleicher Bezeich-
nung (PJph. ep. V p. 469 n. 1000 [C. I. L. VHI S. 21044] ; aia Sebastena Severiana
— also unter Alexander — auf einer neugefundenen Inschrift von Scherschel
Comptes rendus de l'aead. des inscr. 1893 p. 401 [C. I. L. VIII S. 21039 vom J. 234])
oder als ala gemina Sebastenorum (C. I. L. VIII, 9358. 9359) oder I Flavia Sabaste-
norum (C. VIII S. 17900 = Eph. ep. V p. 390 n. 699). Auch unter jenen fünf
Cohorten werden die Sebastener zahlreich vertreten gewesen sein, und sicher
war eine von ihnen die cohors I Sabastenorum einer dalmatinischen Inschrift
(C. III, 2916 = 9984). Aber von fünf Cohorten der Sebastener, wie sie nach
anderen Gelehrten auch Schürer annimmt, wissen unsere Quellen nichts. Josephus
ant. 20, 6, 1 sagt nur, dass Cumanus mit der Ala der Sebastener vier Infanterie-
abtheilungen (jTfi^oSv Tsaaaga räy/xata) ausrücken Hess, und wenn er weiter,
bell. 3, 4^2, in der Schilderung des Zusammenziehens der vespasianischen Armee
in Alexandria berichtet, dass zu den dort befindlichen drei Legionen und acht-
zehn Cohorten hinzukamen ano Kaiaagsiag (o^sTgai) jiivrs xal [jiJticov TIt] (lia,
:iivxe 8' ExsQai rcöv ojid ZvQiai; innecov, so meint er offenbar mit den aus Caesarea
anlangenden Abtheilungen die insgesammt herangezogene Besatzung des be-
nachbarten Palaestina, während aus dem entfernteren Syrien nur die Reiter
554 ^" Apostelgeschichte 28, 16.
502 cohorten mit dem Beinamen Augusta giebt es zahlreich; aber soviel
wir wissen, ist keine darunter, die in eminenter Weise diese bedeut-
same Benennung als Hauptnamen geführt hätte ^. Es befremdet
weiter, dass ein solcher Centurio mit seinen Leuten nach Rom abr
geht; im regelmässigen Yerlauf werden die Auxiliarcohorten lediglich
503 in den Provinzen verwendet. Man erwartet hier einen zu den
frumentarii gehörenden Legionscenturionen. Ausgeschlossen ist es
nicht, dass der Verfasser der Apostelgeschichte, der von dem
adriatischen Meere bei Kreta und von den Barbaren auf Malta redet,*^)
bei jener ojieXga Zeßaar^ die zu einem Truppenkörper vereinigten
hauptstädtischen Legionscenturionen im Sinne gehabt hat. Mit
Sicherheit aber vermögen wir weder diese cohors Augusta noch di^
ojieiga 'haXixr} desselben Verfassers (act. 10, 2) zu identificiren.
einberufen wurden. 'Eine zweite dieser fünf Gehörten', schrieb ich im Hermef
(19, 217 [oben S. 101]), 'wird die I Ascalonitarum felix sein, eine dritte vielleichi
die I Flavia Canathenorum, obgleich Canatha zum Beich des (zweiten) Agripp&
gehört'. Nach Schürer (a.a.O. S. 385 A. 51) ist diese Vermuthung unmöglicl|i»
weil jene fünf Gehörten zum grössten Theil aus Gaesareern und Sebastenem
bestanden; aber da die Truppen in ganz Palaestina ausgehoben wurden, können j
dieselben füglich von verschiedenen Städten der Provinz ihre Na,men erhaltej^
haben. — Noch weniger kann ich auf die Brücke treten, welche Schürer zwischeiji
der Gohorte der Sebasteuer und der ojisTga ÜEßaoxri der Apostelgeschichte
schlagen möchte. Jener Name ist örtlich von der samaritanischen Hauptstadt
Neapolis Sebaste entlehnt, dieser einer der üblichen kaiserlichen Ehrenbeinam^n.
Eine Truppe aus Sebaste konnte ja freilich auch Ätcgusta genannt werden, aber
nicht mit anderem Recht als die Truppe aus jeder anderen Stadt. Will ma^
einmal an eine Auxiliarcohorte denken, so sollte man sich doch eine solche aus-
suchen, für die die Benennung bezeugt ist, wie z. B. die cohors I Augusta IturaeOr
Tum. Zu diesen und den oben angeführten Erwägungen kommt vielleicht nocb
eine weitere hinzu: dass allem Anschein nach die Benennung Augusta, wo sie
einfach auftritt (nicht als Flavia Augusta, Augusta Nerviana), auf den erstem
Träger dieses Namens sich bezieht und ihn als den Stifter der Truppe bezeichnet.
Sollte dies sich also verhalten, was ich freilich durchaus nicht als sicher bezeichnen
möchte, so kann es eine cohors Augusta »SefcasieworMm überhaupt nicht gegeben haben
[vgl. jetzt gegen Mommsens Kritik Schürer P S. 461 ff.].
1) Sicher nur incorrect verkürzte Titulatur liegt vor bei der cohors II
Augusta einer germanischen Inschrift (Brambach C. I. Rh. 1456 [C. I. L. XIII 7342:
'coh. II Aug. q{uingenaria) vel potius Q{urenaica)' Domaszewski]) und der cohm's
III Augusta einer stadtrömischen (C. VI , 3508). Eher könnte die merkwürdige
Inschrift Eph. ep. 4 p. 538 = C. I. L. III S. 6687 mit ihrer cohws Augusta I iu
Betracht kommen, besonders da sie aus augustischej: Zeit ist und nach Syrien
gehört; aber die Titulatur mit der wohl beispiellosen Stellung der Zahl hinter
dem Beinamen ist, wie ich dort ausgeführt habe, bedenklich und -«renn nicht
verdorbeu, doch unverständlich. Zwei Räthsel neben einander sind keine Lösung.
*) [Vgl- jedoch Harnack Apostelgeach. S. 58 A. 3.]
XXIV.
Zweisprachige Inschrift aus Arykanda.*)
[qtiamcumque munific]entiam vol[eiis pro hoc vestro pio] 93
[proposito pet]ere iam nunc ho[c facere et accepisse]
[vos credere U]cet impetraturi e[am sine mora quae]
[in omne aevum t]am nostram iuxta deos i[mmortales pie-]
[tatem testabi]tur quam vero condigna prae[mia vos es-]
[se a nostra cl]ementia consecuios liberis ac po[steris]**) 94
[declarahii]
[ToTg ocoxfJQoiv] Tiavrög dv&QcoTtcov edyovg xai yevovg
[^eßaoxoig KaijoaQoiv Fakeg. OvaXeQ. Ma^ifieivcp aal (leerer Raum)
[K<x>voTavxeiv(x)\ xal OvaXeg. Äixivviavo) Aixivvicp. üaQa rov
[ÄvxioDv xai n]av(pvXo)v e'&vovg öerjoig xal Ixeoia. "Egyaig omo-
[dedcoxoTCOv T]a)v '&ecöv rcbv öjuoyevcov vjucöv q)iXav&QComag
[jiäotv, d) '&ei6]raT0i ßaodeig, olg fj ^grjoxeia /uejueXhrjxai
[avxcov vjiEQ xfj]g vjucbv ra>v ndvxa veixdivxoiv öeonoxwv
\a.loivtov o(o]xr]Qiag, xaXcög e'xeiv edoxi/xdaajuev xaxacpvyeXv
\7iQbg rr]v dd^ajvaxov ßaodeiav xal derj^fjvai xovg ndXai
*) [Archäologisch -epigraphisclae Mittheilungen aas Oesterreich- Ungarn 16
(1893) S. 93—102 und Nachtrag S. 108. Die Inschrift — das Facsimüe ist hier
nicht wiedergegeben — jetzt im C. I. L. III S. 12182 vgl. 13625 b. — Vgl. 'Die
Nation' 10, Ö. 364 f. (Zuschrift Mommsens an die Redaction): 'Vielleicht findet
dieser kleine Beitrag zum Humor der Weltgeschichte auch ausserhalb des Ge-
lehrtenkreises verständnissvolle Leser. Dass der schlechte Christ ein schlechter
Staatsbürger und ein illoyaler Unterthan und bösartiger Atheist ist, das bekommen
wir zur Zeit oft genug in wenig eleganter Mannigfaltigkeit zu hören und zu
lesen. Hier kommt nun die Staatsreligion, welche durch die christliche verdrängt
worden ist, und verfolgt eben diesen Christen als einen schlechten Bürger und
illoyalen Unterthanen und vor allem als notorischen Atheisten. Die Hetze der
damaligen Gläubigen bedient sich genau der gleichen Mittel gegen den neuemden
Unglauben und ruft genau die gleiche Staatshilfe gegen denselben an, wie diese
selben Ungläubigen, nach dem sie zur Staatskonfession geworden sind, jetzt
ihren Widerpart verfolgen. So wechseln die Zeiten und ewig ist nichts als die
Dummheit und die Bosheit,']
? ?
**) [Hinter consecuios ÄlÄERIr'ACR nach der Lesung von Szanto (C. I. L.
III S. 13625 b).]
ccg Zweisprachige Inschrift aus Arykanda.
[juavixovg XQi]oriavovg xal eig devgo rr]v avrrjv vooov
[diaTtjQOVvrä]g noxs nenavod'm xal /u.rjdejuiä oxaiä rivi xat-
[vfj d^Qr]Oxeia\ xr]v roTg '&eoXg d(pedoiuevr]v jiaqaßaivEiv.
20 ITom av elg] egyov äcpixoiro, ei v/xeieQq) '&eiq) xal aloivio)
[vevfxaxi n\äoiv xaraozairj aneiQrjod^ai [xev xal xexwXvo^ai
[e^ovoia\v rrjg x(bv ad^ecov anex'&ovg En[(\xridEVOECog,
[ndvxag de x]fj xcov ofioyEvwv v/liöjv ^ecöv '&Qr]oxEia oxoXd-
[^Eiv vneo] x^g alcoviov xal äcp'&aQXOv ßaodEiag vfxcöv, ojteq
25 [jihioxov ovfi\(pEQEiv Tiäoiv zöig vfiEXEQOig äv^QCOJioig JiQÖdrjXov
EOXlV.-f)
108 t) (Nachtrag der Redaction (S. 108). Zu der S. 93f. von Th. Mommsen
ergänzten und erläuterten Inschrift fügen wir mit seiner Einwilligung einen
Ergänzungs versuch bei, der die nach unserer Ueberzeugung durch Z. 10. 16. 21
deutlich angezeigte grössere Zeilenlänge und die Disposition der Schrift ver-
deutlichen soll.
quamcumque munific/'entiam voi.^t*eritis pro hoc vestro
religiöse proposito petjere. Iamnuncho\c facereatqueacci-
pere constituite, scili cet impetraturi ea\m sine mora. Quae
data vobis in aeternumt/amtiostramiuxtadeosi\mmortales religi-
5 osam pietatem testabi/tur quam vero condigna pra^^etnia vitae
rationis vos a nostra cllementia consecutos liberis ac p\o s te ris
vestris declarabit
20
25
ToTg acoTTJQaiv rov ovfiTiavtos dv^QcoTicov edrovg xal yevov?
GsoTg SeßaatoTg Kai aoQoiv FalsQ. OvaXeQ. Ma^ifi.eivq> xal
^X. OvaXeQ. KmoravTEivw xal OvaXsQ.AixivviavcöAixivvic^. ITagatov
nioxov Ävxicov xal ITav(pvkcovs&vovgösr}aigxalixsoia.''EQyoigajio-
dsdsiy (isvcov del zjöiv ■&s(öv xwv 6/Äoysvcöv vfiöüv cpiXavd'QCOTilag
näoiv, o) enKpaveaiTaroi ßaadsTg, ocg rj ■&Qt]axsia fiEfisXitrjxai
anovdaicog vtieq rfjg vficüv tcöv nävta vsixcövrcov deajtorcöv
^ficüv almviov oco.rrjQiag, xaXwg k'^siv idoxi/zdoafisv xaraqpvyeTv
JiQog xi]v vfiwv d&d%]faxov ßaaiXsiav xal dsrjd'fjvai, xovg ndXai
axaaid^ovxag Xqi axiavovg xal elg Ssvqo xrjv avxrfv vooov
6 lacp V Xdxx ovx d/g noxs nenava&ai xal fiTjdsf^iä axaiä xivi xai-
vovQyia xrjv xifj.rjih' xrjv xoTg &soTg ocpEÜMfievrjv JiaQaßaivstv •
o ÖTj äv fidXiaxa slglsQyov dcplxoixo, sl vfisxsQq) -^eico xal alcoviq)
VEVfxaxi n a V X d 7i\aaiv xaxaaxairj djiEigfja^ai fikv xal xExcoXvad'ai
xijv xaxovgyia V xrjg xä>v dd^scov dnEx^ovg ETiixrjdEvaecog,
diaxexdx&ai de xfj xätv o^oysv&v vfxwv d^ewv d'Qrjaxeia. a^oXd-
Ceiv ifijLisvmg vnsQ] xrjg almviov xal dcp&dgxov ßaaiXsiag vfidv, ojxeq
nXsToxov oaov avfj\qpEQEiv jiäaiv xoTg vfiExigotg dv&gcojioig TtgödrjXov
I iaxiv.
Zweisprachige Inschrift aus Arykanda. 557
Die merkwürdige Urkunde, welche bei der diesjährigen Benn-
dorfschen Expedition nach Kleinasien aufgefunden und mir zur
Veröffentlichung in dieser Zeitschrift übergeben worden ist, hat
Herr Hula in der lykischen Stadt Arykanda abgeklatscht. Sie fand
sich unterhalb des Stadiums auf einer innerhalb der Grundmauern
eines unvollendet gebliebenen Gebäudes freiliegenden Platte von
0-55 m. Breite, 0-50 m. Höhe, 0-12 m. Dicke. Die Buchstaben, in
denen Reste rother Farbe erkennbar waren, sind zwischen vorher
gezogenen Zeilenlinien fein eingeritzt. Die Schrift, die lateinische
wie die griechische, ist der Epoche, der die Inschrift angehört,
entsprechend schlecht und hässlich, die Lesung aber. Dank den
Bemühungen der Wiener Freunde, von einigen gebrochenen Buch-
staben abgesehen, zweifellos festgestellt. Es fehlt der obere Theil
und der linke Rand, so wie in den ersten sechs Zeilen auch der
rechte. Die übrigen Zeilen sind am Schluss vollständig; unten fehlt
nichts, schwerlich auch Fortsetzung auf einer anderen Platte.
Erhalten ist auf der Platte der Schluss eines kaiserlichen Re-
scripts in lateinischer und eine an die Kaiser gerichtete Supplication
in griechischer Sprache. Jenes charakterisiert sich als kaiserlicher
Erlass durch die Sprache sowohl wie durch die Worte Z. 4 . . .am
nostram; schon der Stellung nach darf es angesehen werden als 95
Bescheid auf die ihm angehängte Eingabe, ähnlich vne wir beide
in der Urkunde der Skaptoparener*) vereinigt finden. Im Uebrigen
erschienen mir die Ueberreste so gering, dass ich davon absah eine
conjecturale Ergänzung zu versuchen. Aber als ich dann die Urkunde
Harnack vorlegte, machte dieser aufmerksam auf die auffallende
Uebereinstimmung dieser lateinischen Reste mit den Schlussworten
des weiterhin zu erwähnenden gleichartigen, von Eusebius in griechi-
scher Uebersetzung {avxiyQacpov sQ/urjvEiag ist die Ueberschrift) auf-
bewahrten Erlasses an die Tyrier; und die durch Bormann vorge-
nommene abermalige Untersuchung des Abklatsches brachte es zur
Gewissheit, dass diesem Erlass und dem unsrigen an die Provinz
Lykien und Pamphylien die gleiche, nur unbedeutend modificierte
liedaction zu Grunde liegt. Ich setze die Schlussworte her, wie sie
bei der Yergleichung sich herausstellen, wobei ich bemerke, dass
die lateinischen Ergänzungen den Raumverhältnissen in so weit
angepasst sind, als dies der Sachlage angemessen ist. Wo, wie
gewöhnlich und auch hier, die Ergänzungen den Wortlaut nicht im
einzelnen herstellen können und sehr verschiedene Wendungen des-
») [Jetzt C. I. L. III S. 12336; s. oben B. II S. 172 ff.]
558 Zweisprachige Inschrift aus Arykanda.
selben Gedankens möglich sind, ist es angemessen sich auf ungefähre
L'ückenfüllung und möglichst einfache Herstellung des Gedanken-
zisammenhangs zu beschränken, zumal da wissenschaftlich meistens
recht wenig darauf ankommt, ob diese oder jene der möglichen
Fassungen den Vorzug verdient.
[vesfrae devotioni permiftimus]
eTHtQSTiOjuev xfj vjuereQO, xa'&ooKooei
[quamcumque munific]entiam vol[etis pro hoc vestro pio
proposito pef]ere,
onoiav ö^äv ßovXr]-&rjxe fxeyakodcoQedv ävzi lavrrjg vf^cöv jrjg q)do-
'&eov TiQO'&sosajg ahrjaai
iam nunc ho[c facere et accepisse vos credere li]cef,
kal rjdfj /uev rovxo noieiv xai XaßeTv ä^tcooars'
impetraturi e[am sine mora]
rev^eo'&e yaQ avrrjg x^Q^^ xivog vneQ'&eoeoig
[quae]
rjcig
fehlt
TiaQaoxe^eioa rfj v/uszega jioXei ^
96 [in omne aevum t]am nosfram iuxta deos i[mmortdles pietatem
tesfabi]tur
eig änavxa rbv atwva rrp; jieqI zovg ä&avdzovg '&eovg (piXo^eov^
evaeßsiag nage^ei juaQZVQiav
qtiam vero^ condigna prae[mia vos esse a nostra ct\etnentia con- Wk^
secutos B>t
z6 de^ v/uäg ä^ioiv end'&Xcov Tezvx^>i£vai Tiagd zfjg ^/uszegag (pda- »*'
ya'&iag
1) Weggelassen, weil das Schreiben an die Provinz gerichtet ist.
2) Statt (pdo&sov erwartet man ^f^ersgag.
3) Diese bei tarn — quam sprachlich mehr als bedenkliche Partikel wird
man sich gefallen lassen müssen. Ein ebenso schlechtes vero bei Jordanes
Get. 4, 26 gibt keine genügende Analogie. Dass der Erlass zunächst griechisch
concipiert war und der officielle lateinische Text Kanzleiarbeit ist, kann wohl [4
sein; aber schülerhafte Wiedergabe des griechischen ds durch vero wird man
dem kaiserlichen Cabinet doch auch nicht zutrauen dürfen. Uebrigens ist auch
der griechische Text hier nicht ohne Anstoss.
4) zov de die Handschriften, wozu Valesius bemerkt: scribendum puto xoß
TS supplendo fiaQzvQiav. Eher hat wohl rd de gestanden.
Zweisprachige Inschrift aus Arykanda. 559
fehlt
TavxYjg vficbv evexev tfjg tov ßiov TiQoaiQioecog
liberis ac po[sferis declafdbit].
vidig re xal ixyövoig vjuttegoig ejiideix^i]oerai.
Die griechische Urkunde lässt sich, wenn auch keineswegs im
"Wortlaut, doch inhaltlich mit genügender Sicherheit ergänzen, und
sie ist merkwürdig genug. Die Provinz Lykien und Pamphylien
bittet den Kaiser Maximinus ^ und seine Mitregenten um Ausrottung
der der bestehenden Religion gefährlichen und gottlosen Christen,
Wir kennen den geschichtlichen Zusammenhang dieses Vorgangs.
1) Ich darf nicht verschweigen, dass in der arg zugerichteten Z. 9 der
Inschrift auf dem Abklatsch zuerst M A Z I M I A N (a) gelesen worden ist, während
ich M A E.IMGIN(jl) erkenne; die Rundung des 6 scheint mir unzweifelhaft
zu sein. Uebrigens würde jene Lesung, ganz abgesehen davon, dass in den
früheren Stadien der diocletianischen Christenverfolgung von Petitionen um die-
selbe nichts gemeldet wird, in die grössten Schwierigkeiten verwickeln. Nach
(leu Berichten der zuverlässigsten Gewährsmänner (Schrift de mort. persec. 32;
vgl. Eusebius h. eccl. 8, 13) hat Galerius Maximianus, der dann hier an erster
I Stelle stehen würde, den Caesar Maxiniinus zwar widerwillig, aber dennoch als
i Augustus anerkannt, und es ist nicht abzusehen, wie in einer unter seiner Bot-
I mässigkeit gesetzten Inschrift dieser sein Adoptivsohn hätte fehlen und neben
{ihm nur zwei Mitregenten, die doch nur Constantin und Licinius sein können,
! hätten genannt werden können. Authentische Belege für die Inscription der
Kaisererlasse von dem Rücktritte Diocletians und seines Mitherrschers an bis
tzum Tode des Galerius besitzen wir nicht [vgl. oben S. 328 A. 4]. Die Inscription
des Toleranzedicts des Galerius bei Eusebius h. eccl. 8, 17, das in diese Epoche
{fällt, wimmelt von Schreibfehlern und Verstössen aller Art und kann keinesfalls
dafür geltend gemacht werden, dass im Jahre 311 Maximinus von seinem Vater
weder als Augustus noch als Caesar anerkannt worden sei. Ich zweifle nicht,
dass der Text, der griechische wie der lateinische, indem er an erster Stelle
[und vor Constantinus und Licinius den FaUgiog Ovaksgiog Ma^if.iTvos (so die
iHandschriften) oder den Galerius Maociminus (so ebenfalls die Handschriften)
nennt, durch eine alte Schlimmbesserung entstellt worden ist, indem dies gesetzt
an die Stelle des Galerius Valerius Maximianus und des Galerius Valerius
■Miximinus, worin der Diaskeuast eine Dittographie sah. Für die Kritik des
m vergleichlich wichtigen Werkes ist diese vor der Arbeit des Rufinus liegende
meines Erachtens zweifellose und unmöglich dem Autor zuzutrauende —
rderbnis von Belang. Von der Inschrift von Sinope C. I. L. III S. 6979
Dessau 660], wenn sie überhaupt dem Galerius Maximianus gehört und
ht dem Galerius Maximinus, was nicht ausgemacht ist, ist der Text eben-
venig festgestellt. Es würde eine Thorheit sein auf dergleichen unsicher
erlieferte Documente hin geschichtliche, gegen gute Ueberlieferungen und
lere Wahrscheinlichkeit verstossende Combinationen aufzubauen.
560 Zweisprachige Inschrift aus Arykanda.
Nachdem Galerius zu Gunsten der Christen das Toleranzedict
erlassen hatte, wies sein Unterherrscher Maximinus auch seinerseits
die Behörden an von der Yerfolgung der Christen abzusehen. Aber
als er nach dem Tode des Galerius sich zum Herrn von Kleinasien
97 bis zum Hellespont gemacht hatte und mit dem Machthaber im öst-
lichen Europa Licinius auf einer Conferenz im Hellespont zu vertrags-
mässiger Einigung gelangt war, fühlte er sich sicher und wechselte
sein Verhalten gegen die Christen. Imprimis, erzählt der zeit-
genössische Verfasser der Schrift de mortihus persecutorum c. 36,
indulgentiam Christianis communi titulo (?) datam tollit suhornatis
legaüonihus civitatum, quae peterent, ne inira civitates suas Christianis jj
conventicula extruere liceret, ut quasi coactus et impulsus facere vide-
retur quod erat sponte facturus, quihus annuens u. s. w. Ueberein-
stimmend berichtet Eusebius. Nachdem die höheren Beamten sich
überzeugt hatten, wie der Kaiser in Wirklichkeit gegen die neue
Religion gesinnt sei, veranlassten sie einen Petitionssturm um Wieder-
aufnahme der Christenhetze, welchem dann der Kaiser stattgab.
UdvTeg, sagt Eusebius h. eccl. 9, 4, rwv iv teXel rag vno rrjv avrtjv
^QXW ^oXeiq olxovvTEQ rf]v öjuoiav (bgjucijvro xprjipov noirjoao'&ai,
TiQogfpiXkg d'Elvai rovro ßaciXsl t&v xax ETiagxiav '^yEfxovcov owEcoga-
xoTCOv xal rovx avxb diajcQdiao'&ai roig vjirjxöoig vjioßEßXrjxöuov , o)v
ör] xal avTCÖv roTg ipfjqpiojuaoi dt ävziyQacprjg dojuEVEorara EnivEvoavrog
Tov xvQavvov av'&ig e^ vjiagxv^ ^ xa-d'" fjucbv ävEcpXsyExo diayyfiös.
Weiter heisst es (9, 7): ävd juEoag ys roi xdg jiöXEig, o firjöh äXXoxi
710XE, ipr](piojuaxa tiöXecov xad-' rjjudjv xal ßaoiXixcöv Tigög xavxa diaxd^Ei
dvxiygacpal oxrjXaig EvxExvTtcoiJLEva y^aXxalg dvwgß^ovvxo , und nachde
er als Beleg den von dem Kaiser an die Tyrier gerichteten Erlass
beigebracht hat, schliesst er: xavxa dt] xad^ fifx&v xazd jiäoav Ejcag-
Xiav dvEoxrjXixEvxo. Dafür haben wir in diesem Document den
urkundlichen Beleg.
98 Wesentlich dieser Petition analog werden die übrigen von der
Regierung gleichmässig veranlassten gelautet haben; mit Recht
macht Harnack geltend, dass der Gedankengang unseres Schrift-
stückes im allgemeinen übereinstimmt mit dem der tyrischen, »
weit dieser aus der kaiserlichen Antwort sich erkennen lässt. *Wm|
in dem tyrischen Schriftstück die Vortheile und Segnungen, weld
der pünktliche und ungestörte Gottesdienst gewährt, in breiter Dar-
stellung ausgeführt werden, beginnt eben damit die Eingabe de;|
Lykier und hat wahrscheinlich auch damit geschlossen.'
Der Zeit nach fällt die Eingabe in das Jahr 311 oder wa"
scheinlicher 312, wie die Vergleichung mit den beiden oben ange
Zweisprachige Inschrift aus Arykanda. 561
führten geschichtlichen Berichten ergibt. Als sie einlief, war Galerius
todt, welcher im Jahre 311 bald nach Erlass des Toleranzedictes
Afom 30. April gestorben ist, und, wie die Adresse der Urkunde zeigt,
die Einigung zwischen Maximinus, Licinius und Constantin, welche
ohne Zweifel noch in demselben Jahre abgeschlossen ward, einer-
seits erfolgt, andererseits noch nicht gebrochen, welcher Bruch nach
der Vermählung des Licinius mit der Schwester Constantins im
Winter 312/13 eintrat. Dies führt auf die oben gegebene Ansetzung.
Zwischen dem letzten, den Christen wiederum günstigen Religions-
edict Maximins (Eusebius h. e. 9, 10), das seiner Katastrophe Ende
313 nicht lange vorhergegangen sein kann, und seinen gegen die
Christen gerichteten Erlassen, welche durch diese und die analogen
Eingaben hervorgerufen wurden, liegt nach Eusebius 9, 10, 12 weniger
als ein Jahr: amai xov rvQavvov (pcoval ovS* okov iviavrov rcbv xazd
XgioTiavcüv ev oxijXaig ävare^eijuevcov avxcb öiaxay fxdxoiv voxeg^oaoai.
Diese Angabe ist nicht schlechthin unvereinbar mit der Ansetzung
unserer Urkunde in 311, passt aber besser für das Folgejahr.
Die damals nach Galerius Tod regierenden Herrscher sind, wie
xhon aus dem Gesagten erhellt, Constantinus, Licinius und Maxi-
minus. Dies war die von Galerius vorgeschriebene Reihenfolge (de
in ort. persec. 32. 43) und sie entspricht der Epoche der Ernennungen:
(.'onstantinus war schon 306 nach dem Tode des Vaters zum Augustus
ausgerufen, neben ihm Licinius im Jahre 307 auf dem Congress in
Carnuntum anerkannt worden, während Maximinus erst nach diesem
Congress zuerst von seinen Truppen dazu gemacht, dann auch von
• ialerius als solcher anerkannt wurde (de mort. persec. 32). Aber
zum Caesar war Maximinus allerdings schon im Jahre 305 ausgerufen
worden (de mort. persec. 32: praescriptione tenipmis pugnat se prior em
'sse dehere qui prior sumpserit purpiiram)^ und daher nennt ihn auch
(in in Aegypten, also in seinem alten Machtbereich gefundener
Meilenstein (C. I. L. III S. 6633 [= Dessau 657J) als solchen vor
• 'onstantin. In der That setzte er in dem hellespontischen Vertrag 99
- durch, dass ihm unter den drei Herrschern die erste Stelle ein-
geräumt ward, wie dies sowohl die Schriftsteller berichten (de mort.
nersec. 44: primi nominis titulum . . . sibi Maximinus vindicabat,
Kusebius h. eccl. 9, 10 [§ Ij: xaxd rcbv xrjg ßaotXeiag xoivcovcöv .... xokjuäv
')Q/iir]xo . . . TiQcöxov iavxöv xäig xijualg ärayogeveiv)^ wie auch die
nschriften bestätigen, nicht bloss des Orients (Meilenstein von EUes
'. I. L. III S. 7174), sondern auch des Occidents (Inschrift von
'rutting in Noricum C, I. L. III 5565 [mit add. n. 11771 = Dessau
64], gesetzt zur Feier eines am 27. Juni 310 erfochtenen Sieges
JIOMMSEN, SCHB. VI. 36
562 Zweisprachige Inschrift aus Arykanda. ■
nach Galerius Tod, wahrscheinlich im Jahre 311). Wenn also
unsere Urkunde an erster Stelle ihn, an dritter den Licinius nennt,
so ist dies hiemit in Einklang und kann der dazwischen fehlende
Name nur derjenige Constantins sein.
Dass Z. 11 die petitionirende Provinz nicht bloss als pamphy-
lische, sondern als lykische und pamphylische bezeichnet gewesen
sein muss, folgt aus der Auffindung der Inschrift im Herzen der
lykischen Landschaft. Damit stimmt überein (wie Marquardt Staats-
verwaltung P, 379 mit Recht bemerkt), dass die Veroneser Provinzial-
liste aus diocletianischer Zeit nur Pamphylien, nicht aber Lykien
aufführt, und dass eine kaiserliche Verordnung vom 1. Juni 313
(C. Th. 13, 10, 10 = C. lust. 11, 49, 1) gerichtet ist ad Eusebium
V. p. praesidem Lyciae et Pamphyliae.
Die Antisemiten — Christus war ja auch ein Semit — hatten
es also vor anderthalb Jahrtausenden weiter gebracht als ihre
heutigen Gesinnungsgenossen. Unsere offenbaren Antisemiten haben
bis jetzt noch nicht erreicht, dass ihre Petitionen um Semitenhetze
von Regierungswegen in jeder kleinen Landstadt öffentlich ange-
schlagen werden, und die hochgestellten Krypto- Antisemiten, die
eigentlichen Schuldigen, stehen nicht minder weit zurück hinter der
Leistung des Kaisers Maximinus. Einen Fortschritt der Cultur auf
diesem Gebiet wird der Menschenfreund also gern registriren.
Im einzelnen finde ich zu dem Text noch folgendes zu be-
merken.
Für die Bestimmung der Lückengrösse sind die beiden mit
Sicherheit zu ergänzenden Zeilen 10 und 11 massgebend. In der
ersten fehlt, da für den Geschlechtsnamen am Ende von Z. 9 Raum
gelassen ist (s. unten), das Wort Kco(v)oTavx{s)ivq). In der zweiter
lässt sich die Ergänzung Ävxicov xai II ebenfalls nicht verlängern.
denn die administrativ fest combinierten Landschaften werden, ihrei
inneren Selbständigkeit unbeschadet, immer als einfacher Ver
waltungsbezirk, prowmcia oder ed'vog gefasst; es gibt nur eine provincü
Ponti et Bithyniae (C. V 5262, IX 4965, XIV 2925), Inaqyda Höv
100 Tov xal Bf&vviag (C. I. G. 1813 &), nicht provinciae oder ETvaQxeiail
Man kann also nicht etwa nach xal noch tov einschieben. Ebens
hindert, wie Benndorf mit Recht erinnert, der Sprachgebrauch da
Einschalten des Artikels vor den beiden Völkernamen. Also fehle
in Z. 10 zehn bis zwölf, in Z. 11 zehn Buchstaben, wovon indess
da der Bruch nicht ganz gleichmässig verläuft, in Z. 21 — 25 einig
Zweisprachige Inschrift aus Arykauda. 5()3
abgehen. Danach müssen die übrigen der Fassung nach unsicheren
Ergänzungen sich richten. Es soll nicht in Abrede gestellt werden,
dass die also gebotene Kürze mehrfach zu Härten führt; die in
Vorschlag gebrachten Ergänzungen Z. 7 [vestris declarahit] — Z. 8
[xöig ocozfJQoiv Tov avfjL\7iavTog äv&Qcojicov E'&vovg xal yhovg ('nach
Analogie von Reisen II n. 78. 79 und einer neuen Inschrift von
Andraki' Benndorf) — Z. 16 [ngog rr]v vjucöv d^djvarov ßaodeiav —
Z. 21 aicoviqy [vevjuari 7iavrd7i]aoiv sind ohne Frage an sich besser
als was oben gesetzt ist; aber ich kann dieser Glätte eine jene
sicheren Ergänzungen überwiegende Beweiskraft nicht zugestehen.
Dass bei Annahme dieser Lückengrösse das in der Schlusszeile frei-
gestellte Wort nicht genau in die Mitte zu stehen kommt, wie es
bei sorgfältiger Schreibung erfordert würde, kann bei einem Document
dieser Art nicht entscheiden. Genaue Raumberechnung ist bei der
Beschaffenheit der Schrift überhaupt ausgeschlossen.
9. Nach KAI ist auf dem Stein, wie die Zeichnung es zeigt, ein
leerer zur Aufnahme von 5 bis 6 Buchstaben genügender Raum. Ich
hatte denselben auf dem mir eingesandten Abklatsch für Rasur ge-
halten; allein ich habe mich in dieser Annahme geirrt. 'Wir haben,'
schreibt mir Benndorf, 'alle drei Abklatsche genau geprüft; der
Sachverhalt kann nicht zweifelhaft sein. Der Name Maximins hat
eine Reihe kleiner "Verletzungen erlitten, die ihn undeutlich machen,
aber es sind solche, die anderwärts in der Inschrift auch, nament-
lich in der ersten griechischen Zeile vorkommen, ohne irgend den
Eindruck von Absichtlichkeit zu geben. Die auf ihn folgende leere
Stelle am Ende der zweiten griechischen Zeile ist dagegen gänzlich
unverletzt und glatt: läge hier eine Rasur vor, so würde sich nicht
nur die vollkommene Glätte nicht erklären, sondern auch unbegreif-
lich bleiben, dass diese Fläche sich jetzt über die begrenzenden
Linien, welche ganz intact sind, als Relief erhebt.' Ich habe geglaubt
dies wiedergeben zu sollen ; denn die Annahme einer Namenstilgung
liegt nicht bloss äusserlich nahe, sondern es würde sich auch die
Ausmeisselung des Namens des Constantinus bei unverletztem Licinius
geschichtlich wohl rechtfertigen lassen. Da nun aber an diesen Ausweg
nicht gedacht werden kann, so lässt sich das Fehlen von <l>AAOY oder
auch <1>A OYAA, für welches der Platz vollständig ausreichte,
meines Erachtens nur darauf zurückführen, dass der Concipient wohl IUI
die Namen des östlichen Kaisers so wie die seines nächsten Nachbars
kannte, nicht aber diejenigen Constantins; wer sich an die unglaub-
liche Yerwirrung erinnert, in welcher die innerasiatischen Denk-
mäler des 3. und 4. Jahrh. uns die Kaisernamen vorführen, wird
36*
i
5(54 Zweisprachige Inschrift aus Arykanda.
diesen Ausweg, meines Erachtens den einzigen offenen, nicht als
unzulässig ansehen.*)
11 — 15 (wo der Stein tHPIAC hat) nach den Vorschlägen von
Wilamowitz. Die Motive gehen vorher: 'die Götter haben bewiesen,
dass sie diejenigen segnen, welche ihnen im Interesse des Reiche»
huldigen/ Diese Wendung hat hier ihre besonderen Gründe; auch
in dem Erlass Maximins an die Tyrier, den in griechischer Ueber-
setzung Eusebius h. eccl. 9, 7 aufbewahrt hat, wird der Segen im
Ackerbau und sonst weitläufig ausgeführt. 'Ojuoyevetg heissen die
Götter eben dieser Kaiser als der lovii und HercuUi oAev nach de
Inschriften mit einer — allerdings schon bei Seneca (consol. ad Mar
15, 1) begegnenden Phrase — diis geniti et deorum creatores (C
L. III 710; Staatsrecht 2^, 760). Die Götter muss man ehren, we;
die Kaiser ja auch Götter sind, was allerdings die Christen bestreite!
(Tertullian ad Scap. 2 : colimus .... imperatorem . . . uf hominem a dt
secundum . . . et solo deo minorem). Die Loyalität geht stark m;
der Frömmigkeit durch. Maiore formidine, sagt mit Recht Tertulli
(apol. 28), et callidiore timiditate Caesarem ohservatis quam ipsum
Olympo lovem.
15. Aehnlich Maximinus in dem tyrischen Edict c.^-.fj v/ueregä
jcohg . . . ore ndXiv fjo^ero rovg rrjg ijtaQdrov juaraiorrjrog yeyovoxag
EQTiEiv ägxso^ai, . . . ev^ecog JiQog rrjv ^juersgav evoeßeiav .... xare-
(pvyev.
16 eher ilATON alsJTATON; ergänzt nach den Vorschlägen
von Harnack und S. Reinach. Jener vergleicht aus unserer Inschrift
Z. 24: rrjg almviov xai ä(p'&dQxov ßaodeiag, weiter für den Gebrauch
von ä'&dvarog concil. Calched. p. 1537 C Colet. : 77 ^«'« >«at ad^dvaxog
xoQvcprj (vom Kaiser gesagt) und daselbst p. 828 A: öcpeikofxEv yaQ
rfj ä'&avdrq) noXei vsfxeiv ev jtäoi rä JiQayrela (ähnlich Dionys. ant. R.
1, 69 am Ende).
1 7 [xavixovg nach dem Vorschlag Gebhardts, um schon in diesem
ersten Glied auf das folgende vdaog vorzubereiten. Auch die Tyrier
erbitten vom Kaiser Yaöiv riva xai ßorj^eiav (Euseb. 9, 7, 6). 'Die
Unterscheidung,'' bemerkt Harnack, 'von ndXai — eig devQO spielt in
den Toleranz- resp. Verfolgungsedicten jener Jahre überhaupt eine
Rolle.'
18. 20 sind die Ergänzungen zum Theil nach den Vorschlägen
von Harnack und Gebhardt gestaltet.
102 19. Aehnlich werden in dem Erlass an die Tyrier c. 7 dieselben
gelobt, weil sie sich entschlossen haben juerd rov öcpedojuevov
*) [S. jedoch die oben S. 556 abgedruckte Restitution.]
Zweisprachige Inschrift aus Ärykanda. 565
ceßdojuarog xfj ■&Qr}oxeia xal räig ieQoß^Qi]oxecaig rcöv ä^avdrcov '&ecbv
TiQooievai, und c. 12 die Hoffnung ausgesprochen, dass nach Aus-
treibung der Christen die Stadt juexd rov öcpedojuEvov oeßdojuarog raig
x(7)v ä&avdzcDv '&ecbv legovQyiaig sich widmen werde. Auch in dem
Schreiben des praef. praetorio an die Statthalter (Euseb. 9, 1, 3)
wird die Fürsorge der Kaiser gepriesen dafür, dass xal oi aXXoTQia
*P(Ofxaia>v ovvt]'&eia dxoXov^Eiv doxovvxeg rag d(peiXofAivag '&Qi]oxeiag
Tolg dd^avdroig ■&eoig sjicTeXoiev.
22. 'Es handelt sich um die Zurücknahme der den Christen
gewährten Erlaubnis zu freiem Gottesdienst. Die letztere wird in
dem Toleranzedict des Galerius zweimal (Euseb. 8, 17, 9. 10) mit
cvyx(OQi]oig bezeichnet, in dem constantinischen mehrmals (das. 10, 5,
2. 3. 7. 8) mit e^ovoia. Das letztere von Gebhardt vorgeschlagene
kürzere Wort dürfte hier gestanden haben.' Harnack. — Dass die
Christen den Gegnern ständig als ä^soi gelten, ist bekannt (vgl.
meine Ausführung in Sybels histor. Zeitschrift Bd. 64 (1890) 8. 407
[Ges. Sehr. 3 S. 404]). Eusebius 9, 10, 12: jiag m ye (bei Maximinus)
fUXQcb TZQOo^ev dvooeßetg idoxovjuev xal ä^eot xal Jiavzög öXe&goi
tov ßiov.
23. 24 nach dem Vorschlag von Wilamowitz. Die Hinweisung
auf den obligatorischen Kaisercultus ist deutlich.
25. ovfi(pEQEiv nach Harnacks Vorschlag. Vgl. Maximinus bei
Eusebius 9, 10, 9 : diord^eiv rovg '^jueregovg äv&QConovg tieqI rd jigoa-
Tay/uara td rj/uhega.
XXV.
Papianisches.*)
156 Zu Corssens belehrender Untersuchung über den Verfasser des
vierten Evangeliums (in dieser Zeitschrift 2, 202 fg.) gestatte ich mir
einige Bemerkungen vorzutragen.
Der Sitz der Johannes - Controverse ist Eusebius Bericht über
den Papias, jhist. eccl. 3, 39. Derselbe setzt ein mit einem Citat
aus Irenaeus, welcher den Papias als 'Icodvvov äxovor^g bezeichnet,
ohne Zweifel dabei an den Zebedaiden denkend. Dies widerlegt
in seiner gründlichen Weise Eusebius, indem er aus der Vorrede
des Papias dessen Quellenangaben beibringt. Danach verschmäht
es Papias nach Büchern {ex rcov ßißXoyv) zu berichten und erklärt
sich auf Mitteilungen zu beschränken, welche ihm aus mündlicher
Mitteilung [nagä C(oor]g (pcovrjg) zugekommen seien. Diese zerfallen
in zwei Gruppen.
1. Äusserungen der Apostel, welche die Schüler und Nachfolger
derselben, die kleinasiatischen nQEoßvxEQoi der Epoche des Papias
(schrieb um 140 — 160) im Gedächtnis behalten und Papias aus dem
Munde ihrer Begleiter vernommen und als Collectaneen für sein
"Werk aufgezeichnet hat. Es scheint in denselben jedesmal der
Apostel namhaft gemacht zu sein, der die Äusserung gethan habe,
und, wie bei einer kleinasiatischen Arbeit begreiflich, Johannes stark
überwogen zu haben. Der Presbyter, dem der Apostel sie mitgeteilt
hat, und ebenso dessen Begleiter, dem Papias sie entnahm, werden
nicht mit Namen genannt, wohl aber dies gesamte Material den
TiQeaßvxEQoi beigelegt. Gewiss mit Kecht hat Harnack die unter !
*) [Zeitschrift f. d. neutest. Wissenschaft 3 (1902) S. 156 — 159. — Dagegen
CorsseH das. S. 242—244. Vergl. auch Schwartz über den Tod der Söhne Zebedaei,
ein Beitrag zur Geschichte des Johannesevangeliums (Abh. der Gott. Gesellsch. d.
Wiss. VII 5, 1904) S. 9 und in seiner Ausgabe von Eusebius Kirchengeschichte i
Einl. (Th. 3) S. CXIX.]
Papianisches. 567
solcher allgemeinen Bezeichnung von Irenaeus mitgeteilten Äusse-
rungen des Apostels Johannes auf diese Collectaneen und die Schrift
des Papias zurückgeführt.
2. Mündliche Mitteilungen des Aristion und des Presbyters
Johannes, von denen jene die Reden Christi erläutern, dieser unter
anderem über die Entstehung der beiden ersten Evangelien sich 157
äussert. Beide Personen sind nicht Referenten apostolischer Worte,
sondern selbständige christliche Autoritäten. Wie der zweite im
Gegensatz zu dem vorher genannten Apostel Johannes jigeoßvreQog
lieisst, so dürfte auch Aristion die gleiche Stellung eingenommen
haben, wie denn auch der Presbyter Aristion in einer armenischen
Notiz (Harnack, Chronol. S. 697) wohl mit ihm zu identificieren
sein wird.
Mit dieser Darlegung beabsichtigt Eusebius, wie gesagt, den
Nachweis zu führen, dass Papias nicht, wie Irenaeus angegeben
hatte, unmittelbar von den Aposteln abhänge (dxQoarrjv juev xal
avrömrjv ovdajuöjg eavrov yevso'&ai rwv legöjv änooxoXoiv ijLKpaivei).
Hinsichtlich der den Aposteln zugeschriebenen Äusserungen geschieht
dies in völlig befriedigender Weise. Aber wie reimt sich damit,
dass Papias bei der secundären Quelle Aristion und den Presbyter
Johannes bezeichnet als oi xov xvqiov ^ad^rjrai, nachdem er unmittel-
bar vorher gesagt hat, dass die Äusserungen von sieben namentlich
aufgeführten Aposteln ^' ng eregog rcov xov xvq'lov jua^rjxcöv auf in-
directem Weg ihm zugekommen seien? Harnacks Versuch (Chronol.
S. 660), der Bezeichnung des Herrnschülers einen doppelten Wert
beizulegen, ist sicher verfehlt; sie kommt nur den unmittelbaren
Jüngern Jesu zu und kann am wenigsten in derselben Periode in
doppeltem, ja entgegengesetztem Wert aufgefasst werden. Es kommt
hinzu, dass Eusebius weiterhin ausdrücklich sagt, dass Papias die
apostolischen Äusserungen auf indirectem Wege erhalten {IJamag
Tovg juev r(hv anooxoXoov "koyovg naQO. xcöv avxdlg TTaqrjXoXov&rjxoxcov
öfxoXoyei jiaQedtjcpevai), dagegen die des Aristion und des Presbyter
Johannes, die er häufig namentlich anführte, selber gehört habe
CAgiozicovog de xal xov ngeoßvxeQov 'Icodvvov avxtjxoov eavxov (pi]ot
yevso'&ai' övojuaoxl yovv nokXdxig avxcbv juvrjfxovevoag ev xoig avxov
avyyQa/ufxaoi, xi§r)otv avxcbv Tiagadöoeig). Dies ist schlechthin unver-
einbar mit der Bezeichnung dieser Männer als oi xov xvqiov /ua&rjxai.
Auch Corssen ist diese Unvereinbarkeit klar geworden; aber seine
Aushilfe ist mehr als unbefriedigend. „Wenn Eusebius sagt," heisst
es S. 208, „Papias behaupte Aristion und den Presbyter Johannes
selbst gehört zu haben, so meint er dies doch nicht so, als wenn
568 Papianisches.
Papias dies irgendwo ausdrücklich erkläre, sondern er schliesst ea
nur daraus, dass er diese beiden oft namentlich nennt". Einem
Schriftsteller wie Eusebius wird man es eben glauben müssen, daea
die Mitteilungen des Aristion und des Johannes Presbyter der Art
der Anführung nach von Papias selbst gehört waren. Und wenn
diese Mitteilungen mündliche waren, wie Papias ausdrücklich sagt,
158 so ist damit gegeben, dass er sie gehört hat. Es ist nicht anders;
die fraglichen Worte sind interpoliert. Der griechische Text zeigt
keine Variante; die lateinische Wiedergabe bei Hieronymus (v. ill. 18)
stimmt mit demselben überein. Rufinus giebt die fragliche Stelle
also wieder: quid Johannes auf quid Matthaeus vel alius quis
discipidis domini, quaeve Aristion vel Johannes presbyter ceteriqt
discipuli dicehant, wo offenbar die ceteri discipuU auf dieselbe Text
lesung zurückgehen. Dagegen ist es von Gewicht, dass die frag^
liehen Worte in dem uralten syrischen Text fehlen. Preuschei
(Antilegomena p. 55) hat weiter darauf aufmerksam gemacht, das
auch Nicephorus Callisti 2, 46 sie ignoriert. Indess nicht diese
Weglassungen der fraglichen Worte sind entscheidend, sondern die
absolute auch von neueren Gelehrten ^ mehrfach anerkannte Unmög-
lichkeit, dieselben mit der klaren Erörterung des Eusebius in Einklang
zu bringen, die jedem einigermassen nachdenkenden Abschreiber
oder Epitomator sich aufdrängen musste und die auch den Syrer
und den Griechen zur Weglassung bestimmt haben kann. Lässt
man diese Worte weg, so kommt der ganze Bericht in Ordnung.
1. Bei der Quellenangabe werden die beiden Glieder, das
primäre der apostolischen Äusserungen und das secundäre der nicht
auf die Apostel zurückgehenden scharf und klar geschieden. |
2. Eusebius' Auseinandersetzung über die doppelte Nennung des
Johannes bekommt durch diese Bereicherung erst Sinn und Halt.
An erster Stelle bei der Nennung der sieben Apostel, sagt er, kann
nur der Zebedaide gemeint sein; für die zweite gilt dies nicht, da
hier der Johannes naQa röv rcov änoorolcov aQi&juov steht, also an
jeden beliebigen Mann des Namens gedacht werden kann. Nie
hätte er so schreiben können, wenn diesem zweiten das Prädicat
Tov xvQiov ixad-rjxrjq beigesetzt gewesen wäre; mindestens hätte er
sich über dasselbe äussern müssen. Es dürfen daher diese Worte
auch nicht geändert, sondern sie müssen gestrichen werden.
1) Harnack schreibt mir: „Renan schlug schon im J. 1873 (l'Antichrist
p. 345) vor: ol zov xvqiov {fia§t]T(ov] (A.a'&rjraL Abbot 1895 (Expositor p. 383 fg.),
Ohne Renans Vorschlag zu kennen : ot t&v rov xvqiov [fia&rjxöiv] f^a&rjtai; Bacon
1899 (Journal of biblical literature p. 176) oi rovrcov fia&rjxai "" . " :
I
Papianisches.
569
3. Dass zwei sonst gänzlich unbekannte Persönlichkeiten, von
denen die eine Christi Reden, die andere die Entstehung der beiden
ersten Evangelien erörtert hat, hier als Christusjünger figurieren, ist
an sich widersinnig.
4. Dass Papias den Johannes gehört hat, sagen einstimmig die
beiden besten Zeugen, die wir über ihn besitzen, Irenaeus und 159
Eusebius. Der erstere bezieht dies auf den Apostel, der zweite auf
den Presbyter Johannes; dennoch stützen beide Meldungen sich
gegenseitig in der Weise, dass Irenaeus nicht in der Angabe selbst
irrt, sondern nur sie falsch bezieht.
Wenn diese Athetese das richtige trifft, so ist das wichtigste
Ergebnis der Nachweis von schweren in Eusebius Kirchengeschichte
schon in vorhieronymischer Zeit eingedrungenen Interpolationen,
oder, da für eine Fälschung hier kein rechter Anlass vorliegt, min-
destens von uralten argen Schreibfehlern in unserem Text.
XXVI.
Die römischen Bischöfe Liberius und Fehx IL*)
167 Zu den schwierigsten Fragen der Kirchengeschichte des 4. Jahrj
hunderts gehört das sogenannte Schisma der römischen BischöfJ
Liberius und Felix 11. So oft sie auch verhandelt ist, scheint eini
weitere Erörterung nicht überflüssig.
Das officielle Verzeichnis der römischen Bischöfe kennt keinj
Schismen. Gestaltet nach dem Muster der Kaiserliste, ist ununter-
brochene monarchische Succession sein Wesen und wohl auch sein
Zweck. Bei faktisch eintretender Spaltung, wie bei den Gegen-
wahlen von Damasus und Ursicinus, von Symmachus und Laurentius,
wird späterhin nur der obsiegende Konkurrent in der Liste geführt.
Das von einem Gegner des Symmachus geschriebene Papstbuch,
dessen Schluss eine Yeroneser Handschrift aufbewahrt hat, kennt
den Laurentius nur in der Erzählung und führt den Symmachus auf
als zweiundfünfzigsten römischen Bischof.
Dass Felix IL nicht Prätendent auf den römischen Bischofssitz,
sondern legitimer Bischof gewesen ist, beweist in erster Reihe seine
Aufführung im Pontificalbuch , das in dieser Hinsicht geradezu als
officielle Urkunde angesehen werden darf^. Bekanntlich erscheint,
und zwar schon in der älteren Recension, Felix darin zwiefach : ein-
mal als Coepiscopus des Liberius, der nach Liberius eintritt und vor
168 Liberius stirbt, in Folge dessen omnes anni Felicis in huius (des
Liberius) ordine dinumerantur, zweitens als Nachfolger des Liberius
mit der üblichen Sedisvakanz nach seinem Märtyrertod. Der zweite
Bericht trägt den Stempel der Fälschung an der Stirn; aber auch
nach dem anderen ist Felix ebenso rechtmässiger Bischof wie Liberius.
*) [Deutsche Zeitschr. f. Öeschichtswissenschaft N. F. I (1896/7) S. 167—179.
— Vergl. über die Liberius-Frage überhaupt jetzt Duchesne Libere et Fortunatien,
in den Melanges de l'Ecole fran9aise de Rome 28, 1908 S. 31 fF.]
1) Dass die Bilderreihe auf der Südseite von St. Paul den Felix an seiner ;
Stelle aufführt, kommt allerdings nicht weiter in Betracht, da sie dem Papst-
buch entnommen ist.
Die römischen Bischöfe Liberius und Felix II. 57 t
Mit dem ersteren Bericht stimmt vollständig das alte Bischofs-
verzeichnis überein, das zu den Quellen des Pontificalbuches gehört
und nachweislich bis in die ersten Decennien des 6. Jahrhunderts
zurückreicht, wahrscheinlich beträchtlich älter ist, vielleicht schon
für das 4. Jahrhundert auf gleichzeitiger Fortführung beruht. In
allen uns erhaltenen Exemplaren erscheint Felix nach Liberius^,
aber in allen irgend in Betracht kommenden ohne Zeitangabe ; womit
offenbar dasselbe ausgedrückt werden soll, was in den oben ange-
führten Worten das Pontificalbuch aussagt: er galt dem Schreiber
als Kollege des Liberius, nicht als Nachfolger, und das Spatium bei
ihm hätte die Folgerechnung nur vervdrrt.
Dieselbe Auffassung tritt weiter hervor in der im Jahre 518
abgefassten Chronik Marcellins. Anschliessend an Hieronymus, der
den letzten von ihm genannten römischen Bischof, Damasus als den
35. bezeichnet, sagt er von diesem: Damasus Boniatiae ecclesiae
exceptis Liberio et Feiice fricesimus quintus episcopus anno ponti-
ficatus sui octavo decimo in domino requievit. Die Worte exceptis
Liberio et Feiice sind nicht korrekt, da Liberius unmöglich von der
Zählung ausgeschlossen werden kann, lassen aber doch deutlich
erkennen, dass nach Marcellinus der von Hieronymus bei Liberius
genannte Felix mit gleichem Recht wie Liberius in dieselbe ein-
gezogen werden kann. Ihm oder seinem Gewährsmann lag offenbar
diejenige Auffassung vor, die das Pontificalbuch vorträgt und welche
die Ausschliessung des Felix aus der Reihe der Spatien, aber nicht
der Namen motiviert.
Wenn an der Einreihung Felix II. unter die späterhin als legitim
betrachteten römischen Bischöfe meines Erachtens nicht gezweifelt
werden kann, so ist damit freilich noch nicht erwiesen, dass ihm
diese Stellung auch in Wirklichkeit zukam. Sehr wahrscheinlich
hat es einen älteren, von dem Bischof verschiedenen, als Märtyrer 169
verehrten Felix gegeben und ist dieser späterhin mit dem Bischof
oonftmdiert worden. Dass diese Confusion früh genug stattgefunden
hat, um in die Papstliste des 4. Jahrhunderts einen falschen
Namen einzuschwärzen, einen Prätendenten zum legitimen Bischof
umzuwandeln, ist recht unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Die
Prüfung der über Felix II. vorliegenden Berichte wird zeigen , dass
er unter den römischen Bischöfen zu Recht aufgeführt wird.
Der dogmatische Streit über die Göttlichkeit oder die blosse
öottähnlichkeit Christi war unter Constantin I. auf dem Concil von
1) Dasjenige der Handschrift von Laon (Duchesne n. 5) gehört zu dieser
Reihe nicht, sondern scheint griechischen Ursprungs.
572 I^iß römischen Bischöfe Liberius und Felix II.
Mcäa zu Gunsten der ersteren Auffassung entschieden worden. Unter
seinen Söhnen entbrannte der Streit aufs neue und nahm insofern
einen politischen Charakter an, als die über das Heidentum sieg-
reiche Kirche damals dazu vorschritt, der Staatsgewalt selbstherrlich
gegenüber zu treten, und mit Athanasius von Alexandrien der erste
Streiter für das Erdenreich der Diener Gottes auf den Kampfplatz
trat. Constantius konnte nicht vergessen, dass die Kriegsdrohungen
des Bruders ihn gezwungen hatten, den abgesetzten Prälaten zurück-
zurufen. Als er einige Jahre später durch unerhörte Waffenerfolgi
das gesamrate Reich in seine Gewalt gebracht hatte, trat das alte|
Zerwürfnis wieder hervor in der Form, dass der Kaiser ein von de:
nicänischen abweichendes Glaubensbekenntnis aufstellte und dessen
Anerkennung von den Bischöfen des Reiches forderte, was die Ab-
setzung der an der nicänischen Formel festhaltenden in sich schlosi
und insofern gegen Athanasius gerichtet war. Dieser Akt, der füi
den Occident auf dem Concil von Mailand im Jahre 355 vollzogen!
ward, fand allgemeine Missbilligung \ wie denn die Umgestaltung f
der officiellen Orthodoxie durch die Regierung nicht anders aufge-
nommen werden konnte, Widerstand aber bei den Bischöfen selbst
nur ausnahmsweise. Unter den wenigen, die die Annahme der
neuen Formel und das Abbrechen der Gemeinschaft mit Athanasius
verweigerten, befand sich der Bischof Liberius von Rom. Yergeblich
170 entsandte der Kaiser einen Vertrauten an ihn, um ihn umzustimmen;
schroff abgewiesen und erzürnt kehrte derselbe nach Mailand zurück.
Es folgte die Vorladung vor das kaiserliche Gericht. Liberius leistete
ihr Folge; dass die Verbannung seiner warte, verstand sich von selbst
und somit auch, dass die römische Gemeinde demnächst veranlasst
werden würde, einen andern Bischof zu wählen. Im Hinblick darauf
schwuren sämtliche Geistliche Roms vor versammelter Gemeinde bei
Lebzeiten des Liberius keinen anderen Bischof anerkennen zu wollen
als diesen Gottesmann ^.
1) Der unparteiische Animian 15, 7, 10 bezeugt es, dass in diesen Händeln
die öffentliche Meinung entschieden dem Kaiser entgegen war: die Bevölkerung
der Hauptstadt, sagt er, nahm leidenschaftlich Partei für Liberius {dus arnore
flagrabat); und das bestätigt die weitere Entwicklung durchaus.
2) Der wohl noch dem 4. Jahrhundert angehörige Verfasser der Einleitung
zu der Eingabe der Presbyter Marcellinus und Faustinus sagt c. 2: eo die, quo
Liberius ad exilium proficiscebatur (vermutlich nicht an dem Tage, an welchem
er Mailand verliess, sondern an dem, an welchem er von Rom weggebracht
wurde — cum magna difficulfate noctis medio, sagt Ammian), clerus omnis, id est
presbyteri et archidiaconus Felix et ipse Damasus diacomis et cuncta ecclesiae
offida omnes pariter praesente populo Romano sub iu/reiurando firmarunt, se vivente
Die römischen Bischöfe Liberius und Felix II. 573
Die vorhergesehenen Folgen traten ein. Liberius blieb fest und
wurde als Häretiker vom Kaiser in der Stadt Beroe in Thrakien
interniert. Seitdem das Christentum im römischen Reich anerkannt
worden war, ist die Orthodoxie ein staatlicher Begriff: „was ich
■will, ist kanonisch", hatte Constantius in Mailand den Opponenten
erwidert, und er hatte nicht bloss die Macht, sondern auch das
Recht dies zu sagen. Geradezu absetzen konnte der Kaiser den
häretischen Bischof allerdings nicht, und auch die römische Gemeinde
war dazu nicht befugt, um so weniger, als sie in Voraussicht dieser
Complication sich eidlich anheischig gemacht hatte, dem Liberius,
so lange er lebe, Treue zu halten. Aber der Klerus erfüllte nicht,
was er seinem Oberhaupt zugesagt hatte; die Wahl eines andern
Bischofs wurde trotz jenes Schwurs von den Agenten des Kaisers
durchgedrückt. Da gegen diese Neuwahl keine anderen rechtlichen
Bedenken geltend gemacht, sondern die Gegner des römischen Klerus
nur des Eidbruchs wegen getadelt werden ^, so muss diese in regu-
lärer Weise vollzogen worden sein. Sie fiel auf den angesehensten
der Diakonen, Felix 2. Auch für die Weihung, welche mit Rücksicht 171
auf die Stimmung der Menge nicht in einer Kirche, sondern im
kaiserlichen Palast vor wenigen Anwesenden vollzogen ward, fanden
•sich die erforderlichen drei Bischöfe'.
Aber zur Ruhe kamen die Zustände in Rom nicht. Die Ge-
meinde hielt von dem neu gewählten Vorsteher sich zurück und als
der Kaiser am 28. April 357 in Rom erschien, bat eine Abordnung
von vornehmen Damen um die Rücksendung des geliebten Bischofs*.
Auch aus der Menge empfing den Kaiser der Ruf um Wiederein-
setzung des Liberius. Der Kaiser schlug die Bitte nicht gerade ab;
Liberius, antwortete er, werde gebessert zurückkommen'^. Er hatte
Liberio pontificetnalterum nullatenus habituros. Ebenso der Zeitgenosse Hieronjrmus
<;hr. Abr. 2366 : clerici iuraverunt, ut nulluni alium acciperent.
1) Angeführte Einleitung 2: clerus . . . cum summo periurii scdere Felicem
ardiidiaconum ordinatum in loco Liberii episcopum susceperunt.
2) Diaconus heisst er bei Rufinus 10, 23, archidiaconus (diese Bezeichnung
liegegnet hier zuerst) bei dem Verfasser jener Einleitung; im Papstbuch irrig
/yresbyter.
3) Athanasius hist. Arianorum ad monachos c. 75: ^vdyxaas rgsTg xaxo^i^eis
y.araoxonovg (ou ya.Q av xig sjitaxonovg scjiot) xajaozfjaai dfj{^ev smaxonov iv r&>
lalatUo ^rjXixd riva ä^iov savrwv. Hieronymus v. ill. 98: Acacitis . . . Caesariensis
cclesiae in Palaestina episcopus . . . in tantum . . . sub Canstantio imperatore
laruit, ut in Liberii locum Romae Felicem episcopum constitueret.
4) Theodoret h. e. 2, 17.
5) Einleitung zum libellus preaim: annuens ait: habetis (wohl habdntis)
Uberium, qui qualis a vobis profectus est mdior revertetur. Aehnlich Sozomenos
574 Die römischen Bischöfe Liberius und Felix IL
die Verhandlungen im Sinne, welche mit dem Verbannten fortgeführt
wurden. Aber den Bischof Felix liess er darum nicht fallen; ein
kaiserlicher Erlass aus Mailand vom 6, December 357 ist an ihn
und an ihn allein gerichtet ^
Die Verhandlungen führten zum Ziel. Liberius fügte sich; wie
172 weit und in welcher Form, ist hier nicht zu untersuchen 2. In Folge
dessen wurde ihm nach dreijähriger Verbannung die Rückkehr nach
Rom und der Wiedereintritt in sein Amt mit der Massgabe gestattet,
dass er Felix als gleichberechtigten Kollegen anzuerkennen habe^
Dadurch ward die Sachlage eine andere. Felix war nicänisch
und anti-arianisch gesinnt wie der ganze übrige römische Klerus;
es ist dies ebenso selbstverständlich wie bestimmt bezeugt*. Es ist
sogar glaublich, wenn auch nur durch geringe Autorität beglaubigt,
dass er nach der Verbannung des Liberius auf einer römischen
Synode entschlossen für die bisherige Orthodoxie eintrat^; wodurch
4, 11. Nach Theodoret a. a. 0. antwortete der Kaiser den Damen zunächst, dass
Felix dem Amt genüge; als ihm erwidert wird, dass die Gemeinde zu diesem
nicht gehe, meint er, dass beide gemeinschaftlich fungieren könnten.
1) Cod. Theod. 16, 2, 14: Felici episcopo. Es kann nicht wohl ein anderer
gemeint sein.
2) Dass Liberius in den Verhandlungen mit Constantius von der nicänischeu
Orthodoxie abfiel, steht durch die Zeugnisse der Zeitgenossen, auch der ihm
geneigten, des Athanasius und des Hieronymus unbedingt fest; wie weit seine
haeretica pravitas (Hieronymus) gegangen sei, ist hier nicht zu untersuchen. Die
Schrift von C. de Feis (storia di Liberio papa, Rom 1894) hat zunächst dei
Zweck, den Liberius von dem Vorwurf der Heterodoxie rein zu waschen.
3) Ausdrücklich sagen dies Theodoret a. a. 0. und Sozomenos h. eccl. 4, 15 I
die übrigen Berichte schweigen, ohne zu widersprechen. Es wird dies Ergebni.'l
auch durch die Sachlage fast notwendig gefordert. Nach Philostorgios 4, 3 wiri
Liberius wieder eingesetzt: ^^h^ ö sv rä» //.sta^v xqövco xfjg 'PÖ}(ji.i]i; stiioxotto
xaraoxag elg eavTov otii^si, tö fisv d^icofj,a xfjg eniaxojcfji; cpsQOOv, ov firjv ys tivo
sxxXriaiag ngoiardfievog.
4) Theodoret h. e. 2, 17: xal yuQ exsy^EiQoxövrjxo fiexä xov fieyav Aißsgcov rw
diaxövcov xig räiv exeIvov , ^fjXi^ rjv ovojxa xovzco, og xtjv fihv ixxiß^sTaav sv Nixaü
moxiv aavXov discpvXaxxs. Sozomenos 4, 11: ov (den Felix) ofiocpQova cpaol öiafisTvo
xaxa xtjv niaxiv xoXg iv Nixaiq övvsXrjXv&öaiv xai navxeXwg d'Qrjoxeiag evsxa dvs)
xXfjxov. Rufinus 10, 28 und nach ihm Sokrates h. eccl. 2, 37 machen zwar de
Felix zum Arianer, setzen aber hinzu, jener: (Felix) non tarn sectae diversita
quam communionis et ordinationis coniventia maculatur ; dieser: etal de oi Xeyovn
oxc ov nQoae&sxo jusv xfj 'AQeiavfj 86^7], ßia 8s xai dvayxrj xsxstQOXOvrjxo.
5) Papstbuch [I p. 77 ed. M.] : fedt concilium Felix et invenit duos pr*
teros consentientes Constantio Augusto Ariano nomine Ursacium et Valentem et ereg
(= damnavit) eos in concilio XL VIII episcoporum. Die führenden Hofbischö:
sind hier durch die Unwissenheit des Schreibers zu Presbytern geworden. D
durch soll der Kaiser zur Rückberufung des Liberius bestimmt worden sein.
Die römischen Bischöfe Liberius und Felix II. 575
freilich nicht ausgeschlossen wird, dass er die religiöse Gemeinschaft
mit den Anhängern der Hofbischöfe nicht abbrach und dass die
eigentlichen Intransigenten ihn darum mieden ^. Nun aber war
Liberius in dieser Nachgiebigkeit sehr viel weiter gegangen als Felix.
Jeder der beiden Bischöfe war vom orthodoxen Standpunkt aus mit 173
einer Makel behaftet: Felix hatte die Würde erlangt unter Ver-
letzung des von ihm selbst mit geleisteten Eides durch ihn wie durch
«eine Wähler und der Regierung gegenüber sich nachgiebig ver-
halten, Liberius die nicänische Formel mehr oder minder aufgegeben.
— Die Legitimitätsfrage kam hinzu. Nach der officiellen Anordnung
stand die römische Christengemeinde unter einem Doppelregiment,
das dem monarchischen Wesen des Episkopats zuwider lief; als der
kaiserliche Erlass im Circus verlesen ward, antwortete ihm der Ruf
der Menge: ein Gott, ein Kaiser, ein Bischof^! Aber wer von den
beiden war der rechte Bischof? Felix war durch einen Wahlakt
in sein Amt eingesetzt worden, der kanonisch anfechtbar, aber von
der Regierung veranlasst und von dem römischen Klerus in üblicher
Form vollzogen worden war; wenn dieser Akt als rechtbeständig
.angesehen ward, so hatte Liberius damit sein Amt verloren und
beruhte sein Wiedereintritt in dasselbe lediglich auf dem kaiserlichen
Machtwort. Zunächst scheint dies thatsächlich durchgedrungen zu sein;
aber es führte notwendigerweise zum Schisma. Die Gemeinde muss
sich gespalten haben. Die strengere Partei hat sich wahrscheinlich
ÄU Felix angeschlossen, dessen Eifer für die alte Orthodoxie der
aufgedrungene heterodoxe Kollege nicht gemindert haben wird. Dass
die Regierung auf Seite des Liberius stand, folgt daraus von selbst,
dass dieser in dem konfessionellen Streit ihr zu Willen gewesen und
daraufhin von ihr in sein Amt eingesetzt worden war. Dies wird
.-entschieden haben. Nachdem es zwischen den beiden Kollegen —
den nächsten Anlass erfahren wir nicht — zum offenen Bruch ge-
kommen war, wurde Felix vom Senat, das heisst von den Behörden,
aus der Stadt ausgewiesen^. Daraus entwickelte sich ein Aufstand:
1) Theodoret fährt nach den S, 574 A. 4 angeführten Worten fort: xoXg de yt
hiacp^tiQovoi xamtjv (die nicänische Orthodoxie) adswi; ixoivcövsi und fügt hinzu,
dass darum niemand zu ihm in die Kirche gegangen sei. Ebenso Sozomenos
a. a. 0. : rovri dk ftövov iyxaXsTod'ai, Sri ys tiqo xEtQoroviag xai xocvcovias hsQodo^cov
€n>dQcov rjvsaxsto. Dies ist die communionis coniventia bei Rufinus (S. 574 A. 4).
2) Theodoret a. a. 0.
3) Nach der Einleitung zum libdlus precum wird Felix exiliert a senatu
vel populo. Hieronymus in der Chronik: plurimi peieraverunt et post annum
(ungenau) cum Feiice eiecti sunt. Auch das Papstbuch sagt: (Constcmtim) eregü
576 Die römischen Bischöfe Liberias und Felix II.
die Anhänger des Felix versuchen, ihn mit Gewalt wieder in sein
Amt einzusetzen, unterliegen aber schliesslich, und Felix wird aber-
174 mals entfernt. Die Märtyrerakten des Presbyters Eusebius^ und das
Papstbuch knüpfen hieran eine schlimme Christenverfolgung; die
Einzelheiten sind alle fraglich und zum Teil sicher irrig, aber die
Grundlage dieser wenig beglaubigten Berichte ist geschichtlich.
Wie bei den weiteren Vorgängen sich der römische Klerus
verhalten hat, erfahren wir nicht. Die grosse Versammlung der
occidentalischen Bischöfe in Ariminum im Jahre 359 entschied sich
für die nicänische Orthodoxie. Ihre Abgesandten aber liessen durch die
persönliche Einwirkung des Kaisers sich umstimmen; die Arianer ge-
wannen die Oberhand und nutzten ihren Sieg in schroffster Weise aus.
Liberius, welcher damals allein als Bischof in Rom fungierte, hat
sich allem Anschein nach aktiv an diesen Vorgängen nicht beteiligt;
er wird weder unter den Vertretern der nicänischen Orthodoxie
genannt, noch unter den Verfechtern des kaiserlichen Bekenntnisses.
Der Nachfolger des Liberius sagt nur, dass weder der römische
Bischof, auf dessen Ansicht es doch vor allem angekommen sei, noch
Vincentius von Capua noch andere occidentalische Bischöfe den aus
den ariminensischen Verhandlungen hervorgegangenen Abänderungen
des nicänischen Glaubensbekenntnisses zugestimmt hätten^. Dies
konnte gesagt werden, auch wenn Liberius dem'Concil fern geblieben
war und dem Kaiser, nicht ausdrücklich Opposition gemacht hatte.
Allem Anschein nach hat er es verstanden, ohne geradezu mit den
Nicänern zu brechen, sich einer abermaligen Verbannung zu ent-
ziehen, zumal da Constantius bald darauf (3. November 361) starb.
Mit Constantius Tode war der Sturz der kaiserlichen Orthodoxie
von selber gegeben. Als unter Julian zunächst der Glaube frei-
gegeben ward und die aus religiösen Gründen verbannten Bischöfe
zurückkehrten, hat dies auf Fehx sich nicht erstreckt, vielleicht weil L
er als Unruhestifter aus der Stadt gewiesen war; er ist in der
Felicem de episcopatu, qui erat catholicus. Die Verbannung ist wohl so zu ver-
stehen wie in den ähnlichen bei Sulpicius Severus hist. eccl. [gemeint sind
wohl die chronica] 2, 47 und const. Sinn, 2 = C. Th. 16, 2, 35 erwähnten Fällen,
Ausweisung aus Rom und dem Umkreis bis zum 100. Meilenstein.
1) Bei Baluze misc. 2 (1679) p. 141. Die Erzählung lautet im ganzen recht
glaublich. Felix, der episcopus catholicus, durch Liberius vertrieben, in praedioh
sno orationibus vaeat. Wenn indes Constantius bei diesem Prozess redend ein-
geführt wird, so geht das nicht an, da er nach 355 nicht nach Rom zurück-
gekommen ist. Ebenso irrt das Papstbuch.
2) Damasus bei Theodoret h. e. 2, 22. A
J'
k
Die römischen Bischöfe Liberias und Felix II. 577
"Verbannung am 22. November 365 gestorben ^ Liberius ist faktisch
im Alleinbesitz des bischöflichen Stuhles geblieben. Zweifellos hat 175
er die ihm aufgedrungene Heterodoxie mit dem Wegfall des Zwangs
sofort fallen lassen und fortan, da es keine Gefahr mehr hatte und
die öffentliche Meinung entschieden für die alte Orthodoxie war, sich
als Nicäner bekannt 2. Zu den intransigenten Eiferern hat er nicht
gehört, vielmehr versucht, die bestehenden Gegensätze zu be-
schwichtigen, insbesondere versucht, nach Felix Tode die diesem
treu gebliebenen Kleriker durch Rückgabe ihrer Pfründen zu ge-
winnen^. Aber der Gegensatz der strengen Orthodoxen, der Luci-
ferianer, wie sie jetzt genannt werden, zu den lauen führte bei
seinem Tode zu einem wirklichen Schisma : jene wählten den Ursi-
cinus zum Nachfolger, diese den Damasus*, und die letztere Partei,
die wohl die Regierung für sich haben mochte, hat schliesslich die
Oberhand behalten. Dem Liberius aber ist in Anbetracht der
Orthodoxie seiner letzten Jahre der Abfall vom rechten Glauben
nicht bloss verziehen und überschwiegen worden, sondern der fromme
Geschichtsverbesserer Rufinus^ hat seinen Widerstand gegen den
Kaiser und seine Verbannung nach Thrakien aus dem Jahre 355 in 176
die Zeit nach dem ariminensischen Concil versetzt, wo sie zwar
nicht stattgefunden hatten, aber hätten stattfinden sollen. Dazu
1) Einleitung zum libeUus precum 3.
2) Sokrates h. e. 4, 12.
3) Einleitung zum libellus precum c. 4: Liberitis misericordiam fecit in dericos
qui peieraverant eosque locis propriis suscepit.
4) Die nicänischen Intransigenten, die Lueiferianer, sind eigentlich keine
Häretiker, sondern nur durch die schroife Ablehnung jeder religiösen Gemein-
schaft mit den vom Arianismus berührten Personen faktisch zur Sekte geworden.
Anhänger dieser Partei sind die Verfasser des libellus precum Marcellinus und
Faustinus, und die vorgesetzte Einleitung ist zwar wohl nicht von diesen ge-
schrieben, gehört aber durchaus dazu. Dass sie zu Felix hielten, ist wahrschein-
lich, sicher aber, dass sie Gegner des Liberius und vor allem des Damasns
waren. Der letztere ist der Hauptvertreter der lauen Orthodoxie, und wie gegen
diese selbst die Schrift sich richtet, so die Einleitung gegen deren führenden
Bischof. Jene Verfasser, die zwar in Constantinopel, aber lateinisch schrieben,
gehören, wie die Einleitung sagt, zu den infolge der Wahl des Damasus und
der dadurch hervorgerufenen Unruhen ausgewiesenen Geistlichen (exinde pres-
bjfteri diversis modis afflidi per exilia et peregrina loca dispcrsi sunt). Warum
Günther (Avellana-Studien 1, 8) diesem Zeugnis des offenbar der Zeit nicht fem
stehenden Verfassers der Einleitung und dem bestätigenden des Gennadins (c. 16)
den Glauben versagt, sehe ich nicht ein.
5) A. a. 0. Ihm folgt Sokrates a. a. 0.; diesen Irrtum seines Vorgängers
hat er nicht berichtigt. Rufinus Bemerkung, dass er über diese Dinge wenig
unterrichtet sei (10, 28) zeigt vielleicht, dass er recht gut wusste, was er that.
MOMMSEN, SCHB. VI. 37
578 ^^^ römischen Bischöfe Liberius uud Felix II.
passt es denn, dass der Bischof Liberius als Verfechter des reinen
Glaubens in ehrendem Andenken geblieben ist und an seinem Todes-
tag die Kirche sein Gedächtnis feiert ^
Diese Ausführung kann nicht abgeschlossen werden ohne Be-
rücksichtigung der von G. B. de Rossi aus einer Petersburger Hand-
schrift ans Licht gezogenen, infolge des verstümmelten Anhangs
anonymen Papstgrabschrift, welche Rossi dem Papst Liberius bei-
gelegt hat 2. Die in den vielen und schlechten T^ersen enthaltenen
thatsächlichen Momente, aus denen die Zugehörigkeit zu entnehmen
ist, sind die folgenden:
L Der Verstorbene hat die Laufbahn des Klerikers durchmessen,
vom Kindesalter an der Kirche gedient als Lector und sodann als
Diakon (5 — 21), schliesslich als Bischof {summus sacerdos: 25;
papa: 26).
2. Der Verstorbene hat auf einer Synode das nicänische Be-
kenntnis vertreten (30. 31: in synodo cunctis superatis victor insignis
sacrilegis Nicaena fides electa triumphaf), mit beharrlicher Festigkeit
(36 : mentis consfantia ßrnia) als einzelner gegen die vielen kämpfend
für den katholischen Glauben (32. 33: contra quam plures certamen
sumpseris unus, catholica praecincte fide possederis [?J omnes).
3. Der Verstorbene, geschlagen und gehetzt und ausgetrieben
(37 : discerpfus tracfusque profugatusque) und von vielen Leiden
heimgesucht (41: en tibi discriinen vehemens non sufficit unum)^, hat
schliesslich in der Verbannung sein Leben beschlossen (42: insuper
exilio decedis). Wegen dieser für den Glauben erduldeten Leiden
heisst er confessor (2) und martyr (42).
177 Wer ist gemeint?
Dass der Bischof ein römischer gewesen sei, wird nicht aus-
drücklich gesagt, aber kann nach der Umgebung, in der die Grab-
schrift auftritt, nicht füglich bezweifelt werden. Die vorconstantini-
schen Bischöfe schliesst die fides Nicaena aus. Von den nach-
constantinischen sind drei ins Exil gegangen : Liberius, Felix IL und'
1) Die kirchliche Feier seines Todestages zeigt das Martyrol. Hieron. Villi
k. Sept. : depositio Liberii episcopi oder nach anderen Handschriften sancti UberU
episcopi. Dieselbe Angabe wiederholt sich XVI k. lun. = 17. Mai, welches, wie
Duchesne pref. I p. CCL mit Wahrscheinlichkeit vermutet, wohl der Ordinations-
tag des Bischofs ist.
2) Bullettino di arch. crist. 1883, p. 5-52; inscr. vol. 2, p. 83 n. 26 = p.85
n. 31 a [jetzt auch Bücheier carm. epigr. n. 787] ; Duchesne (I p. 209 [und neuer-
dings Melanges de Vecole Fr. de Borne 28, 1908 S. 74]) und C. de Feis (S. 40)
haben ihm zugestimmt.
3) üeber liefert ist annum; annus unmöglich.
Die römischen Bischöfe Liberias und Felix II. 570
Martin I. (649 — 653); einem von diesen dreien muss die Grabschrift
gesetzt sein^.
Liberius ist wohl in die Verbannung geschickt worden, aber
nicht im Exil gestorben. Rossis Versuch, ihm dennoch die Grabschrift
beizulegen, hat deshalb Friedrich ^ mit Recht als schlechthin unmög-
lich bezeichnet.
Martin I. ist von Funk ^ in Vorschlag gebracht worden. Aber
schon Rossi hat in befriedigender Weise entwickelt, dass die Vor-
geschichte des Todten und die Sprache der Inschrift auf das 7. Jahr-
hundert nicht passen und dass die Nicaena ßdes ebenfalls nicht auf
die monotheletischen Händel dieser Epoche, sondern auf die Glaubens-
fitreitigkeiten des 4. Jahrhunderts hinweist. Auch könnte, da Martin
in Cherson starb, ein Hinweis auf den Tod fern von Rom in einer
ihm gesetzten Grabschrift nicht wohl fehlen.
Es bleibt Felix H. Prüfen wir, inwiefern die bezeichneten
Momente auf ihn passen.
1, Felix ist vom römischen Diakon zum römischen Bischof auf-
gestiegen; die klerikale Laufbahn ist bezeugt.
2. Das Bild, welches man sich von Felix zu machen pflegt,
passt allerdings ganz und gar nicht zu dem Epitaphium. „Dass
Felix," sagt Döllinger*, „kein rechtmässiger römischer Bischof ge-
^wesen, sondern ein Werkzeug der Arianer und 'ein von dem Volk
^zurückgestossener Eindringling, haben alle besseren Kirchenhistoriker
„erkannt". Aehnlich Duchesne^: De Felix, le populaire ne pouvait
avoir conserve qu^un mauvais souvenir; tons les partis intransigeants
. . . Vavaient unanimement en horreur ... Le populaire orthodoxe, 178
rdllie autour de Damase, avait gar de son enthousiasme pour Libere
et reprouve energiquement Vattitude de Felix. Auch Rossi ^ betrachtet,
wenngleich vorsichtiger, den Felix als Creatur des Constantius und
wenigstens nicht offenen Gegner der Arianer, der unmöglich das
habe ausführen können, was das Epitaphium aussagt. — Wie wenig
diese Aufstellungen begründet sind, haben wir gesehen. Dass Felix
als legitimer römischer Bischof betrachtet und stets in der officiellen
Liste geführt worden ist, steht fest. Creatur des Constantius war er
freilich und so lange Liberius fest blieb, seiner Gemeinde durchaus
1) Vigilius ist wohl fern von Rom, aber nicht in der Verbannung gestorben.
Auch sonst passen die Thatsachen auf ihn in keiner Weise.
2) Zu Döllingers Papstfabeln, 2. Ausg., S. 126.
3) Historisches Jahrbuch 5 (München 1884) S. 424—36 [s, jetzt auch seine
Kirchengesch. Abhandlungen 1, 1897 S. 415 ff.].
4) A. a. 0. S. 145. 5) I p. CXXIII. 6) A. a. 0. S. 34.
37*
580 I^ic römischen Bischöfe Liberius und Felix II.
nicht genehm; aber darum war er keineswegs Arianer, Bei der
Parteistellung des römischen Klerus konnte die Neuwahl nach Liberius
Verbannung gar auf einen solchen nicht fallen ; so nahe die Umstände
es legten, ihn zum Gesinnungsgenossen der Hof bischöfe zu machen^
sagen doch die Zeugen entweder das Gegenteil oder äussern sich,
wo die Rücksicht auf Liberius dies verbietet, wenigstens schwankend.
Die von Felix' Anhängern herrührenden Darstellungen, die Akten
des Presbyters Eusebius und das Pontificalbuch , sind freilich legen-
darisch gefärbt, aber es ist doch von Gewicht, dass sie ihn als ent-
schiedenen Gegner der Arianer behandeln, und vielleicht von noch
grösserem Gewicht, dass auch von den Gegnern weder seine Recht-
gläubigkeit noch sein Charakter bemängelt werden. Denn die
Aeusserung des Athanasius, dass Felix nicht besser gewesen sei al»
seine Ordinatoren, will nicht viel bedeuten. Wenn das Epitaphium
von einer Synode spricht, auf der der fragliche Bischof die nicänische
Orthodoxie vertreten habe, so kann nicht bestritten werden, dass
während Liberius' Verbannung der römische Klerus, wenn er auch
in der Bischofswahl sich gefügt hatte, recht wohl einen solchen Be-
schluss hat fassen können; und auch wenn kein anderes Zeugnis
darüber vorläge, würde dies nicht berechtigen, die Grabschrift dem
Felix abzusprechen. Ein solches Zeugnis liegt aber, wie wir sahen^
vor in dem Papstbuch. Gewiss macht dies keinen vollgültigen Be-
weis; aber unleugbar hat dessen Verfasser im Leben des Liberius
eine gute historische Quelle, nach meiner Ansicht die italische
Chronik,*) benutzt und wie vieles auch im einzelnen entstellt und
verdorben ist, der ganze Bericht ist keineswegs Erfindung.
179 3. Der Tod des Felix im Exil, in praediolo suo, wie die Akten
des Eusebius und das Papstbuch sagen, stimmt mit der Grabschrift
überein. Auch die vorher erduldeten Leiden passen dazu, wenn
wir auch von den Umständen, die seiner doppelten Ausweisung
aus der Stadt vorangingen, nicht genug erfahren, um sie im
einzelnen belegen zu können. Vielleicht sind die Worte 23 fg.:^
dignus qui . . . inlihatus iure perennis . . . immaculatus papa sederes
geradezu darauf zu beziehen, dass ihm die bischöfliche Gewalt nicht
dauernd verblieb. Wie er späterhin zu der Gemeinde gestanden
und wie sein Andenken sich gestaltet hat, bleibt fraglich. Der
Enthusiasmus für Liberius müsste sehr sonderbarer Art gewesen sein,,
wenn er nach dessen Abfall von der Orthodoxie unvermindert fort*
bestanden hätte; und die Auflehnung des Felix giebt dazu den
') [Vgl. oben S. 518.]
Die römischen Bischöfe Liberius und Felix II. 581
Commentar. Es mag sein, dass die Intransigenten vom reinen Wasser
von beiden nichts wissen wollten; aber dass Felix seinen Anhang
behielt, zeigt der Versuch desselben, ihn in gewaltsamer Weise zu-
rückzuführen, und nicht minder das Bestreben des Liberius, nach
Pelix' Tode sich mit dessen Anhängern zu verständigen. Sein Todes-
tag ist begreiflicherweise nicht kirchlich gefeiert worden^; aber
seinen Anhängern musste er als confessor und martyr gelten, und
aus diesem Kreise ist die Grabschrift hervorgegangen. Aus der
Bischofsliste hat ihn auch weder der Gegner noch dessen Nachfolger
gestrichen.
1) Unter den verschiedenen Daten, welche das Pontificalbuch als Todes-
oder Begräbnistage Felix' II. nennt, befindet der wirkliche Todestag (22. Nov.)
sich nicht. Diese Tage, sowie die Erzählung von der Hinrichtung des Felix,
die das Pontificalbuch neben der mehr historischen gibt, gehören, wie schon
gesagt ward, einem gleichnamigen Märtyrer, mit dem der Bischof späterhin
mmengeworfen wurde.
I
XXVII.
Die Synode von Turin.*)
187 ,r, iBei Untersuchung der Handschriften der Notitia Galliarum hat
sich ergeben, dass die Metropole der Lugdunensis tertia, das heutige
Totirs, in allen massgebenden Handschriften bezeichnet ist als civitas
Torinorum. So lesen die alte Handschrift Sirmonds aus dem 6. Jahrh.
(Paris. 12097) und die vortreffliche Veroneser 58 aus dem 8., unge-
fähr ebenso die der Sirmondschen gleichzeitige Kölner 212 (toreno-
rum), die Berliner Phillipps 1745 aus dem 7. Jahrh. (corinorum),
die den verlorenen Spirensis aus dem 9. vertretenden Abschriften
(tyrenorum). Dazu kommt weiter theils die Schreibung Turinorum
bei Ammian 15, 11, 12, welcher hier ein unserer Notitia Galliarum
ähnliches, aber etwas älteres Verzeichnis ausgeschrieben hat, theils
in Prospers Chronik unter dem J. 381 die Stelle Martinus episcopus
Turinorum Galliae civitatis, wo diese in den Ausgaben beseitigte
Form ebenfalls in allen massgebenden Handschriften sich findet.
Dass die correcte Schreibung Turoni oder Turones ist, bedarf
der Belege nicht; es zeugen dafür sowohl Inschriften (Boissieu inscr.
de Lyon p. 267 [= C. I. L. XIII, 1703; ausserdem C. XIII, 3076])
wie auch die Handschriften einerseits von Caesar, Plinius, Tacitus,
andererseits von Gregor und von Paulus, wie denn auch sowohl in
der Notitia wie bei Prosper die geringeren Handschriften die ge-
läufige Form zurückgeführt haben.**) Aber jene drei Zeugnisse
aus dem Ende des 4. oder dem Anfang des 5. Jahrh. stellen nichts
desto weniger fest, dass damals auch Turini gesagt ward; und das
erklärt sich. 'Für älteres Türoni\ schreibt mir auf meine Anfrage
mein Freund Tobler, 'zeugt der Name der Provinz, der altfranzösisch
*) [Neues Archiv d. Ges. f. ältere deutsche Geschichtskunde 17 (1892)
S. 187—188.]
**) [Die verschiedenen Namensformen sind zusammengestellt C. I. L.
XIII 1 p. 475.]
Die Synode von Turin. 5g3
Toroignc (im Reim zu besoigne) oder Toroine, auch Turiiine (im
Keim zu patrerauine, Ga8cüine) lautet, somit nur aus Turonia ent-
standen sein kann, wo das 6 als betontes sich behauptet. Ebenso
kann nur auf Turonia die provenzalische Form Toroinna bemhen.
So im 12. Jahrh. Wenn im 13. auch Touragne (im Reim zu Aqui-
tagne) erscheint, so ist dies an Bretagne, Allemagne angebildet.
Turinia hätte Toureigne gegeben, wie tinea teigne, und dies kommt
nicht vor. Aber der Name der Stadt war proparoxyton und wurde
in GaUien vulgär Turni, Acc. Turnos, Abi. Turnis; und daraus ist 188
Tours geworden, wie aus furnos foura, aus diurnos jours'. Sprach
man Turni, so ist die Nebenform Turini begreiflich, wenn auch
ohne Zweifel fehlerhaft.
Sollte aber dieser Fehler nicht in Betracht zu ziehen sein für
die sogenannte Turiner Synode?
Wir besitzen die Acten einer zwischen 400 und 418 abgehaltenen
Synode (concil. Gall. a. 1789 p. 302), welche sich folgendermassen
einleiten: sancta synodus quae convenit in urhe Taurinatium die
X k. Od. fratrihus dilcctissimis per Gallias et gtiinque provincias
constitutis. In einem Schreiben des Papstes Zosimus (das. p. 341,
c. 3) ist ebenfalls die Rede von den in Taurinensi concilio gefassten
Beschlüssen, und das Concil von Riez vom J. 439 (das. p. 441)
bezieht sich auf die saluberrima Taurinatis synodi definitio.
Bessere Beglaubigung für den Ort ist schwer zu finden; aber
ist er möglich? Die Synode ist notorisch gallicanisch : schon die
Ueberschrift zeigt es; der Eingang lautet: cum ad postidationem
provinciarum Galliae sacerdotum convenissemus ad Taurinatium civi-
tatem; die erhaltenen Beschlüsse betreffen die Streitigkeiten um die
Metropolitanrechte der Bischöfe von Arles, Vienne und Marseille;
nach dem oben angeführten Schreiben des Zosimus wurde auf dieser
Versammlung die Sache des Briccius verhandelt, welcher Bischof
von Tours war. Konnte eine derartige Versammlung auf italischem
Boden stattfinden?
Sollte diese Frage von den beikommenden Forschern verneint
werden, wie ich es für wahrscheinlich halte, so findet die Versetzung
der Synode nach Turin vielleicht eine Erklärung in dem oben ge-
gebenen Nachweis, dass um das J. 400 in Gallien für Tours neben
Toroni auch Torini und Turini im Gebrauch war. Wenn die Synode
in Tours abgehalten ward und diese Stadt in dem Präscript ebenso
bezeichnet war wie in den oben angeführten ungefähr gleichzeitigen
Zeugnissen, so wird es begreiflich, dass die ursprüngliche, etwa dem
5. oder 6. Jahrh. angehörige Redaction der gallischen Concilien, von
584
Die Synode von Turin.
welcher die uns erhaltenen Collectaneen abhängig sind, dieses Concil
nach Turin verlegte statt nach Tours. Das Schreiben des Zosimus
stammt allerdings aus den von jener Conciliensammlung nicht ab-
hängigen Acten der Kirche von Arles; aber wir kennen es nur aus
Handschriften des 9. Jahrh., deren Zusammensteller ohne Zweifel
die Acten der Synode in urbe Taurinatlum bereits in derselben
Gestalt las, wie sie uns vorliegen. An einfachen Schreibfehler kann
selbstverständlich nicht gedacht werden; trifft die Combination zu,
so zeigt sie uns eine lange Kette weit zurückreichender und eine
an die andere anknüpfender Interpolationen.
XXVIII.
Thessalouikische Kaisererlasse.*)
*So wie sie liegen, sind beide Stücke formell unmöglich. Sie 357
Verstössen gegen die oberste Regel der formalen Gemeinschaftlichkeit 358
der Gesetzgebung in den beiden Reichshälften, Sollte der Erlass
über die illyrischen Kirchenverhältnisse, den Theodosius II. unter
seinem und seines Mitherrschers Honorius Namen am 14. Juli 421
publiciert hatte (C. Th. 16, 2, 45 = C. Just. 1, 2, 6), ausser Kraft
i gesetzt w^erden, so konnte dies nur geschehen durch eine ebenfalls
unter beider Kaiser Namen erlassene Verordnung, nicht aber durch
Publication eines Schreibens des Honorius an Theodosius, das die
Aufhebung beantragt, und eines anderen des Theodosius an Honorius,
jdas diesem Ersuchen stattgiebt. Die Correspondenz zwischen den
Kaisern erscheint in unseren Rechtsquellen nicht, weil sie ausserhalb
der Legislatur liegt: die vielleicht einzige, leicht erklärliche Aus-
nahme ist das Schreiben Theodosius IL an Valentinian III., worin
er ihn um Publication eines für den Orient ergangenen Erlasses im
Occident ersucht (nov. Theod. IL 2, 1); dagegen trägt selbst die
N erordnung Yalentinians III., worin er seine Beamten anweist die
im Ostreich erlassenen Verordnungen gleichfalls im Westreich zu
publicieren (nov. Val. III. 25), im Präscript die Namen beider Kaiser.
Hätte also Honorius ein derartiges Schreiben nach Constantinopel
rorichtet, so durfte dies nimmermehr publiciert werden ; wäre Theo-
losius darauf eingegangen, so war die Bescheidung nicht an den
Ollegen zu richten, sondern sie hätte durch Edict des Kaisers selbst
»der eines geeigneten Beamten legalisiert und dem Publicum zur
vonntnis gebracht werden müssen. Von allen anderen Gründen
*) [Neues Archiv 18, 1893 S. 357 — 358: Brief Mommsens an die Redaktion
l»er die Unechtheit der beiden allein in der sog. Sammlung der Kirche von
"liessalonich vorkommenden Kaisererlasse (in Haenela corpus legum p. 240).]
586 Thessalonikische Kaisererlasse.
abgesehen würden diese Erlasse nach ihrer formalen Beschaffenheit
allein hinreichen, um die hier begangene Fälschung ausser Zweifel
zu setzen. Schwerlich kann ihr Urheber bezweckt haben damit der
in dem justinianischen Codex wiederholten Publication des Erlasse»
vom 14. Juli 421 entgegenzutreten, da diese ihn entweder Lügen
strafte oder als Beseitigung der angeblichen Aufhebung aufgefasst
werden musste. Vielmehr gehört die Fälschung wohl einer Epoche
an, wo der justinianische Codex noch nicht in Italien publiciert oder
noch nicht durchgedrungen war, obgleich man allerdings Mühe hat,
ein so durchsichtiges Fabrikat auch nur der justinianischen Epoche
zuzuschreiben'.
XXVIIK
Eine Erwiederung.*)
433 Ueber die beiden nur in der sogenannten Sammlung der Kirche
von Thessalonich erhaltenen Kaisererlasse (Hänel, corpus legum
p.240):
Exemplar epistolae piissimi imp. Honorii ad Theodosium Äug.
Omnibus quidem causis —
P,escripium Theodosii Aug. ad Honorium Aug. Omni supplicantium\^^
episcoporum per lUyricum subreptione remota —
habe ich in diesem Archiv 18, 357 [oben S. 585] im Anschluss an eine vor
Friedrich**) über jene Sammlung geführte Untersuchung bemerkt un^j**"'
kurz begründet, dass sie untergeschoben sein müssen. Diese Auf
Stellung hat Duchesne in der byzantinischen Zeitschrift 1, 541 zu
rückgewiesen, und es veranlasst mich dies, auf die Sache zurück'
zukommen. '■M. Mommsen', sagt er, ''juge avec raison, que ce»'''ö
textes n'onf pas les formules usitees dans les actes legislatifs et q\
pour avoir forme de loi, ils devraient porter en tete les noms des d
Augustes.'' Darauf antwortet er dann wie folgt:
a. que personne ne sdit ce que ces pieces portaient en tete, vu
leurs suscriptions originales ne nous sont pas connues.
recueil omet ces suscriptions et les remplace par des ruhri
qui sont evidemment du collecteur lui meme
") [Neues Archiv 19 (1894) S. 433— 435.] H *
*f) [Sitz.-Ber, d. Münch. Akad. 1891, S. 771 ff.]
aÜ
Eine Erwiederung. 587
Gewiss; aber wer nicht bloss die Ueberschriften angesehen, sondern
den Text selbst durchgelesen hat, kann nicht behaupten, dass in der
Ueberschrift beide Kaiser genannt gewesen sind. Denn wenn Kaiser
Honorius schreibt: Vo immer ich darum ersucht werde, bringe ich
die mir vorgetragene Sache an Dich {apud aures clemsntiae tuae),
und ich ersuche Deine Majestät, die alte Ordnung in Illyricum auf-
recht zu erhalten (niaiestas tua antiquum ordinem praecipiat custo-
diri)'; wenn dann der College aus dem Ostreich antwortet: 'Deinem
Schreiben entsprechend {secnndum oraculum perennitatis tuae) habe 434
ich die praefecti praetorio von Illyricum beschieden', so ist es zwar
sicher genug, dass die Inscription nicht so gelautet hat, wie sie in
der Hs. steht, aber nicht minder sicher, dass der erste Brief nur
den Namen des Honorius, der zweite nur den des Theodosius an
(Itn- Spitze getragen haben kann.
b. Les lettres en question ne sonf nullement donnees dans le
rccueil coninie des actes Ugislatifs, niais simplement comme
exprimant les determinations des deiix empereurs.
Indem Duchesne hier anerkennt, was er eben vorher bestritten hat,
dass die Briefe nur als personale der einzelnen Kaiser einen Sinn
haben, vergisst er anzugeben, was, wenn sie publicierte kaiserliche
i Erlasse nicht sind, sie überhaupt sein sollen, und wie sie dann dazu
kommen in einer derartigen Sammlung officieller Actenstücke zu
figurieren. Wenn ein Kaiser den andern zu Tisch einlud oder ihm
sonstige persönliche Mittheilungen machte, werden diese Briefe, wie
jjede andere Privatcorrespondenz , personale Inscriptionen getragen
haben; aber die Gemeinschaftlichkeit nicht bloss der Gesetzgebung,
■sondern sämmtlicher Begierungserlasse ist bekanntermaassen das
l'iindament der trotz der factischen Trennung der partes Orientis
Und der partes Occidentis festgehaltenen formalen Reichseinheit.
0er Verstoss hiergegen ist es, weshalb meines Erachtens kein Sach-
amdiger an der Unechtheit der Schriftstücke zweifeln sollte; er
Aird hier noch erhöht durch die Unschicklichkeit, dass ein College
len andern öffentlich zur Vornahme eines Regierungsacts ermahnt
md dieser der Ermahnung ebenfalls öffentlich Folge giebt. Unter
len zahllosen analogen Acten ist mir nie etwas Aehnliches vorge-
:ommen, und wenn Duchesne dafür Belege hat, so waren diese
orzulegen.
c. Un acte Ugislatif est annonce dans le rescrit de Theodose:
mais cet acte n'est pas dans le recueil. C^est ä lui quHl
faudrait demander les solennites que M. Momnisen s'etonne
de ne pas trouver dans notre rescrit.
588
Eine Erwiederung.
w
Von fehlenden Sollemnitäten habe ich nicht gesprochen; das aber
ist richtig, dass, wenn eine derartige Verwendung des Kaisers
Honorius bei dem Collegen stattgefunden und dieser ihr Folge ge-
geben hat, was ja an sich denkbar ist, dann nicht jene dem Princip
des Zusammenhandelns der Theilherrscher geradezu ins Gesicht
435 schlagenden Vorverhandlungen vor die Oeffentlichkeit gehörten,
sondern der von Honorius erbetene und von Theodosius zugestandene
Erlass an die Behörde von lUyricum.
üebrigens erkenne ich bereitwillig an, dass die sehr schwierige
Frage über die Sammlung von Thessalonich damit, dass sie zwei
vielleicht sehr früh gefälschte Kaisererlasse enthält, auch mir keines-
wegs als erledigt erscheint.
■fti
n r r..
XXIX.
Zeitzer Ostertafel vom Jahre 447.*)
.... Geschrieben ist also die Tafel im Jahre 447 n. Chr. ^. Be- 551
kanntlich wurden in dieser Zeit, zunächst in Folge der abweichenden
Ansetzung des Osterfestes 444, die verschiedenartigen Systeme, wo-
nach das Osterfest im griechischen Osten und im lateinischen Westen
gefunden ward, hüben und drüben lebhaft erörtert. Zu den zahl-
reichen Schriften, die in diesen Jahren Geistliche in der fraglichen
Angelegenheit veröffentlichten, gehört auch die unsrige.**) Gerichtet
ist sie augenscheinlich an den damaligen Bischof von Rom Leo I.
oder den Grossen (440 — 461), der in dieser Osterfrage sehr thätig
war, und rührt sicher von einem occidentalischen Verfasser, vermuth-
lich einem italienischen Geistlichen her. — Der Zweck des unbe-
kannten Verfassers stimmt aufs genaueste überein mit demjenigen
des fast gleichzeitigen Victorius von Aquitanien. Theils der Wunsch
(las Hauptfest der Christenheit überall an dem gleichen Tage gefeiert
*) [Philol. und historische Abhandlungen der Königl. Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin aus dem J. 1862 S, 539 — 566. — Da Mommsen 30 Jahre später
die Zeitzer Ostertafel zum zweiten Mal in seinen Chronica minora I p. 501 — 510
herausgegeben hat, ist es überflüssig den Text und die auf die einzige Hand-
schrift bezüglichen Bemerkungen an dieser Stelle zu wiederholen, desgleichen die
n der neuen Ausgabe S. 506 im wesentlichen wiedergegebenen Ausführungen über
lie Consulliste der Tafel (S. 555). Hingegen schien es erforderlich die Bemer-
cungen über die eigentliche Ostertafel, wenn sie auch durch die unten ange-
übrten Schriften von Krusch und von Schwartz, sowie durch Mommsens eigene
Bemerkungen in den Chronica minora überholt sind, hier zum Abdruck zu
wringen.]
1) Dass diese Ostertafel auch den orientalischen Consul Artabures nennt,
leweist doch wohl, was Rossi inscr. Christ. U. E. I. p. 321 in Zweifel zieht, dass
ir, wenn auch erst gegen Ende des Jahres, im Occident proclamirt ward. [S.
ptzt die Zusammenstellungen von Mommsen chron. min. IH p. 531.]
1 **) [Zum Folgenden vergl, B. Krusch, Studien zur christlich-mittelalterlichen
hronologie S. llGfi".; E. Schwartz christliche und jüdische Ostertafeln S. 70 flF.]
590 Zeitzer Ostertafel vom J. 447. «
zu wissen, theils die Rücksicht auf das Concil von Nicaea, das hin-
sichtlich der Osterfrage ausdrücklich auf den Bischof von Alexandrien
hingewiesen hatte, theils endlich die unleugbare Vorzüglichkeit und
Festigkeit der alexandrinischen Osterberechnung, riefen in der occi-
552 dentalischen Geistlichkeit das Bestreben hervor auf eine Verbesserung
des occidentalischen Systems mittelst des alexandrinischen und auf die
möglichste Ausgleichung der beiderseitigen Ostersatzungen hinzu-
arbeiten^, lieber die Veränderungen, die zu diesem von ihm selber
in der Vorrede ausgesprochenen Zweck der Verfasser des Zeitzer
Fragments an der 84jährigen Ostertafel der lateinischen Kirche vor-
genommen hat, ist vor kurzem von Rossi^ gehandelt worden;
Benutzung dieser mit gewohntem Scharfsinn und gewohnter Klarh(
aber doch nur beiläufig geführten Untersuchung soll darüber
Erforderliche hier kürzlich dargelegt werden.
Das von dem Ungenannten befolgte System stellt, so weit
vorliegt, die folgende Tafel übersichtlich dar und mit dem des ge-
wöhnlichen Kanon von 84 Jahren^ zusammen.*)
556 Wichtiger ist die eigentliche Paschaltafel , hinsichtlich deren
folgendes zu bemerken ist.
1. Im Allgemeinen liegt das lateinische vierundachtzigjährige,
nicht das alexandrinische neunzehn- oder fünfundneunzigjährige Schema
der Tafel zu Grunde. Auch im Übrigen schliesst sie sich im Ganzen
genommen, so viel wir sehen, der lateinischen Observanz an und
giebt, wo Divergenzen namhaft gemacht werden, derselben die erste
Stelle.
2. Eine Ausnahme macht das Mondalter des 1. Januar oder difti
Epakte. Die unvollkommene Anlage des 84jährigen Cyclus ha
1) So äussert sich Leo selbst (ep. 121 [auch bei Krusch S. 258]): studuere
sancti patres occasionem huius erroris auferre omnem hanc curam Alexandrh
episcopo delegantes, quoniam apud Aegyptios huius supputationis antiquitus tro
esse videbatur peritia, per quam qui annis singulis dies praedictae soUemnita
eveniret, sedi apostölicae indicaretur, cuius scriptis ad longinquiores ecclesias indiciv
generale percurreret. [Ps.-] Cyrillus [vgl. S. 591 A. 1] prol. (p. 481 Buch. [Krua
S. 338]): sanctorum totius orbis synodi consensione decretum est, ut, quoniam aj,
Alexandriam talis esset reperta ecciesia, quae in huius scientia dar er et, q%
kalendarum vel iduum, quota luna pascha debeat eelebrari, per singulos ant
Bomanae ecclesiae litteris intimaret, unde apostolica auctoritate universalis eccle
per totum orbem definitum paschae diem sine ulla disceptatione eognoseeret.
2) Inscr. Christ, urbis Romael p. XCI — XCHI; vgl. p. LIX. LX.
3) Für diesen ist die Tafel Idelers 2, 249 zu Grunde gelegt worden. ••'!
*) [Die Tafel, die hier weggelassen ist, ist durch Krusch S. 121—123 erset
s. auch Schwartz S. 71.]
Zeitzer Ostertafel vom J. 447. 591
'e» mit sich gebracht, dass derselbe sich allmählich verschob und,
während zu Anfang des mit 382 beginnenden Cyclus die Lateiner
das richtige Mondalter in Übereinstimmung mit den Alexandrinern
gehabt hatten, sie seit 394 meistens ein oder zwei Tage mehr zählten,
wie dies auch Cyrillus und Victorius ausdrücklich angeben^, und
namentlich um 447 eine um zwei Tage zu hohe Epakte ansetzten.
Es ist begreiflich, dass in dieser Frage, die eine rein astronomische
und bei der die Verkehrtheit der occidentalischen Ansetzung für
jeden Sachkundigen ausser Zweifel war, der Yerfertiger unserer
Ostertafel sich den Alexandrinern anschloss. Indess that er dies in
einer sehr ungenügenden Weise ; denn indem er nur die aufgelaufene
Differenz beseitigte, den Cyclus selbst aber nicht modificirte, musste
binnen sehr kurzer Zeit derselbe wiederum von der Epakte ab-
kommen. Dass in der Yorrede ein Vorschlag gemacht worden ist
die Operation hinsichtlich der Monddaten in gewissen Fristen zu
Aviederholen und dadurch dem Grundfehler des 84jährigen Cyclus,
dass 84 julianische Jahre um 1^/4 Tag kürzer sind als die inzwischen
eintreffenden 1039 synodischen Monate, dauernd abzuhelfen, ist nicht
wahrscheinlich; denn damit hätte der Cyclus aufgehört ein Cyclus 557
zu sein. Auch sonst ist der Urheber dieser Tafel von dem Tadel
der Oberflächlichkeit nicht freizusprechen. So hat er sich damit
Ix^gnügt in dem ihm vorliegenden Schema die Epakte um zwei,
n>sp. drei oder einen Tag zurück- und demnach den Osterneumond
11m ebenso viele Tage vorzuschieben, ohne auf die chronologischen
Motive der Ansetzung weiter Rücksicht zu nehmen, und hat deswegen
mehrfach geirrt. Beispielsweise hat er bei dem J. 379, wo nach
dem älteren Schema Osterneumond auf den 2. April gelegt war, in
Folge der Substituirung der Epakte 26 für 28 dafür den 4. April
jangesetzt, ohne zu bedenken , worauf jener Ansatz beruht. In dem
älteren Schema kamen die Neumonde auf März 4. April 2 und
musste, da der Osterneumond nicht über den 5. März zurückweichen
[durfte, der zweite gewählt werden, während das neuere Schema, in
dem die Neumonde auf März 6. April 4 sich stellten, keine Ursache
1) Cyrillus (437) prol. [dieser ' Prologus Cyrilli' nach Krusch S. 89 ff. eine
I iilschung, wohl des 7. Jahrhunderts] p. 483 Bucher [S. 340 Krusch]: Ltmam
in am Uli tertiam .... nuncupant, harte sanctus Theophilus pinmam . . . caelo
demonstrante eonfirmat. Victorius p. 5 Buch, (mit Benutzung der Leydener
'Handschrift, s. meine Ausg. der Chronik Cassiodors S. 678 A. [s. jetzt chron. min.
!>. 680, 11 — 13]): in lunae dinumeratione variatur, cumque Aegyptii XV in die
tschae verbi gratia numerant, nostri eandem XVI vel XVII calculantur. Das
Vilhere bei van der Hagen observ. in prologos pasch, p. 79 sq.; Ideler 2, 240. 277.
592 Zeitzer Ostertafel vom J. 447.
i
hatte von dem ersten abzugehen und demnach Ostern auf den
24. März hätte ansetzen müssen. — Yon den Differenzen im Ostertag
selbst, zu denen diese Veränderung der Epakte gegenüber dem
älteren Schema führte, wird es genügen einige Beispiele zu geben.
Im Jahre 387 führte der Osterneumond des älteren Cyclus 6. März
auf Sonnabend den 20. März als Ostergrenze und den 21. als Oster-
sonntag, dagegen der Osterneumond unserer Tafel 8. März auf
Montag den 22. März als Ostergrenze und demnach den 28. als
Ostersonntag. Im Jahre 448 ergab der Osterneumond des älteren
Cyclus 20. März als Ostergrenze Sonnabend den 3. und als Oster-
sonntag den 4. April, dagegen der Osterneumond unserer Tafel
22. März als Ostergrenze Montag den 5. und als Ostersonntag den
1 1 . April.
3. Die eben erörterte Änderung der Epakte griff insofern tief
in das Wesen des 84 jährigen Cyclus ein, als derselbe, geordnet um
eine bestimmte Zahl Sonnenjahre und Mondmonate zu gleichen, mit
einem Tage beginnen musste, in welchem Neujahr und Neumond so
wie ausserdem der Anfangstag der jüdischen Woche zusammentrafen *;
eben wegen dieser Eigenschaften hatte man den Anfang des Cyclus
auf die Jahre 298 und 382 fixirt. Mit der Änderung der Epakte
hörten die Neujahrstage dieser Jahre auf als Neumonde zu figuriren;
558 es war also ferner keine Ursache vorhanden vorzugsweise mit ihnen,
aber freilich auch keine Möglichkeit überhaupt mit einem Neumond-
tag den Cyclus anzuheben. Nach den Aufstellungen unserer Tafel
beginnt der modificirte 84jährige Cyclus zwar auch wie der ältere
mit einem Sonnabend, lunarisch aber mit dem 21. Tage des Mond-
monats, was allerdings mit dem Wesen dieses lunisolaren Cyclus in
üblem Missverhältniss steht. Statt des unfindbaren astronomisch
passenden hat der Verfasser dieses Paschale wenigstens einen histo-
risch angemessenen Ausgangspunkt gewählt, das Jahr der Kreuzigung
und Auferstehung Christi.*) Dasselbe thut, wie dies bereits Boss!
hervorgehoben hat, die der Chronographie von 354 anhangende
Ravennatische Chronik in der jüngeren Recension^, welche das Ende
der sechs 84 jährigen Cyclen bei den Consulaten 117. 197. 280. 370.
448. 532 verzeichnet, also, von untergeordneten Fehlern abgesehen,
1) Ideler 2, 240. Rossi 1. c. p. LXXXIII.
*) [Vergl. Krusch S. 120.]
2) [Den 'Fasti Vindobonenses posteriores', chron. min. I p. 263.] Vgl. mei
Ausgabe der Chronographie S. 656 [s. jetzt chron. min. I p. 256. 285. 287.
295. 301. 332].
Zeitzer Ostertafel vom J. 447. 593
in der Hauptsache, dem Ausgange vom Jahr der Kreuzigung mit
der Zeitzer Tafel übereinstimmt.
4. Der 84jährige Cyclus wurde hinsichtlich der saltus lunae,
deren sechs darin anzunehmen waren, in zweifacher Weise construirt:
es wurde entweder nach je zwölf Jahren unter "Weglassung des
Schlussjahres, also nach J. 12. 24. 36. 48. 60. 72 oder nach je vier-
zehn Jahren, also nach J. 14. 28. 42. 56. 70. 84 in der lunaren
Computation ein Tag zugelegt. Unsere Tafel folgt unstreitig jenem
System; denn sie zählt vom IL zum 13. Jahre — die zwischen-
liegende Epakte ist unsicher*) — nicht 22, sondern 23 Tage. Dies
steht nicht im Einklang mit der seit van der Hagen ^ gangbar
gewordenen, auch von Ideler ^ und Rossi^ gebilligten Annahme,
dass der 84jährige Cyclus im fünften Jahrhundert nicht mit jenem
ursprünglichen zwölfjährigen, sondern mit dem vierzehnjährigen saltus 559
lunae zur Anwendung gekommen sei ; denn wie wäre in diesem Fall
der Verfasser unserer Ostertafel zu jener Construction gekommen?
In der That wird diese Annahme wohl jetzt aufgegeben werden
müssen. Es giebt über die vierzehnjährige Mondschaltung nur zwei
ausdrückliche Zeugnisse, des Victorius und des Cyrillus:**) jener*
*) [Hier war auf die mit derLTafel S. 553-555 (s. oben S. 590 A. *) weg-
gefallene Anmerkung S. 554 (zu J. 12. 24 des Cyclus) verwiesen; sie lautet, so
weit hierher gehörig: 'Bringt man in unserer Tafel den saltus lunae, wie im
gewöhnlichen Cyclus , in Rechnung vom je zwölften zum folgenden Jahr, so
bekommt .J. 12 die Epakte XXII Springt man vom elften auf das je
zwölfte Jahr, so bekommt J. 12 die Epakte XXIII In der Handschrift,
wo die J. 12 und 24 zweimal vorkommen, hat sich vom ersten nur an einer jetzt
unlesbaren Stelle nach Hänels Angabe die Epakte XXIII erhalten '.]
1) Observ. in chron. Prosp. p. 216 sq.
2) Handb. 2-, 270.
3) Inscr. Christ. I p. XC. Als neues Argument für van der Hagens Hypo-
these bringt Rossi die Inschrift 688 bei, die ohne Angabe des Jahres den 10. Mai
als einen Donnerstag und luna XV bezeichnet, welches, wenn das fragliche Jahr
ein gemeines ist, für dessen 1. Januar Montag und luna IV, wenn ein Schaltjahr,
Sonntag und luna III fordert; eine solche Combination aber bietet weder die
|[ewöhnliche noch die Zeitzer Ostertafel, wogegen der 84jährige Cyclus mit
14 jährigem saltus lunae sie im J. 423 aufzeigt. Allein Rossi selbst widerlegt
dies Argument, indem er p. 274 sq. nachweist, dass die fragliche Inschrift nach
ihrer gesammten sonstigen Beschaifenheit beträchtlich älter sein muss als 423
und wahrscheinlich bei ihr ein Schreib- oder Rechenfehler untergelaufen ist.
**) [Vergl. S. 591 A. 1.]
4) p. 8 Buch, [chron. min. I p. 679, 3 — 6]: li qui cyclum annorum LXXXIV
tdiderunt, XII peractis annis lunam unam . . . adiciendam legitimo cursui esse
\ praecipiunt. Item sunt qui hanc eandem XV demum incipiente anno magis ad-
numerari definiunt.
MOMMSEN, SCHR. VI. 88
594 Zeitzer Ostertafel vom J. 447.
stellt sie bestimmt hin als die Sondermeinung einzelner Bearbeiter
des 84jährigen Cyclus, während er die zwölfjährige auch noch für
seine Zeit als die reguläre voraussetzt; und wenn der Alexandriner
Cyrillus^ die letztere nicht kennt und jene als die allgemein gültige
behandelt, so wird dies sich dadurch erklären, dass er den 84 jährigen
Cyclus zufällig in einer Tafel vor sich hatte, die nach jenem ab-
weichenden System construirt war. In der That ist es sehr begreif-
lich, dass, da in 84 = 7x12 = 6x14 Jahren sechs saltus lunae
gemacht werden sollten, die Modification vorgeschlagen ward nicht
zwölfjährig unter Weglassung des letzten Sprunges, sondern vierzehn-
jährig zu springen und so grössere mathematische Congruenz in das
Verfahren zu bringen 2. Dass aber die zwölfjährige Schaltung noch
in der Mitte des fünften Jahrhunderts im allgemeinen Gebrauch die
Oberhand gehabt hat, wird nach Auffindung der Zeitzer Tafel nicht
füglich mehr bestritten werden können.
5. Das Hauptmotiv, das van der Hagen bewogen hat für die
Mitte des fünften Jahrhunderts den 84 jährigen Cyclus mit vierzehn-
jähriger Mondschaltung der älteren Form mit zwölfjähriger zu sub-
stituiren, war die Wahrnehmung, dass von den Osterfesten der römi-
schen Kirche, deren Daten durch unmittelbares Zeugniss feststehen,
verschiedene mit dem 84 jährigen Cyclus, wie er gewöhnlich construirt
wird, nicht übereinstimmen. Er gab in sehr geschickter Weise die
Erklärung der Differenz mittelst der Hypothese, dass hier ein modi-
ficirter Cyclus mit vierzehnjähriger Mondschaltung zu Grunde liege.
Indess nachdem die Ostertafel von 447 zum Yorschein gekommen
ist und uns eine auf einem andern Princip ruhende Modification des
84 jährigen Cyclus kennen gelehrt hat, wird vor allem zu untersuchen
sein, ob nicht vielmehr diese zu jenen Abweichungen den Schlüssel
560 bietet. Das scheint in der That der Fall. Yersuchen wir zu er-
mitteln, ob und welche historisch beglaubigte Mond- und Osterdaten^
der römischen Kirche auf den modificirten 84 jährigen Cyclus der
Zeitzer Tafel zurückgehen.
a. Das Osterfest 387 ward von den Lateinern am 21. März, von
den Alexandrinern am 25. April begangen *. Nach der Zeitzer Tafel
hätte dasselbe am 28. März gefeiert werden müssen, da Osterneumond
in diesem Schema nicht wie in dem älteren den 6., sondern den
B.März fällt; der Urheber desselben begleitet seinen Ansatz mit der
folgenden Randbemerkung: Iheophilus pasclia in XHH hol. Mai.
1) Prol. p. 481. 483 Buch, [bei Krusch S. 337. 340]. Ideler 2, 272.
2) Ideler 2, 271 [Schwartz Ostertafeln S. 43. 89 ff.]. s
3) Ohss. in Prosp. p. 217 sq. 4) Ideler 2, 254 fg. •'•
Zeitzer Ostertafel vom J. 447. 595
(18. April) pronuntiavlt, quod forte sit (sehr, est) melius; tantum tit
XII kal. Apriles (21. März), quod Latini elegerant, refutetur. Er will
also das Fest am 28. März gefeiert wissen, lässt sich aber auch den
18. April gefallen, während er den 21. März unbedingt verwirft. Was
hier über Theophilus gesagt wird, ist nicht richtig;*) denn er wollte
Ostern nicht am 1 8. April gefeiert wissen, sondern warnt vor diesem
Irrthum und fordert die Verschiebung der Feier auf den 25.^; aber
4a der letztere Tag den Occidentalen, die Ostern ein für allemal
nicht nach dem 21. April gefeiert wissen wollten, verwerflich erschien,
so scheint unser Verfasser als das nach alexandrinischen Voraus-
setzungen allein annehmbare Datum den 18. April betrachtet zu
haben. Die Feier des Osterfestes am 21. März verwirft der Verfasser
unseres Paschalbuches wohl nicht desshalb so entschieden, weil nach
den Regeln nicht seiner, sondern der alexandrinischen Kirche das
Osterfest frühestens am 22. März gefeiert werden kann'^, sondern weil
nach seiner Ansetzung des Osterneumonds der 21. März luna XIV ist.
Bestimmt ergiebt sich aber hieraus, dass die in der Zeitzer Tafel
nachträglich für 387 geforderte Ordnung in diesem Jahre für die
lateinische Kirche noch nicht bestand.
h. Eine Inschrift vom J. 397 ^ bezeichnet den 25. Febr. als luna
XII, was mit dem älteren Schema stimmt; nach der Zeitzer Tafel
wäre dieser Tag als luna X zu bezeichnen gewesen.
c. Papst Innocenz I. setzte das Osterfest 414 auf den 22. März 561
luna XVI*. Dies stimmt mit dem ursprünglichen 84 jährigen Cyclus,
wogegen nach der Zeitzer Tafel der 22. März auf luna XV und
Ostersonntag, da Osterneumond nach ihr den 8. März fällt, auf den
29. März luna XXII sich verschiebt. In diesem Jahr war also un-
widersprechlich noch die ältere Tafel in Geltung.
d. Für das Osterfest 417 führen die beiden lateinischen Tafeln
zu demselben Datum des 25. März, das Paschasinus ^ als das der
lateinischen Feier bezeugt, während die alexandrinische Rechnung
in diesem Jahr auf den 22. April kam.
e. Die Paschaltafel des cod. Vat. Reg. 2077 [chron. min. I p. 741],
die nach Rossis^ Beobachtung ursprünglich 427 aufgesetzt ist, folgt
*) [Vergl. Krusch S. 111; Mommsen chron. min. I p. 505; Schwartz S. 54.]
1) Van der Hagen ohss. in. prol. p. 9.
2) Diese Regel der Alexandriner (Ideler 2, 199. 247. 259) fand freilich auch
früh im Occident Eingang (Ideler 2, 245).
3) Rossi inscr. ehr. I n. 443. 4) Ideler 2, 258.
5) p. 76 Bucher [Krusch S. 249]. Vgl. Ideler 2, 247.
6) p. LVIII. LIX. XC [Krusch S. 46].
38*
596 Zeitzer Ostertafel vom J. 447.
dem älteren System. Dasselbe setzt Cyrillus in seinem 437 ge-
schriebenen Paschalbrief voraus als das damalige der lateinischen
Kirche (8. 591 A. 1).
f. Das Osterfest 444 sollte nach den Regeln der lateinischen
Kirche, den Angaben des Cyrillus und des Paschasinus ^ zufolge, am
26. März gefeiert werden; Leo indess Hess sich durch die Vorstel-
lungen der genannten Bischöfe bestimmen es nach alexandrinischer
Berechnung auf den 23. April anzusetzen. Der ursprüngliche
84jährige Cyclus ergiebt, da darin Osterneumond auf den 4. März
gesetzt ist, als Ostergrenze Sonnabend den 18. und als Ostersonntag
den 19. März; nach den Ansetzungen der Zeitzer Tafel dagegen kam
Osterneumond auf den 6., die Ostergrenze auf Montag den 20.,
Ostersonntag auf den 26. März. Demnach scheint hier das letztere
System zu Grunde zu liegen.*)
g. Die Osterfeste der drei Jahre 453. 454. 455 sollten nach den
Regeln der lateinischen Kirche, dem Zeugniss des Papstes Leo und
des Chronisten Prosper zufolge, auf die Tage April 12. 4. 17 fallen 2.
Für das erste Jahr stimmen alle Ansetzungen überein. Für 454
ergiebt das ältere Schema des 84jährigen Cyclus Osterneumond
13. März, Ostergrenze Sonnabend 27. März, Ostersonntag 28. März,
562 dagegen das der Zeitzer Tafel Osterneumond 16. März, Ostergrenze
Dienstag 30. März, Ostersonntag 4. April; hier also stimmt die Praxis
der römischen Kirche mit dem letzteren überein. Für 455 führt
das ältere Schema auf den 17. April; das des Zeitzer Fragments
dagegen würde wie das alexandrinische den 24. ergeben, wenn nicht
mit Sicherheit angenommen werden dürfte, dass das in der lateinischen
Kirche unverbrüchlich festgehaltene Gesetz das Osterfest nicht später
als am 21. April zu feiern, hier den Yerfertiger derselben genöthigt
hat eine Abweichung von seinem System zuzulassen.
Da es nun einerseits feststeht, dass der ursprüngliche 84jährige
Cyclus die effectiven Osteransetzungen der lateinischen Kirche um
die Mitte des fünften Jahrhunderts, namentlich diejenigen der Jahre
444 und 454, nicht erklärt, dass uns dagegen in den Zeitzer Blättern
das Bruchstück einer 447 geschriebenen und dem römischen Bischof
zugeeigneten modificirten Ostertafel vorliegt, welche jenen Anforde-
rungen genügt und insbesondere die Ostertage 444 und 454 befriedi-
gend erklärt, so wird man in derselben nicht mehr eine ephemere
1) p. 72. 75 Bucher [Krusch S. 248].
*) [Vergl. jetzt Mommsen chrou. min. 1 p. 505 A. 2.]
2) p. 78 sq. Bucher [Krusch S. 258 ff.]. Prosp. chron. bei dem J. 455 [chron.
min. I p. 484].
Zeitzer Ostertafel vom J. 447. 597
und zu keiner weiteren Verbreitung gelangte, sondern die officielle
Ostertafel der römischen Kirche um die Zeit Leos des Grossen zu
erblicken habend Damit soll natürlich nicht behauptet werden, dass
diese Modification des 84 jährigen Cyclus zuerst durch unsere Tafel
447 eingeführt worden ist; vielmehr ergiebt sich aus dem Gesagten,
dass die römische Kirche diese Modification zwischen 437 und 444,
also vor Abfassung unserer Tafel, vielleicht eben in Folge des
cyrillischen Paschalbriefs vom J. 437*) recipirt hat. Allerdings ist
dies nicht in absoluter Weise geschehen, sondern es stellten, wie die
Vorreden unseres so wie des victorischen Paschale ^ ergeben, die
gebräuchlichen Tafeln in zweifelhaften Fällen neben dem Vorzugs- 563
weise gebiUigten Datum der eigenen Kirche noch in Anmerkungen
die Ansetzung der andern auf und überliessen die Entscheidung
in dem gegebenen Fall der beikommenden geistlichen Oberbehörde,
die darüber durch Erlass an die von ihr abhängigen Geistlichen
endgültig entschied. Von diesen oft willkürlichen Ansetzungen des
Osterfestes in dem Sprengel des römischen Bischofs hat aus älterer
Zeit die der Chronographie von 354 einverleibte Tafel nicht wenige
Spuren bewahrt und noch Leo I. hat also die Osterfeste 444. 455
nicht nach dem von seiner Kirche recipirten Paschale, sondern nach
alexandrinischer Regel angesetzt. Wie weit das Recht und die Macht
des römischen Bischofs in dieser Hinsicht in früherer Zeit gereicht
hat, mögen Sachkundige ausmachen; die Annahme, dass seine Be-
1) Rossi 1. c. p. XCII weist diese Möglichkeit ab, weil aus der Controverse
über die Osterfeier 455 hervorgehe, dass damals die Römer und Alexandriner
in der Ansetzung des Mondalters um zwei Tage differirt hätten. Allein dies ist
wohl für 437, aber nicht für 455 bezeugt (vgl, S. 591 A. 1); denn dass Victorius
im J. 457 im Allgemeinen die verschiedene Ansetzung des Mondalters als eine
der Differenzen zwischen Lateinern und Griechen bezeichnet, kann um so weniger
in Betracht kommen, als ja der raodificirte Cyclus selbst die Differenz nur für
den Augenblick, nicht dauernd beseitigte (S. 591). [Auch nach Krusch S. 129
war die Zeitzer Tafel eine Zeitlang 'die officielle Ostertafel der römischen Kirche';
andrer Ansicht war später Mommsen selbst, chron. min. I p. 505, und Schwartz
Ostertafeln S. 72,]
*) [S. jedoch S. 591 A. 1.]
2) Victorius p. 9 [chron. min. I p. 684]: propter diversorurn paschalium con-
dü&res vin in hoc eodem cyclo dies paschae geminata designatione positus invenitur
. . . non meo iudicio aliquid definitum, sed pro ecclesiarmn pace apostoUcae ponti-
ficis electioni servatum, qtmtenus nee ego qiwd ad meum pertinebat officium praeter-
irem et in eins constitueretiir arbitrium qui universali ecclesiae praesideret, quaenam
potissimum dies in tali condicione sollemnitati praecipuae deputetur. Freilich liegt
der Verdacht nahe, dass auch diese Worte durch die im Interesse der katholi-
.schen Kirche vorgenommene Interpolation gelitten haben; doch möchte ich sie
für echt halten.
598
Zeitzer Ostertafel vom J. 447.
fugniss das Osterfest für die gesammte Christenheit anzusagen bereits
vom Concil von Nicaea datire, wird übrigens wohl sehr grosser Be-
schränkung bedürfen. Hier soll nur noch die Frage erörtert werden,
wie lange der 84jährige Cyclus Bestand gehabt hat und wann er im
Gebrauch der römischen Kirche durch einen auf alexandrinische
Regeln fussenden ersetzt worden ist. Gewöhnlich wird angenommen,
dass das Paschale des Yictorius bald nach seiner Abfassung 457 die
ältere Tafel verdrängt habe; und dies würde sicher sein, wenn die
stadtrömische Inschrift vom J. 463, die nach Rossi^ den Gebrauch
des victorischen Schemas voraussetzt, in der That so verstanden
werden müsste. Allein die Beweiskraft dieser Inschrift ist im Voraus
schon durch das früher Gesagte beseitigt. Denn der darin voraus-
gesetzte Ostertag stimmt sowohl mit dem 84jährigen Cyclus (und
zwar nicht minder nach dem älteren als nach dem Zeitzer Schema)
wie mit dem victorischen, dagegen nicht mit dem von van der Hagen
supponirten und dem Prosper zugeschriebenen; nachdem nun aber
gezeigt ist, dass der letztere überhaupt nie existirt hat, ist keine
Ursache mehr vorhanden diese Ostersetzung auf Victorius und nicht
vielmehr auf den 84 jährigen Cyclus zu beziehen, dessen Geltung in
Rom noch im J. 455 ausser Zweifel steht. Dass der Papst Hilarus
564 (461 — 468) die Tafel des Yictorius in den officiellen Gebrauch der
römischen Kirche eingeführt habe, wird man nicht mehr sagen
dürfen, seitdem Jaffe^ die Unechtheit der beiden dem Prolog vor-
gesetzten Briefe des Hilarus an den Victorius und des Victorius an
den Hilarus erwiesen hat;*) obwohl allerdings die Fälschung sehr
alt sein muss und bereits dem Gennadius vorgelegen hat^. Auf
Gallien, wo der Verfasser dieses Paschale zu Hause gehört, führen
auch die frühesten Spuren seines Gebrauches; schon eine Inschrift
von Vaison vom J. 470 [C. I. L. XII 1497] scheint nur nach dem
1) p. XCIII und zu der luschrift n. 810 p. 353 sq.
2) In meiner Ausgabe der Chronik Cassiodors S. 678 A. Rossi 1. c. p. XCII
lässt dieselben noch als echt gelten, vgl. p. 356.
*) [Die Briefe sind echt, s. Krusch, Neues Archiv f. ältere deutsche Geschichts-
kunde, 4, 1879 S. 169 ff., dem Mommsen chron. min. I p. 675 zustimmt.]
3) Jaffe meint, dass vielmehr Gennadius Worte: "invitatus a sancto Hilaro
urbis Romae episcopo' die Fälschung veranlasst hätten, und dass Gennadius selbst
beim Lesen des Prologs, der am Schluss der römischen Curie die letzte Ent-
scheidung überweist, durch eine verfehlte Berechnung auf Hilarus statt auf Leo
gekommen sei. Allein das giebt statt eines Beschuldigten deren zwei. Mir
scheint es keineswegs unglaublich, dass man dem Paschale des Victorius sehr'
früh jene falschen Briefe vorgesetzt hat, um dasselbe damit unter die Aegide
der römischen Curie zu stellen.
Zeitzer Ostertafel vom J. 447. 599
victorischen Kanon erklärt werden zu können^; ebendahin führt die
Erwähnung bei Gennadius von Marseille und bei mehreren Späteren 2;
hier sind auch die Handschriften zu Hause. Was Italien anlangt,
80 scheint von dem Gebrauch des victorischen Paschalc für das fünfte
Jahrhundert kein stichhaltiger Beweis vorzuliegen; für das sechste
dagegen ist der Gebrauch des victorischen Paschale daselbst ausser
Zweifel. Cassiodorus hat dasselbe seiner 519 bekannt gemachten
Chronik zu Grunde gelegt, Bischof Victor von Capua stellt in einem
Briefe von 550 der Ansetzung des damals neu eingeführten dionysi-
schen Cyclus die des victorischen gegenüber ^ Endlich die in Cam-
panien geschriebene Paschaltafel 464 — 614 [chron. min. I p. 745 ff.]
beruht, wie Rossi* gezeigt hat, wesentlich auf derjenigen des Vic-
torius. Allerdings sind also die auf den 84jährigen Cyclus basirten
Tafeln auch in Italien durch die victorische verdrängt worden, bevor
diese selber der dionysischen wich; indess ist dabei ein wichtiger
Umstand nicht zu übersehen. Die victorische wie die dionysische
Tafel ruhten zwar beide, mathemntisch betrachtet, wesentlich auf
dem alexandrinischen Schema ; aber die letztere allein führt dasselbe
als ausschliesslich normirendes durch , während die victorische in 565
vielen, wenn nicht in allen Fällen, wo die beiden Systeme auf ver-
schiedene Ansetzungen führten, doppelte Ostertage angab und die
Entscheidung der geistlichen Autorität anheimstellte. Wir sind freilich
über diese victorischen Geminationen nur unvollkommen unterrichtet^;
nach der ausdrücklichen Angabe des Victor von Capua aber hatte
1) S. die schöne Erklärung derselben bei Rossi p. XCIV.
2) Vgl. Ideler 2, 294. 3) Ideler 2, 293.
4) p. XCV, vgl. p. LXIV.
5) Die aus Victorius geflossene Neapolitaner Paschaltafel (Roncalli chron.
I p. 721 sq. [chron. min. I p. 745 seq.]) überliefert eine beträchtliche Anzahl solcher
Doppeldaten, obvi'ohl zum Theil in sehr verdorbener Gestalt. Auch die in dem
Consularverzeichniss der J. 456 fg. der Handschrift Leid. Seal. 28 sporadisch auf-
geführten Ostertage (abgedruckt in meiner Ausgabe der Chronik Cassiodors
S. 690 sq. [chron. min. I p. 722 — 780, vergl. p. 672]) zeigen sich bei genauer Be-
trachtung als solche, wo Victorius das Osterfest als einer zwiefachen Ansetzung
fähig bezeichnet hatte und der Excerpent desshalb sich die vorangestellten
Ansetzungen anmerkte. Eine Reihe anderer victorischer Geminationen ergeben
sich durch die Vergleichung der beiden Handschriften, aus denen wir das vic-
torische Schema kennen, der von Bucherius benutzten und Leid. Seal. 28, indem
diese bei mehreren Jahren im Ostertag abweichen; diese sind zusammengestellt
in meinem Cassiodor S. 692. — Die in den Tafeln Buchers angemerkten Gemi-
nationen sind seiner eignen Aussage (p. 13) zufolge nach den Angaben des Prologs
von ihm restituirt. Eine Sammlung und Sichtung jener überlieferten Geminatio-
nen wäre zu wünschen. [S. jetzt Schwartz S. 75 ff.]
ßOO Zeitzer Ostertafel vom J. 447.
Victorius bei dem J. 550 in erster Linie den Ostertag nach dem
84jährigen Cyclus (17. Apr.) verzeichnet und den alexandrinischen
(24. Apr.) nur in der Anmerkung erwähnt ^ und was wir sonst von
seinen Doppeldaten erfahren, stimmt hiemit wesentlich überein.
Folglich lag in der Einführung des victorischen Paschale noch keines-
wegs die Einführung des alexandrinischen Systems, sondern eher das
Festhalten, wenigstens in einer Keihe von Diiferenzfällen , an dem
lateinischen; und eben dieser Umstand, dass Yictorius den im Occi-
dent recipirten Daten im Ganzen die erste Stelle einräumte, daneben
aber die orientalischen durchgängig berücksichtigte, mag seinem
Werke so rasche und grosse Verbreitung verschafft haben. Dass
die römische Kirche bis weit in das sechste Jahrhundert hinein in
der Regel nicht nach der alexandrinischen, sondern nach der eigenen
Norm, also materiell nach dem 84jährigen Cyclus Ostern angesetzt
hat, zeigt ausser einer Anzahl einzeln überlieferter Osteransetzungen^
besonders die Neapolitaner Paschaltafel , welche Doppeltage der
Osterfeste nicht bloss bis zu dieser Zeit — zuletzt 550 — aufführt,
sondern auch diese in der Art bezeichnet, dass das alexandrinische
Osterdatum den Graeci, das andere den Latini oder Eomani (so bei
566 dem J. 501) beigelegt wird. Es kann dies, zumal bei einer entschieden
auf gleichzeitige Aufzeichnungen zurückgehenden Tafel, füglich nur
dahin verstanden werden, dass noch um diese Zeit die römische
Kirche der eigenen Norm gefolgt ist^.
Weiter zu kommen und den Yerfasser der Zeitzer Paschaltafel
zu bestimmen wird für jetzt wenigstens schwerlich gelingen. Schon
van der Hagen hat die Modification des 84 jährigen Cyclus, die unter
Leo L in Geltung war, auf Prosper von Aquitanien zurückgeführt,
dessen verlorener Ostertafel Gennadius und Isidorus gedenken*. Es
liegt nahe in unserem Bruchstücke einen Überrest derselben zu
erblicken, wozu die Abfassungszeit sehr wohl passt. Aber wer theils
die gräulich entstellte Consularliste der Chronik Prospers mit der
des Zeitzer Fragments, theils die in beiden nach einem gänzlich
verschiedenen Princip angesetzten 84 jährigen Cyclen vergleicht, wird
sich leicht überzeugen, dass beide Schriften unmöglich von demselben
Verfasser herrühren können. Bemerkenswerth bleibt es indess, dass
1) Ideler 2, 293.
2) Ideler 2, 285.
3) Rossi p. XCV stellt eine künstliche und meines Erachtens nicht halt-
bare Erklärung hiervon auf.
4) Ideler 2, 273. ■•
Zeitzer Ostertafel vom J, 447. 60 1
die Ravennatische Chronik, die besonders in ihrer jüngeren Recension
mit der Zeitzer Tafel sich in wesentHchen Punkten berührt, in eben
dieser Recension bei dem J. 378 den Zusatz hat: Jiis conss. Horosius
(vielmehr Hieronymus) et Prosper fecerunt cronicas^, also der Ver-
muthung Raum giebt, dass dem Schreiber eine von den uns unter
Prospers Namen überlieferten Recensionen wesentlich verschiedene
und unserm Paschale sich annähernde vorgelegen hat. Eine gründ-
liche Untersuchung der verschiedenen Umgestaltungen der Chronik
Prospers, die in so vieler Hinsicht zu wünschen ist, wird vielleicht
auch hierüber mit der Zeit Licht verbreiten.
1) S. meine Ausgabe der Chronographie S. 656. 665 [chron. min. I p. 296].
XXX.
Das Nonnenalter.*)
545 Das christliche Gelübde der Ehe zu entsagen^ ist seit seinem
Aufkommen im 2. Jh. n. Chr. vom sittlichen und religiösen Stand-
punkt aus selbstverständlich stets als unwiderruflich angesehen wor-
den. Ebenso selbstverständlich aber ist die priesterliche Zulassung,
welche zur Ablegung eines solchen Gelübdes durchaus erfordert
wird, an die Altersreife geknüpft worden, wobei späterhin zuweilen
zwischen dem Eintritt in das Kloster und der Annahme des Schleiers
unterschieden und erst die letztere als bindendes Gelübde angesehen
wird 2. Eine rechtlich feste Altersgrenze für das Gelübde hat in der
frühesten Zeit des Nonnenthums nicht bestanden; die priesterliche
Gestattung wird abhängig gemacht von der Individualität des ein-
zelnen Falles^. Allein die Gefährlichkeit eines derartigen discre-
tionären Verfahrens führte nach verschiedenen mehr localen An-
*) [Neues Archiv d. Ges. f. ältere deutsche Geschichts künde 22 (1897)
S. 545-547.]
1) Ich folge in dieser Darlegung der Erörterung von Edwin Hatch in
Smith und Cheethams dictionary of Christian antiquities Bd. 2 S. 2021.
2) Mabillon ann. S. Benedicti 1. VIII c. 47 [I p. 232 ed. Paris. 1703]: veMio
sanctimonialium non in ipsa religiosa professione statim fiebat, sed post multos
prohatae mtae annos, qiiod etiam nunc Venetiis observatum vidimus.
3) Basilius in dem Brief an Amphilochius vom J. 373 (ep. 199 = 2) ge-
stattet den Eintritt in das Kloster schon mit dem sechzehnten oder siebzehnten
Jahre, ohne Zweifel nach besonderer Prüfung. Tag 6/iio?Myiag (= professiones)
TÖTE eyxQivofiev, äcp' ovneg avrj rjXixia rrjv xov Xoyov av/mtlrjQcoaiv s'xjj ' ov8e yag Tag
jiaidixäg (pcoväg jrdvTcog xvQiag im t&v toiovtcov ^yeTo-&ai jiqoo^xev, aX?M Tt)v vnsQ
TU. ÖExa E^ tj dsxa xal ejitu yEvo/j,Evrjv ety] xvQiav ovaav t&v koytoficöv. Ambrosiu»
(de virg. 7) wendet auf diesen Eintritt den Spruch Christi an, dass den Kindern
nicht gewehrt werden dürfe zu ihm zu kommen, freilich mit dem Beisatz
sacerdotalis eautionis esse debere, ut non temere puella reletur.
Das Nonnenalter. 603
Ordnungen^ zu der Festsetzung durch Kaisergesetz vom J. 458^, 546
dass der Schleier nicht vor dem vollendeten vierzigsten Lebensjahre
genommen werden darf. Die römische Aristokratie dieser Epoche
schickte die Töchter häufig ins Kloster, um das Hausvermögen zu-
sammenzuhalten und die Regierung suchte der in den vornehmen
Kreisen überhand nehmenden Ehelosigkeit und der dadurch dem
(remeinwesen bereiteten Schädigung zu steuern^.
Diese reichsgesetzliche Anordnung, welche auf einem gallischen
Concil im J. 506 wiederholt ward*, findet sich auch in dem Ponti-
ficalbuch unter Papst Leo I. (440 — 461) in folgender Form: hie con-
'itult monacha non acciperet velnmlnis capitis henedictionem , nisi
j'iobata fuerit in virginitate LX annorum. Dass die angebliche
liäpstliche Constitution nichts ist als eben jenes Kaisergesetz, dem
sie auch im "Wortlaut nahe steht, geht aus der Gleichzeitigkeit
beider Anordnungen hervor. Um so auffallender ist die Abweichung
in der Altersgrenze. Aber hier geben die Handschriften Hülfe.
Die Cononische Epitome der älteren Recension, welche auch sonst
L^egenüber gemeinschaftlichen Interpolationen der felicianischen und
der jüngeren Recension mehrfach die ursprüngliche Form bewahrt
hat,*) liest XL für LX, und es kann nicht bezweifelt werden, dass
(lies die ursprüngliche Lesung ist.
1) Spanische Synode von Caesaraugusta im J. 380 (Mansi 3, 635) can. 8:
non velundas esse virgines quae sc deo voverint nisi quadraginta annoi'um probata
aetate, quam sacerdos coniprobaverit. Karthagische Synode vom .1. 397 (Mansi
3,919) can. 1: ut ante XXV aetatis annos nee clerici (n-dinentur nee virgines
consecrentur. Karthagische Synode vom J. 418 (Mansi 3, 822 — 4, 508) can. 126:
i(t quicumque episcoporiim necessitatc j)criclitantis pudieitiae virginalis . . . velaverit
rirginem seu velavit intra viginti quinque annos aetatis, non ei obsit concilium,
quod de isto annwum nume.ro constitutum est.
2) Maiorian nov. 6 [c. 1]: edictali Iqje sancimus fdias, quas patei- materve . . .
Christianae fidei servire jyrueceptis eontinuata virginitate censuerint, in beatae vüae
proposito permanentes non ante siiseepto honxyrati capitis velamine conseerari quam
madraginta annos aetatis emensae talibus infulis . . . meruerint . . . decorari. Es
Igen Strafbestimmungen gegen die Aeltern, resp. die älternlosen Jungfrauen,
owie gegen die Geistlichen, welche gegen dies Gesetz eine Weihung bewirken
der zulassen, sowie Bestimmungen zum Schutz derjenigen Jungfrauen, die vor
dem vierzigsten .Jahre aus dem Kloster austreten und heirathen.
3) Dies spricht schon Basilius a. a. 0. aus und bestimmter noch Maiorianus
|in der angeführten Verordnung.
4) Concil von Agde (Mansi 8, 328) can. 19: sanctinioniales quamlibet vita
iram et mores probati sint, ante annum aetatis suae XL non velentur. Auf die-
Ibe Bestimmung ist späterhin das Tridentinische Concil zurückgekommen.
*) [Vgl. Mommsen in den Prolegomena zu seiner Ausgabe des Lib. pontif.
.0X11 ff.]
504 D^^ Nonnenalter.
Aber ein Schreibfehler ist dies nicht. Yielmehr haben in Betreff
des Nonnenalters in den pontificalen Documenten zwei bemerkens-
werthe Interpolationen stattgefunden.
Der clericale Fälscher, welcher das angeblich von Papst Silvester
abgehaltene Concil angefertigt hat, fordert für die Braut Christi
und die Anlegung dieses Brautschleiers das zweiundsiebzigste Lebens-
547 jahr^. Dies ist weiter nichts als der Einfall eines Geistlichen des
sechsten Jahrhunderts, dem die weltliche Anordnung nicht genügte
und bei dem die Frömmigkeit für den Menschenverstand eintrat.
Das Pontificalbuch, das sonst von dieser Fälschung vielfach ab-
hängt, hat diese Absurdität auch in der zweiten Bearbeitung nicht
wiederholt, sondern, wie bemerkt, in dieser für den Schleier das
sechzigste Lebensjahr gefordert. "Wahrscheinlich ist dies geschehen
im Anschluss an einen Brief Gregors I. '^, in dem es heisst : iuven-
culas fieri abhatissas vehemendssime prohihemus; nullum igihir epi-
scopum fraternitas tiia nisi sexagenariam virginem, cuius vita hoc atque
mores exegerint, velare ijermittat. Freilich hat Gregor wohl nur
sagen wollen, dass die Aebtissin dies Alter haben müsse und dass,
wenn sie den Schleier nicht früher genommen habe, sie ihn jetzt
zu nehmen habe. Aber wenn er dies gemeint hat, so ist die Fassung
wenig präcis und es konnte aus den Worten heraus oder in sie
hineingelesen werden, dass der Schleier überhaupt nicht vor dem
sechzigsten Jahre genommen werden dürfe. In diesem Sinne scheint
das Pontificalbuch interpoliert worden zu sein. Es begegnen auch
sonst Spuren, dass dessen Verfasser die Gregorbriefe lange vor ihrer
Publication gekannt und benutzt hat.
^
1) Constitutum Silvestri c. 10 can. 14: nullus etiam episcoportmi virginem
saeratam maritali consmtio (mit Christus) expeteret benedici, nisi eam probaveriti
LXXII annornm esse constitutani ; ibi probabitur iudicium (= ixidicio) pudidtia
vera, ut in LXXII annos (sehr, anno) requirens virum Christum pudidtia custo-
dita uncta vertice introducatur ad nuptias Christi, velamen capitis ferens, non cordis.
2) 4, 11 vom J. 593. Gregor selbst hat sich dabei leiten lassen durch die
Analogie des ersten Timotheusbriefes: vidua eligatur non minus sexaginta anno
rum, quae fuerit unius mariti tixor.
k
ih
m
XXXI.
lieber die Acten zum Schisma des Jahres 530.*)
lieber die neuerdings aufgefundenen das Schisma vom J. 530 581
)etreffenden Acten möchte ich zu den Bemerkungen Ewalds in dieser
Zeitschrift [Neues Archiv 10, 1885] S. 412 einiges nachtragen.
Materiell wie formell ist insbesondere das zweite Actenstück
über das Eingreifen des Senats in die Wirren dieser Papstwahl von
erheblichem Interesse.
Ucber die Sache selbst sollen hier nur wenige Worte gesagt
werden. Der Senatsbeschluss, von welchem das bezeichnete Acten-
stück spricht, ist allerdings, wie Ewald bemerkt, derselbe, den, als
rar Zeit des Papstes Bonifatius (20. Sept. 530 — 17. Oct. 532) ge-
faest, das Schreiben des Königs Athalarich (f 2. Oct. 534) an Papst
Johannes (seit 31. Dec. 532) bei Cassiodorius**) Var. 9, 15 [§ 3] und
las dazu gehörige an den Stadtpräfecten Salventius das. 0, 16 er-
wähnen. Nur möchte ich nicht mit Ewald annehmen, dass dieser
Beschluss noch vor dem Antritt des Bonifatius in der letzten Zeit
eines Vorgängers Felix IV. erging. Wenn Felix kurz vor seinem
?ode seinen Nachfolger bestellte, im Gegensatz gegen das Herkommen
ne gegen die Ordnungen der Kirche, so hat der Senat diesen Miss-
»rauch gar wohl erst nach dem Tode des Felix und nach der Er-
lebung des Bonifatius verbieten und gleichzeitig dennoch den zu
Jnrecht bestellten Papst Bonifatius anerkennen können. Sowohl
ierin wie in dem zweiten Theil jener Senatsbeschlüsse, welchen
ijithalarich allein erwähnt, in der Untersagung der Geldgeschenke
um Zweck der Papstwahl, scheint mir von grosser Politik gar nichts
u stecken. Es sind dies lediglich Verfügungen der obersten Auf-
*) [Neues Archiv 10 (1885) S. 581-585.]
**) [Besser Cassiodorus, welche Form Momrasen selbst später (Prooemium
1 s. Ausg. der Variae p. VII n. 2) als die wahrscheinlich allein richtige er-
lesen hat.]
606
Ueber die Acten zum Schisma des Jahres 530.
Sichtsbehörde, welche durch die bei der Papstwahl im Herbst 530
vorgekommenen Aergernisse hervorgerufen wurden und notorische
üebelstände für die Zukunft abstellen sollten; weshalb denn auch
König Athalarich in Folge der ebenfalls durch Simonie befleckten
Wahl des Papstes Johannes II. Ende 532 wenigstens die zweite
dieser Verordnungen einschärfte. — Wenn hiernach das zweite Acten-
582 stück unter Bonifatius fällt, so ist es allerdings wahrscheinlich in
den Anfang seines Regiments zu setzen, theils weil das Einschreiten
gegen die bei seiner Einsetzung vorgekommenen Unrechtlichkeiten
auf diese selbst bald gefolgt sein wird , theils weil die drei Acten
stücke allem Anschein nach in chronologischer Folge stehen und
das unsrige den Platz einnimmt zwischen dem Schreiben des sterben-
den Papstes Felix lY. vom September 530^ und der Retractatior
der Anhänger des Dioscorus vom 27. December desselben Jahres.
Materiell bemerkenswerth ist das Actenstück für die Competens
des Senats der Reichshauptstädte. In dieser Epoche erscheint ii
unseren Rechtsbüchern der Senat mit der Gresetzgebung nur insowei
befasst, dass die allgemeinen kaiserlichen Gesetze auch jetzt nocl
sehr häufig gefasst werden als schriftlich an den Senat gebracht«
Erlasse 2; ausserdem wird der Senat zuweilen vorher befragt wegei
zu erlassender Gesetze ^. Dass das Senatsconsult als solches Gesetzes
kraft hat, wird für diese Epoche wohl allgemein hingestellt*; abe
ich wüsste dafür keinen zweiten Beleg als eben diese Yerfügungeu
welche, wie wir jetzt ersehen, dem Contravenienten den Verlust de
halben Vermögens androhen^ und deren formale Gültigkeit ebe
■dadurch auf das Bestimmteste anerkannt wird, dass einige Jahr
1) Ewald a. a. 0. S. 415,
2) V. 0. von 386 (C. Th. 12, 11, 2): oratio ad senatum missa.
3) V. 0. von 445 (C. lust. 1, 14, 8). Einen Fall der Art, wo es sich alle)
dings zunächst um den Senat selbst betreffende Festsetzungen handelt, bericht«
Symmachus rel. 8.
4) V. 0. von 384 (C. Just. 1, 16, 1) : quamvis consultum senatus perpetuam p<
se obtineat firmitatem, tarnen etiam nostris legibus idem prosequimur adieient
u. s. w. Cassiodor Var. 6, 4 [§ 2] rühmt von den Senatoren, dass sie willig b'
dem Präfecten Recht nehmen nach den Gesetzen, die sie selbst zu erlassen h
fugt sind (ut optent se legibus teneri, quae ab ipsis sciuntur potuisse constitu
so dass sie dem keinen Richter über sich erkennenden Herrscher wohl in erstere
aber nicht in letzterer Hinsicht nachstehen. Erst Leo der Weise um das J. 9(
hob dies auf und schrieb vor (nov. 78) rijv avyxkrjrov Tfjg iv roTg vöfxoig avfiJio/
reiag diaxgivso^ai.
5) Cassiodorius 9, 16 [§ 1] sagt nur: dudum . . senatus amplissimiis . .
constituit, ut in beatissimi papae consecratione nullus se abominabili cupidüc
pollueret, poena etiam constituta qui talia praesumere temptavisset.
«in
Iffter,
i
üeber die Acten zum Schisma des Jahres 530. 607
nachher König Athalarich sie mit einem eigenen einschärfenden
Erlass zugleich an der Peterskirche aufzustellen befahl^. Wenn
man sich erinnert, dass das Recht der Gesetzgebung in dieser Epoche
auch den praefecti praetorio zusteht, natürlich aber einem jeden der-
selben nur innerhalb seines Sprengeis, und sich ferner erinnert, dass
die beiden Reichshauptstädte selbständig neben den Verwaltungs-
bezirken jener Präfecten stehen, so wird man für die spätere Reichs- 5S3
Verfassung daraus ableiten dürfen, dass auch den Beamten und den
Senaten der beiden Reichshauptstädte, ebenfalls für ihre Sprengel,
das Recht der Gesetzgebung zugestanden hat. Es ist nur folgerichtig,
dass die für die einzelnen Reichstheile, die Sprengel wie die Städte,
i erlassenen Gesetze der allgemeinen Reichsgesetzgebung nicht zuge-
zählt und von ihr ignoriert werden.
Formell macht das Actenstück grössere Schwierigkeit. Ein
Senatsbeschluss ist es nicht und will es nicht sein, sondern eine
contcstatio senatus, wie die Unterschrift lautet, also eine Ansprache,
oder nach der Ueberschrift senatus amplissimus presbyteris et diaconis
et universo clero, ein offener Brief an die Geistlichkeit Roms. Dem
entsprechend ist das Actenstück den Adressaten zur Kenntnis ge-
bracht worden durch öffentlichen Anschlagt, und zwar wahrschein-
lich, wie der in der Handschrift voraufgehende Erlass des Papstes,
■durch Anschlag an die Thüren der sämmtlichen Parochialkirchen
Roms ^. Damit steht es in vollem Einklang, dass die Urheber dieses
Actenstückes den Adressaten mittheilen, was der Senat beschlossen
1) a. a. 0. [§ 3] : tarn deßnita nostra quam senatus consulta tabulis marmoreis
■praeeipimus decenter incidi et ante atrium heati Petri apostoU in testimonium
fttbUcum collocari.
2) Senatus talia pi-oposuit. Ewald verwirft diese deutliche und durchaus
luverlässige Angabe und denkt an die Republication dieser Beschlüsse durch
König Athalarich. Aber der Senat muss doch dieselben den Betheiligten schon
vorher zur Kenntnis gebracht haben, und für unser Actenstück kommt nur diese
erste Publication in Frage.
3) Hoc per omnes propositum est titulos (nach dem bekannten Sprachgebrauch,
nm Beispiel lector tituli Fasciolae Rossi inscr. ehr. 1 n. 262) Bomanos iubente
ipa heato Feiice. Dieser Anschlag an die Kirchthüren bei der Publication
eht im deutlichen Gegensatz zu der Republication auf der Marmortafel in
Peter. Wenn Ewald (S. 421) meint, dass, wofern das cassiodorische Decret
i^ben das unsrige sei, das letztere nicht volle drei Jahre zuvor bereits an allen
Kirchen Roms habe angeschlagen sein können, so meine ich im Gegentheil, dass
ne Republication eine frühere Publication mit Nothwendigkeit fordert und
er Anschlag an die Kirchthüren zu der dauernden Aufstellung den richtigen
■ egensatz bildet.
ßQg Ueber die Acten zum Schisma des Jahres 530.
habe ^ ; und wenn dasselbe andrerseits in wenigstens formalem Wider-
spruch hiermit sich in der Intitulation als ein Schreiben des senatus
ampKssimus bezeichnet, so zeigt auch hier die Hinzufügung des
Ehrenprädicats, welches der Senat sich nie selber giebt, dass auch
hier dritte Personen für den Senat sprechen. Es hat also eine, sei
es nun arbiträre, sei es irgendwie zu rechtfertigende Verschiebung
in der Ueberschriftsformel stattgefunden, die uns allerdings der un-
mittelbaren Antwort auf die Frage beraubt hat, wer der wirkliche
Aussteller dieser Urkunde ist.
In gewissem Sinn ist die Antwort dennoch leicht und sicher.
Der Senat ediciert und correspondiert überall nicht; insofern seine
584 Beschlüsse dritten Personen mitzutheilen sind, geschieht dies durch
diejenigen Magistrate, welche sie bewirkt haben. Es gilt dies so
gut von dem ältesten bekannten Senatsconsult über die Bacchanalien
wie von allen übrigen und also auch von diesem jüngsten: wie in
jenem die Consuln den Yorstehern der einzelnen italischen Gemeinden
mittheilen, was dieselben nach dem unter ihrem Vorsitz gefassten
Beschluss des Senats vorzunehmen haben; wie nach der kürzlich
gefundenen Urkunde von Oropos*) aus der ciceronischen Zeit die
Consuln den Behörden dieser Stadt das sie angehende Senatsconsult
in Abschrift übersenden, so haben ohne Zweifel auch diesen Be-
schluss dem römischen Clerus eben diejenigen mitgetheilt, welche
ihn herbeigeführt haben. Auf die weitere Frage freilich, welche
dies gewesen sind, lässt sich schwerlich eine allgemein gültige Ant-
wort geben ^; wenigstens kenne ich keine allgemeine unzweideutige
Angabe über den Vorsitz in dem Senat dieser Zeit^. Indess giebt
das meines Wissens einzige Actenstück über eine Senatsverhandlung
dieser Epoche, das Protokoll vom J, 438 über die Einführung des
theodosischen Gesetzbuches*, wenigstens einen Fingerzeig. Als
anwesend in dieser Sitzung werden namentlich aufgeführt der praef.
praetorio und consul Ordinarius Faustus, der Stadtpräfect Paulus und
1) in sanctitatis vestrae notitiam duximus perferendum senatum amplissimurfi
decrevisse.
*) [Ges. Sehr. V S. 495 ff.]
2) Zachariae von Lingenthal macht mich auf die sjiaQxixa. bei Harmeno-
pulus lib. II aufmerksam, ßaupolizeiverordnungen für Konstantinopel, die offen'
bar dem k'jiagxos rfjg jioXecog zuzuschreiben seien.
3) Dass der Stadtpräfect als das eigentliche Haupt des Senats gilt un(
zuerst abstimmt (Cassiodor var. 6, 4 [§ 3] : sententiam primus dicis; lustiniai
nov. 62 : sancimus praesulem . . . ampUssimi senatus . . . urbicariam esse pi'aefecturan
et primam sedem ei dedicari [vgl. oben S. 430 A. 4]), entscheidet hierüber nicht
4) Bekanntlich diesem vorgesetzt.
I
lieber die Acten /Aim Schisma des Jahres 530. 609
der Vicarius von Rom Publiaiius, ferner ohne Nennung der Namen
procercs amplismnusque senatus. Die Verhandlung leitet der zuerst
Genannte, in dessen Hause sie auch stattfindet; er ist es, welcher
die Anträge stellt und er wird auch in dem Editionsvermerk als
consulcns bezeichnete Es liegt nahe, diesen Vorsitz auf das Con-
sulat zu beziehen; aber dem steht entgegen theils, dass Faustus
damals als solcher schwerlich noch in Function war 2, theils dass 585
nach dem, was wir sonst wissen, es kaum möglich ist den herab-
gekommenen, aber nicht verschwundenen constiks suffedi den gleichen
Vorsitz einzuräumen. Wahrscheinlicher dünkt es mir, dass der Vor-
sitz durch die Rangfolge bestimmt ward, das heisst der unter den
anwesenden fungierenden Reamten jedesmal höchst stehende den
Vortrag hatte und die Umfrage stellte, in diesem Falle also der
praefectus praetor io Italiae, Africne et InlyricP^ während der Regel
nach dieser Platz wohl dem Stadtpräfccten zukam.*) Dadurch
erklärt sich auch die Fassung der Ueberschrift unserer contestatio,
die bei dem sonst durchaus authentischen Charakter des Actenstückes
nicht füglich mit Ewald auf Schreiberverderbnis zurückgeführt werden
kann. Wenn der Vorsitz in der bezeichneten Weise geordnet war,
also zufällig wechselte, so würden die durch Senatsbeschluss hervor-
gerufenen Ausfertigungen, auf den Namen des jedesmal Vorsitzenden
gestellt, sicherlich Irrungen hervorgerufen haben: die Empfänger
hätten den Wechsel der Intitulation oftmals nicht verstanden. So
mag es gekommen sein, dass an deren Stelle die Formel amplissimus
senatus trat, die man also sich etwa zu paraphrasieren haben wird
mit den Worten: amplissimum senatum qiii consuluit.
1) Dieser lautet: et alia manu: FL Laurentiiis exceptor amplissimi senatus
edidi sub d. VIII h. lan quantum consulente v. inl. Fausto praef. praetario
nominibus nostris subdita senatus amplissimi gesta testantur, wobei angeuomuien
werden muss, dass in der Abschrift selbst diese Beglaubigung auf dem Vorblatt
stand, nicht, wie in unserem Text, am Schluss. — Beiläufig mag erwähnt
werden, was meines Wissens noch nicht bemerkt ist, dass von dem im Schluss-
vermerk erwähnten Senatsschreiber, welcher den Constitutionarien die Abschrift
dieses Protokolls aushändigt und sie beglaubigt, die Grabschrift gefunden ist
(Rossi, Bull, crist. 1869 p. 18 [C. I. L. VI 33721]): Hie quiescit in pace Laurentius
[s]criba senatus dep(ositus) die IUI iduum Mari. Adelßo v. c. cons. P]r wurde also
am 12. März 451 beerdigt. Hieraus ergiebt sich weiter, dass die Bezeichnungen
scfiiba senatus und exceptor senatus [ein solcher C. I. L. XV 7174] nicht verschieden
sind, wie Rossi meint (Bull, crist. 1874, p. 50), sondern sich decken.
2) Die Verhandlung ist ohne Datum, aber die Edition der Gesta erfolgt
am 25. December.
3) So heisst er in der Inschrift von Aricia Bull, dell' Inst. 1857 p. 37 [C.
I. L. XIV 2165]. *) [Vgl. oben S. 430 A. 4.]
MOMMSEN, SCHR. VI. 39
XXXII.
über einen neu aufgefundenen Reisebericht nach dem
gelobten Lande.*)
357 Die Pilgerfahrten, welche eine dem südlichen Frankreich an-
gehörende vornehme Dame, wahrscheinlich in der zweiten Hälfte
des vierten Jahrhunderts, von Jerusalem aus in Palaestina und nach
dem Sinai unternahm und in einem von Constantinopel an ihre
Klosterschwestern daheim gerichteten buchartigen Brief ausführlich
schilderte, waren bisher nur bekannt in den dürftigen Auszügen,
welche Petrus Diaconus, der die Handschrift in der Bibliothek seines
Klosters von Monte Cassino benutzte, seiner Schrift de locis sanctis
daraus einfügte; sie Hessen weder die Quelle noch den Werth der-
selben erkennen. Der Bibliothekar von Arezzo , Hr. Fr. Gamurrini,
hat seinen zahlreichen Verdiensten um die Wissenschaft und ins-
besondere die Epigraphik eine neue ungemein werthvolle Leistung
hinzugefügt durch die Auffindung und die Veröffentlichung der Über-
reste der durch wunderliche Zufälle in jene Stadtbibliothek ver-
schlagenen Handschrift ^ Es wird dem neuen Funde, der auch
ungedruckte Stücke von Hilarius enthält, an Herolden und Weiter-
verkündern nicht fehlen. Ich beabsichtige nur kurz mitzutheilen,
was speciell für die Topographie der Sinaigegend und des angrenzen-
den Gebietes von Aegypten sich aus diesem Reisebericht ergiebt.
Die pilgernde Dame, nach des Herausgebers Vermuthung Silvia
aus Aquitanien,**) ging von Jerusalem nach dem Sinai und auf dem-
selben Wege wieder zurück. Erhalten ist uns von ihrem Bericht]
*) [Sitzungsberichte der Berl. Akad. 1887, S. 357 — 364. — Vgl. K.Meister
'De itiuerario Aetheriae abbatissae perperam nomini s. Silviae addicto', Rhein.
Mus. f. Philol. N. F. 64 (1909) S. 337 — 392.]
1) S. Hilarii tractatus de mysteriis et hymni et S. Silviae Aquitanae pere-
grinatio ad loca sancta. Quae inedita ex codice Arretino deprompsit loh. Franc.
Gamurrini. Rom 1887 (Biblioteca delF Accademia storico-giuridica vol. quarta).
[Vgl. jetzt die Ausgabe von P. Geyer in Corp. scr. eccl. Lat. vol. 39 (Wien 1898)
p. 35— 101.]
**) [Es ist vielmehr, -wie Meister a. a. 0. nachgevs'iesen hat, der zwischen
533 — 540 abgefaßte Reisebericht der Aebtissin Aetheria aus der Narbonensis.^
über einen neu aufgefundenen Reisebericht nach dem gelobten Lande. 611
der Schluss der Hinreise von Pharan zinn Sinai, die Beschreibung
der dortigen heiligen Stätten und die ganze Rückreise vom Sinai
nach Suez und weiter nach Pelusion, dann von da zu Lande nach
Jerusalem. Neben manchem anderen interessanten Detail sind von 358
hervorragender Wichtigkeit die Angaben über die Strecke von Suez
nordwärts, wo die Pilgerin, die überhaupt nur bei heiligen Stätten
verweilt, die in den Büchern Moses erwähnten Orte besucht hat
und in ihrer Weise beschreibt. Selbstverständlich gehe ich nicht
darauf ein die Angaben der französischen Dame mit der mosaischen
Erzählung und den aegyptischen Monumenten in Einklang zu bringen;
immer wird auch für diese in Betracht kommen, wie etwa in der
Zeit des ersten Theodosius die Einheimischen die biblischen Namen
sei es traditionell, sei es conjectural fixirt hatten.
Von Pharan aus gelangte die Dame auf der Rückreise am
zweiten Tag an das rothe Meer und dann am Strande hin nach
Klysma. [C. 6:] Ac sie ergo cum pervenissemus Faran, quod sunt a montc
dei m'dia trkßnta et quinque, necesse nos fait ibi ad rcsumendum hiduo
immorari. Ae tertia die inde maturantes venimus denuo ad mansio-
nem, id est in desertum Faran, uhi et euntes manseramus, sicut et
superius dixi. Inde denuo alia die facientes aquam et euntes adhuc
aliquantulum inter niontes pervenimtis ad mansionem, qnae erat iam
super mare, id est in eo loco, uhi iam de inter montes exitur, et
incijntur denuo totum iam iuxta mare amhulari, sie tarnen iuxta mare,
pt subito fluctus animalihus pedes cedat [sehr, caedat], subito etiam et in
centum et in ducentos passus, aliquotiens etiam et plus quam quingenios
j[)assus de mari per heremum ambuletur: via enim illic penitus non
est, sed totum heremi sunt arenosae. Faranite autem, qui ibi consueve-
■runt ambulare cum camelis suis, signa sibi locis et locis ponent; ad
quae signa se tendent, et sie ambulant per diem, nocte autem signa
camcli attendunt. Et quid plura? diligentius et securius iam in eo
loco ex consuetiidine Faranitae ambidant nocte, quam aliqui hominum
ambidare potest in his locis, ubi via aperta est. In eo ergo loco de
inter montes exivimus redeuntes, in quo loco et euntes inter montes intra-
veramus : ac sie ergo denuo plicavimus nos ad mare. Filii etiam Israel
revertentes ad montem dei Syna usque ad cum locum, reversi sunt
per iter quod ierant: id est usque ad cum locum, ubi de inter montes
exivimus, et iunximus nos denuo ad mare rubrum, et inde nos iam
iter nostrum, quo veneramus, reversi sumus: fdii autem Israel de
eodem loco, sicut scriptum est in libris sancti Moysi, ambulaverunt
iter suum. Nos autem eodem itinere et eisdem mansionibus, quibus
ieramus, reversi sumus in Clesma. Die in der Hinreise gegebenen
39*
61 2 Über einen neu aufgefundenen Eeisebericht nach dem gelobten Lande.
ausführlicheren Nachrichten über Klysma hat Petrus Diaconus*) auf-
behalten: Äntequam vero pervenias at montem sanctum bina, occurrit
castrum Clesma super mare rubrum, tibi filii Israel sicco pede transierunt
mare. Vestigia autem currus Pharaonis in mediis arenis parenf usque
359 in sempiternum. Motae autem ipsae inter se multo plus habent, quam
currus temporis nostri, qui nunc in Romano imperio fiunt. Nam
inter rotam et rotam viginti et quatuor pedes et eo amplius fiierunt:
orbitae autem ipsae habent binos pedes in lato. Vestigia vero currus
Pharaonis usque ad mare accedunt, tibi autem ingressus est in mare^
dum vuU filios Israel comprehendere. In eo autem loco, in quo in-
gressi sunt filii Israel in mare, id est, quo usque Pharaonis orbitae
parent, in hodie duo signa posita sunt, unum in dextro et aliud in
sinistro, idem ac si columellae factae sunt. Locus autem ipse non longe
a Castro est, id est de Clesma. Clesma autem ipsa in ripa est, id est super
mare: nam portus est ibi clausus, [qui intro Castro ingreditur mare,] qui
portus mittit ad Indiam vel excipit venientes naves de India: alibi enim
nusquam in Romano solo accessum habent naves de India nisi ibi. Naves
autem ibi et multae et ingentes sunt: quare portus famosus est pro ad-
venientibus ibi mercatoribus de India. Nam et ille agens in rebus, quem
Logothetem^ appellant, id est qui singulis annis legatus ad Indiam
vadit iussu imperatoris Romani, ibi ergo sedes habet et naves ipsius ibi
stant. Hie est locus, ubi pervenerunt filii Israel fugientes a Faraone^
quando de Egypto profecti sunt: hoc autem castrum postmodum ibi
positum est pro defensione et disciplina pro incursione Saracenorum.
Locus autem ipse talis est, ubi totum heremi sinf, id est campi are-
nosi, excepto monte illo uno, qui incumbit in mari, in cuius montis
latere ex adver so colligitur marmor porphyreticum: nam ex eo dicitur
appellari mare rubrum, quod hie mons, qui per spatium grande super
mare rubrum iacet, rosseum lapidem häbeat vel porphyreticumt
nam et ipse mons quasi rosseo colore est. Qui tamen mons fuit in
dextro filiis Israel fugientibus de Aegypto, ubi tamen coeperunt se ad
mare appropinquare: nam venientibus de Aegypto ad dexteram partem
ipse mons est erectus valde et excelsus satis, ac si paries, quem putes
manu hominum excisum esse. Ipse atitem mons aridus est penitus^
ita ut nee fruticem in se habeat. Filii autem Israel exeuntes de Ra-
messe ptrimum per medias harenas errando ambulaverunt : cum vero
ad mare rubrum appropriaverunt , tunc mons de dextro Ulis qui ap-
parebat, in proximo (actus est, et iungentes se ipsi monti perveniurU
ad mare: latus autem montis illius excelsi de dextro Ulis veniebat ei
*) [Pag. 115 ed. Geyer a. a. 0.]
1) Die Handschrift hat loyotetema.
über einen neu aufgefundenen Reisebericht nach dem gelobten Lande. (} ) 3
mare de sinistro. Tunc subito euntihus eis ante ipsos apparuit locus
ipse, uhi mons in mare iungehat, immo ingrediehatur, ut promontoria
faciunt. Campus autem ipse, uhi filii Israel nocte illa manserunt cum
Moyse, inßnitus est et planities eius ingens. Distal vero locus, uhi
incumhit mons in mare, a Castro Clesma passus quingentos. Inter 360
castrum autem et ipsum montem medius est locus a promontorio
montis, uhi ingressi sunt filii Israel in mare et Pharao post eos.
Traiectus autem, uhi transierunt sicco pede mare rubrum, habet acta
milia passus in lato.
"Wenn die Identification von Klysma mit dem heutigen Suez
oder vielmehr mit dem 500 Schritt nördlich davon liegenden Qulzuni
der Araber^ noch einer Bestätigung bedürfte, so würde dieser Be-
richt sie geben. Merkwürdig aber sind die Angaben über die
Organisation des späteren römisch-indischen Handelsverkehrs, welche
jetzt sich erweisen als aufgezeichnet nicht im zwölften, sondern im
vierten oder fünften Jahrhundert.*) Dass in dieser Zeit in den wichtig-
sten Exporthäfen kaiserliche der schola agentium in rebus entnommene
Controleure stationirt waren und griechisch koyoMxat genannt wurden,
ist meines Wissens sonst nicht überliefert, passt aber wohl zu unserer
anderweitigen Kunde.**) Die sirenge Überwachung des Exports an
den Reichsgrenzen ist bekannt; zum Beispiel ordnet ein Erlass vom
Jahre 420 für jedes in das Ausland fahrende Schiff* vorher eine
regulirte Ausclarirung an 2. Eine Yerordnung vom Jahre 395 ferner
unterstellt das Postwesen in jeder Provinz einem agens in rebus
und weist diesen zugleich an die Schiff'ahrt nicht widerrechtlich
zu belästigen^. Diesem Oberpostmeister der Provinz ist der bei den
späteren Byzantinern mehrfach genannte Xoyo&ixrjg rov öqöjuov*^ sicher
verwandt, vermuthlich der den provinzialen vorgesetzte Generalpost-
1) Dillmann in diesen Sitzungsberichten 1885 S. 895 fg.
*) [Vgl. Meister a. a. 0. (Rh. Mus. 1909) S. 359.]
**) [Vgl. 0. Hirschfeld, Sitzungsber. d. Berl. Akad. 1893 S. 436 if.]
2) C. Th. 7, 16, 3: decrevimus , ne merces ilUcitae ad nationes harbaras defe-
rantur et quaeciimque naves ex quoUbet portu seu litor'e dimittuntur , nullam con-
eussionein vel damna susHneant. Es sollen darum vor der Abfahrt der revi-
dirende Militär {protector seu ducianus qui dispositus est) und der Capitän vor
der Ortsobrigkeit zu Protokoll erklären, wohin das Schiff fahre und dass die
Revision ordnungsraässig vollzogen sei, von welcher Erklärung der Capitän die
Ausfertigung bekommt, die Ortsobrigkeit den Entwurf behält.
3) C. Th. 6, 29, 8 = C. lust. 12, 22, 4: ngentes in rebus sing ulos per singulas
pi-ovincias mittendos esse censenms, quibus etiam inspiciendarum erectionum tantum
dd)eat ciira mnndari . ... nee nares debebunt illicita concussione vexare.
4) Z. B. bei Theophanes unter dem .1. d. W. 6251 und iu anderen in de
Boors Index S. 661 aufgeführten Stelleu.
614 Über einen neu aufgefundenen Eeisebericht nach dem gelobten Lande.
meister des Reiches. "Weder mit jenem noch viel weniger mit diesem
wird der locale Logothet von Klysma identificirt werden dürfen;
aber nicht zufällig ist auch er, wie der Provinzialpostmeister, agens
in rebus und nicht zufällig theilt er den griechischen Namen mit
dem Reichspostmeister; er ist ein Glied desselben Administrativ-
systems. Yon der Anordnung, dass der römische Controleur selbst
jährlich nach Indien fährt, vermuthlich also die römischen Indien-
fahrer Jahr für Jahr zur Flotte vereinigt, wie dies in der That
schon der Monsun fordert, ist meines Wissens sonst nichts überliefert.
3GI Zu Justinians Zeit hat der directe Handelsverkehr zwischen Rom
und Indien aufgehört; die Seide, welche die Römer damals aus dem
Osten bezogen, kauften sie bei den Aethiopiern, welchen durch
diesen Zwischenverkehr grosser Gewinn erwuchs ^
Klysma, das heutige Suez, erscheint hier als der Ort, wo die
Israeliten das rothe Meer durchschritten und es ist die Legende in
alle Einzelheiten ausgemalt bis auf die Maasse der Spur- und der
Radweite von Pharaos Wagen.
Von Klysma nimmt die Dame nicht den geraden Weg nach
Pelusion, sondern wendet sich links, um die bei dem Auszug der
Juden aus Aegypten genannten Ortlichkeiten in Augenschein zu
nehmen und, wie es ihre Gewohnheit ist, an jedem derselben nach
Verlesung des betreffenden Abschnitts der Bibel ihre Andacht zu
verrichten. Als das Ziel dieses Abstechers bezeichnet sie mehrfach
die civitas oder mansio Arahia, welche ihr gilt als die terra Gesse,
das Land Gosen der Genesis. Desiderii ergo fuit, sagt sie [c. 7], id de
Clesma ad terram Gesse exiremus, id est ad civitatem, quae api^ellatur
Arahia, quae civitas in terra Gesse est: nam inde ipsum territorium
sie appellatiir, id est terra Arahiae, terra lesse, quae tarnen terra
Egypti ^9«rs est, sed melior satis quam oninis Egyptiis est. Sunt ergo
a Clesma, id est a mare rubro, usque ad Arabiam civitatem mansio-
pes quattuor per heremo; sie tarnen per heremum, ut cata mansiones
monasteria sint cum militibus et praepositis, qui nos deducebant semper
de Castro ad castrum. In eo ergo itinere sancti, qui nobiscum erant,
hoc est clerici vel monachi, ostendehant nobis singula loca, quae semper
cgo iuxta scripturas requirebam. Nam alia in sinistro, alia in dextro
de itinere nobis erant, alia etiam longius de via, alia in proximo.
Und weiter nach einer Erklärung der Kreuz- und Querfahrten der
Israeliten: Nam et Epaideum ostensum est nobis, de contra tamen,
et Magdalum fuimus. Nam castrum est ibi nunc Jiabens praepositum
1) Procopius bell. Pars. 1, 20.
\
über einen neu aufgefundenen Reisebericht nach dem gelobten Lande. 615
cum milite, qui ihi nunc praesidet pro disciplina Romana. Nam
et nos iuxta consuetudinem deduxerunt inde usque ad aliud castrum,
et loehelsephon^ ostensum est nobis: immo in eo loco f'uimus. Nam
ipse est campus supra mare ruhnim, iuxta latus montis, quem superius
dixi, ubi fllii Israel, cum vidissent l'^yyptios post sc venientes, excla-
maverunt. Oton etiam ostensum est nobis, quod est iuxta deserta loca,
sicut scriptum est: nee non etiam et Socchoth. Socchoth autem est
rlivus modicus in media valle, iuxta quem coUiculum fixerunt castra filii
Israel: nam hie est locus, tdd accepta est lex pasehae, PitJwna etiam 362
civitas, quam aedifleaverunt filii Israel, ostensa est nobis in ipso itinere:
in eo tamen loco ubi iam fines Egypti intravimus , relinquentes iam
ferras Saracenorum: nam et ipsud nunc Phitona castrum est. Heioum
autem civitas, quae fuit illo tempore, id est ubi occurrit loseph patri suo
lacob venienti, sicut scriptum est in libro Genesis, nunc est come, sed gran^
dis, quod nos dicimus vicus. Nam ipse vicus ecclesiam habet et mnrtyria
et monasteria phirima sanctorum monachorum : ad quae singtda videnda
necesse nos fuit ibi descendere iuxta consuetudinem, quam tenebamus,
Nam ipse vicus nunc g,ppellatur Uero : quae tamen Hero a terra lesse
miliario iam sextodecimo est, nam in finibus Egypti est: locus autem
ipse satis gratus est, nam et pars quaedam fluminis Nili ibi currit.
Ac sie ergo exeuntes de Hero pervenimus ad civitatem, quae appellatur
Arabia, quae est civitas in terra lesse. Unde scriptum est dixisse
Fharaonem ad loseph: »In meliori terra Egypti colloca patrem tuum
et fratres in terra lessen, in terra Ardbiae«. [8] I)e Arabia autem
civitate quattuor milia piass^is sunt Ramessen. Nos autem, ut venire-
miis ad mansionem Arabiae, per media Bamesse transivimus: quae
liamessen civitas nunc campus est, ita ut nee unam habitationem
habeat.
Nach den Angaben der Pilgerin, dass Taphnis^ zwei, Klysma
vier Tagereisen von der Stadt Arabia, ferner Hero, zwischen Klysma
und Arabia gelegen, 16 Milien von diesem entfernt sei, kann über
die Lage von Arabia kein Zweifel sein: es ist der Ort, welcher in
den officiellen römischen Documenten Thou genannt wird, vermuth-
lich das Thuku der Hieroglyphen "^, nach dem Reisebuch von Taph-
1) Vielmehr et inde Belsephon [locus Behefon Geyer; i. e. Behephon Purser].
2) Im Auszug des Petrus p. 134 [p. 114 Geyer] Taphnis, im Jtinerar [c. 9] p. 50
Tathnis, Tatnis. 'Gemeint ist das bei den hebräischen Propheten als Pharao-
'Residenz vorkommende Tachphnes, Td(fvt] der LXX, Vuplino im Antoninischen
'Itinerar p. 162, jetzt Ruinen Teil Defenne. Die Lage entspricht der directen Strassen-
'richtung nach Pelusion.' Kiepert, (iamurrini sieht darin aus Versehen Tanis.
3) Nach Naville (the store-city of Pithom p. 5) wird in den hieroglyphischen
616 Über einen neu aufgefundenen Reisebericht nach dem gelobten Lande.
nis 32, von Klysma 92, von Hero 24 Milien entfernte Dass es in
der Provinz Augustamnica eine Stadt gegeben hat, welche in justiniani-
scher Zeit den Namen Arabia trug, wussten wir aus dem Städte-
verzeichniss des Hierokles und anderen Documenten 2, und mit Recht
363 hat Wesseling darauf den aegyptischen vofibg 'Agaßiag bezogen^.
Die Identification der nach Angabe unserer Pilgerin volkreichen
Stadt mit dem als Kreuzpunkt zweier Reichsstrassen und Garnison
eines Reiterregiments bekannten Thou ergiebt sich erst jetzt. Es
ist nicht unwahrscheinlich, dass auf diese Umnennung, die nur in
Dokumenten christlicher Zeit begegnet, die Worte der Genesis 46, 34
in der griechischen Fassung: ev yfj reoeju 'Agaßiag eingewirkt haben;
wenn Thou einmal galt als Hauptstadt des Landes Gosen, konnte
ihr wohl nach jener Bibelstelle der Name Arabia gegeben werden.
Aber die Bezeichnung Arabia kennt für diese Gegend schon Hero-
dot*, welcher das Wasser des Nil in den grossen Kanal eintreten
lässt xarvmod^e oXiyov Bovßdoriog nohog Tiagä Udrovjuov zijv Agaßirjv
nöXiv. Denn die hier bezeichnete Localität in der Nähe von Bubastis
trifft zu auf Thou oder Arabia und die bisher wohl ziemlich allgemein
angenommene Identification von Patumon mit Pithom wird, wie so
manche ähnliche auf Gleichklang gebaute, aufgegeben werden müssen.
Namenlisten dem achten Nomos von Niederaegypten als Hauptstadt gegeben
bald Pi Tun, bald Thuku oder Thuket, also entweder Pithom bei Hero oder Thou.
1) Itin. Ant. p. 170: Clysmo — L — Serapiu — XVHI — Hero — XXIIII
— Thou — XII — vico ludaeorum XII — scenas veteranorum; ferner p. 163:
Tacasarta — XIIII — Thou — XXVI — scenas veteranorum. Not. dign. p. 60
geeck: cohors I Augusta Pannoniorum Tohu.
2) Hierokles p. 728 Wess. neben Klva^a xdozQov. Sie wird auch in der-
selben Provinz, freilich verdorben in 'Avaßiovg, in dem Bisthümerverzeichniss
p. 81, 728 Parthey aufgeführt, sowie in dem Städteverzeichniss des Julius Honorius
an der Spitze der Städte des oceanus meridianus als Arabia (nitiobres setzen die
schlechteren Handschriften ein) oppidum neben Fossa Traiani. Der neueste
Herausgeber des Honorius Kubitschek p. 22, 34 hat nicht wohlgethan die Stadt
Arabia für 'ganz unmöglich' zu erklären.
3) Ptolemaeus 4,5,53 [24 Müll.]: 'Agaßiag vo/Äog xal ixrjXQojioXig ^axovoaa (vergl.
Strabon 17, 1, 26 p. h05); Plinius h. n. 5, 9, 49. Vergl. Wesseling zum Hierokles
a. a. 0. Auch bei Plinius 6, 29, 165 ist wohl herzustellen: sinus quem Arabiae
seu An vocant; die Handschriften haben arabiaesean D, arabiaesaean F, arabesean
B, arabesaeant F; und in dem letzten Wort haben die Aegyptologen die hiero-
glyphische Bezeichnung 'Herr von An' erkannt (Naville p. 8).
4) 2, 158. Die sprachlich wie sachlich unzulässige Emendation Navilles '
hat Dillmann a. a. 0. S. 891 mit Recht abgewiesen , aber nicht mit Recht be- !
stritten, dass Herodot den fraglichen Ort in die Nähe von Bubastis setzt. Er l
sagt keineswegs, was Dillmann ihn sagen lässt, dass der Kanal an Patumoa
vorbeiführt, sondern dass bei Patumos das Nilwasser in den Kanal eintritt.
I
über einen neu aufgefundenen Reisebericht nach dem gelobten Lande. 017
Die biblischen Namen der Orte, welche die Dame, von Klysma
kommend, besucht, sind das sogenannte Epäuleon neben der Strasse^,
auf dieser selbst Magdalon und Belsephon^, neben ihr üton^, auf
ihr Socchoth, Pithom, Ileroonpolis, Ramesse, worauf dann die terra
Gcsse oder die Stadt Arabia folgt. Von diesen ist Heroonpolis be-
kanntlich wenigstens der ungefähren Lage nach festgelegt durch
Navilles Entdeckungen, einen wahrscheinlich von einem Soldaten in
flüchtig eingekratzter Schrift mit Ero Castro bezeichneten Stein* und
den neunten Wegstein der Strasse ah Ero in Clusma mit 'den Namen 364
der Kaiser Diocletian und Maximiane Beide sind in Tell-el-Ma-
schuta gefunden worden, der letztere in den Ruinen des römischen
Castrum, also nicht am alten Platz ; wenn diese Steine an sich nur
nöthigen die alte Stadt ungefähr in diese Gegend zu versetzen, so
ist die Thatsache, dass Hero, auch nach dem Zeugniss der Pilgerin,
ein ansehnlicher Ort war und in dieser Gegend bedeutende römische
Ruinen allein bei Teil -el- Maschuta gefunden sind, für die Ansetzung
eben an dieser Stelle entscheidend. Der Reisebericht stimmt damit
insofern überein, als er die Entfernung der Stadt Hero von Klysma
auf vier Tagereisen weniger 16 Milien ansetzt, also die dafür im
Itinerar angesetzten 68 Milien durchaus bestätigt. Pithom setzt die
Pilgerin zwischen Klysma und Hero als letzte Station vor Hero,
Ramesse 12 Milien von Hero, 4 von Arabia. Die erste dieser An-
1) Exod. 14, 2: ä.-teravn xfjg ijiavXscog dvä fieaov Maydcokof xai dvä ^leaov xfjg
■&aldaoT]g.
2) Exod. 14, 9: djievavii tfjg sjiavkscog s^Evavriag Bsskaejiqxöv.
3) Exod. 13, 20: i^dgavieg de oi vlol 'Iooai]k Ix Soxxo^d EatgaTOJisdevoav Iv
'0§ü)/.i jiaQOL rtjv egrjfior.
4) Eph. epigr. V n. 14 [C. I. L. III S. 6624 vgl. 14146], im Stich bei Naville
Taf. 11 vergl. p. 6. Die ersten beiden Zeilen, von zwei verschiedenen Händen
eingekratzt, scheinen lo{cus) Eröpolis bedeuten zu sollen; olis hat vervollständi-
gend die zweite Hand hinzugefügt, von der auch die folgenden Zeilen herrühren.
5) Eph. epigr. V. n. 18 = 1327 [C. I. L. 111 S. 6633]. Dass die hier von
mir vorgeschlagene Interpretation der Schlussforrael ab Ero in Clusma mi(lia)
Villi verfehlt ist, habe ich schon fi-üher bei Dillmann a. a. 0. S. 898 ange-
deutet. Es ist allerdings wohl ohne Beispiel, dass auf den Meilensteinen ausser
dem Ausgangsort auch das Endziel des Weges angegeben wird, und ich habe
mich dadurch verleiten lassen, der Formel einen anderen Sinn unterzulegen.
Aber wie ab Ero m. p. Villi zu verstehen ist als ab Ero eunti hoc loco fiunt
m.p. Villi, so wird auch, wo das Ziel hinzutritt, die Phrase gefasst werden
müssen als eunti Clusma. Damit fällt, was über die Existenz eines zweiten
Klysma bei Isma'iliija am Timsahsee von Naville und von mir vermuthet worden
ist und ebenso die von dem französischen Gelehrten (p. 19) vorgeschlagene Cor-
rectur des Itinerars, dessen Ziffern vielmehr jetzt ihre volle Bestätigung finden.
618 Über einen neu aufgefundenen Reisebericlit nach dem gelobten Lande.
Setzungen stimmt insofern mit dem Resultat der Navilleschen Aus-
grabungen überein, als Pithom nach diesem Zeugniss zwar nicht,
wie I^aville dies thut, geradezu mit Hero identificirt wird, aber sehr
wohl in dessen nächster Nachbarschaft in der Richtung auf Suez
angesetzt werden kann. Die Ansetzung von Ramesse ist neu und
verdient die Prüfung der beikommenden Forscher. Aufmerksamkeit
verdient auch das Bildwerk, das die Pilgerin in Ramesse sah, unus
Inpis ingens Thehaeus, in quo sunt duae statuae exclusae inqentes, quas
dicunt esse . . . Moysi et Aaron. Endlich ist zu beachten die Angabe,
dass die Reisenden bei Pithom in die fines Acgypti eintraten, relin-
quentes terras Saracenorum. Also war damals die wüste Strecke von
Suez bis zum Kanal in der Hand der Saracenen; die römische
Herrschaft beschränkte sich, wie unsere Pilgerin sagt, auf eine Kette
von Posten und Klöstern ^jer heremum, ut cata mansiones monasteria
sint cum müitihus et praepositis.
XXXIll.
Die Papstbriefe bei Becla.*)
Beda berichtet in der Vorrede zu seiner Geschichte der englischen 387
Kirche über die von ihm benutzten Quellen. Die allgemein zugäng-
lichen macht er nicht weiter namhaft: unter den besonderen Gewährs-
männern nennt er in erster Reihe den Albinus, Abt von St. Peter in
Canterbury, welcher, was ihm über den Sprengel von Kent und die
benachbarten auf schriftlichem oder mündlichem Wege zur Kenntnis
i:;ekommen war (qiine vel monumcntis litterarum vel seniorum traditione
rognovcrat) , ihm durch Nothelms Vermittelung mitgetheilt habe (ea
<ive litteris mandata sive ipsins Nothelmi viva voce referenda trans-
misit). Daneben hebt er mit Nachdruck die aus dem päpstlichen
Archiv mitgetheilten Urkunden hervor. Auch sie verdankt er dem-
selben Notheimus, der, als Beda schrieb (731), Presbyter des Londoner
Sprengeis war, bald nachher (736) Erzbischof von Canterbury wurde
Mon. bist. Brit, 1 p. 328. 542) und hi dieser Stellung am 17. Oct. 741
starb (a. a. (). p. 329. 542). Nothelmus liomam veniens nonnullas Hn
lieati Gregorii papae, simul et aliorum pontificum epistulas perscrutato
I iusdem sanctae ecclesiae liomanae scrinio permissu eins qui nunc ipsi
rrdesiae ])raeest Gregorii pontificis invenit reversusqiie nobis nosfrne
liistoriae inserendas cum consüio .... Albini .... attulit. Wenn dies
uewöhnlich auf Gregor III. bezogen wird, der am 18. März 731 den
päpstlichen Stuhl bestieg, so ist es nicht bloss zweifelhaft, ob Beda,
als er diese Yorrede schrieb, bereits von dessen Antritt Kunde gehabt
hat, sondern es muss dessen Vorgänger Gregor IL gemeint sein, der
vom 17. Mai 715 bis zum 11. Febr. 731 den römischen Bischofsstuhl
einnahm. Die Vergleiclmng von Bedas grösserer Chronik mit der
Kirchengeschichte zeigt mit Evidenz, dass Beda schon, als er jene
schrieb, im Besitz dieser Papstbriefe war^ und jene Chronik ist im
*) [Neues Archiv 17 (1892) S. 387 — 396.]
1) Von einem dieser Schreiben h. eccl. 1, 29 giebt die Chronik (a. m. 4557
chron. min. ed. Momms. III p. 309]) sogar die verkürzte Subscription.
620
Die Papstbriefe bei Beda.
J. 725 abgeschlossen. Wenn ferner aus Bedas Worten hervorgeht,
dass Nothelm diese Urkunden wohl durch den Papst Gregor, aber vor
388 dessen Erhebung zur Papstwürde kennen lernte, so findet sich dafür
kein Anhalt, dass der spätere Gregor III. unter Gregor 11. eine dazu
geeignete Stellung eingenommen hat; Gregor dem Zweiten dagegen
wurde nach Angabe seines Biographen hihliothecae cura anvertraut,
bevor die Wahl zum Bischof auf ihn fiel. Nothelm hat demnach
jene Auszüge vor dem J. 715 gemacht.
Die von Beda in der Vorrede angekündigten päpstlichen Schreiben
finden sich in dem Werke selbst an den folgenden Stellen, wobei die
nur im Auszug mitgetheilten durch vorgesetzten Stern bezeichnet sind.
Gregorius (epp. G, 51 [6, 50 a ed. Hartmann MGH,]) servis domini
nostri (an die zur Bekehrung der
Angeln abgesandten Kleriker)
1,23
„ (epp. 6, 52 [6, 50 H.]) Aeiherio coe2nscopo(\onLjon) 1, 24
„ (epp. 11, 64 [1 l, 56 all.]) *Äugustino episcopo Cantu-
ariorum ^ 1,27
„ (epp- n, 68 [11, 45 H.]) Vergiliocoepiscopo (YonArles) 1, 28
„ (epp. 1 1, 65 [11, 39 H.]) Augustino coepiscopo (von
Canterbury) 1,
„ (epp. 1 1, 76 [l 1, 56 H.]) Mellito abhati (einem der zur
Bekehrung der Angeln Ab-
gesandten) 1,
(epp. 11, 28 [II, 36 H.]) '^ Atigustino (Bischof von
Canterbury) 1,31
„ (epp. 11, 66 [11, 37 H.]) Aedilberto regt Anglonim 1, 32
29
30
Bonifatius V.
}}
Honorius
Johannes IV. (electus)
Vitalianus
7ms^ (Bischof von Rochester) 2, 8
Aeduino regi Anglorum 2, 10
Aedilhergae reginae Aeduini
regis 2, 11
Aeduino regi Anglorum 2, 17
Honorio (Bischof von Canter-
bury) 2, 18|
*genti Scottorum 2, 19]
'^Tomiano cet. (an' den irischen
Klerus) 2, \\
Osvio regi Saxonum 3, %
1) Dieser Brief (die interrogationes Augustini) wird nur im Auszug gegeben,
ist aber ohne Zweifel zugleich mit dem folgenden an Vergilius gerichteten ab-
geschickt worden, da in dem ersten c. 7 auf diesen verwiesen wird.
Die Papstbriefe bei Beda. 621
Diesem Thatbestand gegenüber hat Ewald in seinen Studien über
das Register Gregors des Grossen (in diesem Archiv 3, 438. 542) die
Behauptung aufgestellt, dass IJeda 'nicht Abschriften aus dem Lateran-
'archiv, sondern, soweit es Gregor betriift, Copien der in England vor-
'handenen Originalbriefe aufgenommen hat\
Leichtfertiger ist gute Ueberlieferung selten misshandelt worden. 38^
Zunächst und vor allem ist Beda ein rechtschaffener Mann und
ein glaubwürdiger Zeuge. Einen verax historicus nennt er sich selbst
(Hist. eccl. 3, 17) und er hat ein Recht dazu; wer ihm nachgegangen
ist, wird ihm bezeugen, dass wenige Schriftsteller in thatsäch-
hchen Berichten mit gleicher oft peinlicher Genauigkeit ver-
fahren. Was er über Nothelm und dessen Arbeiten im päpstlichen
Archiv berichtet, ist so einfach und schlicht, dass es sich durch sich
selber schützt. Es kommt hinzu, dass für eine bewusste Unwahrheit
— und anders kann die Anschuldigung nicht aufgefasst ^i^erden —
doch irgend eine Absicht erfordert wird, eine solche aber in diesem
Fall schlechterdings unerfindHch ist, wie denn Ewald darüber nicht
einmal eine Vcrmuthung zu äussern gewagt hat. Aber weiter spricht
der Thatbestand an und für sich so deutlich, dass, auch wenn wir
Bedas Vorrede nicht hätten, die Herkunft jener Schriftstücke aus
dem päpstlichen Archiv nicht minder gewiss wäre. Es sind sämmtlich
päpstliche Schreiben, die Adressaten aber die verschiedensten:
Könige und Königinnen verschiedener englischer Staaten, Bischöfe
und Kleriker verschiedener englischer und irischer Sprengel, Bischöfe
von Lyon und Arles. Diese Mannichfaltigkeit wird etwas gemindert,
wenn man mit Ewald die Schreiben der späteren Päpste bei Seite
schiebt und sich nur auf die gregorischen beschränkt; aber wie kann
das, was für die alii poniiftres gelten soll, für Gregor nicht gelten?
und selbst in der Beschränkung auf Gregor sind die Adressaten
verschiedenartig genug. Alle diese Schreiben müssen in der römischen
Kanzlei sich befunden haben, können aber nie in irgend einem eng-
lischen Archiv vereinigt gewesen sein. Die Verlegenheitshypothesen
Ewalds (S. 543), dass der an den Bischof Aetherius von Lyon
gerichtete Brief wegen ungenügender Ortsangabe in den Händen des
Augustinus geblieben sei ^ und dass derselbe von dem Schreiben, das
1) Beda oder vielleicht schon Nothelm hat diesen dem Augustinus mit-
gegebenen Empfehlungsbrief, der in der Adresse nur den Namen des Empfängers,
nicht den Ort nennt, aus Versehen bezeichnet als gerichtet ad Aetherhtm Arela-
tensem episcopum. p]walds Annahme (S. 543), dass die päpstliche Kanzlei den
Brief falsch also adressiert habe, Augustinus ihn deshalb nicht habe abgeben
können und er darum in dessen Händen geblieben sei, supponiert nicht bloss
622 Die Papstbriefe bei Beda.
ihn bei dem Bischof Vergilius von Arles einführte, ja Abschrift
390 genommen haben könne, zeigen die Verkehrtheit jener Annahme in
ihrer ganzen Nacktheit; und auch wenn man von diesen zwei Briefen
absehen könnte, bleibt die Zurückführung der übrigen auf die 'in
England vorhandenen Originale', eine Unmöglichkeit.
Wenn Ewald weiter geltend macht, dass zwei andere Briefe
Gregors, der an Candidus gerichtete presbytero eunti in patrimonio
Galliis (6, 7 [6, 10 H.]) und der an den Eulogius, Bischof von
Alexandrien (S, 30 [8, 29 H. |) ebenfalls Nachrichten über die
britannischen Missionen enthalten und aus ihrer Nichtberücksichtigung
bei Beda folgert, dass das päpstliche Archiv für ihn nicht durch-
gesehen worden sei, so genügt die blosse Relation dieses Arguments
für dessen Widerlegung. Begreiflicher Weise sah Nothelm wesent-
lich auf die Adressen und die der bezeichneten Briefe, in denen nur
beiläufig oder indirect auf Missionen Bezug genommen wird, Hessen
•dies von vornherein nicht vermuthen.
Etwas anders verhält es sich mit dem Schreiben Beda 1, 27 =
Greg. 11, 64 [11, 56a H. |, einer ausführlichen Instruction des Papstes
an den englischen Missionar über eine Reihe ihm von diesem vor-
gelegter theologisch zweifelhafter Fragen. Dieses Schreiben liess
wenige Jahre nach dem Erscheinen von Bedas Kirchengeschichte der
Erzbischof von Mainz Bonifatius im römischen Archiv vergeblich
suchen: in scrinio Bomanar, ecclesiae, ut adfirmant scriniarU, cum
ceteris exemplarihus supra dicfi pontißcis quaesita non inveniebatiir^.
Daraus haben schon die englischen Herausgeber der Schriften Bedas
gefolgert, dass er dieses Schreiben nicht dem pästlichen Archiv ent-
nommen habe; und da es in der That eine kleine theologische Ab-
handlung darstellt, so wäre seine Verbreitung in Buchform an sich
wohl möglich. Aber wahrscheinlich ist der Sachverhalt auch hier
ein anderer. Beda theilt aus diesem Schreiben nur Auszüge mit und
giebt die Subscription desselben nicht an ; die Aufgabe dasselbe
ausfindig zu machen war also schwierig, und wenn die päpstlichen
Archivvorsteher es vergeblich suchten, so darf daraus nicht mit
höchst unwahrscheinliche Dinge — die Namen der Bischöfe von Arles und Lyon
können dem Augustinus doch nicht unbekannt gewesen sein — , sondern verstösst
auch gegen die Thatsache, dass die Adresse ganz richtig ist und nur den Ort
nicht nennt, was für Augustinus nicht nöthig war, den Nothelm aber leicht
täuschen konnte.
1) Jafie Bibl. 3, 96 [Bonif. ep. 33 ed. Dümmler MGH. Ep. III p. 284]. Die
Datierung auf das J. 735 ist wohl nicht ganz sicher; auf jeden Fall ist es vor
741 geschrieben, in dem Notheimus starb.
Die Papstbriefe bei Beda. 623
Sicherheit gefolgert werden, dass es nicht zu den von Nothelm in
diesem Archiv abgeschriebenen gehört hat. Bonifatius selbst war
ott'enbar der entgegengesetzten Ansicht. Veranlasst war seine Anfrage
ohne Zweifel durch Bedas Werk; wenn er das fragliche dort unvoll-
ständig mitgeteilte Schreiben zunächst in Rom suchen liess und, als
er es von dort nicht erhielt, sich deswegen in dem Schreiben, dem
jene Worte entnommen sind, an den inzwischen zum Erzbiscliof von
Canterbury erhobenen Nothelm wandte, dessen Betheiligung an 391
Bedas Werk Bonifatius aus dessen Vorrede kennen musste', so liegt
darin deutlich genug die Voraussetzung, dass dieser, dem Beda jene
Urkunden verdankte, wohl im Stande sein werde, die von ihm
genommene vollständige Abschrift dem Stifter der deutschen Kirche
mitzutheilen.
Ewald schliesst seine Beweisführung mit den Worten: 'Dass das
Materanensische Register Beda nicht seine Briefe lieferte, lässt sich
^endlich durch die durchgreifenden Unterschiede zwischen Original-
'brief und Copie im Lateran, Unterschiede, die ebenso zwischen
'der Bedaschen Form und der der Briefe unserer Sammlungen
'bestehen, bis zur Gewissheit nachweisen'. Dies ist einfach ein
Zirkelschluss. Beda ist der einzige Gewährsmann, welcher uns
über die Beschaffenheit des päpstlichen Archivs in vorkarolin-
gischer Zeit Auskunft giebt; und diese Auskunft giebt er dahin,
dass die damals im päpstlichen Archiv aufbewahrten Papstbriefe
den Originalen völlig entsprachen, insonderheit die Inscriptionen
und die Subscriptionen ebenso vollständig enthielten wie die
Ausfertigungen selbst. Ob man sie als die Concepte anzusehen
hat, die in der Kanzlei zurückblieben, oder als Abschriften der
Reinschrift, ist eine andere Frage; wahrscheinlich ist die letztere
Auffassung die richtige, da die nach Ewalds (S. 544) richtiger
Bemerkung eigenhändig von dem Briefsteller hinzugefügte Schluss-
1) Dies lehrt die zugleich von Bonifatius [ep. 33 D. a. E.] an Nothelm ge-
richtete Frage, in quoto anno ab incarnatione Christi praedicatores primi missi
a sancto Gregoiio ad gentem Anglcyrum venissent. b'ebersendung der Schriften
Bedas erbittet Bonifatius mehrfach von seineu englischen Correspondenten, dem
Erzbischof Ecberth von York und dem Abt Huetbertus von Wearmouth (ep. 61
p. 178; ep. 62 p. 180; ep. 100 p. 249 JaflFe [ep. 75 p. .347; ep. 76 p. 348; ep. 91
p. 376 Dümmler]). Wie früh Handschriften der Kirchengescbichte nach dem
•Continent gelangten, beweist die weitaus beste Cambridger Handschrift; sie ist
nach Henry Bradshaws sachkundigen Ausführungen (zu den Tafeln 139. 140 der
Londoner paleographical society) von demselben Schreiber wie das martyrologium
Wilbrordi (Paris 10S37) auf dem Continent, vielleicht in Epternach im J. 737
geschrieben.
ß24 Die Papstbriefe bei Beda.
formel detis te incolumem custodiat in den von Beda vollständig
niitgeth eilten Schreiben sich ebenfalls vorfindet. Diese muss in den
Concepten gefehlt haben, ging aber natürlich in die Abschriften über.
Unter dieser Yoraussetzung erklären sich auch in befriedigender
Weise die bei Johannes Diaconus, dem Biographen Gregors über
dessen Correspondenz sich findenden Angaben. Derselbe kannte
bekanntlich sowohl die in Jahrbänden zusammengestellten Gregor-
briefe des päpstlichen Archivs wie auch den unter Papst Hadrian
davon angefertigten und in zwei Bänden veröfl'entlichten Auszug.
392 Nach diesem arbeitete er; aber wenn er angiebt, dass Gregor in
den Ueberschriften seiner Briefe sich ständig bezeichnet habe als
scrvus servorum dei (2, 1) und dem Adressaten die ehrenden Bezeich-
nungen diledissimus filius, resp. dominus und domina beigelegt habe
(4, 58), so entspricht beides dem Auszug nicht, wohl aber den auf
uns gekommenen Originalbriefen (Ewald S. 544 fg.). Dass Johannes
diese Angaben den im Lateran aufbewahrten Briefbänden entnahm,
ist nicht gerade nothwendig, aber in hohem Grade wahrscheinlich,
nachdem erwiesen ist, dass diese Kanzleicopien hierin den Origi-
nalen entsprachen; wenigstens findet sich nirgends bei Johannes
eine Hindeutung auf eine andere Quelle, und wenn ihm auch
der freie Gebrauch der vollständigen Sammlung nicht gestattet
ward, so genügte hiefür die allgemeine Kenntnis derselben, wie er
sie zeigt. Auch die Art, wie Johannes über das Verhältnis der im
Archiv aufbewahrten Gregorbriefe zu dessen Schriftstellerei sich
äussert (4, 71), ist dieser Annahme günstig. Licet Langobardorum
perfidia saeviente, heisst es bei ihm, 2J0st Esechielis tradatus ah exxm-
sitione librorum destiferit, ab exponendis tarnen epistulis quamdiu
vivere potuit numquam omnino cessavit, quarum videlicef tot libros in
scrinio dereliquit, qiwt annos advixit. Hierin muss doch etwas mehr
ausgesprochen sein, als dass Gregor seine Correspondenz bis zu
seinem Tode fortgeführt hat; vermuthlich haben jene Copialbücherj
keineswegs jedes von dem Papst ausgehende Schreiben aufgenommen,
sondern sind in dieselben nur diejenigen eingezeichnet worden, die
zu bleibendem Gedächtnis aufbewahrt werden sollten und durfte
insofern die Hingabe der Erlasse zur Eintragung in dieselben einiger-
massen auf die gleiche Linie gestellt werden mit der Schriftstellerei.l
Wenn Johannes diese Briefe nachher . bezeichnet als decretales, so
ist dies vermuthlich in demselben Sinne zu verstehen, als Gegensatzj
zu derjenigen ephemeren Correspondenz, wie sie auch in dem amt-
lichen Verkehr nothwendig vorkommt. Schwerlich ist Gregor deil
erste römische Bischof gewesen, welcher solche Copialbücher ange-
I
Die Papstbriefe bei Beda. 625
legt hat^, wenngleich Nothelm, da es sich nur um die englische
Kirche handelte, seine Durchsicht derselben selbstverständlich mit
Gregor begann; dass die folgenden Päpste in gleicher Weise fort-
fuhren, zeigen die bei Beda erhaltenen Erlasse seiner Nachfolger.
Nachdem die Vollständigkeit der In- und Subscriptionen dieser
päpstlichen Copialbücher dargelegt worden ist, bleibt noch übrig 393
auf deren Behandlung in den auf uns gekommenen Auszügen einen
Blick zu werfen; genaueres Eingehen auf die Einzelheiten ist dabei
nicht beabsichtigt und auch für den Zweck dieser Notiz nicht er-
forderlich.
In sehr befriedigender Weise hat Ewald gezeigt, dass, von ver-
einzelten Stücken abgesehen, unsere Kunde der Gregorbriefe auf
drei verschiedenen Excerptenmassen beruht, von welchen die erste
(Paulus bei Ewald) 53, die zweite (C. bei Ewald) 200, die dritte
{registrum bei Ewald) 686 Nummern umfasst. Die älteste Erwähnung
dieser Briefsammlungen hat er aber übersehen. Bonifatius von
Mainz (f 755) schreibt an den Erzbischof von York Ecberth (ep. 61
p. 180 Jaffe, nach dessen Ansetzungen zwischen 744 und 747 [ep. 75
p. 347 D.]): fraternitati tuae direxi exemplaria epistularum sancti
Gregorii, quas de scrinio Bomanae ecclesiae excepi, quae non rebar
ad Britanniam venisse: et plura Herum, si mandaveris, remittam,
quia multas inde excepi. Dies ist ohne Zweifel dieselbe Sammlung,
in der Alcuin um das J. 798 (ep. 93 p. 391 Jaffe [ep. 137 p. 215
Dümmler]) den Brief 1, 41 (= 43 Maur.) vergeblich suchte: episto-
lam, quam heati Gregorii de simpla mersione dicunt esse conscriptam,
in epistolari suo libro, qui de Borna nohis adlatus est, non invenimus.
alias vero omnes perspeximus in eo lihro, quem ad occidentalium
partium ecclesias, pontifices vel reges scripserai; denn jener Brief
fehlt, wie Ewald S. 442 bemerkt, sowohl in der Sammlung der 200
wie in derjenigen der 53 Briefe. Die Angabe, dass die gregorischen
Schreiben an Bischöfe und Könige des Occidents gerichtet seien,
passt allerdings genau auf keine von beiden; aber jede enthält der-
artige Schreiben in ziemlicher Anzahl und da diese beiden Samm-
lungen auch in den ältesten Alcuin gleichzeitigen Handschriften ver-
einigt auftreten, so wird auch er wohl eine derartige beide Samm-
lungen umschliessende Handschrift vor sich gehabt haben.
1) "Vgl. Gregorius ep. 11, 56 [11, 40 H.]: de eo quod ecclesiae restrae ex antiqua
consuetudine concedendum deposcitis, reqiiiri in scrinio fecimus et nihil inventum
est. unde ipsas nohis epistulas, quas vos dicitis habere, iransmittite, ut ex eis quod
concedendum est colligamus.
MOMMSEN, SCHB. VI. 40
626 I^iß Papstbriefe bei Beda.
Auf die Sammlung von 686 Nummern, welcher die in der
Biographie des Johannes zahlreich vorkommenden Briefauszüge ent-
nommen sind, bezieht sich dessen Angabe: ex qtiorum miiUitudine
(d. h. der in den vierzehn Jahrbänden des Archivs enthaltenen Ge-
sammtmasse der Briefe) primi Hadriani papae temporihus (772 — 795)
quaedam epistulae decretales per singulas indictiones excerptae sunt et
in duobus voluminibus, sicut modo cernitur, congregatae. In welchem
Verhältnis die drei Sammlungen zu einander stehen, wissen wir
nicht; auch die beiden erstgenannten scheinen wenig älter und über-
haupt die Gregorbriefe erst in den letzten Decennien des 8. Jahr-
hunderts in einer ohne Zweifel controlierten Auswahl zu allgemeiner
Kenntnis gelangt zu sein.
Gemeinsam ist den drei Auszügen die Abkürzung der Inscrip-
394 tionen durch Weglassung des servus servorum dei bei dem Namen
des Papstes und des dilectissimus filius oder dominus bei dem des
Adressaten. Eine Instanz gegen die Zurückführung der drei Aus-
züge auf eine und dieselbe mit vollständigen Inscriptionen versehene
Sammlung wird hierin keiner finden, der die im Mittelalter ständige
Verkürzung der Inscriptionen in den Sammlungen von Erlassen und
Briefen auch nur einigermassen kennt.
"Wichtiger ist die Frage, wie die Epitomatoren die chronologi-
schen Angaben behandelt haben. Das Archivexemplar war chrono-
logisch geordnet und jeder Jahrband ohne Zweifel am Anfang mit
der Bezeichnung der Indiction versehen; weiter war, wie die gleich
darzulegende Beschaffenheit der Auszüge zeigt, jeder Jahrgang in
Monatsabschnitte mit entsprechenden Ueberschriften getheilt. Ausser-
dem hat ein jeder Brief seine Subscription, das heisst, es findet sich,
wie dies namentlich Bedas Excerpte zeigen, am Schluss das Wort
data mit folgendem Tagesdatum nach dem römischen Kalender und
der Jahresangabe nach dem kürzlich in diesem Archiv (16, 54) [oben
S. 346] von mir erörterten justinianischen Schema, das heisst nach
dem Jahr des regierenden Kaisers, nach dem consularischen und
nach der Indiction. In den Auszügen ist diese Datierung in ver-
schiedenartiger Weise verkürzt.
In dem Registrum ist die Eintheilung der Briefe nach Indictionen,
wie die Bände des Originals sie darstellten, in der Weise beibehalten,
dass zu Anfang einer jeden Indiction dieselbe als Praescript steht.
Die dreifache Jahresangabe am Schluss wurde dadurch überflüssig
und ist weggelassen, während das Tagdatum bleibt. Ausserdem
aber zerfällt hier jede Indiction nach den Monaten in zwölf durch
die vorgesetzten Monatsnamen bezeichnete Abschnitte, welche, wie
Die Papstbriefe bei Beda. 627
schon gesagt ward, allem Anschein nach in dem Archivexemplar
ebenfalls sich befanden.
In der Sammlung der 200 Briefe sind die chronologischen An-
gaben, sowohl die vorgesetzten Indictionen und Monate wie auch
die Schlussdaten sämmtlicli beseitigt mit der einen Ausnahme, dass
vor 10, 44 [9, 143 H.] die Worte mense Mail indictione II stehen-
geblieben sind (Ewald S. 578), also eine einzelne der Monatsüber-
schriften.
Eigenthümlich sind die Daten behandelt in der kleinen Paulus-
Sammlung (Ewald S. 580). In der einen Gruppe derselben steht
am Schluss des Briefes das Tagdatum (meistens mit Durchzählung
der Monatstage) und die Indiction; in der anderen Gruppe finden
sich die gleichen Angaben am Anfang der Briefe. Jenes erste Ver-
fahren erklärt sich von selbst; das zweite hängt wohl zusammen mit
der Vorsetzung der Monatsabschnitte im Original.
Dass in diesen Auszügen bei den chronologischen Vermerken ,{<).")
häufig Verwirrung eingetreten ist, namentlich da, wo auf das Schluss-
datum eines Briefes das Praescript des folgenden Monats folgt, ist
begreiflich; aber dass, wie Ewald (S. 572. 595) meint, ausser dem
Datum des Briefes selbst auch noch das der Eintragung in das
Copialbuch in dem Archivexemplar gestanden haben soll, dafür sehe
ich auch nicht den Schatten eines Beweises und halte überhaupt in
Beziehung auf Gregor das sogenannte Eintragungsdatum für eine
derjenigen Hallucinationen , welche die im Uebrigen so dankens-
werthe und so aufklärende Untersuchung Ewalds über diese wichtige
Sammlung mehrfach verunstalten.
Nachdem die vorstehende Notiz abgeschlossen war, ist mir aus
Ewalds Nachlass durch Hrn. L. Hartmann über die sogenannten
interrogationes Augustini (S. 620) eine Mittheilung zugekommen, die
mit der hier erörterten Frage in Zusammenhang steht und deren
mir gestattete Veröffentlichung ich nicht unterlassen will.
Dass in der bekannten Handschrift Lucca n. 490 (Ende 8. Jahrh.)
am Schluss der Historia ecclesiastica des Eusebius-Rufinus der zu-
nächst leer gebliebene Raum mit dem fraglichen Schreiben (11, 64
der Ausg. [11, 56 a ed. Hartmann MGH.]) ausgefüllt worden ist, hat
Duchesne in der sorgfältigen Beschreibung der Handschrift (lib.
pontif. 1 p. CLXV) anzugeben nicht unterlassen. Aber es wird erst
jetet bekannt, dass in diesem Text die bei Beda fehlende Einleitung
erhalten ist. Dieser Eingang lautet:
40*
ß28 I^ic Papstbriefe bei Beda.
Responsum heati Gregorii ad Augusiinum ep(iscopu)m,
quem Saxonie in predicatione direxerat; inter cetera et ad
locum. Per dilectissimos meos fllios Laurentium (Laurentius
Hs.^ pr(es)b(yte)r(um) et Petrum monachum fraternitatis
(fraternitati Hs.) tuae scripta suscepi, in quibus me de multis
capitulis requirere curasti. sed quia praedicti filii podagrae
me invenerunt dolorihus adßictum et cum urguerent citius se
dimitti, ita relaxati sunt, ut in eadem me doloris adflictione
(eodem me dolores adflictionem Hs.^ relinquerent ; singulis
quibusque capitulis, ut debui, latius respondere non valui.
Dann folgt I cap. de episcopis qualiter und weiter der Text, wie
er bei Beda steht, nur dass die interrogationes und responsiones V.
VI. VII fehlen. Dass dieser Eingang auch Beda vorgelegen hat,
ergiebt sich aus der gleichartigen Nennung der beiden Sendboten.
Gregor entschuldigt sich hier, dass in Folge seiner Krankheit und
der beschleunigten Abreise der Sendboten er sich kürzer als er
gesollt habe fassen müssen. Adresse und Unterschrift fehlen und
396 auch die Einleitung scheint als unvollständig bezeichnet zu werden;
denn die Formel inter cetera et ad locum, die in der Consultatio
veteris iuris consulti (5, 6. 6, 12. 16. 17. 18. 19. 9, 7. 13. 18 Krüger)
und in den alten Excerpten aus der römischen Synode von 502
(Maassen, Quellen des kanon. Rechts S. 583. 589) sowie auch sonst
nicht selten in den Sammlungen dieser Epoche gefunden wird, be-
zeichnet technisch die Aushebung eines Abschnittes aus einem längeren
Schriftstück.
Dass diese Interrogationen nichts sind als ein Schreiben des
Papstes an den Missionar, wird durch den jetzt bekannt werdenden
Eingang bestätigt. Die Aufnahme der kurzen schriftlich dem Papst
vorgelegten Fragen in das Antwortschreiben selbst bedarf keiner
Rechtfertigung; die Fassung der Antworten, von denen die eine (7)
auf ein anderes Schreiben des Papstes Bezug nimmt, ist durchaus
die in den Briefen übliche.
Die Frage, ob dieser Brief von Gregor selbständig publiciert
worden ist oder wir ihn nur durch das Lateranische Copialbuch
kennen, wird durch diesen Fund nicht entschieden. Dem Schreiber
unserer Handschrift, einem Zeitgenossen Papst Hadrians I., kann
das Copialbuch des Lateran ebenso zugänglich gemacht worden sein
wie einige Decennien früher dem Nothelm, und mir scheint diese
Annahme die einfachste und nächstliegende zu sein, obwohl ich nicht
behaupten will, dass sie die ausschliesslich mögliche ist.
XXXIV.
Bemerkungen zu den Papstbrieten der Britischen
Sammlung.*)
Jaffe-K. 631; Löwenfeld, Epp. Pont. Rom. 8. 2 n. 3; Ewald, 187
Neues Archiv V, 509 n. 3. In dem Adressaten Probus hat Ewald
mit Recht den episcopus Carmeianensis erkannt, der an den römischen
Synoden 501, 502 theilnahm. Gemeint ist der District, welcher in
der Not. dignitat. occ. c. 12, 18 also aufgeführt wird: procurator rei
privatae per Apuliam et Calabriam sive saltus Carniinianensis , auch
in der interpolirten Fassung des Über coloniarum (grom, p. 261) in
der Form, dass zu dem ager CoUatinus, den der bessere Text
zwischen Arpanus und Sipontinus \evzeich.net, hier zugeschrieben ist:
qui et Carmeianus. Der Ort ist wahrscheinlich Carmignano in (dem
ehemaligen) Calabrien zwischen Lecce und Nardo. Dass die Oert-
lichkeit als kaiserliche Domäne ausserhalb der municipalen Organi-
sation stand, zeigt die Notitia; darauf kann der conductor domus
regie bezogen werden, obwohl dessen Pachtbezirk nicht nothwendig
in der Diöcese des Probus gesucht werden muss.
JafFe-K. 648; Löwenfeld a. a. O. S. 4 n. 7; Ewald a. a. O.
S. 513 n. 12. Der episcopus Valvensis ist derjenige des alten Corfi-
nium, dessen Sprengel zu Gelasius Zeit schwerlich schon mit dem
von Sulmo vereinigt war; Salerno bei Ewald muss Schreibfehler sein.
Ob das in dem Briefe erwähnte Potentia die lucanische Stadt ist
(Potenza) oder die picenische (bei Recanati), ist nicht auszumachen;
beide liegen von Corfinium weit ab.
Jaffe-K. 705 (vgl. 663); Löwenfeld a.a.O. S. 9 n. 17; Ewald
a. a. 0. S. 517 n. 30. Den vicus Cluentimcs nennt die Inschrift C.
I. L. IX, 5804 [Cluenfensis], gefunden in Civitanuova in Picenum
zwischen Osimo und Fermo; ob derselbe mit der in älterer Zeit
mehrfach genannten Ortschaft Cluana zu identificiren ist, steht dahin.
*) [Neues Archiv 15 (1890) S. 187 — 188.]
630 Bemerkungen zu den Papstbriefen der Britischen Sammlung.
Jaffe-K 713; Löwenfeld a. a. 0. S. 9 n. 18; Ewald a. a. O.
S. 519 n. 38. Der aller "Wahrscheinlichkeit nach mit dem anconi-
tanischen grenzende Bisthumssprengel der ecdesia Camiscana kann
188 wohl kein anderer sein als der des südlich nächst angrenzenden
Territoriums von Numana, obwohl die Aenderung ziemlich weit
abliegt.
Jaffe-K. 981; Löwenfeld a. a. 0. S. 14 n. 25; Ewald a. a. O.
S. 540 n. 9. Auf Grund des schon früher bekannten Fragments
dieses Briefes (Mansi, Coli, concil. IX, 734) haben die Neapolitaner
Topographen (zuletzt Corcia, Storia delle due Sicilie II, 97) den nur
hier genannten vicus Fenicolensis mit dem vico di Pantano, südöstlich
von Castel Yolturno in Campanien identificirt. Jetzt, wo das
Schreiben vollständig vorliegt, sehen wir, dass es von zwei be-
nachbarten Sprengein handelt, der ecdesia VuUurnina vel vici Feni-
eulensis und der ecdesia Pariensis (wofür bei Mansi Parisiensis ge-
druckt ist). Bei der letzteren kann wohl nur gedacht werden an
das alte Liternum, jetzt Torre di Patria; ob die handschriftliche
Ueberlieferung danach zu ändern oder Patria aus Paria verdorben
ist, weiss ich nicht zu entscheiden. Der vicus Fenicolensis muss in
oder bei Castel Volturno gesucht werden; vielleicht hat die jetzt
gangbare Identificirung hier einmal das Richtige getroffen.
Jaffe-K. 966; Löwenfeld a. a. 0. S. 20 n. 39; Ewald a. a. 0.
S. 561 n. 70. 71. Der presbyter Turinatis ecdesiae, welche zur
Diöcese von Spoleto gehört, kann unmöglich ein Priester von Todi
sein, das eine eigene Diöcese bildet. Aber nachzuweisen weiss ich
jene Ortschaft nicht.
XXXV.
Die Historia Brittonura und König Lucius von
Britannien.*)
Zu den Verdiensten, die der geschichtlichen Forschung durch 285
mich erwachsen sind, werde ich immer dasjenige zählen, dass Hein-
rich Zimmers 'Nennius vindicatus' (Berlin 1893) vielleicht nicht
erschienen wäre, wenn nicht meine durch die Arbeiten für die
Monumenta Germaniae historica veranlassten Anfragen und Wünsche
diesem Werke zum Hebel geworden wären. Mag man mit den
darin enthaltenen Ausführungen mehr oder minder einverstanden
sein, mag man die Behandlungsweise derjenigen Männer, für die
irische und kymrische Texte dermasseu ein siebenfach versiegeltes
Buch gewesen sind, dass sie dazwischen keinen Unterschied fanden,
vielleicht im Bewusstsein eigener Unvollkommenheit etwas gemildert
wünschen, darüber wird kaum eine Meinungsverschiedenheit bestehen,
dass das Buch uns den geschichtlichen Horizont erweitert und in
dem Kreis derjenigen Forschung, die von dem untergehenden Römer-
staat zu den Anfängen der Neuzeit die Brücke finden möchte, die
Zweige des Keltenstamms zu rechter Geltung gebracht hat. Aber
dies weiter und eingehender auszuführen, der merkwürdigen Spät-
zeitigkeit des Urahnen Paddys, des h. Patricius und allerlei anderen
nützlichen und gelegentlich scherzhaften Dingen auf Zimmers Spuren
nachzugehen, ist nicht die Absicht dieser kurzen Notiz; meinem
Arbeitsfelde liegen diese Untersuchungen meistentheils nur insoweit
nahe, dass ich daraus belehrt worden bin, und an Aus- und Gegen-
schreibern wird es Zimmer nicht fehlen. Ich beabsichtige nur über
eine Hs. der Historia Brittonum, deren Collation Zimmer (S. 201) aus
dein ivon mir für 4ie MG. beschafften Apparat vorgelegen, die er
aber nach meiner Meinung nicht so, wie sie es verdient, gewürdigt
') [Neues Archiv 19 (1894) S. 283 — 293.]
632 J^ie Historia Brittonum und König Lucius von Britannien.
hat, einiges nachzuholen und über eine der wichtigsten Controversen,
die an die alte Brittengeschichte sich knüpfen, die Genesis des ersten
christlichen Brittenkönigs Lucius eine kurze Bemerkung anzuschliessen.
Es handelt sich um die Handschrift von Chartres n. 98, saec.
IX/X, kurz beschrieben in dem vortrefflichen Katalog der französi-
286 sehen Departemental- Bibliotheken Bd. 11 S. 51 und für mich, nach-
dem die Hs. nach Paris gesandt war, dort von meinem Freunde
Girard verglichen. Hauptsächlich enthält sie Schriften von Isidor,
Rabanus, Augustinus; die Brittengeschichte ist auf, wie es scheint,
früher freigelassenen Blättern f. 2'. 5'. 167 hinzugeschrieben; der
Text läuft auf diesen fort, bricht aber ab in c. 37 unserer Ausgaben
in den Worten a me quod postulas, abgeschrieben anscheinend aus
einem defecten Original, da darunter der Plan einer Kirche ge-
zeichnet ist und die Hs. selber vollständig zu sein scheint.*)
Die bisher bekannten Texte der Brittengeschichte reichen in
ihren verschiedenen Klassen nicht weit zurück. Der ebenso älteste
wie vollständigste Text ist vertreten durch den Londoner Harleianus
3859, saec. X, der demselben keinen Autornamen vorsetzt. Mcht
aus diesem selbst, aber aus derselben Vorlage stammt die sehr zahl-
reiche Klasse der diese Schrift dem Gildas beilegenden Hss., welche
zwar nicht alles im Harleianus Enthaltene bieten, aber so weit sie
reichen, wesentlich mit demselben übereinstimmen. Dass dasselbe
auch von den Texten gilt, welche die Brittengeschichte mit dem
Namen des Nennius verknüpfen, sowohl den lateinischen wie der
kymrischen Uebersetzung, werde ich seiner Zeit rechtfertigen. End-
lich der Text, der die Brittengeschichte unter dem Namen des Marcus
anachoreta überliefert (hauptsächlich Yaticanus reginae 1964, saec. XI),
bietet manche selbständige und werth volle Lesung, ist aber augen-
scheinlich umgestaltet und nur durch schwer begreifliche Miss-
schätzung über den Harleianus gesetzt worden, mit dem er übrigens,
von der Variation der Wörter und der Phrasen abgesehen, im Grossen
und Ganzen übereinstimmt.
Allen diesen Texten gegenüber tritt der der Hs. von Chartres
nicht bloss als unter den erhaltenen wo nicht der älteste, doch dem
sonst ältesten Harleianischen gleichzeitig, sondern auch als unab-
hängig und selbständig.
In der germanischen Völkertafel (c. 17) fehlt in der guten Ueber-
lieferung dem dritten Sohn des Alanus, dem Negue, der vierte Sohn,
der Toringus der deutschen Ueberlieferung, während bei der Angabe
*) [Vgl. Mommsen, Chron. min. III p. 119.]
Die Hiatoria Brittonum und König Lucius von Britannien. 633
der von dem Negue abstammenden Völker auch im brittischen Text
die Taringi sich finden, wegen welcher dann späte Texte der Britten-
geschichte einen vierten Sohn Targus hinzusetzen. In der Hs. von
Chartres fehlt der vierte Sohn des Negue auch, aber die von Negue
abstammenden vier Völkerschaften heissen Bogari, Vandali, Saxones
et Turingi. Hier hat die Hs. von Chartres allein die zweifellos echte ^87
Ueberlieferung bewahrt.
Die viel besprochene Stelle c. 31 über die Ankunft der Sachsen
in Britannien, welche im Harleianus also und ähnlich in den Marcus-
Hss. lautet:
regnante Gratiano secundo Equantio Saxones a Guorthig&rno stis-
cepti sunt anno CCCXL VII post passionem Christi,
woraus die interpolierten Gildas -Hss. gemacht haben, offenbar mit
Rücksicht auf Beda h. eccl. 1, 15. 5, 24:
regnante Martiano secundo, quando Saxones a Guorthigerno sus-
cepti sunt anno CCCCXL VII post passionem Christi,
ist in der Hs. von Chartres, ähnlich wie im kymrischen Nennius
(Zimmer S. 191 f.), also gefasst:
regnante Grano (so) secundo cum Equicio Saxones a Guorthigimo
suscepti sunt anno CCCXL VII post passionem Christi.
Wie man immer über die Angabe selbst urtheilen mag, dass die
Datierung anschliesst an die Tafel des Victorius Aquitanus (chron.
min. 1 p. 716): anno CCCXLVII (a passione) Gratiano III. et
Equitio oder an dessen Ausschreiber Prosper (a. a. 0. S. 459), und
dass dieser Quelle die Hs. von Chartres am nächsten kommt, ist
augenfällig.
Die Beschaffenheit einer Hs. dieser Art verdient nähere Prüfung.
Der Titel lautet: incipiunt Exherta fu Urhacen de libro sancti
Germani inventa et origines et genelogia (so) Britonum. Derselbe
steht unter den Hss. des Werkes ganz allein, wenn man davon ab-
sieht, dass sie alle (die unsrige reicht nicht so weit) c. 47 nach
Abschluss des Berichts über den Guorthigirn bemerken: hie est finis
Guortigirni, ut in lihro heati Germani rej>peri. Ob exherta aus
excerpta entstellt ist oder zum Autornamen gehört, weiss ich nicht;
den letzteren — Urbacen kommt als kymrischer Personenname auch
sonst vor — können nur Celtice docti behandeln.
Ihrer Stellung nach zu den übrigen Hss, zeigt die unsrige in
einer Reihe einzelner Lesungen wie auch namentlich in der ziemlich
wörtlichen Aufnahme des Aeneas-Stammbaumes {de Romanis et Grecis
trahunt ethimologiam u. s. w^, San Marte zu c. 10 und Gunn in der
ß34 I^iß Historia Brittonum und König Lucius von Britannien.
Marcus- Ausgabe) sich der Marcus-Familie verwandt, während zwar
an "Willkürlichkeiten und Corruptelen auch in ihr kein Mangel ist,
aber sie doch keineswegs in dem Grade wie diese sich als Um-
288 Schreibung des überlieferten Textes darstellt. Bei genauer Prüfung,
die hier vorzulegen nicht erforderlich ist, habe ich gefunden, dass
der Marcustext aus dem von Chartres und einem interpolierten
Gildas-Exemplar contaminiert ist und also da, wo der erstere fehlt,
denselben keineswegs ersetzt.
Dem Inhalt nach zeigt der Text von Chartres, so weit er reicht,
von dem der übrigen im wesentlichen mit einander übereinstimmenden
die folgenden Abweichungen :
1) Der chronologische Anfangsabschnitt ist vorhanden, aber von
c. 3 (San Marte) springt er auf c. 5 und zeigt, dass die An-
setzung des Harleianus, wonach von Christi Geburt bis auf
die Abfassung des Werkes 831 Jahre verstrichen sind, sowie
alle ähnlichen der geringeren Recensionen den verschiedenen
Schreibern gehören und die älteste Fassung ein Abfassungs-
jahr nicht angab.
2) Die Historia Brittonum selbst ist folgen dermassen geordnet:
p. 31, c. 3. Britannia insula . . . . p. 32, c. 9 a. E. Britones
olisti (sehr, olim) impleverunt Britamiiam a mari usque ad
mare.
De genelogia Britonum. De origine Britonum de Romanis
et Grecis .... surrexerunt (im Allgemeinen, wie gesagt,
entsprechend der Marcus-Recension).
Casabellaunus rex Britannicus . . . . a quo tenuerunt
Saxones Brüanniam usque ad annum supradictum.
Britones a Briito dicti .... filius dei vlvi aUissimi
(entspricht wesentlich dem c. 18, p. 40 Z. 6 — 15).
Quando regndbat Br'do .... regndbat apud Latinos
(c. 11, p. 31 Z. 8-10).
p. 39, 4. Tres filii Noe diviserunt orbem . . . p. 40, 3 filii
Adam filii dei vivi.
(p. 40, 6—15 steht oben.)
p. 40, 17. Romani autem cum accepissent ... p. 41, 14. ab
initio mundi VCCXV.
(p. 41, 15 lulius igitur ... p. 46, 8 interfectus est in Gallia
fehlen in dem Chartres-Text).
p. 46, 9. Trihus «;*ci7>ws und so weiter bis zum Schluss ohne
' grössere Abweichung,
I
Die Historia Brittonum und König Lucius von Britannien. 635
Der Abschnitt c. 1 2 post intervallum — 1 7 libris veterum
nostroriim, die merkwürdigen irischen Wandersagen ent-
haltend, fehlt.
3) Von den hiernach im Chartres-Text zwischen p. 32 und 39 289
des unsrigen auftretenden Stücken ist das dritte c. 18 {Brittones
a Bruto — filii Lamcch, welcher Stammbaum hier bis auf
Adam und den deus vivus altissitnus verlängert ist) in unserem
Text auch vorhanden, aber an anderer Stelle. Augen-
scheinlich stand dieses Stück in dem ältesten Text am Rande;
hier haben wir dafür den unmittelbaren Beleg, da es in die
beiden Hss.-Klassen zwar gleichmässig übergegangen ist, aber
an verschiedenen Stellen steht, welche, wenn man die den
beiden Texten zu Grunde liegende Ur-Hs. ins Auge fasst,
nahe zusammen rücken.
4) Dasselbe gilt von dem kurzen vierten Stück; auch dies ist
beiden Klassen gemein, aber an verschiedenen Stellen ein-
gelegt und offenbar ebenfalls vom Rande in den Text ge-
kommen.
5) Für den Abschnitt unseres Textes, der die fabelhafte Vor-
geschichte des Stammvaters der Britten Brutus erzählend ihn
zum Enkel des Aeneas und zum Tödter seines Vaters macht
(p. 32 a. E. Aeneas post Troianum .... p. 34, 8 cuius frater
erat Bruto)^ bietet die Chartres-Hs. einen Ersatz an derselben
Stelle (nach c. 9) in dem auch in der Marcus-Recension befind-
lichen diesen Brutus ebenfalls an Aeneas anknüpfenden Stamm-
baum. Er trägt die Sonderüberschrift de genelogia (so) Brito^
num, welche, wie wir sahen, im Haupttitel wiederkehrt. Danach
stammen von des Aeneas Sohn Silvius und seiner Gattin
Labina (Lavinia), der Tochter des Latinus, drei Brüder ab:
Remus, Romulus und Brutus (dieser dritte Bruder ist in der
Marcus-Recension gestrichen), Kinder der Prinzessin und Nonne
Rea {filii reginae sanctimonialis Beae): Brutus consul fuit in
Borna epiromanus (so Chartres und Marcus) quando exjyugnavit
Hispaniam. Der ursprüngliche Text kennt wohl den Brutus
consul Romanus als Stammvater der Britten, aber knüpft den-
selben weder an Aeneas noch an den Eroberer Spaniens
D. Brutus Callaicus, wobei die HieronjTuus-Notiz a. Abr.
1875 unter der Rubrik consulum Bomanorum: Brutus Hiheriam
usque ad oceanum suhigit als Quelle gedient hat.
6) Für das ebenfalls dem Chartres-Text fehlende grosse Stück
c. 20 J«(?ms — 29, welches im Wesentlichen einen Auszug aus 290
^36 ^i6 Historia Brittonum und König Lucius von Britannien.
der römischen Kaisergeschichte von Caesar bis auf Gratian
darstellt, giebt die zweite jener vier Einlagen der Chartrest^^
Hs. auch eine Art Ersatz. Unmittelbar anschliessend an
die eben erwähnte Aeneas- Brutus -Fabel folgt ein sonst
unbekannter Abschnitt, anhebend Casahellaimus rex Britanni-
cus et ipse fuit in ohviam Gai lulii Cesaris regis Borne,
dann eine Aufzählung der sieben römischen Kaiser, die nach
Britannien gekommen sind, sachlich übereinstimmend mit dem
Bericht in der Brittengeschichte c. 27 und offenbar die dort
angezogene vetus traditio seniorum nostrorum, wonach sieben
römische Kaiser nach Britannien gekommen sind; von dem
achten und neunten, die der bisher bekannte Text hinzufügt:
Bomani autem dicunt novem fuisse, weiss der Chartres-Text
nichts.
Offenbar liegt uns in diesem Text die älteste Fassung der
Brittengeschichte vor: die Interpolationen c. 11 und 18 sind da, aber
noch nicht eingereiht; die Aeneas-Brutus-Verklitterung und die sieben
Kaiserfahrten von Rom nach Britannien sind auch da, aber anders
und noch etwas toller als in dem späteren Text gestaltet und eben-
falls nicht eingereiht. Wirft man diese vier im Chartres-Text zu-
sammenstehenden Stücke, sowie die in demselben ohne Ersatz
fehlenden heraus, wie es offenbar geschehen muss, um den ursprüng-
lichen Text herzustellen, so schliessen das Ende von c, 9 und der
Anfang von c. 17 aneinander; und dass dies ursprünglich der Fall war,
dass die Uebergangsworte c. 10 z. A. : si quis scire voluerit, qtw
tempore post düuvium habitata est Jmec insula, hoc experimentum
hifarie invenl und c. 17 z. A. : aliud experimentum inveni de isto
Britto ex veterihus libris veterum nosfrorum nur eingesetzt sind, um
den langen Einschub c. 10 — 16 zu decken, hat schon Hager (die
Trojanersage der Britten. München 1886) unter Zustimmung Zimmers
S. 55 mit richtigem Blick erkannt. Also ist in der Chartres-Hs.,
soweit sie reicht, eine ältere Recension der Brittengeschichte erhalten.
Hägers weiterer Vermuthung, dass die älteste Fassung nur den
germanischen, nicht den römischen Stammvater der Britten gekannt
hat, entspricht diese ältere Recension nicht völlig, da der Brutus
consul Bomanus auch in ihr auftritt, aber er spielt hier eine so
untergeordnete Rolle, dass auch diese Annahme im Wesentlichen
bestätigt wird.
291 Ich knüpfe daran einige Bemerkungen über die Fabel von dem
ersten christlichen Könige Britanniens Lucius und deren Entstehung.!
im Anschluss an Zimmers Ausführungen S. 140. Es liegen uns darüber
Die Historia Brittonum und König Lucius von Britannien. 637
drei Berichte vor, und es ist von Wichtigkeit, deren Verhältnis zu
einander zu bestimmen.*)
Liber pontif. 1 p. 136 Duch. [1 p. 17 Mo.]: Eleuther . . . sedit arm.
XV. .... fuit auteni temporibus Antonini et Commodi [a Severo
et Herenniano (nach Chr. 171)] usque ad Paterno et Bradua
(nach Chr. 185). Mc accepit episiula a Lucio Brittanio rege,
ut Christianus efßceretur per eitis mandatum. Die handschrift-
liche Ueberlieferung, die bis in das Ende des 7. Jahrh. zurück-
reicht, ist fest.
Hist. Britt. c. 22: post CLXVTI annos post adventum Christi Lucius
Brittannicus rex cum omnibus regidis totius Brittanicae gentis
baptismum suscepit missa legatione ab imperatore Romanorum et
a papa Romano Eucharisto. Diese Nachricht gehört zu der oben
erwähnten Kaisergeschichte und findet sich nicht in der kurzen
von dem Chartres-Text dafür substituierten Fassung. So wie
angegeben, steht sie in der besten Klasse, den anonymen Hand-
schriften (nur dass diese zwischen imperatore und imperatoribus
schwanken), und selbst in der besten gildanischen (Cotton Calig.
A YIII); andere gildanische und der Marcus- Text hahen Euc(h)a-
risto durch Euaristo., noch andere durch Eleuthcrio ersetzt.
Diese beiden Lesungen sind deutlich Emendationen, die erste
an die Wortform sich anlehnend ohne Rücksicht auf die reci-
pierte Chronologie, die zweite dem Papstbuch folgend.
Beda hist. eccl. 5, 14 (vgl. l, 15): anno incarnationis dominicae
CLXVII Eleuther Romae praesul f actus quindecim annos ecclesiam
gloriosissime rexit, cui litteras rex Brittaniae mittens ut Christianus
efßceretur impetravit.
Ist diese Fabel — denn mehr ist es sicher nicht — von Rom
nach Britannien gelangt, wie man bisher allgemein angenommen hat,
oder, wie jetzt Zimmer aufstellt, von Britannien nach Rom? Man
wird ihm einräumen müssen, dass an sich die eine Annahme ebenso
möglich ist wie die andere, und er hat beachtenswerthe Argumente
*) [Die Frage ist neuerdings behandelt worden von A. Harnack, Sitz.-Ber.
d. Berl. Akad. 1904 S. 909 ff. Er kommt (S. 911) zu folgendem Ergebnis: 'Begegnet
uns irgendwo und irgendwann eine Nachricht, am Ende des 2. Jahrhunderts
und zur Zeit des römischen Bischofs Eleutherus habe sich ein König dem
Christenthum genähert, so haben wir in erster Linie an den König Abgar IX.
von Edessa zu denken. — Abgar IX. von Edessa hiess aber nicht nur Abgar
bar Ma'nu, sondern sein voller Name lautete: Lucius Aelius Septimius Megas
Abgarus IX. . . . Er ist der einzige Abgar, der den Namen Lucius geführt hat.
Damit haben wir den »König Lucius«, den wir brauchen.']
638 I^iö Historia Brittonum und König Lucius von Britannien.
dafür beigebracht, dass die Legende überhaupt nicht allzu hoch
hinaufreicht. Aber bei unbefangener Erwägung wird- man doch nicht
umhin können, an der jetzt gangbaren Ansicht festzuhalten und den
Bericht in der Brittengeschichte anzusehen als abgeleitet aus dem
292 Papstbuch. Ich will dafür nicht geltend machen, dass jener Bericht
zu den in der ältesten Fassung der Brittengeschichte fehlenden Ab
schnitten gehört; ebenso wenig, dass die uns vorliegenden Hss. des
Papstbuches mit dem Ende des 7., die der Brittengeschichte mit dem
10. Jahrh. beginnen; beides ist nicht entscheidend. Aber entscheidend
ist das Verhältniss der beiden ältesten Berichte zu einander. Wenn
dem Redacteur der Papstbiographie die Brittengeschichte vorlag,
so konnte er freilich den darin genannten Papstnamen nicht auf-
nehmen, mochte dieser Eucharistus lauten oder (was sehr unwahr-
scheinlich ist) Euaristus ; denn einen Papst Eucharistus giebt es nicht
und den Papst Euaristus setzt die überlieferte Chronologie unter
Nerva und Trajan 96 — 108. Aber wenn er den Papstnamen änderte,
so hätte er, da der Kaiser in dem englischen Bericht nicht genannt
ist, durch das J. 167 auf Soter kommen müssen; warum er den
Eucharistus des Jahres 167 zum Eleutherius der Jahre 171 — 185
umwandelte, ist unverständlich und schliesst die Ableitung des
römischen Berichts aus dem brittischen aus. Umgekehrt ist die
brittische Kaisergeschichte, zu welcher dieses Stück gehört, allem
Anschein nach eine an römische Quellen sich anlehnende, aber von
Fehlern aller Art erfüllte, wahrscheinlich aus dem Gedächtnis ge-
machte Aufzeichnung; wer den Carausius zum Caritius oder Carutius
(Curacius in der Hs. von Chartres, Carinus bei Marcus), den Maxi-
mus zum Maximianus, den Vater Constantins Constantius zu dessen
Sohn machte, kann füglich auch den Eleutherius des Pontificalbuches
in einen Eucharistus verwandelt haben. Wir werden also den
Ursprung dieser Erzählung nicht bei den Britten, sondern in dem
Kreise der römischen Päpste zu suchen haben.
Dass Beda in diesem Berichte hauptsächlich dem auch sonst
stetig von ihm benutzten Pontificalbuche folgt, ist evident. Aber
die Jahrzahl 167 steht nicht bloss in diesem nicht, sondern sie ist
mit demselben in Widerspruch und das Zusammentreffen mit der
Brittengeschichte kann nicht zufällig sein. Da in dieser, wie dies
auch Zimmer anerkennt, von Benutzung Bedas schlechthin keine
Spur sich findet, vielmehr derjenige Redacteur, von dem die harleia-j
nische Recension herrührt, diesen sicher nicht gekannt hat, so bleibtj
nichts anderes übrig als die Annahme, dass Beda unsere Britten-I
geschichte vorgelegen hat. Zimmer lehnt dies freilich ab, abei
Die Historia Brittonum und König Lucius von Britannien. 639
meines Erachtens mit Unrecht. Auch die Namen Vortigernus, Hors,
Hengistus treten bei beiden in solcher Gleichmässigkeit auf, dass
unabhängige populäre Tradition bei beiden schwerlich zu Grunde 293
liegt, vielmehr die eine Quelle aus der andern geschöpft haben
muss. Dass der gelehrte Verfasser der sächsischen Kirchengeschichte
eine so untergeordnete und vermuthlich ihm anonym vorliegende
Quelle, wenn auch benutzt, so doch nicht genannt hat, scheint mir
sehr begreiflich. Ist dies richtig, so ist die Brittengeschichte, und
zwar nicht in der ältesten Form, wie sie aus der Hs. von Chartres
erschlossen werden kann, sondern derjenigen, welche der Harleianus
bietet, genähert, wenn auch sicher mit dieser nicht identisch, vor
dem Jahre 731 abgefasst und wird die älteste Fassung mit ziem-
licher Sicherheit dem 7. Jahrh. zugeschrieben werden dürfen. Diese
Zeitbestimmung stimmt auch mit Zimmers weiteren belehrenden
Ausführungen im Allgemeinen überein.
XXXVI.
Zu den Annales Vedastini.*)
430 In den Bibliotheken von Hamburg (n. 269) ^ und von Kopenhagen
(n. 2088) finden sich von Lindenbrogs Hand zwei Abschriften einer
Handschrift angeblich des Victor Tonnonensis, deren Aufbewahrungs-
ort er nicht angiebt und die seitdem verschollen ist ; dass es Abschrift
ist und nicht etwa eine moderne Compilation, wird schon dadurch
ausser Zweifel gestellt, dass bei der Notiz unter dem 7. Jahre
Alexanders der Schreiber zu den "Worten cehbrant simum dociorem
das Zeichen der Corruptel setzt und am Rande celeberrimum ver-
bessert. Es ist in dem älteren Archiv (6, 239. 10, 160) von diesem
Stück die Rede gewesen, aber in ungenügender Weise; zwar nicht
für die ältere Zeit, aber wohl litterargeschichtlich für die spätere
verdient die Handschrift eine gewisse Beachtung.
Die Hamburger Abschrift ist betitelt: D. Vidoris episcopi
Tonnensis chronica: Über uniis (auf dem Vorsetzblatt steht von
späterer Hand chronicon Vicforis episcopi Turonensis cum continua-
tione) und beginnt mit den Worten: anno XLII Octaviani Augusti
Caesaris, ex quo ante Aegyptus in provinciam redacta est et Cleopatra
cum Antonio victa, XXVIII anno, ah urbe vero condita XLII [sie],
Olympiadis CXCIII anno dominus nosfer lesus Christus in Betlehem
ludae nascitur transactis ab initio mundi secundum Hebraicam veri-
tatem awms IIIDCCCCL VI, secundum LXX interpretes VCXCVIIIL
Gleichmässig gehen die Nachrichten fort bis zum Tode Justinus II.;
dann folgen unter der Ueberschrift: nunc continuator Victoris Notizen
*) [Neues Archiv 16 (1891) S. 430-431. — Vgl. Mommsen, Chron. min. II
p. 175.]
1) In demselben Band, aber wie es scheint nur durch Anweisung an den
Buchbinder mit der anderen Chronik vereinigt, findet sich eine Abschrift des |
sog, Barbaras Scaligeri mit der Ueberschrift: chronicon Georgii Ambianensi» ^
episcopi vel sicut alii dicunt Victoris Turonensis episcopi.
Zu den Annales Vedastini. 641
aus den Regierungen von Tiberius II., Mauricius, Phocas, Heraclius,
dessen Regierungsjahre angegeben werden mit XXVI, alihi XXVII;
die Notizen reichen nur bis zu seinem G. Jahr: Euduinus rex Ämjlo-
rum efficitur, worauf als Unterschrift folgt: Hucusque chronicon Isidori
Hispalieiisis cpiscopi.
Als Quellen haben für diese Compilation gedient hauptsächlich
Hieronymus, in dessen Weise die Notizen nach Kaiserjahren geordnet
sind, und Beda, aus dem zum Beispiel die beiden oben angeführten
Notizen, die erste wie die letzte, genommen sind. Ausserdem finden 431
sich bei ihm eine Reihe der auf den ostgothischen Theoderich bezüg-
lichen Angaben, welche aus Cassiodors Chronik in die jetzt als
chronicon Suehicum universale bezeichnete und aus dieser in die
Hermanns von Reichenau und in andere spätere übergegangen sind.
Benutzt ist ferner Isidors Chronik, welcher zum Beispiel die im
Archiv X, 160 bezeichnete Notiz über die Ueberführung der Gebeine
des heiligen Antonius nach Alexandreia entlehnt ist. Isidors Chronik
nennt auch die Schlussnotiz. Der Victor Tonnonensis dagegen und
die Fortsetzung des Johannes Biclariensis ist diesem Compilator so
wenig zugänglich gewesen wie den übrigen Chronisten des Mittel-
alters; wenn er den letzten auf Justin IL folgenden Abschnitt
bezeichnet als entlehnt dem continuaior Victoris, so beruht dies
lediglich auf der Vorrede Isidors, nach welchem Victor seine Chronik
usque ad consulatum lustini iunioris geführt hat. "Wenn der Ver-
fasser der Chronik daraus schloss, dass, was Isidor für die späteren
Regierungen beibringt, dem continuator Victoris entlehnt sei, so hat
der Urheber der Ueberschrift, vielleicht Lindenbrog, daraus weiter
gefolgert, dass, was vor dieser Notiz steht, dem Victor Tonnonensis
gehört, den er mit einer Anzahl von Isidorhandschriften Tonnensis,
der Schreiber des Vorsetzblattes mit anderen geringeren Isidorhand-
schriften Turonensis nennt.
Eigenthümlich sind dieser Compilation, wenn ich nichts über-
sehen habe, lediglich zwei Angaben:
am Schluss Justins I. : horum regum, videlicet Anastasii et lustini,
tempore sanctus Bemigius Remensis episcopus celeberrimus
praedicatur;
zum 8. Jahr Justins II. : Vedastus ohiit.
Aber sie beweisen zur Genüge, dass diese Compilation gallischen
Ursprungs ist, und machen es wenigstens wahrscheinlich, dass sie in
dem Kloster St. Vaast bei Arras entstanden ist.
Dies wird weiter bestätigt durch das Verhältnis dieser Compilation
zu derjenigen, welche Waitz (SS. VIII, 674 sq.) aus einer Handschrift
MOMMSEN, SCHR. VI. ^^
Qj^2 2*^ den Annales Vedastini.
von Douay als chronicon Vedastinum herausgegeben hat. Dieser
allerdings viel weiter ausgedehnten Bearbeitung scheint unsere Com-
pilation zu Grunde zu liegen und mag dieselbe vielleicht insofern
einer weiteren Durchsicht werth sein, welche meinem Arbeitskreis
fern liegt.
Aufmerksam machen möchte ich aber noch darauf, dass vielleicht
auch Otto von Freising diese Compilation gebraucht hat. Die Be-
merkungen 5, 4 fin. 5 am Schluss von Justinian I. : hucusque Victor
Turonum episcopus chronicas suas perduxit und § 9 bei Heraclius:
hucusque Isidorus episcopus historiam suam perduxit stimmen so
auffallend überein, dass, obwohl sich ja auch anderswo Aehnliches
findet, hier vielleicht directe Entlehnung stattgefunden hat.
t'es(
kl
XXXVII.
Zur Weltchronik vom J. 741.*)
Obwohl die an Bedas Schrift de temporihus sich anlehnende mit 548
dem J. 741 schliessende Weltchronik, deren späteren Teil Waitz zu
Anfang des 13. Bandes der MG. SS. herausgegeben hat und aus
deren früheren Abschnitten von Diocletian an eine Uebersicht in
meinen Chronica minora Bd. 3, S. 336 mitgetheilt ist, einen selb-
ständigen Werth als Geschichtsquelle nicht hat, so ist sie doch für
die Entwickelung der Historiographie nicht unberücksichtigt zu lassen,
wie denn alles, was wir der Art aus der in dieser Hinsicht so dürftig
vertretenen vorkarolingischen Epoche besitzen, schon seines Alters
wegen Aufmerksamkeit verdient. Aber eben die Altersfrage ist nicht
ausser Zweifel. Die nächstliegende Annahme, dass das Schlussjahr
die Epoche der Abfassung bestimmt, habe ich a. a. 0. S. 239 ver-
theidigt und wiederhole die dort vorgetragenen weiteren Argumente
hier nicht. Dem entgegen hat Waitz die Abfassung in das J. 800/1
gesetzt, weil die Schrift die in Bedas vorgenanntem Werk begegnenden,
von diesem auf das Abfassungsjahr 725 gestellten Beispiele für die
Jahrberechnungen auf die genannten beiden Jahre umschreibt. Dies
geschieht in der Leydener Hs. Seal. 28, welche hiefür Waitz allein
zu Gebote stand, da die Münchener diese Abschnitte weggelassen
hat. Seitdem ist eine zweite vollständige Hs. zum Vorschein ge-
kommen, früher im Besitz von Lord Ashburnham, jetzt in der
Pariser Bibliothek (nouv. acq. lat. 1615), gleich der Leydener aus
dem Anfang des 9. Jh. (Chr. min. 3, 237); es soll hier angegeben
werden, wie sie sich hinsichtlich dieser Computationen zu Beda und
zu der Leydener Schwesterhandschrift verhält. Die Pariser Lesungen
hat mir Hr. Vidier mitgetheilt, die Leydener, in Ergänzung dessen,
was Jaffe zu meiner Ausgabe der Chronik Cassiodors aus dieser Hs.
*) [Neues Archiv 22 (1897) S. 548-553.]
4r
644
Zur Weltchronik vom J, 741.
abgedruckt hatte, Herr Dr. S. G. de Vries. Ich gebe die Texte nach
Beda, indem ich die von den Ausschreibern geänderten Stellen in ( )
549 einschliesse , und setze die abgeänderten Zahlen der beiden Hss,
daneben ; beide stimmen, von diesen abgesehen, bis auf geringfügige
Varianten mit dem Text Bedas überein.
Beda c. 49.
Argumentum invenien-
di, quota sit indictio.
Hoc autem argumento,
quota sit, anno quocum-
que computare volueris,
indictio, repperies. sume
annos ah incarnatione
domini quotquot fuerint,
in praesenti verbi gratia
{DCCXXV): adde semper
III, quia quarta indic-
tione secundum Dionysium
natus est dominus, fmnt
{BCCXXVIIl): haecpar-
tire per XV, {quindecies
quadrageni sexcenti, quin-
decies octoni centum vi-
ginti ^: remanent octo):
octava est indictio . si
vero nihil remanserit,
quinta decima est.
Beda c. 52.
Argumentum, quot sint
epactae lunares.
Si autem vis cognoscere
per annos singidos, quot
sint epactae, sume annos
Leydener Hs.
nccc
DCCCIll
quindecies quinqua-
geni DCCL, quin-
quies noveni ^, rema-
nent VIII.
Pariser Hs. *
BCCCXXV,
geändert in
BCCXXV
BCCXXVIIl^
quindecies {quinqua-
geni BCCL, quin-
quies noveni^ : rema-
nent) octo (was in
( ) eingeschlossen^
steht auf Rasur).
1) Die Ausgaben Bedas und wohl auch die Hss, haben sinnlos centumnies.
2) XLV fehlt in der Hs.
3) Die ersten zwei Zeilen stehen von erster Hand auf Rasur: der Schreiber
scheint mit der Ueberschrift sich versehen und darum diese Tilgung vorge-^
nommen zu haben.
4) C übergeschrieben und später getilgt. 5) XLV fehlt auch hier.
Zur Weltchronik vom J. 741.
645
Leydener Hs.
Villi indictione
DCCCI
decies novies qua-
drigeni DCCLX, de-
cies novies bini
XXXVIII, rema-
nent tres.
DCCC
Pariser Hs.
VII 11^ indictione
DCCCXXV
decies novies quadra-
geni DCCLX, decies
novies octoni cen (so)
quinquais (so) / dis-
pandius (so) /, rema-
nent III.
Beda c. 52.
domini quot fuerint, ut-
2nita in praesenti {octava
indictione DCCXX V:) hos
partire per XV IUI, {de-
€ies novies triceni DLXX,
decies novies octoni cen
quinquais dipondius ^ : re-
manent III): hos item
midtiplica per XI, ßunt
XXXIII: tolle XXX, re-
manent III . tres sunt
epactae, id est adiectiones
hmares.
Beda c. 54.
Argumentum, quot sint
epactae solis et quando
hissexti annus.
Quoniam vero communis
atque indiscretus epacta-
rum, id est adiectionum
solis cum hissexto cur-
sus est, amhorum pa-
riter qui sit status,
argumento condisce. si
ergo vis scire, quando bis-
sextus dies sit, sume annos
domini {DCCXXV): par-
tire hos per quattuor et
si nil remanserit, bissextus
est, si vero unum aut duo
vel tria remanent, primus
aut secundus aut tertius
est annus a bissexto . ut-
puta quater centum CCCC,
{quater octogeni CCCXX,
quater assem IIII^, re-
1) So die Ausgaben; gemeint ist CLII.
2) Das muss Beda geschrieben haben; die Ausgaben quater aase (Giles hat
gar esse) quarta. 3) Geändert [VIII '^] in Villi.
550
DCCCXXV
quinquies octogeni
CCCC, faciunt
quinquies octogeni
CCCC, faciunt
646
Zur Weltchronik vom J. 741.
Beda c. 54.
manet unum quia primus
est annus a hissexto.) si
551 vis nosse adiediones solis,
id est concurrentes septi-
manae dies, sume annos
ab incarnatione domini
quot fuerint, utputa
(DCCXXV) per indidio-
nem odavam et annorum
qui fuerint quartampartem
semper adice, id est nunc
{CLXXXI , qui fiunt si-
mulDCCCCVI: his adde
IUI, fiimt DCCCCX).
hos partire per VII, sep-
ties centeni BCC, septies
triceni CCX^, et non re-
manet aliquid, quia Septem
sunt epadae solis, id est
concurrentes septimanae
dies.
Beda c. 58.
Argumentum quotus sit
annus cycli lunaris vel
decemnovennalis.
Ipse autem cyclus
lunae si vis nosse quo-
tum agat annum, sume
annos domini, utputa
{DCCXXV), d suUrahe
semper duo: remanent
Leydener Hs.
DCCC, partire per
quartum, toUeD CCC,
nihil remanet, quia
hissextus est.
DCCC
CC qui fiunt mille:
his adde IUI, fiunt
mille^.
DCCCI
Pariser Hs.
DCCC, partire per
quartam, tolleDCCC,
nil remanent ^, quia
hissextus est.
DCCCXXV
CCLXXXI (getilgt
und nicht gebessert*)
qui fiunt simul mille,
his adde III , fiunt
mille ^.
DCCCI
1) Die Worte septies centeni DGG septies triceni GCX kehren wieder in der
Leydener Hs., und auch in der Pariser Hs. hat wahrscheinlich der Schreiber
dasselbe setzen wollen; nach Vidier steht hier mit Dittographie septies centeni
da (ein Buchstabe getilgt) septies centeni da.
2) IUI fehlt.
3) [So die Vorlage.]
4) Das heisst nicht von alter Hand; ein später Corrector hat hier wie oft
die bedanische Lesung hergestellt.
5) Auch hier fehlt IUI. ■
DC
iiicli
lex;
liem
I9x
ki
iimj
Zur Weltchronik vom J. 741.
647
Beda c. 58.
{DCCXXIIl). hos par-
tire per X et Villi; re-
nianet unum: primus an-
nus est cycli lunaris . quo-
ties autem nihil remanet,
nonus decimus est . et quia
decemnovennalis circulus
communem cum lunari
viam quamvis ocior currit,
si vis scire et eins quotus
Sit annus, sume annos
dorn ini utputa (D CCX X V)
et unum semper adice:
sunt {DCCXXVI). hos
partire per X et Villi;
remanent {IUI: quartus)
est annus cycli decem-
novennalis . quod si nihil
remanserit, ultimus est.
Leydener Hs.
BCCXC Villi
BCCC
DCCCI
III, tertius
Pariser Hs.
DCCXCVIII
552
DCCCXXX corri-
girt in DCCCXXV
DCCCXXVI
wie Beda
Das Verhältnis des Leydener Textes zu dem Original ist, wie
es vor Jahren Jaffe dargelegt, einfach das der Umsetzung des Textes
vom J. 725 auf das J. 800 oder 801; mit beiden wechselt der
Schreiber, wie es scheint, um dadurch sich näher an Bedas Fassung
halten zu können. An zwei Stellen hat er Zahlen hinzuzufügen ver-
gessen und den Schluss von c. 54 aus Versehen ungeändert über-
nommen; im Ganzen aber ist seine Procedur klar.
Aber der Pariser Text ist ein seltsamer Wechselbalg. An zahl-
reichen Stellen zeigt er die ursprüngliche Lesung Bedas, zuweilen
rein, zuweilen wenigstens annähernd, so gleich zu Anfang statt Bedas
DCCXXV und des DCCC der Leydener DCCCXXV. Also ist er
nicht aus der Leydener abgeschrieben, da in dieser der ursprüngliche
Text so gut wie ganz beseitigt ist.
Andrerseits aber stimmt der Pariser Text wieder vielfach mit
dem Leydener überein; in c. 52 zum Beispiel ist die erste Hälfte
19x40 = 760 dem Leydener Text entnommen, während die folgenden
Ansätze wörtlich mit Beda stimmen. Selbst die vergessenen Zahlen
sind beiden gemein; wo Beda schreibt: fiunt DCCCCVI, his adde
IUI, fiunt BCCCCX, heisst es in den beiden abgeleiteten überein-
stimmend fiunt mille, his adde IUI, fiunt mille.
648 2ur Weltchronik vom J. 741.
Dafür giebt es nur eine Erklärung. Beide Hss. sind ab-
553 geschrieben aus demselben Original, in dem der reine Bedatext so
durehcorrigiert war, dass er auf das J. 800/1 passte. Der Leydener
Schreiber hat dies begriffen und ist im Wesentlichen der Correctur
gefolgt; der Pariser hat beide Fassungen durch einander geworfen
und so alles verwirrt. Wenn in der Hs. stand DCCXXV mit zu-
gefügtem C und getilgtem XXV, so schrieb jener DCCC, dieser
DCCCXXV.
Durch diese Wahrnehmung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass
die Umschreibung der Beda-Zahlen auf das J. 800/1 nicht von dem
Compilator der Weltchronik von 741 herrührt, sondern von einem
späteren Abschreiber. Unmöglich ist es allerdings nicht, dass die
Hs., aus welcher unsere beiden geflossen sind, das Autograph des
Compilators war und dieser selbst nachträglich die Ziffern geändert
hat; aber da auch sonst alle Anzeichen für ein höheres Alter der
Compilation sprechen, ist für eine derartige gewagte Hypothese
schwerlich Raum.
Für die verwickelte und historisch bedeutsame Geschichte des
Pontificalbuchs ist die Feststellung der Abfassungszeit des Chronicon
universale nicht ohne Belang. Duchesne hat gezeigt, dass dessen
Schreiber die cononische Epitome des Pontificalbuches ausgeschrieben
hat; für deren Abfassungszeit ist somit ein Termin ante quem gewonnen.
Wenn ferner das Pontificalbuch im fränkischen Reich später gebraucht
worden ist als in Italien und in England, so ist die Weltchronik,
die sicher im fränkischen Reich verfasst ist, für diesen Gebrauch der
älteste und wie es scheint aus vorkarolingischer Zeit der einzige
sichere Beleg.
XXXVIII.
Brief des Bischofs Theonas.*)
Die Organisation des Hofes wird ziemlich deutlich [in dem 109
Briefe] dargelegt. An der Spitze steht der praepositus cuhiculariorum
(c. 3: diversis officiis estis adscripü, et omnium tu, Luciane, prae-
positus diceris, quos omnes . . . potens es et regidare et instruere; cf.
c. 5: principis aut praepositi sui von dem Garderobenverwalter), der
die Bittsteller zur Audienz zulässt (c. 2 init.). Unter diesem stehen
(1) der Kassierer der privatae pecuniae principis (c. 4),
(2) der Garderobenmeister (qiii vestes et iniperialia detinet ornamenta,
0.5),
(3) der Verwalter des kaiserlichen Tafelgeschirrs (c. 6),
(4) der Hausverwalter {alia supellex, c. 3),
(5) die Leibdiener {qui corpus principis curare hdbent, c. 8),
(6) der Bibliothekar (c. 7).
Diese Hausordnung ist in schroffem Widerspruch mit derjenigen
der späteren römischen Kaiserzeit. Dass der praeiJOsiius s. c. die 1 10
Audienzen vermittelt, stimmt, und ebenso die Unterordnung der Leib-
diener, alles übrige ist geradezu pervers.
Der praepositus sacri cubiculi — so lautet der Titel — steht
allerdings schon unter Constantius II., vielleicht auch schon früher
unter den Beamten der ersten Rangklasse; aber nach der bestimmten
Angabe der Notitia dignitatum ist ausser dem cubiculum ihm nur
das kaiserliche Gestüt in Cappadocien unterstellt, und ist es
schlechthin unzulässig, ihn als das Haupt der Hofhaltung zu be-
*) [Brief Mommsens an Harnack vom 30. April 1894, gedruckt in Harnacks
Abhandlung über „den gefälschten Brief des Bischofs Theonas au den Oberkammer-
herrn Lucian" (Texte und Untersuchungen zur Gesch. d. altchristl. Literatur N. F.
Bd. IX Hefts, 1903) S. 109 — 113. Der Brief des Theonas, zuerst gedruckt im
J. 1675, ist von Harnack a. a. 0., nach dem Vorgange Battifols, als eine Fälschung
des 17, Jahrhunderts erwiesen worden.]
550 Brief des Bischofs Theonas.
zeichnen, welche Stellung eher dem magister officiorum zukommen
würde.
Die kaiserliche Kasse steht unter den beiden Hofbeamten für
die Finanzen, dem comes sacrarum largitionum und dem comes
rerum privatarum, welche niemals dem praepositus s. c. unterstellt
gewesen sind, ja noch unter Gratian (Cod. Theod. 7, 8, 3) ihm voran-
gingen. Eine kaiserliche Privatschatulle, wie sie hier vorausgesetzt
wird, kennt die römische Verwaltung nicht.
Die kaiserliche Garderobe steht unter einem dem comes sacra-
rum largitionum unterstellten Bureau {scrinium vestiarii sacri).
Die vasa argentea, aurea, chrystallina vel murrhina, escaria vel
potoria werden in derselben Folge in den Digesten (33, 10, 3) auf-
gezählt; in der Hausverwaltung sind sie nicht in dieser Weise com-
biniert. Wir kennen nur ein officium ab auro potorio (C. I. L. YI,
8733 [= Dessau 1812], 8969 [= Dessau 1829]) aus besserer Kaiser-
zeit,*) späterhin verschiedene Bureaus für das Gold und andere für
das Silber.
Die Hausverwaltung wird im 4. Jahrhundert der casfrensis sacri
palatii gehabt haben, ein Beamter der zweiten Rangklasse, aber dem
2)raepositus s. cub. nicht unterstellt.
Am längsten verweilt der Briefschreiber bei dem kaiserlichen
Privatbibliothekar, und in dieser Beziehung ist auch neuerdings das
Schreiben von Birt (das antike Buchwesen S. 113), allerdings nicht
ohne Bedenken, benutzt worden. Es wird nicht überflüssig sein, den
Gegenstand etwas eingehender zu erörtern.
Hinsichtlich der öffentlichen BibMotheken, deren es in Kom im
Anfang des 4. Jahrhunderts 28 gab, kann ich auf Hirschfeld (Yer-
waltungsgesch. I S. 186 ff. [2. Aufl. S. 298 ff.]) verweisen. Nach diesem
Muster richtete Constantius TL. in Konstantinopel eine öffentliche
Bibliothek ein (Themistius Orat. 4 p. 71 Dind.), welcher Julian
seine sämtlichen Bücher schenkte (Zosim. 3, 11 [§ 3]). Auf sie
111 bezieht sich die Verordnung des Kaisers Valens vom Jahre 372 (Cod.
Theod. 14, 9, 2), wonach dabei vier griechische und drei lateinische
Abschreiber (antiquarii) , sowie ausserdem das nötige Hilfspersonal
angestellt werden sollten. Einen zunächst wohl nur finanziellen
Oberbeamten der kaiserlichen Bibliotheken in Rom kennen wir in
der Mitte des 3. Jahrhunderts (C. I. L. VI, 2132 [= Dessau 4928], s.
Hirschfeld S. 190 [2. Aufl. S. 304]). In der nachdiokletianischen
Zeit wird ein entsprechendes Amt nicht genannt; indes kann es
*) [Außerdem ein solches ab auro gemmato aus Traianischer Zeit (C. I. L.
VI, 33764) BANG.]
Brief des Bischofs Theonas. 651
nicht zweifelhaft sein, dass das Bibliothekswesen der beiden Haupt-
städte in letzter Stelle unter deren praefecii urbi gestanden hat, wie
denn auch die Verordnung vom J. 372 an einen solchen gerichtet
ist. Privatbibliotheken werden in keinem grösseren Haushalt gefehlt
haben; aber unter den privaten Offizialen, welche namentlich die
Inschriften in reicher Fülle uns nennen, finden sich Privatbibliothekare
m. \V. nicht. Es kann dies wohl nicht anders erklärt werden, als
durch die Annahme, dass diese Thätigkeit in der römischen Haus-
ordnung der Regel nach nicht gesondert auftrat. Die lihrarii, die
Schreiber, wie z. B. Nico servus librarius des bekannten Gramma-
tikers aus hadrianischer Zeit L. Julius Yestinus (C. I. L. YI, 9520),
dürften diese Geschäfte mit besorgt haben und das Bibliothekariat
daher nicht nominell hervortreten. Bei der Entwickelung des Epi-
skopats haben die dazu gehörigen Bibliotheken grössere Bedeutung
und späterhin auch eigene Vorstände erhalten, wie denn aus Rom
und Konstantinopel von den bischöflichen Bibliotheken später öfter
die Rede ist, indes gehört dies einer späteren Zeit an.
Das unter dem kaiserlichen Personal auftretende Bibliotheks-
personal bezieht sich, soweit die Stellung näher determiniert wird,
auf die Verwaltung der öffentlichen Bibliotheken, und, wo die Deter-
minierung fehlt, wird im allgemeinen dasselbe gelten (der oft ange-
führte magister a hyhliotheca Latina Äpollinis, C. I. L. VI, 963*, ist
gefälscht). Die einzige mir bekannte sichere Ausnahme macht das
Verzeichnis des kaiserlichen Gesindes von Antium (C. I. L. X, 6638)
aus claudischer Zeit, welches zwei Freigelassene und zwei Unfreie
mit dem Prädikat a hyhliotheca anführt. Das auffallende Versagen
gleichartiger Zeugnisse aus späterer Zeit hängt wahrscheinlich zu-
sammen mit dem seit Claudius nachweisbaren und vielleicht von ihm
eingerichteten Hofamt a studiis. Die Verwaltung der kaiserlichen
Privatbibliothek, welche materiell nicht gefehlt haben kann, lässt
sich von diesem nicht wohl trennen, und es ist wiederum wohl 112
möglich, dass in diesem Bureau die Bibliothekar- und die übrigen
Geschäfte nicht scharf genug geschieden waren, um Sonderbenen-
nungen anzunehmen. Allerdings sind auch kaiserliche lihrarii nur
sparsam zu finden, und wo sie begegnen, meistens verschieden be-
zogen, wie z. B. der kaiserliche Freigelassene a lihris sacerdotalihus
(C. I. L. VI, 8878 [= Dessau 1685]) sicher nicht hierher gehört. —
Das Hofamt a studiis hat nachweislich noch unter Constantin be-
standen (1. c. VI, 1704 [= Dessau 1214]); späterhin wird es nicht
mehr erwähnt, ist aber schwerlich untergegangen, sondern kehrt
wieder als das Hofamt a memoria. Allerdings tritt das letztere in
ß52 Brief des Bischofs Theonas.
Grabschriften und bei Schriftstellern schon seit dem Anfang des
3. Jahrhunderts auf; aber es ist nichts im "Wege, entweder darin
die usuelle Bezeichnung neben der legitimen a studiis zu erkennen,
oder auch anzunehmen, dass beide Officien ursprünglich analog
gewesen und späterhin zusammengeflossen sind. Die Annahme Fried-
länders (Sittengesch. I^ S. 190) und Hirschfelds, dass das Amt a
studiis einfach verschwunden sei, ist wenig wahrscheinlich, da das
Bedürfnis mindestens in gleichem Masse fortbestand. Auch die
magistri studiorum, welche eine Verordnung von 338 (Cod. Theod.
12, 1, 26) nennt, dürften nicht durch gewaltsame Emendation zu
beseitigen, sondern von den drei Scrinien epistidarum, lihellorum und
a memoria zu verstehen sein, welche füglich unter dieser Bezeich-
nung zusammengefasst werden konnten. Bestätigend tritt hinzu
die Anordnung Leos (Cod. lust. 12, 19, 10), dass in dem Bureau
a memoria vier antiquarii sein sollten; denn obwohl diese Bezeich-
nung auch allgemein von den Schönschreibern gebraucht wurde,
so bezeichnet antiquarius technisch, wie bekannt, den für die
Bibliothek thätigen Kopisten älterer Schriften, und so dürfte es
auch hier auf die kaiserliche Privatbibliothek sich beziehen. Ge-
radezu aber geschieht dieser in zuverlässigen Quellen nirgends
Erwähnung.
Demnach scheint mir das Urteil über das fragliche Schriftstück
festgestellt zu sein. Es wird darin alles, was wir vom kaiserlichen
Haushalt wissen, auf den Kopf gestellt. Dagegen passt alles recht
wohl, wenn man für den Kaiser Constantin Franz H.*) oder Ludwig XIY.
an die Stelle setzt. Der grand chamhellan ist der richtige Vor-
gesetzte der Garderobe, des Silberzeugs, der Bibliothek u. s. w. im
kaiserlichen Hofhalt. Ob das noch genauer sich durchführen lässt,
113 videanf rerum peritil Römisch oder römisch-griechisch ist es nicht.
Die Albernheit der Instruktionen selbst, der Anweisung an den
Kassierer, über Ausgabe und Einnahme getrennt Buch zu führen,
an den Garderobier, die Kleider ohne und mit Flecken sorgfältig
aufzuzeichnen, an den Bibliothekar, teure Schrift nur auf besonderen
Befehl des Herrschers anzuwenden, ist vielleicht an sich kein Grund,
an der Echtheit zu zweifeln, passt aber doch sehr übel für die hohe
Stellung der betreffenden Beamten.
*) [Geraeiut scheint Franz I.]
XXXIX.
Rezensionen.*)
1.
Gerlach, F. D. und J. J. Bachofen: Die Geschichte der Römer,
Bandl, 1. Basel 1851.
Wir bedauern es unumwunden aussprechen zu müssen, dass dieses Unter- I3g
nehmen sich von vorn herein als gänzlich verfehlt ankündigt. Die Verf. (da
es aus dem Buche selbst nicht zu ersehen ist, was jeder der beiden auf dem
Titel Genannten beisteuert, scheinen sie solidarisch haften zu wollen; wenn
gleich nach manchen Andeutungen wenigstens der grössere Theil dieses Heftes
von Hrn. Bachofen herzurühren scheint) tadeln in der Vorrede Niebuhrs „geist- 139
reichen Skepticismus," als ob nicht gerade Niebuhrs eigenster Beruf die geniale
Conibination gewesen wäre und nur die flachste Auffassung ihn zum Nachfolger
Beauforts machte! Sie selbst machen sich allerdings dieses Vorwurfs nicht
schuldig, denn skeptisch sind sie nicht und wahrhaftig auch nicht geistreich.
Man höre: ^Virgils Aufgabe gestattete freier Erfindung keinen Raum" (S. 173);
„kein Ereigniss späterer Zeit kann mehr Glauben verdienen als das albanische
Bündniss" (S. 229) oder gar: „das Königsgeschlecht der Silvier ist historisch
gewiss; es wird verbürgt durch eine Bemerkung der Pontificalbücher." Nämlich
durch ein Citat der annales pontificum bei dem auctw de origine genlis Romanae,
von dem es historisch gewiss ist, dass er eine späte und schlechte mit lauter
falschen Citaten aufgestutzte Compilation eines historischen Romans ist. Man
wird sich hiernach denken können, wie in der gegenwärtigen Schrift Aboriginer
und Siculer, lydische Etrusker und städtebauende Pelasger ihr Wesen treiben.
Viel Neues ist uns dabei nicht vorgekommen; eine Sichtung des Altnationalen
von den späteren Zusätzen, ein Zurückgehen auf das was wir in Sprache, Sitte,
Religion und Staat wirklich vom ältesten Rom wissen können, ist nirgends mit
Erfolg versucht, nirgends mit historischem Tact das spätere Schul- und Poeten-
geschwätz von der einfältigen Sage gesondert. Der Stil bewegt sich in dem
unerträglichen Mittelzustand zwischen einfachem Schreiten und poetischem Flug,
*) [Zarnckes Literarisches Centralblatt 1850 Sp. 138 fg. und 1851 Sp. 786
(Jacobs n. 139. 190; vergl. Mommsens Brief an Zangemeister aus dem Jahre 1889,
bei Jacobs S. VII: 'Wenn ich Bachofen im C.-Bl. angezeigt habe, was ich nicht
mehr weiss, so wird das kein Beitrag zum Complimentirbuch sein'). — Diese
beiden, anonym erschienenen Besprechungen Mommsens bringe ich hier zum
Abdruck, da sie für seine Stellung zu der altrömischen Tradition, bereits vor
Abfassung seiner Römischen Geschichte, von Interesse sind. Die sonstigen, in
derselben Zeitschrift oder anderswo erschieneneu meist kurzen historischen
Rezensionen — die juristischen sind im 3. Bande der Juristischen Schriften
S. 469—578, die Anzeige der Biographie Lachmanns von M. Hertz ist in den
Philologischen Schriften S. 814 fg. abgedruckt — hier wieder zum Abdruck zu
bringen schien nicht erforderlich. Dieselben stammen sämmtlich aus den Jahren
1851-1854, vgL Jacobs S. 17 if.].
g 54 Rezensionen — Nachträge.
wobei gelegentlich ein ästhetisches oder logisches Fiasco nicht ausbleibt, z. B.:
„schon mit Ende Maimonats stehen Heu u. Weizen in Reife da" oder auch:
„Eichen, Eschen, Ulmen drängen sich Stamm an Stamm gleich den Nadeln eines
Stachelschweins." — Dies erste Heft führt die römische Geschichte bis nahe an
die Entstehung Roms; auf wie viele Bände das Werk berechnet ist, erfahren wir
nicht.
2.
Gerlach, F. D. und J. J. Bachofen: Die Geschichte der Römer,
Band I, 2. Basel 1851.
786 Die vorliegende Abtheilung umfasst die Königszeit. Herr Gerlach erzählt
uns zuerst noch einmal die Geschichtchen von den sieben Königen und erreicht
seine Absicht, sich von allen Ergebnissen der neueren Forschung fernzuhalten,
mit seltener Vollkommenheit. Es ist der reine Livius, auf den wir hier zurück-
kommen, abgesehen von Kleinigkeiten, z. B. dass Livius bedeutend kürzer und
besser schreibt als Herr Gerlach und keineswegs hinter jedem Köuigsleben über
den „Unverstand und Aberwitz" irgend eines seiner Collegen (diesmal besonders
des Hrn. K. W. Nitzsch) Staudgericht hält. Wir wollen Frieden schliesseu mit
Hrn. Gerlach; uns kommt es freilich lustig vor, wenn Hr. Gerlach weiss, dass
Romulus durch einen Steinwurf am Kopfe verwundet ward, oder wenn er Be-
trachtungen anstellt über die Wandelbarkeit des Glückes in Servius Tullius
langem Lebenslaufe, aber wer da glaubt, dem ist nicht zu helfen und eben
so wenig dem, der da nicht glaubt. — Von besserer Art ist der Abschnitt:
„die Grundlagen des römischen Staatsrechts" von Hrn. Bachofen; hier ist
mindestens wissenschaftliche Forschung und ein Versuch aus den wirklichen
Quellen zu schöpfen. Doch ist auch hier der Wahn, als ruhe die römische
Verfassung auf einer wesentlich theokratischen Grundlage, mit einer Hartnäckig-
keit durchgeführt, als gälte es das regium imperium mit dem Papstthum zu
ideutificiren. „Die Souveränität, sagt der Verf., ruht in der Gottheit, nicht im
Volke"; und Anathema, wer es nicht glaubt! Sollten wirklich auch in der
römischen Geschichte sich die Lager nach der Tagespolitik scheiden?
Nachträge.
Bd. IV S. 484 Z. 13 v. u. lies: Martins Verus statt: Martius Crispus.
Bd. V S. 352. Vergl. Th. Burckhardt- Biedermann, Römische Kastelle am Ober-
rhein aus der Zeit Diocletians (Westdeutsche Zeitschrift 25, 1906 S. 129 ff.).
Bd. V S. 366, 1. Vergl. Burckhardt -Biedermann a. a. 0. S. 174 ff.
Bd. V S. 561. Prof. Czwalina macht brieflich darauf aufmerksam , dass schon
die beiden Ballerini in der Ausgabe der Werke Leos d. Gr. (Venedig t. 2,
1756, S. 1015 f.) das Verzeichniss eingehend behandelt haben.
Inhalts verzeichniß zu Band IV — VI.
I. Sach- und Namenregister.
Abbaitae ('AßßaiEaaiJ IV 75, 4
Abella, Colonie V 206
Abellinum, Colonie V '206. 226. 229;
Magistrate: praetores duoviri V 208
Ablabius, praefectus praetorio V 546 ff.
Abundantius, magister militum IV 520.
555,6
Acerrae, Stadtrecht V 219
Achaia, durch Cäsar von Makedonien
getrennt IV 173
Acilius Rufus, Consulatsjahr IV, 383
Acro, König von Caenina IV 23. 33, 3
actor, privater V 608
Acutius Nerva, Consulat IV 426, 1
Administrativprocess V 505 f.
Adoption
Namenwechsel IV 397 f. 401. 467 f.;
V 350
testamentarische IV 398 f. 402flF. 408,2
durch Frauen IV 399 f.
rechtliches Verhältnis zur Adoptiv-
mutter IV 468
veränderter Charakter in der Kaiser-
zeit IV 400 ff.
Heimatberechtiguug IV 402, 1
ladsertor libertatis IV 347 ff.
adsessor VI 442 f.
[Advokatur, angesehener und einträg-
licher Beruf V 615 f.
lAedilen, Amtsantritt IV 101,23
Gleichstellung der plebejischen mit
den curulischen IV 101,23
Leitung des Frohndenbaus V 63, 1
[Äedilen]
ceriales, Einsetzung IV 196
municipale, den curulischen nach-
gebildet IV 101, 23
Aefulae (in Latium) V 72,2
Aegyptus, römische Herrschaft als
Fortsetzung der ptolemäischen em-
pfunden VI 102
Aushebung, Besatzung VI 24. 102. 151
in der Frovinzialeinteilung des 4. Jahr-
hunderts VI 565. 571
aegyptisches Kaiserjahr VI 345. 348 f.
aegyptische Königstafel VI 333
Aemilia, als Bezeichnung für die Land-
schaft V 274
Aemilii Lepidi, Praenomina IV 56
M. Aemilius Lepidus, Triumvir IV 162.
261
L. Aemilius Papus, Prätor von Sicilien
IV 56
L. Aemilius L. f. Paulus cos. 572. 586
Praetor im jenseitigen Spanien IV 57
hispanisches Dekret IV 56 ff.
auf dem Fabier-Bogen in Rom V 48
Zahl seiner Triumphe V 50 f.
L. Aemilius Paullus cos. 704 IV 134. 178
L. Aemilius Regillus, Prätor IV 56
L. Aemilius Scaurus IV 56
aera: Herleitung des Wortes VI 361
consulum VI 359 ff.
kleinasiatische, aktische V 529
diocletianische VI 349 ■
vandalische VI 355. 358
656
Sach- und Namenregister.
Aesernia, Municipium V 220
Aesolani = Aefulani V 72
Aesulum (= Aesis) V 72, 3
Aethiopier, Seidenhandel VI 614
Aetius IV 531 ff.
Bedeutung IV 631 f. 557
Laufbahn IV 532 ff.
Beziehungen zu den Hunnen IV 533.
537
hunnische Söldner IV 535
Gefolge IV 536; VI 456,6
Streit mit Bouifatius IV 536
Kämpfe in Gallien IV 535. 538
gegen Attila IV 542 f.
Tod IV 544
Ätolischer Bund IV 50 f.
Cn. Afranius Dexter, Consulat IV 379.
382
Tod IV 387
Africa, Latifundien V 145
militärische Ausnahmestellung VI 61 f.
militärische Organisation der Grenz-
distrikte VI 257
dioecesis Africae V 585 f.
Africanus, Quelle des Eusebius IV 498 ff.
Agelaos, Aetoler IV 51
agens vices praefecti praetorio in Rom
(im 5. u. 6. Jahrh.) VI 398. 431
agens in rebus = Xoyo&hr]?, in Suez
VI 612 f.
agentes in rebus (der Gothenzeit) =
comitiaci VI 408 f. 413 f. 425
ager, Kategorien V 88 f.
arcifinius V 89. 92 ff. ; arcifinius vecti-
galis V 91,1. 94 f. 104 f.
civitati adsignatus V 89. 93 f.
divisus adsignatus V 89 ff.
Ausdehnung V 153 f.
immunis V 91, 1
occupatorius V 92
privatus V 89
quaestorius V 153
stipendiarius V 93
tributarius V 93
agrorum adsignatio V 86. 89
ausschliessliche Grundlage des Pri-
vatbodeneigentums V 116. 153
durch den auctor nach verschiede-
nen Limitationsformen V 178, 1
[ager: agrorum adsignatio]
nicht notwendig bei Verwandlung
eines Municipiums in Colonie
V 116
agrorum divisio V 86
s. auch Bodenkategorien, Bodenrecht
Agricola, Laufbahn IV 414, 7
Agrippa, auf ihn zurückgehende An-
gaben der Peutingerschen Tafel
IV 87
Agrippiua (die ältere), Geburtszeit IV 272
Schwangerschaft IV 283 ff.
Agrippina (die jüngere), Geburtsjahr
IV 280 f.
ala, Stärke VI 262
seit Diocletian VI 217 ff.
Vocontiorum VI 62
alae Phrygum VI 61
Alamannen, Eindringen in die Schweiz
V 365 ff.
Alanen, Einfall in Gallien VI 169
Ansiedelung bei Orleans IV 538. 543
Alarich, Einfall in Illyricum IV 519. 523
Abmachung mit Stilicho IV 523 f.
Einfälle in Italien IV 525 ff.
Alba Longa V 71,5. 75
Albanus mons, Opfer der latinischen
Städte V 75. 79
Alexandrea, Besatzung VI 178
Alimenta, Aufsicht durch die curatores
viarum und procuratores alimen-
torum V 184
schon auf Nerva zurückgehend IV 435
Alimentationsspende des Plinius IV 435
Aliso, Lage IV 203, 1
Räumung IV 204, 3
Allifae V 206. 217
Alpendistricte, militärische Organisation
VI 256 f.
Alpenstrassen in der Schweiz V 380. 382
Ambitarvius vicus IV 278, 2. 279
Ameria, Municipium V 220
amici, in technischem Sinne IV 318 £
kaiserliche IV 320 ff.
Verleihung eines Siegelrings durch
Claudius IV 320, 2
cohors amicorum, Loslösung von der
cohors praetoria VI 3 ff.
s. comites
Sach- und Namenregister.
657
Amitinum, kein Stadtrecht V 71
Amphiaraos, Göttlichkeit V 504 f.
Amtjahr, Verlegung des Beginnes auf
den 1. Januar IV 101; Zweck der
Verlegung IV 113 f.
Ämterlaufbahn, Altersbestimmungen der
Kaiserzeit IV 414 ff.; Intervalle IV
417
Amulius, König von Alba Longa IV 20 f.
Anastasius (Kaiser) [vergl. auch VII
726 ff.], Abkommen mit Theoderich
VI 478
Anauni, Hauptort IV 293; Lage IV 303
Aneona, Colouie V 212
Angrivarier, Kampf mit Bructereru IV
374
C. Annaeus €. f., Senator V 507
Annales Vedastini, Quellen, Ursprung
VI 640 f.
vielleicht von Otto von Freising be-
nutzt VI 642
Annalisten der sullanischen Epoche IV43
Annius Gallus, Heerführer Othos IV 356
Antemnae , Krieg mit Romulus IV 23.
25. 27 f.
albanische Colonie IV 54, 3
Verlust des Stadtrechtes V 69
Anthemius, weströmischer Kaiser, vor-
her patricius IV 537, 6
uvriygarpeTg = referendarii VI 421
Antiochos (I) von Kommageue IV 84 ff.;
Grabmal IV 256
Antiochos (IV) Epiphanes, letzter König
von Kommagene IV 88
Antipolis = laniculum V 82
antiquarii VI 650. 652
Antium IV 54,2
C. Antius A. lulius A. f. Quadratus, Name
IV 408. 411, 2
Antonianer, vielleicht an Assignationen
nach Actium beteiligt V 214, 1
Antonini, Geistlosigkeit des Zeitalters
IV 469
Antoninus Pius, verleiht als Privatmann
Gelder zu niedrigem Zins V 612
ephesischer Volksbeschluss zu seinen
Ehren V 532
Brief an Fronto IV 474
Autoninswall V 449. 462
MOMMSEN, SCHK. VI.
Antonii, Patronat von ßononia V 214
L. Antonius, Beiname IV 176, 1
C. Antonius M. f. cos. 691 IV 177
M. Antonius, Verwandtschaft mit Juliern
IV 178
Verhalten gegen Cäsarmörder IV 17G
beantragt Verlängerung der Statt-
halterschaften im J. 710 IV 111. 13a
im mutinensischen Krieg IV 263 f.
Antonius Primus, Kampf gegen die
Vitellianer IV 362 ff.
L. Antonius Saturninus, Aufstand IV
450 f
apamenische Münzen mit Aufschrift
xoivov ^Qvyiag IV 67
Apolaustus, Schauspieler, Freigelassener
des Verus IV 484
Appianus, Quellen der Libyca IV 43;
für den Bürgerkrieg des J. 711/43
IV IHl
Briefwechsel mit Fronto IV 472
L. Appius [LappiusV] Maximus Norba-
nus. Besieger des Saturninus IV 451
(mit Anm.)
Apulum, canabae VI 183; Stadtrecht
VI 200
Aquae (bei Zürich), nicht Lagerstadt
von Vindonissa VI 182, 2
Aquileia, Stadtrecht V 236
Manius Aquillius IV 66
Aquincum, canabae VI 184; Stadtrecht
VI 200
Aquinum V 217. 234
Arabia, Provinz, im 4. Jahrhundert V 573
Arabia, Stadt VI 614 ff.
Arabio, numidischer Prinz V 472
Aratos (von Sikyon) IV 52
Arausio, Flurkarte V 108 ff.
Arbogastes IV 546,6. 555 f.; V 367
Arcadia, Provinz V 572
Arcadius, Konflikte mit Westrom IV
516 ff.
Einfluss der Reich spräfektur VI 297 f.
Perserkönig Vormund seines Sohnes
VI 480
architectus publicorum VI 432
Archivwesen V 339 ff.
Ardea, Colonie V 206 f.
Argentoratum, canabae VI 184
42
658
Sach- und Namenregister.
Aricia, Municipium V 73. 215 f.
Arigernus, vornehmer Ostgothe VI 456
Ariminum, Münzen mit Keltendar-
stellungen V 370. 386 ff.
als Bürgercolonie V 212. 226
Ariobarzaues , König von Kappadokien
IV 74 f.
Ariogaesus, Quadenkönig IV 495
Aristokratie, römische, in der ersten
Kaiserzeit V 591 f.
standesgemäße Liberalität V 591
Aristonikos, Erhebung in Asien IV 64
dQid-/j,6g = numerus (militärisch) VI 208
Armenia, maior und minor, prima und
secunda V 575 f.
Hilfskontingent VI 150
Arretium, Colonie V 207. 220
ArriusAntoninus, zweites ConsulatIV880
L. Arruntius, Consul im J. 6 n. Chr.,
Adoptivvater des Camillus Scribonia-
nus IV 466 f.
L. Arruntius Camillus Scribonianus, s.
Camillus Scribonianus
L. Arruntius Stella, Consulatsjahr IV
455 ff.
Arsinoitischer Nomos, Verzeichnis der
nQeoßvTSQOi xai aQX^ffodoi eines Dorfes
V 493 f.
Q. Articuleius Paetinus, Consulate IV
380,4
Asculum Picenum, Colonie V 234
Asetium, angebliche Triumviral-Colonie
V 217
Asia, Einrichtung der Provinz IV 64 f.
politische Organisation IV 65 f.
Besteuerung IV 65 ff.
Asianer conspirieren gegen Rom IV 65
Einführung eines neuen Kalenders V
518 ff.
C. Asinius Gallus, Proconsul von Asia
IV 184 f. 187. 192.
M. Asinius Marcellus, Konsulatsjahr IV
459 ff.
0. Asinius Pollio, spanisches Commando
IV 162
restauriert das Atrium Libertatis V 61
Quelle Appians IV 161
Aspar, byzantinischer Feldherr IV 534
Assignation siehe ager
Asturica, canabae VI 182,2. 186; Stadt-
recht VI 201, 2
Atelia, Stadtrecht V 220
Aternum, kein Stadtrecht V 220
Ateste, Colonie V 213. 229, 3.
Athalarich, Consulernenuuug VI 335
Untüchtigkeit VI 447
Schreiben an Papst Johannes VI 605 f.
Athanaricus, Gothenkönig VI 304 ff.
T. Atilius Sabinus V 327
Attalus III, Senatsbeschluss über sein
Vermächtnis IV 63 ff.
Attalus, von Pompeius in Paphlagonieu
eingesetzt IV 78
Attila, Reich und Hof IV 538 ff.
Einfälle in Gallien und Italien IV
542 ff.
titulares Heermeisteramt IV 548, 4
Sex. Attius Suburanus, Consulatsjahr IV
459 ff.
M. Aufidius Fronto, Enkel des Fronto
IV 480
C. Aufidius Victorinus, Schwiegersohn
des Fronto, Chattenkrieg IV 480 f.
Augusta Praetoria, Colonie V 214. 226
Gründungsort VI 177
Augusta Rauricorum, Gründung V 356
Zerstörung, Anlage des castrum Raura-
cense V 366
Inschriften V 372
Amphitheater V 373
Stadtrecht V 377 f.
Augusta Taurinorum V 222. 226
Augusta Vindelicorum V 356. 363
Augustini interrogatioues VI 627 f.
Augustodunum, Universität IV 334
Augustus, siehe Heer, monumentum
Ancyranum
Adoption IV 399, 1
Vaterbezeichnung IV 401
Daten der Gefechte bei Mutina IV
263 f.
Imperatortitel IV 263 f.
sicilischer Krieg IV 261
Beginn des Principats IV 266
Rücksicht auf die öffentliche Meinung
IV 166
Sparsamkeit IV 159
Streben nach der Erbmonarchie I Vl87f.
Sach- und Namenregister.
659
[Augustus]
Verhältnis zu Tiberius IV 188. 288
beeinflusst durch ägyptische Einrich-
tungen VI 79
Bestimmung über die Statthalter-
schaften IV 169
Provinzialautonomie V 553
Abneigung gegen die Frumentationen
VI 79
formelle Abschaffung der Gemeinde-
souveränität IV (iO
Colonien V 213 ff. 226 ff.
Heeresorganisation IV 158 ff. VI 6 ff.
20 ff
Rechenschaftsberichte IV 251
göttliche Verehrung bei Lebzeiten
' IV 267 ff.
Augustuskult, Verknüpfung mit dem
municipalen Pontificat IV 270
Aurelianus, Einsetzung der correctores
V 185
Aurelianus, Praefectus praetorio, Consul
im J. 400 n. Chr. VI 293 ff.
M. Aurelius (Cotta) cos. 680 V 507
M, Aurelius, Kaiser, Charakter IV 490 f.
Selbstermahnungen IV 490
Familie IV 475 ft'.
Briefwechsel mit Fronto IV 479 ff.
Imperatortitel IV 493 ff.,
Marcomanenkrieg IV 489 ff. 500 ff".
Regen wunder IV 498 ff.
Partherkrieg s. Verus
Einsetzung der iuridici V 181 f.
Stadtrechtverleihung VI 200
Christenpolitik VI 544
Aushebung, vgl. auxilia, cohortes prae-
toriae, Flottensoldaten, Legionen
leitende Gedanken der augustischen
Ordnung VI 70
Recht des Princeps VI 72 f.
Aushebungsbeamte VI 72
örtliche Aushebung VI 89. 58. 102 f.
legionare in den Senatsprovinzen VI
66 f.
nach der Rechtstellung der Individuen
und Gemeinden VI 75 ff.
auxiliare und legionare in Gallien und
Germanien VI 82 ff.
in Noricum VI 86
[Aushebung]
für die germanischeu Legionen VI 71
Ausonius = Auxouius VI 290 4
Auspication, des Romulus und Remus
IV 9 ff.
Autonomie der griechischen Städte
Asiens IV 65. 67 f.
auxilia, von Augustus geschaffen VI
20 f.; IV 165,1
Verwendung in und ausserhalb der
Heimat VI 94 ff.; der aegyptischen
VI 102; britannischen VI 99: daci-
schen VI 101 ; dalmatischen VI 100 ;
germanischen VI 97 ff.; mösischen
VI 100 f. ; palaestinensischen VI
101 f.; pannonischen VI 100; räti-
scben VI 99; sardinischen VI 97;
der Seealpen VI 99
africanische VI 61 f.
Benennung nach Völkerschaften VI 57
seit Diocletiau VI 215 ff.
zu den palatini gehörend VI 235. 239 ff.
Stärke VI 261
Auxiliarsoldaten, Namensforra VI 86 f.
Heimatbezeichnung VI 43 ff.; mit
städtischer Heimat VI 76
mit dem Bürgerreclit VI 75
Nationalität VI 57
nur aus kaiserlichen Provinzen VI 61 ff.
Auxiliaraushebung in Spanien VI 63 f.;
Gallien VI 64; Belgica und Ger-
manien VI 64; Britannien VI 66;
Illyricum VI 64; Syrien VI 65; pro-
curatorischen Distrikten VI 65;
Mauretanien VI 66
Aventicum V 365 f. 377. 422
Aventin, Auspicationsort des Romulus
oder Remus IV 14 f.
Avidius Cassius IV 484. 496
Q. Axius M. f. V 507 f.
Bäckerzunft in Rom VI 431,2
Baduila s. Totila
Baebius Macer, Consulat IV 380
Baebius Massa, Process IV 376
Bäcula, Schlacht VI 140
Baiae, Saison IV 294. 297
Baleares, Provinz V 585
42*
660
Sach- und Namenregister.
Balbi expositio et ratio omnium for-
marum V 146 ff.
Entstehungszeit V 147
mutmasslicher Verfasser u. Adressat
V 148
wahrscheinlich Einleitung zu den so-
genannten libri coloniarum V 172 f.
Baibus de asse wahrscheinlich ein
Fragment der expositio V 150 f.
Ballomarius, Marcomanenkönig IV 492,1
Banadaspus, Jazygenkönig IV 495
Banquiers, obligatorischer Grundbesitz
in Italien V 595
Barenau s. Varusschlacht
Basiliscus, Erhebung zum Kaiser IV 563
Bauto, magister militum IV 555
Beamtenlaufbahn, Zugang in der Kaiser-
zeit erleichtert V 616 f.
Beda, Papstbriefe in der Kirchenge-
schichte VI 619 ff.
Zuverlässigkeit VI 621
Benutzung der historia Brittonum
VI 638 f.
Verhältniss z. Langobardengeschichte
des Paulus Diaconus VI 513ff.
Belgica, verhältnismässig starke Aus-
hebung VI 22
Belisar, Gefolgsleute VI 243ff. 456, 6
Aussicht auf das weströmische Kaiser-
tum VI 481
Treue VI 483
Benevent V 212. 217. 222
Gruudbesitzverteilung V 128ff.
Bergalei, Streitigkeiten m. Comum IV
294
Berufe, angesehene V 614
Berufszwang, erblicher VI 255 f.
Besoldung, staatliche V 614f.
Bessus in Heimatangaben VI 51
Betriacum, Namensform IV 356, 1
Lage IV 356 f.
Truppenbewegungen vor der ersten
Schlacht IV 358 ff.
zweite Schlacht IV 362 ff.
Bibliothek, v. Plinius Comum geschenkt
IV 434
öffentliche in Konstantinopel VI 650
private, bischöfliche VI 651
Personal VI 651 f.
Bithynien-Pontus, wechselnd senatori-
sche u. kaiserl. Provinz IV 430 f.
Bittius (nicht Vettius) Proculus IV
373,5
Zeit der praefectura aerarii IV 424
Bleda, Bruder des Attila IV 538
Bocchus, König von Mauretanien V 472'
Bodeneigentum, Tendenz z. Individuali-
sierung V 118
Bodenkategorien Frontins V 85 ff.
Bodennutzung V 603
Bodenrecht, römisches V 85 ff.
ßodensee, politische Zugehörigkeit der
Ufer V 433
Bodenwirtschaft der Kaiserzeit s. Grund-
besitz, Domänen, Wirtschaft
Boethius, Consulat VI 382
Boii, stipendiarii der Häduer IV 61, 2
Bonif'atius, Statthalter von Africa IV
536. 557
Bonifatius, Papst VI 605
Bonifatius, Erzbischof vonMainz VI 622 f.
Bononia, Colonie V 214. 229, 3
Bovianum ündecimanorum, Stadtrecht
V 232, 1. 234
Bovianum vetus, Colonie V 234
Bovillae, Municipium V 216
Brigetio, canabae VI 184; Stadtrecht
VI 200
Brittonum historia, Wert der Hand-
schrift von Chartres VI 631 ff. 636
Angabe über Ankunft d. Sachsen VI
633
Inhalt VI 634 flF.
Brixellum, Stadtrecht V 235
Brixia, Colonie V 226
Bructeri, Teilnahme am Aufstand, Ver-
nichtung IV 209. 374. 449
bucellarii VI 241 ff.
Bürgerkrieg i. J. 43/42, Veranlassung
IV 172f.
Bürgerrecht, der Italiker V 262 ff.
der Libertinen V 263 f.
Verleihung wegen des Legionsdienstes.
VI 21 f. 74
durch den Feldherrn VI 80 f.
Verbreitung in den Provinzen VI 78.
Umfang der Verleihung durch Cara-
calla V 418. VI 466, 6
Sach- und Namenregister.
661
[Bürgerrecht]
seit Diocletian VI 466 f.
Verleihung au Ausländer in spät-
römischer Zeit VI 248
Cabenses, latinische Gemeinde V 77
Caecilius Baibus IV 412,2
Q.Caecil. Bassus, Militärrevolte IV 162 f.
L. Caecilius L. f. Cilo, Vater d. jüngeren
Pliuius IV 394
Caecilius Classicus, Process IV 376 f.
M. (Caecilius) Metellus, Consul i. J. 639,
Statthalter von Sardinien V 328 ff.
<^. (Caecilius) Metellus, Consul i. J. 674
V 508
<^. Caecilius Metellus Creticus, Inschrift
V 349 ff.
Caecilius Secundus nicht = Plinius
IV 413, 4
<Cn.) Caecilius Simplex, Proconsul von
Sardinien V 327. 329 f. 335
C. Caecilius Strabo, cos. des. IV 380
Caecina Alienus, Führer der oberger-
manischen Truppen i. J. 69 IV 354 ff.
Caenina albanische Colonie, von Romu-
lus bekriegt IV 23. 25. 27. 54, 3
Caepio Hispo, Consulat IV 380
Caesar erlässt als Consul im J. 695 eine
lex agraria V 200. 210
unterwirft die Helvetier V 375. 392
in Conflict mit dem Senat IV 92 ff.
hebt Truppen in Transpadana aus
VI 32
sendet Trebonius nach Spanien IV 174
in Africa V 472
Ordnung der Statthalterschaften IV
169 ff.
Ordnung des Heerwesens IV 160 ff.
VI 32
Municipalgesetz V 64
plant Erweiterung des Forums V 61
ludi Victoriae Caesaris IV 180
gründet Militärcolonien in den Pro-
vinzen V 210
veranlas.st Senatsbeschluss über die
Juden IV 146 ff.
verleiht dem P. Sittius das Gebiet
von Cirta V 472. 492
Consecratiou IV 181
[Caesar]
Besonderheiten seiner Commentarien
V 391
Irrtum über den Oberlauf des Rheins
V 390
Cäsarmörder, Beratung i.AntiumIV171 f.
C. u. L. Caesar, Münzbildnisse IV 184.
188
Caesarius, praefectus praetorio VI 296 f.
Caesennius Paetus, Partherkrieg IV 329
Caiatia, campan. Gemeinde V 245, 1
Calatia, Colonie, geht in Capua auf
V 210. 245, 1
Calestrius Tiro, Freund des Plinius IV
370 f. 385. 388. 419 f.
Callaecia, Provinz V 585
C. Calpetanus Rantius Quirinalis Va-
lerius P. f. Pomp. Festus, Name IV
407. 409
Calpurnius Fabatus, Verwandter den
Plinius IV 371. 391 ; Inschrift IV 446
Calpurnius Macer, Statthalter v. Unter-
mösien IV 390
C. Calpurnius Piso, Freigebigkeit V 591
Cn. Calpurnius Piso, Catilinarier V 470 f.
L. Calpurnius Piso, Statthalter v. Make-
donien IV 137, 126
Camerium, kein Stadtrecht V 70
Camillus Scribonianus (L. Arruntius),
Name und Adoption IV 465 ff.
Camiscana ecclesia VI 630
Campania, zur urbica dioecesis gehörig
V 183. 186. 283
feriale domnorum V 553, 2
Camunni, italische Gemeinde mit lati-
nischem Recht V 415
Camurius Statutus IV 294. 301
canaba, Form, Vorkommen, Entstehung
und Bedeutung des Wortes VI 180ff.
canabae legionis VI 181 ff.
canabenses VI 191
cancellarius VI 417 ff.
Candidas, Heerführer unt. Pius IV 492, 1
C. Caninius Rebilus, cos. 709 IV 171
Capitulum, Stadtrecht V 216
Cappadocia, Provinz V 574. 577
Capua, sullan. Assignationen V 177. 216
conventus VI 196, 2
Colonie V 210. 212. 222. 226
662
Sach- und Namenregister.
Caput oder prior seuatus (der Spätzeit) I
VI 428 ff.
cardinales (Unterbeamte) YI 410
Carraeianensis episcopus VI 629
Carni, von Tergeste abhängig IV 61
Carnuntum, Stadtrecht VI 200
Carpilio, Sohn des Aetius IV 534
A. Cascelius A. f., Senator V 508
Casilinum, Colonie V 210
Casinum, keine Colonie V 260 f.
Cassiodor [vergl.VlI G68]. Gesinnung V60
Briefsammlung VI 390 ff.
C. Cassius, Statthalterschaft IV 170ff.
Cassius Dio, Benutzung der späteren
Annalisten IV 43
Schwächen seiner Geschichtschrei-
bung IV 269, 1. 283, 1
C. Cas(s)ius L. f. Longinus, Senator
V 508
M. eas(s)ius M. f., Senator V 508
Castellum Mattiacorum VI 202
Castra = Castra Hannibalis V 254f.
Castra Regina, kein Stadtrecht VI 201, 1
Castra Vetera, später Traiana, Lager-
stadt VI 182
castrensis sacri palatii VI 453. 650
Castrimoenium, Municipium V78,2. 216
Castrum novum in Picenum , Colonie
V 220
Castrum novum in Etrurien, Colonie
V 222
Catali, von Tergeste abhängige Völker-
schaft IV 61
Catilinarier, Rüstungen V 470 f.
Catonianer, Politik gegen Cäsar IV 132,
138. 141 ff.
Censorinus, Datierung nach Regierungs-
jahren VI 849
Census, des Augustus V 169 f.
allgemeiner des Titus und Vespasian
V 276
von den Municipien vorgenommen V
277 f.
centuria, das meusorische Quadrat V
86. 97 ff
Cermalus mons, in falscher Etymologie
= gerraanus IV 7
Ceutrones, gallische Völkerschaft V 357
Chalons, Schlacht IV 543
Chamaven, Vernichtung der Bructerer
IV 374
chartarii VI 454
Chatten, schwerlich am Aufstand gegen
Varus beteiligt IV 209; gegen sie
der obergermanische Limes V 452
Chlodovech, Consulat VI 425,7
Christen [vergl. auch III 393 ff.], Hass
und Vorurteile des Volkes VI 540 f.
Gegensatz zur Staatsreligion und zum
Staatsgedanken VI 541 f.
Toleranzpolitik der Regierung VI
542 ff.
christenfeindliche Petition VI 555 ff.
Cicero [vergl. auch III 217J, Mitglied
eines senatorischen consiliums im
J. 681 V 510
Verhalten vor dem Bürgerkrieg IV
128. 139. 141
geplante Reactivierung seines Im-
periums i. J. 705;49 IV 124, 92
pünktliches Verlassen Ciliciens IV
115,63. 138,130
Brief an Trebonius IV 174 ff.
Porträtkopf auf Münze von Magnesia
IV 184
Cicero, der Sohn, Proconsul von Asien
IV 184
Cirta, Ansiedlung der Sittiauer V 472 f.
Geschichte und Namen V 474 f.
Duovirn V 475 f.; 4 Cirtensische Colo-
nien V 477 ff'. ; tresviri V 479 ; prae-
fectus iure dicundo V 480 ff". 486 ff. ;
Auflösung des Gemeindeverbandes
V 486; pagi V 488 f.; Ädilität V
490 f; Gesamtbild der Gemeinde-
ordnung V 491 f.
Cispadanus, ungebräuchliche Bezeich-
nung V 273
Civilämter unter gothischer Herrschaft
VI 394 ff.
civis in Heimatangaben VI 43. 53
civitas, keltische V 394. 430
Gegensatz zu städtischen Gemeinden
hinsichtlich der Aushebung VI 81 ff.
civitates attributae IV 304 f.
Clarissimat VI 423 f.
Clastidium, Zugehörigkeit zu Placentia
V 321 ff
Sach- und Namenregister.
66'S
Claudian, als Quelle für die Geschichte
Stilichos IV 516, 2 ff.
Claudius, Kaiser, Charakter IV 298 f. 321
verleiht Vorrecht, Siegelring mit
Kaiserbild zu tragen IV 320,2
Rechtsverleihungen VI 93 f.
Bürgerrecht der Auauner IV 291 ff.
verbietet Peregrinen Romanisierung
des Namens IV 306
Vermehrung der cohortes praetoriae
VI 8 ff.
L. Claudius L. f., Senator V 508
M.Claudius Fronte, fälltimJazygenkrieg
IV 495
C. Claudius C. f. Glaber, Senator V
50S
Claudius lulianus, Proconsul von Asien
IV 476
C. Claudius Marcellus cos. 704 IV 178
M. Claudius Marcellus cos. 703 IV 138
M. Claudius M. f. Marcellus, Senator
im J. 681 V 508
Ti. Claudius Pompeianus, Schwiegersohn
des Marcus IV 489
Ti. Claudius Sacerdos, Consulat IV 425
Clientelstaaten, Truppenstellung VI 65
nördlich der Donau IV 491. 496
Clinias vielleicht =: Kallias IV 4, 2
L. Clodius Macer, Legat von Africa,
Eintreten für die Republik IV 339.
345 f.
Cloio, Frankenfürst IV 535
Cluentinus vicus VI 629
codex ansatus V 340
Coelius Antipater, benutzt Aufzeich-
nungen karthagischer Offiziere IV 42.
43,4
cognitio extraordinaria V 337
praetoria V 337,2
cognomina s. Namen
cohors, Stärke VI 262
cohortes, seit Diocletian VI 215 f. 219
batavische VI 59. IV 343,5
Sebastenorum VI 553, 1
orae maritimae VI 153 f.
cohors praetoria, Einrichtung durch
Africanus minor VI 2 ff. ; der Pro-
vinzialstatthalter VI, 4; unter Cäsar
und dem Triumvirat VI 5 f.
cohortes praetoriae , Reorganisation
durch Augustus VI 6 ff.
Vermehrung unter Claudius VT 8 ff.
Neubildung durch Vitellius VI 8; V
407,1
seit Diocletian VI 234 f.
Feldzeichen VI 136
Heimat der Soldaten IV 309 f. VI
68 ff.
Heimatangaben VI 41 f.
cohortes urbanae, Einrichtung VI 7;
Zahl und Numerierung VI 8 ff. ; in
Puteoli, Ostia, Lugdunum VI 14 ff.
Collatia, Verlust des Stadtrechtes V 69
Colonat V 142,2. VI 36
Coloniae, albanische V 82 ff.
italische Bürgercolonien Sullas V205 ff.;
Caesars V 210 f.; der Triumvirn V
211 ff. 224 f.; coloniae Antoniae V
229,1; des Augustus V 213 ff.; nach
dem liber coloniarum I V 21.off. ;
coloniae luliae V 222 ff'.; coloniae
Augustae V 225 ff.; 28 Colonien des
Augustus V 227 ff. ; Verzeichnis des
Plinius V 230ff.; Übersichtstabelle
bis Vespa.sian V 251 ff.
Unterschied vom municipium V 113 ff.
Zahl der Bürger- und latinischen
Colonien bis 540 IV 53 f.
Deduction von Freigelassenen IV 53
militärischer Zweck IV 54, 5. VI 177
Grösse des Einzelloses bei der Grün-
dung V 87
Namengebung V 255 f.
Beinamen nach Göttern V 206
in den Provinzen, latinisches Recht
V 415 ff. VI 87 ff
häufige Verleihung des Titels in der
Verfallzeit V 217
Columella V 141,4. 598
Comenses, Streitigkeiten mit den Ber-
galeern IV 294
comites, der Statthalter in republika-
nischer Zeit IV 311 ff.
Augusti der früheren Kaiserzeit IV
315 ff.; des Tiberius IV 312 f.
comes als Rangtitel IV 818. 546 f.
VI 451 f.
— domesticorum VI 403 f.
664
Sach- und Namenregister.
[comites]
comes domesticorum et curator pa-
latii IV 533,6
— formarum VI 432
— sacrarum largitionum VI 388 f.
400 f. 650
— sacri patrimonii VI 388 f. 401 f. 484
— Portus urbis Romae VI 432
— Ravennae VI 433
— rerum privatarum VI 388f. 401.
650
— urbis Romae VI 432
s. Offiziere
comitiaci VI 407 fF.
Comraodus , Annahme des Cognomen
Felix IV 514
Concordia, Colonie V 223
condoma, gothische Hufe VI 437
Consecration , verdrängt irdische Titel
IV 504
Consentia, Stadtrecht V 220
consiliarius VI 415 f.
consilium des Statthalters V 337 f.
de consilii sententia V 511 ff.
consistere, technischer AusdruckVI 156 ff.
186 f.
consistorium, Zusammensetzung VI 389.
419 f.
Bedeutungslosigkeit im Gothenreich
VI 420 f.
consortes, Samtbesitzer einer Centuria
V 86. 88
Constantin I., Consulernennungen von
306-311 VI 324 ff.
Jahr des Kampfes mit Licinius VI 342
erstes Herrscherjahr VI 338 f.
Einrichtung der quaestura palatii
VI 387 f.
des magisterium militiae IV 547
des Patriciats VI 422
einer Curia in Byzanz VI 428
Ordnung der Nachfolge VI 480
s. Heerwesen
Constantin IL, als Prinz VI 341
Beiname Alamannicus V 548
Verschwinden des Namens in Rechts-
sammlungen VI 313
€onstantinus, Usurpator in Britannien
IV 527
Constantius IL, Kirchenpolitik VI 341.
572 ff.
Einrichtung einer Bibliothek in Kon-
stantinopel VI 650
Constantius, Schwager des Honorius IV
531,7. 557
Constantius, Schreiber des Attila IV 540
Consulare des Jahres 710 d. St. IV 176 ff.
adlectio inter consulares VI 424
consularis als Rang- und Amtstitel V
186. 191 f. VI 424 f.
Consulat, Intervall zwischen zwei C.
IV 125 94
verkürzte Dauer in der Kaiserzeit
IV 425, 5
ordentliches, zur Belohnung grosser
Dienstleistungen VI 341
Übernahme durch Augusti und Cae-
sares VI 324; durch Kaiser nach
Justinian VI 347;
durch Justinian zu Grunde gerichtet
VI 347
Postconsulate VI 347 f.
Consuln, der Jahre 69 V 331 — 307
VI 324 ff. — 308 VI 330 — 323
VI 331 f.
Jurisdiction IV 96
Abgang in die Provinz während des
Consulats IV 119
Entziehung des militärischen Im-
perium IV 118 ff.
commentarii V 506 f.
Designation in der Kaiserzeit IV 426 ff.
Renuntiation IV 429
sämtlich candidati principis IV 428
Ernennung nach der Reichsteilung
VI 363 ff. ; durch germanische Herr-
scher Italiens VI 334 ff. 379 ff.
paarweise und successive Publication
VI 365 ff.
suffecti, in später Zeit VI 609
Consul-Datierung, Namen bei förmlicher
IV 409,1. 411,4,5
allein nach dem kaiserlichen Consul
V 331 f.
nach den eponymen, nicht den ge-
rade fungierenden Consuln V 332
des geteilten Reiches VI 363 ff.
Reihenfolge VI 336. 370 f.
Sach- und Namenregister.
665
[Consul • Datierung]
nach designierten Consuln VI 340 f.
nach einem Consul VI 33(3 f.
Dauer VI 347
conventus civium Romanorum, corpo-
rative Organisation VI 196 ff.
in der Schweiz V 420 f.
in Asien IV 68, 1
Cora, latinische Colonie IV 54, 2
L. Cornelius Cinna, Eintreten für Gleich-
berechtigung der Neubürger V 263
P. Cornelius Dolabella cos. 710 IV 171.
182
testamentarische Adoption IV 399, 2
Cornelius Gallicanus, Alimentaramt IV
456 f.
Cornelius Nepos, Heimat IV 396, 6
P. Cornelius Scipio Africanus maior,
africanischer Feldzug IV 42 ff.
Schlachtordnung am Ebro VI 140 ff.
P. Cornelius Scipio Africanus minor,
Inschrift am fornix Fabianus V 48
cohors praetoria VI 2
P. Cornelius Scipio Nasica, Gesandt-
schaft nach Asien IV 64
L. Cornelius Sulla, Beiname Epaphro-
ditus V 509
Friede von Dardanos IV 78
Einrichtungen in Asien IV 68. 75.
V 514 ff. 524
Staatsordnung IV 121 f.
Verhalten gegen die Italiker V 263 f.
italische Colonien V 205 ff. 215 f.
Zerstörung latinischer Gemeinden
V 71 ff.
Tempelstiftungen V 177. 501
Tempel des kapitolinischen Juppiter
IV 75
Cornelius Tacitus s. Tacitus
Q. Cornificius, Statthalter von Africa
IV 173
Cornutus Tertullus, curator viae Aemi-
liae als Consular IV 382; College des
Plinius IV 423 ff.
Statthalterschaft von Bithynien IV
431,2
Inschrift IV 446
correctores V 185. 190 ff.; aus.seritalische
V 185,4
Cosa, Münzen V 231, 1; Colonie V 236 f.
Cremona, Anschluss an Vitellius IV
355,3
Colonie V 212
L. Crepereius Madalianus, Inschrift,
Laufbahn V 194,5
Crispus, Sohn Constantins VI 341
Crustumerium , von Romulus bekriegt
IV 23. 25. 27 f. 54, 3
cubicularii VI 453
Cumae, Stadtrecht V 220. 223
Cupra, Stadtrecht V 220
cura alvei Tiberis et riparum et cloa-
carum urbis IV 382. 430
a cura amicorum IV 319
cura aquarum IV 430
viarum, ausnahmsweise von einem
Consular verwaltet IV 382
curator frumenti = praefectus fnimenti
dandi IV 193 ff.
viarum et alimentorum V 184 f.
civium Romanorum conventus Hel-
vetici V 377
municipaler VI 433 f.
Cures, sabinische Hauptstadt IV 24 ff. 32
curiales VI 433
Curien, nach Sabinerinnen benannt IV
24. 34.
Curio (C. Scribonius), Eintreten für
Caesar IV 142
custos portarum VI 435
Cusuetani, latinische Gemeinde V 81, 1
Dacia, im 4. Jahrb. V 579
Dardania, Provinz V 579
Dardanos, Friede IV 75. 78
dasumisches Senatsconsult. Zeit IV 380,4
Dasumius, Testament IV 386. 437
decimani, Teilungslinien V 96
decretales VI 624
dediticii VI 168 f. 208,4. 257 f.
defensor, städtischer Beamter VI 433 f.
Delos, Abhängigkeit von Athen V 503
Demetrios von Pharos IV 52. 55
dendrophori = hastiferi VI 162
Dertona, Colonie V 223
Diana Tifatina, Schenkung Sullas V
177. 501
Dictatoren. in Fidenae V 73
666
Sach- und Namenregister.
Diocletianus, Zählung sein. Regierungs-
jahre in Aegypten VI 332
übern, das Consulat für 808 VI 330
Dioeceseneinteilung V 586
diocletianisch- constantinische Ver-
fassung V 361
diocletianisch-constantinische Heeres-
ordnung IV 160. VI 206 ff.
Thermen, Inschrift V 57 ff.
Dioecesen, Einteilung V 565 ff.
Dioecesis Afrieae V 585; Asiana V
577 f.; Britanniarum V 581 ; Gallia-
rum V 581 f. ; Hispaniarum V 585 ;
Italiciana V 584; Moesiarum V
578 ff; Orientis V 571 ff.; Panno-
niarum V 580; Pontica V 574 ff.;
Thraciae V 578; Viennensis V582f.
s. Italien
Dion Chrysostomos, 48. Rede IV 383, 3
Entfernung aus Rom IV 419, 2
Diospontus, westlicher Teil von Pontus
V 575. 587
Domänen, Entstehung V 594
vorwiegend in den Provinzen V 596;
bes. in Africa V 599. 140, 1
in Italien V 596. 1
Verwaltung VI 402 f.
süditalische Domäne VI 629
domestici der goth. comites VI 443 f.
domicilium VI 187
Domitia P. f. Lucilla, Mutter d. Marcus
IV 478 f.
Domitianus, praetor urbanus consulari
potestate IV 4.32, 3
Kriege, Chatten V 449
suebisch-sarmatischer IV 447
gegen Antonius Saturninus IV 451
Schreckensherrschaft seiner letzten
Jahre IV 418 ff'.
Auflösung grösserer Commandos IV
164
Assignationen in Italien V 601
Christenpolitik [vergl. auch Ges.
Sehr. III 405] VI 544
Domitianus (mensis) VI 119
L. Domitius Ahenobarbus cos. 700 V 509
Domitius ApoUinaris, Consulat IV 372, 4
Domitius Celsus, praefectus praetorio
VI 300
Domitius Corbulo, Partherkrieg IV 328 ff.
Räumung d. rechten Rheinufers V 448
T. Domitius Decidius, Name IV 405
domo in Heimatangaben VI 43. 52. 90
Doppelgemeinde IV 24. 31
Doppelkönigtum in der Legende von
Amulius und Numitor IV 20 f.
Drachme, Verhältnis der ägyptischen
zum Denar VI 124 f.
Drusilla s. lulia Drusilla
Drusus, Sohn d. Tiberius, Geburtszeit
IV 262
Drusus, zweiter Sohn des Germanicus,
Geburtszeit IV 273
Drususaltar IV 241, 1
Durostorum, Stadtrecht VI 200
Duumvirn und Quinquennalen unter der
gothischen Herrschaft VI 433
Eburacum, Stadtrecht VI 201
Ecetra, apokryphe Colonie IV 54, 3
edictum principis , Formalien und An-
wendung IV 297 f.
Eleutherius, Papst VI 637 f.
Ephesus, Dedikationsinschrift nach dem
ersten Mithridatischen Krieg IV 73
Ehrendekr. f. Antoninus Pius V 532 ff.
Behörden V 533 f.
Ejiinikos, Inschrift IV 561 f.
Laufbahn IV 562 ff.
Equestris, colonia lulia (Nyon) V 375.
882. 428, 2
Equitius, magister utriusque militiae
IV 550,3
Erdkarten V 303 ft\
erogator opsoniorum VI 431
Etruria, sacralrechtliches Fortbestehen
der Conföderation V 269. 553
als Provinz V 193 f. 285
Etrusker, alpine V 368 f.
Eucharistus(?), Papst VI 637f.
Eucherius, Sohn des Stilicho IV 529
Eudoxia, Gemahlin des Arcadius IV 520
Euganeae gentes, südalpine Völker-
schaften latinischen Rechtes IV 305
Eugenius, Kaiser IV 519. 551,2. 555
Eugenius (Flavius), Günstling des Con-
stans VI 292, 3
Eusebius, Zuverlässigkeit IV 512, 1
Sach- und Namenregister.
667
[Eusebius]
Chronik , Datierun;^ n. Kaiserjahren
VI 358
Eutharicus, Consulat VI 379. 381. 469,2
Eutropius, Minister des Arcadius IV
520,3. 524. VI 295
Eutropius, Quelle und Muster des Paulus
Diacouus VI 487
Exarchat, Entstehung VI 445 ff.
Export, Überwachung VI G13
extra clusa V i)0
Africanus Fabius Maximus, Proconsul
von Africa IV 184. 187
Paullus Fabius Maximus, Proconsul von
Asien, sein Bild auf Münzen IV 184.
187
Schreiben über die Einführung des
asianischen Kalenders Y 519 ff.
Q. Fabius Maximus Allobrogicus, wahr-
scheinlich Erbauer des fornix Fabia-
nus V 48 ff.
Q. Fabius Q. f. Maxsumus, Inschrift
auf dem fornix Fabianus V 47 ff.
Fabius Rusticus, im Testament des
Dasumius IV 386, 2
Fabius Valens, Führer der unterger-
manischen Truppen i. J. 69 IV 354
Faesulae, Colonie V 207 f.
Falerii, Municipium V 217. 237
Falerio, Colonie V 215. 229, 3. 237
Fanum, Colonie V 223
Fausta, Gemahlin Constantins VI 326
Faustina, Gemahlin des M. Aurelius
IV 474 f.
Verleihung des Titels mater castro-
rum IV 503 ff.
Faustus, praefectus praetorio im J. 438
VI 430, 4. 608 f.
Felix, weströmischer magister militum
IV 534 ff. 557
Felix II, römischer Bischof VI 570 ff.
Felix III, Papst VI 334
Felix IV, Papst VI 605
Fenicolensis vicus (in Campanien) VI 630
Ferentinum, Patronatsdekret IV 455 f.
Feroniae lucus V 223
Fertor Resius IV 15
Festverzeichnis von Cumae IV 259 ff.
Ficulea, latinische Gemeinde V 77
ficus ruminalis IV '2,1. 16
Fidenae, entbehrt des Stadtrechts V
69 72 f.
Fidenas, als Cognomen V 72
Firmum, Colonie V 212. 218
fiscus, nuntiatio ad f. IV 301. 306
barbaricus oder rö /bri?txoV VI 44C
Flaminia, Landschaft \ 274
Flavia Caesariensis, britannische Pro-
vinz V 586
Flavianus, praef. urb. V 12
Flavius, kaiserlicher Geschlechtsname
VI 476 f.
Flavius Cassius Herculanus, Gatte der
lusta Grata Honoria IV 542, 1
L. Flavius Silva Nonius Bassus, Name
IV 409
Flavius Syntrophus, Testament IV 437
Florentia, Colonie V 218
Flotte, nach Diocletian VI 218
Flottensoldaten, ursprünglich zur kaiser-
lichen familia V 407. VI 47, 1
militärische Organisation durch Clau-
dius V 408
Reorganisation vielleicht durch Ha-
drian V 408
Heimat V 408 f. VI 63; Heimat-
angaben VI 49 f.
Namensform V 409 f. VI 35
civitas bei der missio V 410 f.
latinisches Recht V 411 f.
Sklaven ausgeschlossen VI 36
Rekrutierung aus den coloni VI 36
foedus VI 226
civitas foederata V^ 422
foederati VI 225 ff. ; zu Cäsars Zeit
V 391 ff.
= bucellarii VI 242 f.
= Privattruppen VI 208,4
Folterung der Freigelassenen eines Er-
mordeten IV 387
Fonteius Capito, Legat von Germania
inferior IV 339. 846
formae, in technisch gromatischem
Sinne V 151 f.
Formiae, Colonie V 218. 227
Forum Vibii, Gründung V 323 f.
Franken, von Attila angegriffen IV 542
668
Sach- und Namenregister.
Fravitta, Ehe mit einer Römerin VI
168
Treigelassene, staatsrechtliche Stellung
in Griechenland und Kom IV 52 f.
Beteiligung an der Colonisation IV
53 f.
Bürgerrecht V 263 f.
im Heerdienst VI 35
Fronto , Familienverhältnisse IV 479 f.
Alter IV 486 .
Briefsammlung, Anordnung der Bücher
IV 469 ff.
Reihenfolge der Briefe IV 472 f.
Empfehlungsschreiben IV 473
Briefwechsel mit Marc Aurel IV 481 ff.
Briefe an Verus IV 483 ff.
Briefe an Beamte Cirtas V 485
Frumentationeu, wirtschaftlicher Feh-
ler V 603
Fundi, Municipium V 220
fundus, Definition V 124
fundi lati V 136
L. FunisulanusVettonianus, Septemvirat
IV 379, 6
cura viarum IV 882, o
M. Furius P. f. P. n. Camillus, leiblicher
Vater des Camillus Scribonianus
IV 466
Furius Victorinus, Niederlage IV 492
Furtius, Quadenköuig IV 495
Gabii, Schwinden der Bürgerschaft V
73. 79, 2
Municipium V 216 ^
Gainas, Ermordung des Rufinus IV 521
Unruhen VI 293 ff.
Gaius, fünfter Sohn des Germanicus,
Liebling des Augustus, Geburtszeit,
IV 274
Gaius (Kaiser), Geburtsort IV 274 f.
Wiedereinsetzung von Dynastien IV 88
comites IV 315, 2
Galater, Verfassung V 438 ff.
Gaunamen V 441, 3
Galatia, Provinz V 575
Galba, Adoption IV 399, 8. 406
Anschluss an den Aufstand IV 836 ff. ;
Erhebung zum Kaiser IV 338. 344 ff.;
V 61. 403. 429
Galerius, Inschrift der Diocletiansther-
men V 58
Consulatspolitik 306—311 VI 324 ff.
Anerkennung Constantins VI 340
Kaiserjahre VI 332
Plan einer Besteuerung Italiens V 187
Galillenses, sardinische Gemeinde V 328
Galla Placidia, Schwester des Honorius
IV 529. 534. 536. 541, 3
Gallaecia s. Callaecia
Gallia Cisalpina, durch Augustus von
Besatzung befreit IV 166; wird Bin-
nenprovinz IV 167
Gallia Transpadana, Bestehen der kelti-
schen Gemeindeverfassung V 426 f.;
Durchführung der italischen Stadt
Verfassung V 428. IV 304 f.
regio Transpadana V 274. 180 f.
Galliae, Organisation IV 333 ff.
römisch - keltische Mischbildung IV
334
Aufstände IV 335 ff.
Verleihung von Privilegien durch
Galba IV 346
Bürgerrecht V 414. 428
keltische Gemeindeorganisation V 428
Provinziallandtag bei Lugdunum V
360
ein Steuerbezirk V 359 f.
Diöcesen V 570
ager Galliens V 273
gallische Waffen, auf Denar zu Ehren
Cäsars V 388 f.
Garderobe, kaiserliche VI 650
Gaudentius, Vater des Aetius IV 532
Gaudentius, Sohn des Aetius IV 544
Gefolgsleute der byzantinischen Offi-
ziere VI 243, des Gothenkönigs
454 ff.
Geilamir, Vandalenkönig IV 565
Geiseln, ihre Rechtsstellung VI 467
Geiserich, Gliederung seines Heeres VI
261. 438,2
Datierung VI 355. 358
Geldsteuer, an Stelle der Rekrutenstel-
lung VI 254 f.
Geldwirtschaft der Kaiserzeit, grosse
Vermögen V 589; ihre periodische
Zerschlaarung V 593
Sach- und Namenregister.
669
[Geldwirtschaft]
gewerbsmässiges Geld verleihen V
611 f.
Speculantengeschäfte V 612
Gemeinden , Abhängigkeitsverhältnisse
IV 61
(iemeindeverfassung, städtisches Domi-
cil V 4-24
Gemellus, vicarius praefectorum für Gal-
lien VI 395, 5
Genetiva (colonia Julia, Urso), [vergl.
Ges. Sehr. 1 194 ff.] Bürgerwehr VI 154
Genf, zur narbonensischen Provinz ge-
hörend V 357. 374
gens, ausländische Völkerschaft VI 166.
226
gentiles, Angehörige einer solchen VI
166 ff. 226. 259 f. 467
Gentilitätsrecht, Zurücktreten in der
Kaiserzeit IV 400 ff".
Genuatischer Schiedsspruch IV 61. 304,4
Gernlänenstaaten im römischen Reich,
Eigenart VI 482 ff.
Germani cives Tuihanti cunei Frisiorum
VI 115 f. 171 •
Germaniae, Titel des Legaten V 358, 1
Gemeindeorganisation V 429
Verlegung der Legion von Köln nach
Bonn VI 179
Einverleibung des rechten Rheinufers
V 449
obergermanisch-raetische Grenze V
433 ff.
Germanicus, Familie IV 271 ff.
Geburtsdatum IV 271
Zeit der Vermählung IV 272
Dauer des rheinischen Commandos
IV 275, 2
Verhalten bei Soldatenunruhen i. J.
14 IV 281 f.
Feldzug i. J. 16 IV 211,2. 239. 241,1
Germanicus als Cognomen und Pränomen
IV 287 ff",
germanischer Krieg unter Alexander
VI 171 f.
Geschworenendekurien, Aufnahme von
Frovincialeu IV 308
Gewerbe, kapitalistischer Sklavenbe-
trieb V 613
[Gewerbe]
unfreie Berufe V 613 f.
Gildo, Statthalter von Africa IV 524.
551, 4. 553, 1. 5r)8
Gladiatoren, militärisch verwendet
V 489
Q. Glitius Atilius Agricola, zweites Kon-
sulat IV 460 f.
Goldausfuhr, Gegenmassregeln V 881, 1
Gosen (terra Gesse), Lage VI 614
Gothen = foederati VI 227. 230
Grabschrift, Entwicklung ihrer Formen
IV 248 ff.
Grabstein, sakrale Auffassung IV 249, 1
Gratilla, von Domitian verbannt IV 418, 4
Graviscae, Colonie V 221
Gregor von Tours, Stil VI 486, 1
Gregor II, Papst VI 619 f.
Gregor III, Papst VI 619 f.
Grenzbefestigung in der Dobrudscha
V 447. 449
Grenzprovinzen , Landwehrorganisation
VI 150 f.
Grenzschutz V 445, 460. VI 150. 225
Grenzsperruug V 446
Grenzsteine, Bezeichnung V 98 ff.
Gromatik, als staatlicher Beruf V 168 f.
Grumentum, Colonie V 208
Grundbesitz, Entwicklungstendenz vom
Klein- zum Grossbesitz V 592 f.
Verhältnis von Gross- und Kleinbe-
sitz V 602 f.
Besitzwechsel nicht beschränkt V593.
600
obligatorischer der Senatoren und
Banquiers V 595
Grossgrundbesitz, Wirtscbaftsbetrieb
V 138 ff.
Kleinpächter anstatt der Kleinbauern
V 144 f.
kulturell nivellierende Wirkung V59&
Rekrutenstellung VI 253 ff.
Grundstücksbenennung V 123 ff.
Grundstückscomplexe, Benennung V
126 f.
Gründungssage Roms um die Zeit der
Samnitenkriege in Grundzügen fertig
IV 2
griechische Versionen IV 5,1
670
Sach- und Namenregister.
Hadria, Colonie V 235
Hadrian, Anfang seiner Laufbahn IV
413, 1; erstes Consulat IV 381, 5. 386
führt als Kaiser die örtliche Aushe-
bung ein VI 39
setzt iuridici ein V 181
verleiht Stadtrechte an Lagerstädte
VI 200
über Municipium und Colonie V 115
Denkschrift im Pantheion zu Athen
IV 254
Hadrianswall V 446 f. 449. 460
Hadrumetum, Münzrecht IV 190
Haedui , Abhängigkeitsverhältnis der
Boier IV 61,2
Bürgerrecht V 429
Haltern, Müuzfunde IV 244, 1
Hannibal , Feldzug in Africa IV 41 ff.
Hasta regia , Abhängigkeitsverhältnis
der Lascutaner V 60 ff.
hastiferi civitatis Mattiacorum VI 155 ff.
Hebewesen V 610 f.
fleer, vergl, ala, Aushebung, auxilia,
cohortes, Flottensoldaten, foederati,
Legionen, numeri, Officiere, Provin-
zialmilizen, Veteranen
antesignani VI 139
ausländische Heerkörper VI 20, 2
Auszeichnungen, von Kameraden ver-
liehen VI 145, 1. 152
barbarische Truppen körper im spät-
römischen Heere VI 276 ff.
Berufssoldaten, von Augustus ge-
schaffen IV 159 f.
hrevia VI 118 ff.
bucellarii VI 241 ff.
candidati, spätrömische Heeresabtei-
lung VI 231, 1
castellani oder castriciani VI 210 f.
centurio, im spätrömischen Heer VI 276
civium Romanorum cohortes und alae,
Bürgerrecht V 406, 1
comitatenses VI 236 ff.
cornicularius in einem numerus VI
164 f.
cunei VI 115 ff. 217 f.
decurio, im spätrömischen Heer VI 276
Dienstpflicht, allgemeine VI 251. 253
-der Soldatensöhne VI 255
[Heer]
Dienstzeit, Abrundung IV 105 ff.
Einreihung ägyptischer und galati-
scher Truppen VI 67
equites, Heeresabteilung VI 217 f.
equites singulares V 402 ff. 411 f.
evocati IV 167, 1
excubitores VI 233
exploratio VI 174
exploratores VI 109. 169 f. 174 f.
extraordinarii, bundesgenössische Ab-
teilung VI If.
Feldheer, von Cä.sar geplant IV
167 f. von Constantin geschaffen VI
236 f.
Feldzeichen VI 135 ff.
Freigelassene, im Heerdienst VI 35
Freiwillige VI 74
frumentarii VI 547 f.
Gaesaten V 352, 1
Provinzialmilizeu VI 107. 147. 151 f.
Grenzbesatzungen VI 209 ff. 219 f.
Heimatangaben der Soldaten VI 41 ff.
xaxäloyog = numerus VI 208
Kriegsdienst, Rechtsgründe seit Dio-
cletian VI 247 ff.
Zulassung von Sklaven VI 250 f
Lagerkinder IV 208, 3. VI 29 f.
lanciarii VI 234,4
Leibwächter (corporis custodes), ger-
manische VI 17 ff. 47 f. V 403
milites limitanei VI 209 ff.
Mauipelstellung VI 138
Militärgerichtsbarkeit nach Diocletian
VI 265
Militärgerichte, Instanzen VI 470 f.
Militärjahr, Beginn IV 103
Nichtbürger, privilegierte Stellung
VI 249
officiales VI 170 f.
optio VI 548
palatini VI 234 ff.
peculium castrense VI 127
peregrinorum castra VI 546. 552 f.
optio VI 546
princeps VI 546 ff.
principales VI 405
privilegia militaria, Originalurkunden
V 38
Sach- uud Namenregister.
671
[Heer]
Reiterei seit Diocletian VI 211 f. 217f.
239
Übergewicht in der justiuiauischen
Zeit VI 244
Rekrutenjahr IV 109
Rekrutenstellung der Grossgrundbe-
sitzer VI 253 ff.
auf Grund eines Untertänigkeits-
vertrages VI 256
milites ripenses oder riparienses VI
209 ff.
scholae VI 208. 230 ff.
Semesterstipendium IV 105 ff.
Soldaten, Rechtstellung VI 470
Soldatensöhne, Soldzahlung, Dienst-
pflicht VI 255
Soldberechnung und Soldzahlung
an ägyptische Legionare unter Do-
mitian VI 122 ff.
Söldner, ausländische, Rechtstelluug
VI 4G8f.
ojtejQa, Bedeutung bei Polybius VI 141
Stärke bei Cä.sars Tode IV 161 ff.
unter Augustus IV 165
nach Diocletian VI 263
jährlicher Rekrutenbedarf in der
Kaiserzeit VI 22
stehendes Heer, Entwicklung IV 157 ff.
stehende Lager, erst mit dem stehen-
den Heer VI 177
nicht in oder bei Colonien VI 178 f.
oTQarojieddoxrj? = princeps peregrino-
rum VI 1)46 ff.
= praefectus casti"orum VI 549 f.
symmacharii VI 107 f. 149
System, Cäsars IV 157 ff.
Einfluss des republikanischen IV
158 f.
Gegensatz des augustischen und
diokletianischen IV 160. VI 206 f.
Truppeukörper, Stärke seit Diocletian
VI 260 ff.
Truppenverteilung, bei Cäsars Tode
IV 161 ff.
unter Augustus IV 164 f.
veredarii VI 171
vexillatio VI 104. 135
Werbung VI 252 f.
Hegesiauax von Troas, behandelt Roms
LIrsprungssage IV 5, 1
Helenopontus, Teil von Pontus V 575.
587
Helvetier, pagi V 441
Schwächung durch Cäsar V 375
foedus V 378, 1. 391 ff',
colonia foederata V 422
Rechtstellung V 378, 1. 420 ff". VI 89
conventus V^I 196 f.
Gemeindeverfassung V 424
curatores V 424
Truppenstelluug V 380
helvetische Wüste, Landstrich auf dem
rechten Rheinufer V 375
L. Helvius Agrippa, Proconsul von Sar-
dinien V 326 f. 330. 335
Heraclius, Oberkämmerer IV 544
Herennius Senecio, unter Domitian hin-
gerichtet IV 418 f.
Hermunduren IV 491. V 452
Heroonpolis, Lage VI 615. 617
Hersilia, Gattin des Romulus IV 24
Heruler, im Heere lustinians IV 566
Hippo Regius, ursprünglich Sitz eines
Landeskönigs IV^ 60
Hispellum, Colonie V 223
Hissarlik (Niedermösien), Castell, viel-
leicht Cius VI 303
Histria, nicht zur Transpadana gerech-
net V 274
Hof, Organisation des byzantinischen
VI 649 ff
honorati (in den Municipien der Spät-
zeit) VI 433
Honorias, Provinz V 575. 588
Honorius, Verhältnis zu Stilicho IV
516 f.
Vermählungen IV 524. 529
Sklavenbewaffnung VI 168 f.
angeblicher Brief an Theodosius 11
('thessalonikische Kaisererlasse') VI
585
Hostius Hostilius IV 23
Hunerich, Sohn des Geiserich IV 531, 5
Hunnen (Chunen), Ausdehnung unter
Attila IV 539
Hyrkanos II, Hohepriester IV 146.
149 f.
672
Sacli- und Namenregister.
lUus der Isaurier IV 563
Illyricum, Loslösung von Gallia Cisal-
pina IV 173
oppida civium Romanorum VI 197
orientalisches und occidentalisches
V 568 f.
das östliche Streitobjekt zwischen
Ost- und Westrom IV 517 ff.
Ausdehnung des illyrischen Steuer-
bezirks V 360
imperium, theoretisch ohne Competenz-
abgreuzung IV 92 f.
seine spätere Spaltung in Spezial-
competenzen IV 96 f.
für italisch - bürgerliche Tätigkeit
entbehrlich IV 99 f.; Prorogation IV
117; Trennung des bürgerlichen
vom militärischen IV 122
Scheinimperium IV 124
incola, in technischem Sinne VI 187
indischer Handelsverkehr VI 612. 614
Interamna, municipium V 218. 260 f.
Interamnia Praetuttiorum, Stadtrecht V
208
Isca, canabae VI 186
Isidor von Sevilla, Verhältnis zur Lango-
bardengeschichte des Paulus Diaco-
nus VI 513 ff.
Italica, Streben nach dem Colonialtitel
V 115
Italien, Auflösung der landschaftlichen
Verbände V 269 f.
geographische Verwendung der Stam-
mesnamen V 270 f.
Landschaften nach Strabo und Ptole-
mäus V 271 f.
Einteilung in Regionen durch Augus-
tus V 275 f.; deren Zweck V 179.
276 ff.
Regionen nach Plinius V 278 f.
regiones annonariae und suburbicariae
V 186 ff.
Grenzen Italiens V 278, 4
Entwicklung fester Verwaltungsbe-
zirke V 279 ff. 179 ff.
Diöceseneinteilung V 189 f.
urbica dioecesis V 183. 186. 281 ff.
Provinzeneinteilung V 166 f. 190 ff.
285. VI 518 ff.
[Italien]
byzantinische Provinz VI 395
Marcomaneninvasion IV 494
militärische Erschöpfung unter Au-
gustus VI 80
Truppenstellung VI 56 f.
Ausschliessung von der legionaren
Aushebung IV 159. 310. VI 36 f.
s. Ostgothenreich
Jahr, siehe Amtsjahr, Militärjahr
makedonisches V 527 f.
Herrscherjahr, Abrundung VI 343 ff.
tribunicische Zählung VI 345 f.
Kaiserjahr VI 346 ff. 331 f.
Königsjahr, römisch -germanisches VI
355 ff.
M. Jallius Bassus, Statthalter von Pan-
nonien IV 492, 1
Javolenus Priscus IV 367, 3
Jazygen, Krieg gegen Domitian IV
447 ff.
gegen Marcus IV 491 ff.
Contingent VI 113. 168
Johannes, weströmischer Kaiser IV 533 f.
Johannes IL, Papst VI 605 f.
Johannes Chrysostomus VI 294
Johannes- Evangelium VI 566 ff.
Josephus, Datierungen VI 349
Jovianus, Kaiser IV 555, 1
Jovianus, patricius IV 537, 6
Jovinus, comes IV 532, 5
Jovius, praefectus praetorio von Illy-
ricum IV 526, 4
Juba, König von Numidien V 472
Juden, Bündnisse mit Rom IV 146 ff.
Gesandtschaften nach Rom IV 147 f.
Rechtstellung nach 70 [vergl. auch
III 418 ff] VI 168
Julia Drusilla, zweite Tochter des Ger-
manicus, Geburtszeit und -ort IV
277 ff.
Julia Livilla, dritte Tochter des Ger-
manicus, Geburtszeit IV 280
Julia Mamaea, Schreibung des Namens
und Titulatur VI 173
Julianus, Oberbefehl in Gallien IV 549,3
Verwendung germanischer dediticii VI
168
Sach- und Namenregister.
673
[Julianus]
Gleichstellung des byzantinischen
und römischen Senats VI 428
Bücherschenkung an die Bibliothek in
Konstantinopel VI 650
Julius, magister equitum et peditum IV
550,3
C. Julius Masinissae filius IV 37, 4
Julius Amantius, cos. 345 VI 333 f.
C. Julius C. f. Antiochus Philopappus
cos. aus dem kgl. Hause von Kom-
magene IV 89
C.Julius Bassus, Process IV 376. 379 f.
C. Julius Caesar, s. Caesar
Ti, Julius Candidus, Name IV 409
Ti, Julius Ferox, curator alvei Tiberis
IV 383, 1. 429
Consulat IV 426, 1
Sex. Julius Frontinus, Abfassungszeit
einzelner Schriften IV 379, 8
Consulate IV 375, 2. 454
Tod IV 379
Julius Julianus, praefectus praetorioVI
300 f.
P. Julius Lupus, Consulat IV 373, 5
L. Julius Marinus, Name IV 410
Consulat IV 455
Julius Planta, amicus et comes Claudii
IV 294. 301
M. Julius Romulus, legatus pro praetore
des Proconsuls von Sardinien V 327.
334,2
L, Julius Ursus Servianus, Statthalter-
schaften IV 449 f. 461
L. Julius Vestinus, Grammatiker VI
651
Gaius Julius Vindex, Persönlichkeit IV
335
Programm IV 336. 350; Aufstand IV
336 ff.
Ehrung durch Galba IV 346
Junia Silani filia V 350
Junius Avitus, Tod IV 386
D. Junius Brutus, Statthalter von Gallia
Cisalpina IV 162
M. Junius Brutus, Provinzenfrage i. J. 44
IV 170 ff.
Münzen IV 186
Junius Mauricus, Exil IV 372
MOMMSEN, SCHR. VI.
Junius Silanus, Adoptivvater des Q. Me-
tellus, Consul 7 n. Chr. (?) V 351
L. (Junius) Silanus IV 872
Jupiter Poeninus, Inschriften auf dem
Grossen St. Bernhard V 382
Juridici, Sprengel und Functionen V
181 ff. 280 ff.
Jurisdiction, Collision municipaler mit
militärischer vermieden VI 179
Justa Grata Honoria, Schwester Valen-
tinians III. IV 541 f.
Justinian, Reichsdatierung VI 346
Schwächung des Consulats VI 347
Heeresstärke VI 264 f.
Zurücksetzung der Grenztruppen VI
210
Tribut an die Perser VI 229 f.
Anerkennung der Gothenkönige VI 481
Juthungen, von Aetius bekriegt IV 535
Juventius Celsus, Prätur IV 384
M. Juventius Rixa, Procurator von Sar-
dinien V 326. 329. 335.
Kaiser und Kaisertum
Erbfolge VI 480 f.
Minderjährigkeit IV 516, 2
Samtregiment VI 286. 308 ff.
gemeinsame Nennung in der officiellen
Titulatur VI 310 ff
Titel der abgedankten Augusti V 58 f.
Gesetzgebung in Form von Erlassen
an den Senat VI 606
oberste Militärinstanz VI 266
Entscheidung bei Streitigkeiten zwi-
schen Gemeinden V 336
Schutz des Privateigentums V 601
Recht der natalium restitutio VI 35
s. Principat
Kaiserkult IV 267 ff.
kaiserliche Kasse VI 650
Kalender von Amiternum IV 261
Kalenderreform, in Asien V 519 ff.
in Ägypten V 528
in Syrien V 528
Schaltungsfehler unter Augustos V527
Kallias, syracusanischer Geschichts-
schreiber IV 3 ff',
kardines V 96
Kelten, Charakteristik V 369 ff-
43
674
Sach- und Namenregister.
[Kelten]
besetzen nur Ebenen V 368
Stammkönigtum V 442
Kephalos von Gergis behandelt Roms
Ursprungssage IV 5, 1
Kibyra, Distrikt IV 68
Kinderrecht IV 414 f.
kleinasiatische Provinzen , beschränkte
auxiliare Aushebung VI 23
Gendarmerie der Städte VI 154
Kleinpacht V 141 ; durch einen colonus
oder einen vilicus V 141 f,
Klysma = Suez VI 612 f. 617,5
Köln, Name IV 277, 5
legionare Aushebung VI 85
Rechtstellung VI 85. 92 f.; erhält
Stadtrecht und verliert Besatzung
VI 179
xoivd V 553
xoivov ziöv TaQfiiavcöv V 516 f.
Komet nach Cäsars Tod IV 180 ff.
Kommagene, Dynastie IV 81 ff.
Stammtafel IV 91
Verwandtschaft mit Seleukiden IV
83 ff.
Kosmographie, ravennatische, Vergleich
mit der* tabula Peutingeriana V 286 ff.
die zu Grunde liegende Erdkarte V
300 ff
andere Quellen und Nachrichten V"
807 ff.
Entstehung V 312 ff.
Kreta, als besondere Provinz Brutus
übertragen IV 172
Kriegsgefangene, Einreihung in das Heer
VI 252
Krinagoras von Mytilene, Epigramme
auf die Varusschlacht IV 245 f.
Kypros, Verwaltung IV 431,3
Kyrene, als besondere Provinz Cassius
übertragen IV 172
JL, spitzwinkliges IV 56
M'.Laberius Maximus, sein zweites Kon-
sulat IV 459 ff.
Labici, latinische Gemeinde IV 54, 3. V
69. 73. 245, 1
laeti VI 171. 258 f.
Lagerstädte, Entstehung VI 180 ff.
[Lagerstädte]
canabae und Corporationen VI 181 ff.
communale Bezeichnung VI 189 f.
Bedingungen für die Zugehörigkeit
VI 190 f.
Stamm vonVeteranen gebildet VI 191ff.
ältere militärische Organisation VI
193 ff.
jüngere bürgerliche VI 198 f.
Verleihung des Stadtrechts VI 199 ff.
Lambaesis, Stadtrecht VI 201
Landanweisuugen in Italien V 601
in den Provinzen V 601 f.
an Municipien V 153 f.
Langobarden, frühere Sitze IV 492, 1
Langobardengeschichte , s. Paulus
Diaconus
Lanuvium, Municipalrecht V 73
Laodicea, Ehreninschrift IV 72
Laokoongruppe V 511 ff.
Larisa, Abhängigkeitsverhältnis zu Ma-
kedonien IV 49
Bürgerrechtserteiluug an Metökeu
IV 50
Parteiverhältnisse IV 50
L. Lartius L. f , Senator V 509
Lascutaner, Abhängigkeitsverhältnis zu
Hasta regia IV 60 ff.
laterculum malus und minus VI 392
Latium , plinianisches Verzeichnis der
untergegangenen Ortschaften V 69 ff".
Liste der Gemeinden combiniert mit
dem dionysischen Verzeichnis der
stimmberechtigten Gemeinden V
75 ff-
Liste der Städte combiniert mit dem
Verzeichnis der albanischen Colo-
nien V 81 ff.
antiquum und adiectum V 74. 80
verschwindet als Landschaftsname V
283
latinischer Bund, Normalzahl V 80 f,
latinische Colonien, Colonietitel V115
latinisches Fest, teilnehmende Ge-
meinden V 75 ff",
prisci Latini V 82
ius Latii in der Kaiserzeit [vergl. auch
1295 ff. III 33 ff.] VI 93 f.
Latinus Silvius V 82
Sach- und Namenregister.
675
Lauriacum, Stadtrecht VI 201, 1
Lazen, Clieutelstaat VI 225 f.
legati pro praetore der seuatorischen
:Statthalter V 338
legatus pro praetore consulari potes-
tate (Plinius) IV 432
Legionen
Zusammensetzung VI 20 ff.
in der letzten Zeit der Republik VI
30 tf.
in der ersten Kaiserzeit VI 21 ff.
unter Augustus VI 33 f.
seit Vespasian VI 36 ff.
seit Hadriau VI 39 f.
der orientalischen VI 23 ff". 40
Ausschliessung der Italiker IV 310.
VI 36 f. ; Gründe dafür IV 159
legiones vernaculae VI 31 f.
legio barbarica VI 79
Rekrutierung aus den Städten VI
41 ff. 79 f.
Alaudarum VI 32, 3
■Cyrenaica VI 61, 2
Deiotariana VI 32, 3
JVIartia VI 32, 3
I adiutrix IV 451 f. VI 37. 209, 1 ;
II adiutrix IV 448; VII gemina IV
451; XI (Claudia) VI 37; XII ful-
minata IV 511 f.; XIII gemina IV
448; XIV (gemina) IV 343, 5; XXI
rapax VI 33, 1
Geldzeichen VI 135 ff",
zu Neuformationen Genehmigung des
Senats erforderlich VI 73
Vermehrung durch Diocletian VI 219 ff.
palatinae und comitatenses VI 220. 238
pseudocomitatenses VI 219 f.
Auflösung in Detachemeuts VI 222 f.
238. 260 f.
Verzeichnis der notitia dignitatum
VI 212 tf.
Legionäre, ohne Geschlechtsnamen VI
33,1
Heimatangaben VI 34. 41 ff.
freie Geburt VI 35 f.
Bürgerrechtsverleihung an Rekruten
VI 78 f.
Xegionscohorte, als aus.serordentliche
Formation vor Marius VI 140 f.
[Legionscohorte]
der Auxiliarcoborte der Republik
gleichartig VI 143 f.
kein Feldzeichen VI 135
Legionsreiterei VI 144,2. 239 s. Reiterei
Leibarzt der Gothenkönige VI 454
Lemuria, talschlich von Remus abge-
leitet IV 7
Cn. Leutulus Augur, Reichtum V 589
Leugenrechnung V 359. 433
ÄEvxiog vnaioi IV 147
lex Gabiuia bereitet das proconsularische
Imperium des Principats vor IV 100
Mamilia Roscia Peducaea Alliena
Fabia wahrscheinlich identisch mit
der lex lulia agraria und der lex
Mamilia V 200 ff.
Pompeia 665/87 über Rechtsverhält-
nisse des tran.spadanischeu Galliens
IV 304
Pompeia über einjährige Dauer der
Statthalterschaft IV 115
Pompeia über fünfjähriges Intervall
zwischen Magistratur und Pro-
magistratur IV 132 f. 138. 169
Pompeia Licinia über Verlängerung
der Statthalterschaft IV 127. 138;
Clausel IV 139
Roscia, Bürgerrecht der Transpadaner
VI 32
Vatinia, Endtermin von Caesars Gal-
lischer Statthalterschaft IV 127
Liberius, praefectus praetorio von Gal-
lien VI 447 f.
Liberius , römischer Bischof VI 570 ff.
librarii VI 651
libri coloniarum, die verschiedenen Re-
daktionen V 155 tf.
Verhältniss zur expositio des Baibus
V 172 f.
Interpolationen und Fälschungen V
173 ff.
bedingter Wert V 203
Verzeichnis der Colonien Sullas, der
Triumvirn und des Augustus V 215 ff.
Licinius, Jahr der Creierung zum Au-
gustus VI 329. 340
Jahr des letzten Krieges mit Constan-
tin VI 331
43*
676
Sach- und Namenrecrister.
[Licinius]
Nennung inVerordnungensammlungen
VI 310 ff,
M. Licinius Crassus, Reichtum V 589
L. Licinius Lucullus, cos. 680 V 509
Mithridatischer Krieg IV 324 ff.
L. Licinius Murena, Statthalter von
Asien IV 68, 1
L. Licinius Murena, Legat des Lucullus
IV 330 f.
Licinius Nepos, Prätor IV 378, 7
C. Licinius C. f. Sacerdos, Senator V 509
Ligures Baebiani, Alimentartafel V
129 ff. 218
linies, gromatische Bedeutung V 96. 444.
456 ff.
Anwendung auf den Reichsgrenzstrei-
fen V 446. 456 ff.
germanisch -raetischer V 447 ff. 462
procurator tractus translimitani s.
Sumelocenna
limites Gracchani, Juliani, Augustei V
178,1
Limitation V 96 ff. 115 f. 456. 458
Liternum, Colonie V 221
Litorius, Unterfeldherr des Aetius IV
535, 8. 538
Livia, ihr Name nach Augustus Tod IV
401
Livius, Benutzung des Polybius 1V42. 48, 2
Abhängigkeit von Statthalterberich-
ten an den Senat IV 57
lixae VI 180 f.
XoyoMxTjs = agens in rebus VI 612 f.
TOV ÖQÖflOV VI 613
Lohnarbeiter, freigeborene V 607
Losentscheidung unter Collegen IV 12, 1
Luca, Conferenz IV 127; Colonie V 212
Luceres, abgeleitet von Lucumo IV 35, 2
Luceria, Stadtrecht V 235
Luciferianer VI 577, 4
Lucillianus, magister equitum et pedi-
tum IV 555, 1
Lucius, sagenhafter christlicher König
von Britannien VI 636 ff.
Lugdunensis, Provinz, Teilung im
4. Jahrhundert V 582
Lugudunum, Gründung V 356, 1
volles Bürgerrecht V 428
[Lugudunum]
bevorzugte Stellung IV 334. 336
Züchtigung durch Galba IV 347, 1
canabae VI 181, 2
Collegien VI 158 ff.
cohors urbana VI 12 ff. 178
Luna, Colonie V 218
Luxusanlagen auf dem Lande V 609
Lycaonia, Provinz V 577 f.
Lycia und Pamphylia, von Hadrian dem
Senat abgetreten IV 431, 2
christenfeindliche Petition VI 555 ffl
Lykiarchie V 537 ff.
Lykier, Stammverwandtschaft mit
Römern IV 73
Dedikatiousinschriften inRomIV72ff.;
Zeit IV 75
Lygii, germanische Völkerschaft IV 447
Lykophron behandelt römische Ur-
sprungssage dichterisch IV 5, 1
Lykoreus, Asylgottheit IV 33
Macrinius Vindex, Praefectus praetorio
IV 494
Macrinus (Kaiser), beschränkt die Com-
petenzen der Juridici V 183
T. Maenius T. f., Senator V 510
magister, zur Bezeichnung von Priestern
VI 198 f.
magister census VI 432
officiorum, Commando über die scholae
IV 547. VI 208. 233. 399
Haupt der Hofhaltung VI 650
Rang VI 388 f. 453
Mitglied des Consistorium VI 389
Vorsteher der unmittelbar kaiser-
lichen Subalternbeamten VI 406
scrinii VI 389. 405
studiorum VI 652
magistri militum IV 545 ff. VI 266 ff.
Rangklasse IV 545. VI 267
Bezeichnungen IV 546
Einsetzung IV 547. VI 266
magister peditum IV 548 f.
equitum IV 549
per Gallias IV 549 ff. 520
equitum et peditum oder utriusque-
militiae IV 529. 550. VI 267
provinciale Competenzen IV 552
Sach- und Namenregister.
677
[magistri militum]
Entwicklung zum Reichsgeneralissi-
mat IV 553 f.
Anteil an Officiersernennungen VI
392 f.
Theoderich magister militum VI 444 f.
Magistrate, jährliche Zahl in der Kaiser-
zeit IV 418
kaiserliche suffragatio IV 427 f.
Majestätsplural VI B2ü ff.
maiores domus regiae VI 455. 483
L. Mamilius Limetanus, lex MamiliaV202
Marcellus, magister equitum IV 549, 3.
550,2
Marcianus, oströmischer Kaiser IV 542
Q. Marcius Crispus, Heerführer unter
Cäsar IV 163
L. Marcius Philippus, Consular IV 178 f
L. Marcius Philippus, Münze V 40
Q. Marcius Rex, Statue V 40 f.
Cn. Marcius Rufinus, Grossgrundbesitzer
bei Benevent V 131
Marcomanen IV 447
Krieg s. M. Aurelius
Marcus Aurelius, Kaiser, s. M. Aurelius
Margensis, Bezeichnung für Obermösieu
V 580
Maria, Tochter des Stilicho IV 520
524. 529
C.Marius, Bürgerrechtserteilungen VI 30.
C. Marius Marcellus Octavius Publius
Cluvius Rufus, Name IV 407, 1
L. Marius Maximus Perpetuus Aurelia-
nus, Historiker V 542, 1
Marius Perpetuus, cos. 237 V 542
Marius Priscus, Process IV 374. 376. 379
Marspiter, Inschrift IV 15
Martialis, Abfassungszeit des 10. — 12.
Buches IV 452 ff.
Todesjahr IV 458. 378
Martins Verus, Partherkrieg IV 484
vergl. VI 654
Masinissa, persönlicheMitteiluugen, von
Polj^bius benutzt IV 42
Masinissa, numidischer Fürst zu Caesars
Zeit V 472
Matidia, die jüngere IV 479
Mattiaci, communale Organisation VI
160 ff.
Matuta, Heiligtum V 81
Mauretania, Colonien VI 92, vergl. V 586
Maxen ti US, Empörung V 187
Consulatspolitik i. J. 307 VI 325
Maxima Sequanorum, Provinz V 432
Maximianus, (Kaiser), belegt Italien mit
Lieferungen (annonae) V 186
erbaut dieDiocletiansthermen in Rom
V 58
9te8 Consulat VI 326
Verhältnis zu Coustantin VI 326 f.
Zählung der Regierungsjahre in
Aegypten VI 332
Maximinus Daia, als Caesar V 58 f. VI
324 ff.
Christenpolitik VI mOl
Verhältnis zu den Mitregenten VI 561
Maximus, Patricier und Consular unter
Theodahathus VI 448 f.
Medullina, Braut des Kaisers Claudius
IV 466, 8
Meilensteine V 66 ff.
Mela, Quelle V 242
a memoria VI 651 f.
Meuestheus, mythischer Gründer von
Scylacium V 256
Merobaudes, Lobgedicht auf Aetius IV
531,5
M. Messius Rusticus Aemilius Papus
Arrius Proculus Julius Celsus =
M. Cutius M. f. Gal. Priscus Messius
etc., Name IV 406*
M. Metellus s. Caecilius
Mettius Curtius, Führer der Sabiner
IV 23
Militärämter unter ostgothischer Herr-
schaft VI 435 ff.
Militärgewalt, Trennung von der Civil-
gewalt VI 221
Militärrevolte des J. 14 IV 281
C. Minicius Fundanus, Consulatsjahr IV
381
L. Minicius Natalis, curator alvei Tiberis
IV 429
Q. Minucius Q. f. Thermus, Senator V
510
Minturnae, Colonie V 215
Mithradates Ktistes (des pontischea
Reichs) IV 76
678
Sach- und Namenre'rister.
Mithradates V Euergetes, Vater des
Eupator IV 66. 70
Mithradates Eupator IV 77 ff.
Mithradates Chrestos, Bruder des Eu-
pator IV 79
Mithradates Philopator Philadelphus
JV 69 ff.; Metradati f. IV 71; viel-
leicht von Sulla als König von
Paphlagonien eingesetzt IV 78; viel-
leicht Sohn des Eupator IV 79
Mithradates, König von Armenien IV 324
Mithradates (II) von Kommagene, Partei-
gänger des Antonius IV 87
Mithradatischer Krieg, erster IV 75
Mogontiacum, canabae VI 185
Stadtrecht VI 202
Moles Martis, supplicatio IV 264 f.
monumentum Ancyranum, keine Grab-
schrift IV 247 ff.
kein politisches Testament IV 251
politischer Rechenschaftsbericht IV
251
index rerum a se gestarum IV 252 f.
ohne Beziehung zum Kaiserkult IV
254 f.
Ausdruck monarchischen Selbstge-
fühls IV 256
Verschweigung der Varusschlacht IV
257 f.
Moorbrücken IV 205 f. 241,2. 242
Q. Mucius Scaevola, Statthalter von
Asien IV 65, 1
L. Munatius Plancus, Befehlshaber der
gallisch -germanischen Legionen IV
162
gründetLugudunumu.EauricaV356, 1
Municipalamt in abhängigen Gemeinden
mit römischem Bürgerrecht vereinbar
V 523, 1
municipaler Sicherheitsdienst VI 154
Municipalgendannen, militärisch ver-
wendet IV 489
Municipalwesen der gothischen Epoche
VI 433 f.
Municipium, Unterschied von der Colonie
V 113 ff.
Municipien der Kaiserzeit, Streben
nach Colonialrecht V 115
Misswirtschaft V 536 f.
Münzen, Präge- und Bildnissrecht IV 191
Reichsmünzstätte in Lugudunum IV
834
Mursa, Schlacht IV 550, 2. 547, 1
Mutina, Colonie IV 55, 1
Ä'amen, römische, dem Nichtbürger ver-
boten IV 306
römische auswärtiger Dynasten IV 90
verändert und gehäuft durch Adop-
tionen IV 399 ff.
vielstellige, abgekürzt IV 409 f.
unrömische in den Alpengegenden
IV 306 f.
der Kinder des Germanicus IV 288 f.
selbstgewählte Beinamen in den Fa-
sten unberücksichtigt IV 175 f.
Cognomina lokaler Herleitung nur
von Namen unselbständiger Ge-
meinden abgeleitet V 70
Nantuates, Wohnsitz V 374
Naraggara, Namensform IV 45, 4 ; Lage
47 f.
Narbonensis, prima und secunda V 583
Narcissus, Reichtum V 589
Nationalität, rechtliche und faktische
Vi 54 f.
natione in Heimatangaben VI 51 f.
[Nemanes Nemanei f.] = Natfiärrjg tov
Naifidvovg pontischer Gesandter IV 71
Nemausus, civitates attributae V 556
Nepet, municipium V 218
L. Neratius Marcellus, Statthalter von
Britannien IV 377, verschieden von
Marcellus, Consul i. J. 104 IV 462
Grossgrundbesitzer bei Benevent V 131
L. Neratius Priscus, Jurist IV 374
Nero, Sohn des Germanicus, Geburts-
zeit IV 273
Nero, Kaiser, Namen IV 467 f.
Desiguation zum Consulat für 55 IV
429,2
Sturz IV 333 ft.
Landanweisungen in Italien V 601
Christenpolitik VI 543
Nerva, tribunicische Jahrzählung VI
345
Anlass zum Titel Germanicus IV 449
suebischer Krieg IV 448 ff.
Sach- und Namenregister.
679
[Nerva]
Begründer der Alimentationen 1V435 f.
Erwähnungen bei Martial IV 453 ff.
Neujahr, vom 1. März auf den 1. Januar
verlegt IV 102.
asianisches V 528 f.
Kiebuhrs Geschichtschreibung VI 653
Nikomedes von Bithynien IV 77
Nikopolis (bei Actium), Ort der Anlage
VI 176 f.
Nola V 226
Nomentum V 73
Nonnenalter VI 602 ff.
nach dem Pontificalbuch unter Leo I
VI 603 f.
Norba V 71. 74
Noricum, Truppenstellung VI 68
notarii VI 405. 420. 435
Notheimus, Erzbischof von Canterbury
VI 619 f.
notitia dignitatum, Abfassungszeit IV
558 ff. V 588
Legionenverzeichnis VI 212 ff".
Angaben über Britannien VI 117
Novae, Stadtrecht VI 200
Nuceria V 212 f. 221
numeri (militärisch), technische Bedeu-
tung VI 103 ff 207 f.
nationaler Charakter VI 106 ft.
Organisation VI 111 ff',
erstes Auftreten VI 112 f.
teilweise Verwandlung in cunei VI114
Aufgehen in den späteren Auxilien
VI 217
mit doppeltem Ortsnamen VI 109. 175,1
vergl. Provinzialmilizen
numerus Palmyrenorum VI 153
Numidia, unter Cäsars Diktatur vor-
übergehend Provinz IV 173
Cirtensis und Tripolitana V 586
Numitor, König von Alba Longa IV 21
Numpidius (Nymphidius) Sabinus, prae-
fectus praetorio IV 344
Obier= Avionen? IV 492,1
Odovacar, Gescblechtsname VI 476
Stellung VI 477 ff.
ernennt Civilbeamte VI 492 ; Consuln
VI 334. 383
[Odovacar]
Unterschrift VI 394, 2
Landanweisungen VI 468 f.
officia (Subalternbeamte) VI 404 ff. ; Ent-
stehung VI 404 f. -
in byz. Zeit zur 'legio I adiutrix' VI
209,1
'officium nostrum' (des Gothenkönigs)
VI 406 f.
der gothischen comites VI 448
ab auro potorio VI 650
officiales, s. Heer
Officiere, Ernennung VI 392 f.
Organisation des Commandos seit Dio-
cletian VI 221 ff. 266 ff.
comes limitis oder rei militaris VI 272
excubitorum VI 233
gothischer Befehlshaber VI 438. 441
dux, technische Bedeutung VI 204 f.
limitis V 366. VI 221. 272 f.
gothi.scher Befehlshaber VI 441
legatus legionis VI 222
praefectus, seit Diocletiau VI 275
civitatis, gentis VI 256 f.
legionis VI 222 ff.
limitis VI 257
praepositus VI 152. 275. 307
tribunimilitumhonorespetiturilV413
Tribunat, ausgewirkt und auf einen
andern übertragen IV 877
tribunus (spätrömisch) VI 274 f. 307
legionis VI 224 f.
scholarum VI 233
vergl. magistri militum, praefectus
Cn. und Q. Ogulnius, curulische Ädilen,
stellen Erzbild der Wölfin auf IV 2
Oktober, Benennung nach Domitian VI
119
Olympiodorus, Geschichtsschreiber IV
517,4
Olympius, Prätorianerpräfekt IV 527
L. Opimius cos. 633, Erbauer des Con-
cordiatempels IV 152 ff.
Opitergium, Zerstörung IV 494
Opramoasdenkmal V 535 ff.
origo, in technischem Sinne VI 187
origo gentis Langobardorum, Verhält-
nis zu Secundus de Langobardorum
gestis VI 508 ff.
680
Sach- und Namenregister.
[origo]
de origine gentis Roman ae V 82 f.
VI 491
Orkistos, Stadtrecht V 540 ff.
administrative Zugehörigkeit V 549
von dort ausgehende Strassen V 549 f.
Oropos, Rechtsstreit mit den publicani
V 495 ff.
Rechtsverhältnis zu Athen V 503
Orosius, Erdbeschreibung V 302, 1
Ostercyclus, victorischer VI 598 ff.; dio-
nysischer VI 599 f.
Ostertafel vom J. 447, Zeitzer VI 589 ff.;
Veranlassung VI 589 f. ; Modificierung
des lateinischen Ostercyclus VI
590 ff.; darauf zurückzuführende
Osterdaten VI 594 ö.; officielle Ver-
wendung durch die römische Kirche
um die Zeit Leos I. VI 596 f ; Prosper
nicht der Verfasser VI 600 f.
Ostgothen, Ansiedelung VI 436
Donativum VI 436
Rechtstellung VI 465 ff. 481 ff.
Aufnahme in die römischen Rang-
klassen VI 450
Ostgothenreich , Civilverwaltung VI
394 ff.
Municipalwesen VI 483 ff.
militärische Organisation VI 437 ff.
ausseritalische Truppen VI 440 f.
Grenztruppen VI 441
Provinzen VI 442
Gesetzgebung VI 457 ff.
Verfassung VI 479 f.
Erbfolge VI 480
Köuigsgericht VI 471 ■
königliches Selbstregiraent VI 483
Hofdienerschaft VI 452 ff.
ostgothische Könige, Consulernennung
VI 379 ff.
Ostrom, Jahrestribut an Attila IV 539, 4
Decentralisation des Oberbefehls VI
270 f.
Verhältnis zu Westrom bezüglich der
Gesetzgebung VI 457 ff.
Otho, fällt von Nero ab IV 339; Nieder-
lage bei Betriacum IV 358 f.
Consulat V 331
Othonianer, Kämpfe IV 355 ff.
P. Pactumeius Clemens, Patron der
Cirtensischen Colonien V 485
Paestum, Colonie V 208
pagina V 339, 2
pagus V 394 f. 480. 438 ff.
pagi der Helvetier, Fortleben in der
Kaiserzeit V 395 ff.
Palaestina , militärische Verhältnisse
VI 101 f.
Palantini (spanische Gemeinde), Boden-
eigentum V 93
diva Palatua IV 16
Pannonia, von den Hunnen occupiert
IV 534, 7
Paphlagonia, politische Zugehörigkeit
IV 76 ff.
Provinz V 575. 577
Papias VI 566 ff.
Sex. Papinius C. f. Allenius IV 405 f.
Päpste, Ausdehnung des Metropolitan-
rechts V 188
Briefe in Bedas Kirchengeschichte
VI 619 ff.
der britischen Sammlung VI 629 f.
Datierung der Urkunden VI 347. 871 f.
Archiv VI 619. 622 ff. 626
Papyrus Berolinensis vom J. 158 V
493 f.
Papyrusurkunden aus dem 4ten Jahr-
hundert; Datierung VI 330 ff.
parare inter se, technisch IV 10 f. 12, 1
Parentium, Colonie V" 223
Parma, Colonie V 223. 226
Partherfeldzüge, des Lucullus IV 330 f.
des Corbulo IV 328 ff
des Caesennius Paetus IV 329 f.
Patriciat (der Spätzeit) IV 537, 6. 547.
VI 422 f.
Patulcenses, sardinische Gemeinde V 328
Paulinus, der letzte von gothischen
Herrschern ernannte Consul VI 335
Paulus, Consul, bei Martialis 10, 10 IV
454,5
s. auch L. Aemilius Paulus
Paulus, praefectus urbi im J. 438 VI 608
Paulus Diaconus, CharakteristikVI 485ff.
Glaubwürdigkeit VI 538 f.
Langobardengeschichte , Verhältnis
zu Eutropius VI 487
Sach- und Namenregister.
681
[Paulus Diaconus]
Benutzung des Gregor von Tours VI
486,1. 489
Verhältnis zur Origo gentis Lango-
bardorum VI 490 a\
Benutzung des Secundus de Lango-
bardorum gestis VI 506 ft".
Zusammenhang mit der historia Ro-
maua VI 511 f.
Benutzung oströmisch -italischer An-
nalen VI 511 ff.
Verhältnis zu Beda und Isidor VI
513 ff.
Verzeichnis der italischen Provinzen
und dessen Quelle VI 518 ft".
Verfasser des Auszugs aus Festus de
significatione verborum VI 532 f.
Bearbeitung des Laudolf VI 533 ff.
Cn. Pedanius Fuscus Salinator, Ehe
IV 385, 1
Pedum, Verschwinden des Gemein-
wesens V 73
Pelagia, Gemahlin des Bonifatius lV536f.
Peregrinität VI 467
Perennis bei Galen IV 514 f.
Perfectissimat IV 560, 1
Pergamon, Senatsbeschluss IV 63 ff".
Personalrecht VI 168
Perusia, comitium daselbst (?) V 1,1
Pest, während des Marcomanenkrieges
IV 488. 493
Petronius Anuianus, praefectus praetorio
VI 300 f.
Petronius Maximus, Patriciat IV 537, 6.
544
C. Petronius Pontius Nigrinus, Name
IV 406
Petronius Turpilianus , Neronischer
Truppenführer i. J. 68 IV 343, 4
Petulantes, Truppe des 4. Jahrhunderts
VI 240, 6
Peutingersche Tafel, Route von Zama
regia IV 39 ff',
auf Agrippa zurückgehende Angabe
IV 87
Bezeichnung Tigranokertas IV 325
Landschaftsnamen V 283, 3
Verhältnis zur Ravennatischen Kos-
mographie V 286 ff'.
Pferdeausfuhr, nach Gallien untersagt
V 381,2
Pharnakes I. von Pontus IV 70
Philadelphus, König von Paphlagonien
IV 78, 4
Philipp V., Briefe au die Larisäer 1 V49 ff.
Kinfluss auf The.ssalieu IV 49 f.
auswärtige Politik IV 51
Anschauungen über römische Zustände
IV 51 ff.
Philosophen, Ausweisung aus Rom unter
Domitian IV 418 f.
Phlegon, Benutzung einer mit Plinius
gemeinsamen Quelle V 276, 2, 3
Phrygia, Autonomie IV 67
prima und secunda V 577
Grossphrygien vorübergehend an Pon-
tus abgetreten IV 66
alae Phrygum VI 61
(pv).aQ)/_o? VI 482
Pinarius Apollinaris, Commissar in
Comum unter Tiberius IV 294. 299. 301
Gnaeus Pinarius Cornelius Clemens, Le-
gat von Obergermanien V 357
Pisae, Colonie V 223
Pisaurum, Colonie V 213. 223
Pithom, Lage Vi 615. 617 f.
Placentia, Ausdehnung des Territoriums
V 321 ff.
Colonie IV 53, 4. 54. V 132. 235
für Alimente den Veleiaten verpfän-
dete Liegenschaften V 132 ff.
Placidus, cos. 343 V 566 f.
Placidus Valentiniauus s. Valentinia-
nus III.
Plautianus, als comes des Severus und
Caracalla IV 316
M. Plautius Silvanus, Proconsul von
Asien; Münze mit seinem Bildnis
IV 184
C. Plinius Secundus (der ältere), als Ge-
schichtsschreiber IV 274, 1. 275, 1 285
Colonienverzeichnis V 230 ff'. VI 91
Quellen V 84. 239 ff. 276, 2
C. Plinius Secundus (der jüngere),
Name IV 394 f. 397. 404 ff.
Heimat IV 395 f.
Geburtszeit IV 412
Adoption IV 397 ff.
682
Sacli- und Namenregister.
[C. Pliuius Secundus (der jüngere)]
Heiraten IV 370; Dreikinderrecht
IV 370, 2
Laufbahn bis zur Prätur IV 412 ff.
Verhalten in den ersten Rangstufen
IV 421 ff.
praefectura aerarii niilitaris IV 423,
aerarii Saturni IV 423 ff.
Cousulat IV 425 ff., Dankrede IV 375
Augurat IV 379. 429
cura alvei Tiberis IV 429 f.
bithynische Legation IV 430 ff 390 ff.
municipales Priestertuni IV 434
municipale Zuwendungen IV 434 ff'.
Testament IV 436 f.
Tod IV 433
Advocatur IV 437 f.
Processe IV 438. 376
Reihenfolge der Briefe IV 366 ff.
Briefwechsel mit Traian, Zeitfolge j
IV 388 ff.
Recitation und Herausgabe der Reden
IV 438 f.
als Dichter IV 439 f.
Beziehungen zu Tacitus IV 440 f.
Inschriften IV 442 f.
Plutarch, unzuverl. im Detail IV 117, 65
benutzt für Lucullus vortreffliche
Quelle IV 330
Poeninus, Form und Ableitung V 356,2
Poetovio, erhält Stadtrecht und verliert
Besatzung VI 178
Poimanenon, Ehrenbeschluss IV 65
Pola, Colonie V 223
Polemius Silvius, Verzeichnis der Pro-
vinzen V565 ff 587 [vergl. VII 633 ff'.]
politische Nachrichten, brieflicher Aus-
tausch IV 174
Politorium, Poletaurini V 81
Polleutia, Schlacht IV 525
Polybius, Quellen IV 42
Pometia, latinische Colonie (?) V 74
Pompeii, Colonie V 208 f.
Pflasterung der Strasse vor dem sta-
bischen Thor V 66
Cd. Pompeius, Verhalten in Cäsars Con-
flikt mit dem Senat IV 132 ff.
Bürgerrechtsverleihung in Spanien VI
30, 1
[Cn. Pompeius]
kleinasiatische Einrichtungen IV 76.
78. V 440 f.
Anstiftung zur Ermordung Pisos V471
spanische Statthalterschaft IV 127
Sextus Pompeius, sicilischerKriegIV261
Q. Pompeius Falco, Name IV 410
Laufbahn IV 386
Pompeius Planta, Präfekt von Ägyp-
ten IV 389
Q, Pompeius Q. f. Rufus, Senator V 510
Q. Pompeius Senecio Sosius Priscus,
Name IV 410
L. Pompeius Vopiscus C. Arruntius Ca-
tellius Celer Aquila, Name IV 407, 1
T. Pomponius Bassus, Zeit und Art
seines Alimentaramtes IV 456 f.
Pontica dioecesis V 574 f.
C. Popillius C. f , praetor IV 63 f.
M. Poplicius M. f. Scaeva, Senator V 510
populus senatusque Romanus IV 57 f.
M. Porcius Cato, basilica Porcia V 11 f.
M. Porcius Cato (Uticensi.s), cäsarfeind-
liche Politik IV 132 ff.
porta praetoria VI 132 f.
portorium V 445
portus V 445
possessores VI 433
kaiserl. Post, von Plinius' Frau benutzt
IV 391
Postverwaltung in den Provinzen VI
613 f.
Postumus, gallisches Kaiserthum VI4S3
Potaissa, Stadtrecht VI 200
praedium V V24
praefectus aerarii niilitaris IV 423
annonae IV 197. VI 431, 2
classis Havennatium cum curis eius-
dem civitatis VI 432
fabrum, consularis und praetorius V
484 f.
frumenti dandi 1) ordentliche Magi-
stratur unter Augustus IV 195 ff. =
curator frumenti IV 196 ersetzt
durch den praefectus annonae IV 197
2) ausserordentliche Magistratur IV
193 ff. 198
praefecti praetorio, Vorgesetzte der
hauptstädtischen Garnison VI 552
Sach- und Namenregister.
683
[praefecti praetorio]
Zusammenwirken VF 284 f.
Zeichnung präfektorischer Edikte Vi
285
Verwaltungsteilung VI 285 ff. 290
Drei- und Vierzahl VI 288 f.
Ausdruck der Sprengelteilung in der
Titulatur VI 291 f.
Einfluss auf den Kaiser VI 297 f.
Eang VI 301
Competenz VI 301 f.
Gesetzgebung VI 607
gemeinschaftliche Erlasse VI 302
Ininiediatbezirke V 566 f.
Beamtenernennung VI 393
Militärgewalt VI '266
deren Verlust IV 547
unter gothischer Herrschaft VI 398 f.
46-3 f.
arca VI 400
praefectus urbi, häufig als amicus Au-
gusti bezeichnet IV 321
Amtsbezirk V 270
Vorsitz im Senat VI 608 f.
Aufsicht über die Bibliotheken VI 651
unter der gothischen Herrschaft VI
393. 397. 431 f.
praefectus vigilum VI 431
vigilum urbis Ravennatis VI 433
vergl. Officiere
Praeneste, Colonial- und Municipalrecht
V 115. 209. 215,2
praepositus calcis der Stadt Rom, in der
Gothenzeit VI 432
sacri cubiculi IV 559. VI 452f. 619 f.
Prätorianer, Eintreten für Galba IV 344
s. cohortes praetoriae
praetorium, Statthalter- Residenz VI
128 ff.
Landhaus IV 297.4. VI 128
Praetur, Amtsantritt IV 101,23
Competenzen IV 96 f.
Verteilung der prätorischen Provin-
zen IV 136
urbana consulari potestate IV 432, 3
Vertretung des Consuls IV 151
für Tutelen und Fideicommisse V 188
Altersbestimmungen in der Kaiserzeit
IV 414
[Praetur]
seit Diocletian VI 430
Lictoren des praetor urbanus IV 96, 15
praetores duoviri V 208 f.
precarium IV 02
Priestertümer, bald nach dem Consulat
verliehen IV 379
primiceriatus qui et domesticatus nomi-
natur VI 448 f.
primicerius VI 412 f. 444
notariorum VI 392. 427
sacri cubiculi VI 400 f. 453
princeps senatus VI 428
principes officiorum IV 552. VI 412 ff
princeps cardinalis VI 409
Principat, Unverantwortlichkeit IV
251, 3
beeinflusst durch die monarchischen
Institutionen des Orients IV 256
Proca, König von Alba Longa IV 20
Processjahr, Anfang IV 110 ff.
Proconsulat, von Cäsar auf zwei Jahre
festgesetzt IV 169
Antrittstermin in der Kaiserzeit IV 41 5
Proconsuln. consularische und praeto-
rische IV 186 f.
Bildnisse auf Münzen augustischer
Zeit IV 183 ff'.
Namen auf Münzen IV 187, 1
citra sortem IV 431
proconsularisches Imperium, rechtlich
ohne lokale Beschränkung IV 121.
123
Procopius, Unparteilichkeit VI 459, 3
procurator, privater V 608
Promagistraturen, Einrichtung IV 99
Endtermin IV 116. 124
Promotus, magister equitum IV 551, 2.
VI 341
provincia IV 92 ff,; abgesteckte Impe-
riencompetenz IV 93 f ; Etj'mologie
IV 93 f.; nur auf Geschäftsteilung
der Consuln und Prätoren angewen-
det IV 95; Grundsätze für die Ver-
teilung durch den Senat IV 97; Be-
schränkung des Begriffes auf ausser-
italische Commandos IV 99 f.
provinciae legatoriae IV 171
quaestoriae IV 95
684
Sach- und Namenregister.
[provinciae]
Zahl unter Cäsar IV 169 ff,
neugeschaffene IV 171
Scheidung militärisch besetzter und
unbesetzter IV 163. VI 39
Truppenstellung der kaiserlichen VI
63 ff., der senatorischen VI 66 f.
Veroneser Verzeichnis V 561 ff.
Provinzialmilizen VI 145 ff.; beschränkt
besonders auf Grenzprovinzen und
von den Kaisern ervrorbene Land-
schaften VI 150 f.; Dienstdauer und
Besoldung VI 151; Organisation VI
152; Verwendung für den Reichs-
dienst VI 153; vergl. numeri
Ptolemäus, ethnographische Gesichts-
punkte V 270
Fehler seiner Karten IV 327
Publianus, vicarius von Rom VI 609
publicani, Rechtsstreit mit Oropos V
495 ff.
Beseitigung V 610
Publicius Certus, von Plinius im Senat
augegriffen IV 372
Zeit seiner praefectura aerarii IV 424
Puerperium IV 285
Weihungen ob puerperium IV 278, 1
Puteoli, Colonie V 221
Ableitung des Namens V 255
Pylaemenes, Thronprätendent von Pa-
phlagonien IV 77
Pylaemeniden, paphlagonische Dynastie
IV 77. 78, 4
Pyrgi, Bürgercolonie IV 54, 1, 4
<Juaden, Marcomanenkrieg IV 491 ff.
Quaestoren, Verhältnis zu den Consuln
uud Praetoren IV 95. 114
quaestor imperatoris IV 421 f.
Altersbestimmung in der Kaiserzeit
IV 414
Antrittstermin IV 415 ff.
Designation IV 382
in der Spätzeit VI 387, 2. 424. 430
quaestor palatii VI 387 ff.
wahrscheinlich identisch mit dem
vicarius a consiliis sacris VI 388
Rang VI 388 f.
Functionen VI 389 ff.
[quaestor palatii: Functionen]
Ausfertigung der Bestallungen VI
390 ff-.
Officiersernennungen im Orient VI
392 f.
P. Quinctilius Varus, Münze von Achulla
IV 200
Ehreninschrift von Pergamon IV 201
Proconsul von Africa IV 184. 187
Denkmal auf dem Schlachtfeld IV
241,1
s. Varusschlacht
S. Quintilius Condianus IV 496
S. Quintilius Maximus IV 496
T. Quinctius Flamininus, Tätigkeit in
Thessalien IV 50
Quirites, von Cures abgeleitet IV 24
Radagaisus IV 526, 2. 528, 6
Raetia, Truppenstellung VI 68
Provinzialmilizen Vi 151
Verwaltung V 357
prima und secunda V 584
Ramesse, Lage VI 615. 618
Q. Rancius Q. f., Senator V 510
Rangklassen im Ostgothenreich VI
449 ff.
Rauriker V 374 f. VI 89,2
Ravenna, Verwaltung VI 432 f.
Recht, personales und territoriales VI
465 ff.
referendarii VI 421
Regenwunder s. M. Aurelius
regio, Bedeutung IV 300, 1. V 277
regiones s. Italien
Regium, bleibt Municipium V 211
M. Regulus, Kollege und Feind des
Plinius IV 367, 3. 370
Reisebericht von Jerusalem nach dem
Sinai VI 610 ff.
relegatio V 270
Remer, Rechtsgemeinschaft mit Suessio-
nen V 448
Remöna für Remuria IV 16
Remureina, Göttin IV 15 f.
Remüria, zweiter Gründungsort der
Legende IV 15
Remurinus ager IV 8, 3. 15 f.
Remus, Mindestalter der Legende IV 2 ff.
Sach- und Namenregister.
685
[Remus]
haftet weder in der sacralen IV 6 f.
noch in der topographischen Le-
gende IV 7 f.
Name IV 8
Auspication IV 9 tt'., Auspicationsort
IV 14 f.
bei Dichtern IV 7, 1. 18
Mitregierung IV 18
symbolische Bedeutung seiner Tötung
IV 19
staatsrechtliche Tendenz der Legende
IV 20
Bemushügel IV 16
Republik, i. J. 68 proklamiert IV 336 Ü'.
res publica, als Bezeichnung für die
canabae VI 189 f.
res sacrae, als staatliches Eigentum
geltend V 152
Rheinbefestigungen V 446
— brücken V 363 f.
— brücke bei Coblenz IV 278
— hafen, für Flotte V 467 ff.
Richomer, magister utriusque militiae
IV 551, 2
Ricimer, patricius IV 537, 6
römisches Reich, Städtezahl V 559 f.
Einheit formal festgehalten VI 308 ff.;
besonders in der Gesetzgebung VI
309 f. 315. 585
Rom
Alcibiades - Statue V 9. 15
Apollotempel, im Flaminischen Cir-
cus, auch Latonaheiligtum V 57
aqua Marcia V 40 f.
ara Consi V 57
argentarii, Platz auf dem Forum V 11 f.
Argiletum V 27 ff.
atrium Libertatis, zur Curie gehöriger
Saalraum V 60 ff.
Atti Nävi statua V 14
teraplum divi Augusti V 44 ff.
basilica Aemilia V 9. 12
basilica Opimia IV 153 f. V 5 ff.
basilica Porcia V 11 f. 16. 505
Brücke (Caligulas) zwischen Palatium
und Capitol V 45 f.
Capitol, Statuen und Tempel V
40 ff.
[Rom]
Capitolium in engerem Sinn (= Ju-
pitertempel) V 43 f.
carcer Mamertinus V 12 f.
Castortempel V 16
Chalcidicum = Graecostasis ? V 19
Circus (V) corniscarum V 57
clivus Capitolinus, Pflasterung V 63 ff.
cloaca maxima V 47. 52
Cluacinae sacrum V 14. 16
Comitium, Lage V 1 ff.
Concordiaterapel IV 151 ff. V 5 ff .
curia Domitiani V 19 f.
curia Hostilia V 3. 9
curia lulia V 9. 17 ff'.
Diokletiansthermen, Inschrift V 57 ff,
Felicitastempel V 10. 54 ff.
ficus Ruminalis V 15
fornix Fabianus V 47 ff.
forum lulium V 29 ff".
forum piscatorium V 12. 16.
forum transitorium = Nervae V 30
Forum Romanum, Ausdehnung V 3 f.
Monumente zu Ehren Cäsars IV 182^
Genius P. R., Heiligtum V 54
Graecostasis V 3. 5 ff. 18 f.
Janustempel V 21 ff.
Juno regina, Tempel V 57
Jupitertempel, Häufung auf dem Ca-
pitol V 55
Jupiter Stator, Tempel IV 83. V 57
lacus Servilius V 16 f.
Lautumiae V 12 f.
Minervatempel V 31. 45 f.
Ops, Tempel V 55
pomerium V 57
porta lanualis V 25 f.
porticus Octaviae, umschliesst Dop-
peltempel des Jupiter Stator und
der Juno regina V 57
puteal V 1 f. 14
Pythagoras - Statue V 9. 15
rostra V 13
secretarium senatus V 12
senaculum V 3. 5 f.
stationes municipiorum V 32
Strassenpflasterung V 63 ff.
Velabrum V 16
Veteres (curiae) V 16
686
Sach- und Nameniesrister.
[Rom]
Vortumnus, Statue V 56
Vulcanal V 3. 6 ff.
Verwaltung VI 430 ff.
Wagen verkehr V 64
Pcöfirj , Troianeriu, Gattin des Latinus
IV 3 ff'.
"Pü/Liog, Sohn des Latinus und der Rhome
IV 3 ff.
Romulus, Sohn des Latinus IV 3 ff.
in der topographischen Legende IV 7
frühe Namenbildung IV 8
Auspication IV 9 ff.
L. Roscius Aelianus, Name IV 409. 425
rotarium, Chausseegeld V 479, 1
Rotes Meer, Strandreise VI 611
Wagenspur des Pharao VI 612
Rua, Hunnenkönig IV .537 f.
Rubrius Gallus, Consulat IV 380
rubrianisches Senatsconsult IV 380, 4
Rufinus, praefectus praetorio IV 519, 3.
520 f.
Rufius Albinus, cos. 345 VI 333 f.
Ruf US (Rufius) Festus, Verzeichnis der
Provinzen V 587
Rusellae, Colouie V 236
T. Rustius Nummius Gallus, Name IV
406
Rutilius Lupus, Grossgruudbesitzer bei
Beuevent V 131
Rutuler V 74
Sabiner, Ausdehnung IV 27 f.
Bürgerrecht IV 32
Bezeichnung für Bürger von Cures
IV 29
foedus Sabiuum IV 30, 1. 32
Sabinerinnen, Zahl der geraubten IV 26,4
Saena, Colonie V 223. 229
Saepinum, Stadtrecht V 177
saio, gothischer Subalternbeamter VI
410 ff. 473
Sallustius, Präfekt von Gallien IV 549, 3.
VI 298
Salmanticenses, Bodeneigentum V 93
salutatio IV 319 f.
Salventius, Stadtpräfekt VI 605
Saraceni, als foederati VI 225 ff. 230. 482
am Roten Meer VI 612. 618
Sardinia, Verwaltung V 334
militärisch als kaiserliche Provinz
behandelt VI 63
Sarmaten, in Italien angesiedelt VI 259, 0.
439. 468
s. Jazygen
Satricum V 70, 74, 81
Saturnia urbs V 24 ff". 82
Saturuinus, Freund des Plinius: sein
Testament IV 434, 6
Saturnkult, bei den Anaunern IV 293 f.
Saul, Führer bei PoUentia IV 528, 6
Scaptia, verschollene latinische Ge-
meinde V 81 f.
Schauspielernamen IV 484
Schisma der Jahre 355—365 VI 570 ff.
des J. 530 VI 605 ff
scholae (Saaltruppen) VI 230 ff.
scholares unter der Gothenherrschaft
VI 403
Schrift, Abkürzungen V 342 f.
Schweiz, Eroberung V 355
administrative Zugehörigkeit der ein-
zelnen Teile V 356 ff.
politische Einteilung seit Diocletian
V 362
Besatzung bis Vespasian V 363 ff.;
später ohne Besatzung V 365
Grenzverteidigung seit Probus V 366
am Bodensee V 431
Romanisierung V 372 f.
keltische civitates und pagi V 374 ff.
Stadtrechtsverleihung V 377
Rekrutierung für die auxilia V 379 f.
Handelsartikel V 383
Weinbau am Genfer See V 383, 2
Müuzfunde V 36G, 1. 367, 1. 381 f.
s. Helvetier
sclis, Nebenform von stlis (lis) IV 194,3
Scolacium Minervium = Scylacium V
254 ff'.
Scribonius Curio, s. Curio
scrinium memoriae VI 392
vestiarii sacri VI 650
Romanae ecclesiae VI 622 f.
aneiga Seßaatrj VI 553
Sebastianus, magister militum IV 53!j
secretum VI 417
seditio V 347 f.
Sach- und Namenregister.
687
Seduui V 374
C. Sempronius Gracchus, sardinische
Quästur IV 117,65
senaculum IV 153 f.
Senat
steht im officiellen Sprachgebrauch der
Republik dem populus nach IV 59;
meist vor populus IV 57 ft'.
Machterweiteruug durch Sulla IV 122
formale Souveränität unter Augustus
IV 186
in der Spätzeit VI 428
seuatus amplissimus VI 608
Befugnis von den Gesetzen zu ent-
binden IV 120
Senatusconsulta ersetzen leges IV 60
Recht der Gesetzgebung für den
Sprengel der Hauptstadt VI 606
verfügt über die Statthalterschaften
IV 131
verfassungsmässiger Anteil an der
Heeresergänzung VI 73 ff.
Verhandlungen über Caesars Nach-
folge in Gallien IV 188 ff.
im Januar 705 (49) IV 120
erkennt Galba an IV 345
erlässt Bestimmungen über die
Papstwahl VI 605 ff.
Zusammensetzung (in der Spätzeit)
VI 424 ff.
Stimmordnung VI 425 ff.
Vorsitz VI 430. 608 ff.
Ausschüsse V 507
ex senatus consulto IV 194 f. 198 f.
Mitteilung derSenatsbeschlüsse VI 608
contestatio senatus VI 607
Senatsbeschluss über die Bacchanalien
VI 608
über ein Bündnis mit den Juden
IV 146 ff.
über Oropos V 495 ff.
über Pergamon IV 63 ff.
über Phrygien IV 66
über Tabae V 514 ff.
senatusconsultum Articuleianum, Da-
sumianum, Rubrianum IV 380,4
Seneca, Reichtum V 589
theoretisch Gegner der Latifundien
V 597
[Seneca]
Wucherzinseu V 612
Finanzoperation nach Eroberung Bri-
tanniens V 612
Septiraius Severus, Vermehrung der Do-
mänen V 597. 599
Reorganisation der hauptstädtischen
Garnison VI 547 f.
Stadtrechtsverleihungen VI 200
Sequaner, Ausdehnung V 374
Beteiligung am Aufstande i. J. 68
IV 336. 340
Serena, Nichte des Theodosius, Gemah-
lin des Stilicho IV 517
Sermoneta V 72, 1
Sertorius, Gebietsabtretung an Mithra-
dates IV 78
Servilia, Mutter des M. Brutus IV 172
P. Servilius, Dauer des Proconsulats IV
117,65
P. Servilius Calvus, Statthalter von
Bithynien IV 481, 1
Servilius Pudens, Legat IV 431,3
servus actor V 140
Setia, Municipium V 218
Severus, Kaiser, s. Septiniius Severus
Severus, Cäsar VI 324 ff.
Severus, magister militum IV 548, 2
T. Sextius, afrikanischer Statthalter
44 v. Chr. IV 162. 173
Sicilia, keine Truppenstellung VI 67
gothische Besatzung VI 442
Siculus Flaccus, Zeit V 185,3
Sidonius, Unzuverlässigkeit IV 441, 5
signatores V 344 f.
Signia, Municipium V 218
silentiarius VI 417
C. Silius P. f. P. n. A. Caecina Largus,
Name IV 405 f. 407, 1
Silius Italicus, Tod IV 378
Silvius s. Polemius Silvius
Sinduni, norditalische Grenzgemeinde
IV 294. 303 f.
Siugidunum, Stadtrecht VI 200
P. Sittius, Begründer der Colonie Cirta
V 471 ff.
Sklaven, militärische Verwendung VI
168 f. 171. 250
Bezeichnung der Nationalität VI 53
688
Sach- und Namenregister.
Socialkrieg, Parteistellung der italischen
Städte V 262. 265 f.
sodales Titii IV 34
Sonnenfinsternis i. J. 202 v. Chr. IV 45, 5
Sophanene, keine Provinz V 574
Sora, Colonie V 213. 224
Q. Sosius Senecio, Statthalterschaft IV
381
Spanien, Bürgerrecht V 414
Gemeinden der Tarraconensis V 555 f.
Küstenschutz VI 153
spatharius, Schwertträger VI 453 f.
Städtegründung an der Stelle von Lagern
VI 176 f.
Städteverbände der Kaiserzeit V 553 ff.
Stadtrechtbrief, von Orkistos V 540 ff.,
von Tymandos V 550 f.
statio Maiensis, Lage der Zollstation
V 486
L. Statius Murcus, unter Cäsar Befehls-
haber der syrischen Legionen IV 163
Statius Priscus, Feldherr unter Verus
IV 484
Statthalter, decreta nicht ohne Mit-
wirkung des consilium V 337
Controle der Gemeinden und Städte-
bünde V 534 ff.
Schiedsrichter bei Streitigkeiten zwi-
schen Gemeinden V 336 f.
Dauer der Statthalterschaften 1V115 ff.
Stilicho, Politik gegen Ostrom und
Alarich IV 516 ff.; Charakteristik
IV 527 ff.
magister utriusque militiae IV 555 f.
stipendiarii, abhängige Gemeinden IV
61 f.
Strabo, für kleinasiatische Dinge zuver-
lässig V 440, 6
überwiegend physikalischer und histo-
rischer Standpunkt V 270
Strasse Mailand -Chur- Rhein V 359
Strassenwesen V 63 ff.
OTQaTt]kdrr]g = magister militum IV
546,2
Stratonikeia, abgabepflichtige Gemein-
den V 515 f.
Studierende in Rom VI 429
a studiis VI 651 f.
sublimis vir VI 455
subsiciva, unvollständige Centurieu V 90.
269,3
Sueben, Kriege unter Domitian und
Nerva IV 447 ff.
Suessa, Colonie V 224
Suessa Pometia, untergegangene lati-
nische Colonie IV 54, 2, 3
Suessula, Colonie V 216
Suetonius Tranquillus, Geburtszeit und
Beziehungen zu Plinius IV 377 f.
Gründlichkeit IV 274
beschönigende Darstellung des augu-
stischen Kaiserkults IV 269, 1
Sulmo, latinische Colonie V 71 f. 74
P. Sulpicius, Eintreten für die Italiker
V 263
Q. Sulpicius Camerinus, cons. suff. des J.
46 IV 294. 296 f.
P. Sulpicius Qnirinius, Name IV 405 f.
Ser. Sulpicius Rufus, Statthalter von
Griechenland IV 173
Sumelocenna V 466. 467,2
procurator tractus Sumelocennensis et
tractus translimitani V 465 ff".
Sutrium, Colonie V 224
Symmachus, Consul im J. 485 n. Chr.
VI 382
Symmachus, Consul mit Boethius, unter
Theoderich hingerichtet VI 382
Synesius Schrift 'der Ägypter' VI
292 ff.
Synode von Tours (nicht Turin) ? VI 582 ff.
Syphax, africanischer Krieg IV 42 ff.
Syria, Jahresrechnung VI 345. 348 f.
avattjfia XgvoaoQixöv, karischer Gemein-
debund V 515 f.
Tabae V 515 ff. Taßrjvoi IV 72
tabula V 340
Tacitus (Cornelius), Laufbahn IV
421 f.
Beziehungen zu Plinius IV 440 f.
als Redner IV 441
Entstehungszeit des Agricola IV 440;
der Historien IV 441
benutzt Senatsbeschlüsse [vergl. auch
VII S. 253 ff] VI 74
Datierung nach Regierungsjahren VI
350
Sach- und Nan:enregister.
689
[Tacitus]
Mängel seiner Geschichtsschreibung
[vergl. auch VJI 224 ft'.] IV 276,2.
281,4. 283,1. 328. 330. 358 ff.
tadelt Augustus wegen göttlicher Ver-
ehrung IV 268,2. 269,1
Tacitus (Kaiser), Vermögen V 589
Tareutum, Neptunia V 254
Tarpeia, Lokalisierung der Sage V 17. 25-f.
Tarracouensis s. Spanien.
Tatiuslegende. geschlossene Composition
IV 22 f.
Grundzüge alt IV 26
Entstehungszeit IV 32
widerspruchsvoll IV 31
Tendenz IV 27
Tauraunitium regio, in Armenien IV 329
Taurus, Präfectus prätorio, Consul ord.
im J. 361 VI 293, 3. 341
Vater des Aurelianus, Consul im J. 400
VI 293
Teanum Sidicinum, Colonie V 177. 221.
236
Tektosageu, Könige V 439, 2
Telegonus. dritter Sohn des Latinus und
der Rhome IV 4
Telesia, Colonie V 209. 218
Tellena, untergegangene latinische Ge-
meinde V 81 f.
Tempelgruppen einer Gottheit V 55 f.
M. Tereutius M. f. Varro Lucullus, Sena-
tor V 510
Tergeste, Colonie V 213; abhängige Ge-
meinden IV 61. 304 f.
Termiuation V 456. 458. 463 f.
TertuUian, Zählung der Kaiserjahre VI
.350, 2
Tetrarchie, keltisches Institut V 438 ff.
in Kleinasien V 440 ff.
in Syrien V 441
in Thessalien V 440, 3
Tetricus, gallisches Kaisertum VI 483
Teutoburger Wald IV 205. 241
vergl. Varusschlacht
Theodahathus, Unterwerfungs vertrag VI
228
Verzicht auf Ämterverleihung VI 894
Verleihung des Primiceriats an Maxi-
mus VI 448 f.
MOMMSEN, SCHR. VI.
[Theodahathus]
Ein- und Absetzung VI 480
Theoderich, Geschlechtsname VI 476
römische Ämter, Tracht VI 477 f.
magister militum IV 557. VI 444 ff.
als Gothenkönig VI 478 ff.
Vorträge der referendarii VI 421
als Gesetzgeber VI 460 ff.
Regierungsteudenz VI 464 f.
Selbstregiment VI 473
Consulernennung, Verhältnis zu Ost-
rom VI 335. 379 ff.
Wiederherstellung des gallischen
Vicariats VI 397
Herstellung des römischen Forums
V 61
Theodoridus (Theoderich), Westgothen-
könig IV 543
Theodosius I., Umgestaltung des magis-
teriura militum IV 550 f.
Arbogastes' Ernennung zum Heer-
meister IV 555
Verleihung des ordentlichen Consu-
lats VI 341
Heeresstärke VI 264
Reichsteilung IV 516 f.
Theodosius IL, Feigheit gegenüber den
Hunnen IV 540 ff.
Behandlung weströmischer Erlasse VI
458
thessalonikische Kaisererlasse VI 585
Erdkarte V 304
Theonas, gefölschter Brief des Bischofs,
Angaben über die Organisation des
Hofes VI 649 ff ; Zeit der Fälschung
VI 652
Thermantia, Tochter des Stilicho IV 529
Thermen, von Plinius für Comum ge-
stiftet IV 436
s. auch Diocletiansthermen
Thessalonikische Kaisererlasse , Fäl-
schung VI 585 ff.
Thronwechsel, Beamtenbestätigung IV
424
Tiberius, Verhältnis zu Augustus IV
288
absolutistischer Einfluss IV 188
Einschränkung des Kaiserkults IV 269
„apsentia pertinax" IV 294
44
690
Sach- und Namenregister.
[Tiberius]
Verwandlung von Lehnstaaten in
Provinzen IV 88
Domanialpolitik V 596, 1
erbaut die Praetorianerkaserne in
Rom VI 178
Tiberius, dritter Sohn des Germanicus,
Geburtszeit IV 273
Tifata V 83, 2
Tifernum, Tempel von Plinius gestiftet
IV 437
Tigellinus, Verhalten im J. 68 IV 344, 1
Tigorini V 394 ff.
fälschlich auf Zürich bezogen V 397
Tigranes, Grosskönig von Armenien IV
324 f. 830 f.
Tigranes, römischer Lehnkönig von
Armenien IV 329
Tigranokerta, Lage IV 323 ff.
Geschichte IV 324 f.
Zeugnisse über die Lage IV 825 ff.
in den Partherkriegen IV 328 ff.
Timasius, magister equitum IV 551,2
ordentliches Consulat VI 3il
Tiridates, König von Armenien IV 324 f.
Titinius Capito, Laufbahn IV 872, 5
setzt dem L. Silanus eine Statue IV
372
sucht Plinius zur Geschichtsschrei-
bung anzuregen IV 439. 441
togati, zur Bezeichnung des Civilperso-
nals V 169, 1
Totila, von Byzanz nicht anerkannt VI
476. 481
Vorhaltungen an die Römer VI 395, 3, 4
Tours, alte Namensformen VI 582 f.
Traian, germanische Expedition unter
Domitian IV 450 ff.
Legat von Germania superior IV 375
Zählung der Regierungsjahre IV 457, 1 .
459 ff.
Consulate IV 429, 2, 3. 459
konsularische Akte i. J. 100 IV 428
Beinamen IV 391; Aulass zum Titel
Germanicus IV 449
Zeit des ersten dacischen Krieges IV
462
Wegebauten in Germanien V 449
Hafenbauten IV 384
[Traian]
Verleihung des Colonierechts an
Lagerstädte VI 199 f.
gegen Verwendung von Soldaten im
Municipaldienst VI 154, 4
Erwähnungen bei Martial IV 453 ff'.
Traiana, ursprünglich Lagerstadt zu
Castra vetera VI 182
Colonierecht VI 199 f.
Trebatius Priscus, Consulat IV 381,5.
386
L. Trebellius, mit Beinamen Fides IV
176,1
Tribigildus, aufständischer Föderaten-
führer VI 294
C. Trebonius, cos. 709 IV 171. 174
Trebonius Garutianus, Procurator von
Africa i. J. 68 IV 346
Tribunat, im Cursus bonorum der Kaiser-
zeit der Ädilität gleichgestellt IV
414
tribunicische Intercession gegen Senats-
beschlüsse über consularische Pro-
vinzen ausgeschlossen IV 137 f.
tribunus et notarius praetorianus IV
533, 3
tribunus provinciae (der Gothenzeit)
VI 435
voluptatum VI 430. 434 f.
Tribus, patricische IV 34 f.
im Namen IV 150 f.
auf Inschriften des dritten Jahr-
hunderts V 419
durch Adoption bestimmt IV 397, 1
Palatina IV 897, 1
Quirina IV 32. V 418, 3
Sergia V 266
Einteilung nach dem marsischen
Krieg V 262 ff.
Tridentum, zu Italien gehörig, erst
municipium, dann Colonie IV 302 f.
Zugehörigkeit der Anauni, Tulliasses,
Sinduni IV 294 ft.
Trier, Rechtstellung VI 85
Triumvirn, Colonien V 211 ff. 601
Troesmis, canabae VI 183 f. Stadtrecht
VI 200
Truentum, Municipium V 221
Tuder, Colonie V 219. 224
Sach- und Namenregister.
691
Tuition (Königsschutz bei den Gothen)
VI 472
Tulliasses, norditalische Grenzgemeinde
IV 294. 303 f.
M. Tullius Cicero s. Cicero
Tuluin, gothischer Patricius VI 403,5.
447 f. 455 f.
Turicensis statio (Zürich) V 397
Turinas ecclesia VI 630
Turpillio, magister utriusque militiae
IV 557, 2
Tuscia et Umbria, Provinz V 193 f.
Tusculum, municipium V 216
Ulfila, magister equitum per Gallias
IV 557,3
Ulpianus, von Alexander als amicus be-
zeichnet IV 320
Ulubrae, Colouie '? V 219
Umbria, Fest in Hispellum V 269, 2
s. Tuscia et Umbria
C. Ummidius C. f. Durmius Quadratus,
Name IV 406
Urbana, sullanische Colonie V 210
Ursicinus, magister railitum IV 548,2
Urso, s. Genetiva (colouia)
Utica, Streben nach Colonierecht V 115
Vaballathus, dux Romanorum VI 205
Valens (Kaiser), Gothenkrieg 367 — 369
VI 304 ff.
Verordnung über Bibliothekspersoual
VI 650
Valens, magister militum IV 557, 2
Valentia, Provinz V 581
Valeutinian L, Reichsteilung IV 516
Befestigungsanlagen am Neckar V
467 ft".
Heeresverstärkungen VI 264
Valentinian II. IV 555
Valentinian III. (Placidus Valentinia-
nus) IV 534. 540 f. 544
Valeria, Provinz V 580 f. 586
Valerianus und Gallienus: Kompetenz
der iuridici unter ihrer Regierung
V 184
L. Valerius L. f. praetor IV 146
Valerius Antias, Benutzung durch Livius
u a. IV 43
M. Valerius Mcssalla cos, 701/53 IV 177
vallis (Poenina), besondere Provinz V
356 f.
procurator Alpium Atractianarum et
Poeninarum V 357
Romanisierung V 372
Valvensis episcopus VI 629
Vandalen, Einfall in Gallien VI 169
Unabhängigkeit von Ostrom VI 481, 1
Vannius, Marcomanenfürst IV 447 f.
Varanes, magister peditum? IV 557,2
Varenus Rufus, Process IV 376. 383 ff.
Varro, Quelle des Festus IV 4, 2
Quelle des Plinius für die Kästen-
beschreibung V 239 ff.
Varro Murena, Sieg über die Salasser
VI 177
Varusschlacht, Örtlichkeit IV200ff. 240
Jahreszeit IV 204
Verlauf der Kämpfe IV 243 f.
Adler IV 209, 3. 235, 1. 245 f.
Münzfunde in und um Barenau IV
212 ff.; ihre Beziehung zur Schlacht
IV 234 ff
P. Vatinius, Quästor IV 176
Statthalter von Illyricum IV 162
Veii, Municipium V 219
Veleia, Alimentartafelu IV 456,2. V
131 ff.
Velitrae, latinische Colonie IV 54,2,3
Venafrum, Colonie V 224. 215, 2. 226
P. Ventidius, cos. 711/43, cognomina IV
175
L. Venuleius Apronianus, Proconsul von
Asia V 532 f.
Venus genetrix, Fest IV 181
Venusia, Colonie V 213
Veragri V 374
Vereinswesen VI 163
L.Verginius Rufus, unfreiwilliger Kampf
gegen Vindex IV 339 ff.
Ablehnung der Kaiserwürde IV 341.
346
Votivinschrift IV 353
Tod IV 373 ; Grabschrift IV 351 ; Grab-
mal IV 884
Gedächtnisrede des Tacitus IV 441
Verina, Gemahlin des Kaisers Leo IV
562 ff.
692
Sach- und Namenregister.
I
Verona, colonia Gallieniana V 227
Verus, Partherkrieg IV 483 f.
Tod IV 489
Vesontio, Schlacht i. J. 68 IV 340
Vespasian, adsertor libertatis IV 352
■wahrt Autorität gegenüber dem Mili-
tär VI 38
vermindert die Prätorianercohorten
VI 12. 16
beseitigt nationalen Charakter der
belgisch-germanischen Auxilien VI
59. 98 f.
legt Legionennach CappadocienlV 166
Census V 276
Landanweisungen in Italien V 601
Christenpolitik VI 544
Vestricius Cottius, Nachruf des Pli-
nius IV 439, 3
Vestricius Spurinna, Kämpfe bei Pla-
centia IV 355 f.
gegen die Brukterer IV 374 f. 449
Veteranen, in den canabae VI I91ff. ;
sub vexillo VI 192; Gemeindezuge-
hörigkeit VI 192; Stocken der De-
duction VI 193; Organisation VI
193 ff.; curator veteranorum etcivium
Romanorum VI 193 ff.; quaestor vete-
ranorum VI 196
von Augustus anfangs durch Grund-
besitz, dann durch Capital versorgt
V 602
C. Vettennius Severus, Consulatsjahr IV
381. 384
via, in technischem Sinne Fahrstrasse
V 63
via Postumia IV 356 f.
Vibius Crispus, Reichtum V 589
Vibius Pansa, Eintreten für Cäsar IV 142
Vibo, Municipium V 211
vicarius Galliarum VI 395. 397
Italiae V 166. 189 f. VI 396
Orientis = comes Orientis V 567
Portus VI 432
principis agentium in rebus VI 408.
431
urbis Romae V 166 f. 189 f. VI 395.
397 f. 427. 431
Victoria Caesaris, Spiele IV 180
vicus , in technischem Sinne VI 189 f.
[vicus]
vici, von Hauptgemeinden abhängig
und minderen Rechtes V 419
Vienna, Anschluss an Vindex IV 336.
346,4
Vieunensis, Provinz V 583
Viminacium, Stadtrecht VI 200
Vindex, Heerführer unter Pius IV 492, 1
Vindex, C. Julius, s. Julius
Vindication V 346 f.
Vindobona, Stadtrecht VI 200
Vindolici, Grenzen am Bodeusee V
435
Vindonissa, strategische Bedeutung V
363
Virites Quirini IV 265
C. Visellius C. f. Varro, Senator V 511
Vitellia, apokryphe Colonie IV 54, 3
Vitellianer, Kämpfe bei Betnacum IV
354 ff.; auf dem Kapitol V 44
Vitellius, Umgestaltung der cohortes
praetoriae u. urbanae VI 8. 12. 16
Vocontier, politische Organisation VI
82 f.
Volaterrae, Colonie? V 207. 219
L. Volcacius Tullus, Freund des Properz,
ygafifiarsvg in Asien (?) V 5'i2 f.
Volcientes, Volcentani V 239, 2
Volksuamen zur Bezeichnung der gal-
lischen Gemeinde V 422
Volturnum, Colonie V 221
L. Voluscius L. f., Senator V 511
Volusius Maecianus, Lehrer des Marcus
IV 320
L. Volusius Saturniuus, Proconsul von
Africa IV 184. 187
Vulturnina ecclesia VI 630
Waffenfabriken, Leitung VI 399
Wein, Ausfuhrzoll V 445
Anbau am Genfer See V 383, 2
Weltchronik vom J. 741, Abfassungs-
zeit VI 643 tf.
Westgothen, Einfälle in Illyricum IV
519 ff
Westrom, Centralisation des Oberbefehls
VI 269 f.
Verhältnis zu Ostrom bezüglich der
Gesetzgebung VI 459
Sach- und Namenregister — Verzeichnis der behandelten Stellen. 693
Wirtschaft, Selbstwirtschaft mit Hilfe
des vilicus oder actor V 604 f.; Rück-
gang V 140 ; Verpachtung an einen
colonus oder vilicus V 606
Kleinwirtschaft ersetzt nicht Klein-
besitz V 608
Witiges, Einsetzung VI 480 f.
säugende Wölfin als Erzbild u. auf
Silbermünze IV 2 f. V 15
Zama, Ost- und West- IV 36 ft".
Zama regria = West-Zama IV 37 f. 41 . 60
[Zama]
Ort der Hannibalschlacht IV 41 ff.
Zanticus, Jazygenfürst IV 496
Zeno, Palastrevolution IV 563
Abmachungen mit Odovacar und
Theoderich VI 334. 383. 386
Soldzahlung an Gothen VI 440
Zeugitana, afrikanische Provinz V 585
kaiserliche Ziegeleien V 597
Zollstationen an der Grenze Galliens
V 359 ff.
Zürich, alter Name V 397
II. Yerzeichnis der behandelten Stellen.
Ainiiiiiinus
Die Cassins
21, 8, 1
VI 298
56, 21
IV 243, 1
Apostelgeschichte
57,5
IV 283, 1
27,1
VI 553
Dionysins
28,16
VI 546 ff.
1,72
IV 3
Appianns
Eusebius
bell. civ. 4, 3
V 212 f.
hist. eccles. 3, 39
VI 567 ff.
Lib. 36
IV 45, 2
Festus
Arrianus
p. 56 V. clipeum
IV 30, 1
k'xra^ig xax' 'AXa%
S)v c. 7
VI 148, 2
p. 269 V. Romam
IV 4
Asconius
Groiiiatici
zu Cic. in Pison.
p. 3. 0
r. IV 53, 4
Frontinus
Caesar
passim
Hyginus
p. 171 ff.
p. 194 ff.
p. 204 ff.
V 120 ff.
b. Alex. 53
b. G. 3, 1
4,10
VI 31,3
V 390
V 390 f.
V 100 ff
V 100 ff.
V 104 ff
Cassiortorns
Siculus Flaccus
var. 8, 12
VI 403,5
p. 161
V 143, 1
Cicero
Herodotus
ad Att. IV, 16
V 31
2, 158
VI 616, 4
ad fam. 8, 8, 5
8, 11, 3
12,2
IV 140,
IV 139, 137
138. 142, 142
IV 176 ff.
historia Brlttonum
c. 31
VI 633
15,20
IV 174 ff.
Hyginus
Phil. 3, 10
IV 170, 1
de castram. c. 2. 19. 29.
Vatin. 11, 28
V 49
30. 43
VI 106 f.
694 Verzeichnis der behandelten Stellen — Inschriften,
1
Joseplius
Suetonius
■P
ant. 14, 8, 5
IV 146 ff.
Gaius 7
IV 273 f. 279, 5
Livius
8
IV 274, 1
9,28
V 260 f.
Symmachus
28, 11
V 70
or. II 28
V 469, 1
41,27
V 63 ff.
Tacitus
Philipperbrief
ann. 1, 37
IV 281, 4
1, 12, 13
VI 549, 1
1, 40. 44
IV 281 ff.
Plinius, der ältere
2,5
IV 275, 2
h. n. 3, 5, 68. 69
V 69 ff.
2,26
IV 276, 2
3, 111
V 232, 2
6,17
V 595, 2
7, 13, 57
IV 277, 1
12,27
IV 277, 5
7,60
V 10
15, 5
IV 325, 2
33, 3, 41
IV 320, 2
Germ. 28
IV 277, 5
36, 5, 37
V 511 f.
Velleius
PHiüns, der jüngere
ep. 5, 7
IV 434, 6
1,15
V 254 f.
ad Trai. 29. 30
VI 32, 3
Vitruvius
Plutarchns
8, 3, 24
IV 37, 4
Rom. 9
IV 16, 3
Angnstae
Scriptores historiae
Gallien. 19, 4
V 51
Aeg. Urkunden aus den
K. Museen zu
Seneca
Berlin, Griech.
Urk. I
n. 6 V 493 f.
dial. 10, 12, 2
V 138, 4
Inschriften.
Ancyranum 5, 36 f. V 227, 2
Bücheier, carm. epigr. n. 787 VI 578 ff.
Corpus inscr. Latinarum
vol. I
ed. I n. 203 (s. c. de Asclepiade) IV 58 ff.
ed. I n. 606. 607 = ed. 2 p. 198 V 47 ff.
ed. I p. 310 = ed. 2 p. 229
(feriale Cuman.)
vol. II
5041
vol. III
4855
5565
6159 = 7494
7000
12132
IV 259 ff.
IV 56 ff.
VI 204 f.
VI 237, 1
VI 303 ff.
V 540 ff.
VI 555 ff
Corpus inscr. Latinarum
vol. III
12 240
13 374
vol. V
5050
5069
5262
5279
5702
6416
7357
7832
vol. VI
889
890
V 518 ff. 529 ff.
VI 300 ff
IV 294 ff.
IV 293.
IV 430. 444 ff'.
IV 394
IV 353
IV 274, 1
V 320 ff.
V 323
IV 274
IV 274
Inschriften.
695
Corpus inscr. Latinarum
1
Corpus inscr. Latinarum
vol. VI
vol. XIII
1130
V 57 ff.
5190
V 432
1501
IV 198 f.
5203
V 431 f.
30 920 — 30 927
IV 71 ff.
5205
V 432
32 347
IV 271
, 3. 279, 4
5256
V 431
vol. VIII
6592
VI 166 ff'.
7986
V 484 f.
7250
VI lG3f.
8210
V 486
7301
VI 161 f.
17 412
IV 565 f.
7317
VI 156 ff-
vol. X
7439
VI 171
103
V 256 ff.
7495
VI 173 ff".
211
IV 194, 3
Dessau, inscr. sei.
8855
V 465 ff".
1249
IV 194, 3
Dittenberger, Orient, inscr.
6440
V 71,8
405. 406
IV 81 ft".
7581
V 349 ff".
409-
-413
IV 89 ff'.
7852
V 325 ff.
435
IV 63 ff.
vol. XII
438
IV 65
1244, vergl. Add
• P-
824
441
V 514 ff
Flurkarte von
Arausio)
V 108 ff.
442
V 515 ff
2327
V 222
458
V 518 ff
vol. XIII
493
V 532 ff".
1041
VI 145,1
Sylloge
ed. 2 n.
238. 239
IV 49 ff
3255
VI 316, If)
n
334
V 495 ff".
5076
V 395 ff.
Eph. ep. VII 1040
. 1041
VI 116 f.
0
I
^'^1f%- ,
*f
4 öiNDING SECT. JUN 4
1973
DG
15
Bd. 6
Monmisen, Theodor
Gesammelte Schriften